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Torn

von

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Glückliche Begegnung?

"Maaaaaann, was für 'ne langweilige Mission. Nachdem ich zweieinhalb Jahre mit Ero-sennin unterwegs war, hätte Tsunade-baa-chan uns ruhig etwas Spannenderes geben können als Otos Aktionen zu beobachten", beschwerte sich der mittlerweile 16-jährige Naruto lauthals, nur um einen genervten Blick von Sakura und eine Belehrung von seinem Sensei Kakashi zu kassieren. Dieser begann seufzend, die Sachlage zu erklären.
 

"Naruto, du weißt genau, dass es für uns gefährlich werden kann. Wenn Oto uns entdeckt, könnte das übel enden, also wäre es auch in deinem Interesse, ein bisschen leiser-" In diesem Moment wurde Kakashi von jemandem unterbrochen, der so schnell an ihnen vorbeirauschte, dass nur kurz ein weiß-schwarzer Farbstreifen auszumachen war. Verdammt, wer war das? Ich konnte kein Fünkchen Chakra spüren! Jetzt allerdings wurde der grauhaarige Jounin geradezu von einer Chakrawelle überrollt und musste sich schwer wundern, warum er diese nicht eher bemerkt hatte.
 

"Naruto, Sakura, Deckung! Den Chakraquellen nach muss dieser Ninja von ungefähr 20 anderen verfolgt werden." Allerdings hätte Kakashi sich diese Warnung schenken können, denn seine beiden Schüler waren bereits gut versteckt und unterdrückten ihr Chakra. Und das keine Sekunde zu spät, denn kurz darauf preschte eine Gruppe Sound-Ninja an ihnen vorbei.
 

"...ihn kriegen! Orochimaru..." war alles, was sie hören konnten, bevor der feindliche Trupp das Versteck des dreiköpfigen Konoha-Teams passiert hatte.
 

"Ich bin dafür, dass wir nachsehen, was das war, echt jetzt!", flüsterte Naruto aufgeregt. Sakura gab ihm eine Kopfnuss.
 

"Du würdest doch alles machen, um die Mission ein bisschen spannender zu gestalten, was?! Das waren gerade an die ZWANZIG Oto-Nin. Wir müssen uns nicht unbedingt in unnötige Schwierigkeiten bringen. Was sagen Sie dazu, Sensei?", wandte sich Sakura an Kakashi, zweifelsohne, um in ihrer Aussage bestätigt zu werden. Kakashis Gesicht jedoch hatte einen nachdenklichen Zug angenommen. Irgendwie kam ihm die Sache merkwürdig vor. Wieso sollten die Oto-Nin einen einzelnen Ninja jagen, der verdammt gut sein musste, immerhin konnte er sein Chakra vor einem geübten Jounin verbergen. Und noch dazu diese Geschwindigkeit. Wie lange jagten die diesen Ninja schon? Sie waren hier am äußersten Rand von Otogakure, Orochimarus neuestes Lager musste ein paar Kilometer weg sein. Wenn dieser Jagdverein seine Richtung beibehielt, würden sie genau in Konoha landen. Könnte es sein...? Nein, das ist Wunschdenken. Kakashi, bleib auf dem Teppich. Dennoch blieb dieses seltsame Gefühl, welches den Ältesten in der Runde zu seiner nächsten Äußerung veranlasste.
 

"Gut, wir werden das überprüfen. Immerhin hat Tsunade-sama uns aufgetragen, die Ninjas von Oto zu überwachen. Wir folgen also nur den Anweisungen." Selbst in Narutos Ohren klang das irgendwie nach einer Rechtfertigung. Nicht, dass er sich beschweren würde...Er stürzte bereits in dieselbe Richtung, in der vor nicht einmal einer Minute die anderen Ninjas verschwunden waren, kaum dass Kakashi ausgesprochen hatte. Und schaffte es prompt, in einen Kampf hineinzuplatzen...
 

"Chidori Nagashi", hörte Naruto eine ruhige, tiefe Stimme zu seiner Rechten, als er gerade auf eine Lichtung jagte, bevor er, ebenso wie einige Sound-Nin, von einem elektrischen Feld getroffen und zur Seite geschleudert wurde.
 

"Sa-???!", doch weiter kam Naruto nicht, denn er wurde von hinten gepackt und aus dem Weg gezerrt. Als er sich umdrehte, blickte er in Kakashis gefasstes Gesicht, der kurz beruhigend zu ihm runterblickte, nur um ihn anschließend zu ärgern.
 

"Du könntest auch zur Abwechslung mal ein bisschen vorsichtiger sein. Mitten in einen Kampf zu platzen...das bekommt auch nur der Überraschungsninja Nummer 1 hin. Allerdings solltest du lieber deine Feinde überraschen und nicht deine Kameraden."
 

Sakura stand derweil völlig versteinert ein paar Schritte hinter ihren beiden männlichen Teamkollegen und starrte zum Besitzer der Stimme, die wohl alle drei sofort wieder erkannt hatten und ihr entging nicht ein Detail: Sasukes schwarzblaue Haare waren ein bisschen länger geworden, er trug ein weißes, gewandartiges Oberteil mit weiten Ärmeln, dessen aufgestellter Kragen gerade mal einen Blick auf das darunterliegende Schlüsselbein erlaubte. Um die Hüfte war ein schwarzes, breites Band gewickelt, in dem eine Schwertscheide steckte. Dieses ging in eine einfache, schwarze Hose über. Sasukes tiefschwarze Augen blickten konzentriert umher und ließen keinerlei Emotionen erahnen. Nun, es gab eben Dinge, die sich nicht geändert hatten.
 

Auch Kakashi nahm sich Zeit, seinen ehemaligen Musterschüler eingehend zu betrachten, allerdings achtete er weniger auf ästhetische Aspekte. Ihm fiel auf, dass Sasuke bemüht ruhig atmete, seine Augenlider beim Blinzeln ein wenig länger untenblieben als nötig und seine Schultern ein wenig mehr herunterhingen als es normal gewesen wäre. Kurz: der Uchiha mochte sich um Fassung bemühen, aber allmählich war er mit seiner Ausdauer am Ende. Diese chakrazehrende Chidoritechnik war demnach keine so brillante Idee gewesen. Aber immerhin hatte sie ihm und den Konoha-Nin ein paar Sekunden verschafft, um sich zu sammeln. Und was für eine Wahl war ihm geblieben? Es waren zu viele Feinde für einen einzelnen Shinobi. Auch registrierte der Jounin, dass Sasuke, wohl eher unbewusst, seinen rechten Fuß ein bisschen mehr zur Seite gesetzt hatte und damit wie eine menschliche Abwehrwand zwischen den Konoha-Nin und den Oto-Nin stand.
 

"Aber Sasuke-kun, du wirst dich doch nicht etwa gegen uns stellen, oder?", war eine allzu bekannte Stimme zu vernehmen.
 

"Hn. Spar dir das, Kabuto, meine Gesinnung sollte allmählich klar sein", zischte Sasuke.
 

"Das ist sie, deshalb solltest du jetzt schön brav mit uns kommen", meine Kabuto gelassen.
 

"PAH! Von wegen! Wenn er mit jemandem geht, dann ja wohl mit uns! Ich lass nicht zu, dass uns dieser Teme noch einmal entkommt!", ereiferte sich Naruto.
 

"Dobe, du solltest lernen, nicht immer die Aufmerksamkeit auf dich zu ziehen." Sah Naruto da einen Hauch Verärgerung in Sasukes Augen? Musste er sich wohl eingebildet haben, denn als er genauer hinsah, konnte er nur Emotionslosigkeit ausmachen. Das ist so typisch! Immer muss er den Coolen raushängen lassen. Da sehen wir uns nach zweieinhalb Jahren wieder und anstatt sich zu entschuldigen, beleidigt er mich auch noch. ARGH! Dieser- Mehr Zeit hatte Naruto nicht für seinen inneren Wutausbruch, denn Kabuto hatte Sasukes vorübergehende Unaufmerksamkeit genutzt und ihn mit einem seiner medizinischen Jutsu am Oberkörper getroffen.
 

"Verdammt, was-", presste der Uchiha hervor, bevor er in die Knie sank.
 

"Du solltest deine so gepriesene Aufmerksamkeit nicht einfach so aufgeben, um einen alten Teamkameraden zu beleidigen, Sasuke-kun. Solche Spielereien sind doch sonst nicht deine Art. Wie dem auch sei, deine Flucht findet genau hier ihr Ende, denn mit einer gelähmten Lunge wirst du kaum noch weit rennen können", feixte Kabuto hämisch und schien darauf zu warten, dass der Getroffene das Bewusstsein verlor. Genau das schien auch wenige Sekunden später der Fall zu sein, denn Sasukes Augen schlossen sich langsam und sein Oberkörper sackte in sich zusammen. Da der Feind augenscheinlich keiner Aufmerksamkeit mehr bedurfte, wandten sich etliche der versammelten Oto-Nin Kabuto zu, um weitere Instruktionen zu erhalten – die Konoha-Ninjas schienen sie dabei nicht sonderlich ernst zu nehmen. Mitten in dieser Bewegung fielen jedoch plötzlich ein paar von ihnen einfach um, so dass nur noch ein paar Mitkämpfer um Kabuto herum standen, genauer gesagt die, die nicht so dumm gewesen waren, dem Feind ihren ungeschützten Rücken zu präsentieren.
 

"Was?" Naruto wusste nicht was geschehen war. In einem Augenblick standen sie alle noch da, im nächsten Moment fielen sie um wie Dominosteine. Was war passiert?
 

"Paralyse. Sie müssen mit irgendetwas Lähmenden am Nervensystem getroffen worden sein", meinte Sakura, die nur wegen ihrer medizinischen Ausbildung erahnen konnte, was gerade passiert war. Kakashi hingegen hatte sämtliche Bewegungen verfolgt, weil er nicht glauben konnte, dass der stolze Uchiha sich Sekunden nach dem Treffer bereits so eine Blöße gab und sein Gesicht nach unten wandte. Ihm konnte die Luft noch nicht ausgegangen sein. Clever. Er muss sie mit einer Chidorivariante getroffen haben. Um ihre Deckung zu umgehen, hat er seinen Zusammenbruch vorgetäuscht, um dann im Fallen seine Technik zu benutzen und den Feind im Rücken zu treffen. Wie kann man auch so dumm sein, den Gegner nicht mehr ernstzunehmen, auch wenn er am Boden liegt?
 

"Chidori Senbon, hab ich Recht? Nun damit hat sich das Blatt wohl gewendet. In Anbetracht der Tatsache, dass wir dem berühmten Kopierninja und dem Jinchuuriki des Neunschwänzigen gegenüberstehen, werden wir uns wohl zurückziehen müssen. Wir sehen uns wieder, Sasuke-kun." Noch einen letzten Blick auf den Sharinganträger werfend, der nur verbissen zurückstarrte, verschwand Kabuto samt Gefolgschaft in einer Rauchwolke.
 

"Wow, was war denn das? Sasuke, welche Technik-", sprudelte Naruto hervor, sich in Richtung seines ehemaligen besten Freundes wendend, nur um zu sehen, wie eben dieser nun doch zusammenbrach.
 

"Sakura, schnell. Wenn wir Kabuto Glauben schenken dürfen, dann kann Sasuke im Moment nicht atmen."
 

"Ja." Schon kniete die Kunoichi an der Seite ihres ehemaligen Teammitglieds und ließ heilendes Chakra in seine Brust strömen.
 

"Er wird eine Weile bewusstlos sein, weil er ein bisschen zu lange auf Sauerstoff verzichten musste. Was machen wir mit ihm?", fragte Sakura, die augenscheinlich nicht mehr ganz so hoffnungslos in Sasuke verliebt war, um die Realität völlig aus den Augen zu verlieren.
 

"Hääää? Gibt's da Fragen, Sakura-chan? Eine günstigere Gelegenheit wird es kaum geben. Er ist bewusstlos! Wir nehmen ihn natürlich mit!"
 

"Naruto, ich dämpfe deinen Enthusiasmus ja nur ungern, aber selbst wenn wir es nach Konoha schaffen, bevor Sasuke aufwacht, wissen wir nicht, wie er sich verhalten wird, wenn er feststellt, dass er sich da befindet, wo er sicher nicht hinwill", sagte Kakashi.
 

"Aber, aber! Er war doch schon unterwegs Richtung Konoha! Vielleicht wollte er von selbst wiederkommen!" Zwei Augenpaare schauten ihn verärgert an.
 

"Naruto, sei doch mal ein bisschen realistischer. Sasuke war zweieinhalb Jahre weg, ohne irgendwelche Anstalten zu machen, zurückzukommen. Du denkst doch nicht ernsthaft, dass er zurückwollte?" Jedoch sprachen Sakuras Augen, in denen sich ein bisschen Hoffnung und auch Traurigkeit widerspiegelten, eine ganz andere Sprache.
 

Auch Kakashi schien noch einen Rest Hoffnung zu haben, denn er hob Sasuke hoch, nachdem Sakura ihre Behandlung beendet hatte, um ihn nach Konoha zu tragen.
 

"Hier lassen können wir ihn schließlich auch nicht. Außerdem bin ich verdammt gespannt zu erfahren, wie Sasuke es geschafft hat, seine ehemaligen Verbündeten gegen sich aufzubringen." Dies sollte Team 7 bald erfahren und es würde ihre Welt vollkommen umkrempeln...

Überläufer?

"WAS? Ist das wirklich nötig??? Wie kannst du das nur tun! Er ist unser Freund!", schrie der blonde Choasninja die Hokage an. Auf deren Stirn pochte bereits eine beachtliche Wutader und jeder Idiot hätte sich jetzt wohl dafür entschieden, lieber die Klappe zu halten - war die Hokage in ihrer Wut doch gnadenlos - jedoch...
 

"Tsunade-baa-chan, ich rede mit dir!!!" Es gab einen fürchterlichen Knall, als Naruto auf dem Boden aufschlug, von einer saftigen Kopfnuss niedergestreckt. Tsunade hatte die Augen geschlossen, atmete tief durch und versuchte, nicht auszurasten. Die Wutader war weiterhin dabei, fröhlich vor sich hinzupochen.
 

"Jetzt hör mir mal zu, Gaki. Selbst wenn du nicht mehr zu jung wärst, um Regierungsangelegenheiten zu verstehen - und ich versichere dir, das bist du - ist dein sogenannter Freund ein gesuchter Nuke-Nin, der nicht nur seinem Dorf den Rücken gekehrt hat, nein, er hat auch versucht, dich umzubringen, seinen besten Freund! Wie kannst du noch an diesen Verräter glauben! Er hat den Willen des Feuers verraten, er hat Konoha hintergegangen", zürnte die Hokage. Zur Erleichterung aller schien sie sich dennoch zu beruhigen. Die beiden Begleiter der Streithähne, Kakashi und Sakura, hofften inständig, dass Naruto aufhören möge, sich immer tiefer in den Schlamassel hineinzureden. Er mochte der Liebling der Hokage sein, aber auch deren Geduld hatte Grenzen.
 

"Aber Baa-chan, Sasuke hat niemals einen Konoha-Nin umgebracht, richtig? Und er hat nie etwas getan, das Konoha geschadet hätte, stimmt's?" Naruto schien nicht zu wissen, wann es genug war. Zum Erstaunen aller Beteiligten lenkte die Blondine ein.
 

"Ja, du hast Recht. Unseren Kenntnissen zufolge hat Sasuke Uchiha niemals einem unserer Leute geschadet. Aber er hat sich mit dem Erzfeind Konohas verbündet und durch seine Flucht seine Freunde in Gefahr gebracht."
 

"Er hat uns nie darum gebeten, ihm zu folgen", murmelte Naruto kleinlaut, denn allmählich gingen ihm die Argumente aus. So langsam schien es der Hokage auch zu reichen, denn ihre Stimme gewann wieder an Lautstärke.
 

"Hörst du dir eigentlich noch selbst zu? Du wärst fast GESTORBEN! Und er hat dich einfach liegen lassen. Und du tust so, als würden wir ihm alle Unrecht tun, nur weil wir ihn behandeln wie es einem Nuke-Nin gebührt. Es ist zu unser aller Sicherheit, dass er im Kerker ist und von Anbu bewacht wird. Wir können absolut nicht einschätzen, wie sich seine Fähigkeiten bei Orochimaru erweitert haben. Wenn man seine Entwicklung seit seiner Kindheit betrachtet, könnte er bereits Jounin-Level erreicht haben. Ich weiß nicht, was du hast, Naruto. Niemand hat ihm wehgetan. Er ist nur in Sicherheitsverwahrung bis zu seiner Anhörung." Tsunade sprach bewusst von erweiterten und nicht von verbesserten Fähigkeiten, denn wer wusste schon, welche teuflischen Techniken Orochimaru seinem Traumgefäß beigebracht hatte, die ganz sicher nicht gut waren...
 

Resigniert sah Naruto das Dorfoberhaupt an und gab vorerst nach. Vielleicht würde nach dem Gespräch mit Sasuke alles besser aussehen. Zu diesem war die kleine Gruppe gerade unterwegs. Er war, nachdem festgestellt wurde, dass er außer akutem Chakramangel, ein paar blauen Flecken und Schnitten keine Schäden davongetragen hatte, sofort weggesperrt worden. Erst ein paar Stunden später durfte Team 7 zur Hokage ins Büro, um die Ereignisse aus ihrer Sicht zu schildern. Ob Sasuke bis dato bereits verhört worden war, wussten seine "Retter" nicht.
 

"Tsunade-sama, ist Sasuke eigentlich schon befragt worden, hat er irgendetwas gesagt?", fragte Kakashi.
 

"Nein, er hat erst vor ein paar Minuten das Bewusstsein wiedererlangt. Er muss sehr erschöpft gewesen sein. Es sieht so aus, als wäre er bereits vor eurem Aufeinandertreffen in ein paar Kämpfe verwickelt worden. Ich wollte ihn in eurer Anwesenheit befragen, möglicherweise steigert das seine Kooperationsbereitschaft. Wenn nicht, wird sich Ibiki mit Freuden um ihn kümmern." Sakura und Naruto tauschten entsetzte Blicke, während sie den beiden Älteren eine Treppe hinunterfolgten. In dem spärlich beleuchteten Gang, der verschiedene Zellen voneinander trennte, roch es nach verfaultem Wasser. Kein Sonnenstrahl hatte je den Weg hier runter gefunden, denn es gab natürlich keine Fenster. Außerdem war es gespenstisch ruhig.
 

"Sasuke ist momentan der einzige Gefangene hier. Schließlich müssen nicht alle gefassten Ninja in Hochsicherheitsverwahrung", erklärte Tsunade und nickte den beiden Anbu zu, die Sasukes Zelle bewachten. Nachdem sie Tsunade darüber informiert hatten, dass der Uchiha bislang kein Wort von sich gegeben hatte, entfernten sie sich.
 

Kakashi blickte zu seinem einstigen Musterschüler. Dieser saß im Schneidersitz an der Rückwand seiner Zelle, die Fuß- und Handgelenke jeweils mit chakraunterdrückenden Fesseln aneinandergebunden. Vielleicht lag es an den Fesseln oder dem minimal gesenkten Kopf, aber seine Haltung wirkte auf Kakashi irgendwie...geläutert? Auch Sasukes Augen waren verbunden. Dennoch zuckte er nicht zusammen, als Tsunade ihn mit kräftiger Stimme ansprach.
 

"Uchiha Sasuke, ich bin Tsunade, die Hokage Konohas. Du weißt, warum du hier bist?"
 

"Tsunade-sama. Ihr seid dann wohl die Nachfolgerin des dritten Hokage." Kakashi, Sakura und Naruto tauschten verwirrte Blicke, Hatte Sasuke gerade wirklich derart respektvoll mit der Hokage gesprochen? Wo war der zwar nicht unhöfliche, aber dennoch mürrische Junge hinverschwunden?
 

"Ja, die bin ich. Und du hast meine Frage nicht beantwortet", gab Tsunade knapp zurück.
 

"Nun, ich bin etwas überrascht, mich in Hochsicherheitsverwahrung wiederzufinden, weggesperrt wie ein Verräter." Die Hokage knirschte verärgert mit den Zähnen.
 

"Du HAST dein Dorf verraten, mehrere Genin in Gefahr gebracht und fast deinen besten Freund getötet!", zischte die Hokage.
 

"Hn. Ich habe mein Dorf niemals verraten und ich kann nichts dafür, wenn die damaligen Verantwortlichen so dumm sind, Orochimarus Elite Genin nachzuschicken. Was aber den letzen Vorwurf angeht..." und hier wandte Sasuke Naruto seinen Kopf zu, als ob er ihn sehen könnte, "Naruto, es tut mir leid. Ich hab mich auf Kyuubis Heilkräfte verlassen und dich so schwer verletzt. Aber es musste echt aussehen, wir wurden beobachtet." Stille. Geschocktes Schweigen. Minutenlang war keiner imstande, irgendetwas zu sagen. Dann:
 

"Sasuke, ich-", begann Naruto, wurde jedoch sogleich unterbrochen.
 

"WAS ERLAUBST DU DIR! Nicht nur, dass du deinen offensichtlichen Verrat abstreitest, nein, du beleidigst auch noch unseren verstorbenen Hokagen und die nichtanwesenden Ältesten, ganz zu schweigen von deiner mehr als spöttisch wirkenden Entschuldigung. Glaubst du im Ernst, du kannst das, was du beinahe angerichtet hast, mit einer Entschuldigung wiedergutmachen?!", tobte Tsunade. Sasuke drehte nun den Kopf in ihre Richtung.
 

"Ich muss sagen, ich bin überrascht. Für eine Hokage verliert Ihr sehr schnell die Fassung", sprach der Uchiha so ruhig, dass es die Hokage noch mehr aus der Fassung brachte.
 

"Außerdem war es meine Mission zu Orochimaru zu gehen, es war die Anweisung vom Hokage, Danzou und den beiden Ältesten." Wenn die Augen von Naruto vorher schon Tellergröße angenommen hatten, so drohten sie jetzt, aus ihren Höhlen zu fallen. Schnell blickte der Chaosninja zu Sakura, die nicht minder geschockt "Sasuke-kun" vor sich hinmurmelte. Selbst Kakashi stand die Überraschung ins Gesicht geschrieben. Was sagte der Uchiha da auch? Wenn das wahr war, dann...Dann hatte er sie nie verraten. Dann bestand noch Hoffnung für Team 7. Das wäre ja toll! Doch Tsunade schnaubte nur verächtlich.
 

"Du denkst doch nicht im Ernst, dass ich dir das glaube. Wenn es jemals so eine Mission gab, warum weiß ich als Nachfolger vom Sandaime nichts davon? Und wieso um Himmels Willen sollte er einen GENIN auf eine solche Mission schicken? Das wäre eine S-RANG-Mission gewesen. Für wie dumm und naiv hältst du mich? Ich hatte ein bisschen mehr als ein paar fadenscheinige Ausreden von dir erwartet, Uchiha." Zum ersten Mal seit Team 7 ihm in der Nähe von Otogakure begegnet war, zeigte sich eine Emotion in Sasukes stoischen Zügen: Es war aufrichtige Überraschung.
 

"Ihr wisst nichts von der Mission? Wie kann das sein? Die Ältesten-"
 

"Spar dir deine Lügen für die Anhörung. Aber ich empfehle dir, dir etwas Besseres einfallen zu lassen, sonst kommst du vielleicht nicht mit deinem Leben davon. Dann wird dein Nuke-Nin-Status bestätigt und du bist vogelfrei. Allerdings werden wir einen so potentiell gefährlichen Ninja nicht frei herumlaufen lassen. Womöglich gehst du zu Orochimaru zurück...", sprach Tsunade und wandte sich zum Gehen. Sasuke hob den Kopf an, seine Körpersprache spiegelte Stolz und auch unverhohlenen Trotz wider.
 

"Orochimaru ist tot", sagte er mit fester Stimme. "Denn ich habe meine Mission erfüllt. Oder glaubt Ihr, die Oto-Nin haben mich zum Spaß durch Otogakure gejagt?" Sasuke konnte nicht verhindern, dass ein Hauch Verbitterung in seinen Worten mitschwang.
 

"Orochimaru ist einer der legendären Sannin! Ein Gör wie du könnte ihn niemals töten!", schrie Tsunade, die sich offensichtlich veralbert vorkam. Was bildete sich dieser Uchiha eigentlich ein? Ihr solche offensichtlichen Lügen aufzutischen... Hätte er sie vorher nicht so hochnäsig belehrt, hätte sie ihm seine gespielte Überraschung vielleicht sogar abgekauft. Der Uchiha war ein Verräter, man durfte ihm nicht trauen. Er war von dem hinterlistigsten Ninja unterrichtet worden, den Tsunade kannte. Sie zu täuschen dürfte ein Leichtes für ihn sein. Das war doch Zeitverschwendung. Wieso hatte sie überhaupt versucht, diesem unverschämten Verbrecher eine Chance zu geben? Sie hatte ja schon viele Frechheiten von vielen Nuke-Nin erdulden müssen, die versuchten, sich irgendwie aus der Affäre zu winden, aber das übertraf alles...

Schüler-Meister-Konversation

Sasuke wartete, bis er keine Chakraquelle mehr spürte und ließ erst dann den Kopf sinken. Diese Blöße würde er sich nicht geben, seine Verzweiflung offen zu zeigen. Er seufzte leise. Doch selbst das wirkte in der Stille seiner Zelle unglaublich laut.
 

"Wieso zur Hölle weiß sie nichts davon?", murmelte Sasuke und versuchte, seine Lage zu verstehen. Gut, er hatte diese Mission nicht ganz uneigennützig angenommen. Er musste stärker werden und Orochimaru hatte ihm diese Gelegenheit geboten. Da hatte er ja auch noch nicht ahnen können, dass der Sannin ihn nicht nur wegen seiner Fähigkeiten ausgewählt hatte. Und doch hatte er es auch für sein Dorf getan. Das Dorf, in dem sein Clan fest verwurzelt war. Oder gewesen war. Und nun dieser Empfang. Was sollte das? Im Moment wusste er nicht, ob er verzweifelt, enttäuscht oder stinksauer sein sollte. Dass sein Team nichts zu seiner Verteidigung zu sagen hatte, besserte seine Laune auch nicht unbedingt. Aber was hatte er erwartet? Sie wussten es schließlich nicht. Nein, sie wussten nichts mehr über ihn. Und das musste auch so bleiben...
 

"Das würde ich auch gern wissen." Der Uchiha konnte diesmal nicht verhindern, dass er unkontrolliert zusammenfuhr. Wieso war noch jemand hier, er hatte doch kein Chakra mehr gespürt! Und seine Anbuwachen versteckten ihr Chakra nicht. Davon abgesehen würden die ihm wahrscheinlich auch nicht glauben, was der andere hier Anwesende seiner Äußerung nach aber augenscheinlich tat.
 

"Kakashi-sensei, wieso haben Sie ihr Chakra verborgen?", sprach Sasuke in leicht anschuldigendem Ton. Oh? Seit wann nennt er mich denn wieder Sensei? Die Mühe hat er sich doch früher auch nicht gemacht. Der grauhaarige Jounin konnte nicht anders als seinen Schüler noch einmal zu mustern. Sasuke hatte seine Haltung sofort wieder geändert, als er sich bemerkbar gemacht hatte. Die leicht hängenden Schultern waren angespannt, der Kopf wieder angehoben, die Brauen leicht zusammengezogen. Auch der so typische Uchihastolz war immer noch wahrnehmbar, und doch...irgendetwas hatte sich verändert.
 

"Naja, möglicherweise wollte ich eine natürliche Reaktion von dir sehen. Du könntest uns mit Leichtigkeit etwas vorspielen. Immerhin hat niemand wirklich kommen sehen, dass du dich gegen dein Dorf richten würdest. Ich hatte zwar deine steigende Wut auf Naruto bemerkt, aber ich war davon überzeugt, dass du dich richtig entscheiden würdest. Sonst hätte ich dir nie ein Siegel verpasst, das seine Kraft aus deinem Willen bezieht. Sasuke, du musst unsere Zweifel verstehen. Du bist vor zweieinhalb Jahren zu Orochimaru gegangen, hast die, welche verbissen versuchten, dich zu retten, sogar bekämpft, warst eine lange Zeit weg und hast wer weiß was getan und dann kommst du wieder und redest von einer Mission. Das ist schon etwas schwer zu glauben, wenn die Hokage nichts davon weiß. Aber falls es dir ein Trost ist: Diese Reaktion eben hat mich endgültig überzeugt."
 

"Ich brauche keinen Trost. Außerdem könnte ich so eine Aktion vorausgeahnt haben und Ihnen eben in diesem Moment etwas vorspielen", blockte der Uchiha ab.
 

"Das ist wahr, aber dann war da noch deine Überraschung vorhin. Nimm's mir nicht übel, aber du könntest so etwas nicht spielen. Dafür unterdrückst du deine Emotionen sonst viel zu sehr." Jemand, der den Clanerben nicht kannte, hätte wahrscheinlich keine Veränderung nach diesen Worten bemerkt, doch Kakashi entging die plötzlich sehr angespannte Kiefermuskulatur Sasukes nicht. Ein Wunder, dass seine Zähne nicht knirschten, so fest, wie sie aufeinandergepresst sein mussten. Wieso reagiert er so empfindlich? Und worauf? "Außerdem solltest du nicht so abweisend sein. Ich bin im Moment wahrscheinlich der Einzige, der dir glaubt. Oh, und natürlich Naruto und Sakura."
 

"Dafür waren sie aber erstaunlich ruhig." Da ist sie wieder. Die leicht gelangweilte Uchihastimme. Wahrscheinlich hat er seine Fassung wiedergewonnen. Schade, wenn er aufgebracht ist, gibt er schneller etwas preis. Das kann ich jetzt wohl vergessen.
 

"Du hast nicht miterlebt, wie sich Naruto vorhin noch für dich eingesetzt hat. Ich hab schon befürchtet, dass Tsunade-sama ihn direkt neben dir in eine Zelle sperrt. Er und Sakura waren nur geschockt von deinen Äußerungen. Kannst du ihnen das wirklich vorwerfen? Du entschuldigst dich bei Naruto und erweist der Hokage für deine Verhältnisse erstaunlich viel Respekt. Das hättest du früher nie getan."
 

"Dinge...ändern sich." Nichts. Kakashi konnte rein gar nichts aus der Stimme ablesen. Auch Sasukes Körpersprache verriet nichts. Seine Augen waren ja leider aus offensichtlichen Gründen verbunden. Warum nur konnte der Jounin trotzdem so deutlich eine Resignation spüren, deren Intensität ihn schockierte? Was ist nur passiert? Oder liegt es an der Situation? Natürlich, Kakashi! Wer würde in so einer Lage nicht verzweifeln? Aber so ganz typisch war das für den sonst so kämpferischen Uchiha nicht. Auch hatte er sich erstaunlich kooperativ gezeigt - naja, für seine Verhältnisse. Kakashi war gespannt, wie sehr sein Schüler sich verändert hatte. Letzterer schien sich gerade in seinen Gedanken zu verlieren. Kakashi nutzte die Gelegenheit, um sich den Kampf noch einmal vor Augen zu führen, dessen Zeuge er vor ein paar Stunden geworden war. Nach ein paar Minuten des Schweigens brach er schließlich die Stille.
 

"Ja, Dinge ändern sich. Aber die Rücksichtslosigkeit dir selbst gegenüber scheint nicht verschwunden zu sein. Es war sehr leichtsinnig, in deinem erschöpften Zustand allein den Kampf gegen die ganze Gruppe aufnehmen zu wollen. Wir hätten dir helfen können." Diesmal zuckte der Uchiha trotz seiner Überraschung nicht. Mh, er scheint sich jetzt stark zu kontrollieren.
 

"Hn. Ich wusste nicht, ob ihr mir helfen würdet. Außerdem hatte ich keine Gelegenheit, euren körperlichen Zustand einzuschätzen, euer Chakra war schließlich verborgen, auch wenn Naruto das noch üben muss. Ihr hättet geschwächter sein können als ich."
 

"Da hast du Recht. Dennoch wirktest du sehr erschöpft auf mich. Wie lange wurdest du verfolgt?"
 

"Nur ein paar Minuten." Nur ein paar Minuten? Trotz dieser unglaublichen Geschwindigkeit kann ihn das nicht SO sehr ausgelaugt haben.
 

"Wieso warst du so erschöpft?" Sasuke schnaubte verächtlich.
 

"Orochimaru zu töten und sich dann den Weg aus dem Versteck freizukämpfen, ist eben kein Spaziergang. Ich bin ohnehin nur lebend rausgekommen, weil Orochimarus beste Ninjas gerade unterwegs auf Missionen waren. Kabuto hat sich auch nur so schnell in die Flucht schlagen lassen, weil er nur von Lakaien begleitet wurde. Andere wären nie auf meinen billigen Trick reingefallen." Sinnierend blickte er Gefangene auf den Boden, was nur zu erahnen war, da er seinen Kopf minimal neigte.
 

"Du überraschst mich, Sasuke. Seit wann so bescheiden?" Der Uchiha wirkte plötzlich wieder sehr angespannt, doch seine Stimme war neutral, als er auf diese Äußerung reagierte, von der er nicht wusste, ob sie wirklich nur die Überraschung Kakashis zum Ausdruck bringen sollte.
 

"Es ist die Wahrheit. Ein Ninja muss in der Lage sein, die Situation objektiv einzuschätzen." War ja klar, dass der Uchiha ihm die Konversation nicht leicht machen würde. Keine einzige Information gab er bereitwillig und nun kam er auch noch mit allgemeingültigen Weisheiten, um vom Thema abzulenken. Aber Kakashi wusste ohnehin, was er erfahren wollte: Sasuke hatte nicht gelogen. Jetzt galt es herauszufinden, warum der Ältestenrat gewisse Informationen vor der Hokage verheimlicht hat und was seinem Schüler in den vergangenen Jahren widerfahren war. Denn diese Begegnung hatte Kakashis Neugier geweckt...

Feindbild eines Freundes

Kakashi stieg die Treppen des Gefängnisses hinauf und ließ einen vor sich hin grübelnden Uchiha zurück, doch erst nachdem er letzterem versprochen hatte, ihm zu helfen. Was konnte Sasuke auch anderes tun, als auf seine Anhörung zu warten? Und wie die ausgehen würde, stand in den Sternen. Immerhin würde sich der Clanerbe direkt mit den Ältesten anlegen, die sicher nicht aus reiner Nächstenliebe schwiegen. Das war schon eine merkwürdige Situation. Wieso einen guten Ninja auf Mission schicken, um ihn anschließend fallen zu lassen? Was hatte Sasuke sich vor der Mission denn schon zu Schulden kommen lassen?
 

"Hatake-san?"
 

"Mh?" Als der Angesprochene aufsah, blickte er direkt in das fragende Gesicht einer der beiden Anbuwachen.
 

"Oh, ihr könnt jetzt wieder zu Sasukes Zelle gehen. Sind irgendwelche Besuchszeiten festgelegt?", fragte Kakashi.
 

"Eigentlich ist für den Verräter keine weitere Besuchserlaubnis vorgesehen. Da müssen Sie mit der Hokage sprechen." Oje, die war wohl vorhin noch wütender als ich dachte. Das wird nicht einfach. Warum musste der Uchiha die Hokage auch derart auf die Palme bringen und seine Lage nur noch mehr verschlechtern?
 

"Das werde ich. Und ihr solltet euch nicht vorschnell ein Urteil bilden. Bis zur Anhörung muss er neutral behandelt werden, so lautet Konohas Gesetz", sprach er und lief an den beiden leise murrenden Wachen vorbei. Wenn schon die beiden Anbu nur Verachtung für Sasuke übrig hatten, die vorher nichts mit ihm zu tun gehabt haben, wie würden dann die Dorfbewohner reagieren? Die Situation war wohl noch verzwickter als er gedacht hatte und nur Koharu, Homura und Danzou konnten sie auflösen. So in Gedanken versunken erreichte der Kopierninja schließlich den Ausgang und blinzelte dem Sonnenlicht entgegen.
 

"-glauben, Sakura-chan? Er hat sich bei mir entschuldigt! Er ist eben doch unser Freund!" Kakashi schmunzelte und sah Naruto kurz beim Jubilieren zu. Dieser schien nicht zu merken, dass ihm von Passanten merkwürdige Blicke zugeworfen wurden. Auch Sakura sah sehr erleichtert aus und schien sich um ihre Umgebung ebenfalls nicht zu kümmern. Es ist noch nicht alles verloren. Sasuke hat immer noch Freunde an seiner Seite.
 

"Ihr glaubt ihm also auch", konstatierte Kakashi noch einmal das Offensichtliche.
 

"Natürlich tun wir das, Sensei! Aber fanden Sie es nicht auch merkwürdig, wie höflich Sasuke zu Tsunade-shishou war?" Bevor der Jounin überhaupt etwas sagen konnte, mischte sich Naruto ein.
 

"Bestimmt hat er nur Angst vor Baa-chan", feixte der Chaosninja.
 

"Baka, dann hätte er sie bestimmt nicht provoziert", keifte Sakura.
 

"Ihr dürft nicht vergessen, dass zweieinhalb Jahre vergangen sind, in denen auch ihr euch verändert habt. Wer weiß, was Sasuke alles erlebt hat. Er ist sicher nicht mehr derselbe", gab Kakashi zu bedenken, auch wenn er nicht glaubte, dass Orochimaru während der Ausbildung des Uchihas großartigen Wert auf Höflichkeitsfloskeln gelegt hatte.
 

"Dann respektiert er Baa-chan eben, ist doch auch egal. Mich interessiert viel mehr, wie stark er jetzt ist. Ich könnte ihn bestimmt besiegen, echt jetzt!" Kakashi musterte seine beiden Teammitglieder. Sonst war ihnen wohl keine Veränderung an ihrem Freund aufgefallen. Merkwürdig. Die Hokage konnte ja nichts bemerkt haben, sie kannte Sasuke schließlich nicht von früher. Vielleicht sollte er noch einmal mit ihr reden. Immerhin würde sie auch die Anhörung führen.
 

"Ich muss noch einige Dinge erledigen. Wir sehen uns dann morgen beim Training", verabschiedete sich der Gruppenführer von seinen Schützlingen. Dabei bemerkte selbst er nicht, dass sie beobachtet wurden...und auch seine Schüler nicht. Völlig ahnungslos unterhielten diese sich noch ein Weilchen, bis sich Sakura ebenfalls entschuldigte, um ins Krankenhaus zu gehen. Sie nahm ihre Ausbildung zur Medic-Nin sehr ernst, auch wenn sie immer noch ein fester Bestandteil von Team 7 war. Naruto schlenderte währenddessen nach Hause. Auf dem Weg dorthin traf er Sai. Mittlerweile waren die beiden gut befreundet, doch am Anfang hatte alles noch ganz anders ausgesehen.
 

Naruto hatte den Neuen nicht als Ersatz für Sasuke akzeptiert und Sai musste auf die harte Tour lernen, wie tief die Freundschaft zwischen den beiden war. Zumindest auf einer Seite. Nach und nach hatte er sich jedoch in das Team eingefügt und zeigte sich sehr interessiert an der Verbindung zwischen dem Uchiha und dem Uzumaki.
 

"Ah, hallo Sai! Lange nicht gesehen. Wie läuft es denn so bei den Anbu?"
 

"Ganz gut. Aber ich mache trotzdem lieber Missionen mit euch. Das ist viel lustiger", lächelte Sai, und es sah fast echt aus. Er hatte immer noch Probleme, aufrichtige Emotionen zu zeigen. Dass er nach wie vor zu einer Root-Einheit gehörte, besserte diesen Zustand nicht unbedingt, obwohl Tsunade Danzou befohlen hatte, die ihm unterstellten Ninjas ein bisschen menschlicher auszubilden. Dennoch konnte sie nicht allzu viel ausrichten, immerhin waren die Ninjas Danzou unterstellt, da hatte selbst die Hokage nicht viel zu melden.
 

"Mh, wir werden vielleicht bald keine Missionen mehr zusammen machen. Weißt du was passiert ist? Wir haben Sasuke gefunden! Er ist zurück! Ist das nicht toll?", strahlte der Blondschopf. Sai neigte den Kopf extrem zur Seite, wohl um seine Überraschung auszudrücken.
 

"Das ist schön für euch, Naruto. Hast du denn schon mit ihm gesprochen?"
 

"Nicht direkt, Baa-chan hat ihn verhört und ich war dabei. Aber stell dir vor: Er hat uns gar nicht verraten! Es war seine Mission, zu Orochimaru zu gehen. Er hat sich sogar bei mir entschuldigt, weil er mich im Tal des Endes verletzt hat. Er sagte, das musste er tun, denn Orochimaru hatte uns beobachten lassen."
 

"Das klingt aber nicht nach dem stolzen Eisklotz, den du mir immer beschrieben hast."
 

"Najaaaa, da hab ich wohl etwas übertrieben. Aber seine Entschuldigung war trotzdem überraschend. Und wie höflich er Baa-chan gegenüber war, Wahnsinn. Vielleicht wird er ja noch richtig nett. Ich freu mich schon auf unser erstes Training. Oh, und wir müssen unbedingt Ramen zusammen essen gehen! Wir haben so viel nachzuholen! Ist was, Sai, du siehst ein bisschen traurig aus?", fragte Naruto besorgt. Sofort setzte Sai sein typisches Lächeln wieder auf.
 

"Nein, nein. Ich hoffe nur, dass Sasuke deinen Enthusiasmus teilt."
 

"Aber klar doch! Schließlich ist er mein bester Freund, echt jetzt!" Diese Äußerung zauberte dem Root-Anbu ein echtes Lächeln ins Gesicht.
 

"Ich muss jetzt aber weiter, Naruto. Vielleicht sehen wir uns ja bald wieder." Sai winkte noch kurz und schon war er verschwunden. Der Blondschopf setzte seinen Weg nach Hause fort, wo er sich eine Schüssel seiner geliebten Instant-Ramen machen würde.
 

~*~
 

Kakashi war indessen auf dem Weg zur Hokage. Er musste die Lage peilen. Sie durfte sich nicht zu sehr in ihre Wut hineinsteigern. In der Anhörung war sie zwar dem "Angeklagten" gegenüber zur Neutralität verpflichtet, nur hatte der Jounin momentan leise Zweifel, dass sie sich daran erinnern würde. Sie hasste nichts mehr als Respektlosigkeit und die unverschämten Kosenamen Narutos ließ sie sich nur gefallen, weil er eben ihr Liebling war. Doch leider würde dieser in der Anhörung nichts zu sagen haben. Wahrscheinlich würden nur die direkt Beteiligten angehört werden, da man sich nicht auf Mutmaßungen vom Umfeld verlassen musste. Der Fall war eindeutig: Entweder die eine oder die andere Partei log. Und Konoha hatte seine Mittel und Wege, ebendies herauszufinden. Der Jounin schickte noch schnell ein Stoßgebet zum Himmel, dass die Hokage sich ein wenig beruhigt haben möge und dann klopfte er an deren Bürotür. Das mürrischste "Herein", das er je gehört hatte, zerstörte spontan jede Hoffnung. Das konnte ja heiter werden.
 

"Kakashi. Ich hab mich schon gefragt, wann du hier auftauchen würdest."
 

"Wie meint Ihr das, Tsunade-sama?"
 

"Nun, es ist doch ganz offensichtlich, dass du mit diesem Uchihabalg sympathisierst."
 

"So wie Ihr das ausdrückt, könnte man meinen, er wäre der Staatsfeind Nummer 1."
 

"Er arbeitet immerhin mit dem Staatsfeind Nummer 1 zusammen!" Tsunade war schon wieder dabei, sich aufzuspulen.
 

"Das ist doch noch gar nicht bewiesen", versuchte Kakashi zu beschwichtigen, "Sasuke war wirklich ziemlich am Ende, als er uns begegnet ist, das kann nicht geplant gewesen sein. Ich bezweifle, dass er es noch bis nach Konoha geschafft hätte und die Otos können nicht gewusst haben, dass wir da sind, so schlecht haben wir uns nicht getarnt."
 

"Nun, da du es auch noch einmal feststellst: Ich hatte es vorhin nicht erwähnt, weil ich ihn in Ruhe beobachten wollte, aber nicht nur das Chakra von dem Bengel war erschöpft. Sein Körper ist bemerkenswert ausgelaugt. Das kommt nicht von ein paar anstrengenden Kämpfen. Es sieht eher nach einer ungesunden Dauerbelastung aus."
 

"Naja, er wird bei Orochimaru ständig trainiert haben."
 

"Das meine ich nicht. Sein Blutdruck ist sehr hoch, dafür ist die Körpertemperatur zu niedrig, der ganze Körper ist erstaunlich energiearm und diese tiefen Augenringe, die selbst unter der Augenbinde hervorlugen, dürften dir wohl kaum entgangen sein."
 

"Worauf wollt Ihr hinaus?" Die Augenringe hatte Kakashi nicht weiter ernst genommen. Himmel, Sasuke hatte Orochimaru getötet und sich aus seinem Lager gekämpft! Das war ja wohl logische Ursache genug.
 

"Das sind alles physische Symptome eines chronischen Schlafmangels. Aber im Gegensatz dazu hat er keine psychischen gezeigt. Keine Konzentrationsstörungen, Halluzinationen oder Beeinträchtigung des Denkvermögens. Er wirkte bei der Befragung vollkommen konzentriert und klar, wenn man von seinen Unverschämtheiten absieht. Das passt nicht zusammen. Ein Grund mehr, ihm zu misstrauen." Chronischer Schlafmangel? Wie passte das denn jetzt ins Bild?
 

"Aber wenn er bei Orochimaru nicht geschlafen hat, zeigt das doch sein Misstrauen seinem ehemaligen Meister gegenüber, oder? Immerhin ist man im Schlaf wehrlos. Vielleicht konnte er sich diese Blöße dort nicht erlauben."
 

"Oder es ist ein raffiniertes Täuschungsmanöver. Ganz offensichtlich wurde Wert darauf gelegt, dass er seine kognitiven Fähigkeiten behält. Das ist verdächtig." Tsunade war offensichtlich gewillt, möglichst vom Schlechtesten auszugehen. Kakashi sah sich auf verlorenem Posten. Daher entschied er sich für einen weniger subtilen Ansatz.
 

"Werdet Ihr ihm wenigstens eine faire Chance geben, die Dinge aus seiner Sicht zu schildern?"
 

"Kakashi, du müsstest mich besser kennen. Ich werde natürlich nicht unfair dem Bengel gegenüber sein, da braucht es schon ein wenig mehr als ein paar Provokationen." Die Antwort hierauf ersparte sich der Jounin lieber.
 

"Kann ich Sasuke vor der Anhörung noch einmal besuchen?"
 

"Nein. Sieh mich nicht so an. Ich will nur das Risiko minimieren, dass er jemanden manipuliert oder an Informationen kommt, die ihn nichts angehen. Bedenke, dass er kein Einwohner Konohas mehr ist. Außerdem ist die Anhörung bereits in drei Tagen, obwohl es mir lieber wäre, ihn sofort Ibiki zu übergeben, aber das Protokoll sieht nun mal eine andere Herangehensweise vor. Diese paar Tage wird er wohl aushalten - er soll doch schließlich immer ein Einzelgänger gewesen sein." Der Ton in Tsunades Stimme ließ keinen Widerspruch zu. Dennoch konnte sich Kakashi eine letzte Erwiderung nicht verkneifen.
 

"Auch Einzelgänger brauchen gelegentlich etwas Zuspruch..."

Anhörung

Die nächsten Tage verbrachte Team 7 hauptsächlich in Sorge. Sakura konnte sich nicht auf ihre medizinische Ausbildung konzentrieren, die doch ziemlich viel Präzision erforderte, das Training waberte lustlos vor sich hin und selbst Naruto hatte einmal seine naive Euphorie abgelegt und den Tatsachen ins Auge geblickt: Es sah nicht gut aus. Er hatte die Hokage besucht, um sie einmal mehr wegen einer neuen, superschwierigen Mission zu nerven und hatte dabei mitbekommen, wie ihre Haltung gegenüber seinem besten Freund war. Er war so besorgt gewesen, dass er vergaß, um einen Auftrag zu betteln und anschließend in den Park ging, wo er Sai begegnet war und sich von ihm hatte trösten lassen.
 

Natürlich hatte Kakashi versucht, Sasuke noch einmal zu besuchen, nur um bestimmt zurückgewiesen zu werden. Dafür hatte er sich nach dessen Schlafgewohnheiten erkundigen können. Anfangs waren die Anbu verwirrt gewesen, dass er so etwas fragte, doch dann antworteten sie ihm zögerlich. Der Uchiha habe die drei Tage in seiner Zelle nie geschlafen, nur meditiert, das aber ziemlich lange. Dem Jounin war natürlich bekannt, dass ein Ninja Schlaf in gewisser Weise mit Meditation ersetzen konnte, doch das funktionierte nicht hundertprozentig: Der Geist erholte sich zwar, doch der Körper bekam kaum Ruhe, da er unterbewusst stets in Alarmbereitschaft gehalten wurde. Allerdings war diese Technik nicht dafür konzipiert, sie längerfristig einzusetzen. Sie war für Einsätze gedacht, bei denen Ninjas ein paar Tage im Feindesland ausharren und überleben mussten. Sie gestattete kurzzeitige Erholung und dennoch fast vollständige Kontrolle über sich selbst. Das erklärte Sasukes Symptome, aber nicht, warum er ein solches Verhalten in Konoha für nötig hielt. Wie lange machte er das wohl schon? Und misstraute er jetzt seinem eigenen Dorf? Oder passierte irgendetwas Schreckliches (das Kakashi sich lieber nicht ausmalen wollte, da er kurz mit den Gedanken zu Gaara schweifte), falls Sasuke doch einschlafen sollte? Hatte Tsunade am Ende Recht? War Sasuke Orochimarus Geheimwaffe geworden? Trotz seiner Zweifel, für die sich der Kopierninja selbst schalt, weil er eigentlich keinen Grund dafür hatte, erzählte er Tsunade nichts von seiner Entdeckung. Ob Sasukes Wachen so etwas für wichtig genug hielten, um es der Hokage zu melden, wusste er nicht, aber sicher würde er sie nicht mit der Nase drauf stupsen.
 

Das nächste Mal sah Kakashi Sasuke zur Anhörung. Er hatte sich, mitsamt sämtlichen Jounin, Chuunin und einigen Bürgern Konohas, die am Schicksal des Letzten vom einst so angesehenen Uchihaclans interessiert waren, in einem riesigen Saal eingefunden und saß dort in der dritten Bankreihe. Tsunade befand sich hinter einer Art Richterpult. Normalerweise würden neben ihr die beiden Ältesten sitzen, da sie jedoch direkt vom Geschehen betroffen waren, saßen sie in der ersten Reihe und warteten auf ihre Befragung. Stattdessen umgaben Tsunade zwei Jounin, denen sie sehr vertraute: Nara Shikaku und Sarutobi Asuma. Diese blickten gerade synchron in Richtung Tür, was eine Welle von sich umwendenden Köpfen nach sich zog, die alle das erblickten, worauf sie bereits seit einer halben Stunde warteten: Der Gefangene wurde hereingeführt, wie immer begleitet von zwei Anbuwachen, gefesselt mit Chakrafängern und mit verbundenen Augen. Natürlich. Und er hatte sein Chakra unterdrückt, wie schon die ganze Zeit in Konoha. Täuschte sich Kakashi oder wankte Sasuke leicht? Genau überprüfen konnte er seine Beobachtung nicht, denn schon war die kleine Kolonne an ihm vorbei und Sasuke auf einem Stuhl vor Tsunade positioniert. Diese verlor keine Sekunde und begann mit energischer Stimme zu sprechen.
 

"Uchiha Sasuke, dir wird vorgeworfen, dein Dorf verraten zu haben und zu Orochimaru übergelaufen zu sein. Des Weiteren hast du zur Vereitelung deiner eigenen Rettung beigetragen und die daran Beteiligten in Gefahr gebracht, beziehungsweise einen fast tödlich verletzt. Kannst du etwas zu deiner Verteidigung hervorbringen?" Allein die Formulierung sprach Bände. Tsunade fragte nicht nach Informationen, die den Uchiha entlasten könnten, nein, mit ihrer Frage, ob er sich denn überhaupt verteidigen könne, zweifelte sie die Existenz solcher Informationen direkt an. Sasuke ging nicht darauf ein. Er schaute geradeaus, sodass sein Blick das Pult, aber nicht Tsunade treffen würde und wollte gerade zu einer Antwort ansetzen, bevor Tsunade ihn unterbrach:
 

"Bevor du anfängst, muss ich noch etwas loswerden. Während deiner Befragung wird ein Ninja mit einem leichten Jutsu deine Gedanken überwachen und auf Unstimmigkeiten überprüfen. Er wird sie nicht lesen, aber merken, wenn du lügst." Bei den Worten "Gedanken überwachen" war Sasukes Kopf hochgeruckt.
 

"Ist das nicht in einer offiziellen Anhörung verboten?", fragte er.
 

"Gedankenlesen, ja. Allerdings wird bei dieser Technik nichts Konkretes wahrgenommen. Nur Schwankungen. Du behauptest doch, unschuldig zu sein, wovor solltest du also Angst haben?", sprach Tsunade mit einem süffisanten Grinsen im Gesicht. Überraschenderweise deutete sich auch in Sasukes Gesicht ein Grinsen an. Aber ein verbissenes.
 

"Nun, nicht alles in meinem Kopf ist für die Öffentlichkeit bestimmt."
 

"Zweifelsohne. Aber sei unbesorgt. Sollte die Anhörung heute ungünstig für dich verlaufen, wirst du zum Verhör zu Ibiki Morino gebracht und dem ist es erlaubt, Gedankenlese-Jutsu einzusetzen. Also solltest du lieber gleich kooperieren. Bringt Inoichi herein!", befahl die Hokage. Dieser traf keine Minute später ein. Er formte einige Fingerzeichen, positionierte seine Finger an Sasukes Schläfen und nickte Tsunade zu.
 

"Tch", entfuhr es dem Uchiha und er biss die Zähne zusammen.
 

"Solltest du da gerade versuchen, Chakra zu konzentrieren, kannst du das vergessen, deine Fesseln unterdrücken deinen Chakrafluss. Das Einzige, was du damit erreichst, ist, dir immense Schmerzen zuzufügen. Und nun zu meiner Frage von vorhin - ich höre." Sasuke zwang sich aus seiner leicht verkrampften Haltung und antwortete mit betont ruhiger Stimme.
 

"Wie ich bereits sagte, Tsunade-sama, war dieses Überlaufen im Rahmen einer Mission nur vorgetäuscht. Mein Auftrag war es, Orochimarus Reihen zu infiltrieren und ihn zu töten, sobald sich die Gelegenheit ergibt." Erleichterung machte sich in Kakashi breit. Was auch immer Sasuke vorhin getan hatte, jetzt schien er der Hokage entgegenzukommen. Und er antwortete respektvoll. Das war gut. Dennoch behielt Tsunade ihren scharfen Ton bei.
 

"Zweieinhalb Jahre sind für eine einzelne Mission eine verdammt lange Zeit."
 

"Hn. Ich hatte keine Zeitvorgabe. Außerdem war Orochimaru sehr stark. Als ich zu ihm kam, hatte er gerade einen neuen Körper übernommen, was mein Glück war. Ich konnte ihn nur töten, weil sein Körper zu verfallen begann und er sehr geschwächt war." Diese Information schien Tsunade etwas zu versöhnen.
 

"Und wer soll dir diesen Auftrag gegeben haben?"
 

"Danzou überbrachte mir die Mission im Auftrag von Koharu und Homura. Sie meinten-"
 

"Erweise ihnen gefälligst den Respekt, der ihnen gebührt und sprich sie wenigstens mit -san an, du unverschämter Bengel!", herrschte Tsunade den Befragten an. Dieser antwortete so kalt, dass die Lufttemperatur um ein paar Grad zu sinken schien.
 

"Ich weigere mich, Lügnern Respekt zu erweisen, die ihre eigenen Ninjas verleugnen." Der ganze Saal schien den Atem anzuhalten. Kakashi stöhnte entsetzt auf. Entweder war dieser Uchiha lebensmüde oder dumm. Wie konnte man nur so stur sein? Hatte er aus seiner letzten Begegnung mit der Hokage nichts gelernt? Gespannt schauten alle auf Tsunade, die die Zähne fletschte und mal wieder diese imposante Wutader auf der Stirn hatte.
 

"Sie meinten, es sei zu gefährlich, mich persönlich zu treffen. Orochimaru könnte misstrauisch werden und sich fragen, was ein Genin mit den Dorfältesten zu schaffen hat", fuhr Sasuke unbeirrt seine Rede fort. Konnte er diese mörderische Aura nicht spüren oder ignorierte er sie?
 

"Hast du Beweise für deine Behauptungen?", schnappte die Hokage sichtlich um Fassung bemüht. Eine Pause trat ein. Sasuke atmete hörbar aus und setzte zu einer Antwort an.
 

"Nein. Wie auch? Hätte ich Beweise zu Orochimaru schleppen sollen, um mich besser ans Messer zu liefern?" In diesem Worten schwang so viel unverhohlene Verbitterung mit, dass sich die Stimmung im Saal schlagartig änderte. Viele kannten Sasuke, wenn auch nur flüchtig, und sie alle wussten, dass er normalerweise keine Emotionen zeigte, die ihn angreifbar machten. Stereotypen waren im Dorf eben bekannt. Umso erstaunlicher war dieser Beinahe-Ausbruch. Ging es dem Uchiha etwa wirklich so nah? War er doch unschuldig? Alle Anwesenden schienen momentan diesen einen Gedanken zu teilen. Selbst Tsunade schien versöhnt.
 

"Das leuchtet ein. Wie ist es dir bei Orochimaru ergangen?" Die Hokage musste wirklich etwas mitfühlender gestimmt sein, zeigte sie doch Interesse an Sasukes Schicksal.
 

"Das...ist nicht relevant. Ich habe hart trainiert, um die Stärke zu erlangen, die ich brauchen würde und auf eine Gelegenheit gewartet meinen Auftrag auszuführen. Als mir das gelungen ist, bin ich geflohen."
 

"Und warum hat man ausgerechnet dich, einen Genin, ausgewählt?"
 

"Weil Orochimaru mich vorher ausgewählt hat. Er hat mir während der Chuuninauswahlprüfung das Juin verpasst und mir klar gemacht, dass er mich erwartet. Ich war die Person, die er am allerwenigsten verdächtigen würde, wenn sie zu ihm kommen würde. Eine logische Wahl also." Zumindest dachte der Clanerbe, dass das der einzige Grund war, warum die Wahl der Ältesten ausgerechnet auf ihn gefallen war.
 

"Nun gut. Kannst du Danzou-san identifizieren? Du solltest sein Chakra erkennen können." Sasuke hob den Kopf und konzentrierte sich.
 

"Es ist die fünfte Person von rechts in der ersten Reihe." Zustimmendes Gemurmel erhob sich im Raum. Sasuke hatte den Richtigen getroffen, was seine Geschichte untermauerte, denn es war äußerst unwahrscheinlich, dass der Genin Danzou zu einer anderen Gelegenheit begegnet war, arbeitete dieser doch hauptsächlich im Untergrund. Ausgeschlossen war es jedoch nicht.
 

"Gut, das soll vorerst reichen. Inoichi, hat er irgendwann gelogen?" Der Ninja löste seine Finger von Sasukes Schläfen und sah die Hokage an.
 

"Nein." Erstauntes Raunen. Tsunade schien überrascht.
 

"Allerdings muss ich sagen, dass er mich die ganze Zeit geblockt hat. Er hat mich keinen Millimeter in seinen Geist gelassen." Das Murmeln schwoll an. Tsunade wandte sich dem Clanerben zu, der dazu eigentlich nicht in der Lage sein sollte, trug er doch die Chakrafesseln.
 

"Uchiha, wie hast du das gemacht?"
 

"Ich habe bei Orochimaru gelernt, meinen Geist um jeden Preis zu verschließen. Sonst hätte er erkannt, dass ich niemals auf seiner Seite war." Dass das Erlernen dieser wichtigen Fähigkeit auch noch andere Gründe hatte, musste niemand wissen.
 

"Warum hast du das getan? Dir wurde doch zugesichert, dass deine Gedanken nicht gelesen werden."
 

"Hn. Woher sollte ich wissen, dass er nicht weitergeht? Ich traue niemandem mehr." Wieder diese Bitterkeit.
 

"Das war dir diese Qualen wert? Ganz zu schweigen davon, dass es sehr gefährlich ist. Du hättest dir damit ernsthaft schaden können. Was ist in deinem Kopf verborgen?...Ich nehme nicht an, dass du mir das beantworten wirst. Schafft ihn zu seinem Platz." Die Anbu packten Sasuke an den Oberarmen und zogen ihn hoch. Sofort sackte er nach vorn und Blut tropfte auf den Boden. Geschockt erkannte Kakashi, als Sasuke in Richtung des Publikums gedreht wurde, dass diesem Blut aus der Nase lief. Was hatte er getan? Auch die anderen Anwesenden waren schockiert über so viel bedingungsloses Misstrauen dem eigenen Dorf gegenüber. War an seiner Geschichte womöglich doch etwas dran und er hatte aus tiefster Enttäuschung so gehandelt? Tsunade saß einige Minuten nachdenklich da, bevor sie die Danzou auf den Stuhl zitierte und Inoichi die gleiche Prozedur vornahm wie zuvor bei dem Uchiha.
 

"Danzou-san. Haben Sie jemals einen solchen Auftrag an Uchiha Sasuke übermittelt?" Alle warteten gespannt auf die Erwiderung, die keine Sekunde später kam.
 

"Nein. Ich weiß nicht, warum dieses Gör sich so etwas zusammenspinnt. Wahrscheinlich will er sein erbärmliches Leben retten. Ein trauriger Rest des Uchiha-Clans."
 

"Inoichi, lügt er?"
 

"Nein. Und er hat seinen Geist auch nicht verschlossen."
 

Die Befragung der beiden Ältesten lief ähnlich. Sie verneinten alles und beleidigten Sasuke. Allerdings war allen Anwesenden im Raum klar, dass die Drei Mittel und Wege hatten, so ein simples Jutsu zu übertölpeln, ohne Chakra anwenden zu müssen. Wahrscheinlich kam es auch deshalb zu Tsunades Entscheidung.
 

"Ich werde die Sitzung vertagen. Wir werden die Aussagen gründlich prüfen und nach Beweisen suchen. Solange, bis sich nichts Neues ergibt, bleibt Sasuke Uchiha in Gewahrsam."
 

~*~
 

Gewahrsam, huh? Wenigstens haben sie mich nicht gleich verurteilt. Die Hokage scheint doch fair sein zu können. Sasuke saß in seiner Zelle und versuchte, wieder klare Gedanken zu fassen. Gedanken-Überwachungs-Jutsu. Ausgerechnet. In seinen Kopf würde er nie wieder jemanden lassen, eher würde er sterben. Seine Aktion im Gerichtssaal war gefährlich gewesen, er hätte das Bewusstsein verlieren können und das durfte er auf keinen Fall riskieren. Außerdem war es nicht ganz schmerzfrei gewesen, aber er hatte sich zumindest so weit beherrschen können, nicht zu schreien. Jetzt war er allerdings ziemlich geschwächt und dank dieser verdammten Fesseln konnte er sein Chakra nicht wieder aufbauen und erzwingen würde er das nicht so schnell nochmal.
 

Bestandsaufnahme: Chakra seit Ankunft extrem niedrig, noch mehr bei der Anhörung verbraucht, Zustand erbärmlich schwach. Verflucht, ich bin nahezu wehrlos und sitze hier wie auf dem Präsentierteller. Wenigstens hatte er zwei Wachen an der Tür. Diese schienen es jedoch zu bevorzugen, Abstand zu ihm zu halten, denn statt direkt vor seiner Zelle, standen sie nun am Ausgang an der Spitze der Treppe, ihr Chakra wie immer deutlich wahrnehmbar.Wie lange würden die wohl bis hier runter brauchen würden, wenn ich schreie? Ironischer Gedanke, denn irgendwie glaubte Sasuke nicht, dass die Wachen zu seinem Schutz hier waren.
 

Plötzlich bekam er ein merkwürdiges Gefühl. War da jemand? Sofort war er in Alarmbereitschaft. Aber das konnte nicht sein, er hatte nichts gehört. Wieso sollte sich jemand die Mühe machen, vollkommen geräuschlos die Treppe herunterzusteigen? Reiß dich zusammen, Uchiha und werd hier nicht paranoid! Einen Kampf mit den Wachen hättest du mitbekommen. Doch gerade als Sasuke sich wieder halbwegs beruhigt hatte, streifte etwas Scharfes seine Wange...

Anschlag!

Etwas geknickt lief Sai durch das Root-Lager. Naruto hatte ihm erzählt, was in der Anhörung passiert war und wie geschockt er über das Ausmaß an Misstrauen war, das Sasuke anscheinend dem Dorf gegenüber hatte. Natürlich hatte der Chaosninja das persönlich genommen und beteuert, er müsse Sasuke unbedingt zeigen, dass er noch Freunde im Dorf hatte, die ihn nicht im Stich lassen würden. Sai war von so viel Treue einfach beeindruckt. Er würde alles tun, um Naruto zu helfen.
 

"-könnte uns gefährlich werden. Wir mussten es tun!" Nanu, das war doch Danzou. Wer war das da vor ihm? Glücklicherweise hatten sie Sai nicht bemerkt. Er entschied sich dafür, seinen Vorgesetzten zu hintergehen und ihn zu belauschen. Immerhin war das gerade keine unverdächtige Äußerung gewesen.
 

"Das ist zu gefährlich. Es dürfte ja wohl offensichtlich sein, wer dahintersteckt!" Danzou schien ernsthaft sauer zu sein. Hatte er ihn deshalb nicht bemerkt?
 

"Jetzt ist es zu spät. Du hast doch sicher selbst gemerkt, wie die Stimmung sich gewendet hat. Er hat Zuspruch gefunden. Wenn die Hokage anfängt, ihm zu glauben..." wendete die Gestalt ein, die leider von Schatten verborgen war.
 

"Dafür dürfte es zu spät sein. Noch gibt es keine Beweise. Nach dieser Aktion aber wird der Verdacht doch sofort auf mich fallen!"
 

"Du weißt, dass zum Wohle des Dorfes Opfer gebracht werden müssen. Wer konnte auch ahnen, dass das Uchihabalg die Mission überleben würde. Naja, wenigstens dieses Problem haben wir nun nicht mehr..." Das konnte nicht sein! Sai konnte es nicht glauben. War Sasuke etwa in Gefahr? Das musste er unbedingt überprüfen. Was würde Naruto sagen, wenn dem Uchiha etwas zustoßen würde?
 

~*~
 

Das Kunai bohrte sich hinter ihm in die Wand. Sofort führte Sasuke seine gefesselten Hände zu seinem Kopf und riss die Augenbinde herunter. Immerhin ist das ein Notfall. Die Hokage wird sich schon wieder einkriegen. Da seine Augen seit Tagen verbunden waren, mussten sie sich glücklicherweise nicht erst an die Dunkelheit gewöhnen und der Uchiha konnte seine beiden Angreifer sofort erkennen. Das waren keine gewöhnlichen Anbu, wie es aussah. Solche Kampfanzüge hatte er bislang noch nicht gesehen.
 

"Die Frage, was ihr wollt, kann ich mir wohl schenken."
 

"Nicht so überheblich, Uchiha, wir haben dich immerhin in der Hand", meinte einer der beiden Angreifer nicht minder überheblich, während er die Zelle aufschloss.
 

"Wer schickt euch, Danzou oder die Ältesten?", fragte Sasuke, um etwas Zeit zu gewinnen. Womöglich würden seine Wachen ja doch aufkreuzen. Das Chakra der beiden würden sie schon spüren, sobald diese Jutsu anwendeten, obwohl es dann wahrscheinlich auch schon zu spät war. Sollten sie ihm allerdings die Kehle durchschneiden wollen, sah es schon anders aus - dazu brauchte man kein Chakra. Daher war Reden das Beste. Die Stimmen könnten vielleicht bis zum Ausgang hallen. Sasuke hatte, als er hier hinuntergeführt wurde, die Schritte gezählt, und so viele waren es nicht gewesen. Eine andere Option gab es nicht. Er hatte zu wenig Chakra. Er musste sich auf die oben stationierten Anbu verlassen.
 

"Meinst du ernsthaft, wir würden den Zorn unserer Auftraggeber auf uns ziehen, indem wir dir verraten, wer uns den Auftrag gegeben hat? Das halbe Dorf will dich nicht hier haben. Oder siehst du deine Wachen etwa hier unten, um dir zu helfen?" Ja, es waren immerhin Anbu. Und es war genug Zeit vergangen. Sasuke konnte sich also nicht der Illusion hingeben, sie hätten einfach nur nichts bemerkt oder sie würden noch kommen. Wie waren die zwei anderen Ninjas überhaupt hier reingekommen? Seine Angreifer waren nur ein paar winzige Schritte von ihm entfernt und keiner kam zu Hilfe. Was hatte er erwartet?
 

"Wir müssen dir wohl danken. Unser Auftrag ist es, deinen Tod möglichst natürlich aussehen zu lassen und dank deiner Aktion bei der Anhörung können wir es so aussehen lassen, als wärst du armer, schwacher Gefangener irgendwelchen Folgeschäden erlegen. Man wird nie etwas Gegenteiliges beweisen können", sprach einer und beide sahen ihn herablassend an. Was für ein unglaublicher Glücksfall. Das gab ihm eine weitere, wenn auch nicht ganz ungefährliche Option. Sind die so blöd oder unterschätzen sie mich wirklich so sehr? Ein Feind schaut einem Uchiha nie ungestraft in die Augen! Mit diesen Gedanken erzwang Sasuke sein Sharingan. Die beiden zu hypnotisieren, sollte er noch schaffen können. Er forcierte alles entbehrliche Chakra in seine Augen. Allerdings war er wohl doch zu geschwächt, denn nur einer der beiden fiel bewusstlos zu Boden. Der andere wendete schnell den Blick ab.
 

"Wie hast du das gemacht? Du solltest kein Chakra mehr haben!" Jetzt hatte er auch keins mehr. Und die Schmerzen waren unerträglich. Sein Kopf fühlte sich an, als würde er jeden Moment explodieren. Argh! Das hab ich wohl unterschätzt. Nicht bewusstlos werden. Bloß nicht! Wie ein Mantra wiederholte er diesen gedanklichen Befehl, während er auf dem Boden zusammensackte, seinen Gegner jedoch im Auge behielt. Dieser verschwamm immer mehr vor seinen Augen und hinter einem Funkentanz. Verdammt! Das war's wohl. Ich kann nichts mehr tun. Kein Chakra mehr... Der feindliche Ninja packte Sasuke am Kragen und hielt ihn auf Augenhöhe vor sich. Diesmal konnte er ihm ohne Konsequenzen in die Augen schauen und das tat er mit einem Hass im Blick, der Sasuke hätte Angst machen können, würde es ihn nicht komplett kalt lassen, was sein Gegner von ihm dachte. Ihn beschäftigten ganz andere Dinge.
 

"Dafür wirst du leiden", zischte der Ninja, presste Sasuke mit einer Hand gegen die Wand und setzte mit der anderen zu ein paar Fingerzeichen an. Zu schwach...immer zu schwach. Wie erbärmlich...Jetzt kann ich nicht mal mehr mich selbst retten. Sasuke hing schlapp im Griff des Feindes, nur den Kopf noch leicht gehoben, um selbigen beobachten zu können und wartete darauf, dass dieser seine Fingerzeichenfolge beendete. Was er wohl vorhatte? Doch das sollte der Uchiha nicht erfahren, denn mittendrin weiteten sich plötzlich die Augen seines Gegenübers und der Root-Anbu sackte zusammen, was dazu führte, dass Sasuke sich Sekunden später auf seinen Knien wiederfand. Er blickte von der bewusstlosen Gestalt hoch, nur um einen dritten dieser Ninjas zu sehen. Bleib wach!
 

"Du ... gehörst auch ... zu denen. Gönnst ... Spaß nicht?" Sasuke blinzelte und schüttelte den Kopf. Seine Sicht verschwamm immer mehr. Er durfte nicht ohnmächtig werden! Und schon gar nicht, wenn noch ein Feind aufgetaucht war. Wo kamen die denn bloß alle her?
 

"Du solltest dich lieber ausruhen. Du siehst so aus, als ob du jeden Moment das Bewusstsein verlieren würdest. Oh, und du blutest. Haben sie dir die Nase gebrochen?"
 

"Wer...bist du?" Sasuke atmete schwer. Schweiß rann ihm über das Gesicht. Es kostete ihn unglaubliche Anstrengung, wach zu bleiben und er fragte sich, wie lange er das noch durchhalten konnte.
 

"Keine Angst, ich bin ein Freund von Naruto. Ich will dir helfen." Sasukes Mundwinkel zuckten, das sollte wohl der Ansatz eines Lächelns sein. Sai war das nicht entgangen. "Ruh dich aus." Sai legte Sasuke auf seine Pritsche, auch, damit er nicht noch mehr Blut verlor.
 

"...wach...bleiben."
 

"Wenn du so stur bist, muss ich dich zur Hokage ins Krankenhaus bringen", seufzte Sai.
 

"Das wird wohl nicht mehr nötig sein", hakte eben diese ein und stellte sich neben Sasukes Pritsche.
 

"Tsunade-sama! Warum seid Ihr hier?"
 

"Ich wollte überprüfen, ob er von heute Vormittag irgendwelche schwereren Schäden genommen hat. So etwas Dummes habe ich noch nie erlebt und ich kenne immerhin Naruto Uzumaki!" Anscheinend hatte jedoch genau diese dumme Aktion die Hokage nachhaltig beeindruckt, sonst hätte sie sich nach ihrer Arbeit so spät in der Nacht, oder eher so früh am Morgen, nicht noch ins Gefängnis bemüht. "Was ist hier passiert?"
 

"Die beiden da sollten offensichtlich Sasuke umbringen. Als ich durch einen Geheimeingang hergekommen bin, lag allerdings schon einer bewusstlos am Boden. Der andere wollte gerade ein Jutsu gegen Sasuke ausführen, da hab ich ihn niedergeschlagen", erklärte Sai. Bei der Hokage schrillten sämtliche Alarmglocken. Sie versuchte, Blickkontakt mit dem Uchiha herzustellen, aber das stellte sich als unmöglich heraus, da dieser unfokussiert an die Decke starrte und krampfhaft versuchte, seine Augenlider oben zu halten. Ein Kampf, den er wohl spätestens in ein paar Minuten verlieren würde.
 

"Was hast du getan?"
 

"Sharin...gan", wisperte Sasuke. Er sah furchtbar aus. Jegliches Blut war aus seinem Gesicht gewichen, dafür lief welches aus seiner Nase und aus einem etwas tieferen Schnitt auf der rechten Wange. Haarsträhnen klebten ihm im verschwitzten Gesicht und er schien starke Schmerzen zu haben.
 

"Sag mal, willst du dich umbringen? Einmal den Chakrafluss zu erzwingen ist schon gefährlich! Ich nehm dir jetzt diese Dinger ab, komm bloß nicht auf blöde Ideen. Du bist kein Problem für mich", sprach Tsunade und öffnete die Chakrafesseln. Sasukes Chakra noch weiter zu blockieren, könnte in seinem Zustand gefährlich werden. Und trotz dieses Zustandes versuchte er immer noch krampfhaft, wach zu bleiben.
 

"Wieso bist du so stur? Willst du nicht schlafen?"
 

"Nein." Das kam erstaunlich entschlossen. Er hat wohl doch einen Schaden im Kopf davongetragen. Sowas Dämliches hab ich ja noch nie erlebt. Ich allein kann ihn nicht heilen. Er muss sich ausruhen. Den letzten Gedanken äußerte sie auch gleich.
 

"Hör mal, Junge, du bist am Ende. Ruh dich aus!" Doch Sasuke schüttelte nur schwach den Kopf.
 

"Du hast wohl vergessen, dass du eine Medic-Nin vor dir hast? Wenn du nicht willst, kann ich dich gerne in einen Schlafzustand versetzen. Nein, ich korrigiere das, ich werde es einfach tun. Und danach werd ich in deinem Kopf retten, was zu retten ist." Und schon leuchtete grünes Chakra in Tsunades Handflächen. Obwohl er sie kaum noch offenhielt, sah Tsunade das unsägliche Grauen in den Augen des Uchihas. Was zur Hölle?
 

"Nicht..." Das war nichts weiter als ein schwacher Hauch und er klang unglaublich verzweifelt. Von der Eiseskälte, der Bestimmtheit oder auch nur der Fassung, die Sasuke im Anhörungssaal an den Tag gelegt hatte, war nichts mehr übrig geblieben. Was hatte das zu bedeuten?
 

"Pass auf, du wirst eine Weile schlafen und wir werden dich in Ruhe lassen. Niemand wird dich im Schlaf behelligen, falls es das ist, wovor du Angst hast." Mit diesen Worten berührte sie seine Stirn und seine Augen fielen zu...

Freiheit?

Höllische Kopfschmerzen. Wenn das der Lohn fürs Aufwachen war, wollte er lieber weiterschlafen. ... Schlafen? Sasuke riss die Augen auf, brachte sich in eine sitzende Position und dankte wem-auch-immer dafür, dass sein Schlummer ein ereignisloser geblieben war. Jetzt wusste er seinen hämmernden Schädel schon eher zu schätzen, immerhin hatte der ihn frühzeitig geweckt. Nachdem er den kurzen Schrecken überwunden hatte, blickte er sich, seinem antrainierten Reflex folgend, um und erblickte Kakashi, der vor seiner Zelle saß und scheinbar gelangweilt eins seiner Schmuddelbücher las. Doch Sasuke konnte sich jetzt nicht über alte Gewohnheiten amüsieren. Wie lange war der Jounin schon da? Okay, beruhige dich. Du hast schon genug Schwäche gezeigt. Ja, er war erbärmlich schwach gewesen, besonders der Hokage gegenüber. Verachtung stieg in ihm auf. Wie hatte er sich nur so gehen lassen können? Das konnte er sich nicht leisten. Erinnere dich daran, was du bist.
 

Kakashi brauchte nicht aufzusehen, um zu bemerken, dass sein Schüler aufgewacht war. Ein Ruck ging durch dessen Chakra und dann war es verschwunden. Warum wundert mich das jetzt eigentlich nicht? Dann sah er, nachdem er sich doch dazu bequemt hatte, den Blick zu heben, wie Sasuke sich aufsetzte und mit vor Schreck leicht geweiteten Augen scheinbar routiniert die Umgebung überprüfte, um dann mit gerunzelter Stirn geradeaus zu blicken. Interessante Mischung aus momentaner emotionaler Überwältigung und professionellem Ninja. Kakashi hätte diese außergewöhnliche Kombination amüsant gefunden, besonders bei dem sonst so gefühlsarmen Uchiha, wären die Umstände nicht so rätselhaft. Sasuke war erstaunlich schnell aufgewacht und dass, obwohl er nach der Benutzung seines Sharingan kurz davor war, vor Erschöpfung das Bewusstsein zu verlieren. Er hatte dagegen angekämpft, woraufhin die Hokage ihn rigoros ins Land der Träume befördert hatte. Nach einer anschließenden Behandlung hatte Tsunade Kakashi sofort zu sich kommen lassen und ihn damit beauftragt, bei dem Clanerben zu bleiben.
 

Auf die Frage hin, warum ausgerechnet er das tun sollte - die Anbuwachen waren ja immerhin vor Ort - hatte ihm die Hokage erklärt, dass diese anscheinend nicht gewillt gewesen waren, Sasuke zu Hilfe zu kommen. Anschließend hatte sie von dessen merkwürdigen Verhalten erzählt und gemeint, er würde wohl beim Aufwachen am wenigsten in Panik geraten, wenn er eine bekannte Person vorfinden würde. Kakashi erwartete nicht, dass er in Panik ausbrechen würde. Ts, Uchiha und Panik, das wäre ja noch schöner. Ehe Sasuke sich öffentlich dermaßen von seinen Gefühlen überwältigen ließ, würde die Hölle zufrieren und der Teufel Schlittschuhfahren lernen. Dieser Verdacht bestätigte sich nahezu sofort, denn kaum hatte Sasuke seinen Sensei wahrgenommen, setzte er seine gewohnten Züge auf und fragte ihn mit ruhiger Stimme:
 

"Wie lange sind Sie schon hier?" Interessante Priorität. Jeder andere hätte gefragt, wie spät es ist oder was genau passiert ist...
 

"Ich kam etwa eine Viertelstunde, nachdem die Hokage dich ins Traumland geschickt hat. Seitdem sind etwa drei Stunden vergangen. Du kannst dich also ruhig nochmal hinlegen. Der Morgen hat zwar schon vor einer Weile gegraut, aber das sollte in dieser Düsternis hier kein Hindernis sein." Und du hast verdammt noch mal mehr Schlaf nötig bei deinem Zustand. Wie befürchtet, stieß dieser Ratschlag auf taube Ohren.
 

"Nein. Ich bin wach." Das glaub ich dir sofort...Ein Blick in deine Augen und jeder weiß, wie erschöpft du noch bist, egal, wie gut du das zu kaschieren versuchst. Ja, die Augen, die Kakashi zum ersten Mal seit ihrer Begegnung nahe Otogakure wieder sehen konnte, zeigten die Erschöpfung deutlich, obwohl sie ihn wachsam musterten. Davon abgesehen sprachen die dunklen Augenringe Bände. Ein bisschen mehr als drei Stunden Schlaf waren eben nach solchen Strapazen viel zu wenig. Es war fast so, als würde Sasuke bewusst oder unterbewusst tieferen Schlaf zu vermeiden versuchen. Misstraute er seiner Umgebung wirklich so sehr? Kakashi machte sich große Sorgen. Sasuke konnte sturer sein als es gut für ihn war. Aber er wusste auch, dass sein Schüler nicht auf direkte Fragen antworten würde. Also wechselte er das Thema und beschloss, es vorerst beim Beobachten zu belassen.
 

"Wunderst du dich eigentlich gar nicht, dass ich hier bin?"
 

"Hn. Da die Wachen mich lieber tot sehen wollten, nehme ich an, dass Tsunade-sama stattdessen jemanden hier haben wollte, der mir vertraut und ihr verlässlich ist. Hat sie ihre Meinung etwa geändert? Ich bin nicht mehr gefesselt..." Präzise wie immer.
 

"Naja, so überraschend ist das ja nicht. Danzou hat immerhin versucht, dich töten zu lassen. Das spricht nicht gerade für seine Unschuld."
 

"Woher weiß man, dass es Danzou war?"
 

"Erinnerst du dich noch an den Ninja, der dir geholfen hat? Das war Sai. Er ist ein Untergebener von Danzou aus der Root-einheit-"
 

"Die Spezialeinheit der Anbu? Ich dachte, das wäre nur ein Gerücht..."
 

"Woher weißt du...? Egal, jedenfalls hat er wohl mitbekommen, wie Danzou mit jemandem gestritten hat und dabei ging es darum, dass sie dich aus dem Weg haben wollten."
 

"Hn. Die Person konnte nicht identifiziert werden?", fragte Sasuke trocken.
 

"Nein. Ich bin mir sicher, dass es einer der Ältesten war, aber das wird sich nicht beweisen lassen. Danzou ist geflohen. Und die Ältesten behaupten, sie hätten von nichts gewusst. Tsunade-sama sind die Hände gebunden. Aber da sie schon in diese Richtung ermitteln lässt, denke ich mal, dass du demnächst freigelassen wirst." Das war sehr gut. Dann wurde er nicht mehr ständig überwacht...Sasuke erlaubte es sich, ein bisschen Hoffnung zu schöpfen. Für ein paar Minuten herrschte Schweigen, bis es auf äußerst penetrante Art und Weise zerrissen wurde.
 

"Sasukeeeeeeeeeeeeeeeeeeee!" Dieser rollte die Augen. Konnte der denn nicht einmal leise sein? Was war das nur für ein Ninja? Sekunden später stand ein völlig atemloser Naruto neben Kakashi, begleitet von Sai, der amüsiert schmunzelte.
 

"Sasuke, geht's dir gut? Sai wollte mir nicht mehr sagen als 'Es geht ihm gut' und 'Die Angreifer sind gefasst'!", beschwerte sich der Chaosninja lautstark. Sasuke warf Sai einen kurzen, prüfenden Blick zu und kam nicht umhin, ihm dankbar zu sein. Er hatte ihm nicht nur Naruto gegenüber eine Demütigung erspart, nein, er musste auch nicht erklären, warum er sich geweigert hatte, zu schlafen. Hoffentlich war die Hokage auch so verschwiegen. Großartig, jetzt musste er sich schon auf Hoffnungen verlassen. Wieso hatte er sich nur nicht zusammengerissen?
 

"Dobe, für einen Ninja bist du unfassbar laut. Mir geht's gut, also beruhig dich."
 

"Das kann doch nicht wahr sein! Ich mach mir Sorgen um dich und du hast nichts Besseres zu tun, als mich zu beleidigen! Wie siehst du überhaupt aus, du hast ja überall Blut im Gesicht!" Sasuke ging nicht weiter auf dieses nervtötende Gezeter ein und wandte sich an Sai. Dass Naruto einfach nur aufgebracht war, weil er sich furchtbare Sorgen um ihn gemacht hatte, kam Sasuke nicht in den Sinn.
 

"Danke für deine Hilfe." Doch Sai konnte natürlich nicht antworten, denn, wie sollte es anders sein, Naruto hatte etwas daran auszusetzen, dass er übergangen wurde.
 

"Ignorier mich nicht einfach!"
 

"Ich hab dir gern geholfen." So, das war es. Das war doch echt der Gipfel. Jetzt wurde er auch noch von Sai ignoriert! Naruto konnte es nicht fassen. Er wollte schon zu einer Tirade ansetzen, da hörte er dessen nächste Äußerung, die eine sehr versöhnliche Wirkung auf ihn hatte.
 

"Naruto wäre sehr traurig gewesen, wenn dir etwas passiert wäre." Sasuke interessierten Sais Beweggründe herzlich wenig, solange er nichts im Schilde führte.
 

"Hn."
 

"Tsunade-sama ist übrigens auch hierher unterwegs, ich hab sie vorhin gesehen." Das war gut. Sasuke hoffte, dass sie ihn gleich freilassen würde. Erstens musst er sich dringend ausruhen und zweitens seinen Trainingsrückstand aufholen. Er war lange genug hier unten verrottet, denn diese Erschöpfung hatte jeden Trainingsversuch im Keim erstickt.
 

"Ich geh dann mal und sag Sakura-chan Bescheid, dass es dir gutgeht. Sie hatte was im Krankenhaus zu tun und konnte nicht weg. Bis später!" Und schon war der Blondschopf verschwunden.
 

"Weißt du, du bist ihm wirklich sehr wichtig. Vielleicht solltest du ein bisschen netter zu ihm sein", meinte Sai. Kakashi grinste.
 

"Ich glaube, Naruto wäre geschockt, wenn Sasuke plötzlich nett zu ihm wäre. Er ist seine liebenswürdige Art schon gewöhnt." Dafür fing sich Kakashi einen bösen Blick vom Uchiha ein. Lange starren konnte er allerdings nicht, denn in eben diesem Moment kam Tsunade an. Das wird ja immer voller hier...
 

"Sasuke, ich hab beschlossen, dich freizulassen. Die Sachlage hat sich geändert. Allerdings wirst du in nächster Zeit überwacht werden. Nichts für ungut, aber wir wissen nicht, was die Ältesten tun werden. Nach allem, was passiert ist, tendiere ich dazu, dir zu glauben, aber wir können nichts beweisen." Oh nein. Keine weitere Überwachung!
 

"Nein."
 

"Was meinst du mit 'Nein'? Als ob du eine Wahl hättest!", empörte sich Tsunade.
 

"Ich wurde lange genug überwacht."
 

"Das ist ja wohl ein Unterschied! Wir wollen dich nur schützen."
 

"Ich brauche keinen Schutz-"
 

"Vergiss deinen verdammten Stolz, du sturer Bengel!"
 

"-und außerdem haben meine Wachen bereits bewiesen, wie sehr ihnen meine Sicherheit am Herzen liegt."
 

"Die nächsten Anbu werden sorgfältiger ausgewählt, das kann ich dir versichern."
 

"Auch denen traue ich nicht. Ich kann und werde sie bei der ersten Gelegenheit abhängen." Dies kündigte der Uchiha mit viel zu ruhiger Stimme an. Er würde hier nicht kooperieren, soviel war klar. Und Mt. Tsunade war einmal mehr kurz vor der Eruption.
 

"Jetzt hör mir mal zu! Ich werd mich nicht ewig darum bemühen, nett zu dir zu sein! Diese Maßnahme soll dein Leben schützen. Du bist im Moment zu schwach, dich allein zu wehren-"
 

"Ich bin NICHT schwach", zischte Sasuke und zum ersten Mal war seine Höflichkeit Tsunade gegenüber vergessen. Bevor die Situation weiter eskalieren konnte, schaltete sich Kakashi ein.
 

"Tsunade-sama, ich glaube nicht, dass Koharu und Homura in naher Zukunft etwas unternehmen werden. Und eine weitere physische Attacke wäre ebenfalls viel zu auffällig. Sie werden sich etwas Hinterhältigeres einfallen lassen, falls sie noch einmal aktiv werden." Es war nicht sicher, weshalb die Hokage dieser Äußerung zustimmte: weil Kakashi wahrscheinlich Recht hatte oder weil sie Sasuke jetzt gern in Stücke gehackt auf einem Silbertablett präsentiert hätte, aber sie antwortete mit einem giftigen Seitenblick zu eben diesem:
 

"Du hast wahrscheinlich Recht." und wandte sich nun ganz zu dem Clanerben. "Du darfst gehen. Aber ich verordne dir eine Woche Zwangspause. Erst dann ist es dir gestattet, dich bei mir zu melden und dein neues Stirnband zu erhalten. Bis dahin darfst du auch das Dorf nicht verlassen." Während sie diese kleine Ansprache hielt, schloss sie die Zelle auf, die Sasuke auch sofort verließ, nachdem er sich leicht in ihre Richtung verbeugt hatte. Kakashi sah ihm nach und versuchte, irgendwelche Unregelmäßigkeiten in seinen Bewegungsabläufen festzustellen, konnte aber nichts entdecken. Sollte ihn das jetzt beruhigen oder sorgen? Kaum war der Uchiha weg, ergriff Tsunade erneut das Wort.
 

"Kakashi, du wirst ihn im Auge behalten. Ganz traue ich ihm noch nicht. Wer weiß, wie er reagiert, wenn er auf die ersten misstrauischen Dorfbewohner trifft. Nicht alle glauben ihm so bereitwillig..."
 

"Ich glaube nicht, dass ihn das interessieren wird. Er gibt nur auf die Meinung weniger etwas."
 

"Umso besser. Meine Meinung sollte ihm allerdings schnellstens wichtiger werden, sonst garantiere ich für nichts. War der Bengel schon immer so arrogant?" Kakashi lächelte die immer noch wütende Hokage nur gutmütig an.
 

"Tsunade-sama, wisst Ihr eigentlich, warum Sasuke sich so gegen die Ohnmacht gewehrt hat? Könnte er doch noch etwas verbergen?", fragte Sai.
 

"Das weiß ich noch nicht, aber ich glaube nicht mehr, dass es irgendeine Falle von Orochimaru ist. Es scheint etwas sehr Emotionales zu sein, sonst hätte er sich besser im Griff gehabt. Sai, das bleibt vorerst unter uns, also kein Wort zu Naruto. Ich will der Sache auf den Grund gehen, aber wenn alle mit Fragen auf ihn einstürmen, macht er nur noch mehr dicht. Ich hab noch nie eine Person gesehen, die sich selbst so abschottet. War das schon immer so, Kakashi?"
 

"Schon. Aber er hat seine Zurückhaltung in der Zwischenzeit nahezu perfektioniert. Körpersprache, Mimik, Stimme, alles kaum mehr lesbar. Aber wie sollte es auch anders sein? Er musste als Spion bei Orochimaru überleben."
 

"Dann sollte er schnell wieder lernen, zwischen Freund und Feind zu unterscheiden. Nicht alle hier wollen ihm schaden, aber das scheint er noch nicht begriffen zu haben."
 

~*~
 

Das Erste, was er wahrnahm, als er endlich ins Freie trat, war die frische Luft und die leichte Frühlingsbrise, die ihm sanft wie streichelnde Hände über das Gesicht fuhr. Das warme Sonnenlicht kitzelte seine Nase und das leise Rauschen der Bäume schien ihm beruhigend zuzuflüstern. Er konnte nicht leugnen, dass er Erleichterung verspürte. Lange hätte er in seiner Zelle nicht mehr durchgehalten. Dieses dauernde Meditieren ging an die Substanz. Einmal pro Woche MUSSTE er schlafen, was schon bei Orochimaru immer eine Tortur gewesen war. Doch hier unter Überwachung? Außerdem war er jetzt schon zehn Tage schlaflos. Eine Achtlosigkeit hatte er sich in der Endphase seines Plans nicht leisten können und die Schlange war zunehmend misstrauisch geworden. Nur fürchtete er, dass die Hokage ihm trotz Allem Wachen hinterherschickte. Er musste vorsichtig sein. Daher scannte er erstmal unauffällig seine Umgebung und bemerkte die Blicke, die ihm einige Dorfbewohner zuwarfen, während er scheinbar unbekümmert durch die Straßen Konohas schlenderte. Tss, was haben die denn für ein Problem? Glauben die die Wahrheit nicht mal, wenn sie sie anspringt? Die offensichtliche Aufmerksamkeit anderer konnte er nur schlecht ertragen, aber dieses offene Misstrauen war besser als das unerträgliche Mitleid, dass er noch Jahre nach dem Massaker in den Augen der Dorfbewohner lesen musste. Das, und diese gespielte Freundlichkeit. Wie oft hatte er sich beherrschen müssen, um nicht einfach schreiend aus dem Dorf zu rennen. Weg. Dahin, wo er von keiner Clangeschichte in die Enge getrieben wurde. Dahin, wo keine Viertelbegrenzung ihn zu erdrücken drohte. Dahin, wo keine Blutflecken auf der Straße ihn wieder und wieder an die Tragödie erinnerte, deren einziger Überlebender er war. Dahin, wo ihn die Stille der leeren Häuser nicht anschrie und an seine Pflicht erinnerte. Seine Pflicht, den Clan zu rächen. Seinen eigenen Bruder zu töten. Er hatte es seinen Eltern geschworen, kurz nachdem sie vor seinen Augen hingerichtet wurden. Von seinem eigenen Bruder. Itachi... Dieser Gedanke riss ihn aus seiner Trance und als er aufblickte, erstarrte Sasuke unwillkürlich. Der Weg musste sich tief in sein Unterbewusstsein eingebrannt haben, denn ohne bewusst gesteuert zu werden, hatten ihn seine Füße direkt zum Uchihaviertel getragen...

Schatten der Vergangenheit

Derselbe Weg. Es war derselbe Weg, den er damals nach dem Shurikentraining nach Hause genommen hatte. An jenem verhängnisvollen Tag, an dem er einmal die Zeit vergessen hatte und zu spät kam. Zu spät, um ihnen zu helfen...Wäre er nur besser gewesen...Wäre er nur schneller gelaufen...Hätte er nur auf die Zeit geachtet...
 

Denselben Weg ging er jetzt, nachdem er das große Tor passiert hatte, das den Eingang zum Uchihaviertel darstellte. Und es war genau wie damals. Obwohl die Sonne schien, obwohl die Blätter leise rauschten, obwohl eine leichte Brise ihn umschmeichelte, spürte Sasuke nur die Kälte der Nacht, die ihm damals entgegengeschlagen war. Sah nur den Mond, der ihm höhnend entgegengeschienen hatte. Hörte nur die gespenstische Stille, die ihm damals Unheil verkündet hatte. Spürte nur die Gänsehaut, die langsam seinen Körper herunterkroch. Und sah anstelle der verblassten Blutflecken noch immer ihre Leichen, die seinen Weg gesäumt hatten. Spürte das unendliche Grauen, das ihn damals befallen hatte, als er an der Stelle vorbeikam, an der sein Onkel getötet wurde, weil er seine Tante beschützen wollte, nur um schließlich doch neben ihrem toten Körper zu liegen. Sein ganzer Clan, dahingemetzelt am Boden.
 

Und seine Knie gaben fast nach, als sich Vergangenheit mit Vergangenheit mischte, und in der Gegenwart in seinem Kopf widerhallte. So deutlich sah er sie da liegen und so klar hörte er ihre Stimmen, wie sie nach ihm riefen, wie sie nach seinem Befinden fragten. Blickte in aufgerissene, tote Augen und sah freundliches Schmunzeln, Augenzwinkern. Doch nie wieder würde er diese wohlwollenden Blicke sehen. Nie mehr würden sie nach ihm rufen und ihm sagen, er solle sein Bestes geben. Damit der Clan stolz auf ihn sein konnte. Und doch war er so eine Schande...
 

Sasuke musste den Impuls unterdrücken, zu seinem Elternhaus zu rennen. Er zwang sich, ruhig weiterzugehen und alle Eindrücke in sich aufzunehmen. Das ist dein Erbe. Das ist deine Pflicht. Du darfst nicht noch einmal wegrennen. Sei nicht mehr schwach! Du hast es geschworen! Es roch nach Tod. Und die Leere dieses riesigen Viertels drohte, ihn zu ersticken. Sie sind nicht mehr da, doch du bist ihnen verpflichtet. Seine Schritte hallten unnatürlich laut an den Wänden längst verlassener Häuser wider, nicht einmal Straßenkatzen lebten hier. Selbst die Tiere schienen die unheimliche Atmosphäre zu spüren und mieden diesen Ort, der nichts Gutes verhieß. Außer dir gehört niemand hierher. Die Einsamkeit ist der einzige Gefährte, der dir zusteht. Er wird dich stets an deine Pflicht erinnern. Ja, so war es. Er war allein. Und so musste es sein. Denn Rächer waren einsam. Sie mussten ihre Bürde allein tragen.
 

Schließlich stand er vor seinem Elternhaus, in dem er auch nach dem Massaker gewohnt hatte. Viele seiner Senseis hatten ihm gesagt, er solle da wegziehen und ihm sogar angeboten, bei ihnen unterzukommen, doch wäre es einem Verrat an seinem Clan gleichgekommen. Und es ging niemanden außer ihn etwas an. Er war hier geboren und aufgewachsen, eingebettet in den Schoß der weitverzweigten Familie der Uchiha. Im Schatten seines Bruders. Itachi... Sasuke schluckte und führte seine Hand zur Tür, um diese zu öffnen. Seine Augen brannten verdächtig. Tou-san...Kaa-san... Mit zitternden Händen öffnete er die Tür und hasste sich für seine Schwäche. Wie sollte er sie denn jemals rächen, wenn er sich nicht einmal im Angesicht der Vergangenheit zusammenreißen konnte? Emotionen machen schwach. Du bist ein Rächer. Benimm dich auch so! Sei stark!
 

Langsam schritt er zu jenem Raum, der, wie alle anderen, vollkommen unberührt geblieben war. Eine dicke Staubschicht war Zeugnis der ungestörten Ruhe. Niemand hatte das Bedürfnis gehabt, je dieses Haus zu betreten. Warum sollte das auch irgendjemand aus dem Dorf tun? Der Clan hatte sich immer abgeschottet und die beiden letzten Überlebenden waren Verräter. Bis heute. Vorsichtig wurde die Tür aufgeschoben und der letzte Clanerbe betrat den Raum, in dem die Seifenblase seiner unschuldigen Kindheit endgültig zerplatzt war. Fast meinte er, den stechenden Blick seines Bruders zu spüren. Er kniete sich vor den dunklen Fleck inmitten des Raumes, schloss die Augen und sah sie dennoch vor sich, wie sie dalagen, leblos übereinander. Seine stets so wunderschöne Mutter, fahl, die einst so strahlenden Augen geschlossen. Aus dem Mund, der sich immer für ihn zu einem warmen Lächeln verzogen hatte, rann nun scharlachrotes Blut. Ihre aufbauenden Worte, ihre liebevolle Art, ihre tröstenden Umarmungen: Vergangenheit. Und sein starker Vater lag auf dem Bauch, den Kopf auf die Brust seiner Frau gebettet. So wie er dalag, war von dem Stolz nichts mehr zu spüren. Seine große Gestalt, die kräftige Stimme, die ihn oft mahnte und ihn doch auch gelobt hatte, als er endlich das erste Feuerjutsu beherrschte: niedergezwungen. Und in all diese Erinnerungen hinein, von denen er nicht zulassen konnte, dass sie ihn je verließen, weil er es nicht durfte, flüsterte er leise:
 

"Tou-san, Kaa-san. Ich bin wieder zu Hause. Und ich werde nicht eher ruhen, bis ich meinen Schwur, bis ich die Erwartungen des Clans erfüllt habe. Bisher war ich zu schwach. Gomen nasai." Dabei senkte er den Kopf und nahm seinen Augen den starren Fokus, der bislang auf jenen dunklen Fleck auf dem Holz fixiert war. Nun waren sie von geschlossenen Lidern bedeckt und so sah Sasuke nicht, dass seine Hand fest in seinen linken Unterarm gekrallt war, als wollte sie ihm den Halt geben, von dem er sich so weit entfernt fühlte.
 

Lange verweilte er dort am Boden und kämpfte um Fassung. Zweieinhalb Jahre war er nicht hier gewesen. Zweieinhalb Jahre hatte er seinem Ziel entgegengearbeitet und fühlte sich doch so weit entfernt von dessen Erfüllung. Zweieinhalb Jahre hatte ihn diese starke Präsenz der absoluten Leere, der völligen Einsamkeit nicht jeden Tag damit erschlagen, wer er war, auch wenn er es wohl nie vergessen würde. Ein Rächer. Fukushuu-sha.
 

~*~
 

Kakashi war Sasuke unauffällig gefolgt. Erstens, weil es die Hokage befohlen hatte und zweitens, weil er sehen wollte, was Sasuke jetzt tun würde. Er war frei und konnte gehen, wohin er wollte, sofern er innerhalb der Dorfmauern blieb. Zunächst schien er ziellos umherzuwandern, doch dann wurden seine Schritte zielstrebig, bis er vor einem Tor stand, auf dessen Bogen ein riesiger Fächer prangte. Der Fächer. Sasuke sah auf und schien zusammenzuzucken. Er musste tief in Gedanken gewesen sein. Anscheinend führte sein Schützling einen inneren Disput, denn der Uchiha setzte sich nicht sofort in Bewegung. Nach einer kurzen Weile jedoch setzte er langsam einen Fuß vor den anderen und mit jedem Schritt schien er sich mehr zu verkrampfen. Er senkte den Kopf so weit, dass ihm seine Haarsträhnen vor die Augen fielen und ballte die Hände zu Fäusten.
 

Kakashi konnte sich schon denken, was jetzt in dem Kopf des Jungen vorgehen musste. Die Vergangenheit hat ihn immer noch nicht losgelassen. Schließlich sah er Sasuke vor einer Tür stehen. Er hob seine Hand und hielt inne. Hatte er Kakashi jetzt doch bemerkt? Es war schon merkwürdig, dass das nicht eher passiert war. Zwar hatte der Jounin sein Chakra verborgen, doch er lief nun offen auf der Straße. Aber Sasuke merkte nichts. Einmal mehr krampfte sich dessen Hand zusammen und er öffnete die Tür. Weiter werde ich nicht in deine Privatsphäre eindringen. Obwohl Kakashi in diesem Moment seinem Schüler gern hinterhergegangen wäre. Er schien ziemlich mitgenommen zu sein, denn von seiner routinierten Vorsicht als Ninja war nichts zu spüren. Er war immer noch gefangen in der Vergangenheit. Hoffentlich hatte er wenigstens seine Rache aufgegeben.
 

~*~
 

Sasuke versuchte, sich zu beruhigen. Er durfte sich nicht so von Gefühlen überwältigen lassen. Schließlich war er ein Ninja, verdammt nochmal! Aber es war nicht so einfach. Und doch musste er sich beherrschen. Er würde Itachi niemals töten können, wenn er allein bei dessen Anblick mit den Erinnerungen kämpfen musste. Itachi... Nein! Er durfte nicht an ihn denken. Nicht an jenen Menschen, der ihm alles bedeutet hatte, zu dem er aufgesehen hatte und der ihn so lange schon verraten hatte. All die lieben Worte, das Lächeln, das nur für ihn erstrahlte, die Fürsorge, wenn er sich wehgetan hatte - Lüge! Ja, er hat dich verraten. Er war niemals der große Bruder, für den du ihn gehalten hast. Er ist nur ein Verräter! Und jetzt hör auf an ihn zu denken!
 

Er sollte wirklich aufhören, an seinen großen Bruder zu denken, sonst würde er womöglich wieder diese Träume haben, die er nicht haben durfte und die er nicht ertragen konnte, denn sie führten ihm gnadenlos vor Augen, was er noch verloren hatte. Träume von einem geliebten großen Bruder, der auf ihn aufpasste... Oder die Träume, von diesem verdammten kleinen Bengel, der ihm verführerische Dinge ins Ohr flüsterte, auf die er nicht hören durfte. Nein, er sollte sich lieber einen sicheren Schlafplatz suchen, da der erste Tiefschlaf nach so langer Zeit versprach, grausam zu werden. Denn wahrscheinlicher war es, dass sie wiederkommen würden. Die Schatten der Vergangenheit. Und wieder und wieder würde er sehen, wie sie dahingeschlachtet wurden. Von seinem eigenen Bruder. Würde sehen, wie sie wiederauferstanden, ihm ihre anklagenden Gesichter zuwandten, ihn umringten und sie alle ihm sagten, dass er eine Schande sei. Dass er zu schwach sei. Dass er Itachi niemals besiegen könnte. Dass er es nicht wert war, diesen Fächer auf dem Rücken zu tragen. Dass er kein wahrer Uchiha sei. Dass er es nicht einmal wert war, durch die Hand des Clanverräters zu sterben. Das hatte ihm doch auch Itachi gesagt. Er war eine sinnlose Existenz.
 

Und das Blut würde kommen. Das Blut, dessen furchtbaren Geruch er nicht ertragen konnte und dessen metallischer Geschmack ihm auch noch ins Bewusstsein folgte, denn oft verbiss er sich in seine Unterlippe, während er in seinen Alpträumen versank, um nicht zu schreien. Das hatte sein Unterbewusstsein ihm wohl bei Orochimaru so einprogrammiert. Bloß keine Schwäche zeigen, besonders nicht im Schlaf. Denn das war ihm schon einmal zum Verhängnis geworden.
 

Immer nach dem Aufwachen waren diese verhassten Gefühle am stärksten, denn nachts, wenn der Geist wehrlos war, ließen sich die Gedanken nicht in die hinterste Ecke des Bewusstseins drängen. Dann krochen sie hervor und peinigten ihn. Denn er fühlte Schuld. Eine alleszerfressende, glühende Schuld für etwas, wofür er eigentlich nichts konnte, aber das zu begreifen, war Sasuke unmöglich. Er hätte nur stärker sein müssen, ein würdiger Uchiha sein müssen, wie es sein Vater gefordert hatte. Und doch war er nie fähig gewesen, diese Forderungen zu erfüllen. Schuld, weil er seine Pflicht nicht erfüllen konnte. Schuld, weil er sie nicht mehr erfüllen wollte. Schuld, weil er nicht einmal mehr den Willen hatte, die Pflicht seiner Familie gegenüber zu erfüllen. Schuld, weil er sich mit dem Verräter verbündete und so selbst zum Verräter wurde. Schuld, weil er so schwach war. Und diese Schuld führte zu Selbsthass, zu Zweifeln und zu so tiefer Trauer, dass sie ein Außenstehender wohl nicht begreifen konnte. Schuld, die ihn täglich begleitete und nachts besonders quälte.
 

Wenn er Pech hatte, war sein Körper so erschöpft, dass er ihn nicht aufwachen ließ. Das konnte er ab und zu, wenn er merkte, dass die Träume begannen. Doch manchmal konnte er es nicht und er musste die Träume in ihrem ganzen Grauen durchleben. Besonders nicht, wenn er in einer tiefen Ohnmacht gefangen war. Dann brauchte er Hilfe von außen. Ein Wecker reichte da nicht... Wie es ihr wohl geht? Hier hatte er allerdings keine Hilfe. Konnte er es bereits am ersten Tag riskieren, sich schlafenzulegen? Sicher würde heute irgendjemand ein Auge auf ihn haben. Vermutlich Kakashi. Und der war leider viel zu gut darin, sein Chakra zu verbergen. Sasuke konnte nicht einmal einen Hauch wahrnehmen, wenn der Jounin es nicht wollte. Und er durfte niemandem zeigen, wie schwach er wirklich war. Wie sollte er stark sein, wenn alle anderen ihn für schwach hielten? Ein Uchiha war nicht schwach. Durfte nicht schwach sein. Außerdem konnte man diese emotionale Schwäche sehr gut gegen ihn verwenden. Auch das hatte er auf die harte Tour bei Orochimaru lernen müssen. Ganz davon abgesehen waren da noch diese anderen Befürchtungen...

Guten Morgen, gute Nacht...

Am nächsten Morgen wachte Naruto früh auf. Seine selbstauferlegte Mission war klar: Er würde Sasuke mit zum Training schleifen. Dann würde er ihm eine vernichtende Niederlage beibringen und Sakura-chan würde aufhören, diesem Angeber hinterherzutrauern und sich dem wahrhaft Starken zuwenden: ihm. Er grinste schelmisch und schwang seine Beine aus dem Bett. Anschließend begab er sich in die Küche, um Wasser für seine geliebten Morgenramen aufzusetzen. Als das Wasser fertig war, goss er es in einen Becher des Fertiggerichts und inhalierte den wohltuenden Duft. Lächelnd ging er ins Bad, um seine morgendliche Routine hinter sich zu bringen. Kaum war das geschehen, ging er zurück in die Küche, um sich in Windeseile über die inzwischen verzehrbereiten Instantnudeln herzumachen. Schnell schlang er sie hinunter, sprang auf, riss die Tür auf und hielt inne. Wo war der Uchiha diese Nacht überhaupt untergekommen? Sicher war er nicht in dieses gruselige Viertel zurückgegangen, oder? Andererseits war Sasuke auch nicht der Typ, der andere bei solchen Sachen um Hilfe bat. Also doch zuerst ins Viertel, ein Versuch konnte ja nicht schaden. Und schon stürmte der Chaosninja Nummer eins gutgelaunt los.
 

Wenig später war er auch schon vor dem Tor angekommen, an dem am Abend zuvor noch ein erstarrter Clanerbe gestanden hatte. Anders als dieser zögerte Naruto aber nicht, sondern schritt sofort durch das riesige Tor. Beim Uchihaclan war wohl alles riesig. Wie groß war dieses Viertel eigentlich? Und es war doch unheimlich. Diese unnatürliche Stille. Er, Naruto, wäre schon längst hier weggezogen. Sicher hätte ihm Iruka-sensei Unterschlupf gewährt. Oder Sakura-chan. Er grinste dümmlich und begann in Gedanken von der einzigen Kunoichi in Team 7 zu schwärmen. Sie war schon toll. Und stark. Und schön. Und schlau. Und sowas von am Falschen interessiert. Nach all der Zeit hatte sie sich immer noch nicht ganz von diesem Uchihaangeber lossagen können, obwohl es schon besser geworden war.
 

Wieder aus seinen Tagträumen erwachend blickte Naruto sich um und wurde seiner Umgebung wieder gewahr. Echt gruselig. Er beeilte sich, weiterzukommen und musterte dabei aufmerksam jede Tür. Er musste die richtige suchen, weil er noch nie bei Sasuke zu Hause gewesen war. Der Uchiha hatte immer verboten, dass sie ihn begleiteten oder sie abgewimmelt. Ob Sasuke immer noch so dachte, darüber wollte Naruto sich keine Gedanken machen.
 

Schließlich stand er vor einer Tür, vor deren Schwelle man Fußspuren im Staub sehen konnte. Volltreffer! Arglos griff er an den Türrahmen, um die dazugehörige Tür zu öffnen. Entweder hatte er es nicht bemerkt oder es ignoriert, dass der Rahmen von Wasser dunkler gefärbt war als der Rest der Tür, was sogleich mit einem starken Stromschlag belohnt wurde.
 

"AAH!" Dieser Bastard! Eine Falle mit Elementechakra aufgeladen an die Tür zu heften, um seine zweifelsohne gigantische Gastfreundschaft zu beweisen, das konnte auch nur dem Uchihaeisklotz einfallen. Argwöhnisch tippte Naruto erneut an den Türrahmen. Diesmal passierte nichts. Dann konnte er es jetzt ja riskieren. Er schob vorsichtig die Tür auf und freute sich, Sasukes Ninjasandalen zu sehen. Er war zweifellos im richtigen Haus. Och nö, muss ich jetzt etwa barfuß durch diesen Staub waten? Etwas Gutes hatte die Staubschicht aber, denn Naruto konnte sofort sehen, wohin der einzige Bewohner dieses Hauses gegangen war. Ohne seinen am Boden befindlichen Wegweiser hätte er sich wohl verlaufen, weil von dem langen Flur viele Türen abzweigten. Sasuke war augenscheinlich zielstrebig in einen Raum gegangen, denn eine Fußspur führte geradeaus, nur um dann um eine Ecke zu biegen. Von da kam eine weitere Spur zurück, die in den Raum führte, neben dem Naruto sich jetzt befand.
 

Leise schob er die Tür auf und beförderte damit ein schlicht, aber elegant eingerichtetes Wohnzimmer in sein Blickfeld. Wow, ist das groß hier. Der hätte mich ruhig mal fragen können, ob ich bei ihm wohnen will. Das wäre immer noch besser als alleine hier zu hausen. Etwas angesäuert ließ Naruto den Blick schweifen, bis dieser auf Sasuke fiel, der leicht an die Wand gelehnt, die der Tür genau gegenüberlag, im Schneidersitz saß und die Augen geschlossen hatte. Der ist aber unaufmerksam. Ich hätte ja auch ein Einbrecher sein können. Mit diesem Gedanken schlich sich ein diabolisches Grinsen in Narutos Gesicht. Die Situation musste er ausnutzen. Man bekam schließlich nicht alle Tage einen wehrlosen Uchiha vor die Flinte.
 

Überaus vorsichtig drehte er sich um und begann, nach der Küche zu suchen, die er nach dem dritten Versuch auch fand. Er wühlte sich durch die hauptsächlich leeren Schränke, bis er das Objekt seiner Begierde fand: eine große Schüssel. Diese füllte er mit eiskaltem Wasser und begab sich zurück in das Wohnzimmer, wo Sasuke noch immer nichtsahnend zu meditieren schien. Naruto schlich sich neben ihn und versuchte, seine vor lauter Vorfreude zitternden Hände zu beruhigen. Es war zwar merkwürdig, dass Sasuke nicht reagierte, aber Sorgen könnte er sich später immer noch machen. Jetzt würde er den ach so erhabenen Uchiha erstmal ordentlich duschen. Also holte er Schwung und schüttete Sasuke die volle Ladung über den Kopf. Doch das Opfer des Streiches reagierte immer noch nicht. Naruto hatte sich so darauf gefreut, dass der reservierte Uchiha einmal die Fassung verlor und fluchend in der Gegend herumsprang. Doch nichts davon geschah. Da war immer noch reglos dieser nasse Stuhl und- Moment. Stuhl?
 

"Kawarimi no Jutsu, Dobe. Ich kann es nur wiederholen. Für einen Ninja bist du unfassbar laut", ertönte Sasukes Stimme hinter dem Chaosninja. Dieser fuhr herum und wollte gerade zu einem Konter ansetzen, als sich Sasukes selbstgefälliges Grinsen in einem mehr als ernsten Gesichtsausdruck verlor.
 

"Und das werde ich nicht wiederholen: Wage es nicht, noch einmal dieses Haus ungebeten zu betreten. Und wenn du schon hier bist, dann fass nichts an." Etwas an der Art, wie Sasuke diese Worte hervorpresste, jagte Naruto eiskalte Schauer über den Rücken und er entschied sich dazu, einmal auf seinen besten Freund zu hören. Deshalb nickte er und sagte:
 

"Ich wollte dich zum Training abholen."
 

"Hn. Die Hokage hat mir eine Zwangspause verordnet."
 

"Aber du kannst doch trotzdem mitkommen! Dann kann ich dir zeigen, wie stark ich geworden bin. Und Sakura-chan auch, echt jetzt!", drängelte der Blondschopf.
 

"Du wirst mich so lange nerven, bis ich mitkomme, richtig?" Naruto nickte zufrieden. Sasuke unterdrückte ein Seufzen und schob seinen Teamkameraden zu Tür hinaus. Erstens wollte er diese fremde Präsenz möglichst schnell aus dem Haus haben und außerdem musste er sich ohnehin noch ausruhen. Ob er das nun hier oder auf dem Trainingsplatz tat, war egal. Und wenn Kakashi sah, dass er sich brav an die Richtlinien hielt, würde man ihm vielleicht nicht mehr so an den Fersen kleben. Nachdem Sasuke die Eingangstür verschlossen hatte, schielte Naruto zu dem Schwarzhaarigen und grinste unverhohlen.
 

"Was ist?"
 

"Tsunade-baa-chan kann dich echt nicht leiden. Oder sie wollte dir ein nettes, kleines Andenken daran lassen, dass du in der Klemme gesteckt hast und sie dir geholfen hat", feixte Naruto.
 

"Worauf willst du hinaus?"
 

"Der Schnitt an deiner Wange. Sie hat ihn nicht geheilt. Der sieht tief aus, tut das nicht weh?" Gedankenverloren fasste sich Sasuke an seine rechte Wange. Ja, das war die nette Begrüßung seiner beiden Angreifer gewesen. Diese Idioten. Sie hatten gesagt, dass sie seinen Tod natürlich aussehen lassen wollten. Ein Kunaischnitt im Gesicht war ja auch total natürlich...
 

"Naja, du lächelst ja eh nie, da wird er dich auch nicht stören", redete Naruto weiter vor sich hin, als die Antwort von Sasuke ausblieb. Warum sollte ich auch? Ich werde erst wieder lächeln, wenn die Leiche meines Bruders vor mir liegt. Denn dann hatte er seine Pflicht erfüllt. Dann war er frei. Frei von dieser Schuld...
 

~*~
 

Am Trainingsplatz angekommen wartete bereits Sakura auf das ungleiche Paar. Sie kam ihnen ein Stück entgegen und begrüßte sie freundlich.
 

"Hallo Naruto, Sasuke-kun. Oh, was hast du denn da? Soll ich die Wunde heilen?"
 

"Nein. Ich hab das Gefühl, dass das der Hokage nicht gefallen würde."
 

"Okay, trainierst du denn schon mit uns?", fragte Sakura verwundert. Tsunade hatte ihr nach langem Betteln alles von dem Attentat erzählt, gefiltert, versteht sich. Daher wusste Sakura auch von dem Trainingsverbot.
 

"Nein", antwortete Sasuke und schritt zu einem großen Baum nahe des Trainingsplatzes. Er setzte sich in seinen einladenden Schatten und lehnte sich an dessen Stamm.
 

"Du könntest ruhig etwas ausführlicher antworten, Teme, immerhin hat Sakura-chan dich so nett gefragt!", regte sich Naruto auf. Wenn Sakura-chan nur einmal so höflich zu ihm wäre. Sicher war sie nett zu ihm, aber einen gewissen Bastard schätzte sie nun mal mehr.
 

"Hn", lautete die unglaublich ausführliche Antwort.
 

"Was meint ihr, wann Kakashi-sensei heute auftauchen wird?", fragte Sakura in die Runde.
 

"Kann sich nur um Stunden handeln und dann bringt er bestimmt wieder eine seiner bescheuerten Ausreden. Das nervt, echt jetzt!"
 

"Du solltest dir ein bisschen mehr Respekt angewöhnen, das wird dir sonst noch eines Tages ernste Probleme bereiten", tadelte Kakashi, der eben in einer Rauchwolke aufgetaucht war.
 

"Ach ja, und es tut mir leid, aber ich hab mich auf dem Weg des Lebens verirrt", lächelte Kakashi verlegen und kratzte sich am Kopf. Statt kollektiv "Lügner!" zu schreien, warfen ihm seine beiden Dauerschüler - Tsunade und Jiraiya hatten ja nicht ständig Zeit - einen missbilligenden Blick zu. Sasuke sagte nichts dazu. Kakashi hatte während ihres Einzeltrainings mal eine Andeutung gemacht, deshalb hatte der Uchiha eine vage Ahnung, was der Grund für die andauernden Verspätungen war. Auf jeden Fall wusste er, dass es etwas Privates war. Und manche Dinge gingen Außenstehende einfach nichts an.
 

"Jetzt bin ich ja da, also können wir auch mit dem Training anfangen. Naruto und Sakura, ihr werdet einen Übungskampf führen. Ich werde das Ganze beaufsichtigen."
 

"Das sagen Sie doch nur, damit Sie ungestört ihre Schundheftchen lesen können!", maulte Naruto herum. Sakura war indessen auf den Trainingsplatz gegangen und warf dem Chaosninja einen herausfordernden Blick zu. Selbstverständlich ließ Naruto sich sofort provozieren und griff die Kunoichi an. Sasuke entschied sich, den Kampf eine Weile anzusehen. Immerhin würden sie wahrscheinlich bald wieder alle zusammen Missionen ausführen, da konnte es nicht schaden, wenn er die Fähigkeiten seiner Teamkameraden richtig einschätzen konnte.
 

Plötzlich war ein Knall zu vernehmen, als eine Rauchbombe explodierte, aus der fünf Schattendoppelgänger auf Sakura zuschossen. Sie warfen versetzt Kunai auf die Kunoichi, damit diese schwerer ausweichen konnte. Tatsächlich wurde sie von einem der Wurfgeschosse mitten in die Stirn getroffen. Naruto ließ sich aber nicht zweimal an einem Tag von dem Kawarimi täuschen. Seine Doppelgänger wandten sich sofort von dem malträtierten Baumstumpf ab und stellten sich Rücken an Rücken, damit sie einen Rundumblick über die Gegend hatten. Das nützte ihnen aber nicht viel, denn vom Waldrand aus ertönte mit einem Mal ein lautes Krachen und die Erde spaltete sich in Richtung der Narutogruppe. Die fünf Doppelgänger verpufften und der echte Naruto blieb versteckt.
 

Sasuke war beeindruckt. Naruto dachte viel taktischer und Sakura hatte enorm an Schlagkraft zugelegt. Das war aber auch kein Wunder. Ersterer hatte wohl ein paar taktische Lektionen von Jiraiya erhalten und Sakura wurde von der Hokage persönlich trainiert. Das alles hatte ihm Naruto bereits auf dem Weg hierher erzählt. Und er hatte davon geschwärmt, wie toll es doch war, dass sie die drei Schüler waren, die von den legendären Sannin ausgebildet worden waren. Sasuke konnte dem gedanklich nicht zustimmen, denn die Tortur bei Orochimaru als Training zu bezeichnen, grenzte an Hohn. Die Schlange wollte immer nur Ergebnisse sehen, deshalb war Sasuke gedrillt und immer wieder überprüft worden. Er hatte unmenschliche Dinge tun und ertragen müssen, denn Orochimaru wollte gleichsam seinen Willen testen und seinen Geist brechen. Nein, das war sicher keine Ausbildung gewesen, denn diese Bezeichnung setzte ein gewisses Wohlwollen beim Ausbilder voraus.
 

Sasuke hatte sich den Kampf noch eine ganze Weile angesehen, bis er schließlich entschied, dass er sich noch etwas Ruhe gönnen sollte. Immerhin wollte er es heute Nacht wagen, sich schlafenzulegen. Da konnte ein bisschen Entspannung vorher nicht schaden. Also setzte er sich in den Schneidersitz, legte seine Unterarme auf die Oberschenkel und seine Hände ineinander, schloss die Augen und beruhigte seinen Chakrastrom gänzlich.
 

Da er das Chakra seines zugeknöpften Schülers kurz spüren konnte, blickte Kakashi kurz von seinem Buch auf. Was für eine Konzentration. Man kann die Einheit von Körper und Geist fast spüren. Kein Wunder, dass er mit dieser Art der Ruhe solange ohne Schlaf auskommen kann.
 

Die zwei Kämpfenden dachten gar nicht daran, sich auszuruhen. Sie kämpften noch etwa eine Stunde weiter, bis beide anfingen, ihr Chakra zu schonen. Also griffen beide auf ihre Waffen zurück. Nun war klar, dass der Kampf nicht mehr ewig dauern würde, immerhin hatten sie nur ein paar Waffen zur Verfügung und in einer Kampfsituation hatte man nicht ständig die Gelegenheit, seine Wurfgeschosse gleich wieder einzusammeln. Dennoch sirrten nun viele Kunai zielgerichtet durch die Luft, bis-
 

"Sasuke, pass auf!", riefen zwei erschrockene Shinobi, denn genau auf diesen schoss ein verirrtes Kunai zu. Die Warnung wäre zu spät gekommen, hätte Sasuke nicht bereits vorher die Gefahr gespürt. Er fasste an seinen linken Unterarm und wehrte mit einem beschworenen Kunai das andere Wurfgeschoss ab. Dann öffnete er die Augen und sah Naruto mahnend an.
 

"Dobe, wenn du dich nicht mehr konzentrieren kannst, dann hör auf zu kämpfen."
 

"Was? Woher willst du wissen, dass ich das war? Bis eben waren deine Augen zu!"
 

"Sakura würde so einen Schusselfehler nicht machen." Dieses indirekte Kompliment zauberte einen zartrosa Schimmer auf die Wangen der Kunoichi.
 

"Na gut, na gut, hast ja Recht. Aber wie hast du das gemacht?", begeisterte sich Naruto.
 

"Kuchiyose: Raikou Kenka. Damit kann man nahezu unbegrenzt viele Waffen beschwören", sagte Sasuke und hob die Unterarme, damit die anderen die dort über den Bandagen befestigten Siegel sehen konnten. Seine Handgelenke lagen jetzt frei, weil er sein gewandartiges Oberteil gegen ein schwarzes, kurzärmeliges mit uchihatypischem hohem Kragen und einem kleinen Fächer auf dem Rücken getauscht hatte. Dass es sich dabei um Itachis Kleidung handelte, ignorierte er geflissentlich.
 

"Wie praktisch! Bringst du mir das bei? Und warum schleppst du dann immer noch dieses Schwert mit dir rum?"
 

"Weil Kusanagi ein besonderes Schwert ist." Der Tonfall machte klar, dass Sasuke dazu nichts mehr sagen würde. Kakashi bewahrte ihn vor weiteren Fragen, indem er das Training für beendet erklärte. Erstaunlicherweise war Naruto begeistert und lieferte auch gleich den Grund dafür. Iruka hatte ihn zu Ramen eingeladen. Spontan bestand der Wirbelwind darauf, dass die anderen ihn begleiten müssten. Da es schon dämmerte und sowieso bald Zeit zum Abendessen war, kam der Rest von Team 7 mit.
 

Als sie bei Ichiraku ankamen, wartete Iruka bereits an die Wand des Ladens gelehnt. Er blickte auf und lächelte freundlich, als er Naruto erblickte. Dieser stürmte auf ihn zu und begann umgehend, von den Entwicklungen der letzten Tage zu erzählen. Und vom Training. Und davon, dass Sasuke ihm eine neue Technik beibringen würde, obwohl dieser gar nichts in der Richtung gesagt hatte. Iruka hörte seinem Chaoten aufmerksam zu und war stolz darauf, wie gut er sich gemacht hatte. Und dieser Stolz schimmerte auch in seinen Augen, als er Naruto fragte, ob sie denn nicht erstmal essen wollten. Sasuke betrachtete diese Szene mit gemischten Gefühlen. Er freute sich für Naruto, dass dieser nicht mehr allein war, obwohl das ja schon lange nicht mehr der Fall war. Allerdings konnte er gut darauf verzichten, etwas vor Augen geführt zu bekommen, was für ihn selbst in unerreichbarer Ferne lag. In verbotener Ferne. Er fühlte sich, als wäre ständig eine unsichtbare Mauer um ihn herum errichtet, die ihn von den anderen abgrenzte. Ich frage mich, wann ich angefangen habe, mir auch so eine Person zu wünschen, mit der ich solche Momente teilen könnte. Nein, das ist nicht ganz richtig, denn so war es immer. Ich frage mich, wann genau DU wieder zu dieser Person geworden bist. Nein, das durfte er nicht denken. Das stand ihm nicht zu! Reiß dich zusammen, verdammt nochmal!
 

Kakashi warf einen unauffälligen Seitenblick auf seinen verschlossenen Schüler und sah gerade noch rechtzeitig hin, um zu bemerken, wie Sasukes Augen einen abwesenden, leicht traurigen Ausdruck annahmen, welcher schnell wieder von einem kurzen, harten Kopfschütteln vertrieben wurde. Diese paar Sekunden Offenheit hatte nur Kakashi bemerkt, denn der Fokus der Gruppe lag momentan auf Naruto. Sie bemerkten nur die größere Bewegung, nämlich als sich der Uchiha wortlos abwandte und ging.
 

"Was hat er denn?", fragte Naruto in die Runde, nachdem Sasuke in der Dunkelheit verschwunden war.
 

"Ach Naruto, gib ihm doch etwas Zeit sich einzugewöhnen, bei Orochimaru war es sicher nicht ganz so gesellig", meinte Iruka nachsichtig. Kakashi jedoch beschlich so eine leise Ahnung, dass hier mal ausnahmsweise nicht Orochimaru das Problem war...
 

~*~
 

Sasuke schritt frustriert durch das Viertel und blendete seine Umgebung willentlich aus. Soviel zum Thema sich mit ausgeglichenen Gedanken schlafenzulegen. Seit er Ichiraku hinter sich gelassen hatte, spielte sich eine ungesunde Endlosschleife in seinem Kopf ab. Glückliche Bilder der Vergangenheit. Vielleicht war es doch keine so gute Idee, heute zu schlafen. Andererseits wusste er, dass Kakashi nicht in der Nähe war und er spürte auch keine Anbu in der unmittelbaren Umgebung. Außerdem hatte schon die kleine Beschwörung heute ihn merklich Kraft gekostet. Mit den beiden Kraftakten innerhalb von 24 Stunden hatte er sich und seinem Körper wahrlich keinen Gefallen getan. Das musste er schnellstens beheben, sonst wäre er ein leichtes Ziel. Sehr lange könnte er sich in seinem Zustand jedenfalls nicht wehren. Also machte er sich daran, sein Zimmer wenigstens halbwegs wiederherzurichten. Stunden später legte er sich erschöpft ins Bett, schloss die Augen und hoffte, wenigstens eine Nacht einen ruhigen Schlaf zu finden...

Albtraum-Realität

Es war eine wunderschöne Nacht in Konohagakure und von außen hätte kein Betrachter annehmen können, dass es sich bei diesem idyllischen Fleckchen Erde um ein Ninjadorf handelte. Die laue Frühlingsluft wurde von keiner Brise aufgescheucht und trug die Lieder der Eulen nicht sehr weit. Kein Licht brannte mehr in den Fenstern, denn es war schon sehr spät. Doch die Sterne spendeten genug, um die Silhouetten der Häuser erahnen zu können. Eine friedliche Ruhe hatte sich über das Dorf gelegt.
 

Wie bei allem im Leben war das zumindest die Fassade. Wer konnte schon sagen, was sich innerhalb der Häuser abspielte, die Teil dieses Idylls waren? Zumindest ein Shinobi war froh, dass so etwas von außen nicht beurteilt werden konnte. Begab sich der Betrachter nämlich in sein Haus, würde er sehen, wie jener Shinobi in seinem Bett lag, die Brauen zusammengezogen, kalten Schweiß auf der Stirn, gelegentlich murrend. Jeder Außenstehende würde glauben, dass der Schlafende nur einen Albtraum hatte, der schnell vorübergehen würde, doch was, wenn er von seinem Leben träumte? Wie sollte er aus seinem Leben erwachen?
 

Alles fing immer in angenehmer Schwärze an. Sasuke lief durch die Dunkelheit und er wusste genau, dass es besser wäre, nicht weiterzugehen, doch als hilfloser Zuschauer konnte er nichts tun. Er sah zwar alles aus der Egoperspektive, doch schien es, als steckte er nicht in seinem Körper, oder sein Körper verriet ihn einmal mehr und tat, was sein Unterbewusstsein ihm befahl.
 

Und so lief er und lief, bis er einen kleinen Jungen am Boden hocken sah. Der Junge weinte. Er hatte seinen schwarzen Schopf in seinen Knien vergraben und wischte sich mit den kleinen Händchen über die Augen. Als er Sasuke hörte, blickte er auf, doch dieser wusste schon bevor er das Gesicht sah, wer das Kind war. Es war der verdammte Bengel, der ihm Dinge zeigte, die Sasuke vergessen wollte. Sein Unterbewusstsein hatte sich wohl für seine fünfjährige Form entschieden, da er in dieser Zeit am glücklichsten gewesen war. Er war noch nicht auf der Akademie und somit noch nicht in einem Konkurrenzverhältnis mit seinem großen Bruder gewesen, der damals noch mehr Zeit für ihn gehabt hatte.
 

"Da bist du ja, ich hab dich schon vermisst", quietschte das Kind nun wieder gutgelaunt. Sasuke sagte nichts, denn er konnte nichts sagen. Wie immer in seinen Träumen war er stumm. Wäre er dann doch auch taub und blind...
 

"Komm mit, lass uns gehen. Wir hatten so lange keinen Spaß mehr!", lächelte der Fünfjährige zufrieden und rannte los. Und Sasuke musste ihm folgen. Plötzlich erblühte überall Grün, Bäume schossen aus dem nun nicht mehr so schwarzen Grund, selbst die Luft begann, nach Laub zu riechen. Das Kind drehte sich zu ihm um und hielt den Zeigefinger vor die Lippen. Anschließend schlich es um einen Baum herum auf ein wesentlich größeres Kind zu. "Buh!", schrie es und das andere Kind erschrak gespielt, drehte sich um und schenkte dem unschuldigen Geschöpf ein warmes Lächeln.
 

"Sasuke, du sollst mich doch nicht immer so erschrecken. Irgendwann sterbe ich, weil du mich zu Tode erschreckt hast", drohte der andere Junge spielerisch.
 

"Aniki*, du stirbst doch nicht. Niemand kann meinen Aniki etwas Böses tun!", freute sich der kleine Junge und die Szenerie löste sich auf. Immer noch hallte das Wort in seinem Kopf nach, das er zu hassen gelernt hatte, weil er es als Kind mit so viel Bewunderung ausgesprochen hatte und nun keinen Grund mehr dazu hatte. Aniki.
 

Sasuke befand sich nun auf einer Straße und er wusste, welche Szene er als nächstes zu Gesicht bekommen würde. Es war wohl sein glücklichster Moment gewesen, denn er hatte sich unglaublich geborgen und geschützt gefühlt. Der große Bruder von vorhin kam ihm entgegen und war ein wenig gebeugt, da er eine wertvolle Last auf dem Rücken trug: seinen Otouto**, der sich beim Training ein bisschen schusselig angestellt hatte. Er war gestürzt und hatte sich den Knöchel verstaucht. Das schien ihn aber nicht weiter zu interessieren, denn er schnatterte seinem Aniki eifrig ins Ohr, wie sehr er sich auf die Akademie freute, weil er dann endlich anfangen könnte, so stark wie sein großer Bruder zu werden. Und der Kleine bemerkte nicht, wie sich der Blick seines Bruders verfinsterte. Und auch Sasuke sah es nicht, denn seine Kindergestalt hatte es nicht wahrgenommen. Sie liefen an ihm vorbei und verschwanden in einem Sonnenuntergang.
 

Sasuke fand sich nun im Garten seines Hauses wieder und sah die beiden Geschwister am Rand der kleinen Veranda sitzen und den Sonnenuntergang beobachten. Und der Kleine hing bewundert an den Lippen seines Vorbilds und verstand doch kein Wort von dem, was dieses sagte. Nie hatte er den Worten die nötige, tiefergehende Bedeutung beigemessen, bis es zu spät war...
 

Als wäre das das Kommando gewesen, löste sich auch diese Szene auf und Itachi schrie seinen Vater und zwei weitere Uchiha vor ihrem Haus an. Er schimpfte über den Clan und der kleine Junge schaute ängstlich, denn er verstand nicht, warum sein großer Bruder so komisch war. Neben ihm stand Sasuke, und er hatte eine grauenvolle Vorahnung, was jetzt kommen würde. Just in diesem Moment drehte sich Itachi in die Richtung der beiden unerwünschten Zeugen, doch statt seinen kleinen Bruder anzusehen, fixierte er Sasuke mit seinem Blick und das grausamste aller Sharingan erblühte.
 

Alles wurde blutrot. Am Himmel war ein schwarzer Mond, doch er strahlte nicht. Und Sasuke wollte sich nicht umsehen, doch er musste es tun, denn sein jüngeres Ich hatte es auch getan, als es entsetzt die Straße entlang gegangen war. Es war totenstill, denn hier gab es nur Tote. Mit ungläubig aufgerissenen Augen lagen sie in ihrem eigenen Blut und säumten die Straße wie groteske Pflanzen. Der Geruch war so intensiv, dass er sich metallisch auf seiner Zunge absetzte.
 

"Orokanaru Otouto yo***", hallte es von überall her. Die Quelle der emotionslosen Stimme war nicht auszumachen. Noch nicht. Wie konnte er so emotionslos sprechen? Wie konnte er nur? An diesem Ort! Hatte es ihm überhaupt nichts ausgemacht? Plötzlich packte der Besitzer der Stimme Sasuke am Hals und rammte ihn gegen die Hauswand. Und Sasuke sah in die ernsten Augen Itachis, die ihn abschätzend musterten.
 

"Du bist immer noch schwach. Warum bist du nur so schwach? Dir fehlt immer noch Hass. Warum hasst du nicht, so wie du es solltest? Du weißt, warum du noch immer dein jämmerliches Leben leben kannst? Weil du es nicht wert bist, getötet zu werden. Weil du nie eine ernsthafte Gefahr für mich sein kannst, du wirst meinen Schatten nie verlassen können." Selbst wenn Sasuke jetzt eine Stimme gehabt hätte, er hätte dieser brutalen Aussage nicht widersprochen. Wie konnte er? Es stimmte doch. Er war zu schwach und er hasste zu wenig. Viel zu wenig. Und es war ein jämmerliches Leben, im Schatten seines Bruders und seines Clans. Er war nur ein Überrest. Ein Relikt des glorreichen Uchihaclans.
 

Itachi ließ ihn fallen und wandte ihm dem Rücken zu, um zu gehen. Sasuke hasste sich selbst dafür und er wusste, dass er es nicht würde tun können, aber er wollte die Hände nach ihm ausstrecken und ihn zurückhalten. Ihm beweisen, dass er keine Schande war, dass er sich auch verbessert hatte. Wofür hatte er sonst wie ein Besessener trainiert? Aber warum, zum Teufel, wollte er es ausgerechnet dem Clanverräter beweisen? Nach allem, was er getan hatte, konnte er nicht mehr sein Vorbild sein! Auch jetzt ging er einfach und ließ ihn allein zurück. Warum, WARUM? Er saß da und wollte weinen, die Emotionen, die ihn auffraßen loswerden, aber er konnte es nicht. Er fühlte sich so verlassen, so hilflos, so unwürdig...
 

"Du warst immer schon unwürdig", hörte er plötzlich eine Stimme. Sasuke wollte aufstehen und wegrennen, doch es ging nicht. Er musste mitansehen, wie sich die Mitglieder seines Clans wankend erhoben und ihn mit hasserfüllten Blicken fixierten. Und dann kamen sie. Sie schlurften auf ihn zu und er konnte nicht fliehen, obwohl ihn nichts daran hinderte. Es ging einfach nicht. Und so sah er sich von ihn überragenden Gestalten umringt, die allesamt verächtlich und zornig auf ihn hinabblickten.
 

"Du hast uns sterben lassen, Sasuke."

"Wir sind enttäuscht von dir, Sasuke."

"Itachi hätte das nie zugelassen."

"Aber du bist ja auch nicht er, Sasuke."

"Er ist unser Wunderkind."

"Du bist nur das andere Kind, Sasuke."

"Ein Klotz am Bein."

"Du hängst immer noch an ihm, du bist ein Verräter, Sasuke."

"Und Verräter müssen sterben."
 

Schuld.

Schuld!

SCHULD!
 

Und er wünschte sich fast, sie würden ihn wirklich töten. Würde er sterben, wenn sein Traum-Ich starb? Er war fast bereit, es auf einen Versuch ankommen zu lassen, aber sie wurden aufgehalten. Wie immer.
 

"Wartet." Die Menge spaltete sich und er blickte seiner Mutter hoffend in das gleichgültige Gesicht. Er hoffte, sie würde dieses Mal lächeln und etwas anderes sagen, doch:
 

"Tötet ihn nicht. Das wäre zu leicht für ihn. Er verdient es, in seinem Elend

zu schmoren. Ich hab dich immer unterstützt und was hat es mir gebracht? Itachi hat mich nie enttäuscht." Immer noch hoffend blickte er zu seinem Vater, der sich nun neben seiner Mutter aufgebaut hatte, doch er sagte wieder dasselbe.
 

"Ich wollte dich nie. Du bist kein echter Uchiha. Du bist eine Schande." Das war zu viel. Schande. Schuld. Trauer. Hass auf sich selbst. Einsamkeit. Das Gefühl, nie gewollt zu werden und doch zu existieren. Abgeschottet von der restlichen Welt zu sein, obwohl er ein Teil davon war. Das alles erdrückte ihn und er fühlte sich, als würde die Luft aus ihm herausgepresst werden. Mit dem metallischen Geschmack im Mund und dem Blutgeruch in der Nase fühlte es sich fast so an, als würde er auf den Grund eines endlos tiefen Blutmeeres gezogen. Ertrinken in Blut. Er musste an die Oberfläche und konnte es doch nicht.
 

"Sasuke-kun", schallte es leise von weiter Ferne.
 

Er wurde immer tiefer gezogen. Tiefer und noch tiefer. Der Druck wurde immer stärker. Überall war leuchtend rotes Blut. Er wollte schreien, schreien!
 

"AAAAAAAAAAAAAAAH!" Endlich fuhr er aus dem Schlaf und konnte stoßweise die Luft in seine Lungen saugen, die ihm im Traum verwehrt vorgekommen war. Man sollte meinen, dass er sich irgendwann an die Bilder, die Erlebnisse gewöhnen würde, doch das Grauen nahm jedesmal zu. So wie die Schuldgefühle. Es schien sich nur alles tiefer in ihn hinein zu fressen. Es fühlte sich an wie ein Wirbel, der sich immer schneller drehte und ihn in die Tiefe riss. Er fuhr sich mit zitternden Händen kurz über das schweißnasse Gesicht und vergrub es dann in ihnen. Er fühlte sich immer noch wie erschlagen und es war so kalt. Er blickte sich um, in dem Versuch sich abzulenken. Die Sonne stand bereits hoch am Himmel und strahlte ihn an. Wie falsch kam ihm dieser warme Frühlingstag jetzt vor, der so viel Leben ausstrahlte. Doch davon wollte er jetzt nichts sehen. Er wollte gar nichts mehr sehen, wie immer nach diesen nächtlichen Erlebnissen, mit denen ihn sein Unterbewusstsein immer wieder beglückte. In all seinen Variationen.
 

Und dann gab es auch noch andere Versionen, an die er besser nicht denken wollte. Die er Orochimaru zu verdanken hatte. Heute hatte er fast das volle Programm bekommen, was seine Familie betraf. Fehlte nur noch das Massaker selbst, das ihm Itachi freundlicherweise mit Tsukuyomi in all seinen Details vor Augen geführt hatte. Er würde dann daneben stehen, zusehen, wie sein Clan gemeuchelt wurde, seine Eltern hingerichtet wurden, wieder und wieder und wieder und er würde nichts tun können. Im Moment kam er sich in seinem Bett in diesem Haus so furchtbar fehl am Platz vor. Ein Uchiha-Haushalt. Das war sicherlich nur eine Nachwirkung des Traums. Sasuke atmete tief ein und versuchte, sich zu beruhigen, aber das Gefühl, einen tonnenschweren Amboss auf der Brust zu haben, wollte nicht weichen. Sein Magen krampfte sich schmerzhaft zusammen. Übelkeit stieg unerbittlich in ihm auf. Nicht mehr daran denken. Das war der Schlüssel. Aber etwas an diesem Traum ließ ihn trotzdem nicht los, denn etwas war anders gewesen. Diese kalte Stimme am Ende, die hatte er vorher noch nie gehört. War das- nein, wieso sollte er so plötzlich in diesen Träumen vorkommen? Das konnte nicht sein. Oder doch? Ach, Blödsinn.
 

Schwankend stand Sasuke auf und fiel sofort wieder auf die Knie. Reiß dich zusammen und steh auf. Beweis ihnen, dass du nicht schwach bist! Aber noch konnte er es nicht. So hockte er auf allen Vieren auf dem Boden, den Kopf gesenkt, die Augen zugekniffen und kämpfte mit seinem eigenen Gemüt. Er konnte sich hundertmal innerlich anschreien und sich sagen, dass er eine Pflicht hatte und diese ihm solche Schwächen nicht erlaubte, doch es war immer dasselbe. Er blieb überwältigt von seinen eigenen Gedanken.
 

Etwa eine Viertelstunde später hatte er sich halbwegs beruhigt und wurde von seinem Magen jäh daran erinnert, dass er seit Ewigkeiten nichts mehr gegessen hatte. Großartig, Uchiha, so wirst du schnell Chakra aufbauen können... Wenigstens hatte der Schlaf ihm gutgetan, zumindest körperlich. Das mussten gute zwölf Stunden gewesen sein. Sehr gut, dann blieb ihm bis zum nächsten Mal viel Zeit. Aber jetzt musste er erstmal daran denken, seinen Magen zu füllen. Sicher war nichts mehr hier. Bevor er zu Orochimaru gegangen war, hatte er Wert auf gesundes Essen gelegt und immer selbst gekocht. Daher würde er keinen Büchsenfraß finden. Also musste er einkaufen gehen. Es widerstrebte ihm zwar, jetzt in die Welt hinaus zu müssen, aber essen musste er. Bald. Also zog er sich an, begab er sich ins Bad, mied den Blick in den Spiegel und wusch sich das Gesicht. Nein, in diese schulbewussten Augen wollte er jetzt nicht sehen. Der Anblick seines Gesichts war schon seit einer Weile schwer zu ertragen. Er sah nicht mehr den entschlossen Ausdruck, den er hätte vorfinden sollen, nein, er sah Trauer. Angst. Verzweiflung. Sehnsucht. Sehnsucht, die da nicht hingehörte. Und am schlimmsten: Scheitern. Versagen. Fehler. Das war armselig. Ein Ninja durfte sich nicht so gehen lassen. Ein Rächer erst recht nicht. Daher tat Sasuke das einzige, was ihm blieb, wenn er sich eben nicht zusammenreißen konnte. Er verdrängte es. Alles. Er verscheuchte sämtliche Gedanken aus seinem Kopf und putzte sich die Zähne, schnappte sich ein bisschen Geld und lief zum Ausgang. Noch einmal holte er tief Luft, dann schob er die Tür auf und wurde wieder zum Ninja Sasuke Uchiha.
 

~*~
 

Team 7 machte gerade Mittagspause und war auf dem Weg zu - Überraschung - Ichiraku. Sie drängelten sich durch die Menge, die sich zur Mittagszeit immer auf der Hauptstraße tummelte. Naruto war gerade dabei, eine seiner Techniken zum hundertsten Mal auszuwerten, weil sie ihm so gut gelungen war, als sein Blick in der Menge jemanden erfasste.
 

"Oi, Sasuke!", schrie Naruto und erntete damit böse Blicke von zwei älteren Damen, die er lautstark in ihrem Plausch unterbrochen hatte. Anders als von den beiden jetzt schimpfenden Frauen, blieb er von seinem besten Freund aber unbeachtet. Dieser Bastard ignorierte ihn einfach! Schon wieder! Naruto stapfte los, um ihn gehörig die Meinung zu geigen.
 

"Naruto, lass ihn." Verwundert drehte sich der Chaosninja zu seinem Sensei um.
 

"Warum? Vielleicht kommt er dann doch noch mit zum Training."
 

"Denk doch mal nach, er ist sicher noch müde. Und du willst dir doch nicht den berühmt-berüchtigten Uchihazorn zuziehen, oder?", scherzte Kakashi und zog seine beiden Schüler weiter. Aber eigentlich wollte er die beiden nur von Sasuke ablenken, denn mit diesem stimmte etwas nicht. Er bewegte sich ein wenig steifer als sonst und sein stumpfer Blick war auf den Boden gerichtet. Dieser Blick war beängstigend. Er schien seine Umgebung absolut nicht wahrzunehmen. Was hatte er in dieser Nacht getrieben? Kakashi hatte zwar gesagt, dass er Sasuke überwachen würde, aber er wollte ihm auch ein wenig Privatsphäre lassen. Also war er ihm letzte Nacht nicht gefolgt, denn die Harmonie zwischen Naruto und Iruka schien ihm irgendwie an die Nieren gegangen zu sein. Daher wollte er ihm ein wenig Freiraum lassen. Außerdem glaubte er nicht, dass sein Schüler das Dorf unerlaubt verlassen würde. Deshalb ging er das Risiko überhaupt ein. Und wie es schien, brauchte Sasuke wirklich ein bisschen Zeit für sich. Wann war er wohl zum letzten Mal wirklich allein mit sich gewesen?
 

~*~
 


 

Sasuke schloss die Tür hinter sich und war froh, dem Trubel entkommen zu sein. Das Einkaufen war ihm schwerer gefallen als gedacht. Jetzt hatte er aber glücklicherweise ein paar Zutaten zum Kochen. Zu diesem Zweck ging er in die Küche und beglückwünschte sich gedanklich dazu, Naruto gestern in weiser Voraussicht verboten zu haben, ihn noch mal zum Training abzuholen. Er hatte das damit begründet, dass er in Ruhe das Haus putzen wollte. Und das war auch nicht wirklich gelogen, der Hausputz würde ihn wohl die ganze Woche kosten. Und diese Woche wollte er auch für sich sein, um sich wieder zu sammeln und einzuleben. Mit Schattendoppelgängern könnte er natürlich wesentlich schneller fertig sein, aber das war für Sasuke ausgeschlossen. Niemals wieder sollte in diesem Haus eine Ninjakunst ausgeführt werden...
 


 

*Aniki = großer Bruder

** Otouto = kleiner Bruder

***Orokanaru Otouto yo = Itachis berühmter Ausspruch "dummer kleiner Bruder"

Trainingsweisen

Die Woche verordneter Ruhe war sehr schnell vergangen und Sasuke hatte es sogar fast als leichtes Training verbuchen können, dieses riesige Haus wieder bewohnbar zu machen. Zähneknirschend hatte er das Verbot Tsunades befolgt und nicht trainiert. Also musste er sich den Hausputz schönreden. Und so ein bisschen Ruhe tat ja auch ganz gut. Nötig gewesen war sie jedenfalls. Erstaunlicherweise hatte sein altes Team sogar die Rücksicht besessen, ihn in Ruhe zu lassen. Niemand hatte ihn auch nur einmal gestört. So konnte er sich ganz darauf konzentrieren, das Haus wieder instand zu setzen und sich einzugewöhnen. Ja, es war schwer, wieder alleine irgendwo zu leben, besonders hier. Er hatte bei Orochimaru zwar einen eigenen kleinen Raum für sich gehabt, aber links und rechts davon hatte immer jemand geschlafen, egal, in welchem Versteck sie sich gerade aufgehalten hatten. Das war zwar auch nicht aus reiner Nächstenliebe so gewesen, aber wenigstens war jemand um ihn gewesen. So hatte er seine Gedanken nicht schweifen lassen können, wie er es hier schon die ganze Woche tat.
 

Dank seines Schlummers in der zweiten Nacht hatte er erstmal auf weiteren Schlaf verzichten können, wofür er unendlich dankbar gewesen war. Das alles hatte ihn mehr mitgenommen als gedacht. Obwohl er sich seiner Situation stets bewusst gewesen war, war es doch etwas anderes, wieder hier zu sein und die Leere zu erleben. Wieder das Haus zu betreten, in dem er als Kind einst so glücklich gewesen war und in dem seine Eltern ermordet worden waren. Mit allem vor Augen, was ihn so deutlich an die vergangenen Ereignisse erinnerte, war es schwer, eben diese zu verdrängen. Doch die sieben Tage hatten gereicht, um sich wieder eine Routine zuzulegen. Nun war der Morgen des achten Tages angebrochen und Sasuke war nach einer langen nächtlichen Meditation bereit, der Hokage gegenüberzutreten. Er wollte gerade die Eingangstür öffnen, als er meinte, nun endgültig sein Trommelfell einbüßen zu müssen.
 

"Sasukeeeeee! Schläfst du etwa noch? Komm schon, du musst doch zu Tsunade-baa-chan. Dann kriegst du ein neues Stirnband und kannst wieder in unser Team. Wer weiß, was sie macht, wenn du zu spät kommst!",schrie Naruto genau vor der Eingangstür. Sasuke öffnete diese betont langsam mit zuckender Augenbraue und sah sein Gegenüber finster an.
 

"Ich weiß. Warum bist du überhaupt hier?", zischte der Uchiha.
 

"Na, weil ich dich abholen will! Vielleicht kriegen wir dann gleich eine supercoole Mission! Wir hatten schon lange keine richtige mehr", sprach Naruto enthusiastisch und ignorierte den todbringenden Blick und Ton. Kopfschüttelnd schritt der Uchiha voraus. Von 'supercoolen' Missionen hatte er erstmal genug.
 

"Sag mal, Sasuke, willst du nicht wegziehen? Es ist furchtbar ruhig hier..." Angesprochener blieb abrupt stehen, drehte sich aber nicht um.
 

"Ich wüsste nicht, was dich das angeht. Und jetzt komm." Den Rest des Weges legten sie schweigend zurück, sodass Naruto froh war, als sie den Hokageturm erreichten und er der angespannten Atmosphäre entkam. Vor dem Turm warteten schon Sakura und Kakashi. Gemeinsam gingen sie zu Tsunades Büro. Kakashi unterdrückte den Impuls, sich zu Sasuke umzudrehen und ihm zu sagen, er solle sich benehmen und klopfte stattdessen an die Tür.
 

"Herein." Oha, das klang gestresst. Andererseits, wann war Tsunade das mal nicht? Also betrat die Gruppe das Büro.
 

"Ah, ich hab euch schon erwartet. Ihr seid tatsächlich ein bisschen spät. Verschlafen, Uchiha?" Die Hokage war immer noch sauer. Es widerstrebte ihr einfach, dass Sasuke allen im Dorf misstraute. Besonders, da es speziell sein Team nur gut mit ihm meinte. Und sie jetzt ebenfalls, obwohl das vielleicht nicht so offensichtlich war. Dafür musste sie ihn einfach ab und zu ein bisschen triezen.
 

"Hn." Kakashi verdrehte die Augen. Freunde würden die beiden wohl nie werden. Solange Sasuke die Hokage nicht zu weit reizte, war ja auch alles erträglich.
 

"Ich deute das mal als nein", flötete Tsunade zuckersüß. "Hier ist dein neues Stirnband. Du bist offiziell wieder Team 7 zugeteilt und auch wieder offiziell ein Bewohner Konohas mit allen Rechten und Pflichten. Du darfst wieder an Missionen teilnehmen, und auch wieder trainieren. Einige Gewohnheiten solltest du aber vielleicht überdenken." Nun war ihr Tonfall wieder wesentlich ernsthafter, denn Tsunade hatte auf den ersten Blick erkannt, dass der Uchiha immer noch viel zu wenig schlief. So viel Selbstzerstörung wurmte sie, aber verbieten konnte sie ihm das auch nicht. Gegen Zwang würde Sasuke rebellieren und das würde die Situation nur nachhaltig verschlimmern. Und ihn jede Nacht in Schlaf versetzen? Das war doch auch keine Lösung. Sie mussten herausfinden, warum er das tat und dann die Ursachen beseitigen. Alles andere würde nichts bringen. Jetzt wo sie Sasukes Unschuld überzeugt war, sah sie auch ihn als ein vollwertiges Dorfmitglied und dementsprechend war sie natürlich um sein Wohlergehen besorgt. Sakura sah Tsunade fragend an, wurde aber ignoriert, weil in diesem Moment jemand anderes die Aufmerksamkeit der Anwesenden auf sich zog.
 

"Baa-chan, hast du eine Mission für uns?", unterbrach Naruto Tsunades Sinnieren.
 

"Wie oft hab ich dir schon gesagt, du sollst mich nicht Baa-chan nennen? Zur Strafe bekommt ihr die erste Woche keine Missionen." Das war ohnehin so geplant gewesen, um dem Team Zeit zu geben, wieder richtig zusammenzuwachsen, aber das musste sie dem lautstarken Blondschopf ja nicht unter die Nase reiben. Sakura rollte nur die Augen und Kakashi war froh über ein bisschen mehr Freizeit. Sasuke band sich in aller Seelenruhe den Stirnschutz um den linken Oberarm und ignorierte den Streit komplett. Es war ihm so egal, wann sie wieder Missionen bekommen würden, das Einzige, was jetzt zählte, war sein Training. Hier konnte er sich voll verausgaben und musste keine Angst haben, dass ihn jemand nach seinem Training in zu erschöpftem Zustand angriff.
 

"Aber-"
 

"Und jetzt raus mit euch, ich hab zu tun." Kakashi schob Naruto aus dem Büro, bevor er noch etwas sagen konnte, das sie alle unglücklich machen würde. Als Sakura die Tür hinter sich schloss, drehte sich Kakashi zu seinem Team um und kündigte gut gelaunt an, sofort mit dem Training beginnen zu wollen. Bereitwillig folgten ihm seine Schüler zu einem Trainingsplatz.
 

"Ich hab mir gedacht, ihr kämpft und ich überwache das Ganze", meinte Kakashi nur und schob Naruto Richtung Trainingsplatz, weil dieser schon wieder anfangen wollte, über Schmuddelheftchen und faule Senseis herzuziehen. Sasuke ging an Naruto vorbei, allerdings in die falsche Richtung. Er zog seine Schwertscheide aus dem schwarzen Band, in dem sie gewöhnlich steckte und legte es sorgsam unter einem Baum ab.
 

"Was tust du denn da? Du wirst alle Waffen brauchen, die du hast, wenn du gegen mich ankommen willst, echt jetzt!" Sasuke lief wieder auf Naruto zu, blieb vor ihm stehen und sah im in die Augen.
 

"Ich werde Kusanagi nicht gegen euch einsetzen. Dieses Schwert ist meinen Feinden vorbehalten. Außerdem, hast du es vergessen?", sprach Sasuke und hob seine Arme, "Ich hab mehr Waffen bei mir, als ich brauche." Damit wandte er sich ab und gesellte sich zu Sakura, die bereits ungeduldig wartete und Naruto mahnend ansah. Dieser zuckte nur mit den Schultern und lief Sasuke hinterher.
 

"Ich versteh aber immer noch nicht, warum du dich dann noch mit dem Schwert belastest. Das ist doch unpraktisch!"
 

"Ich hab dir bereits gesagt, warum."
 

"Ja, aber danach war ich genauso schlau wie vorher! Es ist also ein besonderes Schwert, na und? Warum ist es denn besonders?" Sasuke sah Naruto grinsend an.
 

"Weil ich ihm besondere Bedeutung beimesse." Warum er das tat, würde er sicher nicht vor seinem Team ausbreiten. Das ging nur ihn etwas an. Aber Naruto war da anscheinend anderer Meinung, denn er zückte ein Kunai und ging auf Sasuke los. Natürlich nur, um das Training zu beginnen.
 

"Teme, das ist doch keine Antwort!", schrie er und legte an Geschwindigkeit zu. Doch kurz bevor Naruto sein Angriffsziel erreicht hatte, verschwand dieses plötzlich und nur der Staub, der sich vom Boden abhob, zeugte davon, dass hier vor Sekundenbruchteilen noch ein Mensch gestanden hatte. Dieser tauchte plötzlich über Naruto auf und holte mit einem Bein zu einem Tritt von der Seite aus, dem der Blondschopf erfolgreich auswich. Darauf schien der Uchiha nur gelauert zu haben, denn kaum war sein linkes Bein an Naruto vorbeigeschrammt, rammte er beide Hände auf den Boden und stieß sein rechtes Bein, den Restschwung nutzend, Richtung Narutos Kinn. Dieser konnte gerade noch so blocken, wurde aber ein Stück zurückgeschleudert.
 

Kakashi fühlte sich in den Kampf zurückversetzt, in dem Sasuke in der Arena gegen Gaara gekämpft hatte. Entgegen Narutos Erwartungen hatte der Jounin sein Buch in der Tasche gelassen, denn er war zu gespannt zu sehen, wie sein Team harmonierte und was Sasuke alles zeigen würde. Bisher war er aber eher enttäuscht. Der Uchiha war zwar noch sehr viel schneller geworden, die Geschwindigkeit war sogar unglaublich, aber das hatte der Jounin ja schon bei ihrer ersten Begegnung gesehen. Alles in allem kämpfte sein schweigsamer Schüler bisher nur mit den Mitteln, die er damals gegen Gaara angewendet hatte: Geschwindigkeit und Taijutsu. Chidori würde er hoffentlich nicht einsetzen, Kakashi hatte ihm das einst gegen Freunde verboten. Naruto würde sein Rasengan auf keinen Fall noch einmal gegen Sasuke richten. Bisher konnte Sasuke mit diesem Mitteln zwar gegen Naruto bestehen, aber der Chaosninja hatte eine unglaubliche Ausdauer, die es dem Uchiha schwer machen würde. Mit reiner Ausdauer und Körpertechniken würde es Sasuke unmöglich sein, gegenzuhalten.
 

Sakura hatte gewartet, bis Sasuke Naruto angegriffen hatte und sich in seinem Aufwärtstritt relativ wehrlos präsentierte. Durch den Schwung nach oben würde er seinen Kurs nicht mehr schnell genug ändern können, um Sakuras vernichtenden Schlag auszuweichen. Eine chakraverstärkte Faust schoss auf den Uchiha zu und direkt durch ihn hindurch, als er sich kurz vor dem Aufprall in Feuer aufgelöste.
 

"Was-", entfuhr es Sakura.
 

"Shunshin no Jutsu", ertönte es hinter Sakura und eine Handkante raste auf ihren Nacken zu, traf jedoch nur einen Baumstumpf. Sofort verschwand Sasuke wieder und hinterließ nur eine Staubwolke. Das war auch gut so, denn Sekunden später brach unter ihm die Erde. Sakura hatte ihn erneut verfehlt. Naruto hatte Sakuras Ablenkung genutzt und viele seiner Schattendoppelgänger rasten nun von überall her auf seine beiden Teammitglieder zu. Dadurch, dass keiner die Beschwörung gesehen hatte, war auch nicht klar, welcher der echte Naruto war. Sakura und Sasuke stellten sich Rücken an Rücken und waren schnell von Dutzenden Narutos umzingelt.
 

"Schaffst du das allein?", fragte Sasuke. Sakura schaute zwar verwirrt, nickte aber. Sasuke löste sich wieder in Flammen auf und Sakura schaffte es tatsächlich, sich gegen sämtliche Kagebunshin zur Wehr zu setzen. Doch plötzlich lösten sie sich alle auf. Kakashi grinste. Das war absehbar gewesen. Sekunden später kam ein maulender Naruto begleitet von einem grinsenden Sasuke aus dem naheliegenden Wald.
 

"-war ja eine gute Idee, nur Bunshin zu schicken, aber du musst dein Chakra besser verstecken", sagte Sasuke gerade.
 

"Mann, Teme, du hättest mich aber auch nicht so erschrecken müssen, dass ich vom Baum falle", meckerte Naruto und hielt sich eine gigantische Beule am Kopf, während sie auf Kakashi und Sakura zuliefen. "Außerdem ist genaue Chakrakontrolle nun mal mein größtes Problem."
 

"Jeder hat seine Schwächen, aber das ist eine, an der man arbeiten kann", sagte Sasuke und klang dabei ein bisschen bitter. "Frag doch mal Sakura, ob sie dir hilft."
 

"Naruto, was hast du denn schon wieder angestellt? Lass mich mal sehen", sprach Sakura und fuhr mit einer grünleuchtenden Hand über dessen Kopf. "Keine Gehirnerschütterung, zum Glück. Nur eine Beule. Das ist dein Kopf ja schon gewohnt", lachte sie. Auch Kakashi musste schmunzeln. Bei allen beeindruckenden Fähigkeiten, die Naruto hatte, war er trotzdem ab und zu noch ein unglaublicher Schussel.
 

Die drei Schüler wandten sich einander wieder zu und kämpften noch einige Stunden. Kakashi fiel auf, dass die schnell aufeinanderfolgenden Zusammenstöße relativ ausgeglichen ausgingen, wobei Naruto allmählich die Oberhand gewann. Er hatte nun mal die größte Ausdauer und seine beiden Gegner schienen es nicht auf ein schnelles Ende anzulegen. Immerhin war das hier nur eine Übung und kein Kampf. Ein bisschen Ausdauertraining konnte nicht schaden.
 

"Ich würde sagen, wir lassen es für heute gut sein. Zur Feier unseres ersten gemeinsamen Trainings nach so langer Zeit lade ich euch zu Ichiraku ein", eröffnete Kakashi schließlich. Naruto lief ein Stück voraus, weil er sich freute, dass sie nach dem letzten gescheiterten Ansatz nun endlich mal alle zusammen Ramen genießen konnten. Die anderen folgten ihm, nachdem Sasuke sein Schwert eingesammelt hatte. Kakashi fragte sich wirklich, warum dieses Schwert so bedeutsam war, aber er sparte sich die Frage. Sasuke würde nicht antworten, das hatte er bereits vorhin mit seiner Ablenkerei demonstriert. Manchmal war er wirklich zu zugeknöpft. Der Jounin hoffte, dass da nicht das Misstrauen aus seinem Schüler sprach. Er musste doch allmählich begriffen haben, dass sein Team ihm nicht in den Rücken fallen würde.
 

Schweigend saßen nach einer Weile alle nebeneinander und schlürften ihre Nudeln. Genauer gesagt sahen zwei Shinobi den anderen beiden beim Essen zu. Kakashi war stolz auf sein Team. Sie arbeiteten gut zusammen. Und sie waren stark. Sie würden keine Probleme haben, wieder zu einer guten Einheit zusammenzuwachsen. Etwas beschäftigte ihn allerdings doch noch.
 

"Sasuke, warum hast du während des Kampfes eigentlich dein Sharingan nie eingesetzt? Unterschätzt du Sakura und Naruto nicht ein bisschen?"
 

"Nein. Ich versuche nur, mich nicht ausschließlich auf mein Kekkei Genkai zu verlassen. Das kann zum Problem werden." Kakashi sah ihn überrascht an. Mit einer solchen Antwort hatte er nicht gerechnet. Er hatte so etwas erwartet wie "Gegen Naruto käme ich noch blind an.". Stattdessen versuchte Sasuke wohl, Fehlerquellen auszumerzen. Seit wann sah er das Sharingan nicht mehr als übermächtigen Vorteil seinen Gegnern gegenüber an?
 

"Oh? Wie kommt das?"
 

"Das Sharingan braucht viel Chakra. Außerdem verlangsamt es die Reflexe, weil man nicht gezwungen ist, erst in letzter Sekunde zu reagieren. Gegen Gegner ohne Sharingan kann ich es mir leisten, darauf zu verzichten, zumindest im Training." Das waren ja ganz neue Töne, der sture Uchiha zeigte Einsicht. Vielleicht lag das an der einen oder anderen Demütigung bei Orochimaru? Kakashi beschloss, nicht weiter nachzufragen und so unterhielt sich die Gruppe über ein paar belanglosere Dinge. Schließlich brachen die vier in Richtung ihrer Wohnungen auf.
 

Kakashi ging jedoch nicht nach Hause. Er wartete, bis er seine drei Schüler nicht mehr wahrnehmen konnte, beziehungsweise zwei, da Sasuke es immer noch nicht unterlassen konnte, sein Chakra ständig zu verbergen, und dann brach er Richtung Denkmal auf. Es war zu seiner Routine geworden, seinen beiden alten Kameraden und seinem Sensei so oft wie möglich einen Besuch abzustatten. Und spät abends war die Gelegenheit günstig, da ihn niemand sehen und lästige Fragen stellen würde. Was das betraf, verstand er Sasuke in seiner Verschlossenheit. Es war zu schmerzlich, solche Dinge mit anderen zu teilen, Mitleid in ihren Augen zu lesen. Außerdem machte es emotional angreifbar. Einige Dinge blieben besser unausgesprochen.
 

Kakashi blickte in den sternenklaren Himmel und genoss für einen Moment die Aussicht. Konoha hatte oft solche Nächte, weswegen man gut im schwachen Sternenlicht umherwandeln konnte. Das Denkmal war ziemlich weit vom Zentrum Konohas entfernt, es lag generell sehr abgelegen und Kakashi ließ sich Zeit. Immerhin war es erst gegen zehn Uhr und die Nacht war noch lang. Er brauchte nicht viel Schlaf. Kurz dachte er an einen gewissen Sturkopf, sich fragend, ob dieser sich genug Schlaf gönnte. Er sah nicht so aus. Es war zwar nicht weiter offensichtlich, aber Augenringe blieben Augenringe. Immerhin hatte es das Training nicht beeinträchtigt. Sasuke hatte nicht einmal zu spät reagiert, also war der Schlafentzug, den er sich antat, wohl noch zumutbar.
 

Gedankenverloren schlenderte Kakashi nun mittlerweile die Wege entlang, die sich durch die Wälder Konohas schlängelten, und genoss die Ruhe. Noch etwa zehn Minuten, dann würde er sein Ziel erreichen. Dort sollte er aber erst sehr viel später eintreffen, denn plötzlich erregte ein metallisches Klirren seine Aufmerksamkeit. Feindliche Shinobi? Wohl kaum. An den Anbu wären sie nicht vorbeigekommen und wenn sie doch so gut wären, dann hätte es in Konoha schon längst Ärger gegeben. Kakashi ging den Geräuschen nach, bis er durch die Bäume eine große Lichtung erkennen konnte, die an einer Seite von einem Fluss begrenzt war. Auf der Lichtung konnte er drei Gestalten ausmachen, die gegeneinander kämpften. Nein, zwei davon griffen den Dritten an und der Kampf schien unausgeglichen zu sein, denn alle drei waren rasend schnell und schienen ihre Schwerter vorzüglich zu beherrschen, aber einer war allein und das war sein Nachteil. Er geriet immer wieder in Bedrängnis, konnte sich aber auch oft wieder befreien. Kakashi ging noch ein bisschen näher heran und plötzlich wusste er, warum die Gestalten ihm bekannt vorgekommen waren. Es war Sasuke und er kämpfte gegen zwei Schattendoppelgänger. So so, du benutzt dein Schwert also nur gegen Feinde.
 

Nun da Kakashi in Sichtweite war, konnte er auch erkennen, dass Sasuke sein Sharingan aktiviert hatte. War das vorhin nur Show gewesen? Er hielt seine Teamkollegen anscheinend doch nicht für würdig. Hatte er nicht vorhin noch behauptet, sein Sharingan beim Training nur gegen Sharingan anzuwenden? Es sei denn...Kakashi wartete, bis ihm die beide Doppelgänger nicht mehr den Rücken zuwendeten und sah seinen Verdacht bestätigt: Die beiden Bunshin benutzten ebenfalls Sharingan. Dann musste Sasuke ihnen aber mehr als ein Drittel seines Chakras gegeben haben, sonst könnten sie es nicht so lange aufrechterhalten. Dieser leichtsinnige Sturkopf, hatte er nicht selbst gesagt, dass das Sharingan viel Chakra verbrauchte? Und dann hielt er gleich drei aufrecht. Wie lange trainierte er hier schon? Sehr lange konnte es noch nicht sein. Kakashi nahm sich vor, das Training vorsichtshalber bis zum Ende anzusehen. Wer wusste schon, wie weit Sasuke dieses Spielchen trieb? Kakashi war nur froh, dass er schon die ganze Zeit sein Chakra unterdrückt hielt, damit ihm niemand folgen würde.
 

Das heimliche Training ging noch eine Weile und der Jounin stellte fest, dass der echte Sasuke nur auswich, aber nicht angriff. Das war eigentlich auch klar, denn gegen zwei Gegner hatte er keine wirkliche Gelegenheit, zum Gegenangriff überzugehen. Hinzu kam, dass seine Doppelgänger erbarmungslos auf ihn einschlugen. Was trainierte der denn hier? Wie man sich am besten zusammenschlagen ließ? Da er zwei Schwerter mit einem abwehren musste, hatte Sasuke schon den einen oder anderen Schlag oder Tritt abbekommen. Er war auch schon ein paar Mal mattgesetzt worden, aber das hinderte die Drei nicht, danach sofort mit dem Training fortzufahren. Sasuke schien jedoch allmählich die Ausdauer zu verlassen, denn er konnte nicht mehr schnell genug die beiden Klingen abwehren.
 

"Chidori Eisou." hörte Kakashi sehr leise und plötzlich hatte Sasuke eine lange Klinge aus Blitzchakra in der Hand. Schnell durchtrennte er die beiden Schwertschneiden, die gerade wieder auf ihn zuschossen und griff dann mit Kusanagi seine beiden Doppelgänger an, die sogleich verpufften. Nun kamen allerdings die Erschöpfung und der Schmerz, den die Bunshin während des Kampfes erfahren hatten, zu ihrem Beschwörer zurück und dieser sank auf die Knie. Soweit Kakashi sehen konnte, atmete Sasuke sehr schnell und hielt die Augen zugekniffen. So eine Klinge durch den Körper fühlte sich sicher auch nicht sonderlich gut an. Warum hatte er das Training denn auch nicht vorher abgebrochen? Sturkopf. Kakashi haderte mit sich selbst. Sollte er zu seinem Schüler gehen und überprüfen, ob es ihm wirklich gutging? Aber Sasuke hatte immerhin bei Orochimaru trainiert und da war er sicher nicht zimperlich behandelt worden. Kakashi würde sich nur die Möglichkeit verbauen, zu sehen, ob Sasuke dieses Spiel ab jetzt jede Nacht treiben würde. Nein, er würde noch warten. Ein paar Minuten später hatte Sasuke sich soweit erholt, dass er sich leicht schwankend erhob und zum Fluss ging, um sich das Gesicht zu waschen. Das war für Kakashi das Signal, zu verschwinden. Der Uchiha würde jetzt sicher auch gleich gehen.
 

~*~
 

Auf dem Rückweg vom Mahnmal, so hatte er es beschlossen, würde Kakashi noch einen Abstecher zum Uchihaviertel machen, um zu sehen, wie es Sasuke ging. Vielleicht war er überbesorgt, aber er konnte Sasukes Fähigkeiten und Toleranzen auch nicht mehr so gut einschätzen. Und der Uchiha war allein. Niemand würde gleich bemerken, wenn es ihm nicht gutging. Schnell stand er vor dem richtigen Haus und suchte das gewünschte Fenster. Ein kurzer Blick durch selbiges verriet dem Jounin, dass sich sein Schüler nicht seinem Bett befand. Natürlich, was auch sonst...Wo könnte er sein? Leise öffnete Kakashi das Fenster, durchquerte es und schlich in den Flur. Nach fünf Minuten wusste er immerhin, dass Sasuke sich nicht einmal im Haus befand. Wo zum Teufel war er? Kakashi wollte sich gerade auf den Heimweg machen, als er durch ein Fenster eine Gestalt im Garten ausmachen konnte. Sasuke saß auf einem Ast des einzigen Baumes in diesem Garten. Er hatte ein Bein angezogen und den Arm dagegengelehnt, das andere diente ausgestreckt dem anderen Arm als Ablage. Abwesend blickte er zu dem weißen Mond hinauf und erst ein bisschen später sah Kakashi, dass sein Blick unsagbar traurig war. Wo war der entschlossene Ausdruck von vorhin geblieben? Es sah aus, als würde Sasuke versuchen, den Mond mit Blicken vom Himmel zu ihm herunter zu flehen. Kakashi trat auf die Veranda und ein Brett knarrte leise. Sofort war Kakashi von Sasuke fixiert, Sharingan aktiviert und die Hand am Schwertgriff. Kaum erkannte Sasuke den Eindringling jedoch, ließ er seine Hand auf seinen Schoß sinken und deaktivierte sein Kekkei Genkai wieder.
 

"Finden Sie es normal, mitten in der Nacht bei ihren Schülern vorbeizuschneien?", fragte Sasuke kühl. Kakashi wusste, was der Uchiha davon hielt, andere Leute im Haus zu haben.
 

"Findest du es normal, um diese Uhrzeit den Mond anzustarren, statt zu schlafen?" Als die Antwort ausblieb, drängte Kakashi weiter. "Schläfst du heute Nacht überhaupt? Keine Angst, ich hab kein Problem damit, hierzubleiben, und mir die Antwort selbst zu geben, wenn du dazu keine Lust hast."
 

"Nein."
 

"Sasuke, das-"
 

"Ich weiß, wo meine Grenzen liegen."
 

"Warum tust du das überhaupt?" Sasukes Blick verhärtete sich.
 

"Das ist mein Problem."
 

"Wusstest du, dass Freunde, und besonders Teamkameraden, gern helfen?"
 

"Dabei kann niemand helfen. Und es geht keinen etwas an."
 

"Sasuke, wir sind nicht deine Feinde. Warum bist du nur so misstrauisch?" Der Uchiha sprang vom Baum und kam auf seinen Sensei zu. Er hatte eine Ernsthaftigkeit im Blick, die Kakashi ein wenig überraschte.
 

"Sensei. Wenn ich irgendjemandem traue, dann den Mitgliedern von Team 7. Aber es gibt Dinge, die Außenstehende einfach nichts angehen." Bevor Kakashi zu einer Antwort ansetzen konnte, musste er es sich gefallen lassen, von Sasuke ins Haus geschoben zu werden.
 

"Und jetzt sollten Sie gehen. Wir wollen doch morgen beide wieder aufnahmefähig sein." Kakashi entging nicht, dass Sasuke es vermied, "ausgeschlafen" zu sagen. Er ging zur Tür hinaus auf die Hauptstraße der Uchiha und sprach in deren Richtung:
 

"Ich weiß, wir haben alle Dinge, über die wir nicht sprechen wollen oder können, aber wenn es dir sogar den Schlaf raubt, solltest du dich möglicherweise doch jemandem anvertrauen. Denk darüber nach, Sasuke." Doch als Kakashi sich umdrehte, blickte er nur auf eine geschlossene Tür...

Pläne

Sasuke lehnte an der Eingangstür und seine Mundwinkel deuteten ein leichtes Lächeln an. Die Tür war zwar bereits geschlossen gewesen, doch er hatte Kakashis Worte deutlich gehört. Und sie bedeuteten ihm sehr viel. Sie bewiesen, dass da noch jemand war, dem es nicht egal war, wie es ihm ging. Und obwohl Sasuke sich immer hart gab, wusste er die Sorge zu schätzen. Aber es war, wie es war: Das alles ging sie einfach nichts an. Niemanden. Das war sein Problem. Er musste stark sein und allein damit zurechtkommen. Für Itachi wäre sicher sowieso alles kein Problem gewesen. Zähneknirschend ging Sasuke ins Wohnzimmer. Er hatte noch zu meditieren, um das nötige Chakra wieder aufzubauen.
 

~*~
 

Heute war eine große Ausnahme, denn das Training begann pünktlich. Warum? Weil Kakashi pünktlich war. Und warum war er pünktlich? Weil der Jounin sich geschworen hatte, seine Kameraden nie wieder im Stich zu lassen. Dafür ließ er sogar seinen morgendlichen Besuch bei seinem alten Team ausfallen. Denn er hatte einen Plan und das war, sein Team zu schinden, bis sie nicht mehr konnten. Manch einer würde sich wundern, was das mit helfen zu tun hatte, aber Kakashi war clever und seine Taktiken nicht unbedingt unkompliziert, dafür aber umso genialer. Er hatte gestern Nacht gesehen, um wie viel verschlossener Sasuke war. Er würde wonmöglich noch nicht einmal Hilfe annehmen, wenn sein Leben davon abhinge. Er würde auch nicht auf irgendwelche Fragen antworten, völlig egal, was Kakashi unternehmen würde. Und er hatte vollkommen das realistische Maß verloren, was er sich zutrauen konnte, soviel war gestern klar geworden. Also musste der Jounin zu anderen Methoden greifen.
 

Gestern war ihm eine Idee gekommen, was Sasukes Problem sein könnte. Oder vielleicht auch nur ein Teil davon. Wenn er seine Beobachtungen zusammenhängend betrachtete, ergab sogar alles einen Sinn. Sasuke hatte bereits bei Orochimaru nur sehr unregelmäßig geschlafen. Das hatte er sicher getan, um sich nicht angreifbar zu machen, aber damit schwächte er sich auf die Dauer auch, also musste mehr dahinter stecken, was ihm dieses Risiko wert war. Und Sasuke war sich der Konsequenzen bewusst, sicher war er mit seinem Schlafentzug schon einmal zu weit gegangen. Das reimte sich Kakashi aus den Bemerkungen von gestern zusammen, von wegen Sasuke wüsste, wo seine Grenzen liegen. Dann war da noch die Angst, die Tsunade in Sasukes Augen gesehen hatte, als sie ihm gedroht hatte, ihn in einen Schlafzustand zu versetzen. Wenn Sasuke nur misstrauisch wäre, dass er im Schlaf angegriffen würde, hätte er diese Angst nicht gezeigt, höchstwahrscheinlich nicht einmal gehabt. Dafür war er zu sehr ernsthafter Ninja. Er wusste, dass er jederzeit sterben konnte. Davor hatte er sicher keine Angst. Er fürchtete etwas anderes. Und was Sasuke schon immer penibel versteckt hatte, als Schwäche ansah, möglicherweise sogar fürchtete, waren Gefühle. Außerdem war sein Argument gewesen, es ginge andere nichts an. Es musste etwas Privates sein. Etwas Emotionales.
 

Dann war da noch Sasukes Frage gewesen. Nachdem er aufgewacht war, hatte er Kakashi direkt gefragt, wie lange dieser schon vor seiner Zelle gesessen hatte. Zu diesem Zeitpunkt hatte sich Kakashi zwar gewundert, aber sich nichts weiter dabei gedacht. Aber möglicherweise hatte Sasuke indirekt nach der Dauer seines Schlafes fragen wollen. Kakashi hatte ihm auf diese Frage ja auch gleich diese Antwort gegeben. Und dass Sasuke sich für die Dauer seines Schlafes interessierte, konnte nicht viele Gründe haben. Wenn er nur abschätzen wollte, wie viel er sich schon hatte erholen können, hätte er das selbst merken können. Es gab aber noch etwas Zeitrelevantes beim Schlafen und das waren Traumphasen. Nach etwa drei Stunden Schlaf begann die erste. Dann, wenn das Gehirn Entspannung suchte und das Unterbewusstsein aktiv wurde. Und vielleicht wurde Sasuke von eben diesem gequält. Albträume. Aber warum verzichtete er deswegen so radikal auf Schlaf? Er musste es doch gewohnt sein. Kakashi hatte Sasuke schon ein paar Mal bei Missionen dabei erwischt, wie er sich im Schlaf hin- und hergewälzt hatte. Manchmal hatte er auch ein, zwei Wörter vor sich hingemurmelt, daher wusste Kakashi sicher, wovon er da geträumt hatte. Dem Massaker. Aber damals hatte er nicht solche Spielchen getrieben. Was war da noch?
 

Genau das wollte Kakashi herausfinden. Er würde sein Team für die verbleibende Woche so schlauchen, dass sie sich wünschen würden, einfach nur ins Bett zu fallen. Und danach würde er die Hokage um eine extralange, nicht so gefährliche Mission bitten, so konnte Sasuke ihm nachts nicht entkommen. Tsunade würde sicher mitspielen. Kakashi konnte Sasuke ja nicht jede Nacht im Viertel besuchen und die ganze Nacht über ihn wachen, um zu sehen, ob sein Verdacht sich bestätigte. Kakashi brauchte nämlich dummerweise auch ein bisschen Schlaf. Hoffentlich hatte Sasuke seine Angewohnheit, im Schlaf zu sprechen, noch nicht abgelegt.
 

Naruto und Sakura waren unfähig, ihr Erstaunen in Worte zu fassen. Sie starrten Kakashi einfach nur mit offenen Mündern an. Noch nie während ihres gemeinsamen Trainings war der Jounin pünktlich gekommen und nun stand er hier. Sogar fünf Minuten zu früh. Sasuke warf seinem Sensei einen forschenden Seitenblick zu und wandte sich dann ganz ab, um wie üblich sein Schwert am Rand abzulegen. Ich hätte mir denken können, dass du misstrauisch wirst. Immerhin hab ich dir gegenüber den Grund für mein Zuspätkommen angedeutet. Als Sasuke wieder neben seinen beiden Teamkameraden stand, begann Kakashi, ihnen das anstehende Training zu erklären.
 

"Gestern habt ihr gegeneinander gekämpft und ich habe gesehen, dass ihr euch gut aufeinander einstellen könnt. Darum will ich euch heute eine neue Technik beibrin-"
 

"Endlich! Was ist es? Ist es stärker als das Rasengan? Wie-"
 

"Wenn du mich mal aussprechen lassen würdest, hätte ich euch sagen können, dass es eine Schildtechnik ist." Naruto sah enttäuscht aus. Das klang nicht sehr spektakulär. Auch Sasuke schien nicht sonderlich begeistert zu sein.
 

"So wie es klingt, ist es eine rein defensive Technik", meinte Sakura nachdenklich. Kakashi strahlte nur euphorisch.
 

"Richtig, aber sie kann sehr nützlich werden. Je nach Intensität des Schildes könnt ihr sogar Felsbrocken abwehren, was mit Kunai ja nicht geht. Außerdem können mehrere Schilde bei entsprechender Zusammenarbeit zu einer vollständigen Barriere kombiniert werden. Daher ist eine gute Zusammenarbeit extrem wichtig. Wir werden uns langsam hocharbeiten."
 

"Wozu sollte man eine Schildtechnik lernen, wenn man einfach ausweichen kann?", fragte Sasuke zweifelnd.
 

"Du meinst, weil du das Shunshin no Jutsu beherrschst? Auch das kann man binden. Und wenn du an einem Ort feststeckst, kannst du schlecht ausweichen."
 

"Mir ist bisher kein Gegner untergekommen, der das Jutsu binden konnte. Es scheint mir nicht lohnenswert, ein Jutsu zu lernen, das nur in wenigen Spezialfällen nützlich ist."
 

"Dann sieh es als Unterstützung für dein Team an. Sollte es wirklich einmal nötig sein, eine Barriere zu erschaffen und aufrechtzuerhalten, werden wir alles verfügbare Chakra brauchen."
 

"Hn. Also formt man ein Schild aus Chakra?", fragte der Uchiha.
 

"Richtig, mein miesgelaunter Schüler. Du leitest Chakra in die Hände und dann formst du es", antwortete Kakashi. Dir dürfte es ja nicht schwerfallen, denn wie ich gestern gesehen habe, kannst du bereits Elementechakra formen. "Naruto dürfte darin etwas Vorsprung haben, er kann immerhin mit seinem Rasengan Chakra zu einer Kugel formen." Kakashi war gespannt, ob Sasuke jetzt etwas über seine Chidoriformveränderungen sagen würde, doch dieser blieb stumm. Dafür äußerte Sakura ihre Gedanken.
 

"Aber muss man dann nicht ständig neues Chakra zuführen, um diesen Schild aufrecht zu erhalten?"
 

"Ja, deshalb ist es sehr wichtig, präzises Timing zu entwickeln, sodass ihr den Schild kurz vor dem Aufprall erst formt und dann gleich wieder auflöst. Das investierte Chakra ist dann natürlich weg. Außerdem müsst ihr einschätzen können, wie stark der Schild sein muss. Nehmt ihr zu wenig Chakra, kommt das Geschoss einfach durch. Zu viel Chakra nützt nichts, es wäre nur verschwendet. Im schlimmsten Fall könntet ihr euch sogar selbst verletzen." Naruto dachte an sein schmerzvolles Rasengantraining zurück und verzog kurz das Gesicht.
 

"Kann man damit auch Waffen abwehren, Sensei?"
 

"Ja, Naruto. Aber nur, falls dir die Kunai ausgehen, denn dafür muss der Schild besonders dick sein. Du kannst es dir vielleicht leisten, aber du solltest immer versuchen, kein Chakra zu verschwenden." Sasuke sah Kakashi skeptisch an, sagte aber nichts. Die ganze Übung klang für ihn nach Chakraverschwendung. Warum fing Kakashi urplötzlich mit defensiven Techniken an? Lange Zeit zum Grübeln ließ dieser seinen Schülern nicht.
 

"Ich werde euch die Technik jetzt mal zeigen. Passt gut auf. Zuerst sammelt ihr Chakra in der Hand und dann formt ihr es. Dann müsst ihr konstant Chakra in den Schild leiten, damit er nicht verschwindet." Während er es erklärte, hob Kakashi die Arme auf Brusthöhe und richtete die bereits blau leuchtenden Handflächen nach außen, sodass sie von ihm wegzeigten. Das Chakra streckte sich schließlich und als Kakashi ihn nur noch aufrechterhielt und nicht weiter formte, hatte der Schild eine ovale Form angenommen.
 

"Naruto, such dir einen Stein und wirf ihn auf mich." Der Blondschopf tat, wie ihm geheißen. Der Stein prallte am Schild ab.
 

"Sakura, ein Kunai." Die Kunoichi nahm sich eines und warf es auf ihren Sensei. Auch das Kunai prallte ab. Sasuke blickte plötzlich sehr nachdenklich drein.
 

"Ihr werdet erst einmal nur versuchen, den Schild zu formen." Naruto, Sakura und Sasuke nahmen etwas Abstand zu einander und versuchten, das Chakra in ihren Händen zu formen. Sakura hatte nach kurzer Zeit einen kleinen Schild geformt, als sie plötzlich neben sich ein intensives blaues Leuchten wahrnahm.
 

"Naruto, nicht so viel Chakra, du willst doch keine Lawine abwehren, sondern nur einen Schild formen!" Nach etwa einer Stunde beherrschten alle drei einen Schild.
 

"Jetzt werden wir mit Geschossen üben. Zum Anfang nehmen wir Matsch, damit ihr euch nicht verletzt", sagte Kakashi. Die vier begaben sich zum Fluss und positionierten sich an dessen Ufer.
 

"Naruto, Sasuke, damit wir effektiver üben können, werdet ihr jeder einen Schattendoppelgänger erschaffen und die werden mit euch trainieren. Naruto bekommt Sasukes und Sasuke Narutos. Ich trainiere mit Sakura, weil sie nicht soviel Chakra hat wie ihr beiden." Und schon ging das Training los, welches das Potential hatte, in eine Schlacht auszuarten. Es konnte schließlich nichts Gutes dabei rauskommen, wenn der Chaosninja die offizielle Erlaubnis bekam, den Uchiha mit Dreck zu bewerfen. Und tatsächlich, der Doppelgänger Narutos fing an zu grinsen und warf den Matsch, noch bevor Sasuke den Schild überhaupt formen konnte. Dieser war so konzentriert darauf, das Chakra zu formen, dass er nicht mehr rechtzeitig ausweichen konnte und den Schlamm voll ins Gesicht bekam. Er zog eine Augenbraue hoch und sah Naruto abschätzig an.
 

"Willst du trainieren oder spielen, Usuratonkachi?" Narutos Doppelgänger war enttäuscht, dass Sasuke nicht auf die Provokation ansprang und stattdessen zum Fluss ging, um sich das Gesicht zu waschen. Es war ja nicht so, dass er Sasuke einfach nur ärgern wollte. Naruto, und damit auch sein Doppelgänger, wollte den Uchiha aus seiner ihn stets umgebenden Schale holen. Er hatte nicht das Gefühl, dass sie sich noch wie Freunde verhielten und das schmerzte. Sasuke war einfach zu reserviert gegenüber Team 7. Es war, als ob er sie als Feinde betrachtete, denen er keine Schwäche offenbaren durfte, damit sie ihn nicht verrieten. Naruto wollte Sasuke nicht verlieren, wo er doch genau vor ihm stand. Und da Wut schon immer die Emotion war, der Sasuke am ehesten freien Lauf ließ, wollte er sich vorerst darauf konzentrieren, Sasuke ein bisschen zu provozieren. Der Bunshin nahm sich also vor, dasselbe noch einmal zu versuchen, aber mit einem noch größeren Matschklumpen. Er begann bereits wieder, über seinen Plan zu grinsen.
 

Dabei entging ihm allerdings, dass der Uchiha seine Hände zu Fäusten geballt hatte. Matsch im Gesicht war eine Demütigung, die er sich nicht unbedingt gefallen lassen wollte. Äußerlich ruhig ging er zurück an seinen Platz und forderte den Schattendoppelgänger auf, einen weiteren Matschball zu werfen. Bevor dieser jedoch erneut sein Gesicht treffen konnte, setzte er das Kawarimi no Jutsu ein und plötzlich stand an seiner Stelle der ahnungslose Naruto. Dieser hatte keine Zeit mehr zum Reagieren und stand kurz darauf ebenso mit einem Matschgesicht da.
 

"Teme, was soll das, ich hab dir gar nichts getan!!!"
 

"Hn. Ob du oder dein Schattendoppelgänger, ihr habt denselben Geist. Da wende ich mich lieber an die Quelle."
 

"Na warte!", schrie Naruto und wollte sich auf sein Opfer stürzen, als er wurde von Kakashi unterbrochen wurde.
 

"Naruto, reiß dich mal zusammen, immerhin hat dein Schattendoppelgänger angefangen. Und Sasuke, von dir hätte ich solche Kindereien nicht erwartet", rügte der Jounin. Innerlich war er Naruto aber dankbar und froh, dass Sasuke sich noch aus der Reserve locken ließ. Da war immer noch ein Stück des alten Sasuke in ihm, fragte sich nur, wie viel. Beide Jungs knurrten und setzten ihr Training fort. Als es endlich dämmerte, erklärte Kakashi das Training für beendet und ließ seine drei Schüler allein. Diese liefen zu Ichiraku, um sich dort über die neue Technik zu unterhalten.
 

"Mann, diese Technik ist ganz schön anstrengend. Ich fühl mich richtig ausgelaugt. Den ganzen Tag hat er uns Chakra formen lassen", meinte Sakura.
 

"Ja, und außerdem ist die Technik gar nicht so toll. Ich finde sie langweilig", maulte Naruto. Sasuke starrte nachdenklich in seine Schüssel.
 

"Hat euch Kakashi in den letzten Jahren viele defensive Techniken beigebracht?" Die beiden anderen verneinten.
 

"Wieso fragst du?", sagte Sakura.
 

"Ich wundere mich, warum er ausgerechnet jetzt damit anfängt", antwortete Sasuke ruhig, legte Geld auf den Tisch und ging. Auf dem Tresen stand noch immer seine unangetastete Portion Miso-Ramen, die Naruto für ihn mitbestellt hatte.
 

"Der könnte auch mal ein bisschen geselliger werden", murmelte Naruto und erntete einen amüsierten Blick von Sakura.
 

~*~
 

Kakashi war seinen Schülern ein Stück gefolgt, um zu hören, was sie von der neuen Technik hielten und ob sie Verdacht geschöpft hatten. Er hoffte nicht, denn es war offensichtlich gewesen, dass zumindest Sasuke sich gewundert hatte. Aber das war ja zu erwarten gewesen. Er ließ den dreien ein bisschen Zeit und begab sich kurz zu seinem Stammplatz. Nach etwa einer Stunde schlich er zu der Lichtung, auf der Sasuke gestern trainiert hatte. Er war gespannt, ob dieser nach dem anstrengenden Tag noch einmal so ein wahnwitziges Training abhalten würde. Und er wurde nicht enttäuscht. Schon außer Sichtweite konnte er zwei Chakraquellen spüren. Was macht der Kerl denn schon wieder? Kakashi war ein bisschen sauer, dass Sasuke so leichtsinnig war. Durch seinen Schlafverzicht würde er das ganze verbrauchte Chakra nicht wiederaufbauen können und die Erschöpfung würde auch nur zu geringen Teilen weichen. Damit war er nicht voll einsatzfähig und eine leichte Beute. Hier allein im Wald zu trainieren, wenn auch innerhalb von Konohas Dorfmauern, war gefährlich.
 

Kakashi ging noch ein paar Meter heran und versteckte sich hinter einem Baum. Dass Sasuke seine Präsenz überhaupt nicht wahrnahm, wunderte ihn. Fühlte er sich hier so sicher? Anscheinend, denn er schien sehr in sein Training vertieft zu sein. Heute hatte er nur einen Klon beschworen und Kakashi hätte sich fast gefreut, hätte er nicht gespürt, dass in dem Kunai des Klons Chakra enthalten war. Also musste Sasuke ihm wieder sehr viel Chakra gegeben haben. Diesmal hatte auch Sasuke Chakra in seinem Kunai. Kakashi fragte sich gerade, warum er nicht sein Schwert benutzte, als er etwas noch Interessanteres sah: Sasuke hatte sich die Augen verbunden. Und augenscheinlich kämpfte er nicht zum ersten Mal blind, denn er bewegte sich geschickt und konnte rechtzeitig ausweichen. Schon wieder wich er nur aus. Warum sollte er mit seiner Waffe nur verteidigen? Kakashi schaute sich den Tanz der beiden Kämpfer eine Weile an, bis plötzlich die Klinge des Doppelgängers etwas intensiver zu Leuchten begann. Der Bunshin holte Schwung, schnitt durch Sasukes zur Abwehr erhobenes Kunai und erwischte ihn am rechten Oberarm. Sasuke löste sich in Flammen auf und tauchte am anderen Ende der Lichtung wieder auf. Glücklicherweise nicht an dem Ende, an welchem sein unbemerkter Zuschauer sich befand.
 

Kakashi nutzte die Pause, um sich zu wundern. Sicher hatten beide Elementechakra verwendet, normales Chakra wäre sinnlos gewesen. Wie konnte eine mit Blitzchakra geladene Waffe eine andere Waffe durchtrennen, die mit demselben Chakra aufgeladen war? Es sei denn, Sasuke hatte normales Chakra verwendet und zu wenig davon. Er trainierte wahrscheinlich den Schild, nur eben auf seiner Waffe. Sasuke wusste sicher, dass Blitzchakra Windchakra unterlegen war. Würde ein Windnutzer die Waffe gegen sein Kusanagi erheben, wenn es nur mit Blitzchakra geladen war, wäre es dem Untergang geweiht. Deshalb benutzte Sasuke vermutlich heute ein Kunai, damit sein Schwert beim Training nicht zerstört wurde. Dieses Schwert musste wirklich etwas Besonderes sein, wenn er extra dafür diese Technik trainierte. Wie es aussah, konnte Sasuke den Schild aber noch nicht hundertprozentig einschätzen und deshalb konnte sein Gegner einen Treffer landen. Dieser Gegner stürmte gerade auf Sasuke zu, der seine Hand zum Mund führte und dem Schattendoppelgänger eine Feuerkugel entgegenspuckte. Der Bunshin wich aus und hob seine Waffe erneut, um von einer Blitzklinge aufgespießt zu werden. Diesmal ging Sasuke allerdings nicht zu Boden, als sein Doppelgänger sich auflöste. Stattdessen hielt er sich seine Wunde, aus der das Blut in dünnen Rinnsalen schon bis zum Handgelenk geflossen war und langsam die dort befindliche Bandage durchtränkte.
 

Kakashi fand, dass es der passende Zeitpunkt zum Verschwinden war, denn den Weg ins Krankenhaus fand Sasuke sicher allein. Es ging dem Jounin um Wichtigeres als eine Schnittverletzung und deswegen durfte er bei seinen Beobachtungen nicht entdeckt werden. Sasuke würde sonst nur zu vorsichtig werden. Aber Kakashi konnte auch nicht aufhören, dieses nächtliche Training zu beobachten, denn offensichtlich hielt sein Schüler sich nur hier überhaupt nicht zurück und momentan brauchte Kakashi jeden Hinweis, den er kriegen konnte. Anscheinend hatte Sasuke noch zu viel Energie übrig, wenn er sein Training immer noch so intensiv, wenn auch kurz, betreiben konnte. Dann musste Kakashi eben Mittel und Wege finden, um ihn an seine äußersten Grenzen zu treiben...

Erste Wirkung

"Guten Morgen!", begrüßte Kakashi seine miesgelaunten Schüler. Er war wieder pünktlich und seine Schützlinge ahnten schon, was das bedeutete. "Mh, so wie ihr dreinschaut, könnte man meinen, dass Sasuke auf euch abfärbt", sagte der Jounin gutgelaunt und ignorierte den noch intensiveren finsteren Blick von eben diesem.
 

"Sensei, wieso sind sie seit Neuestem immer pünktlich?", fragte Sakura. Immerhin war das bereits das zweite Mal. Team 7 war sich sicher, dass die Apokalypse bevorstand.
 

"Mmmh, damit ich mich besser um meine Schüler kümmern kann. Für einen vorbildlichen Sensei ist das doch selbstverständlich." Dass er bislang stets zu spät gekommen war, ließ Kakashi leichtfertig außen vor. "Wir werden heute das Training verschärfen. Ihr werdet Doppelgänger erschaffen und diese mit Kunai bewerfen. Die Doppelgänger müssen sich mit dem Schild schützen. Ich will ja nicht, dass ihr verletzt werdet, falls ihr den Schild noch nicht richtig einschätzen könnt", sagte Kakashi und schielte zu Sasuke. Natürlich war ihm aufgefallen, dass der Uchiha seinen Stirnschutz heute am rechten Oberarm trug und Kakashi hatte auch schon eine Ahnung, warum das so war. Er würde ihn genauer beobachten.
 

Seine Schüler nahmen Aufstellung, erschufen jeder einen Doppelgänger und dann begann das Training. Ab und an verpuffte ein Bunshin, denn es war nicht so einfach, den Schild richtig einzuschätzen. Das Glück bei der Schattendoppelgängertechnik war, dass neben dem Schmerz und der Erschöpfung der Doppelgänger auch die Erfahrung, die diese gesammelt hatten, auf den Benutzer übergingen. So war es egal, ob das Original oder die Kopie den Schild trainierte. Nach etwa einer Stunde entließ Kakashi Sakura aus dem Training. Sie hatte den Schild gemeistert.
 

"Sensei, wieso darf Sakura-chan schon gehen? Das ist total unfair!", echauffierte sich Naruto.
 

"Das ist nicht unfair, sie beherrscht den Schild schon. Sakura war in Chakrakontrolle schon immer besser als ihr beiden. Außerdem wird sie von Tsunade gebraucht. Und du bringst noch entschieden zu viele Doppelgänger um, um auch nur ans Ende des Trainings denken zu können."
 

"Was kann ich denn dafür, wenn diese Anfänger den Schild nicht hinbekommen?", regte sich Naruto weiter auf.
 

"Gleicher Geist, gleiche Unfähigkeit, Usuratonkachi", sagte Sasuke, holte Schwung mit dem linken Arm und warf ein weiteres Kunai, das an dem Schild seines Bunshin abprallte.
 

"Sasuke, versuch es mit ein bisschen weniger Chakra. Du steckst zu viel in den Schild", meinte Kakashi. Sasukes Doppelgänger ließ den Schild verschwinden und schuf einen neuen. Auch dieser hielt dem Kunai stand.
 

"Ich glaube, du hast das Maß gefunden. Taste dich langsam nach unten, bis der Schild nicht mehr standhält." Naruto wandte sich mit verbissener Miene ab und war nun mit noch mehr Eifer beim Training. Er erschuf ein paar mehr Bunhsin und steigerte damit die Erfahrung, die er in kurzer Zeit sammeln konnte. Nach einer weiteren Stunde beherrschten beide den Schild sehr gut.
 

"Gut, dann können wir uns morgen der Barriere widmen. Da es noch nicht allzu spät ist, was haltet ihr von einem Übungskampf?" Naruto nickte eifrig, auf einen direkten Kampf mit Sasuke hatte er sich schon ewig gefreut. Der Uchiha war aber alles andere als begeistert. Er würde es zwar nicht zugeben, aber er spürte bereits die Folgen des intensiven Trainings. Sein Chakralevel war sehr viel niedriger, als er sein sollte. Natürlich war Sasuke bewusst, dass er an diesem Zustand selbst schuld war, aber er konnte und wollte es nicht ändern. Die Träume könnte er nicht mehr jede Nacht ertragen, obwohl sie dann vielleicht nicht ganz so schlimm ausfallen würden, weil sein Unterbewusstsein nicht die Schuldgefühle von einer ganzen Woche verarbeiten musste. Konnte sich so etwas überhaupt summieren? Was für alberne Gedanken…
 

Tatsache war aber, dass die Träume seit Beginn seines nicht ganz freiwilligen Schlafentzuges schlimmer geworden waren. Aber das lag möglicherweise auch an dem Grund, weswegen er mit dem Ganzen erst angefangen hatte. Er war in einem Teufelskreis gefangen. Er schwächte sich systematisch wegen seiner Schwäche. Wäre er kein Uchiha, hätte er wegen der Ironie lauthals aufgelacht. Aber es wäre sicher kein fröhliches Lachen gewesen. Und natürlich könnte er auch auf sein kurzes, aber anstrengendes Sondertraining am Abend verzichten, aber er brachte es nicht über sich. Er hatte stärker zu werden, das war die Erwartung. Er konnte sonst niemals gegen Itachi bestehen. Jede Sekunde, die er nicht trainierte, fühlte sich an, als würde er seine Familie verraten. Sein Gewissen gab erst Ruhe, wenn er sich vollkommen verausgabt hatte. Schuldbewusstsein und Pflichtgefühl waren ein gnadenloser Antrieb, der einem nie Ruhe ließ. Nicht einmal nachts. Sasuke dachte mit Grauen daran, dass bereits wieder eine Woche um war. Und wegen des harten Trainings von Kakashi war es unumgänglich: Heute musste er wieder schlafen.
 

"-, echt jetzt! Sasuke, hörst du mir überhaupt zu?" Sasuke sah ein wenig verwirrt auf. Ging seine geistige Abwesenheit etwa jetzt schon los? Es war doch noch Zeit bis zur Nacht. Er durfte sich nicht so davon gefangen nehmen lassen.
 

"Was hast du gesagt?" Kakashi und Naruto sahen ihn skeptisch an. Ein unkonzentrierter Uchiha war doch mehr als merkwürdig.
 

"Ich hab gesagt, wir sollten in diesem Kampf alles geben, was wir haben. Falls du überhaupt willst", sagte Naruto mit besorgtem Unterton in der Stimme und ahnte nicht, dass er Sasuke damit in die Enge trieb. Würde dieser jetzt verneinen, dann wäre das nicht nur noch untypischer für ihn, nein, er würde auch Fragen nach dem Warum beantworten müssen. Er hatte keine Lust, seine neugierigen Teamkollegen auf die Fährte seines nächtlichen Trainings zu bringen. Fragen dazu würde er ganz sicher nicht beantworten. So sicher, wie sein Team dann keine Ruhe mehr geben würde. Bisher hatten sie alle ausweichenden Antworten hingenommen, aber es war nur eine Frage der Zeit, bis die Grenze erreicht war. Daher setzte Sasuke eine siegessichere Miene auf und meinte:
 

"Klar." Verdammt. Ausgerechnet gegen Naruto. Der Kerl hatte mehr Ausdauer als eine Armee. Das hier musste schnell von statten gehen. Er musste Naruto übertölpeln, das war der einzige Weg. Im strategischen Denken war Sasuke Naruto immer noch weit überlegen, auch wenn Jiraiya ihm ein paar nützliche Lektionen erteilt hatte. Narutos Leben war aber während seines Trainings sicher nicht davon abhängig gewesen, ob er den Gegner richtig einschätzen konnte und die richtige Strategie fand. Es war immens wichtig gewesen, bei Ororchimaru mit seinen Ressourcen zu haushalten, weil er dort ja ein gefährliches Doppelspiel gespielt hatte und sich jederzeit hatte verraten können. Das wäre in der Tat sein Ende gewesen. Sasuke war es also gewohnt, eine Kampfsituation zu analysieren und dann die bestmögliche Handlungsweise zu entwickeln. Das Problem, wenn man gegen Naruto kämpfte, war dabei aber, dass dieser nicht unbedingt planmäßig vorging. Er musste also vorsichtig sein. Und nicht ZU zurückhaltend mit Chakra, das würde sonst auch auffallen.
 

"Lasst uns die ganze Sache doch etwas spannender gestalten", warf Kakashi ein. "Ihr erschafft jeder einen Schattendoppelgänger und wer den des Gegners zuerst zerstört, hat gewonnen." Sasuke zog die Augenbraue hoch. Legte Kakashi es drauf an, dass sie Chakra verschwendeten? Oder wollte er damit vielleicht erreichen, dass sie sich mit ihren Jutsu ein bisschen zurückhalten mussten, weil sie sonst Gefahr liefen, ihren eigenen Bunshin zu zerstören? Undurchschaubar, wie immer.
 

"Das klingt super! Lass uns loslegen, Sasuke!"
 

"Hn." Sasuke war Kakashi dankbar, denn er hatte ihm mit dieser Idee eine neue Option verschafft. Es war riskant, aber eine schnellere Möglichkeit sah er nicht. Er hoffte, dass Naruto so vorgehen würde, wie er es sich dachte. Beide drehten einander den Rücken zu, damit sie nicht sehen konnten, welcher der Schattendoppelgänger war. Nach der Beschwörung wandten sie sich einander wieder zu. Ein Sasuke stellte sich sofort vor den anderen, während die beiden Narutos nebeneinander stehen blieben. Der vordere Sasuke aktivierte sein Sharingan. Kakashi war verblüfft. Seit wann geht Sasuke denn so plump vor? Es ist ja wohl offensichtlich, wer der Doppelgänger ist. Naruto hat seinen Doppelgänger neben sich gelassen, damit man ihn nicht sofort erkennt. Und dann aktiviert er auch noch sein Sharingan... Kakashi aktivierte seines ebenfalls und runzelte die Stirn.
 

Naruto verlor keine Zeit. Er und sein Doppelgänger stürzten sich gezielt auf den Bunshin, den Sasuke zu schützen versuchte. Aber der vordere Sasuke machte es ihnen schwer. Der hintere wich immer weiter zurück. Naruto sah seine Felle davonschwimmen, während er Zeit mit dem echten Sasuke verschwendete, der möglicherweise noch seinen Doppelgänger zerstören konnte. Mit seinem Sharingan könnte er den echten Naruto ausmachen. Also durchbrach Naruto mit Gewalt die Abwehr, die ihm bereits seit einer kleinen Weile standhielt und richtete seine volle Aufmerksamkeit auf den flüchtigen Bunhsin. Er preschte ihm hinterher und hatte schnell aufgeholt, da der Doppelgänger es nicht geschafft hatte, sich aus seinem Sichtfeld zu bewegen. Und so schlugen er und sein Doppelgänger mit den nun gezückten Kunai auf ihr Opfer ein, ohne zu bemerken, dass der andere Sasuke von hinten herankam. Zwei rasenden Narutos konnte der Gegner aber nicht lange standhalten, und so traf Naruto ihn schließlich mit dem Kunai am linken Unterarm. Zufrieden betrachtete er sein Opfer. Müsste der nicht eigentlich schon verpufft sein? Und wieso blutete er?
 

"Aber Bunshin bluten doch nicht..."
 

"Richtig", sagte der vermeintliche Sasuke, der sich von hinten angeschlichen hatte, rammte dem Doppelgänger Narutos sein Kunai in den Rücken, nur um Sekunden nach seinem Opfer zu verpuffen.
 

"Du hast den Lockvogel gespielt, du...du hast mich reingelegt!", stotterte Naruto.
 

"Dobe, wir sind Ninja. Hast du erwartet, dass ich so offensichtlich vorgehe?"
 

"Das war dennoch sehr rücksichtslos von dir. Es war doch absehbar, dass Naruto dich verletzen würde", sagte Kakashi, der nun zu den beiden aufgeschlossen hatte.
 

"Hn. Aber es hat funktioniert. Opfer muss man in Kauf nehmen." Kakashi sah Sasuke ernst an, der sich den linken Unterarm hielt. Seit wann bist du dermaßen radikal? Wie weit würdest du für den Erfolg einer Mission gehen? Würdest du auch deine Kameraden opfern?
 

"Ich hoffe, du beziehst das nicht auf dein Team. Komm, wir bringen dich zum Krankenhaus. Du solltest das heilen lassen, bevor es sich entzündet", sagte Kakashi und legte seine Hand um Sasukes rechten Arm, um ihn in Bewegung zu versetzen. Dabei schielte er auf den Stirnschutz, der ein bisschen verrutscht war, so dass ein paar Millimeter Bandage hervorlugten. Da will wohl jemand Fragen aus dem Weg gehen. Sasuke entwand sich dem Griff sofort. So viel Fürsorge war er nicht gewohnt. Es war so ungewohnt, dass es fast schon unangenehm war. So nah hatte er nur seine Familie an sich herangelassen und die hatte er verloren. Dann war da noch sie gewesen, aber wer wusste schon, ob sie noch lebte...
 

"Da kann ich auch allein hingehen. Ihr müsst eure Zeit nicht damit verschwenden."
 

"Aber das ist doch selbstverständlich. Immerhin hab ich dich verletzt." Sasuke wandte sich an Naruto und sah ihn zornig an.
 

"Ich sagte nein!" Dann wandte er sich ab und ging. Es tat ihm ein bisschen leid, Naruto so anzufahren, aber er hatte keine Wahl: Seinen linken Unterarm durfte niemand zu Gesicht bekommen...
 

~*~
 

Kakashi sah seinem Schüler ernst hinterher, ehe er sich zu Naruto umdrehte, der Sasuke ebenfalls nachschaute, und das ziemlich bedröppelt.
 

"Was ist los, Naruto?"
 

"Naja, es ist nur, Sasuke ist immer so abweisend. Mehr noch als früher. Ich hab das Gefühl, dass ihn irgendetwas belastet, aber ich kann nicht einmal sagen, warum. Was bin ich für ein Freund, wenn ich nichts über ihn weiß? Ich will doch nur wieder eine richtige Freundschaft mit ihm, aber er scheint das nicht zu wollen..."
 

"Ich glaube, er schätzt dich als Freund sehr. Er kann es nur nicht so gut zeigen."
 

"Aber warum? Früher konnte er das doch auch." Kakashi verkniff sich ein Schmunzeln. Das klang ja so, als wäre Sasuke früher der Sonnenschein in Person gewesen.
 

"Wir wissen nicht, was bei Orochimaru alles passiert ist. Dort war Freundschaft sicher nicht so hochgeschätzt. Vielleicht ist ihm das ein bisschen fremd geworden", dachte Kakashi laut und erinnerte sich daran, wie Sasuke zusammengezuckt war, als er ihm die Hand um den Arm gelegt hatte.
 

"Vielleicht haben Sie Recht, Sensei", meinte Naruto nun wieder ein bisschen enthusiastischer. Es war eine Stärke, um die Kakashi Naruto beneidete. Er war immer gutgelaunt und sah das Positive in den Dingen. Bemerkenswert, wie er sich diese Eigenschaft ausgerechnet als Ninja erhalten konnte.
 

"Wie dem auch sei, heute muss Ichiraku leider ausfallen, ich muss noch zu Tsunade-sama."
 

"Das ist kein Problem, ich gehe sowieso mit Iruka-sensei", sagte Naruto lächelnd und setzte sich in Bewegung Richtung Ichiraku. Er machte sich doch Vorwürfe, egal, was Kakashi sagte. Er machte sich einfach Sorgen um Sasuke und hatte das Gefühl, dass er nicht für ihn da war und so als Freund versagte. Andererseits war natürlich auch dem Blondschopf klar, wie Sasuke tickte. Würde er ihn mit Fragen löchern, bekäme er sowieso keine Antwort, höchstens wütende Blicke und abweisende Worte. Er beschloss, Sasuke so zu behandeln, wie er es immer getan hatte und seine Augen offen zu halten. Früher hatte der Uchiha ja einige Momente gehabt, in denen er seine Gedanken preisgegeben hatte, vielleicht würde er das wieder tun, wenn er das Bedürfnis hatte. Naruto war sich auf jeden Fall sicher, dass Sasuke wusste, dass er ihm vertrauen konnte und dass er für ihn da war.
 

Naruto war schon fast bei Ichiraku, als er eine Brücke passieren musste und dort Sakura an das Geländer gelehnt auf das Wasser unter ihr starren sah.
 

"Hallo, Sakura-chan, bist du heute gar nicht im Krankenhaus?" Sakura drehte sich zu ihm um.
 

"Hallo, Naruto. Nein, Tsunade-shishou hat mich eher nach Hause geschickt, weil ich zu erschöpft bin. Sensei Kakashis Training ist wirklich anstrengend." Naruto sah Sakura an und konnte ihren Frust verstehen. Er selbst bemerkte nicht viel von dem Training. Sicher war er müde, aber nicht so erschöpft, dass er nicht mehr trainieren könnte und das würd er nachher definitiv noch tun. Sakura allerdings hatte das wenigste Chakra in ihrer Gruppe und Kakashi setzte hohe Maßstäbe.
 

"Ich hoffe, wir haben den Schild bald gemeistert. Sensei Kakashi hat uns noch nie so ein übermäßiges Training absolvieren lassen", meinte die Kunoichi ein wenig resigniert. Sie wollte doch ihre gesamte Kraft in ihre medizinische Ausbildung stecken, was nicht ging, wenn sie nach dem Training keine mehr übrig hatte. Sie hatte beschlossen, dass sie als Medic-Nin dem Team sehr viel besser helfen konnte als kämpfend. Dennoch musste sie sich natürlich auch verteidigen können, ihre Reflexe und ihre Kraft durften nicht einrosten. Aber für eine Technik so viel Kraft aufzuwenden, das konnte sie nicht so recht nachvollziehen.
 

"Keine Sorge, Sakura-chan. Das ist bestimmt nur eine verquere Art, unser Teamwork zu stärken", lächelte Naruto aufmunternd. Sakura lächelte zurück. Das wäre ein Grund, den sie akzeptieren konnte.
 

~*~
 

"Du erwartest allen Ernstes von mir, dass ich da mitmache?", fragte die Hokage entsetzt. Kakashi hatte sie gerade in seinen Plan eingeweiht und um eine lange, aber ungefährliche Mission gebeten.
 

"Das scheint mir momentan die einzige Möglichkeit zu sein, um etwas herauszufinden. Sasuke ist noch verschlossener als früher. Das habe ich vorgestern eindrucksvoll demonstriert bekommen. Er schottet sich extrem ab und auf Fragen reagiert er nur ausweichend, aber sehr systematisch. Naruto bringt er zur Weißglut und schon hat er vergessen, was er wissen wollte. Bei mir schaltet er auf stur, weil er weiß, dass ich ihn nicht weiter bedränge. Bis zu einem gewissen Grad, aber den will ich nicht überschreiten, wenn es sich nicht vermeiden lässt. Es würde lange Auseinandersetzungen bedeuten."
 

"Was ist mit mir?" Der Jounin schaute die Hokage fragend an. Hatte sie sich gerade als Sasukes Seelentrösterin angeboten? Würde es als nächstes Frösche regnen?
 

"Nichts für ungut, Tsunade-sama, aber ich glaube, Euch würde er erst recht nicht antworten." Kakashi beglückwünschte sich innerlich zu dem ernsten Tonfall, den er hatte aufrecht erhalten können.
 

"Mh. Und du denkst, wenn du ihn genügend erschöpfst, wird er dir auf der Mission nicht mehr ausweichen können?"
 

"Ja. Früher hat er im Schlaf gesprochen, wenn er Albträume hatte. Aber er wird zweifelsohne versuchen, die Mission mit reiner Meditation zu überstehen. Ich werd ihn schon dazu bringen, einzuschlafen. Dann könnte ich Informationen sammeln, ohne, dass er etwas davon mitbekommt. Danach müssen wir weitersehen."
 

"Aber deine Schüler ausgerechnet vor einer Mission so auszulaugen...Außerdem kannst du dir nicht sicher sein, dass er auch wirklich Albträume haben wird, geschweige denn, dass er im Schlaf sprechen wird. Das ist ein reines Glücksspiel." Tsunade schaute ihn prüfend an. Ihre ganze Haltung drückte nachdenklichen Zweifel aus. Sie hatte die Arme aufgestützt, ihre Finger verschränkt und ließ ihren Kopf auf diesen ruhen. Kakashi kam trotz der ernsten Situation und der logischen Argumentation Tsunades nicht umhin, sich kurz gedanklich zu fragen, ob sich da tatsächlich gerade die legendäre Zockerin über Glücksspiel beschwert hatte.
 

"Ich weiß, dass es gefährlich ist, aber ich sehe momentan keine andere Lösung. Und ich sehe, wie Sasuke sich langsam kaputtmacht. Seine Erschöpfung nimmt stetig zu. Und ich glaube, er weiß das auch. Da frage ich mich, wie dringlich das Grundproblem sein muss, dass er bewusst zu solch drastischen Maßnahme greift. Wenn wir ihn zwingen oder seine Gedanken lesen, wird es den letzten Funken Vertrauen, den er noch hat, zerstören. Dann haben wir genau das Gegenteil erreicht."
 

"Das ist einleuchtend. Du kennst ihn besser als ich und ich vertraue deinem Urteil. Aber wehe, du bringst Team 7 nicht heil wieder. Das schließt dich ein", sagte Tsunade und blickte Kakashi warnend an. Dieser bedankte sich.
 

"Wenn das nicht klappt, werden wir zu anderen Mitteln greifen müssen. Ich werde es nicht länger dulden, dass Sasuke sich und andere in Gefahr bringt. Da kann passieren, was will. Erstmal lasse ich dir aber freie Hand. Ich werde schon irgendeine harmlose Auslieferungsmission finden. Am besten nach Suna, die Route ist nicht allzu gefährlich und ihr seid ungefähr drei Tage in jede Richtung unterwegs. Das sollte reichen, oder?"
 

"Ja, und Naruto wird sich riesig freuen, Gaara wiederzutreffen."
 

"Was tut man nicht alles für diese Bengel...", grinste Tsunade.
 

~*~
 

Mittlerweile war Kakashi wieder einmal auf seinem inzwischen gewohnheitsmäßigen Weg zu Sasukes Trainingslichtung. Er war gespannt, was er heute zu sehen bekommen würde. Sein Intensivtraining zeigte bereits Wirkung, Sasuke war heute viel sparsamer mit seinem Chakra umgegangen und außerdem war er schneller aus der Puste. An der Lichtung angekommen, musste der Jounin innerlich schmunzeln. Sein Plan wirkte sich doch tatsächlich auf Sasukes abendliches Training aus. Er sah nur einen Bunshin und spürte kein Chakra. Keiner der beiden Kämpfer hatte das Sharingan aktiviert. Aber irgendwie kämpfte Sasuke heute trotz der Augenbinde anders. Er war ungewöhnlich aggressiv und führte fast allein alle Angriffe. Sein Gegner kam kaum zum Angriff, wehrte Sasukes schwirrendes Kusanagi nur notdürftig ab. Der einzige Grund, weshalb er noch nicht verpufft war, war der, dass Sasuke sein Schwert sehr ungenau führte. Es sah eher aus, als würde er Holz hacken. Es lag eine unglaubliche Wut in der Luft. Was war los? So sehr konnte ihn das Training nicht aufregen. Sasuke stürmte nahezu unvorsichtig auf seinen Gegner ein, gab zwischenzeitlich sogar seine Deckung auf.
 

Jedoch forderten die Anstrengungen des Tages bald ihren Tribut und der Uchiha geriet immer mehr in die Defensive. Sein Bunshin bekam langsam die Oberhand und drängte Sasuke in die Ecke. Er holte zum Schlag aus und Sasuke hielt ihm Kusanagi mit dem rechten Arm entgegen. Aber dieser letzte Schlag war wohl zu viel für die Wunde, die er nicht hatte heilen lassen, um unangenehme Fragen zu vermeiden, und sein Arm gab nach. Kusanagi wurde nach unten weggeschlagen und bevor der Bunshin sein Schwert stoppen konnte, traf es den linken Unterarm seines Gegners. Dieser stolperte nach hinten und fiel. Auf dem Boden sitzend riss Sasuke sich die Augenbinde vom Kopf. Sein Doppelgänger hielt ihm die Hand hin und wollte ihm aufhelfen, aber Sasuke schlug diese weg und ließ ihn mit einem Fingerzeichen verpuffen. Er stand langsam auf und Kakashi konnte erkennen, dass sie die Bandage von dem nun blutenden linken Unterarm löste. Sasuke hob ihn an und starrte auf sein Handgelenk.
 

"Verdammt!", schrie er, sammelte die Bandage ein und lief zum Fluss. Kakashi entschied sich, zu gehen. Und wieder konnte er sich nur wundern. Jede Nacht bekam er auf dieser Lichtung etwas Überraschendes zu sehen. Warum war Sasuke jetzt ausgerastet? Gestern hatte er doch auch einen Treffer abbekommen, das hatte ihn aber gar nicht interessiert. Im Gegenteil, er hatte den Kampf sogar fortgesetzt. Was war also los? Außerdem hatte er die Wunde natürlich nicht heilen lassen. Das war absehbar gewesen, Sasuke wollte dieses nächtliche Training wohl um jeden Preis geheim halten. Er würde ihn morgen darauf ansprechen müssen. Verletzt konnte er ihn nicht mit auf Mission nehmen.
 

~*~
 

Frustriert war wohl die Untertreibung des Jahrhunderts. Er war so wütend auf sich, die Intensität hätte er nicht einmal unter vorgehaltener Klinge in Worte fassen können. Sasuke war sich ja bewusst, dass seine Schlafroutine ihn schwächte, aber das Ausmaß gegen Ende der Woche hatte ihn auch heute wieder schockiert. Er schwächte sich selbst damit immer mehr und konnte doch nicht aufhören. Weil er zu schwach war. Aber das gefährdete auch seine Teamkameraden, wie ihm heute schmerzlich bewusst geworden war. In dem Übungskampf hatte er die meiste Energie darauf verwendet, zu überlegen, wie er Chakra sparen konnte und hatte dementsprechend gekämpft. Was war er in einer Konfrontation mit dem Gegner wert, wenn er seinen Mitkämpfern nicht helfen konnte? Dann hatte ihn vorhin auch noch sein eigener Doppelgänger nach nur zehn Minuten Training überrumpelt. Und er hatte ihm auch noch viel weniger Chakra gegeben als sonst. Weil er seine Verletzung nicht heilen lassen konnte. Weil es Fragen geben würde. Weil er viel zu viel geheim hielt. Aber er konnte nicht riskieren, sich zu öffnen. Er musste nach außen hin stark sein. Und er würde es nicht ertragen können, noch eine vertraute Person zu verlieren. Schwäche, Schwäche, Schwäche. Verdammt nochmal! Es war so frustrierend. Dabei versuchte er doch alles, um stärker zu werden. Er würde wohl doch öfter schlafen müssen. Damit er wieder besser trainieren konnte und einsatzfähiger war. So konnte er Itachi doch nicht gegenübertreten und auch nur ansatzweise an den Sieg denken. Und wie um ihn daran zu erinnern, hatte dieser verdammte Bunshin ausgerechnet die Bandage seines linken Unterarms getroffen. War es ein Wink des Schicksals, dass er ausgerechnet an dieser Stelle heute zwei Treffer kassiert hatte?
 

Er beugte sich runter zu dem sprudelnden Wasser des Flusses und wusch sich mit dem wohltuend kühlen Nass das Gesicht und anschließend die beiden frischen Wunden. Nachdenklich starrte er auf das Mahnmal auf seinem linken Unterarm und versuchte, den Frust und die Scham, die ihn zu überschwemmen drohten, zu unterdrücken...

Intensivtraining

Kapitel 14: Intensivtraining
 

Naruto und Sakura standen am Treffpunkt und wunderten sich. Sie waren zwar beruhigt, dass Kakashi wieder in seine alten Verhaltensmuster fiel, dennoch war es ein wenig merkwürdig nach seinen zwei Anfällen von Pünktlichkeit. Sasuke hingegen war noch nie zu spät gewesen und das war nun wirklich ein Grund zur Sorge, zumal er offensichtlich viel Wert auf ordnungsgemäße Pflichterfüllung legte. Momentan trösteten sich die beiden mit dem Gedanken, dass er einfach nur verschlafen haben könnte. Sie konnten ja nicht ahnen, wie es um Sasukes Schlaf bestellt war.
 

"Was machen wir? Wollen wir nachsehen, wo die beiden geblieben sind?", fragte Sakura.
 

"Also, wenn ich noch einmal ohne Erlaubnis ins Uchihaviertel gehe, köpft mich Sasuke, glaub ich. Und ich hab keine Ahnung, wo Kakashi-sensei wohnt."
 

"Jetzt, wo du es sagst, ich weiß es auch nicht. Er ist eben ein echter Geheimniskrämer", lächelte die Kunoichi.
 

"Yo", ertönte es wie auf Kommando neben ihnen, als Kakashi, auf einem Ast hockend und die Hand zum Gruß erhoben, in einer Rauchwolke erschien.
 

"Sensei, wissen Sie, wo Sasuke ist?", wollte Sakura wissen, ohne weiter auf seine Begrüßung einzugehen. Kakashi blickte sich um.
 

"Ist er noch nicht da?"
 

"Sonst würde Sakura-chan kaum fragen", meinte Naruto mürrisch. Er mochte es nicht, dass Sasuke selbst dann der Mittelpunkt von Sakuras Interesse war, wenn er gar nicht anwesend war. Außerdem machte er sich Sorgen. Der gestrige Tag war ihm immer noch im Gedächtnis. Sasuke war so abweisend gewesen. Und so abwesend. Ob nicht vielleicht doch was passiert war? Ach Quatsch, dann wüsste er doch schon längst Bescheid. Oder?
 

"Naruto, ich glaube, Sasuke färbt wirklich auf dich ab. Nun mal keine Bange, es ist doch erst eine Viertelstunde. Wir fangen inzwischen ohne ihn an."
 

"Aber Sensei, wir fangen doch nie an, ohne dass alle Mitglieder da sind!"
 

"Jetzt tut mal nicht so, ihr beiden. Es ist ja nicht so, als ob ihr nicht zweieinhalb Jahre ohne Sasuke trainiert hättet. Also Kampfaufstellung bitte. Und benutzt nicht zu viel Chakra, ihr werdet es nachher noch brauchen." Nur weil der Uchiha mal ein paar Minuten später kam, war das kein Grund zum Ausrasten, fand Kakashi. Er war schließlich auch nur ein Mensch. Allerdings gab ihm die gestrige Nacht auch zu denken. Sasuke war ziemlich wütend gewesen. Wer wusste schon, was er noch angestellt hatte. Wenn er nicht bald kam, würden Sakura und Naruto sich auslaugen und dann könnten sie die Barriere nicht trainieren. Sasuke macht ihm unbewusst einen Strich durch die Rechnung. Kakashi grübelte eine Weile vor sich hin, wie er denn nun am besten vorgehen sollte, als er plötzlich Schritte neben sich vernahm. Natürlich machte er sich vorher nicht durch sein Chakra bemerkbar.
 

"Wo warst du?"
 

"Ich...hab verschlafen", sagte Sasuke leise und nur widerwillig. Sein Blick war auf den Boden geheftet und Kakashi erinnerte sich an die Szene vor einer Woche, als sie Sasuke im Dorf getroffen hatten, ohne dass er es bemerkt hatte. Die Haltung jetzt war ähnlich. Diese stumpfen Augen, zwar längst nicht so schlimm wie letzte Woche, aber immer noch auffällig, die leicht hängenden Schultern. Außerdem schien es dem Uchiha schwerzufallen, sich in der Realität zu halten.
 

"Wirklich?", fragte Kakashi, bereute es aber fast sofort, denn Sasuke sah zu ihm auf und der Jounin konnte eine gewisse Betroffenheit in dessen Augen ausmachen.
 

"Ja, wirklich. Sowas kann doch passieren", sagte Sasuke und klang so, als würde er sich selbst nicht so recht glauben. Er wandte den Blick schnell wieder ab, wahrscheinlich ahnte er, dass Kakashi ihn schon wieder analysierte.
 

"Na, da du jetzt da bist, können wir ja mit dem richtigen Training anfangen. Sakura! Naruto! Kommt mal her." Die beiden kamen auch sofort angelaufen, hatten sie sich doch sowieso nicht ernsthaft bekämpft und nur darauf gewartet, dass Kakashi sie rief.
 

"Oh, Sasuke-kun, was hast du denn da gemacht?", fragte Sakura und deutete auf sein Gesicht. Über Sasukes Unterlippe zog sich ein tiefer, blutiger Riss.
 

"Ich hab mir wohl im Schlaf auf die Lippe gebissen."
 

"Soll ich es heilen, dann stört es dich nicht mehr beim Sprechen."
 

Sakura folgte Sasukes zögerlichem Nicken umgehend und hielt ihre leuchtend grüne Hand an seinen Mund bis der Riss geheilt war. Naruto beobachtete die Szene argwöhnisch, allerdings nicht, weil er eifersüchtig war - ja zugegeben, er war ein bisschen eifersüchtig - sondern weil Sasuke komisch war. Naja, komischer als sonst. Er war viel gesprächiger - für seine Verhältnisse - sprach leise und schaute den anderen nicht in die Augen. Gestern war er noch gereizt gewesen, heute wirkte er irgendwie deprimiert. Auch wenn er sich scheinbar normal verhielt.
 

"Soll ich den Schnitt an deiner Wange nicht vielleicht auch behandeln? Der heilt erstaunlich langsam."
 

"Hn." Na endlich. Da war ein Stück echter Sasuke. Diese Kopie hier war Naruto irgendwie unheimlich.
 

"Hey, Teme, werd lieber mal wach. Wir müssen uns nachher auf dich verlassen können", sagte Naruto. Er kam nicht mit der Situation klar und wollte Sasuke durch Provokation in sein gewohntes Verhalten drängen, was auch prima klappte.
 

"Keine Bange, Dobe, ich lass dich schon nicht hängen." Sasuke war Naruto in diesem Moment unheimlich dankbar. Er kämpfte immer noch damit, seine aufgewallten Emotionen unter Kontrolle zu bringen und Naruto warf ihm mit seinen Sticheleien einen Rettungsanker zur Realität zu. Ob er das mit Absicht tat? Wenn ja, war sein eigenes Verhalten auffällig. Dann musste er sich mehr zusammenreißen. Und wie weit stand er neben sich, dass er die besorgten Blicke jetzt erst bemerkte?
 

"Wenn du dann fertig bist, Sakura, können wir ja zum Wasserfall gehen", sagte Kakashi.
 

"Was wollen wir denn beim Wasserfall?"
 

"Das wirst du dann schon sehen, Naruto", sprach sein Sensei und lief vorweg. Seine drei Schüler folgten ihm, ohne irgendetwas zu erwidern. Und so liefen sie ein paar Minuten nebeneinander her und Sakura wie auch Naruto warfen immer wieder Seitenblicke zu ihrem stillen Teamkameraden. Dieser schien allmählich aufzuwachen, falls man den Zustand vorhin wirklich der noch vorhandenen Müdigkeit zuschreiben konnte, die einen den ganzen Tag hartnäckig begleitete, wenn man es geschafft hatte, zu verschlafen. Als sie schließlich an ihrem Ziel angekommen waren, drehte sich Kakashi zu ihnen um und erklärte das weitere Training.
 

"Den ersten Teil habt ihr gemeistert, ihr könnt alle drei einen Schild formen. Jetzt geht es darum, eure drei Schilde schnell zu einer Barriere zu formen. Das ist nicht so einfach, wie es klingt. Wenn die Menge an Chakra der Schilde nicht annähernd gleich ist, wenn sie sich berühren, zerstört der stärkere den schwächeren Schild und das ist ja nicht das, was wir erreichen wollen. Also müsst ihr euer Chakra und euer Timing gut aufeinander abstimmen. Das trainieren wir erst einmal so und dann benutzen wir das Wasser, um zu sehen, ob ihr den Schild auch richtig einschätzen könnt. Bereit?"
 

"Aber klar, echt jetzt! Und was machen wir jetzt genau?"
 

"Mann, Naruto, wir werden versuchen, unsere Schilde zu einer Barriere verschmelzen zu lassen", sagte Sakura genervt.
 

"Klar, das weiß ich doch", grinste Naruto verlegen.
 

"Also, ich gebe das Startsignal und dann baut ihr Schilde auf. Los." Die drei Shinobi stellten sich nebeneinander und formten jeder ein Schild. Doch kaum berührten sich die Kanten, erloschen Sasukes und Sakuras Schild. Beide schauten Naruto an, der in der Mitte stand.
 

"Du solltest weniger Chakra nehmen, sonst löst du unsere Schilde auf", sagte die Kunoichi.
 

"Wir nehmen am besten als Maß zum Abwehren ein Kunai. Wir sollten alle die nötige Chakramenge einschätzen können. Dann verschwenden wir auch kein Chakra", sagte Sasuke. Der Uchiha schien wieder hochkonzentriert zu sein.
 

"Gute Idee, also los." Wieder formten die drei Schilde und diesmal erloschen sie nicht. Sie nahmen ein noch strahlenderes Blau an und verschmolzen.
 

"Sehr gut, jetzt versucht, eine Kuppel zu formen." Die drei konzentrierten sich, aber nachdem sich eine Halbkugel geformt hatte, erlosch die Barriere plötzlich wieder.
 

"Entschuldigt, aber das ist echt sehr anstrengend. Wenn man den Chakrastrom nicht konstant aufrecht erhält, erlischt der Schild ja sofort wieder", sagte Sakura und atmete einmal tief durch.
 

"Ja, das ist das Problem an der Barriere. Deshalb wird sie im Kampf auch kaum eingesetzt. Man muss perfekt aufeinander abgestimmt sein", erklärte Kakashi.
 

"Warum lernen wir das dann überhaupt?", warf diesmal Naruto ein.
 

"Weil ich glaube, dass ihr das meistern könnt. Euer Teamwork ist gut. Ihr müsst es nur intensivieren." Diese Worte spornten das Team an und die drei arbeiteten konzentriert weiter, obwohl Kakashi die Frage nicht wirklich beantwortet hatte. Nach ein paar Stunden und etlichen Pausen sah es so aus, als könnte die Barriere dem ersten Härtetest standhalten.
 

"Geht mal unter den Wasserfall und versucht, das Wasser von euch fernzuhalten." Gesagt, getan. Der Versuch endete mit drei völlig duchnässten Shinobi, die ihren Sensei wütend ansahen. Kakashi lächelte nur und meinte, es wäre klar gewesen, dass es beim ersten Versuch nicht klappen würde. Alle drei Genin überzeugten sich unabhängig voneinander, dass da eben keine Schadenfreude mitgeschwungen war und übten weiter, bis Sakura schließlich verkündete, dass ihr Chakra allmählich zur Neige ging. Kakashi erklärte daraufhin das Training für beendet und seine drei Schüler verließen ihre nassen Positionen. Gemeinsam liefen sie zurück zu ihrem gewohnten Trainingsplatz. Da nicht gesprochen wurde, drifteten Sasukes Gedanken wieder zum heutigen Morgen zurück, oder besser gesagt zur Nacht. Er hatte sich gestern Abend schon gedacht, dass der Frust, den er während des Trainings aufgebaut hatte, seine Träume nicht unbedingt verbessern würde. Und er hatte sich nicht geirrt.
 

Wie um ihn daran zu erinnern, dass er sich solche Schwächen wie im Training nicht erlauben konnte, hatte er die ganze Nacht wieder und wieder das Massaker miterlebt. Wie Itachi einen nach dem anderen niedermetzelte. Wie ihre Augen sich ungläubig weiteten und der Glanz in ihnen erlosch. Er hatte erneut den Unglauben gespürt, den er als kleiner Junge empfunden hatte. Unglauben, dass sein großer Bruder zu so etwas fähig war. Dass er ihn immer belogen hatte. Gekrönt wurde die Vorstellung von der Hinrichtung seiner Eltern, nur um dann von vorn zu beginnen. Er hörte jetzt noch den dumpfen Aufprall ihrer leblosen Körper. Es war so schwer abzuschütteln. Tsukuyomi hatte wirklich eine eindringliche Wirkung. Sasuke glaubte nicht, dass er jemals auch nur ein einziges Detail des Massakers würde vergessen können. Kein noch so leises Röcheln, kein vor Entsetzen erstarrtes Gesicht. Besonders nicht die kalten Augen seines Bruders, als er ihm erklärt hatte, er habe das alles getan, um seine Fähigkeiten zu testen. Und am wenigsten den Geruch des Blutes und seinen Geschmack.
 

Blut symbolisierte für Sasuke mittlerweile nicht nur den Tod, sondern die ganze Beklemmung dieser Nacht. Das Gefühl, wie sich ihm die Kehle zuschnürte, wenn seine Clanmitglieder ihm sagten, dass er sie rächen müsse und wenn er das nicht könne, sterben müsse. Und den tief einschneidenden Verrat der Person, der er so vertraut hatte. Er konnte weder den Anblick, noch den Geruch und schon gar nicht den Geschmack der roten Flüssigkeit ertragen, die doch eigentlich für das Leben stand.
 

Am Ende seines Traumes wurde er wieder in dieses tiefe, tiefe Blutmeer gezogen und Sasuke fragte sich, was passieren würde, wenn er irgendwann den Grund erreichte. Dann war er hochgeschreckt, immer noch den metallischen Geschmack im Mund und den Blutgeruch in der Nase, was er ja gewohnt war - er hatte sich mal wieder die Unterlippe blutig gebissen. Doch als er sich wie gewohnt mit den Händen über das Gesicht fahren wollte, sah er das Blut an seinen Händen und seinem Unterarm und konnte nur noch schreien. Er schrie, bis er sich daran erinnerte, dass es sein eigenes Blut war und nicht das eines Clanmitglieds. Dass nicht er Blut an den Händen kleben hatte, sondern sein Bruder. Er hatte eine volle Stunde gebraucht, um das glauben zu können. Denn eigentlich war er schuld. Er war nicht rechtzeitig da gewesen. Und warum konnte er nicht einmal in seinen Träumen etwas unternehmen? Nein, er konnte nur danebenstehen und zusehen. Immer wieder. Verdammte Schwäche. Nachdem er sich halbwegs beruhigt hatte, war er ins Bad gegangen, um die durchgebluteten Bandagen zu wechseln.
 

Er konnte doch nicht so die Fassung verlieren, nur weil er Blut sah. Auch wenn es erst kurz nach dem Aufwachen gewesen und sein Verstand noch vernebelt war. Und er durfte sich nicht so davon vereinnahmen lassen. Er bekam sonst zu wenig von seiner Umgebung mit, das hatte er heute gemerkt. Er hatte nicht einmal mitbekommen, dass er sich anders verhalten hatte. Sein Team aber schon. Und jetzt waren sie besorgt. Das durfte er nicht zulassen. Und er konnte auch nicht zulassen, dass sein Team wegen ihm in Gefahr geriet. Er musste sich mehr konzentrieren. Er musste-
 

"-aufpassen!", rief Naruto und hielt Sasuke im Arm. Dieser schaute verwundert zu Naruto hoch.
 

"Mensch, Teme, du kannst doch nicht einfach blindlings über eine Wurzel stolpern. Und dann reagierst du nicht mal. Was ist denn los mit dir?" Sasuke blickte sich um. Sie waren wieder auf dem Trainingsplatz. Das hatte er gar nicht bemerkt. Wohl aber bemerkte er die schiefen Blicke, mit denen er gemustert wurde. Soviel zum Thema nicht vereinnahmen lassen und nicht auffällig benehmen...
 

"Ich hab überlegt, wie wir die Barriere noch verbessern könnten. Es dauert immer noch viel zu lange, bis wir sie errichtet haben", versuchte Sasuke abzulenken.
 

"Aber Sasuke-kun, wir üben doch auch erst seit einem Tag.", konterte Sakura.
 

"Ja, und morgen geht es weiter. Bevor ihr geht, möchte ich euch noch etwas sagen. In vier Tagen haben wir eine Mission. Wir müssen eine wichtige Nachricht an den Kazekage in Suna überbringen."
 

"Wir besuchen Gaara!", freute sich Naruto, doch nicht so sehr, wie er es normalerweise getan hätte. Mit einem Seitenblick auf einen nachdenklich dreinblickenden Sasuke versuchte er, die Sorge zu unterdrücken. Es war ungewohnt für ihn, sich so oft zu sorgen. Ebenso wie es ungewohnt war, dass er sich nicht über den allmächtigen Uchiha lustig machte, den beinahe eine einfache Baumwurzel zu Fall gebracht hätte. Ob Sasuke das bemerkt hatte? Interessierte es ihn überhaupt?
 

"Ich sage euch das jetzt schon, damit ihr euch ordentlich ausruht und wir in vier Tagen pünktlich in der Früh starten können. Naruto, Sakura, ihr könnt schon mal nach Hause gehen. Sasuke, ich muss noch mit dir sprechen."
 

"Seien Sie bitte nicht zu gemein zu Sasuke-kun, Sie sind auch dauernd unpünktlich", meinte die Kunoichi, verabschiedete sich und verschwand mit Naruto. Kakashi sah seinen Schützling nachdenklich an und bekam einen skeptischen Blick zurück.
 

"Keine Angst, ich will dich nicht fragen, worüber du wirklich nachgedacht hast. Du würdest es mir ohnehin nicht sagen. Allerdings kann ich es nicht dulden, dass du meine Anordnungen nicht befolgst." Sasuke sah seinen Sensei fragend an.
 

"Du weißt also nicht, wovon ich spreche? Dann sieh dir mal dein linkes Handgelenk an." Der Uchiha tat wie ihm geheißen und erblickte sogleich den Grund für Kakashis Verstimmung. Die Bandage um seinen Unterarm hatte sich leicht rosa verfärbt. Sicher hatte das viele Wasser die Wunden aufgeweicht. Verflucht.
 

"Ich hab doch gesagt, dass du deine Schnittwunde heilen lassen sollst. Du gehst jetzt zum Krankenhaus und tust, was ich dir gesagt habe. Ich hab Sakura nicht gebeten, es zu tun, weil sie heute schon genug Chakra verbraucht hat. Es ist deine Sache, wie weit du diese Geheimniskrämerei treibst, aber gefährde damit nicht dein Team. Denn das tust du, wenn du verletzt durch die Gegend läufst und deinem Team so zur Last fällst. Besonders jetzt, wo eine Mission ansteht." Kakashi hatte eigentlich nicht so harsch auftreten wollen, aber das Wohlergehen seines Teams stand an oberster Stelle, da konnte er sich auch mal reinsteigern. Das war ja bei seiner Vergangenheit kein Wunder. Und er wollte sich nie wieder solche Vorwürfe machen müssen, wie er sie jetzt, nach all den Jahren, immer noch mit sich herumschleppte. Seine Worte schienen jedenfalls ins Schwarze getroffen zu haben, denn Sasuke versteifte sich und antwortete nur leise.
 

"Verstanden." Damit drehte er sich um und ging. Kakashi ließ es sich trotzdem nicht nehmen, ihm noch eine Warnung hinterherzurufen.
 

"Und wag es ja nicht, nicht im Krankenhaus aufzutauchen. Ich werde später persönlich dort vorbeigehen und nachfragen, ob du dir deine Schnittverletzung hast heilen lassen!"
 

~*~
 

Das war hart. Aber Kakashi hatte Recht, er konnte sich nicht so gehen lassen. In diesem Zustand war er wirklich nur eine Last. Er wusste aber auch, dass er es fast nicht ändern konnte, so reagierte er nun mal auf die Träume. Wenn es nur irgendeine Möglichkeit gäbe, traumlos zu schlafen. Bei Orochimaru hatte er sich bereits durch sämtliche medizinischen Bücher gelesen, die er unbemerkt in die Finger hatte kriegen können. Es gab diverse Jutsu, mit denen man für die Zeit des Schlafens das Unterbewusstsein ausschalten konnte, mit der netten Nebenwirkung, dass man komplett vergessen konnte, wer man war. Oder man wachte nicht mehr auf. Alles in allem gab es kein Jutsu, das ihm weiterhelfen konnte. Er musste damit irgendwie allein klarkommen. Ohne dass die andern darunter zu leiden hatten. Aber jetzt hatte er erstmal ein dringlicheres Problem. Wie zur Hölle konnte er im Krankenhaus seine Wunde heilen lassen, ohne dass jemand seinen Unterarm sah? Das war nur für seine Augen bestimmt. Und er konnte doch auch kein Sharingan auf das Krankenhauspersonal anwenden. Kakashi würde auf jeden Fall im Krankenhaus vorbeigehen und fragen, ob er sich seine Schnittwunde hatte heilen lassen. Ja, er würde nach seiner Verletzung fragen, nicht nach seiner Verletzung am Unterarm. Wozu spezifizieren, wenn es ohnehin nur eine gab? Und er hatte nicht von einer bestimmten gesprochen, die sich Sasuke im Krankenhaus heilen lassen soll. Wenn er sich woanders eine zufügte? Nein, Moment, da gab es noch eine andere Lösung. Verbissen grinsend ging Sasuke zum Krankenhaus, um Kakashis Anweisung zu befolgen.
 

~*~
 

Er raubte ihm wirklich noch den letzten Nerv. Was hatte er nun wieder getan? Diesmal war er körperlich fast vollständig einsatzbereit, bis auf die Verletzungen, versteht sich, aber geistig total abwesend. Was trieb dieser Junge nur? Wenn Kakashi seiner Theorie folgte, dann hatte er die letzte Nacht durchgeschlafen, wofür das nahezu voll aufgeladene Chakra sprach, und einen Albtraum gehabt, der ihn so aus der Bahn geworfen hatte, dass er sich noch Stunden später davon erholen musste. Wovon träumte er bloß? Das konnten doch keine normalen Albträume mehr sein...Und wenn er nach dem Aufwachen immer so war, konnte es während der Mission wirklich gefährlich werden. Dem Jounin kamen Zweifel, ob es wirklich so eine gute Idee war, sein Experiment außerhalb der Dorfmauern fortzuführen. Aber Sasuke würde misstrauisch werden, wenn er plötzlich jede Nacht bei ihm vorbeischneien würde. Er musste es wohl wagen, denn so konnte es nicht weitergehen. Den sonst so gefassten Uchiha so zu sehen, tat Kakashi weh. Und es erinnerte ihn schmerzlich an sich selbst, als er noch ein Kind war. Er wusste, wie wichtig Sasuke seine Fassung war, er würde sie nur aufgeben, wenn es gar nicht anders ging. Oder wenn er sich dessen überhaupt nicht bewusst war. Dafür musste er aber schon reichlich abgelenkt sein. Wenigstens hatte der Sturkopf auf ihn gehört. Kakashi war im Krankenhaus Ino über den Weg gelaufen und die hatte bestätigt, dass sie Sasuke eine Kunaiwunde geheilt hatte, die er sich während des Trainings zugezogen hatte. Sasuke hatte nicht mal Naruto beschuldigt.
 

Da Sasuke jetzt wieder volles Chakra hatte, war Kakashi sich sicher, dass er ihn auf der Lichtung finden würde. Allerdings kamen ihm Zweifel, als er schon fast bei der Lichtung war und immer noch nichts hörte. Chakra fühlen konnte er auch nicht. War der Uchiha einmal vernünftig und sparte es? Hatte ihm der Verlauf des Tages vielleicht doch zu denken gegeben und er verzichtete jetzt auf diese zusätzliche Belastung? Seine Hoffnung wurde enttäuscht, als er durch die Bäume spähte und Sasuke mitten im Fluss auf der Oberfläche stehen sah. Er stand da, die Füße in Schrittbreite auseinander, die Knie leicht gebeugt, mit vor der Brust erhobenen Armen und verbundenen Augen als würde er auf irgendetwas warten. Plötzlich kam ein Kunai aus dem Gebüsch geflogen. Sasuke hob die Hand und formte mit dieser gerade noch rechtzeitig einen Schild. Er versucht, seine Chakrakontrolle zu verfeinern. Gute Idee, dann verbraucht er beim Training nicht so viel. Aber worauf lief diese Sparmaßnahme hinaus? Hatte Sasuke Wind von seinem Plan gekriegt? Oder wollte er jetzt vielleicht versuchen, den Schlaf zu verzögern, indem er so viel Chakra wie möglich sparte? Kakashi, verrenn dich nicht. Das ist bislang nur eine Theorie. Und warum trainierte Sasuke eigentlich so viel blind? Sein Sharingan war doch seine stärkste Waffe, sollte er das nicht auch schärfen? Kakashi schaute ihm eine Weile zu, bis Sasuke einmal kurz seine Konzentration verlor und bis zu den Knien im Wasser verschwand. Da beschloss er, besser schlafen zu gehen.
 

~*~
 

Die letzten drei Tage vor der Mission verliefen ähnlich. Am Tage trainierten sie die Barriere, die sich allmählich sehen lassen konnte und in der Nacht trainierte Sasuke für kurze Zeit mit einem Bunshin Chakrakontrolle und Reaktionsfähigkeit. Am Abend vor Missionsbeginn ging selbst Sasuke ohne Zusatztraining nach Hause. Es passte ihm zwar nicht, aber er musste vor der Mission noch einmal schlafen. Nach Suna würden sie eine Weile unterwegs sein und wer wusste schon, was auf dem Weg dahin alles passieren konnte. Er wollte ausgeruht in diese Mission gehen. Also aß er noch schnell etwas und begab sich in sein Zimmer. Dort stellte er sich drei Wecker auf unterschiedliche Zeiten und packte sein Missionszeug zusammen. Dann legte er sich ins Bett, holte noch einmal tief Luft und schloss die Augen.
 

Und da lag er nun. Eine Stunde, zwei und konnte einfach nicht schlafen. Das war doch verdammte Ironie. Da war er einmal bereit, seinen Körper mehr Ruhe zu geben und der verweigerte das einfach. Sasuke versuchte, sich irgendwie in den Schlaf zu lullen, aber es ging nicht. Einfach die Gedanken schweifen lassen. Am besten dachte er an sie. Sie war immer sein sicherer Hafen gewesen, wenn er schlafen musste. Durch diese beruhigenden Gedanken griff allmählich der Schlaf mit spitzen Fingern nach ihm. Er spürte, wie sein Bewusstsein sich nach und nach ausschaltete und er langsam im Nebel der Schlaftrunkenheit versank. Das war der schönste Moment beim Schlafen. Noch halb wach und doch schon wie in Watte gepackt. So entspannend.
 

"Yo." Sasuke schrak auf und wusste gar nicht recht, wo ihm der Kopf stand. Trotzdem hatte er das Kunai, das sich immer unter seinem Kopfkissen befand, in seiner erhobenen rechten Hand. Eine rein instinktive Reaktion, ebenso wie die Aktivierung seines Sharingan.
 

"Na, das ist aber eine nette Begrüßung", sagte Kakashi und schaffte es doch tatsächlich, vorwurfsvoll zu klingen.
 

"Was wollen Sie denn hier? Ich dachte, ich hätte beim letzten Mal klar gemacht, dass ich keine nächtlichen Besuche mag." Kakashi lächelte nur.
 

"Das mag schon sein, aber das ist eine Ausnahme. Die Mission wurde vorverlegt." Sasuke glaubte, nicht recht zu hören. Das konnte doch nicht wahr sein!
 

"Warum?" Ja. Was zur Hölle rechtfertigte so eine sinnlose Aktion?
 

"Ach, weißt du, der Mond ist heute besonders schön. Und so eine Nachtwanderung ist doch was Wundervolles." Sasuke konnte seinen Sensei nur ungläubig anstarren. Das war ein schlechter Witz, oder?
 

"Nein, das ist kein Witz, Sasuke. Zieh dich an, die anderen warten schon am Tor." Damit verschwand der Jounin durch das Fenster, durch das er den Raum auch betreten hatte, um vor der Eingangstür auf seinen Schüler zu warten. Natürlich hatte Kakashi einen guten Grund für diese vermeintlich bescheuerte Aktion. Er hatte ein paar Stunden gewartet, damit die anderen beiden ein bisschen Schlaf bekamen und Sasuke sein Training absolviert hatte. Er hatte nicht ahnen können, dass der Uchiha mal vernünftig war und das Training ausfallen ließ. Und er wollte natürlich verhindern, dass Sasuke sich noch einmal richtig ausruhen konnte. Das würde ja seine Pläne zunichte machen. Und die gingen jetzt erst richtig los. Während er auf den nun sehr schlecht gelaunten Uchiha wartete, dachte Kakashi darüber nach, wie die Mission wohl verlaufen würde. Hoffentlich klappte alles so, wie er sich das dachte...

Mission

"Sensei, was soll das alles?" Kakashi sah seinen Schüler, der neben ihm herlief, unschuldig an.
 

"Was genau meinst du?"
 

"Das alles. Erst bringen Sie uns eine Defensivtechnik bei, was überhaupt nicht Ihre Art ist. Dann verbraucht sie auch noch Unmengen an Chakra. Das Ganze vor einer Mission. Und jetzt nehmen Sie uns auch noch die letzte Möglichkeit, uns vor der Mission richtig auszuruhen. Das ist mehr als unvernünftig. Und ich glaube nicht, dass das nur dem 'besonders schönen Mond' geschuldet ist." Und selbst wenn es so wäre, was sollten die Schüler dagegen tun? Befehlskette war nun mal Befehlskette. Aber frustrierend war es allemal.
 

"Da hast du mich wohl erwischt", grinste Kakashi. "In Wahrheit war mir langweilig und ich konnte nicht schlafen. Und was die Technik angeht: Sie dient hauptsächlich dazu, euer Teamwork zu fördern und kann durchaus einmal nützlich sein." Der Jounin klopfte sich innerlich auf die Schulter für diese großartige Ausrede. Sasuke wusste ganz genau, wie wichtig ihm das Teamwork war. Außerdem hatte er das Gespräch erfolgreich von dem verfrühten Missionsstart weggelenkt. Dafür würde er keine glaubwürdige Ausrede finden können, denn es war von außen betrachtet schlichtweg Irrsinn.
 

"Hn. Und Sie beschweren sich, dass ich zu viele Geheimnisse hätte...", meinte der Uchiha betont ruhig. Naja, hätte ja klappen können. Immerhin löcherte ihn Sasuke nicht mehr, das war doch schon mal etwas wert. Seine beiden Teamkollegen hatten auch schnell in ihren Protesten resigniert. Lag wohl an der Müdigkeit. Als sie am Tor ankamen, sahen sie eine todmüde Sakura und einen schnarchenden Naruto. Offensichtlich hatten die beiden auch keine großartige Gelegenheit gehabt, sich auszuruhen. Nachdem Sakura sich aufgerafft und Naruto geweckt hatte, liefen drei der vier Shinobi mit äußerst wenig Enthusiasmus dem vierten hinterher, der mit seiner guten Laune momentan mehr als unsympathisch wirkte.
 

Sie liefen fast den ganzen Tag durch und erst als es schon dunkel war und die Sterne wieder hoch über ihnen leuchteten, gönnte Kakashi ihnen mehr als zehn Minuten Rast. Irgendwann mussten sie schließlich ihr Lager aufschlagen. Der Jounin wusste um die Geschicklichkeit Narutos beim Zelteaufbau, daher hatte er ihn Feuerholz holen geschickt. Ein Feuer im Wald zu machen, war grundsätzlich eine dumme Idee, da man leicht entdeckt werden konnte, aber Kakashi hatte so eine Ahnung, dass es dafür schon zu spät war und wollte Unbedarftheit vortäuschen. Seine Schüler waren nicht weiter darauf eingegangen. Sie vertrauten darauf, dass ihr Sensei wusste, was er tat. Trotz des vorverlegten Missionsstarts.
 

Als die Zelte waren schon längst aufgebaut waren, Naruto aber immer noch nicht zurückgekommen war, machte sich Kakashi langsam Sorgen. So lange konnte es nun auch nicht dauern, in einem Wald Feuerholz zu finden.
 

"Sensei, wollen wir Naruto nicht suchen gehen?", fragte Sakura.
 

"Mh, ich glaube, das wäre wohl besser. Vielleicht hat er sich verirrt", antwortete Kakashi.
 

"Wenn Sai hier wäre, könnten wir ihn aus der Luft suchen, das wäre am schnellsten und ungefährlichsten."
 

"Leider ist er nicht da, Sakura. Aber wir kommen auch ohne ihn zurecht. Sasuke, kannst du ein paar Bunshin erschaffen, um die Gegend schnell auszukundschaften?" Kakashi fand, dass es eine günstige Gelegenheit war, den Uchiha auszulaugen. Deshalb rief er auch seine Ninjahunde nicht, die Naruto im Nu gefunden hätten. Er hatte extra nicht von einer Suche gesprochen, weil eine solche Formulierung die beiden möglicherweise auf genau diese Idee gebracht hätte. Anscheinend war Kakashi das Glück hold. Er hatte seine Schüler richtig eingeschätzt. Sakura schien zu besorgt zu sein und Sasuke konzentrierte sich höchstwahrscheinlich zu sehr darauf, dem Chakraverbrauch unauffällig aus dem Weg zu gehen. Ein weiterer Beweis dafür, dass Sasukes ganzes Spielchen keinesfalls eine gute Idee war. Er war bereits zu fixiert darauf. Wahrscheinlich hatte er auch deshalb überlegend die Augen geschlossen und brauchte eine Weile für seine Antwort.
 

"Das halte ich für keine gute Idee. So viele Schattendoppelgänger kann ich nicht lange aufrecht erhalten. Außerdem würden selbst drei Unmengen an Chakra verbrauchen, wären aber nicht sehr effektiv. Wir könnten allerdings wirklich aus der Luft suchen."
 

"Wie meinst du das?"
 

"Mein vertrauter Geist kann das für mich tun. Das würde auch wesentlich weniger Chakra verbrauchen. Außerdem ist er schneller als Ihre Hunde." Sasuke hatte also doch an seine vertrauten Geister gedacht. Hoffentlich dachte er nicht zu intensiv darüber nach, warum Kakashi nicht gleich seine Ninken vorgeschlagen hatte.

"Leg los." Sasuke nickte und ging einen Schritt von ihnen weg. Er biss sich in den Daumen und streckte seine Hand auf den Boden.
 

"Kuchiyose no Jutsu." Als die kleine Rauchwolke sich gelegt hatte, saß vor Sasuke auf dem Boden ein Falke. Dieser blickte seinen Beschwörer ehrerbietend an.
 

"Sasuke-sama. Ich hab Euch lange nicht mehr gesehen." Angesprochener hielt dem Falken seinen rechten Arm hin und der Vogel setzte sich auf diesen. Wahrscheinlich hatte Sasuke auch deshalb seine Unterarme immer bandagiert und die Siegel an diesen Stellen angebracht. Durch diese zusätzlichen Polster konnten die Krallen des Greifvogels nicht in seine Haut dringen.
 

"Kibou, ich brauche deine Hilfe. Kannst du jemanden für mich finden?"
 

"Natürlich."
 

"Dann sei meine Augen", sprach Sasuke und der Vogel schloss die seinigen. Der Uchiha aktivierte sein Sharingan, schloss seine Augen ebenfalls, murmelte ein paar Worte und tippte dem Vogel sanft auf den Kopf, direkt über dem Schnabel. Kibou öffnete seine Augen wieder. Deren Schwarz war einem tiefen Rot gewichen. Sasuke hob seinen Arm und gab dem Falken einen letzten Hinweis.
 

"Er ist nach Westen gegangen. Sei in spätestens fünf Minuten zurück." Der Falke erhob sich in die Lüfte und Sasuke nahm eine Stellung ein, die Kakashi schon einmal gesehen hatte. Er stellte die Füße einen Schritt breit auseinander, ging leicht in die Knie und hob seine Arme vor den Oberkörper. Jetzt verstand der Jounin, warum Sasuke so viel blind trainierte. Er sah jetzt vermutlich durch die Augen des Vogels, was bedeuteten musste, dass sein Körper hier unten momentan nichts sehen konnte. Bei einem Angriff musste Sasuke sich also auf andere Sinnesorgane verlassen, bis sein Vogel wieder zurückkam. Es war erstaunlich, wie sehr der Uchiha darauf bedacht war, sich in keiner einzigen Situation eine Blöße zu geben. Dabei verließ er sich augenscheinlich auch nicht gern auf seine Kameraden.
 

"Seit wann hast du Falken als vertraute Geister?"
 

"Schon eine Weile." Wie vielsagend. Musste der denn aus allem ein Geheimnis machen? Kakashi überlegte eine Weile, ob Sasuke seine andere Frage beantworten würde, aber nach einiger Zeit des Zauderns entschied er sich dazu, doch einfach zu fragen.
 

"Warum ausgerechnet Falken?" Naruto hatte als vertraute Geister Frösche, weil Jiraiya ihn dazu gebracht hatte. Aber Kakashi konnte sich nicht vorstellen, dass Orochimaru etwas mit den Falken zu schaffen hatte. Sasuke öffnete gerade den Mund, um zu antworten, ob nun ausweichend oder nicht, als sie über sich einen schrillen Schrei hörten.
 

"Gefunden." Einige Momente später kam der Falke im Sturzflug angerauscht und ließ sich wieder auf Sasukes bereits erhobenen Arm nieder. Sasuke legte seinen Finger auf die Stirn des Vogels und öffnete langsam die Augen. Das Sharingan leuchtete durch seine halboffenen Lider.
 

"Ihm geht's ihm gut, aber er bewegt sich anscheinend immer weiter vom Lager weg. Danke, Kibou. Zieh noch ein paar Kreise, vielleicht musst du uns den Weg zurück weisen." Damit ruckte Sasukes Arm wieder in die Höhe und der Falke stieg erneut auf. Elegant schwang er mit den Flügeln und schwebte durch die Lüfte. Sasuke sah ihm ernst hinterher. Dann schaute er Kakashi an.
 

"Geh ihn holen." Sasuke nickte und verschwand zwischen den Bäumen in der Dunkelheit. Als er bereits eine kleine Weile unterwegs war, fühlte er sich plötzlich sehr intensiv beobachtet. Das Gefühl wollte nicht weichen. Er konnte zwar kein Chakra spüren, aber das hieß gar nichts, schließlich konnte jeder fähige Ninja sein Chakra verbergen. Und die aufgestellten Härchen in seinem Nacken sprachen eine eindeutige Sprache. Er konnte die Gefahr förmlich greifen. Sein Gespür hatte ihn bislang selten enttäuscht. Also hatte er sich das heute nicht eingebildet...Der Uchiha mahnte sich zur Wachsamkeit und lief Richtung Naruto. Er konnte bereits das bekannte Chakra schwach spüren. Naruto war zwar ein fähiger Ninja, aber das würde er wohl nie ganz hinbekommen. Da Sasuke sich keine besondere Mühe gab, Laufgeräusche zu vermeiden, nahm Naruto ihn zeitig wahr.
 

"Komm näher." Der Angesprochene war verwirrt. Was wollte Naruto ihm denn hier mitten im Wald zeigen? War das auch wirklich Naruto oder jemand, der ihn täuschen wollte und Narutos Chakra perfekt imitieren konnte? Nein, das war doch Unsinn, wie sollte man das ganz individuelle Chakra kopieren können? Sasuke mahnte sich dazu, nicht der Paranoia zu verfallen. Er schritt nahe an seinen Teamkameraden heran.
 

"Was ist?"
 

"Irgendjemand ist hier. Ich hab mich bis vor Kurzem beobachtet gefühlt. Und seit du hier bist, ist das Gefühl wieder da. Spürst du es auch?", flüsterte Naruto. Der Uchiha nickte nur.
 

"Wieso bist du nicht zurückgekommen?"
 

"Ich dachte, ich könnte ihn aus der Reserve locken, aber er scheint geduldig zu sein."
 

"Naruto, das ist viel zu gefährlich alleine." Doch Naruto grinste nur und machte sich auf den Rückweg.
 

"Du vergisst wohl, dass ich nie alleine bin."
 

"Du solltest dich nicht blind auf Kyuubi verlassen."
 

"Den meine ich auch gar nicht. Ich benutze sein Chakra schon lange nicht mehr. Ich meine doch meine Schattendoppelgänger", sagte Naruto. Über Kyuubi sprach er nicht gern, denn er hatte schon einmal die Kontrolle über ihn verloren und Jiraiya hätte das fast mit seinem Leben gebüßt. Seitdem unterdrückte er den Fuchs verbissen und verließ sich nur noch auf seine eigenen Kräfte. Er war schließlich auch ohne den Neunschwänzigen ein sehr starker Shinobi. Sasuke war der betroffene Gesichtsausdruck Narutos nicht entgangen.
 

"Warum nicht?"
 

"Naja, ich hätte Ero-sennin mal fast umgebracht. Wenn ich die Kontrolle über Kyuubi verliere, dann übernimmt er mich, ich werde langsam von seinem Chakra umgeben. Das hast du doch schon mal miterlebt. Ich kriege immer mehr Schweife und irgendwann bin ich selbst der Fuchs", sprach Naruto und wurde zum Ende hin immer leiser.
 

"Naruto, du kannst nicht zum Fuchs werden. Du wirst immer der bleiben, der du bist. Der Dämon kann dich vielleicht für kurze Zeit überwältigen, aber ich glaube nicht, dass er Macht über dich hat. Deine Persönlichkeit ist zu stark für ihn." Naruto sah Sasuke, der konzentriert den Boden musterte, fassungslos an. Da war er wieder, der beste Freund, den er sich zurückwünschte.
 

"Meinst du...meinst du das ernst?"
 

"Sonst würde ich es nicht sagen, Dobe." Und zum ersten Mal ärgerte sich Naruto nicht über den etwas herabwürdigenden Spitznamen, den ihm Sasuke damals gegeben hatte, als er sich vor der gesamten Klasse bei Iruka beschwert hatte, weil er mit 'dem da' in ein Team eingeteilt worden war. Unglaublich, dass sich daraus eine Freundschaft entwickelt hatte.
 

"Du hältst mich wirklich für stark?" Naruto konnte es nicht glauben, deshalb musste er es einfach noch einmal hören. Er hatte immer um Sasukes Anerkennung gekämpft, darum, dass der Uchiha ihm sagte, dass er ihn als gleichberechtigt sah.
 

"Ich kann deinen jetzigen Stand nicht richtig einschätzen, aber du warst damals schon stark. Du warst so stark, dass ich deshalb wütend auf dich war. Du wurdest immer stärker und ich trat auf der Stelle." In der Tat war Naruto so stark geworden, dass sein Bruder die Aufmerksamkeit auf ihn gerichtet hatte. Er wusste damals schon, dass es dumm war und dass Naruto nicht darum gebeten hatte, aber er war eifersüchtig gewesen. Es hatte geschmerzt, als sein Bruder ihm gesagt hatte, dass er kein Interesse an ihm hätte und sich Naruto zugewandt hatte. Und es hatte noch mehr geschmerzt, als sein Bruder ihn so mühelos geschlagen hatte, als hätte er all die Jahre nicht wie ein Besessener trainiert, und ihm mit seinem verfluchten Mangekyou ein weiteres Mal den Grund für sein hartes Training vor Augen geführt hatte. Ab diesem Zeitpunkt hatte sich eine Verbitterung in sein Herz geschlichen, die er selbst heute noch ab und zu spürte.
 

Naruto sah Sasukes verbissenen Gesichtsausdruck und bezog ihn fälschlicherweise auf sich. Er wollte nicht, dass sein Freund wieder wütend auf ihn wurde, jetzt wo er gerade so offen zu ihm war, deshalb musste er etwas unternehmen.
 

"Sasuke, wie kannst du das sagen? Du hast nie auf der Stelle gestanden. Und ich hab dich immer bewundert." So ehrlich und ernsthaft hatten sie sich noch nie unterhalten. Es war eine Entwicklung, die Naruto sehr gefiel. Endlich gab Sasuke ein paar seiner Gedanken preis. Aber die Grenze schien wohl erreicht, denn der Uchiha setzte wieder einen sorgfältig emotionslosen Ausdruck auf sein Gesicht.
 

"Ich bin niemand, den du bewundern musst. Du solltest dich nicht kleiner machen als du bist." Das kann ich nur zurückgeben. Aber Naruto behielt seinen Gedanken für sich. Er fragte sich, wann Sasuke sich diese Bescheidenheit zugelegt hatte, die schon an Selbstverachtung grenzte. Irgendwie wollte das nicht so recht zu dem stolzen Uchihaspross passen, der er für den Blondschopf immer noch war.
 

"Erzählst du mir irgendwann, was du bei Orochimaru alles erlebt hast?" Sasuke sah ihn für einen kurzen Moment prüfend an, dann wandte er sich wieder dem Boden zu.
 

"Nein. Da gibt es nichts erzählen. Er hat mich trainiert, ich hab ihn betrogen. Es war nur eine Mission." Aber Sasukes Augen, die für einen kurzen Moment ihren gefassten Ausdruck verloren hatten, straften ihn Lügen.
 

~*~
 

Sakura saß vor ihrem Zelt und machte sich Sorgen. Sasuke war schon fast eine halbe Stunde weg. Wenn die beiden nicht bald wiederkamen, würde sie Kakashi noch einmal darauf ansprechen. Ohnehin fand sie es unglaublich, dass ihr Sensei so gelassen neben ihr sitzen und dieses verdammte Buch lesen konnte. Er wirkte, als würde ihn das alles überhaupt nichts angehen. Sasuke war zwar stark und Naruto ja auch, aber wenn sie überrascht oder überwältigt wurden, konnten sie auch nichts machen. Ab und zu hörte sie zwar den Schrei des Falken aus der Ferne, aber das beruhigte sie auch nicht. Würde der Vogel sie zu Hilfe holen? Oder blieb er bei seinem Meister? Nein, sie würde hier jetzt nicht in Panik geraten. Sie musste stark bleiben. Was würde Sasuke von ihr halten, wenn sie wieder die weinerliche, kleine Kunoichi werden würde? Und sie würde sich auch selbst nicht mehr im Spiegel ansehen können. Sie hatte nicht umsonst das mörderische Training von Tsunade durchgehalten, nur um jetzt einen Rückfall zu erleiden. Sie würde keinem mehr zur Last fallen und sei es nur, dass sie jemand beruhigen musste, das hatte sie sich vor langer Zeit geschworen. Die Zeiten der Hilflosigkeit waren vorbei. Sie war ein wertvoller Teil des Teams geworden, ihre Teamkameraden konnten sich auf sie verlassen. Und sie konnte sich auch auf ihre Kameraden verlassen. Dieser Gedanke gab ihr die Kraft, sich wieder gänzlich zu beruhigen. Wie von ihm herbeigerufen, erschienen in diesem Moment die beiden Vermissten auf der kleinen Lichtung. Naruto kratzte sich verlegen am Kopf, während er lautstark sagte:
 

"Ähm, sorry, ich hab mich ein bisschen verlaufen." Doch als die beiden näher herangekommen waren, veränderte sich Narutos Gesichtsausdruck und er flüsterte ihnen seinen Verdacht zu. Sasuke hob inzwischen seinen rechten Arm und Naruto sah ihn merkwürdig an. Für ihn musste es witzig aussehen, wie der Uchiha dastand. Ernste Miene, aber den Arm erhoben und in den Himmel spähend. Er wollte gerade fragen, was das werden sollte, als plötzlich ein Federbüschel angeschossen kam und auf Sasukes Arm landete.
 

"AH! Was ist denn das?", rief Naruto erschrocken.
 

"Mein vertrauter Geist", antwortete Sasuke und wandte sich dann dem Falken zu. "Kibou, hast du etwas Verdächtiges gesehen?"
 

"Nein, Sasuke-sama. Aber die Bäume stehen ziemlich dicht."
 

"Danke. Du kannst wieder gehen. Hier im Wald ist es zu gefährlich für dich." Sasuke strich seinem Falken zum Abschied über das Gefieder und Kibou verschwand. Naruto starrte Sasuke mit offenem Mund an. Sama? Wie hatte er das denn hinbekommen? Seine eigenen vertrauten Geister tanzten ihm meistens auf der Nase herum, außer, wenn es darauf ankam. Und wie vertraut er mit dem Vogel umgegangen war. Als wäre er ein sehr wichtiger Freund.
 

"Du hast wohl ein sehr inniges Verhältnis mit deinen vertrauten Geistern, oder?"
 

"Sie heißen ja nicht umsonst vertraute Geister. Und sie sind loyal bis in den Tod. Sie haben mir schon ein paar mal aus der Klemme geholfen."
 

"Hat dir Orochimaru den Vertrag mit den Falken besorgt?" Sasuke sah in mit unergründlicher Miene an.
 

"Orochimaru beschwört Schlangen, das solltest du eigentlich wissen."
 

"Kannst du die auch beschwören?"
 

"Ich hab nie einen Vertrag mit ihnen geschlossen." Kakashis Augenbraue zuckte für einen kurzen Moment nach oben. Das war keine klare Antwort gewesen. Warum wich Sasuke aus? Aber darüber konnte er sich später noch Gedanken machen. Jetzt musste er erst einmal dafür sorgen, dass sie alle ein bisschen Ruhe bekamen.
 

"Naruto, du übernimmst die erste Wache. In zwei Stunden weckst du Sasuke. Die letzte Wache übernehme ich." Damit entließ Kakashi seine Schüler in ihre Zelte, beziehungsweise Naruto an das bereits geschürte Feuer. Wenn Sasuke die mittlere Wache hatte, bekam er nicht viel zusammenhängende Zeit zum Ausruhen. Kakashi kam sich schon ein bisschen mies vor, seinen Schützling so systematisch zu erschöpfen. Er musste sich immer wieder sagen, dass es nur dem Wohl dieses Sturkopfes diente. Dass Sasuke es einem aber auch immer so schwer machen musste.
 

Naruto saß gespannt am Feuer und rechnete jede Sekunde mit einem Angriff. Doch auch nachdem seine zwei Stunden um waren, hatte niemand das kleine Lager attackiert. Er stand auf, um Sasuke zu wecken. Er betrat das Zelt und sah nur noch, wie der Uchiha sich erhob. Hatte der überhaupt geschlafen? Es wirkte, als ob er hier nur auf seine Wache gewartet hätte.
 

"Hast du gar nicht geschlafen?", fragte Naruto verwundert.
 

"Ich brauch nicht so viel Schlaf", meinte Sasuke abweisend und fand diese Lüge ziemlich bitter. Sein ganzer Körper schrie nach Schlaf und das war Kakashis Schuld. Hoffentlich kamen sie bald in Suna an.
 

"Na, wenn du meinst", sagte Naruto zögerlich und verschwand in seinem Zelt. Hatte Sasuke in letzter Zeit mal in den Spiegel geschaut? Er sah ziemlich erschöpft aus. Vielleicht überschätzte er ja seine Fähigkeit, auf Schlaf verzichten zu können.
 

Sasuke setzte sich im Schneidersitz an das Feuer und war dankbar, dass er diese Meditation perfektioniert hatte. Theoretisch könnte er die ganze Nacht Wache halten, für ihn würde das nichts ändern. Er konnte auch im Ruhezustand sofort auf Angriffe reagieren, sogar noch viel besser, da im meditativen Zustand seine Sinne geschärft waren. Aber er würde Kakashi trotzdem zu seiner Wache wecken. Wieso sollte der schlafen, wenn er seinen Schülern permanent die nötige Ruhe verwehrte? Langsam frustrierte es Sasuke, dass er nicht dahinter kam, warum sein Sensei das alles tat. Und dann höchstwahrscheinlich noch in Absprache mit Tsunade, denn die musste die Mission schließlich aussuchen und der Vorgehensweise zustimmen. Wieso sollte sie ein so leichtsinniges Verhalten dulden? Da musste einfach etwas dahinter stecken. Doch noch war Sasuke nicht im Ansatz auf die Idee gekommen, dass der ganze Aufwand wegen ihm selbst betrieben wurde.
 

Als Kakashi aus dem Zelt kam, öffnete Sasuke die Augen und sah ihn an. Natürlich musste er ihn nicht wecken. Hatte der Jounin überhaupt geschlafen? Ihm konnte es egal sein. Irgendwann brauchte auch er eine Pause und dann kämen sie alle zu ihrer wohlverdienten Ruhe. Das würde spätestens in Suna passieren. Da konnten sie ungefährdet schlafen. Hoffentlich in Einzelzimmern...
 

"Diese Meditationstechnik ist sehr effektiv, oder?", sprach Kakashi seinen schweigsamen Schüler an. Dieser nickte nur und wartete darauf, dass Kakashi sich neben ihn setzte. Er musste ihn noch etwas fragen.
 

"Was tun wir wegen der Verfolger? Sie sind noch da", flüsterte Sasuke.
 

"Vorerst unternehmen wir nichts. Ich frage mich nur, warum sie nicht schon längst angegriffen haben. Sie verfolgen uns nun schon sehr lange." Also war es Kakashi auch aufgefallen. Sasuke hatte etwa eine Stunde, nachdem sie Konoha hinter sich gelassen hatten, ein seltsames Gefühl gehabt. Als er dann Naruto gesucht hatte, war es zu intensiv geworden, um es als Paranoia abtun zu können. Sasuke war immerhin das erste Mal seit seiner Flucht von Orochimaru wieder außerhalb von Konoha-Gakure. Er rechnete an jeder Ecke mit Sound-Ninjas, die ihren Meister rächen wollten.
 

"Vielleicht sammeln sie erst Informationen."
 

"Wozu?"
 

"In unserer Gruppe ist immerhin ein Jinchuuriki. Vielleicht suchen sie nach Schwächen, um dann unsere Gruppe optimal überwältigen zu können. Vielleicht wollen sie uns auch erst zermürben, indem sie uns in Daueralarmbereitschaft versetzen. Es sind sicher gute Ninja, keine Trottel, die sich aus Versehen verraten haben. Glücklicherweise haben wir bis jetzt nur eine Technik zeigen müssen und die hätte ich im Kampf ohnehin nicht eingesetzt." Kakashi sah seinen Schüler an und fragte sich erneut, wie Orochimaru sein Training gestaltet hatte. Sasuke ging wesentlich analytischer vor als früher und dabei war er schon immer der Besonnenste aus Team 7 gewesen. Es sei denn, man schaffte es, ihn zu reizen, dann ließ er dummerweise alle Vorsicht fahren.
 

Das Objekt seiner Gedanken erhob sich und begab sich in sein Zelt. Kakashi lächelte belustigt. Wollte er ihm etwa vorgaukeln, dass er die letzten beiden Stunden schlafen würde?
 

Sie brauchten noch einen anderthalben Tag bis nach Sunagakure.

Und an der Situation hatte sich nicht viel geändert. Immer noch wurden sie verfolgt, doch ihre Beobachter taten nichts. Erst als sie von Temari an den Toren Sunas begrüßt wurden, ließ das Gefühl der ständigen Beobachtung bei allen nach.
 

"Willkommen, Team 7. Schön, dich wiederzusehen, Naruto. Gaara wird sich sehr freuen, dich zu sehen", begrüßte Temari, die inzwischen zum Jounin aufgestiegen war, die vier Konoha-Nins.
 

"Mmmmh, wir werden nur leider nicht viel Zeit haben zu plauschen. Wir werden nämlich sofort wieder aufbrechen, nachdem wir dem Kazekage die Nachricht überbracht haben." Zwei Ninjas sahen Kakashi besonders geschockt an. Der eine, weil er gehofft hatte, ein bisschen Zeit mit seinem rothaarigen Freund verbringen zu können und der andere, weil der Leichtsinn nun endgültig seinen Gipfel erreicht hatte. Das konnte Kakashi nicht tun! Die Verfolger hatten sich sicher nicht verzogen, sondern nur auf die Lauer gelegt. Und sie würden in ihrem müden Zustand eine leichte Beute sein...
 

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Kibou heißt übrigens Hoffnung, falls mich das Wörterbuch nicht im Stich gelassen hat. Sasukes Falke hat ja im Manga noch keinen Namen. Ich finde den Namen passend, weil ein Falke oft als Vogel der Krieger dargestellt wird und in vielen Völkern mit der Sonne in Verbindung gebracht wird. Licht = Hoffnung ^^ Außerdem, wer würde nicht gern die Fähigkeit haben, erhaben hoch über allem zu schweben? Ein toller Ausdruck von Freiheit. Und irgendwie ist Freiheit ja auch mit Hoffnung verbunden.

Fataler Fehler? I

"Sensei, das-"
 

"Nicht jetzt, Sasuke. Das klären wir später." Sasuke schien mit sich zu ringen, ob er nun gehorchen sollte oder nicht. Er hatte Vorgesetzte zu schätzen gelernt, die ihn nicht manipulierten und nicht versuchten, ihn zu zerstören. Die sich um ihn sorgten. Orochimaru hatte ihn dazu gebracht. Und sie. Deshalb zollte er Kakashi und Tsunade auch Respekt. Bei Tsunade ging das ab und zu schief, weil sie es irgendwie schaffte, ihn zu reizen. Aber sie legte es ja auch manchmal offen darauf an. Kakashi jedoch nicht. Kakashi arbeitete eigentlich im Verborgenen. Und eigentlich war Teamwork und das Wohl seines Teams auch das Wichtigste für ihn. Aber offensichtlich hatte er jetzt andere Prioritäten und das konnte Sasuke nicht hinnehmen, auch wenn es ihm widerstrebte, so offen dermaßen scharf zu widersprechen.
 

"Nein, das kann nicht warten. Da draußen sind Ninjas, die uns seit fast drei Tagen verfolgen. Wir werden ins offene Messer rennen, wenn wir so unausgeruht wieder gehen!" Nun sahen ihn Naruto und Sakura schockiert an. Anscheinend hatten sie von den Ninja erst später etwas mitbekommen. Und die mussten gut sein. Sasuke hatte nicht mal mit dem Sharingan aus der Luft etwas sehen können. Zwar hatte der Feind den Vorteil, sich in einem dichten Wald zu befinden, doch darüber hinaus verbargen sie ihr Chakra perfekt und hinterließen keinerlei Spuren. Deshalb war Sasuke auch so alarmiert. Und den Uchiha so offensichtlich alarmiert zu sehen, beunruhigte die beiden anderen automatisch.
 

"Sensei, wenn das wahr ist, dann hat Sasuke-kun, glaube ich, Recht", meinte Sakura.
 

"Ja, und außerdem wollte ich mich mit Gaara unterhalten!", fügte Naruto energisch hinzu, als ob das gerade ein besonders schwerwiegendes Argument wäre. Doch Kakashi blickte Sasuke ungewöhnlich berechnend an.
 

"Was meinst du mit unausgeruht? Macht dir immer noch die Nacht zu schaffen, die wir durchgelaufen sind? Du hattest inzwischen zwei Nächte Zeit, dich zu erholen. Und den ganzen Tag durchzulaufen bist du doch gewohnt, oder?" Verflucht, da hatte er sich wohl zu sehr auf sich konzentriert. Ja, wie musste das für die anderen eigentlich aussehen? Seit der durchgemachten Nacht zu Beginn der Mission hatten sie keine weiteren Strapazen gehabt, Sakura hat alle Nächte durchgeschlafen und die anderen beiden hatten auch immer mindestens vier Stunden Schlaf am Stück gehabt. Nur er nicht. Aber er konnte auch nicht offen zugeben, dass er gar nicht geschlafen hatte, und das bereits seit einer Woche schon nicht mehr. Verdammt, wieso hatte er nur seine Klappe aufgerissen, ohne vorher darüber nachzudenken? Er dürfte theoretisch wirklich nicht sonderlich erschöpft sein.
 

"Nein, ich meine, wir sollten den feindlichen Ninjasim bestmöglichen Zustand entgegentreten." Der Uchiha fand diese Korrektur selbst lahm, aber auf die Schnelle war ihm nichts anderes eingefallen. Er war zu sehr damit beschäftigt, sich innerlich zu verfluchen. Kakashi wiederum fand es amüsant, wie Sasuke versuchte, sich herauszuwinden. Eigentlich wollte er ihn noch nicht wieder vom Haken lassen, aber in Anbetracht der Tatsachen fasste er einen neuen Entschluss. Naruto wäre sonst vor Entrüstung, dass er nicht mit Gaara sprechen konnte, womöglich nicht aufmerksam genug und Sasuke sollte die Gelegenheit bekommen, sich wenigstens ein bisschen zu erholen. Immerhin stand ihnen ein Feindkontakt bevor. Kakashi glaubte nicht, dass ihre Beobachter noch lange untätig bleiben würden.
 

"Drei Stunden, nachdem wir mit dem Kazekage fertig sind. Keine Sekunde länger." Naruto reckte seine Faust in die Luft und auf seinem vorher noch empörten Gesicht breitete sich nun wieder ein glückliches Grinsen aus.
 

"Worauf warten wir dann noch? Lasst uns gehen!" Sasuke jedoch hatte die Brauen zusammengezogen und grübelte vor sich hin. Das war doch nur ein lasches Ablenkungsmanöver. Oder warum hatte Kakashi jetzt eingelenkt? Was dachte er sich? Und dieser berechnende Blick eben hatte Sasuke gar nicht gefallen. Er nahm sich vor, die Zeit so gut wie möglich zum Kräftesammeln zu nutzen, denn noch einmal würde sich sein Sensei nicht umstimmen lassen.
 

Temari führte sie zum Büro ihres kleinen Bruders. Sie klopfte an die Tür, öffnete diese und ließ die anderen vier hinein. Dann ging sie, denn Staatsangelegenheiten fand Temari langweilig. Darum beneidete sie Gaara kein bisschen. Dieser war, unbemerkt von ihr, da sie schon das Büro verlassen hatte, auf Naruto zugegangen und schüttelte ihm die Hand.
 

"Naruto." Dann nickte er Kakashi und Sakura kurz zu. Schließlich blieb sein Blick an Sasuke kleben. Etwa eine Minute starrte er ihn ungeniert an. Der Uchiha starrte nicht minder unverhohlen zurück.
 

"Du hast andere Augen", sagte Gaara und Sasuke wusste nur zu gut, worauf er anspielte. Deshalb zwang er seine Augen dazu, denen von Gaara entschlossen standzuhalten. Er musste unbedingt seine Fassung wahren.
 

"Du auch." Kakashi erinnerte sich noch genau an den Tag, an dem die beiden schon einmal einen ähnlichen Austausch gehabt hatten.
 

Sasuke zerstörte gerade mit Chidori einen Felsbrocken hoch oben auf einem Berg in einsamer Wildnis, als Kakashi es spürte. Er starrte auf einen Felsen in der entgegengesetzten Richtung, was ihm einen fragenden Blick von Sasuke einbrachte.
 

"Wenn du weiterhin solchen Blutdurst ausstrahlst, kannst du genauso gut rauskommen." Dann hatte Gaara sich gezeigt, und Kakashi hatte ihn gefragt, was er von ihnen wollte. Doch Gaara hatte ihn ignoriert und Sasuke eine merkwürdige Frage gestellt.
 

"Was ist dein Ziel, warum suchst du Stärke?"
 

"Das geht dich nichts an, du störst mein Training." Daraufhin hatte Gaara sich abgewandt, jedoch nicht aufgehört, zu sprechen.
 

"Du hast die gleichen Augen wie ich. Augen, die Stärke suchen und mit Hass und Mordlust gefüllt sind. Deine Augen sagen mir, dass du weißt, was wahre Einsamkeit ist. Du hast Augen, die wissen, dass Einsamkeit der größte Schmerz ist." Das schien Sasuke getroffen zu haben, denn er rief ihm noch etwas hinterher.
 

"Warte! Was willst du von mir?" Gaara hatte sich daraufhin noch einmal umgedreht und nicht minder ernst zu seiner zweiten seltsamen Rede angesetzt.
 

"Du willst wissen, ob du es verdienst, zu leben. Du fragst dich, ob du wirklich stark genug bist. Du bist mir ähnlich. Aber vergiss nicht: Du bist meine Beute." Dann war er gegangen, ohne die geballten Fäuste und den verbissenen Gesichtsausdruck Sasukes noch mitzubekommen.
 

Kakashi konnte sich denken, dass Sasuke die Situation sehr unangenehm fand. Diesmal würde er Gaara aber nicht sagen, dass er nicht so reden solle, als ob er alles über Sasuke wüsste, das würde der Uchiha zu erniedrigend finden. Außerdem stand ihm das schon allein vom Rang her nicht mehr zu. Er wollte aber trotzdem die greifbare Spannung aus dem Raum vertreiben, die entstanden war, weil sich die beiden Jungen immer noch gegenseitig mit ihren Augen festgenagelt hatten. Die führten sich ja fast so auf, als ob es ein Wettbewerb wäre.
 

"Kazekage-sama, ich habe eine Nachricht von Tsunade-sama für Euch. Unsere Mission ist hiermit erfüllt", sagte Kakashi, hielt Gaara die Schriftrolle hin und zwang ihn somit, seinen Blick von Sasuke zu lösen.
 

"Danke, Hatake-san. Ihrer Gruppe stehen vier Zimmer zur Verfügung. Sicher wollt ihr euch noch ausruhen, bevor ihr wieder aufbrecht?" Dieser letzte Satz war schon halb an Naruto gerichtet. Gaara schien sich wohl wirklich sehr zu freuen, ihn wiederzusehen, obwohl er das durch seine reservierte Art nicht so gut zeigen konnte. Aber wahrscheinlich hätten sich sowieso alle nur gegruselt, wäre er Naruto bei der Begrüßung um den Hals gefallen wie einem lange vermissten Freund.
 

"Das ist sehr zuvorkommend, aber ich fürchte, wir werden bereits in drei Stunden wieder aufbrechen. Solange wollen wir Euch und Naruto nicht stören", sagte Kakashi, verneigte sich leicht und wandte sich um. Er würde sich nicht in seinen Plan hineinreden lassen. Sicher hatte er selbst Zweifel, aber jetzt hatte er es angefangen, nun würde er es auch zuende bringen. Es war sehr wichtig!
 

Sakura und Sasuke folgten ihrem Sensei nach draußen. Sasuke sah Kakashi lange an, bevor er sich abwandte und das Gebäude verließ. Die Kunoichi sah ihm nach.
 

"Sensei, warum ist es so wichtig, gleich wieder aufzubrechen?", fragte Sakura besorgt.
 

"Auftrag von Tsunade-sama. Sie will, dass wir schnellstmöglich zurückkommen. Ende der Diskussion." Sakura blieb keine Wahl. Auch sie musste die Entscheidung hinnehmen. Also wollte sie die verbleibende Zeit nutzen, um sich Sunas berühmte Gewächshäuser anzusehen. Dort sollte es angeblich jegliche Art von Heilkräutern geben, auch sehr seltene. Kakashi hingegen suchte sich ein ruhiges Plätzchen und wollte ein Nickerchen halten. Falls er das denn konnte. Er plagte sich immer noch mit Zweifeln, ob es die Gefahr wert war. Aber er hatte ein starkes Team. Außer Sasuke waren alle bei guten Kräften. Sie würden das schaffen.
 

~*~
 

"Sag mal, Gaara, was hast du vorhin damit gemeint, Sasuke hätte andere Augen?"
 

"Hast du es nicht bemerkt?"
 

"Nein, was denn?"
 

"Der Hass ist verschwunden."
 

"Weiß nicht, was du meinst. Ich finde, er schaut immer noch genauso abweisend wie immer", meinte Naruto unbekümmert.
 

"Das überrascht mich. Warst du nicht derjenige, der meinen Blick so gut deuten konnte? "
 

"Ich hab mir viel mehr Sorgen um sein Verhalten gemacht. Er ist noch verschlossener als sonst und ich komme einfach nicht dahinter, was ihn bedrücken könnte. Aber ich will ihn auch nicht direkt darauf ansprechen, er würde mir sowieso nicht ernsthaft antworten. Aber es bessert sich langsam wieder, echt jetzt. Er hat mir sogar gesagt, dass er mich für ebenbürtig hält. Ich glaube, irgendwann können wir offen miteinander reden, ohne dass Sasuke über jedes Wort nachdenkt", freute sich Naruto. Der Kazekage sagte nichts dazu. Wahrscheinlich war Naruto hier ein bisschen zu sehr Optimist. Kakashi schien auch sehr angespannt zu sein, das hatte er nicht ganz verbergen können. Was war nur mit diesem Team los?
 

"Wieso ist Uchiha überhaupt wieder in eurem Team?"
 

"Das bei Orochimaru war nur eine Mission. Er sollte ihn nämlich umbringen." Gaara hob eine Braue.
 

"Der Hokage hat einen Genin zu Orochimaru geschickt?", fragte er skeptisch.
 

"Japp. Ich versteh den Alten da auch nicht. Aber Sasuke hat es geschafft."
 

"Das kann eine Falle sein. Habt ihr Beweise?"
 

"Mh, nein. Aber Sasuke lügt nicht. Außerdem hat Danzou versucht, ihn umbringen zu lassen. Der hängt da auch mit drin." Aber auch das könnte abgekartet gewesen sein. Gaara wunderte sich über die schnelle Bereitschaft Tsunades, Sasuke Vertrauen zu schenken, was er auch gleich äußerte.
 

"Eure Hokage ist sehr leichtgläubig. In Suna würde das nicht ausreichen, ihn wieder auf freien Fuß zu setzen."
 

"Gaara, ich kenne Sasuke. Es stimmt, was er sagt." Doch Gaara fragte sich nur, wie gut Naruto Sasuke wirklich kannte, wenn er nicht einmal die Veränderung in seinen Augen bemerkt hatte. Er äußerte seine Zweifel aber nicht. Naruto würde schon einen Weg finden, Sasuke zu helfen, denn das war sein Talent. Verzweifelten Seelen zu helfen. So wie einst ihm.
 

"Sag mal, wie ist es eigentlich als Kazegkage? Wie hast du das gemacht? Ich werd dich schon noch einholen, echt jetzt!" Gaara schloss seine Augen, und ein leichtes, außergewöhnlich seltenes Lächeln legte sich auf seine Züge, als er zu erzählen begann.
 

~*~
 

Drei Stunden später versammelte sich Team 7 pünktlich am Tor von Suna. Selbst Kakashi war rechtzeitig da. Sie verabschiedeten sich alle von Gaara und Naruto versprach, bald wiederzukommen, selbst wenn er die Hokage dafür wochenlang nerven müsste. Gaara hatte von weiteren Kommentaren dem Uchiha gegenüber abgesehen. Dennoch hatte er der Hokage eine Nachricht mit seinen Ansichten über die Sache mitgeschickt und sie darin gebeten, ihn auf dem Laufenden zu halten.
 

Die erste halbe Stunde Fußmarsch verlief recht steif. Die drei Schüler wollten Kakashi zwar nicht mehr darauf ansprechen, machten sich aber trotzdem noch ihre Gedanken über die Situation. Kakashi schien vor sich hin zu laufen und nichts um sich herum wahrzunehmen. Sasuke studierte den Boden und Naruto hatte die Hände hinter dem Kopf verschränkt und schmollte ein bisschen, weil er sich schon so schnell wieder von einem guten Freund hatte verabschieden müssen. Sakura blickte nur von einem zum anderen und wusste nicht, wie sie die Stimmung wieder aufheitern konnte. Dann ergriff Sasuke leise das Wort, der zu Kakashi aufgeschlossen hatte.
 

"Es wäre günstig, wenn wir uns heute Nacht eine etwas größere Lichtung zum Übernachten suchen würden." Kakashi blickte weiter geradeaus, als hätte er nichts gehört, antwortete aber trotzdem.
 

"Du spürst sie also auch?" Sasuke nickte nur.
 

"Seit wann folgt uns dein Falke eigentlich schon?"
 

"Ich hab ihn in Suna beschworen. Er könnte nützlich werden, besonders wenn ihn der Feind nicht auf der Rechnung hat." Er hatte ihn allerdings schon wesentlich eher beschworen, als der Jounin vielleicht dachte. Kibou hatte über seinen Schlaf gewacht und ihn rechtzeitig zum Aufbruch geweckt. Glücklicherweise war der zu kurz gewesen, um in irgendwelche Traumphasen fallen zu können. Kakashi nickte und beendete damit das letzte bisschen Konversation, das die Gruppe bis zum Abend hatte, als sie ihr Lager aufschlugen. Diesmal schickte Kakashi Naruto zusammen mit Sasuke Feuerholz sammeln. Sicher war sicher. Als die beiden wieder da waren, nahmen noch alle zusammen ein spärliches Mahl zu sich und dann wurden die Wachen eingeteilt. Naruto hatte wieder die erste und Sasuke die zweite. Kakashi würde die letzte übernehmen.
 

Sasuke saß in seinem Zelt und meditierte. Das hatte er auch nötig, denn trotz, oder vielleicht gerade wegen der drei Stunden Schlaf in Suna fühlte er sich sehr erschöpft. Dank seiner durch die Meditation geschärften Sinne spürte er die Gefahr, noch bevor der Falkenschrei ertönte. Er löste sich genau in dem Moment in Flammen auf, als drei Kunai aus verschiedenen Richtungen den Zeltboden durchbohrten...

Fataler Fehler? II

Sasuke tauchte auf dem Ast neben seinem Falken wieder auf.
 

"Kibou, verschwinde!", sagte er eilig und sprang gerade noch rechtzeitig vom Baum, um drei weiteren Kunai auszuweichen. Verdammt, die sind noch stärker als ich dachte. Im Fallen sah er, dass Naruto dabei war, ein paar Shuriken abzuwehren und dass Sakura alarmiert aus ihrem Zelt stürzte. Dafür hatte Sasuke jetzt aber keine Zeit. Aufgrund der Flugbahn der Kunai konnte er sich in etwa vorstellen, wo seine Gegner waren und genau dahin war er so leise und schnell wie möglich unterwegs. Weit kam er allerdings nicht, da raste bereits die erste Kurzschwerztklinge auf ihn zu. Blitzschnell zog Sasuke Kusanagi aus der Scheide und blockte den Hieb. Doch aus dem Hinterhalt kamen zwei weitere Ninja geschossen, einer mit erhobener Klinge direkt auf Sasuke zu, der andere an den Kämpfern vorbei, um seinen beiden Kameraden zu helfen, die es mittlerweile mit Naruto und Kakashi zu tun hatten. Einen dritten hätte Sasuke auch nicht in Schach halten können. Die beiden hier reichten ihm vollkommen.
 

Unerbittlich droschen sie mit ihren Kurzschwertern auf Kusanagi ein und trieben den Uchiha immer mehr in die Enge. Hätte er sein Sharingan nicht aktiviert, wäre er schon längst in Stücke gehackt worden. Sie haben uns also doch beobachtet, um unsere Schwächen herauszufinden. Und natürlich haben sie bemerkt, dass die Bandage an meinem linken Arm höher ist und dass ich ihn schone. Deshalb greifen sie auch ständig von links an. Lange halte ich nicht mehr durch. Die beherrschen ihre Waffen wirklich meisterhaft. Sehr zu seinem Missfallen schmerzten die beiden Kunaiwunden wieder und sein linker Arm begann, an Kraft zu verlieren, was seinen Gegnern natürlich nicht entging. Wenn sich nicht bald eine Lücke auftat und er zu seinem Fluchtjutsu ansetzen konnte, war er geliefert. Mir bleibt nichts übrig, ich muss Chakra einsetzen. Das würde aber nicht so leicht werden, denn er musste ständig blitzschnellen Angriffen ausweichen, die ohne Unterlass auf ihn einprasselten. Ein Kurzschwert war eben schneller geschwungen als ein richtiges. Sasuke sammelte dennoch genügend Chakra in seinem rechten Arm, um mit seinem Chidori Eisou das Kurzschwert des einen so zu kürzen, dass es sich vielleicht gerade noch als Zahnstocher geeignet hätte. Ein Körpertreffer war aus dem Stehgreif nicht möglich, dazu war ihre Deckung einfach zu gut. Aber es verschaffte ihm ein paar Sekunden, um sein Fluchtjutsu einzusetzen.
 

Kakashi hatte nur etwas durch die Luft sirren hören und wusste, dass etwas nicht stimmte. Er konzentrierte sich kurz, konnte aber nach wie vor keine Chakraquellen ausmachen. Dann hörte er Metall auf Metall prallen und Sakura Narutos Namen rufen. Sie griffen also den Blondschopf an. Logisch, er war ja die Wache. Der Jounin verpuffte und tauchte kurz darauf auf einem Baum wieder auf, um sich kurz einen Überblick über die Lage zu verschaffen. Er hatte eine weitere Lärmquelle ausgemacht und war stutzig geworden. Kakashi versuchte, die Situation möglichst schnell zu erfassen. Sakura hielt sich noch im Hintergrund und Naruto wurde von zwei Ninjas angegriffen. Da nahm Kakashi eine Bewegung aus dem Augenwinkel wahr und erblickte Sasuke, der sich mit seinem Schwert gegen zwei Gegner wehrte.
 

Die Umstände waren mehr als ungünstig für den Uchiha. Augenscheinlich hatten sie hier eine Attentätergruppe vor sich, die auf Taijutsu und Kampf mit Kurzschwertern spezialisiert war. Letztere erforderten wesentlich weniger Kraft beim Zuschlagen als Sasukes längeres Chokutou. Also musste er sich gegen zwei Feinde mit einer schwereren Waffe wehren. Das konnte nicht lange gutgehen, zumal Kakashi festgestellt hatte, dass Sasuke keine Jutsu einsetzte. Lediglich sein Sharingan war aktiviert und das hatte er bei der Geschwindigkeit, mit der seine Gegner auf ihn einstürmten, auch bitter nötig. Seltsamerweise nahmen diese einige Mühe auf sich, um Sasuke ständig von links anzugreifen. Der Jounin beschloss, mit Naruto zusammen schnell die anderen Gegner zu überwältigen und dann Sasuke zu helfen. Der hatte ja immerhin sein Fluchtjutsu, vielleicht bekam er ja die Gelegenheit, es einzusetzen. Lautlos sprang Kakashi vom Baum und eilte auf einen Gegner zu, der aber rechtzeitig von einem weiteren heranstürmenden Feind gewarnt wurde. Kakashi ging auf Abstand und kam neben Naruto zum stehen. Plötzlich tauchte Sasuke hinter dem herangeeilten Feind auf und rammte ihm den Schwertknauf in den Nacken. Der Feind ging bewusstlos zu Boden und Sasuke kam ebenfalls neben Naruto zum Stehen.
 

"Was wollt ihr?", sagte er mit so eisiger Stimme, dass Naruto ihn kurz ansehen musste, um zu überprüfen, ob da wirklich noch sein bester Freund stand. Seine ganze Aura hatte sich verändert. So dermaßen furchteinflößend hatte er ihn noch nie gesehen. Er strahlte eine Ernsthaftigkeit, aber gleichzeitig eine Überlegenheit aus, es war unglaublich. Und diese Kälte. Als hätte er absolut kein Problem damit, seinen Gegner einfach zu zerquetschen. Doch statt eine Antwort zu geben, stürzten die vier verbliebenen Attentäter auf die etwas abseits stehende Sakura zu. Diese schaltete sofort und warf vier Kunai auf ihre vier Gegner zu, die allerdings synchron auswichen. Dummerweise hatten sie die Rechnung ohne den Kopierninja gemacht, der zwei der Kunai von Sakura mit seinen eigenen so getroffen und deren Bahn so verändert hatte , dass sie erneut auf die Gegner zuflogen. Zur selben Zeit hatte Sasuke zwei der Kunai aufgehoben, die Naruto zuvor abgewehrt hatte und es ebenfalls auf die zur Seite ausweichende Gruppe geworfen. Eines traf einen Ninja im Bein, der noch von Kakashis Kunai zu abgelenkt war. Das Bein des Getroffenen knickte ein, als das Blitzchakra im Kunai auf die Nervenbahnen traf. Die Angreifer schienen kurz zu überlegen, sich dann aber für den Rückzug zu entscheiden. Einer verschwand und tauchte neben seinem bewusstlosen Kameraden auf, um ihn sich über die Schulter zu werfen, die anderen beiden verschwand mit dem Verletzten blitzschnell im Wald. Sasuke stieß einen schrillen Pfiff aus und hob dem rechten Arm, um seinem Falken, der seit dem Angriff Kreise über der Lichtung zog, einen Landeplatz zu bieten.
 

"Schau, ob sie wirklich verschwinden. Aber sei vorsichtig." Kakashi blickte sich inzwischen um.
 

"Seid ihr alle in Ordnung?" Seine drei Schüler nickten nur.
 

"Wer waren die? Solche schwarzen Ninjaanzüge habe ich noch nie gesehen", meinte Sakura nachdenklich.
 

"Ich auch nicht. Sie trugen auch keinerlei Erkennungszeichen, aber das ist bei Attentätern ja zu erwarten", meinte Kakashi und sah Sasuke stirnrunzelnd an. "Was ist eigentlich passiert?"
 

"Ich saß am Feuer und plötzlich schossen zwei Kunai auf mich zu. Dann kamen die Gegner hinterher, Sakura kam aus ihrem Zelt und dann waren Sie auch schon da", erklärte Naruto.
 

"Und bei dir, Sasuke?"
 

"Mein Zelt wurde von Kunai durchlöchert, ich hab mich rausteleportiert und bin dann auf die Gegner losgegangen." Neben ihm ließ sich gerade sein Falke auf einem Ast nieder.
 

"Sie sind geflohen, und das sehr schnell. Einholen unmöglich", sprach der Falke und sah seinen Meister besorgt an.
 

"Danke, Kibou. Du kannst gehen", sagte Sasuke und warf dem Vogel einen warnenden Blick zu. Kibou verstand und verschwand in einer Rauchwolke.
 

"Sakura, Naruto, geht wieder schlafen, die Luft ist rein. ich spüre auch keine Präsenzen mehr. Und du ruhst dich auch aus, ich übernehme deine Wache", sprach Kakashi an Sasuke gewandt.
 

"Nein, das ist schon in Ordnung, mit so viel Adrenalin im Blut brauche ich ohnehin eine Weile, um mich zu beruhigen. Ich mache meine Wache selbst", sagte Sasuke, obwohl die Wache wohl nicht nötig war. Er war sicher, dass die Feinde heute nicht zurückkehren würden. Kakashi wusste, dass es nur eine faule Ausrede war, beließ es aber seltsamerweise dabei. Sasuke war erleichtert zu sehen, dass seine drei Teamkollegen in ihren Zelten verschwanden. Er setzte sich ans Feuer mit dem Rücken zu den Zelten, damit sie nicht durch Zufall irgendetwas zu sehen bekamen, das nicht für ihre Augen bestimmt war. Dann langte er in seine Waffentasche, die um sein Bein gebunden war und war einmal mehr froh, dass er sie wegen der Waffensiegel für andere Dinge benutzen konnte. So konnte er unbemerkt eine frische Bandage anlegen. Er entfernte die alte, mittlerweile teilweise durchtränkte Bandage und wischte mit ihr seinen Arm sauber. Die beiden Ninjas hatten ihm wirklich eingeheizt. So viel Anstrengung hatten die beiden Wunden nicht vertragen und waren wieder aufgegangen. Sasuke blickte auf seinen linken Unterarm und ärgerte sich über sich selbst. Seine Geheimniskrämerei und Verbissenheit hatten ihn heute zu kampfunfähig gemacht. Langsam begann er, eine neue Bandage um seinen Unterarm zu wickeln.
 

"Ich hab irgendwie geahnt, dass du sie nicht hast heilen lassen. Erst das auffällige Verhalten deiner Gegner und dann hast du fast sofort deinen Arm hinter deinem Rücken verschwinden lassen." Sasuke fuhr zusammen. Er war zu sehr in Gedanken gewesen und hatte nicht auf seine Umgebung geachtet.
 

"Sensei, warum schlafen Sie nicht?", fragte er, während er eilig den Rest seines Unterarms bedeckte.
 

"Ich wollte nur sehen, ob meine Vermutung stimmt. Sasuke, was hatte ich dir über die Wunde gesagt?" Der mahnende Unterton machte die Vorwürfe, mit denen Sasuke sich ohnehin schon plagte, auch nicht besser.
 

"Sie haben gesagt, Sie würden sich erkundigen, ob ich mir eine Schnittwunde hab heilen lassen. Das hab ich getan", sagte Sasuke stur.
 

"So, und welche soll das gewesen sein?"
 

"Ich hatte mich auch am rechten Oberarm verletzt", gab Sasuke widerwillig zu. Was sollte er auch tun? Kakashi hatte ihn erwischt.
 

"Wann hast du dir diese Wunde zugezogen?"
 

"Ich hab mit einem Bunshin trainiert und war nicht aufmerksam genug." Sasuke hoffte inständig, dass sein Sensei nicht weiter nachfragen würde. Tat er auch nicht. Stattdessen äußerte dieser ein paar Dinge, die ihm viel wichtiger waren.
 

"Dir ist doch klar, dass du dich mit dieser dummen Aktion selbst in Gefahr gebracht hast?" Sasuke nickte nur. Er wusste, dass er sich mit jedem Wort noch tiefer reinreden würde. Aber durch eine frühere dumme Aktion zwang er sich quasi selbst zu dieser hier. Es würde nur unangenehme Fragen geben...
 

"Was soll das dann? Warum versteckst du deinen Arm so verbissen, dass du selbst Verletzungen im Kampf in Kauf nimmst?" Sasuke wollte schon zu einem "Das geht Sie nichts an" ansetzen, aber das war zu hart und er hatte einen Punkt erreicht, an dem Kakashi sich nicht mehr so einfach abwimmeln lassen würde, da war er sicher.
 

"Ich hab meine Gründe. Und die kann ich nicht preisgeben. Bitte verstehen Sie das, Sensei." Kakashi sah, dass sein Schüler mit sich kämpfte. Und er konnte ihm nicht einmal in die Augen sehen. Aber Kakashi hatte ohnehin noch ein Ass im Ärmel und deshalb stoppte er sein Verhör an dieser Stelle. Sasuke zu bedrängen und eine Antwort aus ihm herauszupressen würde auf die Dauer auch nichts bringen, sonst hätte er sich diese ganze Nummer hier sparen können.
 

"Na gut, ich belasse es dabei. Aber überleg dir gut, ob dieses Geheimnis dein Leben wert ist. Ich kann das nicht ewig dulden. Und ich will nicht noch einmal erleben, dass du uns eine Verletzung verheimlichst." Mit diesen Worten verschwand der Jounin in seinem Zelt, um sich noch zwei Stunden Ruhe zu gönnen, bevor seine Wache anfing. Allerdings schlief er nicht. Er überlegte, wie er nun weiter vorgehen sollte, kam aber nur zu dem Schluss, es auf sich zukommen zu lassen und entsprechend der jeweiligen Situation zu handeln. So in Gedanken versunken verging die Zeit schnell und bald schon war der Zeitpunkt für seine Wache gekommen. Kakashi wunderte sich, dass Sasuke ihn nicht schon geholt hatte. Dieser saß im Schneidersitz am Feuer und schien zu meditieren. Aber Kakashi bemerkte schnell, dass dem nicht so war, als er um Sasuke herumgelaufen war und vor ihm stand. Dieser herabhängende Kopf sprach Bände. Sasuke war eingeschlafen. Wenigstens etwas war nach Plan verlaufen. Im Moment sah sein Schüler unheimlich entspannt aus. Kakashi entschied sich, zu warten, ob das so bleiben würde. Immerhin hatte der Jounin die letzte Wache und die anderen beiden verließen sich darauf, von ihm geweckt zu werden. Sie hatten noch ein gesundes Verhältnis zum Schlaf und das brachte Kakashi Zeit ein. Er würde warten, bis Sasuke im Tiefschlaf war und dann würde er nachsehen, was es mit seinem Unterarm auf sich hatte, denn sein Schüler war vorhin nicht schnell genug darin gewesen, die Bandage über seinen Arm zu ziehen. Er meinte, etwas Ungewöhnliches gesehen zu haben, war sich aber nicht sicher. Und er brauchte nun einmal jeden Hinweis, den er kriegen konnte, um endlich dem Problem, das Sasuke so belastete, auf die Spur zu kommen. Das rechtfertigte auch diesen Eingriff in die Privatsphäre seines Schülers, sagte er sich, obwohl sich Kakashi ein bisschen mies dabei vorkam. Ihm hätte so eine Penetranz damals auch nicht gefallen. Aber es war eben diese Penetranz gewesen, die ihn Jahre später aus seinem eigenen persönlichen Loch geholt hatte.
 

Und so saß Kakashi etwa eine Stunde neben dem schlafenden Uchiha, bis er plötzlich von einem Murmeln aus seinen Gedanken gerissen wurde.
 

"...'omm zurück..." Wer sollte zurückkommen? Kakashi hielt sich nicht lange mit dieser Frage auf, denn jetzt war es wohl Zeit, loszuschlagen. Er hockte sich vor Sasuke und begann, die Bandage zu lösen. Immer weiter wickelte der Jounin die dünne Stoffbahn von dem Arm und war gespannt, was er zu sehen bekomme würde.
 

"...bitte...bleib..." Kakashi sah kurz verwundert auf. Sasuke klang verzweifelt. Träumte er von dem Massaker? War es seine Mutter, die zurückkommen sollte? Der Jounin wusste, dass Sasuke ein besonderes Verhältnis zu seiner Mutter gehabt hatte. Itachi hatte manchmal von ihm geredet, wenn sie Zeit hatten. Gelegenheiten dazu hatte es reichlich gegeben, sie waren immerhin in derselben Anbu-Einheit gewesen. Daher wusste Kakashi auch, dass der kleine Uchiha von seinem Vater hintenangestellt und ständig mit Itachi verglichen wurde. Sein Vater hatte ihn stets für zu schwach befunden und Sasuke hatte sehr darunter gelitten. Seine Mutter hatte ihn immer getröstet, wenn Itachi nicht da gewesen war. Und mit der Zeit trat sie stärker in den Vordergrund, denn Itachi hatte sich immer mehr zurückgezogen. Also gab sie ihm die Wärme, die er woanders nicht mehr fand. Sie hatte ihm stets Wärme gegeben, wenn Sasukes Vater es zugelassen hatte. Immerhin durfte sein jüngster Sohn nicht noch mehr verweichlichen als er es schon war.
 

"...Nii-san..." Kakashis Kopf ruckte nach oben. Das war jetzt nicht wahr. Wieso flehte Sasuke nach seinem Bruder? Er hasste ihn doch und wollte ihn töten? Kakashi selbst hatte die Hoffnung bereits aufgegeben, dass Sasuke jemals von seiner Rache ablassen würde. Woher kamen jetzt diese Töne? Vielleicht hatte Sasuke doch noch mehr zu verbergen und vielleicht hatte das wirklich mit seinen Träumen zu tun. Er blickte wieder auf den Arm, den er inzwischen vollständig von der Bandage befreit hatte und war schockiert. Kein Wunder, dass sein Schüler seinen Unterarm so verzweifelt zu verbergen versuchte. Kakashi hatte sich nicht geirrt. Er hatte tatsächlich den Ansatz eines Kanji wahrgenommen, doch auf der blassen Haut hob sich nicht nur ein Schriftzeichen blutrot ab, sondern drei. Dünn nebeneinander in die Haut geritzt bildeten sie das Wort Fukushuu-sha*. Das war aber noch nicht alles. Die Ränder der grotesken Schrift waren stark vernarbt, aber das Innere leuchtete rot. Die Schriftzeichen mussten immer wieder nachgefahren worden sein, höchstwahrscheinlich mit einem Kunai. Es mutete an wie ein Mahnmal. Aber wieso sollte Sasuke sich so etwas antun? Als ob er je vergessen könnte, wer er war. Merkwürdig. Oder war es jemand anderer gewesen? Schnell legte Kakashi die Bandage wieder an und sah seinem Schüler ins Gesicht, das inzwischen ein starkes Stirnrunzeln und einen schwachen Schweißfilm aufzuweisen hatte.
 

"Bitte...nein." Der Ton in Sasukes Stimme hatte sich verändert. Er war von flehend und sehnsüchtig zu fast schon panisch übergegangen. Was träumte der Junge nur? Höchstwahrscheinlich war es jetzt doch der Tod seines Clans. Kakashi beschloss, Sasuke zu erlösen und ihn zu wecken. Er hatte genug Informationen gesammelt. Er rüttelte sanft an der Schulter seines Schülers, aber das schien wohl eine schlechte Idee zu sein, denn augenblicklich krallte sich dieser mit erstaunlicher Kraft in Kakashis Arm.
 

"Nein...nein!"
 

"Sasuke, wach auf." Er rüttelte noch etwas stärker und Sasuke riss die Augen auf. Voller Panik starrte er seinen Sensei an. Dann sah er auf seine Hand und wurde sich bewusst, was sie da gerade tat. Er löste seine verkrampften Finger und ließ von Kakashis Arm ab.
 

"Ich...was...tun Sie denn hier?" Sasuke schien noch total neben sich zu stehen. Wahrscheinlich dachte er, er läge in seinem Bett, weil er ja nie woanders schlief.
 

"Sasuke, es ist gut. Wir sind auf einer Mission und du bist während deiner Wache eingeschlafen." Sasukes Augen weiteten sich, als er begriff. Das durfte nicht wahr sein. Das, was er immer zu verhindern versucht hatte, war eingetreten...

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*Fukushuu-sha = Rächer

Riss

Besorgt musterte Kakashi seinen Schüler, der ihn schon seit einer Minute mit schreckgeweiteten Augen anstarrte.
 

"Wie lange...", kam es schließlich doch leise von Sasuke und er senkte den Blick. Sämtliche Kraft hatte ihn verlassen. Es war schwer, die Panik, die in ihm wütete wie ein wildes Tier, zu unterdrücken. Daneben all die Emotionen, die von seinem Traum herrührten. Seinem verbotenen Traum. Es war einer derjenigen gewesen, die Sasuke sich schon vor so langer Zeit verboten hatte. Und regelmäßig konnte er sehen, was sein Unterbewusstsein davon hielt. Es ließ diese Gedanken nicht los. ER ließ diese Gedanken nicht los. Dabei musste er doch. Es war seine Pflicht. Er durfte nicht auch zum Verräter werden. Verräter waren Abschaum. Und ein Verräter war er, wenn er sich nach einem Verräter sehnte. Dem Verräter, der seine Familie getötet hatte. Dem Verräter, der seinen Bruder getötet und sich dessen Körper genommen hatte.
 

Doch da war dieser Traum von seinem Bruder, der für ihn dagewesen war. Er hatte gegen die Angreifer in seiner Traumwelt gekämpft, die noch vor ein paar Stunden eine reale Bedrohung gewesen waren. Er hatte Sasuke gerettet. Und er hatte seinen Arm neu verbunden. Einen Arm, auf dem kein mahnender Schriftzug stand, weil da keiner stehen musste. Weil er immer noch seinen fürsorglichen Bruder hatte und keinen gefühllosen Killer. Doch dann hatte Itachi ihn traurig angesehen, ihm auf die Stirn getippt und war gegangen. Sasuke rief ihm stumm nach, er solle bleiben, denn er spürte wieder einmal deutlich, was ihm fehlte. Aber wie immer war er machtlos. Er saß auf der Stelle und konnte nur noch seine Hand ausstrecken, die ins Leere griff. Und dann war sein Clan aufgetaucht und sie hatten ihn gefragt, wie naiv er doch sei. Wie verlogen. Wie er nur leugnen konnte, was passiert war. Wie er nur fühlen konnte, was er fühlte. Wie er nur solche Gedanken haben konnte, wo er doch ihren Tod verschuldet hatte. Sie kamen näher und näher, bedrängten ihn mit einer stetig anschwellenden Flut von Fragen. Und dann hatte ihn eine Stimme gerufen. Er hatte sie kaum wahrgenommen, denn die Toten drängten weiter auf ihn ein. Er konnte schon ihre Hände spüren und wollte sie wegstoßen. Die Stimme wurde lauter und schließlich waren sie verscheucht. Und dann sah er seinem Sensei in die besorgten Augen. Wie kam der denn jetzt hier her?
 

Als ihm Kakashi die Situation erklärt hatte, begriff er, was geschehen war. Etwas, das nicht geschehen durfte! Wenn Kakashi mitbekam, wovon er träumte, wäre alles verloren. Wie konnte er dann noch seine starke und vor allem gleichgültige Fassade aufrecht erhalten? Wie konnte er sich selbst noch ernst nehmen, wenn ihn jemand, zu dem er aufsah, nicht mehr ernst nahm? Das Bild von dem eiskalten Rächer, das er über all die Jahre so mühsam aufgebaut hatte, würde in tausend Scherben zerspringen. Und wenn er sich erstmal gezwungenermaßen geöffnet hatte, wie schwer würde es sein, sich wieder zu verschließen und sämtliche Emotionen zu leugnen? Könnte er seine eigenen Gefühle dann überhaupt noch leugnen? Ließ er aber Emotionen zu, würde er gegen Itachi verlieren. Er würde nicht den Hauch einer Chance haben. Und dann wäre die Rache für seinen Clan endgültig verloren, seine Pflicht unerfüllbar. Und das hieß ewige Schuld und Schande...
 

"Wie lange ich schon hier bin? Lange genug, um mitbekommen zu haben, dass du schlecht geträumt hast. Träumst du immer noch von dem Clanmord?" Clanmord? Sasukes rasender Verstand kam zu einem abrupten Halt. Er wusste, dass er im Schlaf sprach, deshalb war er davon ausgegangen, sich verraten zu haben. Vielleicht hatte Kakashi aber gar nicht alles mitbekommen. Oder Sasuke hatte an den entscheidenden Stellen den Mund gehalten. Sehr gut. Das musste er ausnutzen. Er nahm sich einen kurzen Moment Zeit, um sich wenigstens etwas zu sammeln, indem er sich noch einmal bewusst machte, was alles auf dem Spiel stand.
 

"Manchmal." Kakashi wusste, dass er dabei war, Sasuke wieder zu verlieren. Seine Augen hatten bereits einiges an Fassung zurückgewonnen. Er hätte ihn direkt zur Rede stellen sollen, aber er wollte den Uchiha nicht verschrecken. Er musste sein Vertrauen vollständig gewinnen, dann würde sich der Junge auch öffnen. Es war ein Prozess, bei dem man Geduld haben musste. Doch nun sah er an Sasukes Blick, aus dem mittlerweile sorgfältig ein Großteil der Emotionen verbannt war, dass er nicht mehr offen mit ihm reden würde. Aber der Junge hatte ihm zu leid getan. Er hatte so verzweifelt geklungen, so klein. Das war einfach ein zu krasser Gegensatz zu dem Verhalten, das er sonst an den Tag legte. Kakashi konnte damit, wenn er ehrlich war, nicht gut umgehen. War er doch selbst kein Meister der Gefühle. Doch eines wusste er: Es war schwer, Schmerz einzugestehen, vielleicht noch zu schwer für seinen Schüler. Und Sasuke hatte bereits mehr verraten, als er glaubte. Diese tiefe Panik in seinem Blick. Und jetzt diese Lüge. Das sagte mehr aus, als der Clanerbe ihm möglicherweise heute Nacht mit Worten hätte preisgeben können.
 

"Das klingt jetzt vielleicht herzlos, aber hast du nicht früher auch schon davon geträumt?" Ein argwöhnischer Blick.
 

"Warum fragen Sie?" Ablenkungsmanöver.
 

"Weil du früher nicht so panisch warst, wenn ich dich geweckt habe. Ist es schlimmer geworden?" Naheliegende Frage.
 

"Wie sollte es schlimmer werden? Es ist, wie es eben ist." Lüge.
 

"Sasuke, wieso solltest du auf denselben Sachverhalt Jahre später wesentlich emotionaler reagieren, wenn es nicht schlimmer geworden ist?" Gnadenlose Logik. Verdammt.
 

"Ich weiß nicht. Vielleicht, weil ich sonst direkt nach einem Kampf nicht schlafe. Das muss daran liegen, dass Sie uns in letzter Zeit keine Ruhe gegönnt haben." Ablenkung durch direkte Beschuldigung. Sehr gut. Jetzt eine Rechtfertigung und dann war das Thema vergessen.
 

"Das liegt wohl eher daran, dass du dir keinen Schlaf gönnst. Liegt es an den Albträumen?" Verdammt. Verdammt, verdammt, verdammt. Ganz ruhig. Denk nach. Keine zu offensichtliche Lüge.
 

"Nein." Offensichtliches Leugnen. Brillant. Wirklich brillant. Jetzt beruhig dich endlich, verflucht nochmal!
 

Kakashi musterte seinen Schützling erneut und sah, was er wahrscheinlich nicht sehen sollte: den inneren Kampf eines Verzweifelten. Und langsam ahnte er auch, weshalb das so war. Hier ging es augenscheinlich um etwas, das an den Grundfesten von Sasukes Existenz rütteln konnte. Dementsprechend musste Kakashi vorsichtig vorgehen. Einen Schritt zu weit vorgewagt und Sasuke würde sich einigeln. Dann konnte er im besten Fall von vorne anfangen. Und diese Risiken, die ihm zugegebenermaßen Erfolg gebracht hatten, konnte er nicht ständig eingehen. Er konnte sein Team nicht ein weiteres Mal so in Gefahr bringen, jetzt, wo er endlich einen ersten Anhaltspunkt hatte. Und möglicherweise auch schon einen Ansatzpunkt, doch das wollte gut durchdacht sein.
 

"Du wirst mir vermutlich nicht sagen, woran es sonst liegt." Es war keine Frage, sondern eine Feststellung. Sasuke hatte ganz offensichtlich gelogen, um der Frage aus dem Weg zu gehen. Er würde sich keine zweite Lüge ausdenken, wenn ihm schon beim ersten Mal keine gute Antwort eingefallen war. Der Uchiha stand wirklich neben sich, obwohl er sich so um Fassung bemühte. Er schien gar nicht zu merken, dass er ohne zu blinzeln ins Leere starrte, wo er sonst immer mit den Leuten, die ihn ansprachen, Augenkontakt herstellte. Es war ein Zeichen seines Stolzes, seiner Stärke. Aber die schienen gerade wie weggefegt zu sein. Spurlos. Sein einziger Antrieb schien momentan Angst zu sein. Warum nur hatte er solche Angst? Er sprach doch mit keinem Feind. Er sprach mit seinem Sensei, der damals stolz darauf gewesen war, sich als eine Vertrauensperson Sasukes bezeichnen zu können, denn alle anderen hatte er rigoros abgeblockt. Ihn zwar auch, aber nicht so häufig. Nicht einmal Naruto hatte der Uchiha immer offen geantwortet. Nun saß er hier, offensichtlich panisch, und log ihm offen ins Gesicht. Was war ihm nur passiert? Kakashi würde ihm so gern helfen, denn es schmerzte, den Jungen so leiden zu sehen und noch dazu nicht einmal verstehen zu können, warum.
 

"Ich habe es schon einmal gesagt. Manche Dinge gehen Außenstehende nichts an." Sasuke wusste sich nicht anders zu helfen. Kakashi war zu nahe, er musste ihn wegstoßen. Doch wider Erwarten verhärtete sich der Blick des Jounin, der vor ihm hockte, nicht. Im Gegenteil - Sasuke hatte wahrscheinlich noch nie einen so fürsorglichen Ausdruck in den Augen des sonst so leichtfertigen Ninjas gesehen.
 

"Weißt du, du erinnerst mich an mich selbst, als ich jung war. Und obwohl ich nicht weiß, was dich quält, kann ich mir vorstellen, wie es dir geht. Es fühlt sich schrecklich an, im Stillen zu leiden. Und der Schmerz zwingt einen, die Personen wegzustoßen, die einem nahestehen, damit sie nichts davon bemerken. Damit sie einen nicht für schwach halten. Aber jeder darf mal einen schwachen Moment haben. Auch du." Sasuke schloss die Augen und stand auf.
 

"Ich weiß nicht, von welchem Leid Sie sprechen. Es war nur ein Traum", sagte er und war dankbar dafür, dass er so oft blind trainiert hatte. So musste er die Augen auf dem Weg zu seinem Zelt nicht öffnen, sonst hätte Kakashi wohl im Schein des Feuers gesehen, dass sie verdächtig glänzten...

Nachhall

Sasuke lag noch immer in seinem Zelt. Seit zwei Stunden starrte er die Decke an und wartete darauf, dass Kakashi zum Aufbruch rief. Dieser verdammte...! Warum fand er immer wieder genau die Worte, die ihm nahegingen. Die er glauben wollte. Er durfte eben keinen schwachen Moment haben, denn er wusste nicht, ob er danach wieder stark sein konnte. Sasuke seufzte entnervt. Es hatte doch keinen Sinn, ständig wieder darüber nachzudenken. Doch obwohl er hundemüde war, konnte er sich nicht konzentrieren, was dummerweise essentiell für eine effektive Meditation war. Heute Nacht würde er seine Erschöpfung wohl nicht loswerden können. Vorsichtshalber hatte er vorhin, nachdem er das Zelt betreten hatte, erst einmal eine Verpflegungspille zu sich genommen. In seiner Zeit bei Orochimaru hatten sie sich als sehr nützlich herausgestellt. Aber auch das war nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Sie steigerten zwar die Chakraregeneration, aber wenn er so schon nicht viel wiederherstellen konnte, würden die Pillen auch nicht viel bringen. Schlaf war eben doch die effektivste Art der Regeneration und diese Pillen waren für Kampfsituationen konzipiert. Außerdem musste man damit vorsichtig umgehen. Zu oft eingenommen, kam der Körper nicht mehr mit dem künstlich angeregten Chakrafluss klar. Das konnte in einer netten Bewusstlosigkeit enden. Also griff Sasuke nur im Notfall zu diesem Mitteln. Und das hier war eindeutig einer. Sie hatten immerhin noch fast zwei Tage Rückreise vor sich und diese Ninjas würden ganz sicher wiederkommen. Wenn sie sich nicht um ihre Bewusstlosen und Verwundeten kümmern mussten, weil sie sicher keine Spuren hinterlassen durften, würden sie nicht so einfach in die Flucht zu schlagen sein. Außerdem wussten sie jetzt mehr von den Techniken des Konoha-Teams. Mit jedem Angriff sammelten die mehr Erfahrung.
 

Sasuke stand auf und ging hinaus. Kakashi wünschte ihm einen guten Morgen, doch der Uchiha ignorierte es. Er wusste nicht so recht, wie er nach der letzten Nacht seinem Sensei gegenübertreten sollte und wollte die erste Begegnung noch ein wenig hinauszögern. Als er außer Sichtweise war, beschwor er erneut Kibou.
 

"Sasuke-sama, was ist mit Eurem Arm passiert?" Sasuke strich seinem vertrauten Geist über das Gefieder und seufzte.
 

"Danke, dass du gestern nicht gefragt hast. Dass ich mich beim Training verletzt habe, müssen die anderen nicht unbedingt mitbekommen. Aber keine Sorge, die Wunde ist nur wieder aufgebrochen, die Ninjas gestern haben mich nicht erwischt. Das ist aber nicht der Grund, warum ich dich gerufen habe."
 

"Ihr seid besorgt wegen der Ninjas von gestern?"
 

"Ja. Kannst du ein bisschen Ausschau halten und uns gegebenenfalls warnen?"
 

"Ist das ohne Sharingan sinnvoll?" Sasuke seufzte leise.
 

"Ich halte es momentan für unklug, das Sharingan zu aktivieren, geschweige denn es auf dich zu übertragen." Kibou sah seinen Meister besorgt an. Ihm war gestern schon aufgefallen, wie erschöpft dieser aussah und das hatte sich über Nacht nicht sonderlich gebessert.
 

"Frag nicht, es ist nicht so schlimm", sagte Sasuke und hob seinen Arm ruckartig. Der Falke hatte keine Wahl, als in die Lüfte zu steigen. Sasuke nahm sich einen Moment Zeit, um ihm sehnsüchtig nachzuschauen.
 

~*~
 

Als der Uchiha wieder in ihr kleines Lager kam, waren Sakura und Naruto bereits dabei, die Zelte abzubauen. Auch sie wünschten ihm einen guten Morgen und diesmal erwiderte er den Gruß.
 

"Wo bist du gewesen?", fragte Naruto.
 

"Ich hab Kibou auf Patrouille geschickt." So ganz traute er dem Frieden nicht, auch wenn er momentan nichts spürte und es für unbedenklich hielt, offen zu sprechen. Das Chakra, das er für die Beschwörung seines Falken gebraucht hatte, war es ihm wert. Die feindlichen Ninjas hatten sicher bemerkt, dass das Konoha-Team angeschlagen und somit eine leichte Beute war. Sie würden zurückkommen, immerhin schienen sie ein Ziel zu haben. Und dann wollte er nicht überrascht werden, wenn es sich irgendwie vermeiden ließ.
 

Kakashi warf ihm einen prüfenden Seitenblick zu, nahm eine Schriftrolle aus seiner Waffentasche und ließ die drei Zelte mit einem Aufbewahrungsjutsu verschwinden. Dann rief er zum Aufbruch. Sasuke sammelte sich. Es würde ein langer Tag werden. Das ganze Team war erschöpft, aber wenigstens Naruto und Sakura hatten etwas Schlaf bekommen. Sakura war wohl momentan in der besten Verfassung, weil Kakashi ihr keine Wachen zugeteilt hatte. Es war immens wichtig, dass der Medic-Nin des Teams immer bei voller Kraft war. Naruto strotzte ohnehin vor Kraft und Kakashi hatte anscheinend wenigstens etwas Ruhe bekommen. Sasuke missfiel es, der schwächste Bestandteil des Teams zu sein, auch wenn es nur für den Moment war. Er hatte in der letzten Nacht nicht einmal meditieren können und nach ein paar Stunden wurden ihm die einzelnen Sprünge beim Fortbewegen so bewusst wie noch nie. Gegen die reine Erschöpfung halfen die verdammten Pillen eben auch nicht.
 

Seltsamerweise fühlte sich niemand des Teams tagsüber beobachtet und auch Kibou gab keinen Laut von sich. Aber der Falke konnte auch nicht die komplette Landschaft einsehen, immerhin bewegten sich die Konoha-Nin in einem dichten Wald fort. Allmählich dämmerte es schon und die Erschöpfung machte sich bemerkbar. Kakashi blickte sich mittlerweile auffällig wachsam um und Sasuke bekam ein zunehmend schlechtes Gefühl. Das lag aber vielleicht auch nur daran, dass der erste Angriff nachts erfolgt war und jeder des Teams damit rechnete, dass während der ersten Wache heute ein zweiter folgen würde. Bis dahin war zwar noch etwas Zeit, aber die Anspannung in Team 7 stieg spürbar. Besonders Sakura war nervös. Sie hatte Sasuke beobachtet und bemerkt, dass er sich nicht ganz so kraftvoll vorwärtsbewegte wie sonst. Er schien sich ziemlich zusammenreißen zu müssen, das Tempo überhaupt zu halten. Am nervösesten machte sie aber Kakashi, der sich seit etwa einer Stunde ständig umzusehen schien, als ob er nach etwas Ausschau halten würde. Sogar Naruto schien hochkonzentriert. Sakura hingegen musste sich inzwischen ziemlich zusammenreißen, um sich nicht zu sehr von ihrem nervösen Team kirre machen zu lassen. Und es wäre doch wirklich peinlich, einen Ast zu verfehlen, weil sie gerade in der Weltgeschichte herumschaute, dachte sie, als ihr Fuß in einem breiten Ast stecken blieb.
 

"Was-", entfuhr es ihr.
 

"Kannst du dich befreien?", fragte Kakashi mit gezücktem Kunai in der Hand. Die Kunoichi versuchte erfolglos, ihren Fuß aus dem Sumpfloch zu ziehen.
 

"Nein." konnte sie gerade noch sagen, bevor von den Bäumen, auf denen Kakashi, Naruto und Sasuke sich befanden, Schlammlawinen auf die Ninjas zustürzten. Ihnen blieb nichts anderes übrig, als Sakura vorerst sich selbst zu überlassen und auf ein paar benachbarte Bäume zu springen. Doch dasselbe Spiel wiederholte sich: Kakashi wurde fast in einem kleinen Sumpf gefangen, konnte sich aber noch befreien und die anderen beiden wurden erneut von Schlammlawinen attackiert. Auf dem Boden war es wohl momentan sicherer, auch wenn sie es augenscheinlich mit einem Doton-Nutzer zu tun hatten. Doch kaum hatten ihre Füße den Boden berührt, hörten sie verdächtiges Zischen.
 

"Briefbomben! Deckung!", rief Kakashi, aber seine Schüler hatten schon vorher reagiert. Glücklicherweise, denn so kam Naruto nur mit einem angesengten Hosenbein und Sasuke unverletzt davon. Nun war Kakashi aber auch von seinen anderen beiden Schülern getrennt und genau das schienen die Angreifer, die unmittelbar darauf aus allen Himmelsrichtungen auf sie zuschossen, beabsichtigt zu haben. Einer der vier feindlichen Shinobi beschäftigte Kakashi, während die anderen drei auf seine beiden Schüler zusteuerten.
 

"Tajuu Kage Bunshin no Jutsu!" Überall erschienen Narutos aus kleinen Rauchwolken und stürmten sofort auf ihre Gegner ein, aber diese schienen unbeeindruckt. So viele Bunshin konnten immerhin nicht sehr viel Stärke haben, ein leichter Treffer würde genügen, um sie zu zerstören. Und tatsächlich: Zwei der Gegner hoben ihre Arme und Sekunden später waren die drei feindlichen Ninjas von einem Wasserwirbel umgeben, der sich mit rasender Geschwindigkeit ausbreitete und die Schattendoppelgänger reihenweise auslöschte. Die Gegner folgten der Welle direkt und so kam Naruto nicht dazu, neue Bunshin zur Unterstützung zu erschaffen. Zwei der Attentäter stürzten sich auf den Chaosninja, während der dritte sich mit Sasuke befasste. Sehr schmeichelhaft. Die Ninjas hatten wohl ihr Kräfteverhältnis neu eingeschätzt und waren zu dem Schluss gekommen, dass ein Ninja für Sasuke reichte. Das Schlimmste daran war, dass sie Recht hatten. Selbst dieser eine Gegner machte dem Uchiha zu schaffen, denn er kämpfte mit zwei Kurzschwertern auf einmal und konnte abwechselnd von beiden Seiten attackieren.
 

Obwohl sie erst vor wenigen Sekunden getrennt worden waren, hoffte er jetzt schon, dass Kakashi seinen Gegner bald ausschalten und ihm helfen konnte. Bei Naruto würde es wohl länger dauern, denn seine Gegner ließen ihm keine Sekunde Zeit, um irgendwelche Techniken vorzubereiten. Soweit Sasuke erkennen konnte, würde es aber auch bei Kakashi noch etwas dauern. Vielleicht zu lange. Denn dieser Gegner war gut, oh ja, das war er. Ohne Sharingan und Kusanagi hätte er wahrscheinlich schon den einen oder anderen Treffer kassiert. Sein Gegner schien trotzdem ungeduldig zu werden, denn er änderte seine Strategie. Plötzlich spürte Sasuke Chakra in den Klingen seines Gegners. In Bruchteilen von Sekunden überdachte er die Situation. Elementechakra, möglicherweise Wind. Ich darf kein Risiko eingehen. Und damit formte er einen Schild um Kusanagis Klinge, gerade noch rechtzeitig, um den ersten Schlag des auf ihn zurasenden Kurzschwertes abzufangen. Schon schwang das andere hinterher und Sasuke entschied sich, etwas zu probieren, das er in den letzten Tagen vor der Mission trainiert hatte. Es war nicht ungefährlich, aber diese Situation ließ keine halbgaren Reaktionen zu. Er ließ das Kurzschwert gerade so tief in den Schild eindringen, dass es sich verkantete und rammte Kusanagi zur Seite. Der Gegner war so überrascht, dass er sich seine Waffe aus der Hand reißen ließ. Das Kurzschwert löste sich von der Schwertklinge und landete ein paar Meter weiter neben ihnen. Eins weg, eins verbleibt. Sein Gegner erholte sich schnell und stürzte mit unverminderter Geschwindigkeit und seinem verbleibenden Kurzschwert auf den Uchiha ein.
 

Sasuke konnte förmlich spüren, wie das Chakra ihn verließ. Der Schild und das Sharingan kosteten eben viel Chakra und auf beides konnte er im Moment nicht verzichten. Er war dankbar für jedes bisschen Chakra, das die Pille zusätzlich regeneriert hatte und das er in der kurzen Zeit des Schlafes der letzten Nacht hatte aufbauen können. Das änderte aber nichts an der Tatsache, dass er Momente später kaum noch welches übrig hatte und es förmlich in seine Klinge und seine Augen zwingen musste. Und dann spürte er einen wohlbekannten Schmerz, der sich lähmend in ihm ausbreitete.
 

Nein, das kann nicht sein!
 

Davon abgelenkt, ließ er sich sein Schwert aus der Hand schlagen. Der Gegner holte zu einem weiteren Schlag aus und der Uchiha wusste, dass seine Kameraden ihm nicht helfen konnten. Sakura steckte immer noch fest, aber wenigstens war sie sicher. Naruto wurde immer noch von den beiden anderen Ninjas unter Druck gesetzt. Kakashi hatte seinen Gegner gerade entwaffnen, jedoch würde er bei allem Bemühen zu spät kommen. Sasuke selbst war im Moment nicht imstande, sich zu bewegen. Das waren die Beobachtungen, die er in der kurzen Zeit gemacht hatte, in der der Gegner ausholte. So hab ich mir mein Ende nicht vorgestellt., schoss Sasuke noch der bittere Gedanke durch den Kopf, als ein grüner Schatten seinen Gegner regelrecht in den nächsten Baum katapultierte.
 

"Also Kakashi, ich muss schon sagen, du enttäuschst mich. Nur vier Gegner und dein Team hat solche Mühe. Zum Glück ist mein Team euch zu Hilfe geeilt", posaunte Gai und strahlte in die Richtung seines ewigen Rivalen. Die vier schwarzgekleideten Ninjas suchten schleunigst das Weite. Schon wieder.
 

"Hallo Gai. Hast du was gesagt?", meinte Kakashi daraufhin. Gai fluchte über seinen stets so coolen Rivalen, während sich sein Team um ihn herum versammelte. Auch Sakura konnte nun vom Baum springen, da sich das Jutsu mit dem Verschwinden der Feinde aufgelöst hatte. Naruto begrüßte Lee, Neji und Tenten, während Sasuke langsam Kusanagi aufhob, sich gegen einen Baum lehnte und kurz die Augen schloss. Die Lähmung hatte glücklicherweise schnell wieder nachgelassen. Er konnte nicht verhindern, dass seine Zähne sich aufeinanderpressten und seine Stirn sich zusammenzog. Er spürte bereits, wie die Wirkung des Adrenalins nachließ und sein Körper langsam ermattete. Das war eng gewesen. So konnte es nicht weitergehen. Auch wenn Kakashi seine Situation verschärft hatte, wäre es früher oder später doch so weit gekommen. Was für eine Demütigung hatte er sich da selbst beigebracht? Und dann auch noch dieser gefürchtete Schmerz. Er brauchte Zeit, um sich darum zu kümmern. Doch wenn sich sein Verdacht bestätigte, dann war es der ungünstigste Fall, der eintreten konnte, dass ausgerechnet das Team, in dem der Hyuuga war, auf sie stoßen musste.
 

"Sag mal, buschige Augenbraue, was macht ihr eigentlich hier?", fragte Naruto und musterte das Brandloch in seinem Hosenbein. Die Wunde darunter war bereits wieder verschwunden.
 

"Das kann ich dir sagen, junger Shinobi", antwortete Gai eifrig. "Wir haben den Auftrag von Tsunade-sama bekommen, euch entgegenzukommen, weil sie eine Nachricht erhalten hatte, dass ihr unerwartete Schwierigkeiten bekommen habt."
 

"Woher wusstet ihr das?", fragte nun Sakura.
 

"Pakkun", meinte Kakashi und deutete auf seinen Hund neben sich, den bislang niemand bemerkt hatte. "Ich habe ihn nach dem Angriff zu Beginn meiner Wache losgeschickt, weil ich befürchtet hatte, dass diese Ninjas noch einmal angreifen. Ihr habt uns schnell gefunden, Pakkun."
 

"Ja, ich hab nach dem kreisenden Falken Ausschau gehalten, wie du gesagt hast." Sasuke ärgerte sich ein bisschen, dass er so durchschaubar war, aber Gai gab ihm nicht lange Zeit dazu, denn er musterte ihn mit einem abschätzenden Seitenblick.
 

"Dein Musterschüler war aber auch schon mal stärker. Das war knapp. Vielleicht sollte ich sein Training übernehmen, Kakashi, falls du die Kraft seiner Jugend nicht zum Explodieren bringen kannst." Explosion war genau das, woran der Kopierninja dachte, als er zu Sasuke schaute. Doch er konnte nicht deuten, was da gerade kurz in dessen Augen aufgeflackert war. Da lag leider ein Körnchen Wahrheit in Gais Worten, aber die Formulierung war mehr als unglücklich gewählt. Sasuke indirekt als schwach zu bezeichnen, war weder zutreffend, noch eine gute Idee. Was das anging, war Sasuke sehr leicht reizbar. Doch der Uchiha schwieg, wenn ihm auch anzusehen war, dass es in seinem Inneren brodelte. Da ihn wegen Gais Ansprache sowieso alle mehr oder minder kritisch musterten, entschied sich Sasuke für ein Ablenkungsmanöver. So viel Aufmerksamkeit konnte er gerade nicht gebrauchen, besonders nicht von einem Hyuuga. Er pfiff Kibou herbei und ließ ihn auf seinem rechten Arm landen.
 

"Hast du gesehen, wohin sie geflohen sind?" Sein vertrauter Geist schaute Sasuke bedauernd an.
 

"Leider nicht, sie haben sich nach wenigen Metern wegteleportiert."
 

"Hn", entgegnete Sasuke nur und bedeutete Kibou mit einem Blick, dass er verschwinden sollte. Naruto wunderte sich über Sasukes Verhalten. Er war heute ganz anders zu seinem Falken. Lag es an der Situation? Oder an dem anderen Team? War er unzufrieden mit Kibou? Aber da konnte doch der Falke nichts dafür.
 

Sasuke hingegen beschäftigte etwas ganz anderes. Wie sollte er den Rückmarsch überstehen? Seine Beine waren dabei, nachzugeben, er konnte nicht mal mehr richtig selbstständig stehen. In seinem Sichtfeld tanzten munter wirbelnde Funken und schwarze Flecken. Daher war er immer noch an den Baum gelehnt. Aber irgendwann würde es weitergehen und was sollte er dann den anderen sagen?
 

"Ich würde sagen, wir schlagen die Zelte auf. Ihr seid sicher auch ohne Rast unterwegs gewesen." Wenn das mal nicht wie gerufen kam. Sasuke dankte Kakashi innerlich und hoffte, die anderen würden auf den Vorschlag eingehen.
 

"Mein Team hat genug Kraft, um bis nach Konoha durchzulaufen!", versicherte Gai bereits in Startpose, doch Kakashi winkte ab.
 

"Mein Team ist aber schon sehr lange unterwegs und ich halte es für unklug, unausgeruht weiterzugehen. Bis Konoha müssen wir sowieso noch eine Nachtruhe einlegen. Und so ein Zufall: Es ist gerade Nacht." Gai schielte zu Sasuke und antwortete leider deutlich vernehmbar und offensichtlich enttäuscht.
 

"Naja, wenn ich mir deinen Schüler so ansehe, glaube ich, dass du Recht hast. Ich dachte, das Training bei Orochimaru hätte ihn härter gemacht." Die Blicke von Team 7 ruckten allesamt zu Sasuke. Auch von Neji wurde er genau beobachtet, dessen war er sich bewusst. Dennoch konnte er nicht verhindern, dass sich sein Sharingan aktivierte. Die ungezügelte Wut, die böswillige Energie, die er für den Bruchteil einer Sekunde ausstrahlte, war fast schon greifbar. Doch sie und das rote Leuchten in seinen Augen verschwanden ebenso schnell, wie sie gekommen waren. Dieser winzige Moment hatte dennoch gereicht, um Zweifel zu sähen. Kakashi grübelte erneut darüber nach, wo Sasukes moralische Grenzen lagen und wie weit er für den Erfolg gehen würde, schmerzlich an dessen Worte beim Training erinnert, dass man eben Opfer bringen müsse. Naruto und Sakura zweifelten einmal mehr daran, ob sie hier wirklich noch ihren alten Freund vor sich hatten. Und ein paar Personen aus Gais Team zweifelten plötzlich an Sasukes Geschichte...

Veränderungen

Die beiden Konoha-Teams waren zeitig aufgebrochen. Da Gais Gruppe alle Nachtwachen übernommen hatten, konnte die andere sechs wundervolle Stunden durchschlafen. Theoretisch. Einer der vier Ninjas aus Team 7 hatte natürlich kaum Ruhe gefunden. Zum einen beschäftigte ihn immer noch der Schmerz von gestern und seine wahrscheinliche Ursache. Zum anderen musste er seine Wut in den Griff bekommen. Gai hatte leicht reden. Die dachten wohl alle, er wäre zu Orochimaru gegangen, hätte ein wenig trainiert und ihn dann mal eben umgebracht? Die hatten doch keine Ahnung! Und ihn dann so abzuurteilen, ohne überhaupt irgendwelche Umstände zu kennen, das war erbärmlich. Gai kannte ihn nicht und hatte ihn noch nie gekannt. Er hatte nicht das Recht, ihn einfach so abzuschätzen. Er hatte nicht das Recht, diese Zeit einfach so abzutun. Und er hatte verdammt nochmal nicht das Recht, ihn als schwach zu bezeichnen! Nicht jetzt, wo er sich das selbst vorwerfen musste, mehr noch als sonst. Er hatte sich einfach so überrumpeln lassen, das durfte im Kampf einfach nicht passieren. Aber da war diese Befürchtung...Und nun beobachtete ihn auch noch dieser Hyuuga, einer, der den Chakrafluss genau sehen konnte, wenn er wollte. Schlimmer konnte es nicht kommen. Doch kann es., musste sich Sasuke in Gedanken korrigieren, denn eben dieser Hyuuga schloss gerade zu ihm auf und musterte ihn feindselig. Sasuke schloss kurz die Augen und atmete tief ein.
 

"Was willst du, Hyuuga?"
 

"Was spielst du für ein Spiel, Uchiha?" Sasuke zog nur eine Augenbraue hoch. Neji fasste das als Nachfrage auf und erläuterte seine Andeutung genauer. So genau, wie das ein äußerst redseliger Hyuuga eben konnte.
 

"Du benimmst dich seltsam." Sasuke schaute Neji kurz abschätzig an.
 

"Und du meinst zu wissen, was normal für mich ist, um das behaupten zu können?" Nun war es an Neji, abschätzig zurückzusehen.
 

"Ist es denn normal für dich, dich von einem einzigen Gegner beinahe töten zu lassen und dann fast auf deinen Retter loszugehen?" Sasuke schnaubte verächtlich.
 

"Das kommt ganz auf den Retter an." Der Hyuuga bedachte ihn mit einem stechenden Blick, der nichts als argwöhnische Aufmerksamkeit enthielt.
 

"Ich warne dich, Uchiha. Ich beobachte dich." Damit beschleunigte Neji seine Schritte, um zu Kakashi zu gelangen, der sich an der Spitze der Gruppe befand. Zweifellos, um diesen weiter auszufragen. Sasuke schloss abermals für einen kurzen Moment die Augen. Für solche kräftezehrenden Spielchen hatte er keine Energie. Er war wirklich froh, wenn er es halbwegs aufrecht aus eigener Kraft nach Konoha und in sein Haus schaffte.
 

Naruto hatte inzwischen am Ende der Gruppe ganz andere Sorgen. Er unterhielt sich gerade mit Lee, der sich wohl ebenfalls Gedanken um Sasuke machte.
 

"Sasuke-kun wirkt sehr unruhig. Ist auf eurer Mission irgendetwas vorgefallen?" Naruto musterte nachdenklich den Rücken seines Teamkameraden, der sich nur wenige Meter vor ihm auffällig schleppend vorwärts bewegte. Zumindest für seine Verhältnisse. Sonst schoss er wie ein Pfeil durch das Grün, doch jetzt schien er auf jedem Ast kurz in sich zusammenzusinken und Kraft zu sammeln. Was war nur los? Warum war dieser eine Gegner so ein Problem für Sasuke gewesen, wo Naruto sich inzwischen locker gegen zwei behaupten konnte? Kräftemäßig hatte er kein Problem mit seinen Gegnern gehabt, sie hatten ihn nur nie zum Zug kommen lassen. Nicht auszudenken, was passiert wäre, wenn Gai nicht eingegriffen hätte. Sasuke hatte nicht so ausgesehen, als würde er sich noch weiter wehren können. Irgendwie...versteinert? War das der Schock gewesen, weil ihn sein Gegner so einfach hatte überrumpeln können? Und dann war da noch dieser Blick, mit dem er Gai taxiert hatte. Es war nur der Bruchteil einer Sekunde gewesen, aber Sasuke hatte ausgesehen wie ein gereiztes Tier, das bereit war, zu töten. Das hatte Naruto noch mehr schockiert als diese unglaubliche Kälte und Überlegenheit, die er den Gegnern beim ersten Angriff gezeigt hatte. Denn diese Wut hatte sich gegen einen Verbündeten gerichtet. Stellte sich die Frage, ob Sasuke sie alle auch als Verbündete betrachtete. Und wenn ja, würde er in seiner Wut zwischen Freund und Feind überhaupt unterscheiden?
 

"Ich weiß es nicht", sagte Naruto leise. Das stimmte. Er kam sich vor, als wüsste er gar nichts mehr. Was hatte Sasuke so an den Rand der Selbstbeherrschung getrieben und noch schlimmer, war das, was er dadurch gezeigt hatte, etwa sein wahres Ich? So, wie er geworden war? Nein, das konnte nicht sein. Sasuke war sein Freund, der ihn beschützt hatte. Er war für ihn sogar schon einmal fast gestorben. Das ist lange her. Bei eurer letzten Begegnung vor Orochimaru hätte er dich beinahe umgebracht. Und wer weiß, wie die Schlange ihn beeinflusst hat., flüsterte eine giftige Stimme in seinem Kopf. Und es war nicht Kyuubi. Es war sein eigener Verstand, der begann, gegen seinen besten Freund zu argumentieren. Sofern er das wirklich noch war...
 

~*~
 

Wider Erwarten kamen die Konoha-Nin ohne weitere Zwischenfälle in ihrem Dorf an, was sicher der Tatsache geschuldet war, dass sich die Attentäter nun gegen sechs Personen hätten stellen müssen. Das wog wohl mehr als die Erschöpfung eines einzelnen Teams. Team Gai verabschiedete sich an dem großen Tor Konohas, das den Zurückkehrenden am frühen Abend dieses ereignisreichen Tages einen willkommenen Anblick bot. Sasuke war unsagbar erleichtert, endlich im Dorf angekommen zu sein. Er spürte wie sein Körper dabei war, sich einfach abzuschalten. Irgendwann half auch der stärkste Wille nicht mehr.
 

Gai forderte Lee energiegeladen zu einem Wettrennen um das Dorf heraus und sehr zu ihrem Missfallen übersah er Tenten und Neji dabei nicht. Er erklärte es für ein verspätetes Training, da sie ja für ihre Mission das morgendliche Training hatten ausfallen lassen müssen. Tenten seufzte genervt, bevor sie den beiden folgte, die bereits mit unheimlicher Geschwindigkeit losgesprintet waren. Neji nutzte die Gelegenheit, um Sasuke noch einen letzten warnenden Blick zuzuwerfen und verschwand dann ebenfalls.
 

Kakashi winkte seine Schüler nach Hause mit den Worten, sie mögen sich ausschlafen. Er würde Tsunade Bericht erstatten und auch gleich Team Gai zurückmelden. Gnädigerweise hatte Team 7 den folgenden Tag frei, das hatte Pakkun ihnen ausrichten dürfen. Kakashis Schüler befolgten die Aufforderung nur zu gern und obwohl es erst früh am Abend war, begaben sich alle drei schnurstracks ins Bett und schliefen lange bis in den nächsten Tag hinein. Der eine mehr, der andere weniger friedlich.
 

Ihr Sensei hingegen trat mit gemischten Gefühlen den Weg zu Tsunade an. Er war immer noch unschlüssig, was er der Hokage alles erzählen würde, denn die jüngsten Entwicklungen machten ihm Sorgen. Was war in Sasuke gefahren? Er war ja schon immer reizbar gewesen, besonders, was seine eigene Stärke anging, aber dieser Blick, der hatte nicht nur von einfacher Wut gezeugt. Da war noch etwas anderes gewesen, das aus der Tiefe seines Herzens gekommen zu sein schien. Und das war nicht unbedingt etwas Gutes gewesen. Kakashi konnte es im Moment einfach nicht einordnen. Umso unangenehmer war ihm die Situation, die ihm bevorstand. Denn eines stand fest: Sasuke vorschnell in ein schlechtes Licht zu rücken, das kam für ihn nicht in Frage.
 

Auf Tsunades mürrisches "Herein!" öffnete der Jounin die Tür und blickte in zwei erwartungsvolle braune Augen.
 

"Kam Team Gai noch rechtzeitig?" Wie man's nimmt.
 

"Gerade noch. Wir hatten ziemliche Schwierigkeiten. Besser gesagt, Sasuke hatte sie." Tsunade sah ihn auffordernd an. Kakashi seufzte innerlich und begann seine Ausführungen. Er erzählte von der erfolgreichen Übergabe der Schriftrolle und von dem ersten Angriff. Dann kam er an die Stelle, an dem sein Plan Erfolg gezeigt hatte und Sasuke während seiner Wache eingeschlafen war.
 

"Es ist, wie ich es vermutet habe, irgendetwas quält ihn und treibt ihn an. Es ist kein Misstrauen, das ihn von uns distanziert, es scheint reine Angst zu sein." Dass Kakashi eben daran auf der Rückreise wieder zu zweifeln begonnen hatte, verschwieg er lieber. Konnte Sasuke sich so verstellt haben? Er war sehr gut darin, Menschen nicht an sich heranzulassen. Es war wahrscheinlich, dass er das bei Orochimaru perfektioniert hatte. Ein Gedanke, der Kakashi keine Ruhe ließ. Auch die Tatsache, dass Angst stets Misstrauen säte, ließ er lieber unerwähnt. Das war der Hokage ohnehin klar.
 

Sasukes Reaktion auf Gais Äußerung sowie sein gesamtes Verhalten nach dem zweiten Angriff, war dem Jounin nicht geheuer. Das wollte so gar nicht in sein jetziges Bild passen. Auch die Vermutung, dass augenscheinlich Itachi der Dreh- und Angelpunkt von Sasukes Problem war, nur eben nicht so, wie es alle vermuteten, behielt Kakashi vorerst für sich. Da steckte mehr dahinter. Aber darüber konnte er bisher nur spekulieren. Sein Verdacht schien ihm zu unglaublich, als dass er ihn jetzt schon der Hokage präsentieren würde. Und er würde sich auch nicht mit seinen aktuellen Zweifeln vereinbaren lassen. Momentan war einfach alles zu unschlüssig, um es offen auszubreiten.
 

"Ist das alles?"
 

"Ich glaube, es ist ein guter Anfang. Ich bin ihm auf jeden Fall ein Stück näher gekommen und ich glaube, einen Ansatzpunkt gefunden zu haben. Mehr möchte ich noch nicht äußern, es sind bisher alles nur Vermutungen."
 

"Dir ist doch klar, dass ich so eine Aktion nicht noch einmal genehmigen werde?" Kakashi lächelte nur.
 

"Das wird nicht nötig sein. Sasuke ist fix und fertig, er hat es kaum aufrecht nach Hause geschafft. Noch einmal wird er es nicht soweit kommen lassen, davon bin ich überzeugt."
 

"Sollte dieser sture Bengel wirklich Vernunft annehmen?"
 

"Ich glaube die Demütigung, von einem anderen Shinobi gerettet werden zu müssen, hat ihm die Augen geöffnet. Zumindest wird er es als Demütigung empfunden haben. Er war auf dem Rückweg jedenfalls sehr nachdenklich." Und ungewöhnlich aggressiv... Zu diesem Zeitpunkt ahnte Kakashi nicht, dass diese Demütigung nicht zu Sasukes Erleuchtung, sondern eher zu mehr Wut geführt hatte und er wegen ganz anderer Dinge nachdenklich war.
 

"Behalte ihn trotzdem im Auge. Aber unauffällig, wir wollen ja sein Vertrauen nicht vollkommen verlieren." Das hatte Kakashi auch nicht vor. Er wusste, dass er behutsam vorgehen musste. Es war noch so ein langer Weg...
 

~*~
 

Seit der Mission waren inzwischen zwei Wochen vergangen. In und um Konoha wirkte alles friedlich. War das die berühmte Ruhe vor dem Sturm? Die beiden verhüllten Gestalten, die sich gerade ihren Weg durch das Unterholz von Konohas Wäldern bahnten, konnten diese Frage vielleicht beantworten. Ihr Ziel war eine kleine Höhle außerhalb der Dorfmauern, denn es war ihnen strikt verboten worden, im Dorf etwas zu unternehmen. Zu gefährlich. Ja, ihr Auftraggeber war extrem vorsichtig und ebenso grausam jenen gegenüber, die ihre Anweisungen auch nur im Entferntesten missachteten. Die beiden trafen sich hier auch nur mit einem Gesandten. Man wollte kein Risiko eingehen. Aber das war keine Überraschung. Sie waren selbst nur Gesandte, Bauern auf dem Schachbrett, dessen waren sie sich bewusst und es störte sie nicht. Es war ihre Bestimmung.
 

In der dunklen Höhle war kaum etwas zu sehen. Es schien, als würde die hier herrschende Dunkelheit selbst die Hitze dieses heißen Maitages verdrängen. So wirkte die schnarrende Stimme noch imposanter, als sie von den feuchten Wänden widerhallte.
 

"Wer seid ihr und was wollt ihr?"
 

"Ruhig Blut", antwortete der Kleinere von den beiden Vermummten gelassen, "Glaubst du, hier würde sich einer durch Zufall herverirren und dann auch noch ausgerechnet in dem Moment, in dem du jemanden erwartest?"
 

"Nun, die Vorsicht meiner Auftraggeber ist ansteckend."
 

"Für uns ist Vorsicht Routine. Sie darf nur nicht zu Paranoia ausarten. Wie lauten die Instruktionen?"
 

"Die Mission soll in drei Tagen stattfinden. Ich nehme an, ihr seid bereits über den Ablauf informiert worden. Unsere Auftraggeber haben ihre Strategie geändert, denn ihnen ist etwas Interessantes zu Ohren gekommen. Es trifft sich, dass auch die Zeit günstig ist, denn die Psyche unserer Zielperson dürfte angegriffen sein, so wird es vermutet. Das macht die Sache einfacher. Ihre Glaubwürdigkeit ist dadurch nicht mehr gewährleistet." Dieses Planen von langer Hand nervte die beiden Gestalten, denn sie waren Männer der Tat. Tatsächlich wurde dieser ganze Auftrag hier schon seit mehr als einer Woche vorbereitet. Dieser hohe Aufwand schien überflüssig zu sein, denn es würde einfach werden. Die Zielperson war ihnen schon bekannt und sie wussten, wo ihre Schwächen lagen. Würde kein gravierender Fehler begangen werden, war diese Mission schon so gut wie erledigt.
 

~*~
 


 

In den vergangenen beiden Wochen war auch bei Team 7 einiges passiert. Naruto war wesentlich frustrierter, weil Tsunade ihnen eine, seiner Meinung nach völlig unangemessene, Missionssperre erteilt hatte. Sie wollte ihr Team nicht aus dem Dorf schicken, wo womöglich immer noch Attentäter auf sie lauerten und mindestens einen von ihnen im Visier hatten. Kakashi hatte nicht mit Sicherheit sagen können, ob sie hinter Naruto oder Sasuke her waren. Außerdem schien niemand in Konoha schon einmal solche Ninjas gesehen zu haben. Die Kampfanzüge waren gänzlich unbekannt, was die Sache nicht einfacher machte. Also nervte der Chaosninja die Hokage mindestens zweimal am Tag wegen einer neuen Mission. Das ständige Training wurde ihm langsam langweilig, auch wenn sich da ebenfalls einiges verändert hatte. Sakura fehlte gelegentlich, was dazu führte, dass Naruto und Sasuke oft Zweikämpfe gegeneinander ausfochten. Und die hatten es in sich. Das lag nicht nur daran, dass Kakashis kräftezehrendes Training beendet war und der Uchiha noch verbissener war als zuvor - sowohl in ihrem gemeinsamen als auch bei seinem nächtlichen Training, wie Kakashi es ab und zu hatte beobachten können. Nein, Sasuke war auch wieder wesentlich kräftiger und nur Kakashi schien zu ahnen, woran das lag, nämlich daran, dass sein Schüler sich, sehr zu seiner Erleichterung, mindestens zweimal pro Woche einen anständigen Schlaf gönnte. Das sah man schon an der leichten Abwesenheit, mit der Sasuke an den entsprechenden Tagen morgens beim Training auftauchte.
 

Aber es war auch nur Kakashi gewesen, der einen winzigen Einblick in die Seele Sasukes bekommen und die tiefe Verzweiflung gesehen hatte. Wobei dieser sich nicht mehr sicher war, ob das nun wirklich Sasuke gewesen war. Kakashi konnte solche Verzweiflung mit einer solch immensen Wut nicht vereinbaren. Angst und Wut konnten nebeneinander in einem Wesen wüten, doch kam der Zorn meist erst dann, wenn die Angst nicht mehr zu ertragen war. Das schien hier nicht der Fall zu sein. Doch für einen solchen Zorn, der an unbändigen Hass grenzte, waren Gais Worte nicht hart genug gewesen. Unangemessen ja, aber Sasuke hatte kurz ausgesehen, als wollte er ihn dafür zerfleischen. Einen solchen Ausdruck hatte Team 7 seitdem jedoch nicht mehr zu sehen bekommen und Kakashi verspürte deswegen schon fast einen Anflug von Bedauern. Der Uchiha setzte nämlich seit dieser fast schon verhängnisvollen Mission einen Großteil der zusätzlichen Energie dazu ein, sich deutlich abzugrenzen und unlesbar zu machen. Er war noch wortkarger geworden und wirkte, als würde er sich ständig selbst überwachen und beherrschen. Naruto konnte dem nur mit Ratlosigkeit begegnen und auch Kakashi hielt es für besser, noch abzuwarten und zu sehen, ob sich an der Situation wieder etwas verändern würde, bevor er einen weiteren Schritt auf Sasuke zugehen würde, denn dieser, und dafür würde er sicherlich seine Gründe haben, wie Kakashi besorgt vermutete, hielt nun strikt alle Emotionen unter Verschluss. Bis zu dem Tag, an dem er mit Naruto aneinandergeriet...

Konfrontation

Schon am Morgen dieses Tages lag etwas in der Luft, das nichts Gutes verhieß. Sakura war wieder einmal nicht zum Training erschienen, da sie im Krankenhaus gebraucht wurde und Sasuke war fast wieder zu spät gekommen. Er wirkte merkwürdig ernst, als er den Trainingsplatz betrat, aber das war schon seit ein paar Tagen so. Seine ganze Haltung schien gebeugter als sonst, doch nicht so sehr, als dass es einem Außenstehenden wirklich auffallen würde und er blickte nur starr geradeaus. Kakashi fragte sich, was los war, denn passiert war in den letzten Tagen nichts. Wortlos legte Sasuke sein Schwert an den Rand des Trainingsfeldes und wandte sich seinem Sensei zu. Das war in den letzten Tagen seine Art geworden, zu fragen, was sie tun sollten. Naruto warf ihm, wie in letzter Zeit so häufig, nur einen irritierten Seitenblick zu.
 

"Ich würde sagen, wir fangen mit einem Übungskampf an. Legt los." Kakashi setzte sich auf den Ast des Baumes, in dessen Schatten Sasuke während seines Trainingsverbotes auch oft gesessen hatte und konzentrierte sich auf das Training seiner Schüler. Er hatte ein merkwürdiges Gefühl. Das sollte sich auch sofort bestätigen, denn Sasuke aktivierte zum ersten Mal in all den Übungskämpfen sein Sharingan. Er fegte um Naruto herum und der Chaosninja hatte alle Mühe, dem Tempo überhaupt zu folgen. Diese immense Geschwindigkeit war Sasukes Stärke. Kakashi kannte nur wenige Ninjas, die auf demselben Niveau waren. Wenn der Uchiha in ihren vorangegangenen Trainingskämpfen schon verbissen war, dann wusste Kakashi nicht, wie er diese Steigerung bezeichnen sollte. Sasuke schenkte Naruto nichts. Es war, als wären sie Feinde und würden um ihr Leben kämpfen. Er stürmte mit unzähligen Taijutsu-Attacken auf Naruto ein und ließ nicht nach. Der Blondschopf hatte es nur seiner enormen Ausdauer zu verdanken, dass er auch nach einer ziemlichen Weile noch mithalten konnte. Durch die Geschwindigkeit der aufeinanderfolgenden Angriffe kam Naruto weder zu einem Gegenschlag, noch dazu, seinen Gegner mit Kagebunshin zu überwältigen. Darüber hinaus konnte Sasuke jede Bewegung von Naruto vorhersehen, was es diesem zusätzlich schwermachte. Das ging so lange, bis Kakashi über sich einen wohlbekannten Vogelschrei hörte. Er schaute nach oben und sah einen Botenvogel der Hokage. Offensichtlich rief sie nach ihm.
 

"Sasuke, Naruto! Das Training ist für heute beendet. Ich muss zur Hokage. Wir sehen uns pünktlich morgen wieder hier." Mit diesen Worten verließ Kakashi seine Schüler. Er fragte sich, was die Hokage ausgerechnet jetzt von ihm wollte. Da sein Team keine Missionen machen durfte, ging es vielleicht um einen Auftrag für ihn als Jounin. Eigentlich wollte er Sasuke gerade jetzt nicht unbeaufsichtigt lassen und das würde er der Hokage auch sagen, entschied er, als er an ihre Bürotür klopfte und ein "Herein!" zu hören bekam, das an Gereiztheit nicht mehr zu übertreffen war. Der Tag konnte nur besser werden...
 

"Tsunade-sama, Ihr habt-"
 

"Ja, ich hab dich rufen lassen. Setz dich", schnappte die Hokage. Kakashi ging in Gedanken die letzten paar Tage durch, um zu überprüfen, ob er irgendetwas getan haben könnte, was die Hokage in diese Stimmung versetzt hatte, kam aber zu einem negativen oder für ihn eher positiven Ergebnis. Daher wartete er gespannt auf die weiteren Erläuterungen. Die folgten erst nach ein paar Minuten, denn Tsunade schien sich erst beruhigen zu müssen. Die für sie so charakteristische Wutader pulsierte leise vor sich hin und zeugte davon, dass es der Hokage nicht wirklich gelang.
 

"Team 7 hat eine Mission", presste sie zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. Kakashi sah sie überrascht an.
 

"Was? Ich dachte-"
 

"Ich weiß, ich weiß. Ihr hattet Missionssperre. Aber ein Klient besteht auf Team 7, aus Nostalgiegründen oder so einem Schwachsinn und der Ältestenrat hat das abgesegnet, da es ein sehr guter Freund von Homura ist. Außerdem ist er sehr einflussreich und wichtig für Konohas Geschäftsbeziehungen. Also habe ich keine Wahl, als der Mission zuzustimmen. Sie beginnt morgen."
 

"Das ist zwar kurzfristig, aber wo ist das Problem? Es sind zwei Wochen vergangen, wir sind alle erholt. Einen eventuellen Angriff werden wir meistern."
 

"Das ist es nicht. Davon abgesehen, dass es eine Falle sein könnte, um euch aus dem Dorf zu locken, muss das natürlich ausgerechnet jetzt passieren."
 

"Wieso jetzt? Ich verstehe nicht ganz." Tsunade schaute ihn aus aufgebrachten Augen an. Ihre Wut war wie verflogen unter der Ernsthaftigkeit, die sie nun ausstrahlte.
 

"Kakashi, weißt du denn nicht, was heute für ein Tag ist?" Eine Welle von Schuld überrollte ihn. Wie konnte er das vergessen?
 

~*~
 

Ein bisschen verlassen standen die beiden sich auf dem Trainingsplatz gegenüber.
 

"Was machen wir? Wollen wir weitertrainieren?", fragte Naruto und sah seinen Teamkollegen etwas neidisch an. Sasuke war nach all den Attacken noch nicht einmal außer Atem. Oder schon nicht mehr. Wie machte der das nur? Naruto hätte zwar auch noch Stunden weitertrainieren können, aber er hatte ja auch eine zusätzliche Kraft. Außerdem trainierte er noch sehr lange weiter, wenn das offizielle Training bereits beendet war. Er wollte den Uchiha fragen, ob er das auch so machte und ob sie dann nicht auch zusammen trainieren könnten, doch sein Blick konnte den von Sasuke nicht einfangen, denn dieser war in weite Ferne gerichtet. Sasuke schien dort etwas zu fixieren, das nur er sehen konnte.
 

"Nein", sagte er, ohne Naruto anzusehen. Er ging langsam an ihm vorbei und sammelte sein Schwert ein. Naruto sah ihm kurz verwirrt nach, bis sein Trotz sich meldete. So nicht, mein Lieber. Ich krieg schon raus, warum du so komisch bist. Der Blondschopf entschied sich, Sasuke zu verfolgen. Er war gespannt, ob er das hinbekam. In den letzten Wochen, seit Sasukes Kritik, hatte er trainiert, sein Chakra zu verbergen. Sakura hatte ihm ein paar gute Tipps gegeben und prüfte gelegentlich, wie weit er war. Er bekam es noch immer nicht ganz perfekt hin, aber in dem Wirrwarr aus Chakren in einem Ninjadorf dürfte er nicht weiter auffallen. Außerdem schien Sasuke bereits in Gedanken versunken zu sein, das könnte ihm helfen. Er verfolgte ihn bis zum Tor des Uchihaviertels, hinein ging er jedoch nicht. Zu gut waren ihm Sasukes Worte im Ohr und er würde leichtes Spiel haben, ihn in diesem verlassenen Teil des Dorfes aufzuspüren - Training hin oder her. Also wartete Naruto.
 

Etwa eine halbe Stunde verstrich, da kam Sasuke wieder in sein Blickfeld. Offensichtlich war er duschen gewesen, er war jedenfalls nicht mehr verschwitzt und trug ein anderes Oberteil, das ähnlich wie sein Vorgänger geschnitten war. Doch zu Narutos Erstaunen war es schneeweiß. Es sah fast aus wie das, was Sasuke anhatte, als sie ihm nach zweieinhalb Jahren das erste Mal wiedergesehen hatten, doch wirkte es in all seiner Schlichtheit auf eine Weise, die Naruto nicht benennen konnte, viel förmlicher. Dazu trug er eine einfache schwarze Hose mit dem schwarzen Band, das mehrfach um seine Hüfte geschlungen war und sonst seine Schwertscheide trug. Doch dieses eine Mal fehlte sie. Der Chaosninja war gespannt, was jetzt passieren würde. Und er traute seinen Augen nicht, als er Sasuke schließlich das Yamanaka-Blumengeschäft betreten sah. Hatte der etwa ein Date???
 

~*~
 

Sasuke war froh, dass Naruto es dabei beließ. Heute konnte er diese penetrante Frohnatur wirklich nicht gebrauchen. So verließ er den Trainingsplatz, kurz nachdem Kakashi zur Hokage beordert worden war. Was sie von ihm wollte, interessierte den Uchiha nicht. Er war zu gefangen in seinen eigenen Gedanken. Seit geraumer Zeit kam er sich irgendwie hilflos vor. Wie ein Blatt im Wind, das von den Brisen weggetragen wurde und keinen Einfluss darauf hatte, wo es landen würde. Das hatte begonnen, als Gai ihn gerettet hatte. Mittlerweile war die Vernunft verschwunden, die ihn die Situation verstehen ließ, und Vorwürfen gewichen. Er hatte es soweit kommen lassen und es könnte jederzeit wieder geschehen. Daher hatte er beschlossen, häufiger zu schlafen, um besser trainieren zu können. Er musste in Konoha immerhin seinen Schlaf nicht fürchten, zumindest nicht so, wie es bei Orochimaru der Fall gewesen war. Die Träume hingen zwar wie zentnerschwere Gewichte an ihm, aber er wurde langsam besser darin, sie wenigstens am Tage völlig zu verdrängen. Über die Nächte selbst wollte er lieber nicht nachdenken. Besonders nicht jetzt.
 

Sasuke war fast schon überrascht, als er sich vor seiner Tür wiederfand. Den Weg dahin hatte er nicht mitbekommen, hatte er sich doch wie automatisch vorwärtsbewegt. Ein weiterer Luxus, den er sich in Konoha erlauben konnte. Seinen Gedanken nachzuhängen. Das reduzierte er mittlerweile strikt auf die Zeit, in der er allein war. Sofern er sich kontrollieren konnte und das tat er mit aller Schärfe. Noch so eine Blamage, wie die vor ein paar Wochen, als ihm eine einfache Baumwurzel beinahe zum Verhängnis geworden war, konnte er nicht gebrauchen. Und diese Befürchtungen, die ihn plagten, wurden immer dringlicher. Er ermahnte sich erneut, jetzt nicht darüber nachzudenken. Stattdessen befreite er sich von den Spuren des Trainings, zog sich um und begab sich dann nach draußen.
 

Vor dem Yamanaka-Blumenladen atmete er noch einmal tief durch. Völlig untypisch für einen Uchiha schickte er gedanklich ein Stoßgebet wie ein Flehen zum Himmel. Lass niemanden da sein, der mich kennt. Es wäre ihm mehr als nur unangenehm, wenn jemand aus seinem näheren Umfeld etwas von dieser privaten Situation erfahren würde. Er öffnete die Tür und gratulierte sich zu seinem Glück. Am Tresen stand Ino...
 

"Sasuke-kun, was für eine Überraschung-", setzte Ino mit geröteten Wangen und strahlenden Augen an. Oh Mann. Sakura war vernünftiger geworden, das konnte man von dieser hysterischen Blondine wohl nicht behaupten. Sasuke beschloss, dieses Aufeinandertreffen so kurz wie möglich zu halten und stoppte den Redeschwall, bevor Ino richtig in Fahrt kommen konnte.
 

"Ich brauche zehn weiße Lilien", sagte er bestimmt und schaute der Yamanaka fest in die Augen. Wehe, die fing jetzt irgendein Gespräch an. Verständnis dämmerte in Inos Augen und sie machte sich umgehend daran, die entsprechenden Blumen zu holen. Vielleicht war bei ihr doch noch nicht alle Hoffnung verloren. Schnell war sie wieder da mit zehn wunderschönen weißen Blumen.
 

"Bitte sehr, das macht-" Doch Sasuke hatte sich schon umgedreht und den Laden verlassen. Auf dem Tresen lag viel zu viel Geld.
 

~*~
 

Als Sasuke wieder aus dem Laden kam, fielen Naruto fast die Augen aus den Höhlen. Der Uchiha hatte doch allen Ernstes Lilien gekauft. Wenn er wirklich ein Date hatte, war das wohl die dümmste Wahl, die er treffen konnte. Wie konnte das dem sonst so schlauen Uchiha nicht klar sein? Selbst Naruto wusste, dass weiße Lilien Totenblumen waren! Er überlegte noch eine Weile, ob er Sasuke nicht lieber warnen sollte, bis er endlich erkannte, wohin sein Teamkamerad eigentlich unterwegs war. Ein bisschen beschämt darüber, dass er vor dem wahren Hintergrund über solch lapidare Dinge nachdenken konnte, postierte sich Naruto am Friedhofstor. Von seiner Position aus konnte er die winzige Gestalt Sasukes ausmachen, die sich vor ein Grab setzte und demütig den Kopf senkte. Der Anblick machte Naruto wütend.
 

~*~
 

Sasuke zwang sich, seine Augen offenzuhalten, als er zum Grab seiner Eltern lief. Er wollte die unzähligen Gräber nicht sehen, die alle den Namen Uchiha trugen, aber es würde ihn an seine Pflicht erinnern und das war gut. Natürlich konnte er sich nicht um alle Gräber kümmern, aber wenigstens das seiner Eltern wollte er das erste Mal seit drei Jahren besuchen. Heute jährte sich das Massaker bereits zum zehnten Mal. Er konnte es fast nicht glauben. War es wirklich schon zehn Jahre her? Ja, er wurde nächsten Monat 17, es stimmte. Dann waren also zehn Jahre vergangen, in denen er nichts getan hatte, als seine Familie immer wieder zu vertrösten. Schuldgefühle, die schon seit einigen Tagen in ihm wogten, wallten nun auf und formierten sich zu Wellen, die ihn zu überwältigen drohten. Er stellte die Blumen vor den Grabstein, der den Namen seiner Eltern trug, zündete ein mitgebrachtes Räucherstäbchen an und setzte sich im japanischen Sitz davor. Ließ sich von der endgültig scheinenden Stille dieses Ortes vereinnahmen. Zehn Jahre, in denen er nichts erreicht hatte. In denen er, im Gegenteil, sich mehr von seinem Ziel entfernte, denn es fiel ihm immer schwerer zu leugnen, dass er seinen Bruder eigentlich nicht töten wollte. Er wollte doch nur seinen großen Bruder wieder. Den Verräter, der seine Familie umgebracht hatte. Erschrocken über seine eigenen Gedanken, denen er wieder einmal zu freien Lauf gelassen hatte, schalt er sich innerlich selbst. Wie konnte er so etwas am Grab seiner Eltern denken? Beschämt und in tiefster Demut senkte er den Kopf.
 

"Tou-san, Kaa-san...Gomen nasai. Honto ni gomen nasai*..." Wütend stellte er fest, dass seine Stimme zitterte. Er krallte seine Hände in den Stoff seiner Hose und versuchte, sich wieder zu fassen. Wo, wenn nicht hier, konnte er sich auf seine Pflicht besinnen und die Stärke, die Motivation finden, sie wirklich auszuüben. Ich werde es schaffen. Gebt mir nur Zeit. Ich schaffe es! Und wie von selbst fand seine rechte Hand den Weg zu seinem linken Unterarm, um sich fest in den Verband zu krallen und erneut auf die Wunden zu treffen, die noch immer nicht richtig verheilt waren. Den Schmerz spürte er nicht. Zu sehr war er in Gedanken versunken.
 

~*~
 

Naruto wartete eine geschlagene Stunde, bis er sah, wie Sasuke sich erhob. Na endlich. Er wartete, bis Sasuke am Eingang war, dann sprach er ihn umgehend an.
 

"Oi, Sasuke-"
 

"Nicht jetzt, Naruto." Der Uchiha sah ihn nicht einmal an. Wie sollte er da vernünftig mit ihm reden? Völlig fixiert auf sein Ziel merkte er nicht, dass Sasuke nicht nur nicht reden, sondern auch möglichst schnell weg wollte. Dass er viel zu leise geantwortet hatte.
 

"Nein, ich muss-"
 

"Jetzt NICHT." Wenigstens hatte Naruto jetzt Augenkontakt. Aber die Wut, die ihm entgegenschlug, überraschte ihn dann doch. Das war die erste Emotion seit gefühlten hundert Jahren, die er von Sasuke zu sehen bekam. Wenn auch nicht unbedingt die beste.
 

"Doch, es ist wichtig. Bist du deshalb die ganze Zeit so komisch, wegen dem Jahrestag?" Geduld und Feingefühl waren noch nie Narutos Stärke gewesen. Und er wusste, dass er viel zu harsch vorging. Doch er konnte nicht mehr zusehen. Er wollte endlich wissen, was mit Sasuke los war und warum er meinte, dass es nötig war, eine volle Stunde in einer Demutshaltung vor dem Grab seiner Familie zu hocken. Und so sah er auch ganz genau, dass Sasukes Fäuste sich ballten und sich seine Augen zu Schlitzen verengten.
 

"Das geht dich nichts an." Die Stimme war so kalt. So abweisend. Sie schrie ihm förmlich entgegen, dass er in diese Situation nicht gehörte. War das noch sein Freund?
 

"Natürlich geht mich das was an! Ich kann einfach nicht weiter zusehen, wie du dich so isolierst! Du bist einsam, stimmt's?" Narutos Stimme war viel zu eindringlich für eine Frage. Doch was Einsamkeit anging war Naruto Experte, da könnte er ihm nichts vormachen. Sasuke schnaubte abschätzig. Es stimmte, er war einsam. Sehr sogar. Aber nicht, weil er sich abschottete, sondern weil ihn bestimmte Personen verlassen hatten und eine klaffende Leere, die nichts füllen konnte, in seinem Herzen hinterlassen hatten. Besonders eine...Und dieser Gedanke machte ihn wütend. Eben noch hatte er seinen Eltern versprochen, dass er es schaffen würde, nun dachte er schon wieder an ihn. Auf die falsche Art und Weise. Er kam sich so verlogen vor.
 

Als Sasuke nicht antwortete, fasste das Naruto als Bestärkung auf.
 

"Du musst dich nicht abschotten. Du hast doch uns. Hör auf, so in der Vergangenheit zu leben und deswegen zu leiden! Wir können dir helfen, wir sind deine Freunde!" Doch Sasuke schloss nur die Augen und runzelte die Stirn.
 

"Ich habe es dir schon einmal gesagt. Wir leiden wegen der Bindungen, die wir eingegangen sind. Und wenn wir sie verlieren. Du kannst das nicht verstehen, oder? Das wird immer mein Leben bestimmen."
 

"DOCH, ich will dich verstehen! Und du hast nicht nur Bindungen, die verloren sind. Du hast doch noch die Bindungen zu uns!"
 

"Die zählen aber nicht! Das Einzige, was wichtig ist, ist mein Ziel!", fauchte Sasuke wütend und wieder erglomm verräterisches Rot in seinen Augen. Nein, er war mehr als wütend und das konnte er weder leugnen noch verbergen. Am liebsten würde er auf Naruto einprügeln, bis er nicht mehr einen solchen Unsinn von sich geben würde. Bindungen machten schwach und angreifbar. Mehr nicht! In seiner Wut nahm er nicht einmal den Schmerz wahr, der kurz durch Narutos Augen zuckte. Doch die mitschwingende Verletzung in den Worten des Chaosninjas war zu offensichtlich, um sie zu ignorieren.
 

"Lass dich nicht so von deiner Rache vereinnahmen! Du bist stärker als das!"
 

"Sei endlich still! Misch dich da nicht ein! Du hast doch keine Ahnung!" Das Sharingan leuchtete Naruto entgegen und eine Wut pulsierte in ihnen, dass der Blondschopf einen Schritt zurückwich.
 

"Genau das ist das Problem! Dann klär mich doch auf. Bitte!", flehte Naruto entgegen seines Charakters, doch das schien Sasuke nicht mehr wahrzunehmen. Er richtete seinen Blick plötzlich auf eine Stelle hinter Naruto und presste die Zähne aufeinander. Schon wieder hatte er die Fassung verloren. Er unterdrückte sein Sharingan und versuchte, eine neutrale Miene aufzusetzen. Der Blondschopf drehte sich um und erspähte sofort den Grund für Sasukes Sinneswandel. Er hatte Kakashi im Eifer des Gefechts gar nicht bemerkt. Und Sasuke wohl zuerst auch nicht.
 

"Na, na, was treibt ihr denn hier? Man hört euch ja bis zum Hokageturm." Kakashis amüsierter Unterton hob sich grotesk von der Situation ab.
 

"Wir, ähm, haben uns gestritten." Kakashi schmunzelte ob der offensichtlichen Antwort.
 

"Das hab ich gemerkt. Weswegen denn?" Er konnte sich sehr gut vorstellen, warum, hatte er doch die letzten Sätze mitbekommen. Die Befürchtungen der Hokage schienen sich zu bewahrheiten. Erwartungsvoll sah er Sasuke an, der bemüht gefasst zurückschaute. Doch die Fassade war nutzlos, denn Kakashi sah etwas, was wesentlich mehr sagte als der steinerne Ausdruck in seinem Gesicht, auch wenn Sasuke seinen Arm nach innen gedreht hielt. Blutflecken auf der Bandage um Sasukes linken Unterarm. Der Jounin hatte schon ein paar Mal bemerkt, dass Sasuke ab und zu seine rechte Hand in diese Stelle krallte, wenn er mit den Gedanken in weite Fernen driftete und es anscheinend selbst nicht bemerkte. Jedenfalls hatten die Wunden so keine Chance zu heilen.
 

"Unwichtig." Der Tonfall war bestimmt, Sasukes Augen jedoch nicht. Die konnten sich auf keinen Ausdruck festlegen. Naruto hatte ihn wohl in einem ganz schlechten Moment erwischt.
 

"Und worüber regst du dich dann so auf?" Sasuke wandte trotzig den Blick ab. Er würde nicht weiter darüber sprechen. Doch noch immer war die Wut zu spüren, die um ihn zu wallen schien wie eine gespenstische Aura. Kakashi beschloss, nicht weiter zu bohren. Was das brachte, hatte Naruto ja gerade eindrucksvoll bewiesen. Kakashi wollte gar nicht wissen, wohin diese "Diskussion" noch geführt hätte, wenn er nicht aufgetaucht wäre.
 

"Belassen wir es dabei. Es ist gut, dass ich euch hier treffe, denn wir haben morgen eine Mission." Unter normalen Umständen hätte Naruto sich gefreut, aber so überwog die Enttäuschung, dass das Gespräch mit Sasuke zu nichts geführt hatte. Er hörte Kakashi kaum zu. "Wir müssen einen Geschäftsmann in ein benachbartes Dorf geleiten. Es wird trotzdem ungefähr drei Tage dauern, denn der Weg ist beschwerlich und wir haben drei Zivilisten dabei. Wir werden viel durch Unterholz laufen müssen, weil es keine befestigte Straße zu diesem Dorf gibt. Wir treffen den Mann und seine Diener morgen früh am Tor." Sasuke nickte etwas steif und wandte sich zum Gehen. Naruto sah ihm nach und fragte sich, ob er je wieder ein normales Verhältnis zu ihm haben würde.
 

"Naruto, dieser traurige Ausdruck passt überhaupt nicht zu dir."
 

"Wie kann er von Verstehen reden, wenn er nie etwas sagt? Wie soll ich ihn da verstehen! Alles was er mir übriglässt, ist, ihm beim Trauern zuzuschauen."
 

"Ich glaube nicht, dass er das wollte. Bist du ihm gefolgt?" Kakashi fand es allein schon bemerkenswert, dass Sasuke das nicht mitbekommen hatte.
 

"Ja", gab Naruto kleinlaut zu und senkte etwas beschämt den Kopf. Jetzt, da er nicht mehr im Eifer des Gefechts gefangen war, schämte er sich selbst ein bisschen für sein Handeln. "Aber das war einfach unwürdig. Er sah so schwach aus, wie er da mit gesenktem Kopf eine Stunde vor diesem Grab gehockt hat. Eine Stunde! Wieso lebt er nur so in der Vergangenheit? Es gibt doch auch noch eine Zukunft!" Kakashi seufzte. Für Sasuke gab es vielleicht keine. Nicht, wenn er sie nicht selbst zuließ.
 

"Hast du jemals Sasuke und Itachi zusammen als Kinder gesehen?" Naruto schaute Kakashi verwundert an. Was sollte denn jetzt diese Frage?
 

"Nein, wieso?"
 

"Vielleicht könntest du Sasuke dann besser verstehen. Ich hab sie oft zusammen gesehen und die Bewunderung, die der Kleine für seinen großen Bruder hatte, schien ihm aus allen Poren zu dringen. Kannst du im Ansatz nachvollziehen, wie er sich gefühlt haben muss, als eben diese Person, zu der er am meisten aufgeschaut hat, völlig grundlos seine Familie ausgelöscht hat? Ich will es mir noch nicht mal vorstellen. So ein Verrat hinterlässt Wunden, die wahrscheinlich nie heilen werden. Und wir wissen auch nicht, was zwischen den beiden geschehen ist. Wir wissen zwar, dass Itachi Sasuke nach dem Massaker getroffen hat, aber nicht, was er womöglich zu ihm gesagt oder mit ihm gemacht hat. Die Ärzte sagen, er war wie paralysiert, als er aufwachte. Das war mehr als ein einfacher Schock. Aber Sasuke schweigt beharrlich dazu. Es war schwer genug, aus ihm herauszubekommen, wer für diese Untat verantwortlich war. Sonst gab ja es keine Zeugen. Sasuke hat die Tat selbst glücklicherweise auch nicht gesehen. Allein die Folgen und die waren schlimm genug für ihn." Naruto schaute nachdenklich zu Boden.
 

"Aber wieso nimmt er denn keine Hilfe an? Ich meine es doch nur gut." Väterlich, wie um ihn wenigstens ein bisschen zu trösten, legte Kakashi ihm eine Hand auf die Schulter, eine Geste, die Naruto nur zu gut von Iruka bekannt war.
 

"Vielleicht hat er Angst, noch einmal jemanden zu verlieren, der ihm wichtig ist. Vielleicht will er nicht noch einmal enttäuscht werden. Vielleicht will er selbst stark sein. Vielleicht auch alles zusammen, wer weiß? Aber wenn du ihn so bedrängst, erreichst du nichts." Wenn Kakashi nur wüsste, wie Recht er damit hatte.
 

"Ich weiß. Aber ich habe es nicht mehr ausgehalten...", murmelte Naruto und sah zu, wie Sasukes schemenhafte Gestalt sich langsam in der gleißenden Mittagssonne zwischen den Häusern verlor. Er konnte sich einfach nicht vorstellen, dass so eine starke Person wie Sasuke Angst haben oder verletzlich sein könnte. Er war doch immer stark gewesen. Deshalb hatte Naruto das Bild auf dem Friedhof auch nicht ertragen können. Der stolze Uchiha in einer so demütigen Haltung, das passte einfach nicht. Und wieder einmal hatte Naruto das Gefühl, seinen besten Freund gar nicht wirklich zu kennen...

Reizende Bekanntschaft

Als Sakura am nächsten Morgen an das große Tor Konohas kam, standen schon Sasuke und Naruto da. Sie waren zwar nicht voneinander abgewandt, aber dennoch wirkten sie so, als wollten sie demnächst lieber kein Gespräch miteinander anfangen. Sasuke lehnte mit verschränkten Armen an einem der riesigen, bereits geöffneten Torflügel und schaute ausdruckslos auf das Stück Boden vor sich. Naruto stand daneben - mit einem offensichtlichen Abstand zwischen ihnen - hatte die Hände hinter dem Kopf verschränkt und starrte in den wolkenlosen Himmel, als würde sich da etwas besonders Interessantes abspielen. Was war denn da schon wieder los? Warum Sasuke in letzter Zeit so extrem distanziert war, hatte sie gestern von Ino erfahren. Und wieder ein Jahrestag, von dem sie es sich leisten konnte, nicht an ihn zu denken. Sasuke würde ihn sicher nie vergessen können. Fast hatte Sakura ein schlechtes Gewissen, dass es ihr so gut ging und Sasuke so allein war. Auch sie würde ihm gern helfen, doch sie wollte ihn gar nicht erst darauf ansprechen. Zu groß war die Angst und leider auch die Wahrscheinlichkeit, zurückgewiesen zu werden. Was Naruto hatte, konnte sie sich aber beim besten Willen nicht vorstellen. Sie würde ihn bei Gelegenheit darauf ansprechen. Ein bisschen ratlos schaute sie zu den beiden Wächtern des Tores, Kotetsu Hagane und Izumo Kamizuki, doch die zuckten nur die Schultern. Mit den beiden verstand sich Sakura sehr gut, da sie die Assistenten von Tsunade waren und sie sich deshalb häufiger begegneten.
 

Die Kunoichi begrüßte ihre beiden Teamkameraden und bekam als Antwort nur stummes Nicken. Jetzt wusste Sakura endgültig, dass etwas im Argen lag. Normalerweise begrüßte wenigstens Naruto sie wesentlich ausgelassener. Sie sah sich um und stellte fest, dass ihr Auftraggeber noch nicht da war. Nach Kakashi hielt sie gar nicht erst Ausschau. Dass der zu spät kam, war ja nichts Neues. Die beiden Male während ihres Intensivtrainings waren wirklich eine Ausnahme gewesen, worüber Sakura unheimlich froh war. Sie hatte begonnen, es als schlechtes Omen zu empfinden, wenn ihr Sensei pünktlich war. Und wenn man an den Teufel dachte, kam er auch schon. Noch vor dem Auftraggeber. Bemerkenswert. Kakashi wollte seine Schüler gerade begrüßen, als er von einer aufgeregten Fistelstimme unterbrochen wurde.
 

"Uchiha-san, ich freue mich, Sie wiederzusehen. Das letzte Mal war vor mehr als zehn Jahren, aber ich glaube nicht, dass Sie sich noch daran erinnern." Während er das sagte, war er näher herangekommen und nun schüttelte ein kleiner, ziemlich untersetzter Mann mit feistem Gesicht und Spatzenaugen dem perplexen Sasuke, der sich seinen Schock natürlich nicht anmerken ließ, eifrig die Hand. Er hatte bereits jetzt einen dünnen Schweißfilm auf der Stirn und atmete ein wenig schwer. Seine pompöse Kleidung wirkte ebenfalls nicht sehr geeignet für ihre beschwerliche Reise. Kakashi fragte sich ernsthaft, wie dieser Mann den langen Weg überstehen wollte, während er skeptisch die beiden Diener musterte, die hinter ihrem Herren zwei riesige Berge an Gepäck herschleppten. Was für ein Aufzug.
 

"Ich hatte viel mit ihrem Vater zu tun. Hab ihre Familie immer bewundert. Ganz besonders Ihren Bruder. Er war ja so ein Genie. Wie schade, dass er ein wenig übergeschnappt ist." Sasukes Haltung verspannte sich augenblicklich und Kakashi hoffte inständig, dass sich sein Schüler trotz dieser tollpatschigen Worte beherrschen würde. Immerhin hatte ein Ninja sich seinem Auftraggeber gegenüber stets respektvoll zu verhalten, er war schließlich nur das Werkzeug. Das war eine der obersten Ninjaregeln. Sasuke schien dies auch jetzt noch bewusst zu sein, denn er verbeugte sich minimal.
 

"Es...freut mich." Der Uchiha mobilisierte all seine Selbstbeherrschung. Kakashi hatte zwar nichts gesagt, aber das musste ein wichtiger Mann für Konoha sein, wenn für diese Mission extra ihre Sperre aufgehoben wurde. Nicht einmal Narutos ständiges Gebettel hatte die Hokage dazu bewegen können. Und Naruto konnte wirklich penetrant sein. Aber das war nicht der einzige Grund. Sasuke wurmte es immer noch, dass er gestern so die Beherrschung verloren hatte. So wie die Dinge standen, konnte er sich das einfach nicht leisten. Daher war er wieder mit vollster Konzentration dazu übergegangen, sich zu beherrschen und nichts nach außen dringen zu lassen, was ihm bei dem letzten Kommentar zu seinem Ärger nicht ganz gelungen war.
 

"Und mich auch. Ich bin Hatake Kakashi, der Teamleiter. Sasuke kennen sie ja schon. Das sind Haruno Sakura und Uzumaki Naruto", schritt der Jounin eilig ein. Er hatte keine Lust, sein Glück auf die Probe zu stellen. Als er Narutos Namen erwähnte, verengten sich die Augen ihres Klienten und er murmelte etwas, das verdächtig nach "Ach, der ist das." klang. Was war denn das für ein Kerl? Wenn ihm ein Teammitglied nicht passte, warum hatte er dann auf Team 7 bestanden? Und er musste die Teamzusammenstellung gekannt haben, sonst hätte er seine Wahl nicht mit Nostalgie begründen können. Was war das überhaupt für ein dämlicher Grund?
 

"Mein Name ist Suri Goma. Das sind meine Diener Uragi Rikoui und Samashi Ika", sagte der Kaufmann, nun wieder mit honigsüßer Stimme. Der war bestimmt sehr erfolgreich, so gut, wie der schmeicheln konnte.
 

"Da wir die Vorstellung nun beendet haben, würde ich vorschlagen, dass wir aufbrechen. Sasuke, Naruto, ihr übernehmt die Spitze. Sakura und ich sichern den Schluss der Gruppe", sagte Kakashi, um der angespannten Situation schleunigst ein Ende zu bereiten. Da hatte er allerdings die Rechnung ohne ihren Auftraggeber gemacht.
 

"Aber nicht doch, Hatake-san. Ich würde mich unterwegs gern ein wenig mit Uchiha-san unterhalten. Immerhin hab ich sonst keine Gelegenheit mehr, mit einem Uchiha zu sprechen. An Itachi-kun werde ich mich sicher nicht wenden, schließlich hänge ich am Leben", gluckste Goma. Er hielt das offensichtlich für einen gelungenen Scherz. Sakura schaute etwas besorgt zu Sasuke und auch Naruto konnte sich ein leises Aufstöhnen nicht verkneifen. Hoffentlich ließ Kakashi das nicht zu. Wenn der heute den ganzen Tag auf Sasuke einquatschte, würde dieser mit Sicherheit über kurz oder lang ausrasten.
 

"Nun, die Sicherheit der Gruppe geht leider vor", erwiderte Kakashi glücklicherweise sofort. Doch die amüsierten Augen des Kaufmanns gewannen umgehend an zorniger Entschlossenheit. Augenscheinlich war er wirklich ein guter Geschäftsmann, denn er sah so aus, als ob er auf jeden Fall seinen Willen durchsetzen würde.
 

"Ich muss darauf bestehen. Mein lieber Freund Homura versicherte mir, dass diese Reise ganz zu meiner Zufriedenheit ablaufen wird. Er wäre sicher enttäuscht zu hören, dass dem nicht so war." Kakashi seufzte innerlich. Das Letzte, was Team 7 gebrauchen konnte, war Ärger mit den Ältesten.
 

"Wenn Sie so darauf bestehen, Suri-san, dann werde ich die Formation ändern. Sakura, du nimmst die Spitze. Sasuke wird sich links bewegen, Naruto rechts. Ich bilde den Schluss." So konnte er auch gleich diesen verfluchten Kaufmann im Auge behalten und notfalls einschreiten. Es war wie Tsunade es gesagt hatte. Die Zeit war denkbar ungünstig, denn Sasuke war schon Tage vor dem Jahrestag des Massakers sichtbar angespannt gewesen. Nur hatte Kakashi nicht daran gedacht, welcher Tag ihnen bevorstand, und deshalb war ihm die plötzliche Verbissenheit, die gesteigerte Verschlossenheit Sasukes ein Rätsel gewesen. Wenn er auch nur im Ansatz so aufgewühlt war, wie Kakashi es vermutete, wurde er diesen dümmlichen Äußerungen nicht lange standhalten können. Wie konnte ein Geschäftsmann im Umgang mit Menschen nur so plump sein? Merkte er gar nicht, dass er mit seinen dummen Scherzen Sasuke bis aufs Blut reizte? Bis jetzt riss sich der Uchiha allerdings vorbildlich zusammen. Kakashi hoffte inständig, dass das so bleiben würde. Zum Glück hatte Professionalität für Sasuke bei Missionen immer oberste Priorität. Kakashi war zuversichtlich, dass sich das nicht geändert hatte.
 

Tatsächlich blieb Sasuke erstaunlich ruhig und beteiligte sich halbherzig an den Gesprächen, die ihm der Kaufmann im Laufe des Tages immer wieder aufdrängte. Mehr Professionalität konnte man nicht von ihm verlangen, denn mehr als einmal kam ein unangemessener Kommentar über den Uchiha-Clan. Kakashi fragte sich wirklich, warum dieser Mann so besessen von den Uchihas war. Ihm war jetzt zweifelsfrei klar, warum dieser Kerl auf Team 7 bestanden hatte. Sasuke. Aber er drückte seine Bewunderung auf so dümmliche Art und Weise aus, dass der Jounin ernsthaft an dessen gesundem Menschenverstand zweifelte. Denn hinter jedem Kompliment steckte etwas, das Sasuke als Person angriff. Aber offensichtlich bemerkte das der Kaufmann nicht, denn er strahlte, gestikulierte wild und redete mit erstaunlicher Puste weiter auf den Uchiha ein, dessen Gesichtszüge im Laufe des Tages immer mehr versteinerten. Gleichzeitig wurde auch Naruto immer stiller, denn jedesmal, wenn er versuchte, sich an dem Gespräch zu beteiligen, um die Aufmerksamkeit wenigstens ein bisschen von Sasuke zu lenken, bekam er nur eine abfällige Bemerkung zu hören. So groß die Bewunderung für den letzten Uchiha Konohas war, so offensichtlich war die Verachtung für das Gefäß des Kyuubi. So hatte er den Blondschopf doch tatsächlich genannt. Naruto hatte daraufhin betrübt den Kopf gesenkt. Dem Kaufmann eine scheuern konnte er schließlich nicht. Aber auch Sasukes geballte Fäuste waren dem Jounin nicht entgangen. Selbst der Streit vor dem Friedhof konnte die beiden offensichtlich nicht so entzweien, damit sie in dieser Situation nicht wenigstens mit dem anderen mitfühlen würden. Es gab eben Dinge, die tiefgehender verbanden, als andere auseinanderreißen konnten.
 

Gegen Ende des Tages lag so viel Spannung auf der Gruppe, dass sich Kakashi wunderte, dass Goma Suri das nicht bemerkte. Er redete immer noch fröhlich vor sich hin. Sie waren kaum vorangekommen, denn dem wohlbeleibten Mann ging oft der Atem aus, was die gesamte Gruppe zu einer Pause zwang, und er beschwerte sich nicht nur einmal lautstark über seine schmerzenden Füße. Dass hinter ihm seine beiden Diener all seine Habseligkeiten schleppten und wahrscheinlich wesentlich erschöpfter waren, würdigte er nicht. Wie auch? Seine ganze Aufmerksamkeit lag immer noch auf Sasuke, selbst nachdem Kakashi verkündet hatte, dass sie nun ihr Lager aufschlagen würden und alle mit dem Zeltaufbau beschäftigt waren. Kakashi war versucht, ihm zu sagen, dass er doch mal für eine Stunde die Klappe halten solle, dann würde ihm nicht ständig die Luft knapp werden. Das durfte er aber dummerweise nicht laut sagen. Manchmal hasste der Jounin die Ninjaregeln und es gab Situationen, in denen man sie auch brechen musste. Aber diese eine Regel war unumgänglich. Beschwerte sich ein Klient, würde das auf sein ganzes Dorf zurückfallen und es würde weniger Aufträge geben. Das konnte sich auch Konoha nicht leisten.
 

Die Quelle aller Sorgen hielt es indessen nicht für nötig, sich seine Finger schmutzig zu machen und sich am Zeltaufbau zu beteiligen. Wozu hatte er schließlich seine Diener? Er saß in der Mitte des Lagerplatzes und redete lautstark auf Sasuke ein.
 

"Sagen Sie, Uchiha-san, wie ist das damals eigentlich passiert? Hat denn niemand Itachi-kun aufhalten können? Und wie haben Sie es geschafft, zu überleben?", fragte er mit unverhohlener Neugier. Bei allem Wissen, das er über den Clan hatte, musste ihm doch klar sein, dass sich das Massaker einen Tag zuvor erst gejährt hatte und die Frage eine der unsensibelsten war, die er hätte stellen können. Team 7 jedenfalls schien das ziemlich bewusst zu sein, denn sämtliche Blicke wanderten sofort zu Sasuke. Kakashi sah von der Seite nur noch, wie dieser die Augen schloss und sich seine Kiefermuskulatur deutlich verspannte, da hatte der Uchiha auch schon den Kopf gesenkt und gab vor, eine Stange in den Boden zu drücken. Und der Ausbruch, den der Jounin schon den ganzen Tag befürchtete, folgte sogleich, doch nicht von der Person, von der er ihn erwartet hatte.
 

"Es reicht, echt jetzt! Merken Sie nicht, dass das Thema Sasuke unangenehm ist? Sie sind ja ein größerer Trampel als ich! Das-" Doch wurde er von einem wütenden Geschäftsmann unterbrochen.
 

"Mit dir ungehobeltem Bengel hat niemand gesprochen. Wenn du nicht willst, dass ich mich über dich beschwere, dann-" Aber auch er konnte seine Drohung nicht vollenden, denn zur Überraschung aller wurde er energisch von Sasuke unterbrochen.
 

"Ist schon gut, Naruto. Es...ehrt mich, dass Sie so an meiner Familie interessiert sind, Suri-san. Augenscheinlich konnte niemand meinen Bruder aufhalten, sonst wären sie noch am Leben. Ich selbst habe nur...Glück gehabt", meinte er gepresst. Naruto bekam große Augen und starrte auf den gesenkten Hinterkopf, der der Gruppe zugewandt war, weil Sasuke immer noch an dieser Stange herumhantierte. Das musste ihn extrem viel Überwindung gekostet haben und nicht nur, weil er zugeben musste, dass er komplett hilflos gewesen war. Er hatte das nur für ihn, Naruto, gesagt, obwohl sie am Tag zuvor so aneinandergeraten waren. Denn auch Sasuke wusste, dass Naruto auf der Abschussliste der Ältesten stand. Sie hatten immer argumentiert, dass Naruto sich selbst und den Fuchs nicht unter Kontrolle hatte und somit eine Gefahr für Konoha darstellte. Was für eine Vorlage wäre es, wenn der Kaufmann sich beschwerte, weil er ihn angeschrien hatte. Naruto rief sich zum wiederholten Male an diesem Tag die Regel ins Gedächtnis, an die das Team wohl noch nie so oft gedacht hatte: Er musste sich seinem Auftraggeber immer respektvoll verhalten. Schließlich wollte man potenzielle Geldgeber nicht verschrecken. Und da war da noch die berüchtigte Regel 25 des Ninjadaseins: 'Ein Shinobi darf keine Emotionen zeigen, egal in welcher Situation. Ein Ninja muss die Mission in den Vordergrund stellen und braucht ein Herz, welches ihm erlaubt, nicht zu weinen.' Wem dies nicht gelang, der wurde als unwürdig angesehen.
 

"Ah, Uchiha-san. So viel Sinn für Diplomatie. Sie sollten auch Geschäftsmann werden. Damit könnten Sie sicher ihren Familiennamen in altem Glanz erstrahlen lassen." Und wieder ließ er es so klingen, als ob Sasuke als Ninja nichts taugte und seiner Familie so nicht zu altem Glanz verhelfen konnte. Kakashi sah nur die zitternde Hand, die sich so fest um die inzwischen leicht verbogene Stange gekrallt hatte, dass die Knöchel weiß hervortraten und wusste, dass er dringend etwas unternehmen musste.
 

"Sakura, Naruto, ihr baut weiter die Zelte auf. Sasuke, wir sondieren die Gegend." Langsam erhob sich der Uchiha aus seiner hockenden Position, den Kopf immer noch gesenkt, sodass die breiten Haarsträhnen, die sonst sein Gesicht umrahmten, dieses verdeckten. Er folgte Kakashi in den Wald.
 

Sakura nahm inzwischen Naruto beiseite, der nicht minder angegriffen aussah. Ihre mitfühlenden, aber auch bestimmten Augen fingen seinen Blick und fesselten ihn.
 

"Hör mal, du musst dich beruhigen. Ich weiß, er hat dich schlimm beleidigt, aber denk an die Probleme, die wir kriegen könnten."
 

"Ja, aber-" Naruto sah seine Teamkollegin verzweifelt an.
 

"Mir passt es auch nicht, wie er mit euch beiden umgeht, aber das müssen wir hinnehmen. Es wäre vielleicht nicht so schlimm, wenn es nicht auch noch ein Freund der Ältesten wäre." Resigniert ließ Naruto den Kopf hängen.
 

"Du hast Recht. Ich hoffe, Sasuke sieht das auch so."
 

~*~
 

Kakashi lief so weit in den Wald hinein, bis er sicher war, dass nicht einmal ein Schrei in ihrem provisorischen Lager zu hören war. Dann wandte er sich dann seinem Schüler zu, der hochkonzentriert auf den Boden blickte.
 

"Ich weiß, dieser Kerl treibt dich in den Wahnsinn, aber, wie er uns heute schon gefühlte hundert Mal mitgeteilt hat, ist er sehr gut mit den Ältesten befreundet. Du weißt, was das bedeutet. Versuch weiter, dich zusammenzureißen. Ich bin sicher, dass das noch nicht das Ende war." Sasuke nickte nur. War er so kurz vor der Explosion, dass er nicht einmal seiner Stimme traute? Aber wie musste das alles auch auf ihn wirken? Gestern hatte sich zum zehnten Mal das tragische Ableben seiner Familie gejährt und ihm wieder einmal bewusst gemacht, dass er allein war. Sicher machte er sich Vorwürfe, dass er sein Ziel noch nicht erreicht hatte. Und dann kam dieser verdammte Kaufmann und rieb ihm eben das durch seine dämlichen Kommentare ständig unter die Nase. So konnte Sasuke nichts verdrängen, wie er es sonst immer tat, und wurde wieder und wieder mit der Realität und seinen Schuldgefühlen konfrontiert. Und die hatte er. Das war nach der Szene gestern auf dem Friedhof mehr als offensichtlich. Wieso sonst diese lange Demutshaltung? Kakashi machte sich Sorgen. Sasuke schien gar nicht mehr richtig anwesend zu sein. Das konnten sie sich schon gar nicht erlauben, immerhin war es möglich, dass diese Ninjas noch einmal auftauchten. Dann mussten alle absolut einsatzbereit sein, zumal es nun zusätzlich drei Zivilisten zu schützen galt.
 

"Sasuke?"
 

"Alles okay, Sensei", sagte der Uchiha mit so ruhiger Stimme, dass es Kakashi eiskalt den Rücken herunterlief. Fast hätte er ihm seine Gelassenheit abgenommen, doch dann sah er, wie fest Sasukes linke Hand geballt war. So fest, dass sich die Fingernägel unnachgiebig ins Fleisch und unter die Bandage bohrten und das Blut in dünnen Rinnsalen auf den Boden tropfte...

Vertrauensschimmer

Kakashi hatte Sasuke lieber eine Weile alleine gelassen. Zwar bezweifelte er, dass es eine gute Idee war, ihn in seinem abwesenden Zustand alleine im Wald zu lassen, aber der Uchiha musste dringend Dampf ablassen und vor seinem Sensei würde er sich diese Blöße sicher nicht geben. Der Jounin konnte es aber nicht riskieren, dass Sasuke womöglich doch noch auf ihren Auftraggeber losging, das könnte verheerend für das ganze Team enden. Die Ältesten würden diese Chance, Sasuke endlich loszuwerden, um jeden Preis nutzen. Und genau das fand Kakashi merkwürdig, dass das alles für die Ältesten eine offensichtliche Chance darstellte. Irgendwie passte hier etwas ganz und gar nicht. Oder zu gut. Aber er hatte die üble Ahnung, dass sie das bald erfahren würden.
 

Kakashi hatte dem Uchiha nur noch mitgeteilt, dass er die mittlere Wache hatte und sich dann auf den Rückweg ins Lager gemacht. Und diesmal steckten keine hinterlistigen Absichten dahinter. Er hatte schlichtweg bemerkt, dass es für Sasuke keinen Unterschied machte, welche Wache er bekam, da er sowieso nur meditierte und nicht schlief. Es würde wohl noch sehr lange dauern, bis er sich so angreifbar machte und sich ausschließlich auf seine Kameraden verließ. Und dann war da ja noch dieses Albtraumproblem. Wenn dieser Kaufmann auch nur ahnen würde, mit welch geplagter Seele er da Schindluder trieb, ob nun unwissend oder nicht, würde er wahrscheinlich ein wenig umsichtiger mit seinen Worten sein. Und Sasuke musste sich das alles auch noch wortlos gefallen lassen. Das musste gehörig an seinem Stolz nagen. Musste dieser Mann auch permanent die Beherrschung der Uchiha in den Himmel loben? So brachte er Sasuke nur noch mehr in Zugzwang. Würde er auch nur mit einem Wort widersprechen, würde er sich damit selbst als Uchiha diskreditieren. Eine verflixte Zwickmühle. Kakashi konnte dem Kaufmann auch nicht den Mund verbieten, das würde dieser als Vorwand für eine Beschwerde nehmen und sie sicherlich noch farbenfroh ausschmücken. Und die Ältesten würden ihm glauben, kein Zweifel. Sie mussten ihn bei Laune halten, das musste sich Kakashi zähneknirschend eingestehen.
 

Als er gerade das kleine Lager betrat, hörte Kakashi es ein Stück hinter sich krachen. Er hätte Sasuke wohl sagen müssen, dass er nicht auf den Wald losgehen sollte. Oder eher, dass er dabei leise sein sollte. Durch das Krachen könnten Feinde auf sie aufmerksam gemacht werden, aber das war wohl momentan ihr geringstes Problem.
 

"Sensei, was war das?", fragte Sakura eilig, der natürlich sofort aufgefallen war, dass Sasuke fehlte. Sie saß bei Naruto und leistete ihm bei dessen Wache Gesellschaft, denn sie war noch nicht sehr müde und wusste, dass sie die Nacht durchschlafen konnte. Kakashi lächelte sein unbekümmertstes Lächeln.
 

"Weiß nicht, was du meinst." Dabei strahlte er so eine Ruhe aus, dass man meinen könnte, Team 7 befände sich gerade auf einer Urlaubsreise und nicht auf einer Mission mit einem nervtötenden Kaufmann und zwei schweigsamen Dienern, die wacker wie Packesel die Berge von Gepäck schleppten. Naruto sah Kakashi nur prüfend an. Er hatte Sasukes Profil während der ganzen Reise im Blick gehabt und die Sprüche des Kaufmanns waren offensichtlich nicht einfach an ihm vorübergegangen. Dass Sasuke wahrscheinlich gerade einen Baum zu Kleinholz verarbeitete, war der eindeutige Beweis. Und dann musste er auch noch höflich bleiben. Das war echt nicht fair. Da war das, was der Kaufmann ihm selbst alles an den Kopf geschleudert hatte, noch harmlos, das sagte sich Naruto immer wieder. Auch wenn es ihn hart traf. Er war es nicht mehr gewohnt, so offen verachtet zu werden, denn er hatte sich Konoha bewiesen. Bis auf die Ältesten akzeptierten ihn die Menschen mittlerweile. Doch dieser Kaufmann stammte nicht aus dem Dorf. Er kam von weit her, aber durch seine engen Beziehungen zu wichtigen Einwohnern Konohas schien er trotzdem alles zu wissen, was es über das Dorf zu wissen gab. Das galt auch für dessen Jinchuuriki.
 

Naruto hob den Kopf, als er leise Schritte näher kommen hörte. Sasuke war zurück. Und er sah nicht gut aus. Zwar hatte er wie früher die Hände in die Hosentaschen gesteckt und diese typische lockere Haltung angenommen, aber sein Blick war starr auf den Boden gerichtet, als wollte er seine Umgebung um jeden Preis ausblenden. Seit Gaara ihn darauf hingewiesen hatte, achtete Naruto mehr auf Sasukes Augen, die im Moment seine Anspannung förmlich herausschrien. Naruto war dankbar dafür, dass der Kaufmann schon in sein Zelt gegangen war. So oft, wie der sich darüber beschwert hatte, völlig erschöpft zu sein, war das aber kein Wunder. Auch Sasuke ging direkt in sein Zelt ohne auch nur aufzublicken. Und diesmal konnte Naruto verstehen, dass sich der Uchiha isolierte. Er selbst hätte jetzt auch keinen Nerv für irgendeine Art der Konversation.
 

In Sasukes Kopf überschlugen sich die Gedanken. Zogen ihn in einen gefährlichen Wirbel, der in die Untiefen seines Bewusstseins führte. Und dort war es dunkel, so dunkel wie im Moment seine Gedanken über den Kaufmann. Am liebsten würde er diese selbstgefällige Ratte umbringen und zusehen, wie sein feistes Grinsen im letzten Augenblick des Begreifens erstarb. Wie seine Augen langsam ihren übereifrigen Glanz verloren und nur noch in Luft starren würden und nicht mehr ihm ins Gesicht. Aber diesen Gedanken durfte er sich nicht hingeben. Er war ein Uchiha und hatte sich zu beherrschen. Sein Clan hatte immer wert darauf gelegt, in der Öffentlichkeit distanziert, aber höflich aufzutreten. Das war Sasuke schon im frühesten Kindesalter eingebläut worden, damit er ja die Uchiha nicht blamierte. Fast schon ironisch, dass der Clan sich um so etwas gesorgt hatte, in Anbetracht der jetzigen Situation. Aber korrektes öffentliches Auftreten war schon immer ein wichtiges Thema gewesen. Fast schon das wichtigste. Sasuke fragte sich, warum die Uchiha davon so besessen gewesen waren. Und obwohl er darum wusste, dass er sich schlichtweg für seine Familie zu beherrschen hatte, war es trotzdem so schwer. Der Besuch auf dem Friedhof hatte ihn alles andere als kaltgelassen. Immerhin führte gerade dieser Tag ihm stets sehr plastisch vor Augen, was er versprochen und immer noch nicht gehalten hatte. Sein geballtes Versagen und seinen gedanklichen Verrat an seiner Familie. Dann hatte ihn auch noch Naruto abgefangen und er hatte wieder einmal die Fassung verloren. Das durfte jetzt nicht passieren.
 

Nicht nur, dass Sasuke den Uchiha-Clan repräsentierte und er auf keinen Fall den Namen seiner Familie beflecken wollte, es konnte für ihn auch gefährlich werden, sich so gehen zu lassen: Wenn dieser Kaufmann sich beschwerte, dann könnten sie ernsthafte Probleme bekommen. Schließlich war nicht klar, ob die Ältesten ihn immer noch aus dem Weg räumen wollten. Wahrscheinlich wollten sie das. Und Naruto war auch nicht unbedingt deren Liebling. Aber Sasuke konnte nicht garantieren, dass er sich diese Unverschämtheiten verpackt in Komplimenten noch lange anhören konnte. Es war schon immer seine größte Schwäche gewesen, dass er sich so schnell reizen ließ. Nur die Erkenntnis darum und die Einsicht in die Umstände der jetzigen Situation ließen ihn sich noch zusammenreißen. Und die Tatsache, dass er seiner Familie nicht noch mehr Schande bereiten wollte. Gedanklich schalt er sich eine Memme. Itachi wäre sicher viel souveräner mit dieser Situation umgegangen. Und was würde sein Vater sagen, wenn er ihn jetzt sehen könnte. Erbärmlich in seinem Zelt verkrochen und in Selbstmitleid versunken. Ärgerlich versuchte er seine Gedanken in eine produktivere Richtung zu lenken, doch diese verweilten bei dem, was ihm momentan der größte Dorn im Auge war - dem Kaufmann Goma Suri.
 

Manchmal hatte er den Verdacht, dass hinter all dem freundlichen Lächeln und all dem bewundernden Getue Goma ihn nur provozieren wollte. Und dann kam der nächste unbedachte Spruch und Sasuke konnte sich nur noch wundern, wie er diesem plumpen Dummkopf auch nur ein Quäntchen Hinterhältigkeit zutrauen konnte. Das setzte immerhin Intelligenz voraus. Er merkte ja nicht einmal, wie beleidigend seine Äußerungen eigentlich waren. Dazu war er wohl zu geblendet von seiner unglaublichen Bewunderung für den Uchiha-Clan. Wo die wohl herkam? So versunken in seine Gedanken, die ihm nicht eine Sekunde Zeit für eine Meditation gelassen hatten, war er kurz überrascht, als Naruto das Zelt öffnete, um ihm mitzuteilen, dass seine Wache angefangen hatte.
 

Kakashi lag in seinem Zelt und dachte ebenfalls nach. Die ganze Situation kam ihm merkwürdig vor. Diese Mission zu so einem ungünstigen Zeitpunkt. Dann musste ausgerechnet sein Team sie ausführen, obwohl viele andere Teams zur Verfügung standen. Die Verbindung zu den Ältesten allein war dem Jounin schon suspekt. Dennoch mahnte er sich selbst, sich nicht in irgendwelche Hirngespinste zu verrennen. Aber dieser Kaufmann...War der wirklich so plump, wie er vorgab? Doch es schien alles zu dümmlich, um wirklich einer Strategie zu folgen. Und wenn ja, welcher? Sasuke gedanklich so abzulenken, dass er bei einem Angriff nicht entsprechend reagieren konnte? Dafür waren ja immer noch drei andere Mitglieder im Team. Was sollte das alles also bringen? Ihrem Auftraggeber musste doch, selbst wenn er rücksichtloserweise die Wut des Uchihas auf sich ziehen wollte, klar sein, dass sein Team niemals zulassen würde, dass Sasuke dazu kam, irgendetwas Dummes zu tun. Kakashi musste wieder einmal zu dem Schluss kommen, dass all das Grübeln auch nichts brachte. Er würde schlichtweg die Augen offenhalten müssen. Und damit würde er jetzt anfangen, denn inzwischen war es Zeit für seine Wache.
 

Als der Jounin das Zelt verließ, erblickte er Sasuke, welcher in der Mitte des Lagers saß und meditierte. Nein, er meditierte nicht. Er hatte zwar die entsprechende Haltung eingenommen, aber ein paar entscheidende Dinge waren anders. Sasukes Gesicht war nicht entspannt und seine Hände lagen nicht flach ineinander, sondern zu Fäusten geballt in seinem Schoß. Da war absolut keine Einheit von Körper und Geist zu fühlen. Wenn Kakashi bei diesem Anblick etwas spüren konnte, dann war es ein aufziehendes Gewitter, was von der schwülen Abendatmosphäre noch unterstrichen wurde. Als er sich neben seinen Schüler setzte, öffnete dieser die Augen und fixierte ihn, als hätte er schon eine Weile auf Kakashi gewartet. Sasuke holte tief Luft und sagte etwas, das den Jounin zutiefst überraschte.
 

"Sensei, wenn ich versuche, irgendeine Dummheit zu begehen, müssen Sie mich um jeden Preis aufhalten." Das musste Sasuke eine Menge Überwindung gekostet haben, schließlich gab er damit zu, sich nicht mehr hundertprozentig unter Kontrolle zu haben. Kakashi nickte ihm einfach nur bestätigend zu, da sich das für ihn von selbst verstand.
 

"Ist es so schlimm?" Der Uchiha wandte den Blick wieder ab. Ein deutliches Zeichen dafür, dass das Thema ihm äußerst unangenehm war.
 

"Ist das eine Falle, was meinen Sie?" Sasukes Ablenkungsmanöver waren auch schon mal besser gewesen, aber im Grunde hatte Kakashi seine Antwort schon bekommen.
 

"Wieso fragst du? Weil du dich besser fühlen würdest, wenn du einen Schuldigen ausschaltest?"
 

"Möglich." Diese kalte Wut machte Kakashi wirklich Sorgen. Wie konnte Sasuke bei so einer Antwort so ruhig bleiben, obwohl er sichtlich aufgewühlt war?
 

"Das solltest du nicht mal denken." Sasuke atmete hörbar aus.
 

"Ich weiß."
 

"Trotz deiner Aggression hältst du dich erstaunlich gut unter Kontrolle. Sasuke, ich bin stolz auf dich", meinte Kakashi und lächelte seinem Schüler wieder auf die ihm typische Art zu. Sasuke schaute ihn nur eine Weile an, darum bemüht, sein Erstaunen nicht nach außen dringen zu lassen. Es waren Worte, die er früher gern von seinem Vater gehört hätte. Doch dieser Wunsch hatte sich nie erfüllt. Das hätte er auch nicht, wenn Itachi seine Familie nicht umgebracht hätte. Ein Uchiha vollbrachte keine außergewöhnlichen Leistungen. Er funktionierte und erfüllte Erwartungen. Und wenn Erwartungen erfüllt wurden, dann war sein Vater zufrieden, aber nicht stolz. Es war eben nichts Besonderes. Es war die Norm. Diese ersehnten Worte nun von seinem Sensei zu hören, war zwar etwas Anderes, aber dennoch konnte Sasuke nicht verhindern, dass in seinem Inneren eine sanfte Wärme aufwogte. Er wandte den Blick ab, als ihm bewusst wurde, dass sein Starren womöglich doch noch seine Überraschung offenbaren konnte.
 

"Willst du nicht in dein Zelt gehen und dich noch ein bisschen ausruhen?"
 

"Nein, ich...bleib lieber hier." Kakashi wusste nicht, was Sasuke dazu bewog, so zu handeln, aber er fühlte sich geschmeichelt. Und anscheinend hatte seine Versicherung, im Notfall einzugreifen, seinen Schüler ein wenig beruhigt, denn dieser war schon wenige Augenblicke später in einer tiefen Meditation versunken. Das war ein Schritt in die richtige Richtung. Augenscheinlich vertraute ihm Sasuke mittlerweile wesentlich mehr, sonst wäre er nicht so gnadenlos ehrlich gewesen. Vielleicht konnte Kakashi es demnächst wagen, die Probleme des Uchihas ansprechen. Oder das, von dem er vermutete, dass es seine Probleme waren.
 

Sasuke hingegen wunderte sich, dass er plötzlich doch in der Lage war, sich in einen meditativen Zustand zu versetzen, nachdem er es zwei Stunden lang vergeblich versucht hatte. Lag das daran, dass Kakashi neben ihm saß? Oder an seiner Versicherung, ihn im Notfall zu stoppen? Bestimmt lag es nur an letzterer, versicherte Sasuke sich selbst. Er würde es nicht mehr zulassen, dass eine vertraute Präsenz ihn zu sehr in Sicherheit wiegte. Diesen Fehler würde er nie wieder begehen.
 

~*~
 

Sasuke war so tief in seine Meditation versunken, dass er fast schon erschrak, als Kakashi ihn leise ansprach. Es war Zeit, die anderen zu wecken. Sicher würde der träge Kaufmann eine Weile brauchen, bis er bereit war aufzubrechen. Der Jounin musste sich ein Grinsen verkneifen, als Sasuke ein Zusammenzucken unterdrücken musste, weil er ihn so unvermittelt angesprochen hatte. Schärfte diese Meditation nicht seine Sinne? Dann sollte er doch höchst aufmerksam gewesen sein. Stattdessen hatte er sich so verloren, dass er seine Umgebung nicht mehr wahrgenommen hatte. Das hatte Kakashi schon eine Weile vorher feststellen können, als es im Gebüsch raschelte und der Uchiha nicht im Ansatz reagierte. Es musste einfach so sein, wie er vermutete: Sasuke baute allmählich wieder ein richtiges Vertrauensverhältnis zu ihm auf. Zeit für diese positiven Gedanken hatte er nicht lange, denn schon bewegte sich der Kaufmann ächzend aus seinem Zelt.
 

"Ah, eine viel zu kurze Nacht, nicht wahr?", sprach Goma und schaute müde in die Runde. Die beiden Wachhabenden sahen sich nur kurz mit einem Ist-dem-klar-dass-er-gerade-mit-den-Nachtwachen-spricht-Blick an und beschieden sich mit einem knappen Nicken in seine Richtung, was den Kaufmann sein Gesicht enttäuscht verziehen ließ.
 

"Uchiha-san, heute so schweigsam? Ich hatte gehofft, unser Gespräch von gestern fortsetzen zu können." Wohl eher Monolog... Sasuke schaffte es, dass seine abfällige Haltung sich nicht einmal im Ansatz in seinem ausdruckslosen Gesicht widerspiegelte. Mit ruhiger Stimme versicherte er, dass das kein Problem sein dürfte, da Kakashi ihm bereits gesagt hatte, dass sie die Formation von gestern beibehalten würden. Mit welchem Wortlaut, das behielt der Uchiha lieber für sich und atmete innerlich auf, als sich Goma in der Mitte des Lagers platzierte und seine Diener rief, die ihm umgehend sein Essen brachten. Das gab Sasuke Zeit, das Vorhaben, welches er seit geraumer Zeit vor sich herschob, in die Tat umzusetzen. Er hatte gestern, als er tatsächlich die Nerven verloren und einmal hart auf einen Baum eingeschlagen hatte, gemerkt, dass sein linker Arm weit davon entfernt war, richtig abzuheilen. Er musste Sakura um Hilfe bitten, obwohl es ihm zuwider war, von jemandem abhängig zu sein. Doch so konnte und wollte er die Mission nicht fortführen. Zu präsent waren ihm die Bilder der letzten Mission. Also ging er zu dem entsprechenden Zelt und rief Sakura kurz, damit sie vorgewarnt war. Als sich ihr Zelt öffnete, sah die Kunoichi von ihrem Medizinbuch hoch, das sie auf ihrem Schoß ausbalancierte und blickte erstaunt zum Eingang.
 

"Sa-, Sasuke-kun?", fragte sie und schalt sich in Gedanken für ihr Stottern. Was musste er von ihr halten?
 

"Kann ich reinkommen?" Sakura konnte es mit aller Willenskraft nicht verhindern, dass ihre Wangen einen zarten Rosaton annahmen. Sie versuchte sich daran zu erinnern, dass das hier eine Mission war und ihr Teamkollege sicher keine romantischen Absichten hatte.
 

"Natürlich. Was möchtest du?"
 

"Kannst du blind Wunden heilen?" Jetzt konnte die Kunoichi wirklich nicht anders, als Sasuke verdattert anzustarren. Was war denn das für eine Frage?
 

"Ich, ähm, das hab ich noch nie versucht. Ich könnte gar nicht einschätzen, wann die Wunde geheilt ist und ich aufhören kann, Chakra hineinzuleiten."
 

"Und wenn ich es dir sage?" Sakura war diskret genug, nicht nachzufragen, was Sasuke ihrem Blick vorenthalten wollte. Es war ihm sicher nicht leicht gefallen, sie aufzusuchen, denn schon allein mit der Frage gab er zu, ihr etwas zu verheimlichen. Stattdessen zog sie überlegend die Stirn kraus und ließ den Uchiha an ihren Gedankengängen teilhaben.
 

"Das wäre möglich, wenn ich das Chakra nur durch meinen Finger leite. Dann könnte ich präziser arbeiten. Das habe ich aber auch noch nie probiert", warnte Sakura ihren Patienten.
 

"Ich übernehme die volle Verantwortung."
 

"Ich könnte dich aber auch weiter verletzen, willst du das wirklich riskieren?" Sasuke sagte nicht und sah sie nur an. Obwohl er keine Emotion in seinem Blick zuließ, erkannte Sakura, wie ernst es ihm war.
 

"Na gut. Wo befindet sich die Verletzung und welcher Art ist sie?" Die Kunoichi schien in ihrem Element zu sein, da sie in eine Art Arztsprache verfiel. Sasuke kam nicht umhin, ihre Zielgerichtetheit zu bewundern. Selbst auf einer Mission beschäftigte sie sich noch mit Medizin und konnte auf Knopfdruck professionell arbeiten. Er hatte wesentlich mehr Zögern erwartet.
 

"Sie ist an meinem linken Unterarm. Genauer gesagt, sind es zwei Kunaischnitte." Sakura fragte nicht nach, wie er sich diese zugezogen hatte. Stattdessen schloss sie ihre Augen und hielt ihm die linke Hand mit der Handfläche nach oben hin. Sasuke verstand. Er wickelte die Bandage ab, schaute noch einmal prüfend in das Gesicht ihm gegenüber und legte dann seinen Unterarm in Sakuras ausgestreckte Hand. Die Kunoichi streckte ihm nun die Rechte entgegen.
 

"Du musst meinen Finger führen. Leg ihn direkt an den Anfang der Wunde und führe ihn die Wunde entlang, wenn du siehst, dass sie sich schließt." Sasuke bestätigte, dass er verstanden hatte, nahm die Hand und führte sie so, dass der gestreckte Zeigefinger auf der geforderten Stelle zum Liegen kam.
 

"Du kannst anfangen." Sakura nickte, atmete noch einmal kurz durch und leitete heilendes Chakra in ihren Finger. Es war ein merkwürdiges Gefühl und das nicht nur, weil sie gerade völlig ohne etwas zu sehen eine Verletzung heilte. Der noch immer verliebte Teil von ihr jubilierte, dass sie gerade quasi mit Sasuke Händchen hielt. Ärgerlich schob der professionelle Teil diese lästigen Gedanken beiseite. Das war nicht der Zeitpunkt für Schwärmereien.
 

Sasuke führte ihren Finger und sagte irgendwann, dass sie aufhören könne. Sie nickte, wartete, bis er ihren Finger erneut positioniert hatte und begann dieselbe Prozedur von vorn. Eine kurze Weile später war es geschafft, doch Sakura öffnete ihre Augen nicht, was der Uchiha ihr hoch anrechnete. So hatte er Zeit, die Bandage in Ruhe wieder anzulegen. Nachdem das geschafft war, sagte Sasuke ihr, dass sie die Augen wieder öffnen könne. Sie blickte in ein dankbares Gesicht.
 

"Danke, Sakura", sagte ihr Immer-noch-Schwarm und sie hatte das Gefühl, dass das nicht nur auf die Heilung bezogen war...

Tiefenrausch

Sasuke war nicht entgangen, dass Kakashis Augen einen Hauch von Stolz widerspiegelten, als er ihn beim Verlassen von Sakuras Zelt kurz ansah. Hatte er etwas mitbekommen? Die Zelte sind nicht unbedingt schalldicht, du Idiot., rügte sich der Uchiha in Gedanken. Schnell wandte er den Blick ab und öffnete und schloss probehalber zweimal kräftig seine linke Hand. Das fühlte sich ohne die beiden allgegenwärtigen Kunaischnitte doch sehr viel besser an. Nun würde er wenigstens keinen Schwachpunkt mehr im Team darstellen. Noch besser fühlte es sich allerdings an, dass sein Team sehr vertrauenswürdig war. Sakura hatte ihn nicht enttäuscht, als er sich zwangsweise an sie hatte wenden müssen. Und schon wieder war er dabei, sich in seinen Gedanken zu verlieren. Das hier war eine Mission und kein Spaziergang im sicheren Konoha - hier musste er wachsam sein. Deshalb zwang er sich in die Realität zurück, indem er von dem überwucherten Boden aufsah und erblickte dabei Naruto, der vollkommen verschlafen aus seinem Zelt stolperte. Diesen Anblick schien Goma zum Anlass zu nehmen, sich einmal mehr über den Chaosninja zu mokieren - etwas, das er schon seit dem Beginn der Reise ohne Unterlass tat. Vielleicht wollte er mit dieser speziellen Tirade aber auch nur seine eigene Müdigkeit kompensieren.
 

"Was für ein erbärmlicher Anblick. Sieht so ein ehrenhafter Ninja aus? Du würdest doch einen Angriff nicht einmal bemerken, wenn du schon mit aufgeschnittener Kehle am Boden liegen würdest", regte sich der Kaufmann auf. Naruto, noch halb verschlafen, wurde sich nicht gleich bewusst, wer vor ihm stand. Statt wie gewohnt zu duckmäusern, moserte er reflexartig zurück.
 

"Und ob ich ein ehrenhafter Ninja bin! Und ich werd mal Hokage werden, echt jetzt!" Zornig blitzten seine blauen Augen auf. Doch dann schmolz Erkenntnis den Zorn und wurde anschließend von Schrecken ersetzt, was Goma natürlich zur Kenntnis nahm. Gehässig grinste er, da ihm seine Machtposition durchaus bewusst war.
 

"Du willst Hokage werden?! Das ist doch nicht dein Ernst!", meinte er spöttisch, als wäre das eine absolut absurde Idee. Naja, für einige war es das auch, aber nicht für den Blondschopf, der versuchte, seine Wut im Zaum zu halten.
 

"Natürlich ist das mein Ernst!", rief Naruto aufgebracht. Er dachte nicht daran, seinen Traum zu verleugnen. Nicht einmal vor diesem aufgeblasenen Wichtigtuer, dem er eigentlich freundlicher gegenübertreten sollte.
 

"Mach dich nicht lächerlich. Du bist immer noch ein Genin und das in deinem Alter! Du wirst dein Ziel niemals erreichen!" spie Goma zurück.
 

"Du bist immer noch ein Genin und das in deinem Alter!"
 

"Als Itachi in deinem Alter war, ist er schon lange Anbutruppenführer gewesen."

"Du wirst dein Ziel niemals erreichen!"

"Du bist schwach. Warum bist du so schwach?"
 

"Ich würde es keinen Traum nennen, aber ich habe ein Ziel."
 

Es ist mein Schicksal. In diesem Moment fühlte er das gesamte Gewicht des Clans auf seinen Schultern lasten, während er selbst krampfhaft versuchte, die tobende Wut in ihm zu unterdrücken. Sasuke spürte, wie der Zorn in ihm in einem ungesund schnellen Maß wuchs und der anschwellende Hass verlockte ihn dazu, dieser Wut freien Lauf zu lassen. Was dachte sich dieser arrogante Fettwanst, der selbst wahrscheinlich nicht einmal ein Shuriken werfen konnte? Wie konnte er Naruto kritisieren, wo er überhaupt keine Ahnung hatte, wie sehr dieser sich bemühte, sein Ziel zu erreichen? Doch diese letzte Äußerung von Goma hatte ihn auch persönlich getroffen, wie er sich eingestehen musste. Fast hätte er Narutos Namen durch seinen eigenen ersetzen können. Doch es gab noch einen Unterschied. Es war ihm egal, welchen Rang er hatte. Für ihn zählte nur wahre Stärke. Doch an Naruto nagte es ein wenig, dass er und Sasuke die letzten verbliebenen Genin ihrer Altersstufe waren, das hatte er ihm in einer ruhigen Minute einmal erzählt.
 

Aber der andere Satz, der traf. Traf zielsicher und hart. Noch immer hallte er im Kopf des Uchihas nach. Du wirst dein Ziel niemals erreichen! Und das mit einer tödlichen Sicherheit ausgesprochen, als wäre es ein unumgänglicher Fakt. Sasuke wusste nicht, warum er sich so sehr angesprochen fühlte, warum er sich auf so ungerechtfertigte Weise angegriffen fühlte, aber er wusste eines: Er würde niemanden Narutos Ziel in den Schmutz ziehen lassen, das ihm nun ebenso unerreichbar schien wie sein eigenes. Und diese vermeintliche Wahrheit laut ausgesprochen von diesem Emporkömmling, den sie unglücklicherweise zu beschützen hatten, das war zu viel, um es schweigend ertragen zu können. So beschloss Sasuke, gegen das Pochen in seinen Augen nicht mehr anzukämpfen und drehte sich mit tödlicher Ruhe zu dem Unruhestifter um, auf dem im Moment das Augenmerk aller Beteiligten lag.
 

"Suri-san." Wenn der schneidend kalte Ton dem Angesprochenen keine Gänsehaut auf die Haut beschwor, dann taten es die leuchtend roten Augen mit Sicherheit, denn sie glühten bedrohlich und strahlten einen unglaublichen Hass aus. Naruto und Sakura erschraken. Ebenso Kakashi. Es war derselbe Blick, mit dem Sasuke bei der letzten Mission Gai taxiert hatte, wie der eines lauernden Tieres, das mit tödlicher Entschlossenheit seine Beute betrachtete, zum Angriff bereit. Ein Tier, das nicht spielen, sondern morden wollte. Nur dieses Mal verschwand der Ausdruck nicht, er blieb. Er blieb und bohrte sich in die Augen des Kaufmanns.
 

"Sie kennen Naruto nicht und haben kein Recht, über ihn zu urteilen. Und wenn der Anstand schon nicht Ihr loses Mundwerk zügelt, dann sollte es die rationale Überlegung, dass man seine Beschützer lieber nicht beleidigen sollte. Sonst hält sich im Ernstfall vielleicht deren Euphorie in Grenzen, ihrer Pflicht wirklich nachzukommen." Egal, wie sehr Kakashi versuchte, es zu leugnen, er konnte nur Orochimaru sprechen hören. Diese subtile Drohung, die doch so offensichtlich war, das war ganz Orochimarus Stil. Oh Sasuke, wie viel von Orochimaru steckt wirklich in dir?
 

"W-war das eine Drohung, Uchiha-san?" Sasuke sah ihn an und hatte ein Grinsen im Gesicht, das einem das Blut in den Adern gefrieren lassen könnte.
 

"Nennen wir es eine Warnung. Drohung ist so ein hässliches Wort." Der Kaufmann nickte ängstlich und wandte sich ab. Kakashi runzelte die Stirn. Es war, als hätte man einen Schalter umgelegt. Das gefiel ihm überhaupt nicht.
 

~*~
 

Den halben Tag waren sie nun schon unterwegs und Goma hatte noch kein Wort an Sasuke gerichtet. Er beließ es bei ängstlichen Seitenblicken. Plötzlich schien ihm die Nähe zu dem letzten für ihn erreichbaren Uchiha nicht mehr so recht zu sein. Das überraschte jedoch keinen in der Gruppe. Nicht nur, dass dem Kaufmann immer noch die vermeintliche Warnung in den Knochen saß, nein, deren Urheber umgab immer noch eine gefühlte rabenschwarze Gewitterwolke. Dennoch strahlte er keine merkwürdig gelassene Bösartigkeit mehr aus, sondern puren, aufwallenden Zorn. Kakashi hatte die Befürchtung, dass sich Sasuke gedanklich in irgendetwas hineinsteigerte und hoffte schon fast auf einen Angriff, damit der Uchiha sich abreagieren konnte. Der Jounin war kurz davor gewesen, ihn zur Rede zu stellen, nachdem er ihrem Klienten gegenüber derart ausfällig geworden war, doch dann hatte er sich die Worte Gomas, die der Auslöser für die Eskalation gewesen waren, noch einmal durch den Kopf gehen lassen. Du wirst dein Ziel niemals erreichen!
 

Wenn Kakashis Vermutung stimmte, dann zweifelte Sasuke ohnehin schon ernsthaft daran, dass er seinen Bruder töten konnte, da er ihn wiederhaben wollte - ein Gefühl, das Sasuke als verwerflich einstufen würde. All diese Gedanken zwangen ihn höchstwahrscheinlich in enorme Schuldgefühle. Da war diese Äußerung - es würde sein Ziel nie realisieren können - wahrscheinlich das Bitterste, was man ihm entgegenschleudern konnte. Doch war es nicht einmal an ihn gerichtet gewesen und das bewies, wie labil der Uchiha derzeit war. Eine Konfrontation wäre in dem Augenblick das denkbar Ungünstigste gewesen. Daher hatte Kakashi sich entschlossen, einfach nur zum Aufbruch zu rufen und seinem Sorgenkind einen warnenden Seitenblick zuzuwerfen. Sasuke schien nicht sehr beeindruckt und Kakashi wappnete sich im Stillen für ein paar Aktionen, von denen er inständig hoffte, sie nicht durchführen zu müssen. Doch eines war für ihn klar: Er würde Sasukes Bitte nachkommen und ihm im Ernstfall aufhalten, egal mit welchen Mitteln.
 

Der Wald wurde allmählich unwegsamer. Was vor einer Stunde noch als Weg hätte durchgehen können, versiegte nun in einer Mischung aus nahezu undurchdringbarem Grün und Morast, was sich durch ein schmatzendes Geräusch bemerkbar machte, sobald sich ein Fuß von Boden abhob. Nicht selten stolperte jemand aus der Gruppe, weil sich entweder das hohe Gras oder eine der zahlreichen Schlingpflanzen um die Füße und Knöchel schlangen wie die unnachgiebigen Hände eines Ertrinkenden. Leider war das der direkteste Weg und sehr weit war es nicht mehr bis zu dem Dorf. Noch etwa einen Tag würden sie in dieser sengenden Junihitze unterwegs sein, wenn sie keine Rast mehr einlegen würden. Leider war das nicht möglich, aber das lag nicht einmal daran, dass sich Zivilisten in ihrer Gruppe befanden, denn die Diener Gomas schleppten tapfer das Gepäck vor sich hin und hatten noch keinen Laut der Beschwerde von sich gegeben. Nein, es lag ausschließlich an dem Kaufmann, der sicher bequemere Arten des Reisens gewohnt war. Er wollte ja unbedingt auf dem direktesten Weg zu dem Dorf. Selbst schuld., amüsierte sich Kakashi in Gedanken, als ihn ein lauter Knall und Sakuras Schrei abrupt in die Realität zurückholten. Geistesgegenwärtig zog er ein Kunai und schoss an die Spitze, um seine Schülerin, die sich gerade eine Brandwunde am Arm heilte, zu fragen, was passiert war. Dabei hatte er Sasuke und Naruto durch ein Kopfnicken verständlich gemacht, dass sie nun auch den Bereich überwachen mussten, den vorher ihr Sensei übernommen hatte. Man konnte sich in unbekanntem Gelände keine Unaufmerksamkeit leisten. Ein Gedanke, der sich nur wenig später als allzu wahr herausstellen sollte.
 

"Brandbomben!", rief die Kunoichi und machte sich bereit, Goma und seine Diener zu beschützen, die sich nervös umblickten. Da sich die Aufmerksamkeit aller nach vorn richtete, bemerkte zunächst niemand, wie Naruto angegriffen wurde, der, ebenso wie Sasuke, auf seinem Posten geblieben war, um das Ende und die Spitze der Gruppe im Auge behalten zu können. Shuriken prasselten wie metallener Hagel auf ihn ein, doch er schaffte es, ihnen auszuweichen. Allerdings landete er bei einem Sprung nach hinten in einem Sumpfloch und in Erkenntnis weiteten sich seine Augen. Das waren dieselben Ninja, von denen sie bei der letzten Mission schon angegriffen worden waren. Die Attentäter! Dann würde sich jetzt vielleicht endgültig herausstellen, auf wen sie es denn nun wirklich abgesehen hatten. Naruto musste sich beeilen und den anderen helfen. Er versuchte Chakra zu konzentrieren um damit Bunshin zu beschwören, die ihm aus diesem vermaledeiten Loch befreien konnten. Aber...es funktionierte nicht! Er konnte kein Chakra mehr konzentrieren! Lag das an dem Matsch, der unnachgiebig seinen Knöchel umschloss? Deshalb konnte sich Sakura-chan wahrscheinlich auch nicht selbst von dem Baum befreien. Mist!
 

Sakura und Kakashi bot sich inzwischen ein völlig anderes Bild - eines der völlig entfesselten Wut. Sasuke kämpfte mit zwei bekannten feindlichen Ninjas und bewegte sich mit einer Geschwindigkeit, die es ihm ermöglichte, mit einem Schwert gegen zwei Kurzschwerter anzukommen. Es war völlig anders als bei dem ersten Angriff der Attentäter. Diesmal war Sasuke in der Offensive und er war schneller denn je. Wie ein schwarzer Blitz fegte er zwischen den Feinden umher. Dazu war er aber auch gezwungen, denn seine Feinde konnte man auch nicht gerade als langsam bezeichnen. Kakashi und Sakura hätten sich sehr konzentrieren müssen, dem Kampf überhaupt zu folgen, hätten sie nicht die Umstände dazu gezwungen, sich davon abzuwenden. Sasuke kam momentan sehr gut allein zurecht, Naruto jedoch nicht. Aber er hatte es auch mit drei Gegnern auf einmal zu tun. Augenscheinlich war der erste Angriff auf Sakura nur ein Ablenkungsmanöver gewesen. Als das Bein des Chaosninjas schließlich von klebrigem Morast gefangen worden war, hatte er um Hilfe geschrien und so die Aufmerksamkeit zweier seiner Verbündeter auf sich gelenkt. Kakashi und Sakura schafften es gerade noch, die anderen Gegner von Naruto abzulenken, als der einzige Jounin im Team eine entsetzliche Entdeckung machte. Er schätzte kurz die Lage ein und gab ein resigniertes Murren von sich. Es war der einzige Weg.
 

"Sasuke! Kannst du dich von deinen Gegnern loseisen?", schrie er in Richtung seines Schülers. Der Uchiha antwortete mit einem Rundumschlag, der einen seiner Gegner entwaffnete. Kakashi fasste das als Ja auf.
 

"Unser lieber Freund hat es wohl mit der Angst zu tun bekommen. Kannst du dich darum kümmern?", fragte Kakashi ein wenig verschleiert, weil er die direkte Aufmerksamkeit der Feinde nicht unbedingt auf die Person lenken wollte, die es um jeden Preis zu beschützen galt. Weit konnte er noch nicht gekommen sein. Sasuke preschte erneut hervor und schickte seinen unbewaffneten Gegner mit einem harten Schlag in eine gnädige Ohnmacht. Dann löste er sich in Flammen auf und verschwand so aus dem Blickfeld aller Kämpfenden. Ein paar Meter von dem Schauplatz des Angriffs entfernt tauchte er wieder auf und verfluchte diese nutzlose Person dafür, dass sie kein nennenswertes Chakra hatte. Schnell beschwor er Kibou und übertrug sein Sharingan auf ihn. Das würde schneller gehen, da er sofort selbst sehen konnte, in welche Richtung er musste. Sein Falke war auch schnell wieder da und der Uchiha machte sich schleunigst auf den Weg. Er hatte sich glücklicherweise schon in die richtige Richtung teleportiert. Trotzdem hoffte ein Teil in ihm, dass ein Feind ihm zuvorkommen und Goma erwischen würde. Das durfte er als Ninja nicht denken, aber momentan konnte er dafür nicht einmal Reue empfinden.
 

Auf einer Lichtung fand er die gesuchte Person schließlich, aber in keiner Konstellation, die er erwartet hatte. Misstrauisch versuchte er, alle Einzelheiten seiner Umgebung aufzunehmen, um die Lage einschätzen zu können. Schlau wurde er aus der Situation trotzdem nicht. Goma stand da, flankiert von seinen Dienern, und schien auf ihn zu warten. Das war aber nicht der irritierendste Aspekt, sondern der Gesichtsausdruck des Kaufmanns, der nach seiner Flucht nicht etwa wie zu erwarten ängstlich, sondern höhnisch war.
 

"Meine Güte, für einen Uchiha hast du aber lange gebraucht." Den spöttischen Ton und die Wortwahl hätte Sasuke nicht mehr gebraucht, um festzustellen, dass hier etwas ganz und gar nicht stimmte. Trotz der Vorsicht, die ihm sein Kopf anmahnte, rief sein Herz in tosendem Zorn zum Angriff gegen diesen eingebildeten Lackaffen, der es immer noch wagte, sich über ihn lustig zu machen. Diesmal allerdings nicht versteckt, sondern völlig offen. Und der Kaufmann grinste triumphierend, als ihn erneut zwei hasserfüllte Sharinganaugen fixierten.
 

~*~
 

Er musste sich zwar auf die Feinde vor ihm konzentrieren, aber ein Teil von Kakashis Gedanken war weit von dem Kampf entfernt. Er hatte gerade den Menschen, der Goma wohl am meisten hasste, ebendiesem hinterhergeschickt, um ihn zu beschützen. Die Ironie schlug ihm fast schon ins Gesicht. Hoffentlich tat Sasuke dem Kaufmann in seiner Wut nichts. Einen Auftraggeber absichtlich zu verletzen, war ein schweres Verbrechen - es war gleichzusetzen mit dem Angriff auf einen Bewohner Konohas und wurde wie Verrat gehandhabt. Der Jounin würde wohl an seinem Verstand zweifeln, hätten ihn nicht die Umstände zu dieser Entscheidung gezwungen. Naruto steckte immer noch fest und war damit beschäftigt, irgendwie sein Bein aus dem Morast zu ziehen und er und Sakura waren in einen Kampf gegen drei Gegner auf einmal verwickelt. Sasuke jedoch hatte bewiesen, dass er es in seinem momentanen Zustand locker mit seinen zwei Gegnern aufnehmen konnte und ganz ernsthaft schienen diese auch nicht gegen ihn gekämpft zu haben.
 

Sakura schien sich wohl auch Sorgen zu machen, denn sie legte sich ebenso wie ihr Sensei ins Zeug, um den Kampf möglichst schnell zu beenden. Dennoch dauerte dies eine ganze Weile, da sich der von Sasuke vernachlässigte zweite Gegner eilig seinen Kameraden angeschlossen hatte. Letztendlich hatten sich die Fünf aber trotz Überzahl in die Flucht schlagen lassen. Ein weiterer verdächtiger Aspekt. Kakashi beschwor Pakkun und schickte ihn auf Sasukes Fährte. Eigentlich wäre es sinnvoller gewesen, an Ort und Stelle auf die Wiederkehr der Vermissten zu warten, dessen war sich Kakashi bewusst. Aber ein nagendes Gefühl ließ ihn den Gedanken nicht abschütteln, dass irgendetwas absolut nicht stimmte.
 

Als sie endlich die richtige Lichtung betraten, hasste es Kakashi, dass seine Vorahnungen sich meistens bestätigten. Denn was die drei Neuankömmlinge dort erblickten, ließ sie die Augen vor Entsetzen weiten. Da war Shizunes Team. Raidou und Genma hielten einen blutbesudelten Sasuke mit den Armen auf den Rücken gedreht gefangen. Shizune und Tatami knieten neben einer am Boden liegenden Person, für die offensichtlich jede Hilfe zu spät kam, da sich ihr eigenes Blut bereits in einer riesigen Lache um sie herum verteilte. Es war der Kaufmann Goma Suri mit einem verdächtig bekannt aussehenden Loch in der Brust...
 

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Den Titel des Kapitels hab ich mir von einem Lied meiner Lieblingsband ASP geborgt, denn zwei ganz bestimmte Strophen zogen in meinen Kopf beim Schreiben dieses Kapitels fröhlich ihre Kreise:
 

Wie kannst du wahrhaftig sein

wenn die Zweifel dich zerfleischen

und wie hören und verstehen

wenn ewig die Dämonen kreischen?
 

Wie willst du rein und gut sein

wenn der Teufel in dir wohnt

wie willst du aufrecht leben

wenn du weißt, dass es nicht lohnt?
 

Und der Teufel kann hier sinnbildlich ja für so Vieles stehen...^^

Misstrauen

Kakashi erlaubte sich, kurz die Augen zu schließen, um seine Verzweiflung, seine...Enttäuschung? nicht durch seine Augen nach draußen dringen zu lassen. Oh, bitte nicht. Bitte sagt mir, dass er nicht die Kontrolle verloren hat.
 

"Die Wunde hat ihn sofort getötet und weist starke Verbrennungen an den Rändern auf. Sieht wie eine typische Chidoriverletzung aus, Kakashi", sagte Shizune leise, doch vernehmlich. Wie um noch Salz in die Wunde zu reiben, hielt sie Chakrapapier an die Wunde, um die Art der Chakrareste zu bestimmen. Das Papier zerknitterte und zerstörte damit seine letzte Hoffnung. Sasuke, warum? Du kennst doch die Konsequenzen. Und ich konnte dich nicht aufhalten, dabei habe ich es dir doch versprochen. Schuld traf ihn wie ein Vorschlaghammer und er hatte alle Mühe, seinen neutralen Gesichtsausdruck zu wahren und die Erinnerungen an alte, schmerzliche Zeiten zu verdrängen. Er sah Sasuke an und als ob er es spürte, hob der Uchiha seinen Blick und musterte seine Teamkameraden. Kakashi war es, als ob ein Funken, der kurz vorher noch in den rabenschwarzen Augen blitzte, unwiederbringlich erlosch. Wieso war dieser Blick plötzlich so...tot? Bereute er seine Tat schon? Doch auch Kakashi bereute einiges. Noch vor ein paar Stunden war er so stolz auf seinen Schüler gewesen, dass dieser seinem Team offenbar mehr vertraute, dass er sich ihnen wieder näherte. Wie konnte es nur plötzlich so weit kommen? Andererseits, das war ihm auch klar, durfte man Sasuke in seiner Wut niemals unterschätzen. Und auch nicht die Einflüsse Orochimarus.
 

"Jemand muss Suri-sans Geschäftspartner benachrichtigen, dass er nicht mehr eintreffen wird. Wir sind auf dem Rückweg von einer Mission, also..." Als Assistentin der Hokage wusste Shizune selbstverständlich über die Mission von Team 7 Bescheid. Kakashi erwachte aus seiner Starre und rief sich selbst zur Ordnung.
 

"Das werden wir übernehmen, das Dorf war ohnehin unser Ziel. Wir werden umgehend wieder zurückkommen, berichtest du inzwischen der Hokage?" Shizune nickte und zu mehr hatte sie auch keine Gelegenheit, denn Naruto begann, lautstark zu protestieren.
 

"Kakashi-Sensei, das geht nicht! Wir können sie Sasuke doch nicht abführen lassen wie einen Verbrecher! Ich gehe mit, das lasse ich nicht zu, ich-"
 

"NARUTO!", herrschte Kakashi ihn an. Naruto schwieg verdutzt, denn solche Ausfälle war er von seinem Sensei nicht gewohnt. "Wir haben unter den gegebenen Umständen keine andere Wahl. Und jetzt komm und lass Shizune und ihr Team ihre Arbeit machen. Je eher wir aufbrechen, desto eher sind wir wieder in Konoha." Der Ton war so endgültig, dass Naruto kein weiteres Widerwort wagte. Er blickte traurig zu Boden und folgte Kakashi und Sakura, die der schockierenden Szenerie bereits den Rücken zugewandt hatten.
 

~*~
 

Das ist doch verdammte Ironie., dachte Sasuke nicht einmal einen Tag nach seinem vermeintlichen Mord an dem Kaufmann zurück in Konoha. Er lehnte mit dem Rücken an der Wand derselben Zelle, die er schon einmal hatte "bewohnen" dürfen. Und jener Gedanke traf nicht nur auf seine Zelle zu, sondern auch auf die gesamte Situation. Zweimal auf Mission gewesen, zweimal reingelegt und zweimal deswegen eingesperrt worden. Am meisten ärgerte Sasuke sich aber über sich selbst. Hatte er sich nicht geschworen, niemals wieder einen Gegner zu unterschätzen? Nie wieder zu arrogant zu sein? Und jetzt war er wieder hier, weil er jemanden gnadenlos unterschätzt hatte. Wenn er an die Situation zurückdachte, schüttelte es ihn jetzt noch vor Wut. Nicht, dass er sich in seiner Zelle zurückhalten musste, hier war niemand, der ihn sehen konnte. Und auch er konnte niemanden sehen, denn natürlich hatte er wieder die Augenbinde umbekommen. Ebenso wie Tsunades geliebte Chakrafänger. Mit gezwungenermaßen geschlossenen Augen sah er die Geschehnisse noch einmal wie einen Film vor seinem geistigen Inneren ablaufen.
 

"Meine Güte, für einen Uchiha hast du aber lange gebraucht." Den spöttischen Ton und die Wortwahl hätte Sasuke nicht mehr gebraucht, um festzustellen, dass hier etwas ganz und gar nicht stimmte. Trotz der Vorsicht, die ihm sein Kopf anmahnte, rief sein Herz in tosendem Zorn zum Angriff gegen diesen eingebildeten Lackaffen, der es immer noch wagte, sich über ihn lustig zu machen. Diesmal allerdings nicht versteckt, sondern völlig offen. Und der Kaufmann grinste triumphierend, als ihn erneut zwei hasserfüllte Sharinganaugen fixierten.
 

"Was wird das hier?", herrschte Sasuke, mehr als dass er fragte, denn er packte seine ganze Wut in die Frage anstatt in einen Angriff. Er hielt sich noch zurück, da er den Triumph in den Augen des Kaufmanns gesehen hatte und augenblicklich misstrauisch geworden war. Und er würde den Teufel tun und diesem Widerling in die Hände spielen. Dafür war seine Verachtung viel zu groß. Doch sein Gegenüber kicherte nur unbeeindruckt.
 

"Du hast gut mitgespielt, kleiner Uchiha. Wir wussten ja gar nicht, wie angreifbar deine Vergangenheit dich macht. Der Kampf gegen dich wird nun viel leichter sein, wo du in deiner Wut nicht mit dem nötigen kühlen Kopf kämpfen kannst." Dabei hatte der Kaufmann jedoch zwei wichtige Dinge außer Acht gelassen. Erstens, dass das Misstrauen Sasukes noch größer war als seine Wut. Zweitens, das Grinsen im Gesicht seines vermeintlichen Opfers. Sasuke war plötzlich zu gelassen und das hatte seinen Grund: Mit einem gerechtfertigten Kampf gegen den Heuchler und seine Handlanger konnte er gut leben. Er würde sie mit Freuden kampfunfähig machen und dann Kakashi vorführen.
 

"Sollte man ein Tier, das man erlegen will, wirklich reizen? Es würde sich doch nur umso verbissener wehren." Gomas selbstsicherer Ausdruck verschwand, als er die plötzliche Gelassenheit des Uchiha endlich wahrnahm.
 

"Das haben wir uns auch gedacht und deshalb hat unser Auftraggeber umdisponiert und einen leichteren, unverdächtigeren Weg gewählt. Es reicht, dich im Dorf zu diskreditieren. Dir traut niemand. Und nun wird dir auch niemand mehr Glauben schenken", meldete sich erstmals einer der Diener zu Wort, während er immer mehr Chakra in seiner Hand konzentrierte - so viel, dass es klang, als würden tausend Vögel auf einmal schreien - und sie dem Kaufmann in die Brust rammte. Dieser hatte aufgrund der viel zu großen Nähe zu seinem plötzlichen Feind keine Gelegenheit, auch nur im Ansatz zu reagieren. Einzig sein Gesicht, erstarrt in Überraschung, zeugte von dem Verrat seiner einstigen Verbündeten. Er riss die Augen weit auf, sein Mund klappte noch zweimal auf und zu wie bei einem Karpfen auf dem Trockenen und dann wich sämtliches Leben aus seinem feisten Körper. Sasuke hingegen war mehr als überrascht, er war schockiert. Und das nicht nur, weil ihn ein Schwall Blut am rechten Arm und am Bauch traf, als der Attentäter seinen Arm mit Gewalt wieder aus dem toten Kaufmann herausriss und diesen wie einen Sack Kartoffeln einfach fallen ließ. Ein verächtlicher Blick auf die unansehnliche Leiche, diesen toten Körper, der für ihn nur einen einzigen Zweck hatte, war alles, was der Attentäter für seinen angeblichen Verbündeten übrig hatte. Er zeigte absolut kein Bedauern, doch Sasuke musste sich eingestehen, dass er auch keines hatte. Im Gegenteil, er war froh. Er fühlte so viel Genugtuung, dass es verboten sein musste. Diese kleine Ratte hatte bekommen, was sie verdiente. Dennoch erlaubte er sich nicht, in diesem Gefühl zu baden, sondern konzentrierte sich auf die Realität. Vor ihm standen schließlich immer noch zwei Gegner.
 

"Das ist Kakashis geheime Technik, wie habt ihr die erlernen können?", fragte er und zwang sich, den Schock nicht in seiner Stimme mitschwingen zu lassen. Als Antwort bekam er ein arrogantes Grinsen entgegengeworfen, das er schon einmal gesehen hatte.
 

"Uchiha, wir beobachten dich schon sehr lange. Es war nur eine Frage der Zeit, bis du in eine unserer Fallen gehst." Sicher wären die Erläuterungen noch weiter gegangen, denn der Mörder wollte sich anscheinend in seiner momentanen Überlegenheit baden. Doch der andere vermeintliche Diener meldete sich mit einer Warnung zu Wort und brachte die Prahlerei zu einem vorzeitigen Ende.
 

"Wir sollten verschwinden, in Kürze werden hier vier Ninjas eintreffen." Er war offensichtlich ein Sensor, denn Sasuke konnte noch nichts spüren.
 

"Dann viel Spaß mit deinem selbstverschuldeten Schicksal, Uchiha. Du wirst für immer unschädlich in einer Zelle festsitzen", sagte der andere Feind verächtlich und schon waren beide verschwunden. Sasuke blieb keine Zeit zu überlegen, was er nun tun sollte, denn schon blickte er in die aufgeregten Augen Shizunes.
 

"Sasuke, was ist hier passiert? Wer hat euren Auftraggeber umgebracht?", fragte sie und blickte von seinem blutverschmierten Arm zu der Leiche und wieder zurück in sein Gesicht. Raidou war da weniger umsichtig. Er packte Sasukes rechten Arm und verbog ihn schmerzhaft hinter dessen Rücken.
 

"Das ist ja wohl klar, oder? Sieh dir die Wunde an. Wir kennen nur zwei Ninjas, die eine Technik beherrschen, die so eine typische ausgefranste Wunde hinterlässt und Kakashi ist gerade nicht da." Shizune nickte traurig und winkte Genma, der sich zögernd an Sasukes linker Seite positionierte und dessen Arm weit weniger schmerzhaft auf den Rücken drehte. Ein resigniertes Grinsen schlich sich auf Sasukes Züge, als er verbittert zu Boden sah. Dir traut niemand. Und nun wird dir auch niemand mehr Glauben schenken. Es sah so als, als würde dieser fremde Ninja Recht behalten. Als Sasuke Schritte von drei weiteren Personen hörte, die sich schnell näherten, wollte er erst gar nicht aufschauen. Irgendwie fürchtete er, was er in den Augen seines Teams sehen würde. Dennoch tat er es, aber erst, nachdem Shizune Kakashi direkt angesprochen hatte. Er blickte einen nach dem anderen an, in der Hoffnung, so etwas wie Zusicherung erkennen zu können, doch was er sah, war blankes Entsetzen. Nicht einmal sein eigenes Team würde ihm noch glauben. Dieser Plan war in der Tat effektiver, als ihn einfach nur zu töten, dachte er, während sich sein Herz schmerzhaft zusammenzog. Alles, was er jemals gesagt hatte, würde nun in Zweifel gezogen werden.
 

In diesem Moment wurde ihm klar, wie dumm er doch war. Hatte er stets voller Überzeugung behauptet, dass Bindungen nur schwach machten, so wurde ihm jetzt mit aller Brutalität bewusst, wie sehr er sich getäuscht hatte. Und es wurde ihm erst klar, wie sehr er ihn brauchte, nachdem er auch den letzten Rückhalt verloren hatte und völlig allein gegen ein ganzes Dorf dastand. Er fühlte sich entsetzlich verlassen. Er, ein verdammter Ninja, fühlte sich schutzlos und angreifbar. Und nun konnte er nur noch bereuen, dass er sich nicht eher bei Naruto für seine verletzenden Worte vor dem Friedhof entschuldigt hatte. Sein verfluchter Stolz hatte es ihm verboten. Er war davon überzeugt gewesen, dass der Uzumaki selbst daran schuld war, schließlich hatte er felsenfest an den Unsinn geglaubt, den er von sich gegeben hatte. Jetzt erst verstand Sasuke, dass der sonst so naive Tollpatsch ihm diesmal haushoch überlegen gewesen war. So überlegen, dass er ihn erst verstand, als es zu spät war. Und er bedauerte es, dass er Sakuras Heilung nur als Mittel zum Zweck gesehen hatte, um einen seiner Schwachpunkte zu beseitigen. Und jetzt konnte er auch nur noch bereuen, Kakashi gegenüber nicht aufrichtiger gewesen zu sein, obwohl er sich ihm für seine Verhältnisse doch erstaunlich weit geöffnet hatte. Jetzt war es zu spät und Reue war alles, was ihm blieb.
 

Und nun saß er hier und kämpfte gegen die Verzweiflung an. Was sollte er jetzt tun? Er würde jämmerlich in dieser Zelle verrotten, wenn ihm von außen niemand half. Alles, was er hatte, waren seine Erinnerungen und die könnte er nur glaubhaft präsentieren, wenn er jemanden in seinen Kopf ließ. Das würde er auf keinen Fall zulassen. Lieber würde er bei einem Fluchtversuch draufgehen. Woher sollte er schließlich wissen, wie weit die sich in sein Bewusstsein wühlen würden? Sie würden seine Schwäche sehen...Und andere Dinge, die seine Lage nicht unbedingt verbessern würden. Nein, Vertrauen in andere Personen war hier keine Option. Das hatte er schon zweimal bitter bereut. Und jetzt fragte ihn eine hinterlistige Stimme in seinem Kopf ständig, ob es nicht bereits das dritte Mal war, dass er das bereuen musste. Das dritte! Dabei war er doch sicher gewesen, aus seinen Fehlern lernen zu können. Wie dumm konnte er sein? Wo sind sie jetzt? Was hat es dir gebracht, dich ihnen trotz aller Distanz wieder zu nähern? Du siehst, was dir bleibt. Du bist allein. Das wirst du immer sein. Allein. Wie es einem Rächer gebührt. Hast du nicht selbst gesagt, dass Bindungen uns nur leiden lassen? Wieso hast du entgegen deiner eigenen Überzeugung gehandelt? Und jetzt fühlst du wieder den Schmerz des Verlassenen. Sasuke senkte geschlagen den Kopf. Bei aller Reue: Er konnte rational dagegen argumentieren, soviel er wollte. Dass sie höchstwahrscheinlich noch unterwegs waren, um die Mission zu beenden, die sie gemeinsam und mit anderem Ziel begonnen hatten. Dass sie möglicherweise nicht zu ihm durften. All diese vernünftigen Argumente nützten nichts, denn der Verrat, der ihm schon zweimal widerfahren war, saß zu tief und ließ keine logischen Schlüsse zu.
 

Einzig dem Gefühl, erneut allein zu sein und niemandem trauen zu können, um nicht verletzt zu werden, ließ dieses Erlebnis Raum und alles, was er sah, war, dass sie nicht hier waren und so wie die Dinge standen, auch nicht kommen würden. Er hatte das Gefühl, dass sie ihn verrieten, so wie es Itachi damals getan hatte, als sich sein großer Bruder - sein Fels in der Brandung - in einen gnadenlosen Killer verwandelt hatte. Dennoch hatte er sich wieder aufgerappelt, um, wenn auch nur sehr zögerlich, wieder jemandem zu vertrauen und erneut verraten zu werden. Diesmal bei Orochimaru. Und jetzt ließ ihn sein Team im Stich. Es war unfair, so zu denken und das wusste ein Teil von ihm auch, verdammt, es war erbärmlich, so zu denken und dennoch konnte er diese nur allzu menschlichen Gedanken nicht stoppen. Er war allein. Und die Einsamkeit machte einen für viele negativen Gedanken empfänglich. Er versuchte, sich immer wieder zu sagen, dass er ihnen in Anbetracht der Beweislage wirklich keinen Vorwurf machen durfte, aber trotzdem konnte Sasuke es nicht verhindern, dass seine Gedanken ein weiteres Mal in die Vergangenheit schweiften, doch dieses Mal ein ganzes Stück weiter zurück - zu seiner Anfangszeit bei Orochimaru. Auch damals war er so blauäugig gewesen, dass er sich im Nachhinein nur dafür verachten konnte...

Schon als er im Geleit von Kabuto das Versteck der Schlange betrat, spürte er, dass ihm die anderen Untergebenen Orochimarus nicht unbedingt wohlwollend gegenüberstanden. Selbst Kabuto schien eine Abneigung gegen ihn zu haben, doch er verbarg es sehr gut. Der Medic-Nin hatte ihn abgeholt, oder besser gesagt, von seinem traurigen Zustand befreit. Nach dem Kampf mit Naruto war er irgendwo im Wald schwer verletzt zusammengebrochen und einfach liegengeblieben. In diesem Moment hatte er gezweifelt, dass er Konoha je lebend wieder sehen würde. Hatte an der ganzen Mission gezweifelt. Doch dann war Kabuto gekommen und hatte seine schlimmsten Wunden geheilt. Unter größten Anstrengungen war er dem Medic-Nin anschließend in das Versteck gefolgt und hatte sich bei ihrer Ankunft gefragt, wie er dieses hatte allein finden wollen. Es machte seinem Namen alle Ehre: Es war gut versteckt. Er fragte sich aber auch, wieso Kabuto so lange gebraucht hatte, um ihn zu finden. Er wusste, dass er die ganze Zeit überwacht worden war. Vielleicht hatte er ihn einfach leiden sehen wollen.
 

Ein paar Tage später bereits glaubte Sasuke, den Grund für den ihm engegenschlagenden Hass gefunden zu haben: Neid. Unter Orochimarus Gefolgschaft herrschte ein extremes Gebuhle um dessen Gunst. Es war ihm schleierhaft, wie Orochimaru das geschafft hatte, denn jeder seiner Diener war ihm mit Haut und Haar verfallen, doch die größte Gunst genoss nun der Uchiha, was ihm automatisch zum Hassobjekt der "weniger Geliebten" machte. Als ob dieser manipulative Bastard zu so einem aufrichtigen Gefühl in der Lage wäre. Dennoch schienen seine Anhänger fest daran zu glauben. Schon allein deshalb war Sasuke davon überzeugt, den anderen überlegen zu sein, denn er war niemandem verfallen. Außerdem war er stärker als sie, dafür sorgte allein schon sein Uchihablut. Und das ließ er jeden Gegner spüren, den Orochimaru ihm vorsetzte. Doch selbst, als er ihm hunderte Krieger auf den Hals hetzte, tötete er keinen einzigen, was auch bald der Schlange auffiel.
 

Nur eine mochte ihn und bemühte sich von Anfang an, ihm zu helfen. Guren. Obwohl sie selbst liebend gern Orochimarus nächstes Gefäß geworden wäre, akzeptierte sie die Entscheidung ihres Meisters. Sasuke hatte das Gefühl, über alles mit ihr reden zu können, worauf er aber aufgrund seiner distanzierten Natur nicht sofort zurückkam. Erst als seine Träume immer intensiver wurden und er diese vage Sehnsucht nicht mehr leugnen konnte, die er anfangs immer gespürt hatte, wenn Orochimaru wieder eine besonders grausame Trainingsmethode angewendet hatte, öffnete er sich Guren allmählich, denn auch ein Uchiha brauchte mal ein offenes Ohr. Und hier umringt von Feinden, die ihm stets Übles wollten, war ihm das noch weniger zu verdenken. Er musste permanent auf der Hut sein, denn Orochimarus Untergebene versuchten, ihm auf jede erdenkliche Art zu schaden. Sie manipulierten sein Training, prangerten ihn bei Orochimaru an, überfielen ihn sogar gelegentlich. Doch die Schlange ließ sich nicht beeindrucken. Sehr zu seinem Glück. Es war schwer genug, als Spion gegen die anderen anzukommen, gegen Orochimaru selbst, das wusste er, würde er keine Chance haben. Nicht mit allen Sharingan der Welt, dazu war er noch zu schwach. Außerdem hatte er genug damit zu tun, seine Gefühle im Zaum zu halten. Wie groß war der Schock gewesen, als er erkannte, was hinter seiner Sehnsucht nach Wärme und Zuspruch wirklich steckte. Er hatte gedacht, schlicht Konoha und seine Kameraden, besonders aber Kakashi zu vermissen, da er ihn zu verstehen schien, doch immer mehr manifestierte sich in seinen Gedanken eine Person, mit der er nun wirklich nicht gerechnet hatte: sein Bruder. Der Grund für sein Streben nach Kraft. Der geheime Grund, warum er diese wahnsinnige Mission überhaupt erst angenommen hatte. In Konoha hatte er das vielleicht noch leugnen können, doch in dieser feindseligen Umgebung brach bald sein dringendstes Bedürfnis hervor: Er wollte seinen großen Bruder wiederhaben. Sich wieder beschützt und geliebt fühlen.
 

Sobald er erkannt hatte, was sein Unterbewusstsein ihm die ganze Zeit schon hatte sagen wollen, kämpfte er dagegen an. Er trainierte noch verbissener, um sich zu beweisen, dass er immer noch fest auf sein Ziel fixiert war und das tun würde, was die Clanehre von ihm verlangte. Doch wenn es Abend wurde und er zu erschöpft war, um noch weiter zu trainieren, kamen die Gedanken wieder hervorgekrochen, die er am Tage in die finsterste Ecke seines Verstandes verbannt hatte. So entwickelte sich eine ungesunde Routine, die ihn in eine verhängnisvolle Abwärtsspirale zog. Zu diesem Zeitpunkt war ihm das nur noch nicht klar. Er verdrängte die nagenden Gefühle, indem er sich mit Guren unterhielt und merkte dabei nicht, dass sie nichts über sich preisgab, er sich aber immer weiter öffnete und somit verwundbar machte. Und dann, er war schon ein gutes Jahr bei Orochimaru, kam es zu jenem Abend, an dem er skrupellos verraten wurde.
 

Wieder einmal traf er sich nach seinem Training mit Guren. Sie saß auf dem Ast eines der vielen Bäume, die diesen abgelegenen Trainingsplatz umsäumten und schaute den Mond an, eine Angewohnheit, die Sasuke mit ihr teilte. Sie blickte hinab, als sie sein Chakra spürte.
 

"Sasuke, du siehst müde aus", stellte Guren besorgt fest, doch der Uchiha schüttelte nur leicht den Kopf.
 

"Das Training war anstrengend", sagte er leise und war froh, dass er bei Guren nicht vorsichtig sein musste mit dem, was er sagte. Er war ihr sehr dankbar, dass sie ihm einen Rückhalt gab, den er sich unerlaubterweise von einer anderen Person wünschte.
 

"Das meine ich nicht. Dein Blick wirkt irgendwie stumpf. Schon seit einer Weile. Was ist los, Kleiner?" Das durfte auch nur Guren, jeder andere hätte bei dieser Anrede bereits eines seiner immer in seiner Waffentasche bereitliegenden Kunai an der Kehle gehabt. Sasuke atmete tief ein und wieder aus und schaute die Kunoichi mit trüben Augen an.
 

"Du weißt, warum ich hier bin?"
 

"Klar. Du willst stärker werden, damit du deine Rache üben und dann Orochimaru-samas Traumgefäß werden kannst." Sasuke nickte.
 

"Es ist nur...die Rache...ich...hab nicht das Gefühl, dass ich das noch will", sagte er leise.
 

"Tatsächlich?", fragte Guren ein wenig lauernd und umgehend hatte Sasuke das Gefühl, zu weit gegangen zu sein. Hatte er sich nicht auch eigentlich vorgenommen, hier von Anfang an niemandem zu trauen? Es war, als würde ein Schauer der Einsicht sich über ihn ergießen und plötzlich sehr beunruhigt blickte er Guren an. Die hatte jedoch nichts von dem warmen Ausdruck in ihren Augen verloren.
 

"Hör mal, Kleiner, du musst dich nicht quälen, wenn du nicht willst. Wozu das alles, wenn du nicht mit dem Herzen dabei bist?" Sasuke sah sie überrascht an. Erteilte sie ihm gerade Absolution? Er war noch immer von diesem Gedanken überrascht, als Guren von ihrem Ast sprang, vor ihm landete und ihm eine ihrer Hände auf die Schultern legte.
 

"Überleg dir meine Worte gut. Ich muss jetzt gehen, hab noch was zu erledigen." Damit zwinkerte sie ihm zu, verschwand und ließ einen völlig verwirrten Uchiha allein auf dem Trainingsplatz zurück. Lange hing Sasuke jedoch nicht seinen Gedanken nach, wusste er doch, dass sein Training morgen wieder sehr zeitig beginnen und er höchstwahrscheinlich, wie in jeder Nacht, keinen friedlichen Schlaf haben würde. Also machte er sich auf den Rückweg zum Versteck. Dort wurde er bereits am Eingang von Kabuto erwartet.
 

"Oh, Sasuke-kun, so spät noch allein draußen?"
 

"Hn. Keine Angst, ich kann schon auf mich aufpassen."
 

"Da bin ich mir absolut sicher", meinte Kabuto grinsend. "Orochimaru-sama will dich sehen. Ich soll dich zu ihm bringen." Sasuke nickte nur als Zeichen, dass er verstanden hatte. Er mochte diesen schleimigen Jungen nicht, er war ihm schon damals bei der Chuunin-Auswahlprüfung suspekt gewesen und sein Grinsen eben trug nichts dazu bei, Sasuke ihm gegenüber milder zu stimmen. Es war ein gehässiges Grinsen gewesen. Irgendetwas stimmte nicht. Der Uchiha wappnete sich für jede unangenehme Situation, die ihn erwarten konnte, doch für das, was ihm bevorstand, gab es keine kurzfristige Vorbereitung. Leider ahnte er das zu diesem Zeitpunkt noch nicht. So prägte sich Sasuke den Weg genau ein, den ihn Kabuto entlangführte, falls er schnell verschwinden musste. Das Versteck mit seinem labyrinthartigen Aufbau und den immer gleichen Wänden war sehr verwirrend. Sasuke brauchte nach jedem "Umzug" Tage, um sich wieder zurechtzufinden.
 

Sie liefen etwa fünf Minuten in unbehaglicher Stille hintereinander, bis Kabuto an eine wuchtige Holztür klopfte. Er wartete nicht auf Antwort, sondern trat einfach ein. Das war wohl eine der Privilegien, die man als Orochimarus rechte Hand genoss. Im Inneren des Raumes saß Orochimaru an einem Tisch, auf dem diverse Reagenzgläser in Halterungen, ein Mikroskop und jede Menge Chemikalien herumstanden. Sasuke wollte lieber nicht wissen, was sich in den Reagenzgläsern genau befand, wusste er doch um die grausamen Experimente, die die Schlange mit ihren Versuchskaninchen durchführte. Der abstoßend süßliche Geruch, der in der stickigen Luft dieses Zimmers konserviert war, allein reichte, um ihm eine Vorstellung zu vermitteln. Als sie eintraten, fixierten ihn stechend gelbe Augen fast schon liebevoll, was umso gespenstischer wirkte, da Orochimarus Gesicht von der einzigen Kerze im Raum totenbleich aus der Dunkelheit hervorgehoben wurde.
 

"Ah, Sasuke-kun, schön dich zu sehen", sprach Orochimaru mit eiskalter Stimme. Wie er es mit dieser schaffte einen freundschaftlichen Ton zustande zu bringen, war dem Uchiha ein Rätsel. "Mir sind ein paar interessante Dinge zu Ohren gekommen und ich möchte deine Meinung dazu hören." Das allein, obwohl er den lauernden Unterton bemerkt hatte, hätte Sasuke noch keine Angst gemacht. Doch dann trat Guren aus den Schatten des düsteren Zimmers hervor und seine Augen weiteten sich vor Entsetzen.
 

"Du hast doch nichts dagegen, wenn wir eine Kleinigkeit überprüfen, oder?", schmeichelte Orochimaru herum, dass es Sasuke eiskalt den Rücken herunterlief. Wie konnte der eine so offensichtliche Drohung so fast schon widerlich höflich verpacken?
 

"Nein, was willst du denn überprüfen?". Dass er es geschafft hatte, eine feste Stimme beizubehalten, überraschte Sasuke selbst. Aber er wusste auch, dass sein Leben verwirkt war, wenn er jetzt die Nerven verlor. Und die Schlange duzen zu dürfen oder ihn ohne Ehrungen überhaupt anzusprechen, das war wohl ein Privileg des Uchihas. Er würde sich jetzt auf seinen Sonderstatus verlassen müssen.
 

"Setz dich und entspann dich einfach. Du wirst es dann schon sehen", sprach das personifizierte Grauen und nickte Kabuto zu. Dieser verließ den Raum und kam wenig später mit einem dunkelblonden Mann zurück. Und was für ein Schrank von Mann das war, hinter dem hätte sich selbst Ibiko Morino verstecken können. Sasuke fragte sich vage, warum er ausgerechnet jetzt an Konohas führenden Folter- und Verhörexperten denken musste.
 

"Das ist Shinrei no Kiru. Seinen wirklichen Namen weiß er nicht mehr, den hat er bei einer Folter vergessen. Wir wissen nur, dass er ein Ausgestoßener aus dem Yamanaka-Clan ist, weil er..., nun, sagen wir, er hat seine Fähigkeiten nicht unbedingt zum Wohl der Allgemeinheit eingesetzt", erklärte die Schlange und grinste selbstgefällig. 'Das Gedankenmesser'. Will ich wissen, wofür er diesen Titel bekommen hat?, schoss es Sasuke durch den Kopf und er konnte sich der Befürchtung nicht erwehren, dass er eben das in Kürze selbst herausfinden würde. Wie um diesen Gedanken zu bestätigen, legte der Schrank seine Pranken an Sasukes Schläfen und übte einen überraschend leichten Druck mit ihnen aus.
 

"Bleib ruhig, das wird nur ganz kurz wehtun", grollte der Schrank. Auch wenn er noch nie einem Verhör beigewohnt hatte, wusste Sasuke, dass ihm nun genau das bevorstand, wovor er sich seit Monaten gefürchtet hatte. Eigentlich schon seit er diese Mission bekommen hatte. Und seit genau diesem Zeitpunkt hatte er trainiert, seinen Geist zu verschließen. Es wäre nämlich seiner Gesundheit absolut nicht zuträglich, wenn einer von Orochimarus Lakaien in seinem Kopf eine Szene sehen könnte, die ihn eindeutig als Spion entlarvte. So hatte er schon in Konoha gute Fortschritte gemacht, aber nicht genug, um beruhigt seine Mission antreten zu können. Dafür hatte er einfach zu wenig Zeit gehabt. Doch Orochimarus Bibliotheken boten wahre Schätze der Jutsu und Sasuke hatte, so oft es ging, in nützlichen Büchern gestöbert, um seine Fähigkeiten zu verbessern. Ob das gereicht hatte, würde er gleich erfahren. Also zwang er sich, den ersten Schritt des geistigen Walls zu gehen. Absolute Gelassenheit. Denn einen aufgebrachten Geist konnte man nicht schützen. Zu sehr durfte er sich jedoch auch nicht entspannen, dann würde sich die Mauer, die er um seinen Geist errichtete, zu einfach niederreißen lassen, weil seine Konzentration wegdriften würde. Es war wichtig und ebenso schwierig, das genaue Gleichgewicht zu finden und dazu hatte Sasuke nur noch wenige Sekunden. Trotzdem konnte er sich noch kurz über den Satz des Schranks aufregen, denn dass dieser ihm geraten hatte, sich zu entspannen, diente einzig und allein der Schwächung seiner möglichen geistigen Barrieren.
 

Sasuke zuckte, als ein immenser Schmerz seinen Kopf durchfuhr. Verlier jetzt nur nicht die Konzentration!
 

"Er blockt", stellte der Schrank fest. Sasuke zwang sich, dem überraschten Blick Orochimarus standzuhalten.
 

"Wirklich? Interessant. Versuch es noch ein wenig länger." Mit diesen Worten intensivierte sich der Schmerz um ein Vielfaches und Sasuke hätte am liebsten geschrien. Doch er beließ es dabei, weiterhin die Schlange anzustarren und den Schrei zu unterdrücken.
 

"Blockt immer noch. Wenn ich weitergehe, könnte er Schaden nehmen." Orochimaru musterte den kreidebleichen Jungen vor sich und nahm jede Kleinigkeit wahr: den Schweiß auf der Stirn, den verspannten Kiefer, die vermutlich unterbewusst ineinandergekrallten Hände, aber auch den festen Blick, mit dem er immer noch fixiert wurde. Er war milde beeindruckt, obwohl ihm klar war, dass der kleine Uchiha wirklich ernsthaften Angriffen auf seinen Geist nicht würde standhalten können. Aber er wollte es nicht riskieren, dass sein Traumgefäß einen Schaden nahm. Noch nicht.
 

"Nein, das soll für heute reichen", meinte Orochimaru ein bisschen gelangweilt. Doch dieser Ton schlug sofort in einen kindlich neugierigen um, als er seine nächste Frage stellte und Sasuke von den quälenden Pranken befreit war.
 

"Nun, Sasuke-kun. Ich bin beeindruckt. Seit wann kannst du deinen Geist verschließen?" Doch Sasuke ließ sich von der heimtückischen Schmeichelei nicht einlullen. Diese Szene hatte ihn unsanft auf den harten Boden der Realität zurückbefördert und ihm schmerzlich bewusst gemacht, wo er sich befand. Also bemühte er sich um einen möglichst arroganten und selbstsicheren Ton.
 

"Hn. Meine Gedanken gehen niemanden etwas an." Das war zwar keine Antwort auf die Frage, doch wenigstens lieferte er einen vermeintlichen Grund. Orochimaru lachte leise und dieses Geräusch sorgte erneut für eine unangenehme Gänsehaut.
 

"Nun, vielleicht vertraust du mir ja auf dem normalen Wege etwas an. Guren hat mir gesagt, dass du Itachi nicht mehr töten willst und ich würde gerne wissen, ob das stimmt. Schließlich kann sie das auch aus reiner Eifersucht erfunden haben oder um dich aus dem Weg zu räumen", gluckste die Schlange, als wäre das alles ein amüsantes Spiel. Aber Sasuke hatte aufgehorcht, als er einen möglichen Ausweg aus der Misere in Orochimarus Anschuldigungen fand.
 

"Das wird es wohl sein. Sie war so übereifrig, dir alles zu berichten, dass sie mich nicht zuende angehört hat", sprach Sasuke und funkelte Guren an, die wütend ihre Hände zu Fäusten ballte.
 

"Und was kann es Wichtiges gewesen sein, das sie dabei verpasst hat, Sasuke-kun?"
 

"Dass mir nicht mein Wille am wichtigsten ist, sondern meine Pflicht. Sonst würde ich wohl kaum bereit sein, meinen Körper zu opfern, um meiner Pflicht nachzugehen. Es geht um die Ehre des Clans und nicht um meine persönlichen Wünsche. Wenn ich das nicht schon längst begriffen hätte, wäre ich nicht hier", sagte Sasuke kalt. Er versuchte, selbst an seine so überzeugend hervorgebrachten Worte zu glauben. Die Schlange schien vorerst überzeugt.
 

"Es tut mir leid, dass ich dir misstraut habe, Sasuke-kun, aber ein Mann in meiner Position muss vorsichtig sein. Ich hoffe, du verstehst das", sagte Orochimaru bedauernd. Dass das nicht so aufrichtig gemeint war, wie es klang, sollte Sasuke ein paar Tage später bereits erfahren.
 

Die Schlange nickte Guren zu und gab ihr so den stillen Befehl, Sasuke in sein Zimmer zu bringen. Oder eher seine Zelle, denn wirklich viel Komfort boten die Aufenthaltsräume nicht. Auf dem Weg dahin herrschte eisiges Schweigen. Erst als sie vor seiner Tür standen, drehte er sich um und fixierte ihre Augen mit seinen.
 

"Warum hast du das getan?", fragte er und ein bitterer Unterton schwang in seiner Stimme mit.
 

"Ich hasse dich, so einfach ist das. Ich kann nicht glauben, dass Orochimaru einen Jammerlappen wie dich zu seinem neuen Traumgefäß gemacht hat. Das steht mir mehr zu als dir. Ich hab ihm so lange treu gedient. Aber du hast mich erfolgreich unglaubwürdig gemacht, ich gratuliere. Du solltest mir aber in Zukunft nie wieder den Rücken zuwenden", sagte Guren mit einem gefährlichen Blitzen in den Augen und wandte sich zum Gehen. Das würde Sasuke beherzigen. Keinem würde er mehr trauen. Immerhin waren es alles entweder Verbrecher oder verblendete Marionetten. In Gurens Fall wohl beides.
 

Ein paar Tage später wurde Sasuke unsanft aus seinem ohnehin schon unruhigen Schlaf gerissen. Noch bevor er wusste, was überhaupt los war, spürte er erneut die allzu bekannten rauen Hände an seinen Schläfen. Mehr instinktiv als bewusst verschloss er sofort seinen Geist, war aber nicht schnell genug.
 

"Orochimaru-sama, ich konnte ein paar Dinge erkennen", brummte der verhasste Schrank.
 

"Und was wird das wohl gewesen sein?", fragte Orochimaru interessiert. Er betrachtete Sasuke, als wäre er eins seiner spannenden Experimente.
 

"Er war es in jüngerer Form und er wurde von einem älteren Jungen mit langen schwarzen Haaren auf dem Rücken getragen. Dann gab es einen Szenenwechsel und der Junge mit den langen Haaren hat viele Menschen umgebracht. Dann wieder die beiden Jungen, wie sie im Wald spielten." Orochimaru schüttelte gespielt bedauernd den Kopf.
 

"Sasuke-kun, du scheinst noch mehr an deinem Bruder zu hängen, als ich dachte."
 

"Ich habe es dir schon einmal gesagt", zischte Sasuke, "Es geht hier um meine Pflicht, nicht um meinen Willen." Ein Hauch von Spott durchzog Orochimarus Augen.
 

"Du scheinst eines nicht zu begreifen, Sasuke-kun: Der Wille geht nicht nur vom Kopf, sondern auch vom Herzen aus. Und wenn dein Herz sich dagegen sträubt, wankt dein Wille. Was mich an deinem Motiv zweifeln lässt, warum du überhaupt hier bist. Wenn du nicht mehr von deiner Rache überzeugt bist, wer garantiert mir dann, dass du mich nicht hintergehst? Anders gefragt: Wieso bist du überhaupt hier, wenn du deinen Bruder nicht töten willst?" Orochimaru verstummte kurz, um die Wirkung seiner Worte zu genießen. Er hatte gehofft, verräterische Angst in den Augen seines zukünftigen Traumgefäßes zu sehen, doch alles was er fand, war felsenfeste Entschlossenheit, was ihn dazu bewog, weiterzusprechen.
 

"Ich werde dich einer Prüfung unterziehen, in der du beweisen musst, dass du das richtige Herz hast, um mir zu dienen. Du wirst beweisen müssen, dass du so grausam sein kannst, wie es ein Rächer sein muss, denn momentan scheinst du zu weich zu sein. Solltest du bestehen, werde ich dich belohnen. Falls nicht, nun, ich werde mir schon etwas einfallen lassen", sprach die Schlange und grinste bedrohlich.
 

Sasuke zwang sich erneut in die Realität zurück. An diesen Ritus wollte er nicht denken, denn mit ihm hatte seine persönliche Hölle erst begonnen. Er unterdrückte ein Schauern und lehnte sich ein wenig fester gegen die Mauer seiner Zelle. Nach diesem nächtlichen Überfall damals hatte er keine Nacht mehr ruhig schlafen können, denn Orochimaru hatte immer wieder versucht, seinen Geist im Schlaf zu brechen. Das Ganze hatte ihm wahrscheinlich höllisch viel Spaß bereitet. Und die Lage hatte Sasuke gezwungen, ihre Hilfe anzunehmen. Er lernte, stets sein Chakra zu verbergen, damit er nicht verdächtigt wurde, wenn er sich plötzlich vom Gelände entfernte, und seinen Geist fest zu verschließen. Er fuhr seinen Schlaf auf ein Minimum herunter und erlernte die Meditationstechnik, die ihm das noch weiter ermöglichte. Und obwohl sie ihm so geholfen hatte, vertraute er ihr lange nicht. Bis er sich schließlich erneut ein wenig öffnete und diesmal nicht enttäuscht wurde. Einzig sie hatte ihm geholfen, den Glauben an seine Mitmenschen nicht gänzlich zu verlieren, doch wie es schien, war dieser Vertrauensschimmer nach diesem neuerlichen Rückschlag dazu verdammt, in ewiger Dunkelheit zu verlöschen...

Besucher

Wie viele Stunden waren inzwischen vergangen? War es Tag oder Nacht? Erstaunlich, wie schnell man das Zeitgefühl verlor, wenn man nichts außer dämmriger Dunkelheit wahrnahm und sich langsam in den Wirren seiner eigenen Gedanken verlor. Doch welch andere Wahl ließ einem diese Einsamkeit? Die Einsamkeit eines Gefangenen. Es gab keinen Mithäftling, der eine Konversation ermöglicht hätte und selbst wenn einer da gewesen wäre, hätte Sasuke jeden Ansatz im Keim erstickt. Erstens war er ohnehin nicht sonderlich an Gesprächen interessiert und zweitens war er zu sehr mit den Ereignissen der letzten Tage beschäftigt. Nach wie vor lehnte er mit dem Kopf an der kühlen Steinwand und verfluchte sich selbst. Warum hatte er es nur zugelassen, dass der Kaufmann getötet wurde? So sehr er seine Emotionen immer unter Kontrolle hielt, diesmal hatten sie ihn überkommen. Er hatte Goma in seiner Wut nicht umgebracht, aber er war sich sicher, dass es diese Wut war, die ihn bei dem Mord hatte zusehen lassen. Das und die Überraschung, dass sich so plötzlich ein Verbündeter gegen den anderen wendete, ganz zu schweigen davon, dass der Mörder dabei auch noch Kakashis ureigene Technik verwendet hatte.
 

Wo waren nur seine Ninjainstinkte geblieben? So etwas geschah jeden Tag. Verrat geschah jeden Tag. Dennoch war Sasuke überrascht gewesen. Hatte Kakashi ihm nicht beigebracht, dass er stets unter die Oberfläche schauen sollte? War er wirklich so sehr mit sich beschäftigt, dass er die Situationen um sich herum nicht mehr mit der nötigen Vorsicht und Skepsis betrachten konnte? Er musste sich im Zaum halten, das war wichtiger denn je, aber trotzdem durfte es ihn nicht daran hindern, seine Plicht so auszuüben, wie es ein fähiger Ninja zu tun hatte. Da zählte auch sein beängstigendes Handicap nicht...
 

Stundenlang hätte er noch so weitergrübeln können, so völlig ohne Sinn. Denn alle Grübeleien der Welt konnten ihn nicht aus dieser Situation herausholen, konnten nicht rückgängig machen, was geschehen war. Und ein erschreckend großer Teil in ihm wollte das auch nicht. Goma war tot und Sasuke konnte diesen Fakt nur mit Genugtuung betrachten, nicht etwa mit dem nötigen Entsetzen, weil es jemand geschafft hatte, seinen Auftraggeber vor seiner Nase zu ermorden. Er hatte es zugelassen. Noch war er sich unschlüssig, ob bewusst oder unbewusst, aber das änderte auch nichts am Ausgang. Das Einzige, was er an dem geschehenen Mord bereute, war seine jetzige Situation. Und die gnadenlose Offenbarung der Realität. Dass ihm niemand im Dorf traute, war ihm fast klar gewesen. Aber sein eigenes Team...Er war zu befangen, um sich einzugestehen, dass die Situation für jeden schockierend gewesen wäre, immerhin hatte Kakashi ihn in dem Glauben geschickt, dass Sasuke Goma auf jedem Fall beschützen konnte. Und jetzt war er tot...
 

Wahrscheinlich glaubten sie, dass Sasuke seine Wut nicht hatte bändigen können und in einer gewissen Weise stimmte das auch. Sie hatte immerhin zu Teilen bewirkt, dass er sich nicht gerührt hatte, um den Kaufmann zu helfen. Sie wuchs und das machte Sasuke Angst. Denn er wusste, dass es eben diese Emotion war, die ihn angreifbar machte. Die sein Inneres angreifbar machte. Und das durfte nicht sein. Seinen Dämonen durfte er nicht nachgeben, egal, was passierte. Es wäre der ideale Vorwand, um ihn aus dem Dorf zu werfen. Aber hatte die Hokage nicht schon längst klargemacht, dass sie einen so gefährlichen Ninja wie ihn auf keinen Fall einfach auf freien Fuß setzen würden? Das ließ nur zwei Alternativen übrig und beide gefielen ihm nicht. Doch schienen sie unvermeidbar, denn er konnte nicht offen über alles reden. Er konnte keine Hilfe annehmen. Was blieb ihm jetzt noch?
 

Wie um ihm eine Antwort darauf zu geben, hallten plötzlich Schritte in dem verlassenen Gang seines Traktes von den Wänden wider und rissen ihn aus seiner Gedankentrance. Um festzustellen, wer das war, brauchte Sasuke nicht einmal das immense Chakra wahrzunehmen, welches die Frau ausstrahlte, denn wenn Tsunade wütend war, dann trampelte sie sehr charakteristisch wie ein Elefant durch die Gegend. Der Uchiha straffte sich und nahm eine aufrechte Haltung ein. Wenig später hatte die Hokage auch schon ihr Ziel erreicht und positionierte sich mit in die Hüften gestemmten Armen vor der Zelle, was Sasuke natürlich dank der Augenbinde nicht sehen konnte.
 

"Was hast du jetzt wieder angestellt, Uchiha? Du machst einem nur Ärger!", fluchte Tsunade lautstark vor sich hin. Sasuke zog es vor, zu schweigen, seine Schuld stand ohnehin schon fest. Ihm war durchaus bewusst, dass er die Hokage damit wahrscheinlich noch mehr reizen würde, aber was sollte er schon großartig sagen? Hilfe, ich wurde reingelegt und das Opfer hatte es nur so aussehen lassen, als ob ich es getötet hätte? Sehr glaubwürdig...
 

"Willst du dich nicht wenigstens verteidigen? Nach den Berichten, die ich erhalten habe, sieht es nicht gut für dich aus! Du weißt, was dir droht, wenn du diesmal wirklich verurteilt wirst? Lebenslang Gefängnis wäre wohl das Mindeste, was dich erwarten würde! Wie kann ein Shinobi nur seinen Klienten umbringen, ist dir klar, wie sehr das unserem Ruf schadet? Konoha wird eine lange Zeit keine Begleitschutzmissionen mehr erhalten, nachdem sich dieser Zwischenfall herumgesprochen hat!", ereiferte sich Tsunade weiter.
 

"Warum erzählt Ihr mir das alles? Ihr seid doch bereits von meiner Schuld überzeugt", sagte Sasuke.
 

"Vielleicht will ich ja trotzdem deine Version hören. Du musst zugeben, dass die Umstände nicht gerade für dich sprechen, zumindest nicht den Berichten nach, die ich gehört habe." Sasuke unterdrückte den Drang, sich auf die Unterlippe zu beißen, eine furchtbare Angewohnheit, die er ab und zu einfach nicht lassen konnte, wenn ihn etwas beschäftigte. Es war wie ein sinnbildliches Sich-selbst-zum-Schweigen-Bringen, indem er mit den Zähnen gewaltsam seinen Mund geschlossen hielt. Aber die Tatsachen sprachen für eine bedrückende Situation. Da die Hokage von mehreren Berichten sprach, konnte sie nicht nur Shizunes Team meinen, was bedeutete, dass sein eigenes Team ebenfalls Bericht erstattet haben musste. Und wie es aussah, nicht zu seinen Gunsten, sonst würde die Hokage nicht von einer für ihn schlechten Situation sprechen. Also glaubten sie ihm wirklich nicht...Aber was wollte er auch, die Umstände sprachen tatsächlich eindeutig gegen ihn. Eine sehr ausgeklügelte Falle, in die er da getappt war. Wieder spürte er Wut in sich aufsteigen. Warum hatte er das nur zugelassen, er war doch sonst immer so vorsichtig. Machte ihn seine Vergangenheit tatsächlich so blind? Mit Mühe erstickte er die aufwallende Emotion im Keim, jetzt brauchte er einen klaren Kopf. Es galt, sich nun auf die aktuellen Dinge zu konzentrieren, denn er würde sicher nicht mehr sehr oft die Gelegenheit bekommen, mit dem Dorfoberhaupt über die jüngsten Ereignisse zu sprechen.
 

Dennoch: So fair, wie er es von der Hokage fand, ihn auch anhören zu wollen, er würde ihr nichts sagen. Nichts davon, wie tief die Worte des Kaufmanns ihn getroffen hatten. Egal, wie unglaubwürdig ihn das machte, das ging sie nichts an. Sie würde sicher trotzdem nach dem Grund seiner Wut bohren. Aber da konnte sie lange warten. Allerdings würde er ihr die sachlichen Teile des Erlebten berichten, das konnte nichts schaden. Außer dass sie ihm ins Gesicht sagen würde, dass sie ihm nicht glaubte. Als ob ihn das noch überraschen könnte...
 

"Wir wurden auf dem Weg angegriffen und der Kaufmann hat die Flucht ergriffen. Kakashi-sensei hat mich ihm nachgeschickt. Als ich ihn eingeholt hatte, hat er gemeint, dass das alles eine Falle war, um mich einfacher töten zu können. Dann haben seine Diener den Plan geändert und gesagt, es würde reichen, mich im Dorf unglaubwürdig zu machen. Einer hat ihn mit einem Chidori erledigt. Der andere war vermutlich ein Sensor, denn er hat viel eher gespürt, dass sich Ninjas nähern und beide haben die Flucht ergriffen. Direkt danach ist Shizune-san mit ihrem Team eingetroffen." Tsunade schaute den Uchiha nachdenklich an.
 

"Das haben sie geschafft. Ich muss zugeben, dass deine Aussage nach allem, was ich gehört habe, vollkommen unglaublich wirkt." Das kam zögerlicher hervor, als Sasuke es erwartet hätte. Vielleicht war die Hokage, was die ihr unterstellten Shinobi anging, ebenso gutmütig wie Naruto, der immer an das Gute in ihnen glaubte. Aber wo war Naruto jetzt? Wo war sein Team? Sein Sensei? Wieder einmal musste Sasuke sich verbittert fragen, warum man etwas erst dann zu schätzen wusste, wenn man es verloren hatte. Sein Team, die einzigen Personen, denen er bis zu einem gewissen Grad trauen konnte, hatte er verloren. Auch seine Familie hatte er immer für selbstverständlich erachtet. Bis man sie ihm genommen hatte. Den Einzigen, den er je zu schätzen gewusst hatte, war Itachi gewesen. Die Ironie war fast schon zu bitter.
 

~*~
 


 

Die erste Nacht - oder das, was er dafür hielt - zurück in seiner Zelle hatte Sasuke in völliger Stille verbracht. Er hatte meditiert, solange es ging, denn die Mission hatte ihm zu schaffen gemacht. Nicht nur, dass er in dieser Zeit kaum richtige Ruhe gefunden hatte, nach seinem vermeintlichen Mord hatte Shizunes Team sich und somit auch ihm keine langen Pausen gegönnt, sie waren die ganze Nacht durchgelaufen und hatten bereits am Morgen Konoha erreicht. Seit diesem Zeitpunkt hatte er unter Beobachtung gestanden und da war an Schlaf nicht zu denken. Nun, möglich wäre es schon gewesen, aber Sasuke würde das nicht riskieren, obwohl er merkte, wie die Situation an ihm zu zehren begann. Zwar hatte er vor der Mission noch einmal versucht zu schlafen, doch das hatte nicht allzu gut funktioniert. Nach seinem Besuch auf dem Friedhof hatten ihn seine Schuldgefühle und die Wut auf Naruto nicht zur Ruhe kommen lassen. Er hatte jedoch genug Kraftreserven gehabt, um unbesorgt in die Mission gehen zu können. Zu diesem Zeitpunkt hatte er ja auch nicht ahnen können, wie nervenaufreibend diese werden würde. So nervenaufreibend, dass er kaum meditieren konnte. Den ganzen Tag lang plagten ihn die Gedanken an seine Familie, heraufbeschworen von dem noch nicht allzu fernen Jahrestag des Massakers und Gomas ständiger Erinnerung an seinen Clan. Diese Gedanken brauchten sich nachts keinen Weg aus seinem Unterbewusstsein zu bahnen, sie waren bereits überpräsent und zu stark, um sie zu verdrängen. Ständig kreiste sein Bewusstsein darum.
 

Oh, wenn ihn jetzt seine Familie sehen könnte. Statt dem Namen der Uchiha Ehre zu machen, saß er im Gefängnis. Zweimal wegen des Vorwurfs, dass er Konoha verraten habe. Er wurde als ein Verräter gesehen, doch eigentlich wollte er nur Gerechtigkeit für seinen Clan und den wahren Verräter zur Strecke bringen. Du willst nicht, du musst., wisperte eine Stimme in seinem Kopf. Sasuke verdrängte sie. Solche Gedanken konnte er jetzt nicht gebrauchen. Lieber sollte er daran denken, wie er schnellstmöglich hier herauskam. Sein Chakra würde sich durch die Fesseln nicht wieder aufbauen können und der Schlafentzug würde ihn mit der Zeit immer mehr schwächen. Er würde bald etwas unternehmen müssen, denn er war nicht der Typ, der an Wunder glaubte. Ihm würde niemand helfen. Er sollte sein jämmerliches Selbstmitleid endlich ablegen und den Tatsachen rational ins Auge blicken. Wie konnte er die Flucht am besten angehen - möglichst ohne Chakra? Allein diese Grundlage ließ sämtliche Fluchtgedanken wahnwitzig erscheinen. Er würde auf dem Weg nach draußen mindestens zwei Anbu begegnen - seinen Wachen. Wie sollte er ohne Chakra etwas gegen die ausrichten? Und selbst wenn er es aus dem Dorf schaffte: Wo sollte er hin? Die einzigen Bindungen, die er hatte, waren hier. Aber die hast du verloren... Nein! Das brachte ihn nicht weiter. Was geschehen war, war geschehen. Aber warum war die Enttäuschung, das Bedauern dann so groß?
 

Was wollen die denn jetzt schon wieder?, fragte er sich, als er erneut Schritte hörte, von denen er einmal mehr aus den Abgründen seiner Gedanken gerissen wurde. Vor Kurzem erst hatten seine beiden Anbuwachen ihm sein Frühstück gebracht und ihm damit unabsichtlich eine zeitliche Orientierungshilfe gegeben. Was konnten sie jetzt schon wieder wollen?
 

"Nimm deine Augenbinde ab, Uchiha", sagte eine ihm unbekannte Stimme. Wie sollte er sie auch kennen, die Wachen zogen immer noch den Posten am Eingang des Gefängnisses vor. Und mit ihm sprechen wollten sie schon gar nicht, er war schließlich nur ein wertloser Verräter. Davon waren nun sicher auch die letzten überzeugt. Mehr als ein "Frühstück." oder "Essen." bekam er nicht zu hören, wenn sie seine Zelle aufsuchten und das nur zu diesem einen Zweck - ihm sein Essen zu bringen. Sonst bekam er den ganzen Tag keine Menschenseele zu Gesicht. Sasuke konzentrierte sich und versuchte, das Chakra genauer zu orten und es vielleicht einer Person zuzuordnen. Leider war er kein Sensor und so konnte er die genaue Intensität des Chakras nicht feststellen. Diese empfindlichen Sinne hätte er jetzt gut brauchen können, denn eine der beiden Wachen unterdrückte ihr Chakra nicht ganz perfekt und das Chakra, das in winzigen Mengen durch die Deckung sickerte, kam Sasuke merkwürdig bekannt vor, nur war es nicht genug, um das genau beurteilen zu können.
 

"Das wird der Hokage nicht gefallen", meinte Sasuke argwöhnisch.
 

"Das geht schon in Ordnung, Uchiha", meinte die eine Wache, während die andere zu kichern begann. Kichernde Anbu? Das war nun wirklich ein Grund, sich freie Sicht zu verschaffen und so hob Sasuke seine gefesselten Hände, um sich die Augenbinde vom Kopf zu reißen. Was er erblickte, ließ ihn staunen: Da standen die beiden untypischsten Anbu, die er je gesehen hatte. Während der eine breit grinste, kicherte der andere immer noch hinter vorgehaltener Hand. Sasuke quittierte das mit einer hochgezogenen Augenbraue.
 

"Wer seid ihr wirklich?", fragte er skeptisch.
 

"Och Mist, er hat's durchschaut", meinte die Grinsebacke. Dann gab es zwei Rauchwolken und vor ihm standen Sakura und Naruto. Letzterer kratzte sich verlegen am Kopf.
 

"Sorry für den Ton, aber das war einfach zu verlockend." Sakuras Gesicht hatte indessen seinen belustigten Ausdruck verloren. Sorge zeichnete ihre Mimik.
 

"Sasuke-kun, du warst es nicht, oder?" Die Augen der beiden Shinobi vor seiner Zelle flehten ihn an, einfach nein zu sagen, sie würden es ihm glauben.
 

"Nein." In beiden Augenpaaren ihm gegenüber spiegelte sich enorme Erleichterung wider. Sasuke spürte, wie sich eine lange ungekannte Wärme zurück in sein Herz schlich. Sie glaubten ihm. Einfach so. Sein Wort allein genügte. Und sie waren hier. Es tat so gut. Er hatte an ihnen gezweifelt, hatte ihnen Zweifel vorgeworfen und nun belehrten sie ihn allein mit ihrer Präsenz eines Besseren. Eine so einfache Geste. Erstaunlich, wie groß ihre Wirkung sein konnte. Sasuke spürte, wie ihn selbst die Erleichterung durchflutete und dabei sämtliche Bitterkeit mit sich riss, die sich während der letzten Tage in ihm angestaut hatte. Dennoch schüttelte ein Teil von ihm über diese naive Leichtgläubigkeit den Kopf. Wie konnten sie ihm einfach so glauben, nachdem sie ihn so anklagend gemustert hatten? Er hatte keinen Beweis und konnte ihnen genauso gut etwas vorspielen. Diese Gedanken äußerte er auch widerwillig. Seine beiden Teammitglieder starrten ihn auf seine Aussage hin nur ungläubig an.
 

"Du wärst nie und nimmer so dumm, uns darauf hinzuweisen, wenn du es wirklich getan hättest", meinte Naruto überzeugt.
 

"Auch das könnte nur ein Trick sein", widersprach der gefangene Uchiha.
 

"Aber Sasuke-kun, nach allem, was passiert ist, hättest du Suri-san nicht umgebracht. Wenn man bedenkt, wie du Naruto aus der Patsche geholfen hast, als er Suri-san angeschrien hat. Du hast dich so zusammengerissen, damit wir alle keinen Ärger bekommen. Wieso hättest du das anschließend kaputtmachen sollen? Was hättest du davon, ihn zu töten?", gab Sakura zu bedenken und fügte anschließend mit einem Lächeln hinzu: "Wir glauben an dich." Es war wahrscheinlich das erste Mal, dass Sasuke wegen etwas, das Sakura gesagt hatte, sprachlos war. Vielleicht war er doch nicht so allein, wie diese gehässige Stimme in seinem Kopf ihm glauben machen wollte. Er hatte...Rückhalt. Er hatte Freunde, die ihm glaubten und ihn unterstützen würden. Ohne dass er es wahrnahm, hoben sich seine Mundwinkel kaum merklich. Aber eben doch merklich.
 

"Da! Der Teme lächelt! Das war den Ärger doch wert, oder, Sakura-chan?" Die Angesprochene nickte verhalten. Ihr war immer noch unwohl bei dem Gedanken, gegen die Anweisungen ihrer Shishou zu handeln. Sasuke blickte die beiden fragend an.
 

"Welchen Ärger? Hat das etwas mit eurem Aufzug zu tun?" Plötzlich wurde ihm klar, dass diese Maskerade wohl nicht nur einem Späßchen geschuldet war. Ein bisschen spät, Uchiha, findest du nicht? Du solltest dich nicht nur auf dich konzentrieren.
 

"Naja,", begann Naruto zögerlich, "sagen wir, Baa-chan hat uns verboten, dich zu besuchen, weil wir uns ja mit dir absprechen könnten. Reine Formsache, oder so ein Mist. Hab 'ne Weile gebraucht, bis ich Sakura-chan überreden konnte, mitzukommen. Sie hat einfach zu viel Angst vor der alten Schach-." Zum Aussprechen seiner Beleidigung kam der Blondschopf nicht mehr, denn Sakura unterbrach ihn mit einer saftigen Kopfnuss und einem wütenden "Red' gefälligst nicht so abfällig über Tsunade-shishou!".
 

Auch wenn es eine ernste Situation war, mussten einige Dinge einfach so unbescholten bleiben, wie sie waren. Es waren genau diese Dinge, die sich nicht änderten und so dem Leben eine gewisse Konstante verliehen, die den Uchiha im Moment beruhigten. Er war dankbar dafür, dass Naruto immer noch so vorlaut war und Sakura sich immer noch dazu berufen fühlte, jedes seiner Fehlverhalten mit einem Fehlverhalten ihrerseits zu ahnden. Naruto schien diese kleine Respektlosigkeit trotz seines Zeterns gern zu dulden. Er mochte Sakura offensichtlich immer noch sehr. Doch eine Konstante fehlte Sasuke hier.
 

"Wo ist Sensei Kakashi?" Mit diesen Worten schlug die Stimmung so plötzlich um, als hätte es die lockere Atmosphäre vorher nicht gegeben und Sasukes Teammitglieder warfen sich betretene Blicke zu.
 

"Das wissen wir nicht genau. Ich habe nur mitbekommen, wie Tsunade-shishou gestern furchtbar in ihrem Büro herumgebrüllt hat, als Kakashi-sensei bei ihr war. Seitdem haben wir ihn auch nicht mehr gesehen." Diese Worte stürzten Sasuke sofort in Grübeleien. Wieso hatte die Hokage seinen Sensei angeschrien? Hatte er sich für ihn eingesetzt? Wohl kaum. Dafür war er zu schockiert gewesen, er war von seiner Schuld überzeugt. Vielleicht gab ihm die Hokage Schuld an dem Vorfall? Das wäre nicht fair, selbst wenn er es getan hätte. Und obwohl er nichts getan hatte, nagte die Schuld an ihm. Wegen seiner Naivität hatte Kakashi jetzt vielleicht Ärger. Er musste sich bewusst machen, dass ihn die Situation nicht allein betraf. Wie würde sich seine Flucht auf sein Team auswirken? Beklommen wurde ihm bewusst, dass er das vorher gar nicht bedacht hatte. Es würde wahrscheinlich alles auf sie zurückfallen. Es war zum Verzweifeln. Sackgassen, wohin er sich auch wandte.
 

"Sasuke-kun", begann Sakura zögerlich. "Bitte versprich uns, dass du nicht versuchst, auszubrechen, ja?"
 

"Genau!", stimmte Naruto ein. "Wir finden schon einen Weg, dich hier rauszuholen. Aber wenn du jetzt fliehst, kannst du wahrscheinlich nie mehr zurückkommen." Daraufhin entstand eine lange Pause.
 

"Ich kann euch nichts versprechen, weil ich die Situation nicht einschätzen kann", sagte Sasuke schließlich langsam. Er schien mit sich zu ringen. Schließlich brachte er doch ein paar Worte hervor, die bei allen Anwesenden ein starkes Déjà-vu hervorrief.
 

"Naruto, es tut mir leid. Das, was ich vor dem Friedhof zu dir gesagt habe. Du hattest Recht." Und wie um vom Thema abzulenken, setzte er schnell hinzu: "Ihr solltet jetzt gehen." Naruto schaute ihn verwirrt an, Sakura jedoch nickte.
 

"Die Wachen werden misstrauisch, wenn wir zu lange hierbleiben. Sie denken, wir sollen dir nur eine Nachricht von der Hokage übermitteln." Nun schlich sich ein seliges Grinsen in das Gesicht des Chaosninjas und das nicht nur wegen der Entschuldigung.
 

"Du machst dir wirklich Sorgen um uns, was, Sasuke?"
 

"Hn. Bild dir mal nichts ein." Der ruppige Ton konnte jedoch nicht über die offensichtliche Fürsorge hinwegtäuschen, was auch der Grund dafür war, dass sich Sakura und Naruto lächelnd verabschiedeten.
 

Und wieder fand Sasuke sich in einem Zwiespalt wieder. Hatte er nicht vorhin noch beschlossen, vorsichtiger zu sein, nicht mehr so offen? Doch seinen Teammitgliedern gegenüber kam das irgendwie automatisch. Sie hatten sich immerhin für ihn dem Willen der Hokage widersetzt. Aber es machte ihn angreifbar. Sein Team bildete so einen Angriffspunkt, den er sich nicht leisten konnte. Bereits jetzt hielt ihn der Gedanke an eben dieses Team davon ab, weiter über seine Flucht nachzudenken. War so eine Nähe diese Schwäche wert? Würde das nicht sein Ziel gefährden? War er als Rächer wirklich dazu verdammt, alles allein machen zu müssen? Doch Itachi, überhaupt jeder Feind, konnte seine Bindungen gegen ihn benutzen. Wie sollte ein Ninja überhaupt ein soziales Leben führen, ohne sich angreifbar zu machen?
 

Diese Gedanken waren neu für Sasuke. Seit Gurens Verrat hatte er keine Nähe zu anderen Menschen mehr in Betracht gezogen. Vorher hatte er keinen Wert darin gesehen, weil ein Uchiha ohnehin stärker zu sein hatte als alle anderen. Für so etwas Pathetisches wie Freundschaften hatte er damals keine Zeit gehabt. Zu sehr war er in seinem Hass, der aus tiefer Enttäuschung und Wut geboren war, auf sein Ziel fixiert gewesen. Und dann kam die Zeit bei Orochimaru und nach einem Jahr permanenter Feindseligkeiten von allen Seiten und vermeintlicher Gutmütigkeit von einer einzigen Seite, hatte er sich zögerlich ebendieser zugewandt. Er wusste, dass er ohne eine Vertrauensperson früher oder später zerbrochen wäre. Ein Jahr lang das Leben eines Spions in den Reihen Orochimarus, das war einfach zu viel Druck für einen Vierzehnjährigen, Genie oder nicht. War es ihm da wirklich zu verdenken, dass er auf Guren reingefallen war? Stets hatte er den menschlichen Kontakt gemieden, wo er nur konnte und er hatte nie gelernt, gekonnt geheuchelte Zuneigung von echter zu unterscheiden. Und plötzlich wurden seine sozialen Kompetenzen auf die Probe gestellt und er versagte jämmerlich. Wieder und wieder hatte er sich gefragt, warum er Guren überhaupt so viel erzählt hatte. Auch bei ihr war das irgendwie automatisch gekommen, sobald er erst einmal seine Deckung ein wenig gesenkt hatte. Und nun hatte er wieder Personen in seinem Leben, denen er sich wie automatisch öffnete - trotz des Widerstands, den er anfänglich geleistet hatte und auch immer noch leistete. Er durfte nicht zu viel preisgeben, doch, so entschied Sasuke, hatten diese drei Personen ein bisschen von seinem Vertrauen verdient. Auch wenn das gefährlich war. Er musste eben vorsichtig sein.
 

~*~
 

Es waren bereits drei Tage vergangen, seit er wieder in seiner Zelle war und Sasuke verspürte mehr und mehr den Druck, handeln zu müssen, denn an der Situation hatte sich nichts geändert. Es war noch nicht einmal ein Termin für eine Anhörung festgelegt worden, wie ihm die Hokage gestern freundlicherweise mitgeteilt hatte. Ein weiterer Versuch, mehr aus ihm herauszubekommen. Doch Sasuke hatte bereits alles gesagt, was er sagen konnte. Die anderen Dinge, die ihm auf der Seele brannten, musste er verschweigen. Er geriet zunehmend in Zugzwang. Seine Erschöpfung wuchs stetig und es war nicht auszudenken, was passieren konnte, wenn er die Kontrolle über sich verlor und noch dazu sein Chakra nicht verwendet konnte. Unbewusst wanderte seine linke Hand zu seiner Brust und krallte sich in das Oberteil. Itachis Oberteil. Aber Itachi war ausnahmsweise einmal nicht seine Hauptsorge. Er musste irgendwie hier raus. Aber wie sollte er das schaffen? Ganz davon abgesehen, dass er sein Team in Schwierigkeiten bringen würde. Aber die Schwierigkeiten würden noch größer werden, wenn er einfach nur hier sitzen blieb und nichts tat, jetzt, wo er hier festsaß. Seine Befürchtungen durften keinesfalls eintreten. Wieder unterbrachen energische Schritte seine Gedankengänge. Kein Chakra. Wer ist das? Sofort setzte sich der Uchiha aufrecht hin und konzentrierte sich auf seine Umgebung.
 

"Da sitzt er also, der mächtige Uchiha. Musst dich sogar von Tsunade beschützen lassen. Aber sie konnte dich nicht ewig abschirmen, ein paar Anbu sind mir immer noch sehr treu ergeben. Jetzt siehst du nicht mehr ganz so mächtig aus. Musst du schon auf hilflose Händler losgehen, weil du gegen echte Ninjas nicht alleine ankommst?", fauchte eine wohlbekannte und ebenso unangenehme Stimme aufgebracht. Sasuke versuchte, die enthaltene Beleidigung zu überhören, auch wenn es schwerfiel. Es war immerhin sein Freund gewesen, er hatte ein Recht, sich aufzuregen.
 

"Und Sie trauen sich erst, mir gegenüber so einen Ton anzuschlagen, wenn ich in Sicherheitsverwahrung bin. Sieht aus, als wären wir beide feige", zischte Sasuke. So ganz konnte er seine Gereiztheit nicht überspielen. Homura hatte ja auch gleich zwei wunde Punkte getroffen.
 

"Ganz im Gegensatz zu dir ziehe ich nicht meuchelnd durch die Gegend, also wage es nicht, dich mit mir zu vergleichen!"
 

"Nein, Ninjas in den sicheren Tod zu schicken und das zu verleugnen ist ja auch viel besser. Wieso haben Sie Tsunade-sama nichts von der Mission erzählt?"
 

"Ich weiß nicht, wo du Bengel das Hirngespinst herhast und es ist mir auch egal. Mit deinen Verschwörungsversuchen kann sich die Hokage befassen, es ist nicht mein Problem. Ich will nur deine Motive für den Mord an einem meiner guten Freunde."
 

"Wie soll einen Mord begründen, den ich nicht begangen habe?" Sasuke hörte verächtliches Schnauben.
 

"Du scheinst in einer Traumwelt zu leben, Bengel. Spinnst dir irgendwelches Zeug zusammen. Aber du kannst sicher sein, dass ich nicht zulassen werde, dass du diesmal mit so etwas durchkommst. Ich werde mit allen Mitteln dafür sorgen, dass du deine gerechte Strafe erhältst und du auf ewig hier unten verrottest!" Damit war die Ansprache beendet und der Uchiha war wieder allein. Was war das denn für ein Auftritt gewesen? Bis eben hatte Sasuke noch die Überzeugung gehegt, dass die Ältesten hinter all dem steckten. Doch einen guten Freund meucheln zu lassen, das brachte wohl selbst Homura nicht übers Herz. Oder doch? Aber wer sollte denn sonst der Drahtzieher sein? Es musste jemand sein, der Sasukes emotionale Schwäche kannte. Jemand, der ihn unschädlich gemacht sehen wollte. Oder wollte ihn derjenige einfach nur leiden lassen, indem er ihm die Möglichkeit nahm, sein Ziel zu verwirklichen? Jemand, der ihm einfach nur schaden wollte? Erneut krallte sich Sasukes Hand in sein Oberteil. Das konnte nicht sein! Aber nach allem, was er wusste, woran er sich erinnerte und was er erst vor Kurzem erlebt hatte, war es sehr wohl möglich...

Vertrauen I

Fünf Tage nach Homuras Besuch lehnte ein völlig erschöpfter Uchiha mit gesenktem Kopf an der Wand, von der er sich die ganze Zeit kaum wegbewegt hatte und war dabei, einzudösen. Dabei störte ihn weder die feucht-kalte, harte Zellenwand noch die leichte Kühle, die in einem unterirdischen Raum natürlicherweise in der Luft lag und sich unangenehm klamm auf der Haut niederschlug. Nicht einmal mehr die Angst vor dem Schlaf. Es war nicht das erste Mal, dass er aus seiner Meditation in einen Dämmerzustand glitt, doch langsam verlor er die Kraft, sich dagegen zu wehren. Es war die Ruhe, die ihn einlullte, die Bewegungslosigkeit, die ihn zu träge werden ließ und die stickige, von Modergeruch erfüllte Luft, die ihn betäubte. Er hatte nicht im Ansatz versucht, zu trainieren und sparte lieber seine Kraft. Er hatte keine Ahnung, wie lange er noch hier ausharren musste und wollte lieber auf Nummer sicher gehen. Also klammerte er sich an die Meditationen, um so viel Energie wie möglich zu bewahren.
 

Vor Kurzem hatte er versucht, auszubrechen, obwohl er sein Team damit in Schwierigkeiten bringen konnte. Er hatte etwas versuchen müssen, um hier herauszukommen. Er konnte es nicht riskieren, in dieser Zelle einzuschlafen, so wie er es gerade im Begriff war, zu tun, denn wer wusste schon, wie lange er schlafen würde und wer sich seinen wehrlosen Zustand zunutze machen konnte. Aber die Fesseln an seinen Hand- und Fußgelenken und der Chakramangel hatten ihm das jämmerlichste Chidori beschert, das er je gesehen hatte. Es hatte mehr den Funken einer fast abgebrannten Wunderkerze geglichen, so dass Sasuke beinahe froh war, dass Kakashi das nicht gesehen hatte.

Kakashi. Sein Sensei hatte sich immer noch nicht blicken lassen und Sasuke konnte nicht mehr leugnen, dass ihn das traf. Naruto und Sakura hatten ihn noch einmal besucht, aber sie wussten auch nichts Genaueres. Sie hatten ihm nur sagen können, dass immer noch keine Anhörung angesetzt worden war und es keine neuen Entwicklungen in seinem Fall gab. Langsam wurde Sasuke unruhig, denn von selbst ausbrechen konnte er nicht und allmählich war er in einer Verfassung, die selbst Schlaf im Stehen zulassen würde. Trotz aller Gedanken, die sich in seinem Kopf ein erbarmungsloses Gefecht lieferten und darauf aus zu sein schienen, dem Uchiha auch noch die letzte Energie zu rauben, senkte sich nun sein Kopf allmählich gegen seine Brust. Die Erschöpfung begann, die Oberhand zu gewinnen, doch Sasuke war schon so benebelt, dass es ihm mittlerweile nahezu egal war. Fast schon bereitwillig gab er dem Sog in die alles verschluckende Schwärze allmählich nach. Sein Bewusstsein schaltete sich langsam ab und über seine Sinne legte sich ein Schleier.
 

"UCHIHA!", riss ihn ein wütender Schrei aus seiner geistigen Schwerelosigkeit. Erschrocken sah er auf und war dabei geschockt, dass sein Zustand es nicht zugelassen hatte, das Chakra wahrzunehmen, welches sich vor ihm aufgebaut hatte wie eine Wand. Nicht einmal ihre zweifellos lauten Schritte hatte er gehört. Mit einem Schlag verschwand der Schleier der Benommenheit und Adrenalin pumpte durch seinen Körper in einem kümmerlichen Versuch, ihn wieder reaktionsfähig zu machen. Nach dem anfänglichen Schrecken konnte er jedoch spüren, wie ihn die Energie nahezu sofort wieder verließ. Sein Körper hatte keine Reserven mehr. Wenigstens war er wieder halbwegs wach.
 

"Hab ich jetzt endlich deine Aufmerksamkeit? Du musst ja ganz schön fertig sein. Sag mir nicht, du hast in dieser ganzen Zeit nur meditiert?" Sasuke wandte der Hokage nur den Kopf zu. Einen trotzigen Blick hätte sie sowieso nicht gesehen. Außerdem war es ihre Schuld, dass er immer noch in diesem Loch festsaß. Was erwartete sie also? Zu seiner Überraschung wurde der Ton der Hokage fast schon sanft. Argwöhnisch konzentrierte er sich auf ihre Worte.
 

"Wieso tust du dir das nur an? Was hättest du gemacht, wenn sich das Ganze noch Wochen hingezogen hätte? Schaffst du es allein nach Hause?" Was sollte das denn heißen, wenn sich das Ganze noch Wochen hingezogen hätte? Sie hatte doch gesehen, wie sein Körper reagiert hatte. Irgendwann würde er leider zwangsläufig einschlafen und dann- stop. Hatte sie ihn gerade gefragt, ob er es allein nach Hause schaffen würde? Warum? Sasuke versuchte, seinen schlaftrunkenen Verstand zu erwecken, was ihm nur mäßig gelang. Kurz schüttelte er den Kopf, doch auch das brachte nicht den gewünschten Effekt. Im Gegenteil, es fühlte sich an, als würde das Innere seines Kopfes unangenehm hin und her geschleudert werden und der daraus resultierende Schwindel ließ seinen Magen in einem kurzen Anflug von benommener Übelkeit zusammenkrampfen. Man konnte tagelange Erschöpfung eben nicht einfach abschütteln.
 

"Warum?", fragte Sasuke mit erstaunlich fester, aber kratziger Stimme. Er musste sich nicht durch Flüstern eine weitere Blöße geben, obwohl seine Lippen schon wegen dem Feuchtigkeitsmangel aufgeplatzt waren und sein Mund so trocken war, dass er befürchtete, dass selbst Wasser an seinem aufgerauten Hals hängen bleiben würde. Das Gefängnis war eben kein Hotel und hier gab es nur morgens und abends Nahrung und Flüssigkeit. Und die andauernde Kühle zehrte unbarmherzig an den Kräften.
 

"Weil ich dich jetzt freilassen werde natürlich", meinte Tsunade gelassen, als würde die Antwort auf der Hand liegen. Sasuke verstand gar nichts mehr. Um ihn offiziell freilassen zu können, musste er doch erst in einer Anhörung freigesprochen werden. Nichts dergleichen war passiert. Träumte er? War das ein Trick? Oder war so benebelt, dass er auf ein einfaches Täuschungsmanöver eines nicht erkannten Feindes hereinfiel?
 

"Warum?", fragte er noch einmal.
 

"Sagen wir, du bist nicht in der Verfassung für eine Anhörung und du würdest uns ohnehin deine Erinnerungen nicht preisgeben. Lieber würdest du ewig eingesperrt bleiben, nicht wahr? Und dich zu zwingen, das bringe ich einfach nicht über mich. Ich möchte, dass du hier irgendwann ein normales Leben führen kannst und wenn wir dich dazu zwingen, dein Inneres preiszugeben, wirst du wahrscheinlich nie wieder Vertrauen in dieses Dorf fassen können. Du bist immer noch ein Ninja dieses Dorfes und du hast sicher gewichtige Gründe, deine Gedanken so zu verschließen. Warum sonst würdest du dich in so eine dumme Situation bringen, wenn du unschuldig bist? Lass dir aber gesagt sein, dass ich das nicht ewig hinnehmen werde. Momentan verleiten mich die Umstände dazu, dir zu trauen", sagte Tsunade mit mahnendem Unterton und setzte grinsend hinzu: "Das und der Ältestenrat. Homura konnte nicht schnell genug deine Festnahme veranlassen. Er hat dabei wohl auch übersehen, mich vorher zu Rate zu ziehen." Dass so etwas der Hokage nicht passte, war klar. Doch sich völlig offen gegen die Ältesten zu stellen, ohne etwas in der Hand zu haben, das würde sie nicht riskieren. Die Ältesten waren mächtig und wenn es zu einem Kampf zwischen ihnen und der Hokage käme, konnte das nicht nur das Dorf in zwei Parteien spalten, sondern es würde Konoha nach außen hin angreifbar machen. Mit einer uneinigen Führung war keine Schlacht zu gewinnen.
 

All diese Probleme interessierten Sasuke im Moment wenig und dennoch schwirrte ihm der Kopf. Eine freundliche, einfühlsame Hokage? Das musste er erst einmal verdauen. Er wusste es sehr zu schätzen, dass sie ihn nicht überrumpeln würden, denn in seiner Verfassung wäre das kein großes Problem. Mit den Chakrafesseln am Körper würde er seine geistige Barriere nicht lange aufrecht erhalten können, wenn er sie denn überhaupt aufbauen konnte und das war der Hokage sicher auch klar. Das war ein großer Vertrauensbeweis. Einen, den er nicht verdient hatte. Da musste etwas faul sein. Was war in die Hokage gefahren, ihn ohne Beweis einfach freizulassen? Was waren die Umstände, von denen sie sprach?
 

"Woher wollt Ihr wissen, dass ich unschuldig bin?", fragte Sasuke nun schon leiser. Das Sprechen fiel ihm schwer. Für ein kurzes Wort reichte es, doch längere Ausführungen waren ungewöhnlich anstrengend. Er brauchte dringend etwas zu Trinken.
 

"Ich weiß es eben. Unterschätz mich mal nicht, einfach so würde ich dich sicher nicht freilassen. Außerdem gibt es da ein paar Ninjas, die mir schon seit Tagen auf den Geist gehen und immer wieder deine Unschuld beteuern. Aber das ist im Moment nicht von Belang. Geh nach Hause und schlaf, um Himmels Willen", befahl die Hokage, schloss die Zellentür auf und ging auf den Uchiha zu. Dieser entfernte zuerst die Augenbinde, blinzelte kurz und stand auf. Nun, er versuchte es. Kaum lag sein volles Körpergewicht auf einem Bein, knickte dieses ein und er fand sich halb kniend auf dem Boden wieder. Er hatte schließlich acht Tage fast ununterbrochen an seinem Platz gesessen. Seine Beine waren das Gewicht nicht mehr gewohnt und der ständige Schneidersitz war der Durchblutung seiner Gliedmaßen nicht sonderlich zuträglich gewesen. Beschämt und wütend gleichermaßen sah er auf sein verräterisches Bein, als in seinem Blickfeld eine Hand auftauchte. Die Hokage lächelte ihn an, als wäre nichts gewesen und er war dankbar dafür.
 

Wieder überraschte ihn ein Bewohner Konohas. Tsunade würde er trotzdem nicht so schnell vertrauen. Dennoch ergriff er ihre Hand und ließ sich aufhelfen, weil er im Moment - so sehr ihn das auch ärgerte - nicht von allein auf die Beine kam. Fühlte sich so ein Käfer, der auf dem Rücken lag und verzweifelt mit den Beinen in der Luft herumstrampelte, um irgendwie wieder einen Halt zu finden? Ähnlich machtlos fühlte sich Sasuke im Moment. Dankenswerterweise hatte er einen Halt zur Verfügung und der war im Moment nun einmal die überraschend hilfsbereite Hokage. Er würde sie allerdings nicht darum bitten, ihn auch beim Laufen zu stützen, das würde er schon noch alleine schaffen. Diesmal belastete er seine Beine etwas vorsichtiger und außer einem unangenehm intensiven Kribbeln, das sich wie tausende Nadelstiche über seine Beine legte, passierte nichts.
 

"Danke", murmelte Sasuke und verließ vorsichtig seine Zelle. Er war zu dem Schluss gekommen, dass es am besten war, auf diesen Freispruch einzugehen. Sollte die Hokage ihm schaden wollen, hätte sie eine solche Scharade nicht nötig. Er war in seinem derzeitigen Zustand kein Gegner. Sollte sie etwas Langfristigeres planen, könnte er dem am besten mit ausgeruhtem Körper und Geist widerstehen. Die Hokage musste sich sehr sicher fühlen, wenn sie ihm diese Gelegenheit gab. Oder war sie wirklich an seinem Wohlbefinden interessiert? Warum war sie plötzlich so nett?
 

Irgendwas musste passiert sein. Vielleicht hatte Kakashi ihn herausgeboxt? Nein, diesem Wunschdenken sollte er sich nicht hingeben. Die Abwesenheit seines Senseis sprach für sich. Wann war er überhaupt gedanklich so abhängig von seinem Team geworden? Irgendwie war dieser Gedanke beängstigend. Ein Rächer hat keine Abhängigkeiten. Er braucht keine Nähe. Er kämpft, so wie es ihm bestimmt ist. Das war zumindest die vermeintliche Wahrheit, die er sich jahrelang eingeredet hatte. Doch eine andere Stimme in seinem Kopf rief ihm spottend in Erinnerung, dass er in seinem Zustand wohl nicht mal einer Fliege etwas zuleide tun konnte. Und er selbst sagte sich, dass er der Rache seines Clans auch noch mit ein paar Bindungen nachgehen konnte. Oder nicht?
 

Nach wenigen Schritten hatten sich Sasukes Beine so weit wieder an die eigentlich vertraute Belastung gewöhnt, dass er halbwegs normal gehen konnte. Tsunade lief hinter ihm her. Ungewöhnlich. Normalerweise positionierte sich derjenige mit dem höheren Rang doch an der Spitze der Gruppe. Vielleicht befürchtete die Hokage auch einfach nur, dass er noch einmal umfallen könnte. So schwach war er nun auch wieder nicht. Sagte er sich jedenfalls. Vorsichtig nahm er eine unauffällige Abwehrstellung ein. Nur weil er gerade schwächer als ein Akademieschüler war, hieß das noch lange nicht, dass er sich alles kampflos gefallen lassen würde.
 

"...ja, ein vollkommen zerstörter Geist...", hörte Sasuke die Anbuwachen, als er am Eingang ankam. Doch auf einen energischen Wink der Hokage hin verstummte der Sprecher. Vollkommen zerstörter Geist? Worüber mochten die beiden Wachen sich unterhalten haben? Sasuke grübelte nicht weiter darüber nach. Sein Bett rief und er würde dem Ruf diesmal mit Freuden folgen, auch wenn ihm vor diesem wahrscheinlich sehr langen Schlaf graute. Schweigend trat er den Heimweg an. Obwohl es schon Abend war, kreuzten viele Menschen seinen Weg, die wohl das letzte Licht des Tages nutzen wollten. Kaum einer der Passanten musterte ihn nicht mit diesem argwöhnischen Blick, der von reinem Misstrauen zeugte. Mochte die Hokage ihm auch glauben, für das Dorf war er ein Verräter. Das war ihm jedoch egal. Offene Feindseligkeiten waren immer noch besser als versteckte. Hauptsache, er müsste keinen Verrat mehr erleben.
 

~*~
 

Die letzten Tage waren so verdammt anstrengend gewesen, das konnte man fast nur mit einem ordentlichen Schluck Sake ertragen. Aber das konnte sie sich im Moment nicht leisten, denn sie musste wachsam sein. Tsunade musste herausfinden, was hinter den Fassaden in ihrem eigenen Dorf gespielt wurde. Besonders die Ältesten bereiteten ihr Kopfschmerzen. Sie verhielten sich nicht so, wie sie es erwartet hatte. Sicher, sie wollten Sasuke die schlimmstmögliche Strafe anhängen und in einer Anhörung wären sie vor ein paar Tagen damit auch durchgekommen. Doch Homura zeigte eine solch aufrichtige Wut, dass es schwer zu glauben war, dass er hinter all dem steckte und kaltblütig einen Freund opfern würde. Die beiden waren nicht ohne Grund Älteste geworden. Doch auch das konnte alles nur ein raffinierter Schachzug sein.
 

Glücklicherweise hatte sich die Sachlage für ihr aktuellstes Problem geändert. Es gab einen Beweis für Sasukes Unschuld. Wenn das nicht auch alles fingiert war... Tsunade seufzte und blickte sehnsüchtig zu der linken Schublade ihres Schreibtischs. Dort bewahrte sie ihre Notration Sake auf. Wenn Shizune sie noch nicht wieder beseitigt hatte, müsste darin ein kleines Fläschchen zu finden sein. All diese Intrigen, das hatte sie nicht zu träumen gewagt, als sie zugestimmt hatte, die Godaime zu werden. Sie hatte immer zu allen Hokage aufgesehen und folgte der Schule des ersten und dritten Hokage. Doch nun war ihre Sicht auf letzteren getrübt. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass diese Mission hinter seinem Rücken geplant und ausgeführt worden war. Einen Genin in die Höhle des Löwen zu schicken, um eben diesen umzubringen. Es war doch von Anfang an offensichtlich zum Scheitern verurteilt gewesen. Und dennoch hatte Sasuke es geschafft.
 

Sie hatte es selbst nicht geglaubt, gedacht, er wollte nur feige seinen Kopf aus der Schlinge ziehen. Doch dann hatte sie bei der Verhandlung gesehen, wie ernsthaft dieser junge Mann war. Er hatte so aufrichtig gewirkt. In seiner Enttäuschung, seinem Zorn und schließlich in seinen Behauptungen, auch wenn, oder vielleicht auch gerade weil, er um jeden Preis seinen Kopf vor ihnen verschließen wollte. Und diese Aufrichtigkeit hatte sie dann auch Kakashi nachgeben lassen. Zweimal. Das erste Mal, als er bei ihr im Büro war und ihr offensichtlich Dinge verheimlichte. Um mehr Zeit bat. Tsunade hatte gespürt, dass hinter all diesen scheinbar idiotischen Geheimniskrämereien gravierende Gründe stehen mussten. Sie hatte Kakashi mehr Zeit bewilligt.
 

Doch dann kam die Mission, deren Verlauf der Kaufmann Goma Suri, jahrelanger Geschäftspartner Konohas und enger Freund Homuras, nicht überlebt hatte. Und Tsunade hatte mit einem Schlag an allem gezweifelt. Sie hatte bei ihrer ersten Begegnung im Gefängnis selbst gesehen, wie schnell der jüngste Uchiha aus der Haut fuhr, wenn man den richtigen Ansatzpunkt erwischte. Sie hatte ihm lediglich seinen Zustand vor Augen geführt. Nach seiner Aktion im Gerichtssaal damals und später dem Angriff auf ihn im Gefängnis, war er sehr geschwächt gewesen. Es war ein Fakt, mit dem sie ihn konfrontiert hatte, keine Beleidigung und dennoch hatte dieses kleine Wort dafür gesorgt, dass er das erste Mal der Hokage gegenüber seine Zurückhaltung vergaß. Schwach.
 

Tsunades Zweifel und ihr entsprechendes Handeln hatten zu einer heftigen Auseinandersetzung mit Kakashi geführt. Er war der einzige gewesen, der seinen Schüler nach wie vor vehement verteidigte. Zwar konnte sie auch Sakura ihre Überzeugung ansehen, jedoch sagte diese nichts. Naruto hatte sie gar nicht erst zu Wort kommen lassen, denn seine Argumente kannte sie zur Genüge. Der Bericht von Team 7 genügte ihr, doch damit hatte sich Kakashi nicht zufrieden gegeben. Er hatte ein Argument nach dem anderen angeführt, warum es unsinnig für Sasuke gewesen wäre, seiner zugegebenermaßen vorhandenen Wut nachzugeben. Doch er konnte nicht einen Beweis vorbringen.
 

Und darüber war der Streit entfacht. Kakashi hatte beantragt, sich auf die Suche nach den Dienern machen zu können, Tsunade hatte ihm dies verweigert. Es wäre zwecklos gewesen, das wusste auch der Jounin. Der Schauplatz des Geschehens war längst bereinigt und die Diener waren über alle Berge. Zu Tsunades Überraschung war Kakashi dann emotionaler geworden, als es für ihn üblich war. Statt weiter rational zu argumentieren, warf er ihr vor, dass sie Sasuke seinem Schicksal überlassen würde, ohne etwas zu unternehmen, obwohl er genau wusste, dass sie im Moment nichts tun konnte. Diese außergewöhnliche Reaktion hatte sie dazu veranlasst, nachzufragen, warum Kakashi mit solchem Eifer diesen Jungen verteidigte, dessen Unschuld nicht bewiesen werden konnte. Er hatte sie nur mit seinem typischen, ausdruckslosen Gesicht angesehen, doch seine Stimme hatte so vieles gezeigt, als er ihr in einem kurzen, kryptischen Satz antwortete. Müdigkeit, Mitgefühl, Trauer, Sorge, Verantwortungsgefühl, ja sogar Schuldbewusstsein, doch auch eine unbändige Willenskraft. "Er erinnert mich an mich selbst." Und daraufhin hatte sie dem Jounin erlaubt, das Dorf für diese Mission zu verlassen. Nicht um Beweise für Sasukes Unschuld zu finden, sondern für sein eigenes Seelenheil. Denn Tsunade wusste um Kakashis Vergangenheit und die emotionale Bürde, die er mit sich trug. Und ebenso wusste sie, dass er sich geschworen hatte, sein Team nie wieder im Stich zu lassen. Kakashi sprach nie darüber, doch das musste er auch nicht. Sein Verhalten tat es für ihn.
 

Der ersehnte Beweis war ihnen ein paar Tage später quasi zugeflogen und genau das war ein Grund, misstrauisch zu bleiben. Sie hatte Kakashi sofort jemanden hinterhergeschickt, der ihn zurückholen sollte, denn es war nicht mehr nötig, diese ausweglose Suche fortzusetzen. Und als der Jounin vor einer Stunde zurückgekehrt war, hatte sie ihn sofort auf den neuesten Stand gebracht. Es war eine vorsichtige Erleichterung, die er zeigte. Es hing eben alles von diesem einen Beweis ab. Auch Kakashi gab sich nicht so einfach der Vorstellung hin, dass nun alles gut werden würde. Auch Beweise waren anfechtbar und sie hatten nur einen. Dennoch hatte Tsunade Kakashi ins Uchihaviertel geschickt, damit er dort auf die Person warten konnte, die er schon seit ein paar Tagen hatte sehen wollen.
 

Zu eben dieser Person machte sie sich nun auch auf den Weg. Es wurde Zeit, den Bengel aus seinem Elend zu befreien. Und ein elender Zustand war es in der Tat. Sie hatte sich täglich von den Anbuwachen Bericht erstatten lassen und natürlich setzte der Bengel dasselbe sture Verhalten fort, das er bereits nach seiner ersten Gefangennahme an den Tag gelegt hatte. Er richtete sich selbst zu Grunde, indem er sich keine richtige Erholung gönnte. Doch irgendwann, sagte sich Tsunade, würden sie all dem auf die Spur kommen. Sie vertraute Kakashi, er würde es schaffen. Wenn nicht, würde der Junge keine Chance haben, friedlich in diesem Dorf leben zu können. Er würde sich stets fühlen wie von Feinden umgeben und immer auf der Hut sein. Das war kein Leben. Und sie wollte, dass der Junge endlich Frieden fand. Seine Vergangenheit war tragisch genug und das Dorf hatte ihres Erachtens viel zu wenig getan, um dem Kind, dass er damals noch gewesen war, zu helfen.
 

Wie konnte man ein so kleines Kind um Himmels willen nicht nur in dem Viertel leben lassen, in dem sein ganzer Clan dahingemetzelt wurde, sondern auch noch in dem Haus, in dem es seine Eltern tot auffinden musste! Mitsamt ihrem Mörder. Mehr noch, das Dorf sah in ihm auch jetzt noch nur den Uchiha, nicht den Menschen dahinter. Wie es ihm ging, danach fragte keiner. Alle setzten voraus, dass er gemäß dem Namen seines Clans mit allem allein fertig werden würde. Und nach außen hin schaffte er das auch. Doch sah man einmal genauer hin, wurde klar, dass auch ein Uchiha nur ein Mensch war und dass auch Sasuke seine Probleme hatte. Tsunade hatte einfach das Gefühl, die Vergangenheit ein Stück weit wiedergutmachen zu müssen, soweit es ihre Hokagepflichten zuließen.
 

Sie begab sich hier wirklich in eine schwierige Situation. Als sie sich diesen Gedanken erneut bewusst machte, schlich sich ein ironisches Grinsen in ihr Gesicht. Verdammte Bengel, was tat man nicht alles... Letzten Endes hatte sie schon mehr als eine unvernünftige Entscheidung gefällt, was den Uchiha anging, doch sie wusste, dass sie es nicht nur für Sasukes Wohlbefinden tat. Sie tat es auch, weil Sasukes Wohlbefinden wichtig für Naruto war. Den vorlauten Genin, der sie schon bei ihrer ersten Begegnung nachhaltig beeindruckt hatte. Der ihre Sichtweise auf die Dinge verändert hatte. War sie damals noch davon überzeugt gewesen, dass es dumm war, sich für andere zu opfern, begab sie sich jetzt in eine mehr als heikle Situation, um dem besten Freund des Jungen zu helfen, der wie ein kleiner Bruder für sie war.
 

Sie hatte ihre große Liebe verloren und ihren echten kleinen Bruder, Nawaki, nun würde sie alles dafür tun, das, was ihr von einer Art Familie geblieben war, zu beschützen und zu unterstützen. Es musste eine Lösung für Sasukes Probleme geben. Es musste einfach möglich sein, ihn wieder in das Dorf einzugliedern. Denn würde Naruto Sasuke irgendwann wieder verlieren, und sei es nur, weil der Uchiha das Dorf endgültig verließ, würde das den blonden Chaoten zerstören. Und Naruto würde auch leiden, wenn er Sasuke leiden sah. Der Uchiha versteckte seine Gedanken und Gefühle sehr gut, doch Naruto hatte oft ein feines Gespür für den Schmerz anderer. Also musste sie dem Häufchen Elend, das sie nun vor sich in seiner Zelle sah, unbedingt helfen, auch wenn sie damit ihrem Ruf und ihrer Position einen gehörigen Schaden zufügen konnte. Es war, wie es der Kazekage ihr geschrieben hatte: nach außen hin verdammt leichtfertig. Aber Tsunade war stets auf der Hut, auch wenn sie emotional viel zu beteiligt war und die Lösung mit viel zu großer Macht wollte: Der Tatsache war sie sich bewusst und das schränkte die Gefahr ein. Sie würde nicht blindlings handeln.
 

Tsunade nahm sich kurz Zeit, den Gefangenen eingehend zu mustern, um einzuschätzen, wie seine Verfassung wirklich war. Sie kam zu dem Schluss, dass sie sehr schlecht sein musste, denn abgesehen von der unnormal fahlen Haut, dem kalten Schweiß auf der Stirn und den Augenringen, die es schafften, sogar unter der Augenbinde hervorzulugen, war Sasuke offensichtlich dabei, einzuschlafen und das würde er nicht zulassen, wenn er noch die Kraft dazu hätte, es zu verhindern. Mit Sorgenfalten auf der Stirn beobachtete Tsunade, wie sich Sasukes Kopf immer wieder langsam auf seine Brust senkte, nur um dann wieder ein Stück nach oben zu schnappen. Die Intervalle wurden immer länger. Kurz überlegte sie sich, ob sie es nicht einfach dazu kommen lassen sollte, doch dann entschied sie sich dagegen. Sie wollte diesem Bengel schließlich ihre Vertrauenswürdigkeit beweisen. Also sprach sie leise seinen Namen, um ihn nicht zu erschrecken. Keine Reaktion. Ein paar Mal noch wiederholte sie den Versuch, bis ihr schließlich der Geduldsfaden riss. Laut rief sie ihn und konnte ein kurzes Aufwallen von Genugtuung nicht unterdrücken, als sie sah, wie desorientiert und erschrocken Sasuke offensichtlich war. Der stoische Uchiha war also doch dazu fähig, etwas anderes als Gleichgültigkeit zu zeigen. Doch schnell schwand diese Empfindung, als sie sah, wie offensichtlich der innere Kampf des Jungen war.
 

Was auch immer er mit sich austrug, man konnte den Konflikt trotz der Augenbinde erkennen, die seine Augen verbarg. Es war fast schon mitleiderregend, wie sehr der Junge versuchte, die Fassung zu bewahren und kläglich scheiterte. Er musste wirklich am Ende sein, wenn ihm sogar die Kraft für etwas fehlte, auf das er sonst den größten Wert legte. Wieder keimte in ihr der Drang auf, zu erfahren, was all das wert war. Was verbarg dieser Junge? Doch sie war sich sicher, dass dies nur Kakashi oder Naruto herausfinden konnten. Dennoch konnte eine einfache Frage nach dem Warum nicht schaden, auf die Sasuke natürlich schwieg.
 

Es dauerte eine Weile, bis er verstanden hatte, dass sie ihn wirklich freilassen wollte. Und sie nahm mit großem Unmut zur Kenntnis, dass er ihr selbst in diesem Zustand noch offensichtliches Misstrauen entgegenbrachte. Er hinterfragte ihre Taten, sah ihre Hand wachsam an, bevor er sie annahm und sich aufhelfen ließ. Er quälte sich halb in sich zusammengesunken und zögerlichen Schrittes Richtung Zellentür, ohne weitere Hilfe anzunehmen, sodass Tsunade schon befürchtete, er würde nach zwei Schritten wieder auf dem Boden landen. Ja, er ging sogar in eine leichte Abwehrhaltung, sobald beide seine Zelle verlassen hatten, obwohl er kaum die Kraft zum Laufen hatte. Wie konnte ein einziger Mensch nur so misstrauisch sein? Fast bereute sie es, sich so für ihn einzusetzen. Doch eine Hokage ließ sich nicht von Undank beeinflussen. Denn so ganz undankbar war der Uchiha nicht, das hatte ihr sein schwaches "Danke." bewiesen.
 

Für diese Gedanken hatte Tsunade allerdings nicht lange Zeit, denn die Anbuwachen tratschten über Dinge, die noch nicht für Sasukes Ohren bestimmt waren. Mit einem energischen Wink brachte sie die beiden zum Schweigen, nachdem sie hinter Sasuke zum Stehen gekommen war. Sie war jederzeit bereit, ihn aufzufangen, falls er wieder fallen sollte und hoffte, dass er die Symbolik der Geste erkennen würde. Doch zu einem Fall kam es nicht. Und glücklicherweise war Sasuke zu erschöpft, um begreifen zu können, was er eben gehört hatte. In seinem Zustand musste er die Wahrheit noch nicht erfahren. Die falschen oder - wie Tsunade sich eingestehen musste - wenigstens unwahrscheinlichen Schlüsse konnte er auch noch ziehen, wenn er sich ausgeruht hatte.
 

~*~
 

Der Weg nach Hause stellte sich als mühselig heraus und Sasuke schleppte sich mehr vorwärts, als dass er lief, obwohl die kühle Atemluft seinen Geist ein wenig erfrischt und die Bewegung seinem Körper etwas mehr Leben eingehaucht hatte. Er war so fertig, dass ihm nicht einmal auffiel, dass seine Haustür nicht abgeschlossen war und die schützenden Fallen deaktiviert waren, etwas, worauf er normalerweise penibel achtete. In diesem Haus hatte niemand etwas verloren, der kein Uchiha war.
 

"Tadaima*", murmelte Sasuke in einem Anflug von Melancholie und höchstwahrscheinlich auch einem Bedürfnis nach Schutz und Geborgenheit, als hoffte er, dass ihm jeden Moment seine Mutter entgegenkommen würde. Das würde nicht passieren, sagte er sich streng, denn alle Türen waren geschlossen, genauso wie er es hinterlassen hatte. Nein, nicht alle. Eine hing schief in den Angeln. Wieso? Trotz aller Erschöpfung war dieses Detail zu auffällig um seiner benebelten Wahrnehmung zu entgehen, denn innerhalb des Hauses hielt Sasuke eine strikte Ordnung ein. Er versuchte, seinen Körper in Alarmbereitschaft zu versetzen, was ihm nicht wirklich gelingen wollte. Er schlurfte ins Wohnzimmer, mehr als dass er schlich und kaum dass er den Türrahmen passiert hatte, stoppte er plötzlich und seine Augen weiteten sich in entsetzter Erkenntnis. Erneut wallte Adrenalin auf, nur um nahezu wirkungslos zu verpuffen. Nahezu...
 

Natürlich. Wie hatte er etwas anderes annehmen können? Er war ein Verdächtiger, es war doch klar, dass die Anbu sein Haus durchsuchen würden. Bei seiner ersten Verhaftung hatten sie das wahrscheinlich nur nicht getan, weil ohnehin alle von seiner Schuld ausgegangen waren und er noch nicht wieder offiziell zum Dorf angehört hatte. Welche Beweise hätten sie also finden sollen? Doch dieses Mal waren die Anbu gründlich vorgegangen. Alles war durchwühlt worden und einiges lag durcheinandergeworfen auf dem Boden. Dinge waren zu Bruch gegangen, weil man bei der Durchsuchung höchstwahrscheinlich nicht allzu behutsam vorgegangen war. Es war kein absolutes Chaos, es waren nur ein paar Gegenstände auf dem Fußboden. Dennoch reichte es, um das Gleichgewicht dieses Ortes entschieden zu stören. Sasuke schloss die Augen und ließ resigniert den Kopf sinken, während seine Zähne knirschend aufeinandertrafen und seine Finger sich haltsuchend in den Türrahmen krallten. Er hatte doch immer darauf geachtet, dass alles so blieb, wie es vor dem Massaker war. Penibel hatte er sogar das Geschirr dort platziert, wo es seine Mutter immer hingestellt hatte. Jedes Glas, jeder Teller hatte den Platz von damals. Deshalb wirkte das Haus auch so steril und unwirklich, als würde dort niemand wohnen. Tatsächlich wohnte dort auch niemand. Sasuke existierte nur neben Erinnerungen, Schemen der Vergangenheit, das war alles. Doch nun war es vorbei. Diese letzte Nähe zu seiner Familie war verschwunden, denn dieses gewaltsame Eindringen würde er nicht vergessen können. Wie viele mochten wohl hier gewesen sein? Fast unerträglich war der Gedanke, dass sich so viele Fremde durch die Vertrautheit dieses Hauses gewühlt hatten.
 

"Ich konnte nicht verhindern, dass die Ältesten jemanden schicken." Sasuke zuckte unkontrolliert zusammen und blickte zur Seite, wo er seinen Sensei mit verschränkten Armen an die Wand gelehnt stehen sah. "Mission. Ich weiß, wie sehr du es verabscheust, jemanden hier zu haben, der nicht zu deiner Familie gehört, deshalb tut es mir leid." Dennoch sind Sie hier. Nein, das war unfair. Kakashi hatte hier schließlich nicht gewütet.
 

"Das ist jetzt nicht mehr wichtig", sagte Sasuke leise. Und so war es. Die vertraute Atmosphäre war zerstört. Es war, als wäre seine Familie nun endgültig aus diesem Haus vertrieben worden. Ein weiterer Gedanke, der schnell verdrängt wurde. Das würde Sasuke nicht zulassen. Seine Familie war alles, was ihm blieb.
 

"Wie geht es dir?" Sasuke schaute Kakashi ungläubig an. Was war denn das jetzt für eine Frage? Trotz seiner Verwunderung war Sasuke dankbar dafür, denn sie bewies ihm, dass er noch nicht ganz allein war. Langsam kroch in ihm eine leise Freude hoch, dass sein Sensei anscheinend doch nicht von seiner Schuld überzeugt war. Er war immerhin hier bei ihm, oder nicht?
 

"Glauben Sie mir?", stellte er die Gegenfrage, denn das war etwas, was ihn schon lange beschäftigte. Sein Sensei wusste sofort, worauf er anspielte. Und er wusste, dass das für seinen Schüler momentan wichtiger war als seine offensichtlich schlechte körperliche Verfassung, daher ging er auf dieses Frage-Antwort-Spiel ein.
 

"Ich muss zugeben, dass ich anfänglich an dir gezweifelt habe, die Szene war einfach ein Schock. Aber wenn man in Ruhe darüber nachdenkt, ist es offensichtlich, dass du es nicht warst. Du hast dich so lange beherrscht, warum solltest du plötzlich alles durch einen Ausraster zunichte machen? Und wenn du dich wirklich der Raserei hingegeben hättest, glaube ich nicht, dass die beiden vermeintlich schwachen Diener dir entkommen wären. Deren Leichen haben allerdings am Tatort gefehlt. Außerdem hat das alles so perfekt gepasst, besonders dieser Ablenkungsangriff vorher, das schreit ja nahezu nach einer Falle. Ich finde es nur bedenklich, dass da draußen noch jemand herumläuft, der ohne mein Zutun das Chidori beherrscht." Sasuke war überwältigt. Nicht nur, dass Kakashi ihm glaubte, nein, er war ihm gegenüber auch vollkommen ehrlich.
 

"Danke", murmelte Sasuke zum zweiten Mal an diesem Tag und aufrichtiger hätte er es nicht meinen können. Kakashi schenkte ihm eines seiner typischen unbekümmerten Lächeln. Gleich darauf wurde sein Gesichtsausdruck jedoch wieder ernst.
 

"Wie lange hast du nicht mehr geschlafen?" Sasuke blickte seinen Sensei überrascht an. Heute war wohl der Tag der unerwarteten Äußerungen. Woher wusste er das schon wieder? Wäre Sasuke ein bisschen wacher gewesen, hätte er sich darüber wahrscheinlich nicht gewundert.
 

"Was-?"
 

"Keine Gegenfragen, Sasuke, wir wissen beide, dass du viel zu wenig schläfst. Und im Gefängnis unter Überwachung ist es schwer, das geheim zu halten. Außerdem siehst du aus wie eine wandelnde Leiche." Der Uchiha überlegte nicht lange. Kakashi würde es ohnehin herausfinden.
 

"Seit die letzte Mission angefangen hat nicht mehr. Aber die Meditation-"
 

"Das sind elf Tage! Geh sofort schlafen! Wir reden weiter, wenn du dich ordentlich ausgeruht hast", sprach Kakashi und verließ das Wohnzimmer. Es war wirklich ironisch. Sasuke war jetzt in dem Zustand, für den Kakashi sie eine riskante Mission hatte bestreiten lassen, doch diesmal würde er den Schlaf des Uchihas nicht überwachen. Er wollte ihm ein wenig Ruhe gönnen. Warum auch nicht? Kakashi erahnte das Problem und einem weiteren Albtraum beizuwohnen, würde ihn nicht weiterbringen. Das dachte er zumindest.
 

Sasuke hätte Kakashis Anweisung wirklich gern Folge geleistet, doch in diesem Haus gab es etwas, das ihn nicht losließ und solange das nicht behoben war, würde er keinen Schlaf finden können. Das Band zu seiner Familie fühlte sich zu zerstört an, als dass er es seelenruhig hätte hinnehmen können. Auch wenn es vielleicht albern war, er würde erst schlafen, wenn der Grundzustand dieses Hauses wieder hergestellt war. Auf den zweiten Blick hatte Sasuke festgestellt, dass die Anbu nicht allzu schlimm gewütet hatten. Es würde nicht zu lange dauern, alles in Ordnung zu bringen und die zerbrochenen Gegenstände konnte er ohnehin nur wegwerfen. Langsam machte er sich daran, die Unordnung zu beseitigen und alles, was nicht kaputtgegangen war, an seinen angestammten Platz zurückzustellen. Es war ein hoffnungsloser Versuch, etwas Kaputtes wieder vollständig reparieren zu wollen. Denn bei allem Willen, an seine Aufräumaktion zu glauben, war Sasuke bewusst, dass bei einer Reparatur immer Spuren zurückblieben. Etwas, das einmal kaputt war, würde nie wieder seinen Ursprungszustand erreichen...
 

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*tadaima = Ich bin zu Hause.

Vertrauen II

Sakura stand auf der Brücke, die stets als Treffpunkt von Team 7 gedient hatte, und dachte nach. Ob sie das Richtige tat? Eigentlich war sie sich sicher, aber sie wusste nicht, wie Sasuke reagieren würde. Die Ereignisse der letzten Tage hatten sie auf diese Idee gebracht und ihre beiden anderen Teammitglieder hatten begeistert zugestimmt. Gut, Naruto war begeistert gewesen. Kakashi hatte eher verhaltene Zuversicht gezeigt.
 

Als Sasuke im Gefängnis abgestritten hatte, dass er sich Sorgen um sein Team machen würde und als sie die unendliche Erleichterung in seinen Augen sah, dass sie überhaupt eine Emotion hatte erkennen können, nachdem sie und Naruto ihm versichert hatten, dass sie ihm glaubten - das hatte sich wie früher angefühlt und Sakura wollte, dass es wieder so sein konnte wie früher. Dass sich Sasuke arglos im Dorf bewegen und sich seinem Team zugehörig fühlen konnte, auch wenn er oft so tat, als würde ihn das alles nicht interessieren. Ersteres würde wohl nicht mehr so leicht möglich sein, dafür hatte Sakura in den letzten Tagen einfach zu viele Reaktionen mitbekommen. Die Ältesten waren sowieso gegen Sasuke, aber auch die Hokage hatte sehr lange gebraucht, um ihm in diesem verzwickten Fall zu glauben und dafür hatten erst die neuesten Entwicklungen gesorgt, von denen Sakura selbst nichts wusste. Sie wusste nur, dass es irgendeinen Beweis für Sasukes Unschuld gab. Mehr hatte die Hokage ihr nicht verraten.
 

Am schlimmsten war allerdings Neji. Er hielt keine offenen Schimpftiraden gegen Sasuke, nein, es war viel wirkungsvoller und subtiler. Jedesmal wenn das Thema Sasuke Uchiha angesprochen wurde, sagte er nicht viel dazu, ließ aber sein tiefes Misstrauen durchblicken und mahnte zur Vorsicht, was enorm ernsthaft und somit glaubwürdig wirkte, besonders wenn seine sonst stoischen Züge eine leichte Besorgnis erahnen ließen. Es war die Warnung vor einer Gefahr, die sich beständig wiederholte. Und die Quelle der Gefahr manifestierte sich so allmählich als Fakt in den Köpfen, denn stillschweigend wurde mit jedem weiteren Mal mehr von Nejis Sorge als die eigene angenommen, bis schließlich nicht mehr infrage gestellt wurde, ob es überhaupt eine Gefahrenquelle gab.
 

Es war fast wie damals bei Naruto und Sakura schämte sich, dass auch sie zu den Menschen gehört hatte, die sich so einfach hatten beeinflussen lassen. Die Erwachsenen kannten die Geschichte von Naruto und hielten ihn für gefährlich. Diese Haltung hatte sich mit der Zeit auf ihre Kinder übertragen, obwohl niemand davon sprach, weil es der Hokage persönlich verboten hatte. Und so wurde ein unschuldiges Kind gemieden und ausgegrenzt. Oft hatte Sakura Naruto traurig auf einer Schaukel sitzen sehen, doch hatte sie nie mit ihm reden wollen, weil ihre Eltern ihn für schlecht hielten. Und was ihre Eltern für richtig befanden, das war auch richtig. Welches Kind würde anders denken?
 

Nun war die Sachlage aber doch ein wenig anders. Hier ging es nicht um ein Kind. Hier ging es um einen jungen Mann und den erwarteten bei so einer ablehnenden Grundhaltung im Dorf schlimmere Dinge als nur Ausgrenzung. Denn Sasuke wurde so langsam als echte Bedrohung betrachtet. Man würde sich nicht einfach nur von ihm fernhalten, wenn das Misstrauen zu groß wurde. Und Neji machte das Ganze nicht besser, indem er Misstrauen säte und andere Leute dazu brachte, es ihm gleichzutun. Beispielsweise Kiba hatte er damit schon auf seine Seite gezogen, obwohl dieser Sasuke noch nicht einmal seit seiner Rückkehr begegnet war. Wenn Sakura ehrlich war, konnte sie ihm das aber auch nicht vorwerfen. Viele ihrer Altersstufe waren unsicher, wie sie sich verhalten sollten, denn die Fakten sprachen eindeutig gegen Sasuke. Dazu kam Sasukes Zeit bei Orochimaru, dem Mann, der seine Freunde hintergangen hatte. Dem Mann, dem niemand in Konoha mehr traute, der als höchstrangige Gefahr eingestuft worden war. Und eine ähnliche Woge des Misstrauens richtete sich nun gegen Sasuke und drohte, sich zu Wellen aufzutürmen, die irgendwann gegen ihr Hindernis preschen würden. Sakura wusste, dass Team 7 hier nur wenig unternehmen konnte, außer immer wieder die Wahrheit und ihr Vertrauen in Sasuke kundzutun, was sehr selten mit positiven Reaktionen belohnt wurde. Im Gegenteil...
 

Genau deshalb wollte Sakura dem Uchiha wenigstens den zweiten Teil ihrer Traumvorstellung wieder ermöglichen: dass er sich seinem Team zugehörig fühlte. Dass er in diesem Dorf, das eigentlich seine Heimat war, wieder jemanden hatte, auf den er sich verlassen konnte. Also hatte sie vorgeschlagen, dass sie Sasuke zu Ichiraku zum Mittagessen einluden, damit sie ihm zeigen konnten, dass sie immer noch hinter ihm standen. Dass er nicht allein war. Eine kleine Geste, die hoffentlich eine positive Wirkung haben würde. Das war doch ein guter erster Schritt, dachte sie sich.
 

Erstaunlicherweise hatte sich ausgerechnet Naruto dagegen ausgesprochen. Er meinte, es würde Sasuke nicht guttun, sofort mit der Dorfatmosphäre konfrontiert zu werden. Stattdessen hatte er vorgeschlagen, bei Sasuke zu Hause etwas für ihn zu kochen, damit er in seinem eigenen Haus erst einmal zur Ruhe kommen konnte. Das war umso erstaunlicher, da er Sakura vor einiger Zeit erzählt hatte, in welchem Ton ihm Sasuke verboten hatte, je wieder unerlaubt sein Haus zu betreten. Wenn man näher darüber nachdachte, war Narutos Vorschlag keine wirkliche Überraschung. Dadurch dass er selbst einmal so ähnlich wie Sasuke jetzt behandelt worden war, konnte er nachvollziehen, wie dieser sich wohl fühlen würde. Umso überraschender war Kakashis spontane Zustimmung. Er hatte so ausgesehen, als würde er sich bei dieser ganzen Aktion etwas denken, also ging es wohl in Ordnung. Sakura versuchte, sich nicht auf die Zweifel, sondern ihre Vorfreude zu konzentrieren.
 

Nun stand sie also hier und wartete auf ihre beiden Teamkameraden, die bereits seit geschlagenen zwanzig Minuten auf sich warten ließen. Bei Kakashi war das ja normal, aber Naruto? So sehr verspätete der sich doch nie. Endlich sah sie ihn mit einem riesigen Korb im Schlepptau heraneilen.
 

"Entschuldige, Sakura-chan, ich hab noch ein paar Zutaten besorgt. Sasuke isst doch eher so Gemüsezeug, oder?" Sakura nickte lächelnd. Naruto konnte ja richtig aufmerksam sein.
 

"Du kannst ja richtig aufmerksam sein, wenn du willst", sprach Kakashi hinter ihm Sakuras Gedanken aus. Naruto sah ihn verärgert an.
 

"Ich bin immer aufmerksam, echt jetzt." Seine beiden Teamkameraden zogen es vor, zu schweigen und amüsiert dreinzublicken. Die Stimmung blieb gehoben, bis sie die Haustür des Uchihas erreichten und Kakashi feststellte, dass sie noch genauso angelehnt war, wie er sie gestern zurückgelassen hatte. Sasuke achtete sonst sehr darauf, dass die Tür mindestens geschlossen war. Eigentlich war es sogar normal, dass ein paar Fallen den Eingang schützten. Bei einem seiner nächtlichen Besuche hatte Kakashi sogar eine Falle von einem Fenster entfernen müssen. Sasuke musste wirklich sehr müde gewesen sein – oder zu abgelenkt, wenn er solche vermeintlichen Gefahrenquellen zuließ. Denn genau das war eine offene Tür in diesem Dorf, zumindest für Sasuke. Sonst würde er nicht sämtliche Eingänge mit Fallen schützen. Und die jetzige Situation würde Sasukes Einstellung auch nicht besser machen. Mit einem leicht beklommenen Gefühl griff Kakashi nach der Tür.
 

"Wieso ist denn die Tür offen?", fragte Naruto skeptisch. Auch er war einen anderen Anblick gewohnt. Außerdem erinnerte er sich noch gut an seinen ersten Besuch nach Sasukes Rückkehr. Das würde er ihm noch heimzahlen, wenn alles wieder so war wie früher.
 

"Ich war gestern noch mal kurz bei Sasuke und hab bestimmt vergessen, sie zuzumachen", sagte Kakashi und legte sich schon vorsichtige Worte zurecht, mit denen er den beiden gleich die durchwühlte Wohnung erklären würde und warum der sonst so ordentliche Uchiha diese nicht wieder in Schuss gebracht hatte.
 

Kaum war die Tür ausreichend offen, stürmte Naruto zielsicher Richtung Küche. Sakura und Kakashi folgten ihm und letzterer bemerkte umgehend, dass die Wohnung sich wieder im Ursprungszustand befand. Wie lange hatte Sasuke denn gestern noch aufgeräumt? Und das in seiner Verfassung... Dem Jounin war klar gewesen, dass Sasuke die Hausdurchsuchung ganz und gar nicht passen würde, aber dass sie ihm so nahe ging, dass er so besessen davon war, dass er selbst seine extreme Müdigkeit ignorierte, war bemerkenswert. Der Junge hatte gestern ausgesehen, als würde er gleich im Stehen einschlafen. Doch Kakashi hätte es sich eigentlich denken können, zu deutlich war ihm Sasukes völlig unverfälschte Reaktion noch vor Augen. Wie er entsetzt die Augen aufgerissen und dann begriffen hatte. Er hatte ausgesehen, als hätte er irgendetwas verloren. Dieses gesenkte Haupt. Die Geste eines Geschlagenen. Jetzt erst bemerkte Kakashi, dass er Sasukes Chakra in der oberen Etage spüren konnte. Er musste noch schlafen, sonst hätte er es mit Sicherheit verborgen, auch wenn er in diesem Viertel hier ganz allein war. Aber da war auch noch ein anderes Chakra, ein wesentlich schwächeres.
 

"Sensei, halten Sie das wirklich für eine gute Idee?", meinte Sakura zögerlich. "Ich glaube, er schläft noch und er wird es sicher nicht gutheißen, wenn wir ohne seine Erlaubnis in seinem Haus sind."
 

"Keine Sorge, Sakura, ich glaube, wenn er aufwacht und ein leckeres Mittagessen vorfindet, wird er uns verzeihen. Schließlich ist der Gefängnisfraß furchtbar und allzu viel bekommt man da auch nicht." Das war zwar nur die halbe Wahrheit, aber das musste vorerst reichen. Kakashi war sich sicher, dass Sasuke absolut nicht begeistert davon sein würde, gleich drei Leute unerlaubt in seinem Haus zu haben, dennoch war er gespannt, wie sein Schüler sich verhalten würde, wenn er sich erst einmal beruhigt hatte. Kakashi konnte nämlich nicht mehr wirklich glauben, dass Sasuke sie alle umgehend nach Hause schicken würde, wie er es bei seinem Sensei schon einige Male erbarmungslos getan hatte. Kakashi wollte einfach sehen, wie sehr er Team 7 nach all diesen Erlebnissen an sich heranließ. Da konnte eine kleine Schocktherapie womöglich nicht schaden. Außerdem brauchte Sasuke mal wieder eine ordentlich Mahlzeit. Deren Zubereitung war mittlerweile in vollem Gange und allmählich breitete sich ein wohliger Geruch in der Küche aus.
 

"Also, wenn er von dem Duft nicht wach wird, weiß ich auch nicht, echt jetzt." Sie hatten sich darauf geeinigt, ihn erst zu wecken, wenn das Essen fast fertig war.
 

"Sag bloß, du wirst zum Gemüseliebhaber, Naruto", feixte Sakura, als ein dumpfes Poltern aus der oberen Etage zu hören war. Die drei schauten sich an.
 

"Ich geh schon, ihr passt weiter auf das Essen auf", sagte Kakashi schnell, denn er konnte sich schon denken, was passiert war. Als er schließlich in Sasukes Zimmer trat - die Tür war aus unerfindlichen Gründen sperrangelweit offen - sah er seine Ahnung sofort bestätigt. Sasuke saß in den Sachen vom Vortag neben seinem Bett auf dem Boden, die Hand in sein Oberteil gekrallt und versuchte, seine viel zu schnelle Atmung unter Kontrolle zu bekommen. Sein Sharingan hatte er wohl unbewusst aktiviert, denn er starrte einfach nur ziellos auf den Boden vor sich. Als Kakashi näher kam, sah er, dass Sasuke völlig durchgeschwitzt war. Das und ein roter Fleck seitlich auf seiner Stirn in Kombination mit den völlig zerwühlten Laken ließ an sich nur einen Schluss zu: Sasuke hatte sich so sehr herumgewälzt, dass er aus dem Bett gefallen war.
 

Kakashi warf Kibou, der auf dem Fensterbrett saß, einen fragenden Blick zu, doch dieser hatte nur Augen für seinen Meister. Der Jounin fragte sich kurz, warum der Falke nichts sagte, wandte sich dann aber seinem Schüler zu.
 

"Sasuke?", fragte Kakashi vorsichtig, doch er schien nicht gehört zu werden.
 

„Das hat keinen Sinn“, murmelte Kibou traurig. „Auf eine andere Stimme allein wird er jetzt nicht hören. Dafür sind die anderen noch zu laut.“
 

Wieder einmal fragte sich Kakashi, wie viel dieser vertraute Geist über Sasuke wusste, wie viel Vertrauen ihm sein Meister entgegenbrachte. Er beschloss, den Falken später zu fragen, wen er mit „die anderen“ meinte und hockte sich langsam, um seinen Schüler nicht zu erschrecken, neben diesen und rüttelte ihn leicht am Arm. Ein heftiges Zusammenzucken durchfuhr den von Atemstößen bebenden Körper und er ruckte zurück. Sasukes Kopf schnappte nach oben. Das Sharingan erlosch, als er sein Gegenüber nach ein paar Mal blinzeln erkannte.
 

"Sen-...Sensei? Was machen Sie hier?" krächzte Sasuke. Ihm wurde mit einem Schlag bewusst, dass er gestern vergessen hatte, etwas zu trinken. Und das rächte sich jetzt. Kakashi musste trotz der Situation grinsen. Jedesmal dasselbe.
 

"Viel wichtiger ist doch, was hier passiert ist", antwortete Kakashi, ohne eine wirkliche Antwort zu geben. Sein Grinsen war schnell ein paar Sorgenfalten gewichen. Sasuke runzelte die Stirn und warf Kibou einen fragenden Blick zu. Dieser schüttelte den Kopf. Sasuke nickte daraufhin und der Falke verschwand.
 

"Albtraum... Ist ja nicht...das erste Mal, wieso fragen Sie also?", meinte Sasuke langsam und von ein paar Schluckversuchen unterbrochen. Er schien sich auf jedes Wort konzentrieren zu müssen. Es war wirklich jedesmal dasselbe. Sasuke würde wohl nie eine solche Frage bedenkenlos beantworten, ohne den Versuch zu unternehmen, auszuweichen oder mit einer Gegenfrage zurückzufeuern.
 

"Ja, aber es ist das erste Mal, dass ich dich danach völlig außer dir neben deinem Bett fast hyperventilieren sehe." Okay, das war etwas übertrieben, aber der Uchiha musste begreifen, dass sich Kakashi nur Sorgen machte und ihn nicht aushorchen wollte. Das schien in diesem Moment wohl auch zu passieren.
 

"Das war ein Traum, den ich...nur selten habe", meinte er knapp und brach in starkes Husten aus. Dieses ganze hektische Atmen hatte seinen Hals zu sehr gereizt, doch eine beruhigende Flüssigkeit war jetzt seine geringste Sorge. Dieser Traum...
 

Für Kakashi war diese kleine Äußerung schon viel. Damit gab Sasuke zu, dass er nicht nur von dem Massaker träumte, sondern ihn noch andere Dinge quälten. Trotzdem und trotz der Anstrengung, die ihn das hustenfreie Sprechen kosten musste, gab sich Sasuke alle Mühe, möglichst schnell wieder vom Thema abzulenken.
 

"Und was wollen...Naruto und...Sakura auch hier?" Der Uchiha hatte sich also so weit gefasst, dass er die beiden vertrauten Chakraquellen in der Küche wahrgenommen hatte.
 

"Naja, wir haben gedacht, wir kochen etwas Anständiges und essen dann mit dir zusammen. Das wird dir nach dem Gefängnisfraß und der langen Isolation sicher guttun. Und jetzt solltest du erstmal etwas trinken. Du hörst dich schlimmer an als gestern." Sasuke meinte, die wahre Absicht hinter dieser Aktion zu erkennen und sein Blick wurde ein bisschen weicher. Sicher waren sie einfach in sein Haus gekommen und früher hätte ihn das einfach nur maßlos aufgeregt, doch nach all dem Erlebten der vergangenen Wochen, war er dankbar dafür, auch wenn es ihm immer noch einen Stich versetzte, jemand anderen im Haus zu haben. Aber sie taten es, weil sie sich um ihn sorgten und das war ein so gutes Gefühl, dass es die negativen Aspekte in den Hintergrund rücken ließ.
 

"Wie lange seid ihr schon hier?" Kakashi ahnte, worauf die Frage wirklich abzielte und er nahm sich vor, Sasuke wenigstens indirekt zu beruhigen.
 

"Schon eine Weile. Hätten wir dein Chakra nicht wahrgenommen, hätten wir gedacht, dass du gar nicht da bist, bei der Totenstille hier." Sasuke schaute Kakashi prüfend an. Eine sehr plumpe Formulierung. Wusste Kakashi, was er wirklich wissen wollte? Wieso sonst hatte er ihm fast direkt auf die implizierte Frage geantwortet, nämlich, ob er im Schlaf gesprochen oder geschrien und somit irgendetwas verraten hatte. Aber der Jounin ließ ihm keine Zeit zu überlegen. Er stand auf, legte Sasuke erneut seine Hand auf die Schulter und erschrak selbst ein wenig, als er spürte, wie sehr sich der Junge unter dieser einfachen Berührung verkrampfte. Er war aber auch beruhigt, zu sehen, dass sein Schüler dennoch nicht zurückwich.
 

"Am besten, du duschst erstmal, das klärt die Gedanken. Ich schaue inzwischen nach, wie weit Sakura und Naruto sind." Sasuke nickte nur leicht, blieb aber sitzen, dankbar dafür, dass ihm Kakashi eine Ausrede für eine etwas längere Abwesenheit auf dem Silbertablett präsentierte. Dieser ging unterdessen zurück in die Küche und schaute in zwei besorgte Gesichter.
 

"Was ist passiert, Sensei?", fragte Sakura, kaum dass er die Küche betreten hatte.
 

"Sasuke ist aus dem Bett gefallen. Erwähnt es aber nicht, das ist ihm bestimmt peinlich." Kakashi hoffte, dass die zwei den Köder schlucken würden, so würde Sasuke nicht in Erklärungsnot geraten. Seine beiden Schüler schauten ihn skeptisch an, erwiderten aber nichts. Sie widmeten sich lieber wieder dem Essen. Etwas später stieß der einzige Bewohner des Hauses zu ihnen. Die noch feuchten Haare hingen ihm ein wenig mehr ins Gesicht als sonst. Als er an Naruto vorbeiging, spürte dieser die Kälte, die von dem Uchiha ausging.
 

"Sag bloß, du duschst eiskalt?", fragte der Blondschopf ungläubig. Bei näherem Hinsehen war auch eine deutliche Gänsehaut auf Sasukes Haut erkennbar. Er sah Naruto fragend an.
 

"Warum nicht?", fragte der Uchiha mit deutlich kräftigerer Stimme.
 

"Das ist doch total ungemütlich!"
 

"Es macht wach", sagte Sasuke und versuchte, seinen Blick zu heben, der seit seinem Erwachen wie besessen am Boden klebte. Und wach werden musste er. War er doch immer noch in seinem Traum gefangen und konnte ihn beim besten Willen nicht loslassen. Er träumte nur selten von der Zeit bei Orochimaru, aber wenn, dann schien sich sein Verstand die schlimmsten Situationen auszusuchen und diese weiter auszuschmücken. Und Szenarien zu entwerfen, vor denen Sasuke sich noch immer fürchtete. Eigentlich, wenn er ehrlich war, sogar mehr denn je.
 

Um sich abzulenken, zwang Sasuke sich, seinen Blick über die ungewohnte Szene schweifen zu lassen, die sich ihm bot. Sein Team war in seiner Küche und kochte für ihn. Naja, genauer gesagt kochte Sakura und die anderen beiden sahen zu. Mit einem erneuten Stich sah er, wie die Kunoichi den Platz beanspruchte, der früher ausschließlich seiner Mutter zugestanden hatte. Nur er hatte notgedrungen auch schon da gestanden und gekocht. Kakashi saß da, wo sein Vater immer gesessen hatte. Und nur er. Sasuke hatte es nie gewagt, sich dorthin zu setzen, wo sonst nur das Familienoberhaupt saß. Tja, und Naruto lehnte gerade genauso an der Arbeitsfläche, wie es Itachi immer getan hatte, wenn er mit seinem kleinen Bruder einen Tee getrunken hatte. Was wollte ihm das Schicksal damit sagen? Sollte er endlich loslassen und diese drei hier als Ersatz für seine verlorene Familie betrachten? Es gab doch gar keinen Ersatz für seine Familie. Auch wenn sein Team sich so bemühte, und er war ihnen wirklich dankbar dafür, sie konnten niemals eine Familie für ihn sein. Das Bild, das sich ihm bot, es war voller Hohn. Er war nach wie vor allein, auch wenn er sein Team hatte. Dieses Loch in seinem Herzen, das würde nie jemand füllen können. Wie hatte er auch nur eine Sekunde daran denken können? Gerade eben noch hatte er sich darüber gefreut, dass sie da waren, wie konnte ihn das jetzt so stören? Er sollte dankbar sein, dass er jemanden hatte, der für ihn da war.
 

Mit gerunzelter Stirn drehte er sich um und verließ die Küche, ohne die fragenden Blicke auf sich zu spüren. Das war eindeutig nicht sein Tag. Er war bereits emotional angekratzt und mochte es auch noch so albern für einen Außenstehenden scheinen, es fiel ihm unendlich schwer, andere Menschen außer seiner Familie in diesem Haus zu dulden. Damit verschwand die vertraute Atmosphäre völlig, die in diesem Haus einst geherrscht hatte, die gestern bereits einen kräftigen Schlag bekommen hatte und die eigentlich nur noch in Sasukes Kopf existierte. Und genau das musste er sich jetzt klar machen, sonst würde er dieses eigentlich völlig harmlose Mittagessen nicht überstehen. Warum war es so schwer, eine solch normale Situation hinzunehmen? Warum tat es so weh, eine alltägliche Situation in seinem Haus zu erleben, an der nicht seine Familie, sondern andere Menschen teilnahmen?
 

Er setzte sich auf sein Bett und nahm den abgegriffenen Bilderrahmen, der auf seinem Nachttisch stand. Es schmerzte, beim Aufstehen jedesmal in die geliebten Gesichter zu blicken, denn immer, wenn er aufwachte und sich aus den Fängen eines Albtraums befreit hatte, gab es diesen winzigen Moment, in dem sein Bewusstsein langsam zurück in die Realität fand. Der Moment, in dem er dachte, dass alles nur ein Traum war und seine Familie bereits unten auf ihn wartete. Und jedesmal fühlte er wieder den geballten Schmerz, den er kurz nach dem Massaker gespürt hatte, wenn er dann wieder gänzlich in die Realität zurückgefunden hatte. Eine Realität ohne Familie. Er sah sein Foto an, das noch von einer ganz anderen Realität zeugte. Es war das einzige Familienfoto, das sie je gemacht hatten und Sasuke war unendlich dankbar dafür, dass es wenigstens dieses eine gab.
 

"Wäre es Verrat?" Er wusste, es war albern mit einem Bild zu sprechen und von ihm eine Absolution zu wollen, aber er musste sich darüber im Klaren werden. Konnte er sein Team hier einfach so dulden? Es war das Haus seiner Familie und ihr Platz in seinem Herzen. Und da wurde ihm klar, dass das eigentlich Blödsinn war. Es war das Haus seiner Familie und das würde es auch bleiben, egal, wer hier ein und aus ging. Es waren seine Erinnerungen, die dieses Haus besonders für ihn machten und die würden nicht verschwinden, nur weil neue mit anderen Menschen dazukamen. In seinen Erinnerungen würde er seiner Familie immer nah sein. Sie würden nicht verdrängt werden. In seinem Herzen gab es doch Platz für mehrere Personen. Und die mussten nicht konkurrieren.
 

Er sollte aus den jüngsten Geschehnissen lernen. Es war nicht selbstverständlich, dass sein Team jetzt für ihn da war. Sie waren hier in der Gegenwart bei ihm. Sie meinten es ernst. Sie glaubten ihm. Das sollte er zu schätzen wissen. Er musste nur darauf achten, dass er sich nicht zu sehr auf sie einließ. Sie durften nicht zu einer weiteren Schwäche werden. Das war doch das wesentlich dringlichere Problem. Und vielleicht, nur vielleicht, konnten sie einen Teil der schändlichen Sehnsucht ersticken, die sein Herz nicht loslassen konnte und sein Kopf ihm verbot.
 

Er atmete noch einmal tief durch und stellte das Foto zurück an seinen angestammten Platz. Dann ging er zurück in die Küche und sog erneut die Szene in sich auf. Wieder einmal vermischte sich die Vergangenheit mit der Gegenwart, doch diesmal war es ein heilsamer Prozess. Sakura stand zwar am Platz seiner Mutter, aber sie hantierte wesentlich unbeholfener mit dem Essen. Kakashi saß nicht aufrecht und ehrerbietend am Tisch wie sein Vater, nein, er hatte sich krumm wie ein Fragezeichen an den Tisch gelümmelt und sah mehr denn je wie ein Schüler aus. Und Naruto hatte eben auch seine ganz eigene Art, dazustehen. Sie waren Individuen und unabhängig von seiner Familie. Sie würden sie nicht verdrängen. Fast schon schämte er sich, wie lange er für diese Erkenntnis gebraucht hatte. Er lächelte leicht, als ihm erneut klar wurde, dass sie das alles hier nur für ihn taten. Konnten sie nicht auch so etwas wie eine Familie für ihn sein? Nicht seine Familie, aber etwas Vergleichbares? So etwas wie...Freunde?
 

Diese Gedanken waren immer noch schwierig für Sasuke. Er hatte sich nie mit dem Konzept der Freundschaft auseinandergesetzt. Bevor er zu Orochimaru gegangen war, hatte er Kakashi als Sensei betrachtet, Naruto erst als Nervensäge und dann als Konkurrenten und Sakura als notwendiges Übel, das sie als obligatorischer Bestandteil seines Teams für ihn darstellte. Er hatte sie stets nur aus Pflichtgefühl unterstützt. Denn es war die Pflicht eines Ninjas, seinen Teammitgliedern zu helfen. Dieses Gefühl hatte sich geändert. Er war jetzt mehr um das Wohl seines Teams besorgt. Und er war sich sicher, dass eben dieses Team nicht nur hier war, weil sie sich dazu verpflichtet fühlten, Sasuke zu helfen. Nein, sie sahen mehr in ihm als einfach nur einen Mitninja. Und er fing an, das allmählich zu begreifen. Das und alle daraus resultierenden Konsequenzen.
 

"Danke", sagte er leise und zog die Blicke seines Teams auf sich. Sakura strahlte ihn an und selbst Kakashi und Naruto lächelten einfach nur und sagten nichts.
 

Kakashi war mit der Entwicklung hochzufrieden. Gestern hatte er sich noch gefragt, ob der Vorschlag von Naruto und Sakura wirklich so eine gute Idee war. Als Sasuke derart niedergeschlagen auf die Hausdurchsuchung reagiert hatte, war ihm klar geworden, dass dieses Haus so etwas wie heilige Hallen für den letzten Uchiha Konohas war. Würde er "Eindringlinge" da überhaupt dulden? Doch genau wegen dieser Frage hatte er sich entschlossen, dieses Vorhaben umzusetzen. Er würde sehen, wo Team 7 bei Sasuke stand und vor allem, wie er zu ihnen stand. Und wie es aussah, bemühte er sich sehr darum, sie hier zu akzeptieren, obwohl es ihm sichtlich schwer fiel. Er sah sie als Freunde und das war gut. Es wurde höchste Zeit, dass er einsah, dass er nicht ganz allein war und dass sein Team ihn nie verraten würde...

Dilemma I

Alles in allem war es eine gelöste Atmosphäre, wie sie in diesem Haus im Uchihaviertel wohl noch nie dagewesen war. Die Sonne ließ an diesem sommerwarmen Tag alles in einem lebhaften Glanz erstrahlen, was die Harmonie nur unterstrich, in der die vier Shinobi am Küchentisch jenes Hauses in einvernehmlicher Stille gemächlich ihr Mittagessen verzehrten. Nur das leise Klacken von Stäbchen war zu vernehmen, die ab und zu sacht die Schüsseln berührten. Diese himmlische Gelassenheit hätte die Atmosphäre vielleicht noch länger tränken können, wenn Naruto es besser ertragen hätte, eine andauernde Stille hinzunehmen.
 

"Sakura-chan, wenn du ab jetzt immer kochst, wird Gemüse noch mein Lieblingsessen, echt jetzt." Sakura sah ihn verschmitzt lächelnd an.
 

"Du kommst doch nie im Leben mehr als drei Tage ohne Ramen aus." Naruto schien ernsthaft ins Grübeln geraten zu sein, sein Blick verdunkelte sich begleitet von einem nachdenklichen "Hmmm". Doch nur wenig später erhellte sich sein Gesicht wieder und er erwiderte siegessicher Sakuras Blick.
 

"Dann wechseln wir das eben ab. Morgen gehen wir zu Ichiraku. Ich hab den alten Mann schon eine Weile nicht mehr gesehen."
 

"Du solltest ihn nicht zu lange warten lassen, sonst macht er sich wieder so übertriebene Sorgen wie nach der Mission vor ein paar Monaten, wo du vergessen hattest, ihm Bescheid zu sagen", meinte Sakura grinsend.
 

"Vielleicht sollte ich das doch tun", feixte Naruto nun ausgelassen. "Immerhin war er danach so erleichtert, mich zu sehen, dass er mir eine Portion Miso-Ramen spendiert hat."
 

"Wir hatten aber auch nicht ahnen können, dass diese Mission so lange dauern würde. Trotzdem war es lustig in dem Dorf, ich wäre gern noch eine Weile geblieben", lächelte Sakura ein wenig verträumt. Naruto und Kakashi pflichteten ihr bei und die drei schienen nun Gedanken an die erwähnte Mission nachzuhängen. Während Sasuke weiteraß und seine Teamkollegen beobachtete, überlegte er, wieviel er wohl während seiner langen Abwesenheit verpasst hatte. Er war froh, ein bisschen davon jetzt nachholen zu können. Leicht überrumpelt nahm der Uchiha dieses Gefühl in seinem Innersten wahr. Etwas nachholen, etwas gemeinsam erleben? Das war ihm doch sonst auch egal gewesen. Wie sehr veränderten ihn diese drei, ohne dass er es merkte? Und warum störte ihn das nicht, obwohl es das sollte?
 

"Du, Sasuke, warum bist du eigentlich aus dem Bett gefallen?" Sasukes Stäbchen kamen samt mundgerecht aufgenommener Portion zwischen der Schüssel und seinem Mund abrupt zum Stillstand. Konnte Naruto nicht weiter an diese Mission denken? Nein, es musste ihm ausgerechnet jetzt auffallen, dass der Uchiha sich bisher nicht übermäßig an dem Gespräch beteiligt hatte. Alle drei waren erstaunt, den Hauch eines Rotschimmers auf seinen Wangen zu sehen, als er verärgert zur Seite schielte, um Narutos Blick auszuweichen. Die ganze Sache war ihm, jetzt wo er den Fängen seines Traumes fürs Erste entkommen war, sichtlich peinlich.
 

"Albtraum." Verständnis dämmerte in Narutos Augen. Auch er wurde ab und zu von Albträumen heimgesucht. Bevor Sasuke wieder zurückgekehrt war, hatten sie hauptsächlich von ihm gehandelt, später immer mehr von Kyuubi, seiner Zeit, in der ihm die Dorfbewohner noch misstraut und ihn gemieden hatten und - das waren die schlimmsten - dem Training, in dem er fast Jiraiya umgebracht hatte. Das hatte er sich bis heute nicht verziehen. In wesentlich einfühlsameren Ton setzte er sein Verhör fort. Einfach schweigen konnte er eben auch nicht. Sasuke gab ihm selten genug eine so ehrliche Auskunft, da musste er die Gelegenheit nutzen, wenn sein introvertierter Freund gerade willens war, seine Neugier zu befriedigen.
 

"Träumst du..., ich meine- hast du oft Albträume?" Darauf erwartete er gar keine Antwort und wie es aussah, würde er auch keine bekommen, denn Sasuke hatte sich dazu entschlossen, den Happen zwischen seinen Stäbchen aus seiner Schwebe zu befreien und kaute nun darauf herum, wobei er immer noch leicht verärgert den Punkt musterte, auf den sich seine Augen fokussiert hatten, als sie dem Blick Narutos ausgewichen waren. Aber nachdem er den Bissen lang genug bearbeitet hatte, sah er Naruto in die Augen. Anscheinend hatte er sich doch dazu entschieden, Naruto eine Antwort zukommen zu lassen.
 

"Ja." Direkter Augenkontakt. Verbale Antwort, obwohl ein leichtes Nicken gereicht hätte. Überhaupt die Tatsache, dass er auf die Frage reagierte. Sasuke gab seine Antworten äußerst bewusst, fast, als würde er sich selbst dazu zwingen und Kakashi war erstaunt. Lag es an den Geschehnissen bei der letzten Mission? Welche Wandlung war da in Sasuke vorgegangen? Er aß mit ihnen zu Mittag in seinem Haus und beantwortete in aller Seelenruhe Narutos für ihn sicherlich aufdringliche Fragen. Und das, wo sein Schüler doch die ganze Zeit versucht hatte, seine Albträume und das, was in ihnen passierte, geheimzuhalten. Die Ereignisse in Verbindung mit ihrer letzten Mission mussten Sasuke derart emotional in die Enge gedrängt haben, dass er sich nun in ein solches Handeln flüchtete. Das war nicht unbedingt eine natürliche Entwicklung und möglicherweise war sie auch zu überstürzt, aber nichtsdestotrotz kam Sasuke seinem Team entgegen. Und auch wenn es für ihn noch eine bewusste Bemühung bedeutete, vertraute er ihnen mehr. Kakashi beschloss, Sasuke demnächst auf seine Probleme anzusprechen, oder das, was Kakashi für seine Probleme hielt. Vielleicht war er jetzt zugänglich genug, um sich auf Hilfe einlassen zu können. Gemeinsam würden sie schon bewältigen können, was auch immer Sasuke plagte. Das hoffte der Jounin zumindest. Klar war, dass etwas passieren musste, denn es war offensichtlich, dass Sasuke nicht alleine damit zurechtkam.
 

"Das verstehe ich. Nach Suri-sans ganzem Gerede auf der Mission hätte ich wahrscheinlich auch Albträume gehabt", meinte Sakura leise. Sie konnte sich nicht vorstellen, wie Sasuke sich fühlte - immerhin hatte sie noch nie ein Familienmitglied verloren - doch versuchte sie ihr Bestes, um es wenigstens im Ansatz begreifen zu können.
 

"Das war nicht der Grund", lautete Sasukes zweideutige Antwort und obwohl seinen Mund ein bitterer Zug umspielte, war sein Ton eher neutral. Drei Shinobi sahen ihn erstaunt an. Zwei, weil Sasuke heute unglaublich gesprächig war und der dritte, weil er nie damit gerechnet hätte, dass ausgerechnet Sasuke das Thema ungefragt vertiefen würde. Naruto fand als erster seine Sprache wieder.
 

"Wovon hast du denn dann heute geträumt?", fragte er fast schon ehrfürchtig. Er wollte unbedingt wissen, was außer dem Massaker grausam genug war, um Sasuke aus dem Bett befördern zu können. Sofort versteinerte sich dessen Gesicht.
 

"Orochimaru." Das Wort hallte in der Küche und schien sämtliche Präsenz an sich zu reißen. Als wäre es ihm nachträglich eingefallen, fügte Sasuke noch etwas hinzu und nahm so - wahrscheinlich nicht ganz unabsichtlich - der Situation ihre Sprachlosigkeit. "Und nein, ich werde dir nicht erzählen, was es war." Fast schon waren sie erleichtert, dass der Uchiha diesmal ihre Erwartungen erfüllte. Es gab sie immer noch, die deutliche Grenze, die Sasuke zog und hinter die er niemanden vordringen ließ. Trotzdem hatte er noch nie so viel von sich preisgegeben. Orochimaru war bislang ein absolutes Tabu gewesen. Nicht einmal Tsunade hatte es geschafft, irgendetwas aus Sasuke herauszubekommen, was seine Zeit dort betraf. Er hatte lediglich Orochimarus Tod beschrieben, denn das war Teil seiner Mission gewesen. Er hatte auch von den Verstecken und Orochimarus Plänen erzählt, soweit er sie denn kannte, doch über diese Themen war er niemals hinausgegangen. Von Orochimaru ging keine Gefahr mehr aus, deshalb waren andere Informationen für Konoha auch nicht relevant.
 

"Da fällt mir was ein, das ich dich schon vor Ewigkeiten fragen wollte!", rief Naruto plötzlich aus und sorgte damit für einen nahezu absurden Stimmungswechsel. "Wohin warst du damals eigentlich unterwegs, als du uns begegnet bist?" Sasuke musterte ihn wie den größten Idioten aller Zeiten.
 

"Ich wollte nach Konoha zurück. Wo hätte ich denn bitte sonst hinwollen können, Usuratonkachi?" Naruto sah, zu Sasukes absolutem Unverständnis, Kakashi und Sakura mit triumphierender Miene an.
 

"HA! Ich hab's euch ja gesagt, echt jetzt!" Die beiden anderen brummten ihre Zustimmung. Sasuke war nun vollends verwirrt. Er blickte fragend zwischen den dreien hin und her, doch keiner wollte ihm sagen, wovon zur Hölle sie da sprachen.
 

"Schon gut, Sasuke", meinte Naruto hochzufrieden, während er überaus selbstgefällig seine anderen beiden Teamkameraden angrinste, "Ist nicht so wichtig." Der Uchiha wandte sich wieder mit skeptischem Blick seinem Essen zu. Kaum fiel sein Blick auf seine Schüssel, runzelte er die Stirn.
 

"Sensei, wieso wurde ich freigelassen?" Kakashi sah ihn an.
 

"Warum fragst du mich?"
 

"Sie waren gestern Abend hier und konnten nur von der Hokage wissen, dass ich da sein würde. Vielleicht hat sie Ihnen die Gründe genannt?" Der Jounin seufzte tonlos und war froh, seine Maske aufzuhaben. So bekam es nämlich keiner seiner Schüler mit. Jetzt war es also soweit.
 

"Dir entgeht auch gar nichts, was? Ja, Tsunade-sama hat mir ihre Gründe genannt. Es gibt tatsächlich einen Beweis für deine Unschuld." Seine drei Schüler blickten ihn voller Überraschung an.
 

"Damit kann wohl kaum Kibous Aussage gemeint sein...", meinte der Uchiha bitter. Kurz nachdem der Rest von Team 7 den Tatort verlassen hatten, war Kibou zu ihm herabgestürzt und hatte Shizune fast zu Tode erschreckt. Sie hatte schließlich genau vor Sasuke gestanden. Die anderen beiden hatten recht ungerührt dreingeschaut. Auf der Schulter seines Meisters sitzend hatte der Falke dessen Unschuld beteuert, doch Raidou und Genma hatten das einfach abgetan. Wie unbefangen war schließlich die Aussage eines vertrauten Geistes?
 

"Nein. Man hat einen vermeintlichen Diener vom Kaufmann gefunden." Ähnlich wie Sasuke vermied es Kakashi, den entsprechenden Namen auszusprechen.
 

"Das ist ja spitze!", warf Naruto ein. "Dann kann Ibiki ihn zwingen, die Wahrheit zu erzählen."
 

"Das ist nicht mehr möglich. Aber bereits sein Körper hat einen Beweis geliefert."
 

"Sein Körper? Wie sollte das ein Beweis sein?", fragte Sakura interessiert.
 

"Naja, zum einen war eine seiner Handinnenflächen vollkommen verbrannt, eine Verletzung, die dir wohlbekannt sein dürfte, Sasuke", erklärte Kakashi, während er einen kurzen Seitenblick zu eben diesem warf. "Und im Gegensatz zu anderem Elementechakra wirkt sich Blitzchakra auf die Muskeln des Benutzers aus. Übertreibt er es, gibt das hässliche Krämpfe und das Chakra setzt sich in den Muskeln ab. Spuren davon waren selbst nach der vergangenen Zeit noch nachweisbar, also entweder beherrschte er das Chidori nicht sehr gut oder er hatte es übertrieben." Sasuke sah nachdenklich aus, während Naruto tellergroße Augen bekam.
 

"Ich wusste gar nicht, dass Blitzchakra solche Nachteile hat!" Sasuke nickte nur. Er hatte es in der Vergangenheit oft übertrieben und viele Nächte zusammengekrümmt auf seinem Nachtlager verbracht. Chidori, überhaupt alle Raitontechniken, die mit dem Körper direkt in Berührung kamen, konnten wirklich hässliche und vor allem schmerzhafte Folgen haben, da der menschliche Körper dummerweise ein Halbleiter war. Doch auch die Lähmung war im Kampf nicht zu vernachlässigen. So mächtig dieses Chakra war, es war ein zweischneidiges Schwert, wenn man es nicht perfekt beherrschte.
 

"Das ist nicht alles, oder?", fragte Sasuke leise. Kakashi fluchte gedanklich. Er hatte gehofft, dass dieser Kelch an ihm vorübergehen möge, aber in seiner Rolle stand er nun einmal zwischen den Stühlen. Es war klar gewesen, dass er es nicht lange vor Sasuke geheimhalten konnte, obwohl ihn Tsunade darum gebeten hatte. Weil es klar war, dass der Uchiha eben wegen dieser Geheimniskrämerei nachfragen würde. Der Körper allein konnte kein Grund dafür sein, seinen Schülern die ganze Sache zu verschweigen. Einem von ihnen hatte das auffallen müssen. Verdammt, warum hatte er sich nicht gleich Tsunades Bitte widersetzt, anstatt darauf zu hoffen, dass die ganze Sache nicht zur Sprache kommen würde?
 

"Nein", kam es widerwillig von dem Jounin. Die Sachlage war klar: Er hatte keine andere Wahl, als die Wahrheit zu sagen. Würde er jetzt offensichtliche Geheimnisse vor seinem Team und besonders Sasuke haben, würde die neugewonnene Vertrautheit in seinem Team empfindlich gestört werden. Etwas, das so schnell entstanden war, konnte auch genauso schnell wieder in sich zusammenfallen.
 

"Obwohl er ein sehr fähiger Ninja gewesen zu sein scheint, war er dennoch ein offenes Buch für die Verhörer." Seine Schüler sahen ihn aufmerksam an. Was hieß gewesen? "Irgendjemand hat sich offensichtlich mental an ihm zu schaffen gemacht. Sein Geist liegt vollkommen in Trümmern. Er ist nicht mehr fähig, auch nur eine klare Silbe zu äußern." Naruto und Sakura sahen ihn nur, wie heute schon so oft, erstaunt an. Sasuke jedoch versteifte sich unwillkürlich, als ihn ein Gedanke mit der Wucht eines Vorschlaghammers traf. Wie der Nachklang eines angeschlagenen Gongs hallten in seinem Kopf die Worte der Anbuwachen wider, die er gestern noch nicht verstanden hatte. Bezeichnenderweise waren es fast dieselben, die Kakashi eben benutzt hatte. "...ja, ein vollkommen zerstörter Geist...", was Sasuke dazu brachte, seinen Sensei durchdringend zu mustern.
 

"In dem Zustand - wie ist er ins Dorf gekommen?" Kakashi schenkte ihm im Gegenzug einen argwöhnischen Blick.
 

"Ein Reisender hat behauptet, ihn kurz vor den Toren gefunden und dann ins nächstgelegene Dorf gebracht zu haben, damit man sich um ihn kümmern kann." Sasuke nahm gar nicht wahr, wie er aufsprang, sich an der Tischplatte festkrallte und Kakashi mit Blicken durchbohrte.
 

"Und wo ist dieser Reisende jetzt?"
 

"Sasuke, beruhige dich, ich kann mir vorstellen, was du denkst. Akatsuki war aber schon seit einer Weile nicht mehr aktiv. Sie werden genauestens von uns überwacht." Das waren genau die Schlüsse, die Tsunade befürchtet hatte. Kakashi unterdrückte das Bedürfnis, genervt aufzuseufzen. Ein im Rausch durch Konoha rennender Sasuke würde die aktuelle Situation im Dorf nicht unbedingt verbessern. Und Sasukes skeptischer Miene zufolge glaubte er nicht daran, dass es möglich war, die Akatsuki lückenlos zu überwachen. Besonders ihn nicht.
 

Sasuke musste sich tatsächlich zusammenreißen, nicht sofort das Haus zu verlassen und das gesamte Dorf samt näherer Umgebung zu durchsuchen. Allein der Gedanke ließ seinen Blutdruck in die Höhe schnellen. Er war vielleicht in der Nähe und was tat Sasuke hier? Seine Zeit mit einem Mittagessen vertrödeln!
 

"Ähm, ich stör ja nur ungern, aber wovon redet ihr überhaupt?", fragte Naruto verwirrt. Selbst Sakura schien ein wenig auf dem Schlauch zu stehen, aber das war ja auch kein Wunder. Die beiden waren nicht so vertraut mit dem Sharingan wie die beiden anderen. Ihnen waren die Augentechniken und das, was sie anrichten konnte, nicht stets präsent.
 

"Tsukuyomi", presste Sasuke hervor, setzte sich wieder hin und starrte auf den Tisch, als sei der an allem schuld. Es war beinahe greifbar, wie Naruto und Sakura von der Erkenntnis erschüttert wurden, worum es hier eigentlich ging. Dennoch setzte Kakashi die Erklärung fort.
 

"Das ist die Technik, die Itachi damals bei mir und Sasuke angewandt hat", sagte Kakashi mit einem Seitenblick auf Sasuke, dessen Blick deutlich an Intensität verloren hatte. "Es ist eine effektive Foltermethode, denn der Anwender hat sein Opfer in der Hand. Er greift es an seiner empfindlichsten Stelle an - seinem Geist. Und dabei kann er ihm immense Schmerzen zufügen, dem Opfer alles antun, was er sich ausmalen kann. Und Zeit spielt dabei keine Rolle, denn in der Dimension von Tsukuyomi kontrolliert sie der Anwender völlig."
 

"Er beherrscht die Zeit. Er kann Stunden in Tage verwandeln und selbst Vergangenes, Tote, alles zum Leben erwecken, nur um sie dann wieder zu vernichten", murmelte der Uchiha mehr unbewusst, die Augen nach wie vor starr auf die Tischplatte gerichtet und eine Spur blasser in dem ohnehin schon ziemlich farblosen Gesicht. Er schien in einer anderen Welt gefangen zu sein. Entsetzen erfasste Kakashi und er musste sich ziemlich anstrengen, damit sich dieser emotionale Klammergriff nicht in seinen Zügen niederschlug. Zum ersten Mal zog der Jounin seine stillschweigende Annahme in Zweifel, dass Tsukuyomi bei jedem Menschen auf dieselbe Weise funktionierte. Er war davon ausgegangen, dass Sasuke die gleiche körperliche Folter hatte erleiden müssen wie er. Die unendlich vielen Stichverletzungen, die auch ihn schlussendlich ins Koma befördert hatten. Aber das schaffte offensichtlich auch psychische Folter. Hatte Itachi für seinen kleinen Bruder eine solche Methode gewählt? Hatte er ihn gezwungen, sich stundenlang mitanzusehen, wie sein Clan dahingemetzelt wurde? Kein Wunder, dass Sasuke so blass geworden war. Über physischen Schmerz setzte sich das Gedächtnis irgendwann hinweg, er wurde einfach vergessen. Doch Erinnerungen blieben ewig und solche hatten die Tendenz, sich über die Jahre zu intensivieren.
 

Über Tsukuyomi war nicht viel bekannt, denn auch das Mangekyo hatte der Uchihaclan stets strengstens geheimgehalten. Dass man damit Menschen selbst Vergangenes durchleben lassen konnte, vielleicht sogar seine eigenen Erinnerungen in diese seltsame Welt projizieren konnte, hatte er nicht gewusst. Und auch Sasuke hatte bisher beharrlich geschwiegen. Nun wunderten Kakashi dessen Albträume absolut nicht mehr - der Junge war nach so vielen Jahren hautnah bei dem Massaker dabeigewesen, ohne etwas ausrichten zu können!
 

Sasuke war inzwischen wieder aus seiner Trance erwacht und unterbrach sogleich Kakashis Gedankengänge.
 

"Diese Technik ist an das Sharingan gebunden, daher meine Reaktion", sagte er leise, wohl um von seinem geistigen Wegdriften abzulenken. Vielleicht wollte er sich auch krampfhaft mit seinen Gedanken in der Gegenwart halten, wer wusste das schon. Kakashi war erstaunt, wie lange der Uchiha dieses Geheimnis schon mit sich herumschleppte, ohne sich etwas anmerken zu lassen. Wie verschlossen konnte ein Mensch sein?
 

"Ja", meinte Kakashi nachdenklich. "Und wir kennen außer Sasuke nur noch einen lebenden Uchiha, der das Sharingan beherrscht."
 

"Aber was würde ihm das bringen?", fragte Sasuke fast unhörbar.
 

"Eben nichts. Deshalb verrenn dich nicht in Theorien. Es gibt auch noch andere Techniken, mit denen man den Geist attackieren kann und du musst das wissen, schließlich hast du das Verschließen des Geistes zur Perfektion gebracht." Das war nur ein halber Vorwurf. Und bei allem, was er erlebt hatte, war es da verwunderlich, dass Sasuke zuerst an diese eine Technik gedacht hatte? Abermals wurden Kakashis Gedanken unterbrochen, diesmal von einem Klopfen. Sasukes argwöhnischer Blick schnellte Richtung Tür, während er sich langsam erhob, um eben diese anzusteuern. Wenig später war eine wohlbekannte Stimme zu hören, die bis in die Küche vordrang.
 

"Die Hokage möchte dich umgehend in ihrem Büro sehen." Als Antwort ertönte nur ein kurzes "Hn."
 

"Sasuke, warte mal. Nimm uns nicht übel, dass wir dich verdächtigt haben, die Fakten ließen wirklich keine anderen Schlüsse zu." Doch diesmal antwortete Sasuke nicht verbal, sodass der Rest von Team 7 seine Reaktion auf Genmas entschuldigende Worte nicht einschätzen konnte. Wenig später betrat er die Küche.
 

"Ich muss zur Hokage..." Sasuke ließ den Schluss im Raum schweben, er wollte sie augenscheinlich nicht rauswerfen, aber auch nicht allein in seinem Haus lassen. Das zeigte deutlich, wie zwiegespalten er der Situation doch noch gegenüberstand. Seine drei Teamkollegen nickten verstehend.
 

"Ich komme mit dir. Hab auch noch was mit ihr zu klären", sagte Kakashi und bewegte sich Richtung Haustür. Sakura und Naruto sammelten noch schnell das Geschirr ein und stellten es in die Spüle - eine weitere Geste, die sich für Sasuke vorerst merkwürdig anfühlte. An das alles musste er sich erst gewöhnen, auch wenn er es sehr schätzte und nicht noch einmal leichtfertig aufs Spiel setzen wollte. Daher hatte er sich bewusst dafür entschieden, Team 7 ein bisschen mehr über sich preiszugeben. Sie mussten nicht alles wissen, aber ein bisschen war okay. Denn heute mit diesem einfachen Mittagessen hatten sie ihm eine Botschaft wortlos klar vor Augen geführt: Wir sind für dich da und lassen dich nicht im Stich - egal was passiert. Und Sasuke hatte sie verstanden. Auch wenn er sich jetzt dafür schalt, wie einfach er sich von seinem Ziel, von den dringlichen Dingen hatte ablenken lassen. War Itachi wirklich in der Nähe? War er der unbekannte Reisende gewesen? Wenn, ja, was brachte es ihm, sich in die Ermittlungen einzumischen und einen offensichtlichen Beweis für Sasukes Unschuld zu liefern? Das würde den Hass, den er bei ihren letzten beiden Begegnungen von ihm gefordert hatte, nicht schüren. Im Gegenteil. Also, was sollte das?
 

So verlor sich Sasuke in seinen Grübeleien und versteifte sich immer mehr darauf, dass es Itachi gewesen war, der ihm da geholfen hatte. Und das wurmte ihn. Itachi beherrschte wieder sein komplettes Denken und sein Team, ebenso wie dessen Botschaft von heute, verschwammen immer mehr im Hintergrund. Wenig ahnte er zu diesem Zeitpunkt von dem Ereignis, das den Zweck dieser Botschaft erschüttern sollte...

Dilemma II

Stillschweigend bewegte sich die Vierergruppe zum Hokageturm. Trotz ihrer Stille konnten Genma und Raidou mehr nicht aussagen. Ersterer war ziemlich entspannt, vermutlich hatte Sasuke ihm vorhin durch ein Nicken klargemacht, dass er ihm sein Handeln nicht nachtrug. Raidous verhärtete Züge hingegen sprachen eine ganz andere Sprache. Er hatte kein Wort verloren und blickte nur argwöhnisch umher. Er glaubte dem Uchiha offensichtlich immer noch nicht. So zog sich die teilweise angespannte Stille hin, bis sie schließlich von Sasuke unterbrochen wurde.
 

"Genma-san, hatten Sie an dem Tag, an dem dieser Reisende mit dem Diener des Kaufmanns aufgetaucht ist, Wachdienst am Tor?" Angesprochener warf Kakashi einen vorwurfsvollen Blick zu, der sich daraufhin verlegen lächelnd am Hinterkopf kratzte.
 

"Ja, er stand plötzlich mit dem Mann über der Schulter vor uns und hat gefragt, ob sich hier jemand um seinen Ballast kümmern könnte."
 

"Und wie sah der Reisende aus?"
 

"Warum willst du das wissen? Er könnte sich mit einem Henge getarnt haben."
 

"Jede Information könnte nützlich sein."
 

"Fragt sich, für wen", murmelte Raidou vor sich hin. Genma warf ihm einen genervten Seitenblick zu und musterte Sasuke anschließend interessiert. Der Uchiha sah nicht so aus, als würde er das Thema sonderlich spannend finden. Die Augen fest nach vorn gerichtet wirkte er nicht einmal, als würde er gerade an einem Gespräch teilnehmen. Dennoch konnte Genma das Gefühl nicht abschütteln, dass die Informationen, die er anbieten konnte, mehr als wichtig für den Genin neben ihm waren. Er entschloss sich, mitzuspielen.
 

"Na schön. Er war etwa so groß wie ich, hatte braunes, schulterlanges Haar und braune Augen. Von der Statur her hat er durchaus das sein können, als was er sich ausgegeben hat - der Lehrling eines Zimmermanns." Kakashi räusperte sich mahnend. Sasuke ignorierte es. Ja, es war unwahrscheinlich, dass es Itachi gewesen war. Ja, es gab tausend andere Möglichkeiten, einen Geist zu manipulieren. Ja, es musste nicht einmal im Entferntesten überhaupt etwas mit dem Sharingan zu tun haben. Und nein, Sasuke konnte trotzdem nicht von seiner Besessenheit ablassen.
 

"Irgendwelche besonderen Merkmale?"
 

"Mh, jetzt wo du fragst, wir haben uns ziemlich über seine Kleidung gewundert. Dafür, dass er nur ein Lehrling war, trug er ziemlich unpassende Kleidung. Auch für einen Reisenden. Es war ein schwarzer Kimono mit einem übergroßen weißen Mond."
 

"Ein weißer Mond?" Etwas in Sasukes Stimme ließ Genmas Augen erneut zu seinem Gesprächspartner wandern. Prüfend musterte er ihn, doch der Uchiha hatte seinen Kopf leicht zu Boden gesenkt, sodass seine Haare den Blick auf sein Gesicht versperrten.
 

"Ja. Naja, nein. Nicht ganz weiß, es war eher ein helles Beige. Aber im Grunde ist das ja auch egal. Ich wusste gar nicht, dass du dich für Mode interessierst", sagte Genma langsam und warf Kakashi noch einen Blick zu. Diesmal war es aber ein fragender und die einzige Antwort, die er brachte, war ein verstimmtes Schulterzucken.
 

"Warum willst du das alles wissen, Uchiha? War das etwa dein Verbündeter, der dir mit seinen Klamotten verschiedene Botschaften zukommen lassen kann?! Vielleicht ist das ja doch alles nur ein Trick und du kriegst von außen übermittelt, was als nächstes passiert und wie du dich verhalten sollst. Ist ja auch praktisch, dass der Beweis für deine Unschuld völlig unverhofft bis vor die Dorftore geliefert wird...", ereiferte sich Raidou.
 

"Soweit ich weiß, ist Sasukes Schuld nicht bewiesen.", fuhr Kakashi scharf dazwischen. Raidou schnaubte verächtlich, sparte sich aber jeglichen verbalen Konter, als wäre die Diskussion ohnehin sinnlos. So endete das Gespräch und wurde nicht wieder aufgenommen, bis die Gruppe schließlich vor dem Büro der Hokage stand und die beiden Torwachen sich wortlos verabschiedeten.
 

Kakashi hatte auf dem Weg bereits gegrübelt, was die Hokage wollen könnte. Er hoffte inständig, dass sich die Lage nicht verschlechtert hatte. Wo es doch gerade begann, bergauf zu gehen. Angespannt klopfte er an der Tür und wartete auf das traditionelle "Herein!", welches auch sofort folgte, diesmal allerdings keineswegs mürrisch. Nein, der Ton ließ auf dieselbe Anspannung schließen, von der auch Kakashi befallen war. Sie intensivierte sich noch, als die sich öffnende Tür nicht nur die Sicht auf Tsunade preisgab, sondern auch auf ihre beiden engsten Berater, Nara Shikaku und Sarutobi Asuma. Und Yamanaka Inoichi.
 

Bei dessen Anblick verengten sich Sasukes Augen minimal, sonst ließ er sich nichts anmerken. Dennoch blickte er sich bereits aufmerksam im Raum um. Wie hoch war die Chance, dass er im Ernstfall drei Jounin, deren Kampfstile er nicht kannte, und der Hokage persönlich, von der er nur Erzählungen gehört hatte, entkommen konnte? Es wäre eine absolut nicht einzuschätzende Kampfsituation. Wahrscheinlich konnte auch einer dieser hochrangigen Ninjas sein Fluchtjutsu binden. Die Tür war keine Option. Bevor er auch nur die Klinke heruntergedrückt hätte, wäre er schon im Schwitzkasten von - höchstwahrscheinlich - Asuma, denn der stand ihm am nächsten. Das Fenster war hinter den vier anderen Ninjas und an denen würde er nicht vorbeikommen. Anderweitig gab es keine Öffnungen, die eine Flucht ermöglichen würde. Chidori aufzubauen würde zu lange dauern, schließlich würde er damit eine solide Wand durchschlagen müssen. Alles in allem eine aussichtslose Situation, selbst wenn er das Überraschungsmoment auf seiner Seite hatte.
 

Er war gefangen wie ein Kaninchen, das von einer Schlange in die Enge gedrängt wurde. Diese Assoziation kam nicht von ungefähr, da die Personenkonstellation Sasuke zu sehr an seine erste Begegnung mit Orochimarus gedankenlesendem Lakaien erinnerte, was nicht dazu betrug, dass er sich entspannter fühlte. Vage kam ihm in den Sinn, dass das auch ein Yamanaka war. Wieso fiel ihm das jetzt ein? Egal, er würde nicht nachgeben und notfalls gewaltsam fliehen. Vielleicht würde sich ja irgendwo eine unverhoffte Lücke auftun. Seine Gedanken blieben verbotenes Gebiet. Bei aller Dankbarkeit der Hokage gegenüber, das würde sich nicht ändern. Und gerade, als er diesen Entschluss zuendegeführt hatte, hörte er, wie hinter ihm die Tür ins Schloss fiel. Klack. Gefangen.
 

"Sasuke, ich weiß, du willst das nicht, aber wir müssen unbedingt auf deine Erinnerungen zugreifen", sagte Tsunade und blickte ihn eindringlich an. Der Uchiha verlagerte sein Gewicht auf das Bein, das ein wenig hinter dem anderen war, konnte sich dann aber schnell fassen und seinen Fluchtreflex in den Griff bekommen. Rechtzeitig genug, damit nur Kakashi von der Seite diese minimale Rückwärtsbewegung überhaupt ausmachen konnte. Er ärgerte sich darüber, dass dieser Reflex überhaupt aufgekommen war und dass er ihn nicht gleich im Keim hatte ersticken können. In dieser Situation durfte er keine Schwäche zeigen, stand er doch einer Front hochrangiger Ninjas gegenüber, die ihm überlegen war.
 

Kakashi war klar, dass sich sein Schüler in die Ecke gedrängt fühlte. Er räusperte sich, woraufhin dessen Blick für einen winzigen Moment nach links zu seinem Sensei flackerte. Sasuke mahnte sich zur Ruhe. Er hatte sich so von der Situation vereinnahmen lassen, dass er die Anwesenheit seines Senseis vollkommen vergessen hatte. Es beruhigte ihn etwas. Kakashi war hier, er würde ihm notfalls helfen, da war er sich sicher.
 

"Ich dachte, Ihr hättet bereits Beweise?", fragte Kakashi.
 

"Beweise, die für mich reichen, ja", murrte Tsunade. "Aber Homura ist von Sasukes verfrühter Freilassung nicht begeistert gewesen und hat schnell die Behauptung verbreitet, dass die Erinnerungen des gefundenen Ninjas manipuliert wurden, was die Beweise für die Dorfbewohner nichtig macht. Sasukes Glaubwürdigkeit war ohnehin schon angegriffen, aber das war der Gnadenstoß." Der Uchiha horchte auf. Die Hokage glaubte ihm immer noch? Wieso? Dafür hatte sie doch keinen Grund!
 

"Waren sie denn manipuliert?" Auf Kakashis Frage hin schaltete sich nun Inoichi in das Gespräch ein.
 

"Das ist wirklich schwer herauszufinden. Wer immer sich an dem Geist des Ninjas zu schaffen gemacht hat, ist extrem gut. Ich habe noch nie einen so von Grund auf zerstörten Geist gesehen. Dieser Shinobi könnte nicht einmal mehr den Namen seiner Mutter vor anderen verbergen. Aber es ist leider wahr. Einen so zerstörten Geist zu manipulieren, wäre ein Leichtes. Das nachzuweisen - fast unmöglich." Kakashis Hoffnungen schwanden. Die einzigen Beweise für Sasukes Unschuld wurden damit zunichte gemacht. Doch noch nicht ganz.
 

"Aber es ist doch eindeutig bewiesen, dass der Diener das Chidori angewandt hat, oder?", warf Kakashi ein. Tsunade seufzte genervt.
 

"Ja, es ist wirklich schwer, eine Chidorianwendung zu simulieren, aber die Skeptiker wird dieses Argument nicht überzeugen. Auch wenn wir davon ausgehen können, dass es kein einfacher Diener, sondern ein Ninja war, spricht das erstens nicht für seine Schuld und zweitens kann er eine ähnliche Raitontechnik in einer völlig anderen Situation eingesetzt haben. Es muss nicht unbedingt ein Chidori gewesen sein, das die Chakrareste in seinem Arm und die Verbrennung verursacht hat, die Wunde des Kaufmanns spricht aber eindeutig für eines. Deshalb brauchen wir verlässlichere Beweise", drängte Tsunade. Sasuke sah sie ungerührt an.
 

"Ich könnte ebenso meine eigenen Gedanken manipulieren, was macht mich glaubwürdiger?"
 

"Nun, dein Geist ist intakt. Inoichi könnte nahezu jedes Eingreifen bemerken." Doch Sasuke schüttelte nur den Kopf.
 

"Das Dorf ist nicht geneigt, mir zu glauben. Nur meine eigenen Gedanken würden die Dorfbewohner nicht überzeugen. Und auf einen Versuch werde ich es nicht ankommen lassen." Das war mit zu viel Bestimmtheit gesagt, um noch Raum für Hoffnungen zu lassen.
 

"Warum? Warum lässt du dir nicht helfen? Ich hab mir sagen lassen, dass du ein intelligentes Bürschchen wärst, aber dein Verhalten hat mich mehr als einmal daran zweifeln lassen. Merkst du nicht, dass du dir selbst schadest? Wir versuchen hier alle, dir zu helfen und du kommst uns kein Stück entgegen. Warum, verdammt nochmal?", brauste Tsunade auf.
 

"Ich kann ihm nicht trauen", sagte Sasuke ruhig und jedem im Raum war klar, dass er Inoichi meinte.
 

"Inoichi ist ein sehr fähiger und verantwortungsbewusster Ninja. Er würde nie unaufgefordert irgendwelche Grenzen überschreiten."
 

"Vielleicht muss er das ja nicht", sagte Sasuke leise und fixierte nun seinerseits die Hokage mit seinen Augen. Er mochte es nicht, ihr offen sein Misstrauen zu zeigen, aber er war auch nicht imstande, ihr vollkommen zu vertrauen.
 

"Ich hab mehr als einmal bewiesen, dass du mir trauen kannst! Mein Ruf steht hier auf dem Spiel, du undankbarer Bengel." Na klasse, jetzt sind wir wieder bei den Bezeichnungen vom Anfang. Kakashi wurde wieder einmal bewusst, dass er noch nichts Genaues wusste, sondern sich momentan nur auf Mutmaßungen stützte und dass er immer noch am Anfang stand. Das würde er schnell ändern müssen.
 

"Hokage-sama, wir könnten die Gedanken seines Falken lesen, wenn er sich verweigert. Der Vogel hat doch von oben alles beobachtet. Ein vertrauter Geist ist nicht in der Lage, seine Gedanken zu verschließen oder sie in irgendeiner Weise zu manipulieren", warf Inoichi ein, bevor Tsunade noch endgültig der Kragen platzte. Sie neigte den Kopf und setzte zu einer Antwort an.
 

"Genau deshalb werde ich das nicht zulassen", schnitt Sasuke der Hokage das Wort ab. Alle Anwesenden sahen ihn mit einer Mischung aus Erstaunen und Verärgerung an. Es ging um sein Leben und er wehrte sich bis aufs Blut.
 

"Warum diesmal?", fragte die Hokage halb resignierend, halb genervt. Sie war es langsam leid. All die Anstrengungen und der Bengel war immer noch mit dem Kopf in der Schlinge. Und da schien es ihm auch noch zu gefallen! Konnte denn nicht einmal etwas glattgehen, das mit ihm zutun hatte?
 

"Kibou weiß alles über mich. Sein Geist war einmal mit meinem verschmolzen. Das ist eine Vertragsbedingung der Falken." Kakashi sah ihn überrascht an. Ein vertrauter Geist war zu leicht zu fassen und auszuhorchen. Das war ein gewaltiges Risiko. Damit hatte er Tsunade gerade eine enorme Schwachstelle offenbart. Auf seine verquere Art und Weise schien er der Hokage doch ein bisschen zu vertrauen. Diese seufzte nur.
 

"Ich werde dich nicht eher gehen lassen, bis du uns nicht irgendetwas gegeben hast, das uns zeigt, dass es sich lohnt, weiter für dich zu kämpfen. Dir ist die Situation wohl immer noch nicht ganz klar. Wir haben momentan keinen einzigen Anhaltspunkt, wer der Täter sein könnte und ohne Täter wirst du schwerlich zu entlasten sein", sagte die Hokage.
 

"Ich bin mir der Situation bewusst und bin Euch dankbar, Tsunade-sama. Aber ich habe meine Gründe." Sasuke sah sie immer noch so emotionslos an, als würde ihn das alles nicht betreffen. Doch dann zogen sich seine Brauen zusammen. "Da ist tatsächlich noch etwas, aber es ist keinesfalls ein Beweis. Dieser eine Diener hatte dieselbe Art, dieselbe Mimik wie einer der Angreifer damals im Gefängnis. Ich glaube, sie gehören zu derselben Einheit."
 

"Root-Anbu? Das würde einiges erklären. Danzou hatte Zugang zu allen Unterlagen des Dorfes. Und er kennt Sasuke. Die Rooteinheit besteht aus Eliteninjas. Ein paar von ihnen wären sicher in der Lage, nur mit Aufzeichnungen eine so komplizierte Technik wie das Chidori zu erlernen", warf Asuma ein.
 

"Dann werden wir wohl unsere Anstrengungen verdoppeln müssen, Danzou zu finden. Wenn wir ihn als verdächtigten Kriminellen verhaften können, haben wir eine ganz andere Handhabe. Fürs Erste können wir versuchen, die Rootakten aufzutreiben, dann können wir den Diener vielleicht als Root-Anbu identifizieren", ergänzte Shikaku. Die Hokage sah ihn erstaunt an und wandte sich dann mit grimmiger Entschlossenheit wieder ihrem widerspenstigen Genin zu.
 

"Eins sag ich dir, Uchiha, das ist nur eine kurze Ablenkung. Sollten wir keinen anderen Ausweg finden, werde ich auf dich zurückkommen und dann wird es mir egal sein, was du dazu sagst", drohte Tsunade und taxierte Sasuke mit einem unnachgiebigen Blick. Dieser bedachte die Hokage seinerseits mit einem Blick, der deutlich seinen Widerstand in diesem Fall ankündigte, verbeugte sich leicht und verließ das Büro. Tsunade sah Kakashi erwartungsvoll an.
 

"Ich hab mich schon gewundert, warum du mitgekommen bist. Was gibt's?"
 

"Ich habe neue Informationen bezüglich Tsukuyomi. Wie es aussieht, kann man damit mehr als Personen körperlich zu beeinflussen und die Zeit zu manipulieren. Anscheinend kann Itachi auch die Vergangenheit in einer Illusion wiederauferstehen lassen und dort nach Gutdünken tun, was er will." Die drei verbliebenen Shinobi sahen Kakashi erstaunt an.
 

"Woher hast du diese Informationen so plötzlich?", fragte die Hokage.
 

"Sagen wir, Sasuke hat sich verplappert", meinte Kakashi der Situation völlig unangemessen gutgelaunt.
 

"Verplappert?", fragte Asuma ungläubig, "Ausgeschlossen. Ich habe noch nie einen Jungen in seinem Alter erlebt, der so sehr darauf achtet, was er von sich gibt."
 

"Dem kann ich nur zustimmen. Kakashi, wenn das stimmt, muss er dir sehr vertrauen, um so eine Nachlässigkeit zuzulassen", ergänzte Shikaku.
 

"Lass mich raten", hakte Tsunade ein, "du hast ihm von dem Geisteszustand des Dieners erzählt, obwohl ich es dir verboten hatte und er hat sich natürlich sofort auf Itachi festgefahren. Schließlich seid ihr irgendwie auf Tsukuyomi zu sprechen gekommen." Kakashi konnte dem tadelnden Blick der Hokage nur mit einem entschuldigenden Grinsen begegnen.
 

"So war es. Anfänglich wollte ich es geheimhalten, aber genau diese Geheimniskrämerei hat ihn misstrauisch gemacht. Ich wollte sein Vertrauen in Team 7 nicht erschüttern, er scheint sich gerade zu öffnen."
 

"Was hat er denn genau gesagt?", fragte Shikaku.
 

"Etwas wie: Der Benutzer von Tsukuyomi beherrscht die Zeit. Er kann Stunden in Tage verwandeln und selbst Vergangenes, Tote, alles zum Leben erwecken, nur um sie dann wieder zu vernichten."
 

"Das lässt gar keine Zweifel zu. Dieses sie bezieht sich eindeutig auf die Toten. Er hat doch nicht wirklich Sasuke wieder und wieder das Massaker mitansehen lassen?", fragte Tsunade erschüttert.
 

"Genau das. Sasuke hat jedenfalls entsprechend reagiert. Er ist ganz blass geworden und hat sich völlig in seiner Gedankenwelt verloren. Danach war er ziemlich angespannt und hat versucht, vom Thema abzulenken."
 

"Warum quält er seinen kleinen Bruder so, lässt ihn aber leben?", murmelte Tsunade vor sich hin. Sie konnte diese Grausamkeit nicht fassen, die scheinbar keinen Sinn hatte.
 

"Das ist uns allen ein Rätsel. Vielleicht hat er sich doch etwas dabei gedacht. Immerhin ist er das Wunderkind das Uchiha-Clans", warf Asuma ein.
 

"Das bringt uns jetzt auch nicht weiter. Kakashi, du hast richtig gehandelt. Es ist wichtig, dass wir jemanden zur Verfügung haben, dem Sasuke vertraut. Sasukes Verhalten hat das vorhin gezeigt. Als er Inoichi erblickt hat, ist er, ohne es zu merken, in eine Abwehrhaltung gegangen. Dann hast du dich, wohl nicht ganz unabsichtlich, bemerkbar gemacht und schon hat er sich sichtbar entspannt. Und trotz dieser Entspannung hat er genauestens den Raum untersucht, wahrscheinlich um mögliche Fluchtmöglichkeiten auszumachen. Es steckt eine große Unruhe in ihm und noch größeres Misstrauen. Und du scheinst beides mildern zu können. Vielleicht kannst du ihn mit der Zeit überreden, zu kooperieren", sagte Shikaku.
 

"Ich arbeite daran. Aber ich glaube nicht, dass Sasuke sich von irgendjemandem umstimmen lassen wird. Er verbirgt irgendetwas sehr sorgfältig und nimmt sogar eine Verurteilung dafür in Kauf. Er wird nicht das Risiko eingehen, dieses Geheimnis irgendwie preisgeben zu müssen."
 

"Selbst wenn, können wir darauf nicht warten. Die Lage ist zu prekär. Es würde zu lange dauern, ihn einfach nur umzustimmen. Wir müssen bedenken, dass er fast drei Jahre bei Orochimaru zubringen musste. Ich will gar nicht wissen, was er alles mit ihm angestellt hat, um ihm dieses irrationale Misstrauen einzubläuen", meinte Tsunade und schaute zu Shikaku. "Du hast doch sicher schon einen Alternativplan. Sonst hättest du vorhin nicht eingelenkt und behauptet, dass wir in die Rootakten einsehen könnten. Du weißt genau, dass Danzou die hat verschwinden lassen."
 

"Ja. Die Diskussion hätte zu nichts geführt und ich kann Euch den Plan nur erklären, wenn Sasuke nicht hier ist. Vielleicht könnten wir uns nämlich genau dieses irrationale Misstrauen zunutze machen. Kakashi, hast du nicht gesagt, dass er in keiner einzigen Situation seine Deckung vernachlässigt?", fragte Shikaku.
 

"Ja, warum?"
 

"Ich habe eine Idee, wie wir doch an Informationen kommen könnten, ohne auf Sasukes Erinnerungen zurückgreifen zu müssen. Es wird ihm trotzdem nicht gefallen, also sollten wir Kakashi außen vorlassen", sagte Shikaku bedächtig.
 

"Lass hören", erwiderte Tsunade in der Hoffnung, eine Lösung für dieses Dilemma finden zu können.
 

~*~
 

Frustriert vom Verlauf dieses Tages schlug Sasuke mit Kusanagi auf seinen Doppelgänger ein. Dieses abendliche Training brauchte er normalerweise, um sein unnachgiebiges Gewissen zu beruhigen, doch diesmal musste er schlichtweg Dampf ablassen. Natürlich musste er auch einiges nachholen. Die lange Zeit des Sitzens im Gefängnis war nicht spurlos an seiner Muskulatur vorübergegangen und allzu lange Ruhezeiten konnte sich ein Shinobi generell nicht erlauben, ohne Muskelmasse und Ausdauer abzubauen. So tragisch war es zwar nicht, doch spürte Sasuke, dass er etwas nachgelassen hatte. Tagelang nur Reis und Wasser hatten auch nicht unbedingt eine positive Wirkung gehabt.
 

Und dann war da noch die Möglichkeit, dass Itachi ihm aus der Klemme geholfen hatte. Es war ausgeschlossen, dass der Reisende den Mann aus Sorge zum Dorf gebracht hatte, sonst hätte er von ihm erstens nicht als Ballast gesprochen und zweitens hätte er ihn nicht über der Schulter getragen, das war die ungünstigste Position für einen Bewusstlosen, da das Blut in den Kopf lief. Und selbst wenn er das nicht gewusst hatte, musste er wissen, dass es nicht gut war, wenn die ganze Zeit seine Schulter in den Bauch des Getragenen drückte. Also war der Diener mit Absicht nach Konoha gebracht worden und offensichtlich schadete das Sasuke nicht, deshalb konnte das nicht das Handeln des Feindes sein.
 

Es musste einfach Itachi gewesen sein. Ausgerechnet er! Es war fast wie Hohn. Er nahm ihm seine Familie, ließ ihn das alles bei zwei Gelegenheiten miterleben, wieder und wieder, demütigte ihn bei jeder Begegnung und nun sollte er ihm geholfen haben? Wo lag da die Logik? Aber allein der Fakt, dass Sasuke, als er von dem Fremden gehört hatte, Hoffnung gespürt hatte, und nicht etwa die Hoffnung, seine Rache ausüben zu können, machte ihn wütend. Und zwar auf sich selbst.
 

Dennoch regte ihn der Besuch bei Tsunade am meisten auf. Warum begriff sie nicht, dass er nichts preisgeben würde? Und warum war er so dumm gewesen, ihr von Kibou zu erzählen? Kibou, der wie jedem Abend seinen Trainingsplatz überwachte und ihm gegebenenfalls sofort vor Eindringlingen warnen konnte, auch wenn diese ihr Chakra verbargen. Wer achtete schließlich auf einen Falken in den Baumkronen?
 

Was würde die Hokage tun, wenn sich kein anderer Ausweg finden würde? Wenn sie wirklich auf seine Erinnerungen angewiesen waren? Egal, wie sehr sie sich bislang für ihn ins Zeug gelegt hatte, in diesem Fall würde er sich verbissen wehren. Sasuke hatte sich selbst bereits das Hirn zermartert, was er noch tun könnte, um Beweise zu finden. Doch es schien alles ziemlich aussichtslos zu sein. Wenn er verurteilt wurde, wusste er, was ihm blühte. Alles würde wieder hochkommen, da das Dorf ihm ohnehin nicht traute. Manchmal bereute er es mittlerweile, die Mission damals angenommen zu haben, aber Ororchimaru hatte nichts anderes als den Tod verdient. Er hatte grausame Dinge getan und seine Experimente waren schlicht unmenschlich. Ein solch skrupelloser Ninja war einfach eine zu große Gefahr, er -
 

Sasuke und sein Doppelgänger stoppten synchron in ihrem Bewegungen, als ihn ein gefürchtetes Gefühl durchzuckte.
 

"Kibou", murmelte Sasuke, steckte Kusanagi weg und setzte sich blitzschnell in Bewegung. Er stürmte so schnell es ging zu dem Platz, von dem aus Kibou normalerweise sein Training bewachte, um ihn vor ungewollten Beobachtern zu warnen. Als er Sekunden später dort ankam, sah er den Übeltäter seinen bewusstlosen Falken auf dem Arm halten.
 

"Hyuuga...", presste Sasuke bedrohlich hervor und musterte seinen vertrauten Geist, der schlaff, aber anscheinend unverletzt von seinem Angreifer festgehalten wurde.
 

"Der Plan ist wohl gescheitert", bemerkte Neji trocken und warf Sasuke seinen vertrauten Geist zu. Dieser fing ihn auf und schaute ihn prüfend an, aber nicht ohne dabei sein Gegenüber aus den Augen zu lassen. Nachdem er keine Verletzung hatte ausmachen können, legte er ihn sacht unter den nächsten Baum. Das konnte gleich hässlich werden, da wollte er Kibou nicht bei sich haben.
 

"Welcher Plan?", fragte Sasuke bemüht ruhig und erwartete keine Antwort. Allerdings schien diese Frage Neji gut zu passen, da er es bereitwillig verriet.
 

"Tsunade-sama hat mir aufgetragen, ihr deinen Falken unverletzt zu bringen. Es ist unfassbar, dass sie für dich so weit geht. Wenn Naruto dich nicht zu seinem besten Freund ernannt hätte, hätte sie sicher schon längst aufgegeben."
 

"Ich hatte ihr doch gesagt, dass sie Kibou in Ruhe lassen soll", knurrte der Uchiha vor sich hin. Die Hokage war wohl doch nicht so vertrauenswürdig wie er geglaubt hatte. Zum Glück hatte er ihr verschwiegen, dass ein Teil von Kibous Geist durch ein erneuerbares Jutsu immer noch mit seinem verbunden war - zumindest wenn er sich in der Nähe befand - um für Situationen wie diese gewappnet zu sein. Allein deshalb konnte er spüren, dass Kibou in Gefahr war. Sein Geist war erloschen und das konnte nur eine Ohnmacht oder den Tod bedeuten. In seinem Inneren begann es zu brodeln, doch zwang Sasuke sich zur Ruhe. Er wusste, wie gefährlich Wut für ihn werden konnte, obwohl er geglaubt hatte, dass diese Phase endgültig ihr Ende gefunden hatte.
 

"Deine Arroganz ist nicht zu überbieten. Meinst du, jemand wie du kann der Hokage Befehle erteilen? Deine Geheimniskrämerei hat sie dazu getrieben."
 

"Ich habe meine Gründe dafür", sagte Sasuke und fragte sich im selben Moment, warum er sich eigentlich rechtfertigte.
 

"Und höchstwahrscheinlich feindselige. Du lässt selbst dein Training bewachen. Das ist mehr als verdächtig. Du behandelst das Dorf wie deinen Feind. Dafür muss es Gründe geben. Was hast du wirklich vor?"
 

"Warum bist du so hartnäckig?"
 

"Weil du eine Gefahr bist. Ein Spion Orochimarus mitten in Konoha kann viel Schaden anrichten." Untypischerweise seufzte Sasuke genervt.
 

"Ich bin kein Spion."
 

"Wieso tust du sonst so geheimnisvoll?" In diesem Moment erkannte Sasuke schon allein durch den ablehnenden Unterton der Frage, dass es keinen Sinn hatte, zu diskutieren. Neji war zu sehr von seiner Schuld überzeugt, mit Worten würde er sich nicht umstimmen lassen. So entschied Sasuke sich für einen Vorschlag, um damit gleich zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen.
 

"Vorschlag: Kämpfen wir darum, das willst du doch. Wenn ich gewinne, lässt du Kibou in Ruhe und verschwindest. Wenn du gewinnst, sag ich es dir", sagte Sasuke und sah Neji herausfordernd an. Ein Kampf könnte ihm jetzt nicht schaden. Er war unglaublich wütend, dass Tsunade sich tatsächlich an seinem gegen einen Ninja wehrlosen Falken vergriffen hatte. Denn Kibou war nur ein Spähfalke. Er beherrschte kaum andere Jutsu als solche, die dem Erkunden dienten. Und Sasuke war absolut sicher, dass Nejis Stolz ihm verbieten würde, dieses Angebot abzulehnen. Es war der schnellste Weg, den Hyuuga wieder loszuwerden.
 

Für einen winzigen Moment wirkte Neji ertappt, dann hatte er aber sofort seine Gesichtszüge wieder unter Kontrolle.
 

"Hast du etwa Angst, dein Vogel könnte dich verraten?", meinte er spöttisch. Sasuke warf Kibou einen kurzen Seitenblick zu.
 

"Er würde lieber sterben. Aber ich hab was dagegen, wenn meine Freunde angegriffen werden", sagte Sasuke und unterdrückte dabei die Schuldgefühle, die sich leise einen Weg in sein Bewusstsein erschleichen wollten. Hätte er der Hokage nicht von seiner Verbindung zu Kibou erzählt, wäre letzterem erst gar nichts zugestoßen. In Zukunft würde er wohl noch vorsichtiger sein müssen. Wenn er jetzt überhaupt noch hier bleiben konnte...
 

Neji warf seinem Gegner einen kritischen Blick zu. Der distanzierte Uchiha sprach von Freunden? Noch dazu, wenn es um einen Vogel ging. Und war das Schuld in seinen Augen? Gleichzeitig und unwissend um diese Tatsache mahnten sich beide dazu, sich auf die aktuelle Situation zu konzentrieren.
 

"Einverstanden, aber glaub nicht, dass ich mich zurückhalten werde."
 

"Ist mir Recht", sagte Sasuke herausfordernd und aktivierte in der Sekunde sein Sharingan, in der Neji sein Byakugan heraufbeschwor...

Kollision

Einen besonnenen Moment später schon verfluchte er sich selbst. War er eigentlich wahnsinnig geworden? Ausgerechnet den Hyuuga zu einem Kampf herauszufordern! Sicher, er hatte gespürt, dass sein Gegner im Prinzip nur darauf aus war, und es war auch eine prima Gelegenheit, ein wenig Dampf abzulassen, aber dennoch hätte er sich beherrschen müssen und nicht seinen Emotionen nachgeben dürfen. Aber wie Kibou da am Boden lag...Zum Glück war er nur bewusstlos. Sasuke hätte für nichts garantieren können, wenn sein Falke tot gewesen wäre. Getötet, während er selbst in Hörweite war. Das hätte er sich nie verzeihen können. Und jetzt musste er sich mit jemandem messen, der ihn mit seinem Dou-Jutsu in noch tiefere Schwierigkeiten bringen konnte. Er musste nun unbedingt auf sein Timing achten, um sich nicht selbst zu verraten...
 

Sasuke legte Kusanagi samt Schwertscheide neben seinen vertrauten Geist, entfernte sich in eine sichere Distanz zu beiden und drehte sich dann bedächtig zu seinem Gegner um. Trotz der konzentrierten Neutralität, die der Hyuuga ausstrahlte, konnte er es anscheinend nicht erwarten, den Kampf zu beginnen - oder war es Vorsicht?-, denn er hatte bereits seine typische Kampfposition eingenommen. Die Füße weit auseinander für einen sicheren Stand, die Knie leicht gebeugt und die linke Hand wie zum Gruß erhoben, so thronte Neji ein paar Meter vor Sasuke. Und was für einen Gruß er einem Feind bereiten konnte. Seine Hände waren Tötungswerkzeuge, schnell und präzise.
 

Sasuke machte sich die Kampfbedingungen bewusst. Der Hyuuga war ein Nahkämpfer, also musste er ihn unbedingt auf Distanz halten. Dennoch musste er aufpassen und sich nicht verrennen. Immerhin hatte er ihn noch nie kämpfen sehen und die Erzählungen von seinem Team sowie seine Lektüre über die Fähigkeiten des Hyuugaclans lagen mindestens drei Jahre zurück. Ein Genie wie Neji würde in der Zwischenzeit etwas gegen seine Einschränkungen unternommen haben.
 

Besagtes Genie hatte seinen Gegner ebenfalls aufmerksam fixiert. Neji sah, wie der Uchiha sein Schwert ablegte und hielt sich nur kurz mit der Frage nach dem Warum auf. Das war jetzt nicht von Relevanz. Schließlich beobachtete er ihn dabei, wie er sich ein paar Schritte entfernte und sich ihm einfach gegenüberstellte. Er hatte keine besondere Kampfposition eingenommen und schien noch zu überlegen. Die einzige Bereitschaft zum Kampf war an seinen roten Augen erkennbar, die Neji nur aus den Augenwinkeln heraus wahrnahm, denn er wusste, dass er den direkten Blickkontakt ab sofort vermeiden musste, wenn er nicht in einem Genjutsu gefangen werden wollte. Der Uchiha schien jetzt zu einer Entscheidung gekommen zu sein, denn er berührte beide seiner Handgelenke und hielt daraufhin einige Shuriken und Kunai in den Händen. Auf diese Technik würde er genauer achten müssen.
 

"Angst, Uchiha?", kommentierte Neji Sasukes Abwarten. Hätte er sich nicht so gut unter Kontrolle, wäre er längst auf sein Gegenüber zugestürmt. Doch der Hyuuga durchschaute dessen Strategie. Er wollte ihn offensichtlich mit seinem Lauern zum ersten Angriff provozieren und sehen, ob er dabei vielleicht eine Lücke in seiner Verteidigung offenbarte. Doch so einfach würde er es ihm nicht machen. Zu dieser Entscheidung schien auch Sasuke gekommen zu sein, denn plötzlich warf er, ohne ein Wort zu verlieren, seine Kunai in schneller Abfolge auf Neji.
 

Eine ziemlich schwache Eröffnung für das hochgelobte Genie, wie Neji fand. Er wich den Kunai geschickt aus und ließ seinen Gegner dabei nicht aus den Augen. Schließlich hatte er Sasuke bislang nur einmal kämpfen sehen und das war vor drei Jahren zur Chuuninauswahlprüfung gewesen. Damals hatte er nur Taijutsu angewendet. Doch mittlerweile hatte er sein Sharingan höchstwahrscheinlich weiterentwickelt und würde sich mehr darauf verlassen. Ein Umstand, auf den der Hyuuga nicht trainiert war. Und bei seinem Kampf gegen den Attentäter neulich, in dem Sasuke fast getötet worden wäre, hatte er nicht mit voller Kraft und nur mit seinem Schwert gekämpft, was Neji jetzt auch nicht weiterhalf. Deshalb war er doppelt vorsichtig und wahrscheinlich konnte er auch nur deshalb den Kunai entgehen, die gerade wie von Geisterhand von hinten auf ihn zurückgeschleudert wurden.
 

Schnell blickte er sich nach der Ursache dafür um und erkannte gerade so hauchdünne Drähte, die die Wurfgeschosse steuerten. Sasuke hatte also doch keine einfachen Kunai auf ihn geworfen, er hatte sie mit dem Draht auf ihn zurückgelenkt. Doch das war nicht alles. Sasuke bewegte sich nun mit unglaublicher Geschwindigkeit um ihn herum und ließ von allen Seiten Wurfgeschosse auf ihn einprasseln. Hätte er Neji schon einmal kämpfen sehen, hätte er gewusst, dass das zwecklos war. Neji setzte zu seinem Kaiten an und rotierte um die eigene Achse. Sämtliche Waffen prallten an dem so erschaffenen Chakraschild ab, ohne ihn auch nur berühren zu können.
 

Sasuke musterte von seinem Versteck aus den Punkt, an dem der Hyuuga hochkonzentriert auf weitere Attacken wartete. Das war eine sehr effektive Technik, die Fernangriffe nahezu unwirksam werden ließ. Auf einen Nahkampf durfte er sich trotzdem nicht einlassen. Sasuke musste sich etwas anderes überlegen. Nur was? Der Hyuuga war nicht dumm, auf billige Ablenkungen würde er nicht hereinfallen. Ihm war sicher bereits klar, dass Sasuke nur hatte testen wollen, wie er auf diverse Angriffe reagieren würde. Ihm blieb nur eins: Neji in einen hitzigen Kampf verwickeln, auf eine Möglichkeit warten und ihn überlisten.
 

Wie er das anstellen könnte, war ihm bereits klar, doch diese Methode war gefährlich und kostete jede Menge Chakra. Aber auf reines Taijutsu konnte er sich nicht verlassen. Er war zwar nur ein wenig geschwächt, aber für einen Gegner auf Nejis Niveau reichte das aus, um zu einem gravierenden Nachteil zu werden. Bereits jetzt spürte er ein leichtes Ziehen in seinen Beinen - sein Körper protestierte gegen die plötzliche hohe Belastung. Im Training vorhin hatte er nur auf seinen Schattendoppelgänger eingeschlagen, in diesem Kampf musste er sich mit sehr hoher Geschwindigkeit bewegen. Er musste also den offensichtlichen Vorteil nutzen, den er hatte: dass sein Kekkei Genkai im Gegensatz zum dem seines Gegners nicht auf Passivität beschränkt war. Dazu musste er aber leider näher an jenen heran, als ihm lieb war. Das Risiko musste er wohl eingehen. Er durfte schließlich nicht verlieren. Eher würde er sterben, als ausgerechnet mit Neji, wenn auch gezwungenermaßen, eins seiner Geheimnisse zu teilen.
 

Neji beobachtete Sasukes Versteck. So dumm konnte der doch nicht sein, an einem Fleck zu verharren. Auch wenn er sein Chakra perfekt vor den anderen Sinnen verbarg, war Neji in der Lage, dank des Byakugan wenigstens noch einen schwachen Chakraschimmer zu sehen, das musste ihm doch klar sein. Trotzdem wartete der Hyuuga ab, was sein Gegner als Nächstes vorhatte. Ihm war sicherlich klargeworden, dass Fernangriffe nicht viel bringen würden. Umso erstaunter war er, zu sehen, dass Sasuke hochsprang und ihn ein weiteres Mal mit einem Kunaihagel eindeckte. Erneut setzte Neji Kaiten ein, denn um gefahrlos ausweichen zu können, war der Waffenregen einfach zu breit gestreut und das Sharingan war nicht zu unterschätzen. Sicher lauerte Sasuke nur darauf, dass Neji anfing, unvorsichtig zu werden. Und das war bereits geschehen, stellte Neji säuerlich fest, als die ersten Kunai seinen Schild durchdrangen. Elementechakra! Schnell wich er zurück, doch es war zu spät, um ungeschoren zu entkommen. Zwei Kunai streiften sein Bein. Neji fluchte innerlich, er hatte sich zu sehr auf seinen Schild konzentriert, um auf das Chakra in den Kunai zu achten. Da war er wohl zu überzeugt von seinem Schild gewesen. Trotzdem war er froh, dass es nur Kratzer waren. Der Uchiha hatte sich also mit dem Verhältnis von Chakra und Elementechakra beschäftigt. Das würde ihm aber auch nicht viel nützen, denn Neji konnte den Level seines Schildes leicht an die neuen Gegebenheiten anpassen, er musste nur mehr Chakra freisetzen. Ewig konnte der Uchiha dieses Spiel also nicht treiben und das würde Neji auch nicht zulassen, denn auf diese Weise würde er seine Reserven zu schnell erschöpfen. Also griff er nun seinerseits in seine Waffentasche.
 

Sasuke sah von einer bequemen Wurfentfernung aus, wie die letzten Kunai, die er geworfen hatte, den Schild durchdrangen. Neji war also tatsächlich auf die ersten, unaufgeladenen Kunai reingefallen. Anscheinend war er am Bein getroffen worden, aber das hinderte ihn nicht daran, zwei Handvoll Kunai auf seinen Gegner zu werfen. Sasuke sprang hoch, nur um zu sehen, wie Neji ein weiteres Kunai auf ihn warf...nein, neben ihn! Und plötzlich sah er sich Neji gegenüber. Wie hatte er-? Kawarimi!, schoss es Sasuke durch den Kopf, als der Hyuuga mit der speziellen Technik seines Clans auf seinen Arm losging. Sasuke benutzte sein Fluchtjutsu, um Abstand zwischen sich und seinen Gegner zu bringen, doch es war bereits zu spät.
 

Neji stellte zufrieden fest, dass er die drei Hauptchakrapunkte in Sasukes rechtem Arm getroffen hatte. Jetzt dürfte er nicht mehr in der Lage sein, Chakra in diesen Arm zu leiten. Sollte es ihm gelingen, den anderen Arm ebenfalls unschädlich zu machen, blieb dem Uchiha keine Wahl mehr, als auf Taijutsu zurückzugreifen. Dann würde dieses gegenseitige Umlauern endlich aufhören. Für Nejis Geschmack durchschaute Sasuke seine Techniken und ihre möglichen Schwächen ein bisschen zu schnell. Das Analysieren hatte hier sein Ende. Neji hatte genug über Sasukes Kampfstil erfahren, denn dessen Taijutsu kannte er bereits. Nun war es an der Zeit, auf Konfrontationskurs zu gehen.
 

Sasuke musterte kurz seinen getroffenen Arm und richtete seine Aufmerksamkeit dann wieder auf den Huuyga, den er in diesem Moment auf sich zustürmen sah. Dann ist das Belagern wohl beendet. Neji war unheimlich schnell, das musste er ihm lassen. In fast nicht wahrnehmbarer Folge prasselten Angriffe auf seine Chakrapunkte und generell auf ihn ein und Sasuke hatte es wohl nur seinem Sharingan zu verdanken, dass er rechtzeitig ausweichen und gelegentlich sogar einen Gegenangriff einwerfen konnte. Und so fegten die beiden wie ein Orkan über die Lichtung, die Sasuke sonst für sein Training gedient hatte. Ihre Hände und Füße tanzten in tödlichem Einklang gegeneinander, jedoch konnte keiner der beiden einen ernsthafteren Treffer landen.
 

Handkantenschlag. Block. Konter: Juuken. Ausweichen. Konter: Tritt. Gegenangriff: Faustschlag. Block.
 

Keiner der beiden leistete sich auch nur eine ausladende Bewegung, denn dafür kamen die Schläge in zu schneller Abfolge. Immer weiter ging der Schlagabtausch, bis Neji die führende Rolle übernahm und Sasuke rückwärts trieb. Er fragte sich, wie lange der Uchiha noch seinen Schlägen ausweichen konnte, als sein Gegner seine schnelle Rückwärtsbewegung abrupt beendete und es Neji dadurch ermöglichte, auch die Chakrapunkte in seinem linken Arm zu treffen. Wieso war der Uchiha stehengeblieben und nicht weiter ausgewichen? Auch Neji bewegte sich nun nicht mehr. Er konzentrierte sich auf die Umgebung, da Sasuke ebenfalls nach hinten schielte.
 

Sein Vogel. Sie hatten sich auf ihn zubewegt und hätten ihn sicher niedergetrampelt, wäre der Uchiha nicht stehengeblieben. Dafür nahm er sogar einen folgenschweren Treffer in Kauf. Er sieht ihn also wirklich als Freund? Dann- Weiter kam Neji mit seinen Gedanken nicht, denn ein chakragestärkter Fuß traf ihn mit voller Wucht in seine ungeschützte Seite und schleuderte ihn meterweit, bis er geräuschvoll gegen einen Baum prallte und kurz liegenblieb. Zum Glück hatte er noch rechtzeitig schützendes Chakra aufbauen können, sonst sähe sein Rücken jetzt wahrscheinlich ähnlich geschunden aus wie der Baum, der seinen Flug gestoppt hatte.
 

"Du magst meine Arme lahmgelegt haben, Hyuuga, aber das heißt nicht, dass ich wehrlos bin." Neji stand auf und musterte Sasuke erneut.
 

"Glückstreffer", sagte er und ging zum nächsten Angriff über. Da er sich jetzt nur noch vor chakraverstärkten Tritten und nicht mehr vor Jutsu in Acht zu nehmen brauchte, ging er zu seinem nächsten Schritt über: Sasuke komplett kampfunfähig machen. Ihn zum Aufgeben zu bewegen und sich dann anhören, was dieser Geheimniskrämer zu verbergen hatte. Denn jetzt war seine aufrichtige Neugier geweckt worden und verdrängte sein Misstrauen als vorherrschendes Motiv seiner Handlungen. Es begann der Verdacht in ihm zu keimen, dass er Sasuke Unrecht tat. Doch das war nur eine leise Ahnung. Nichts, was auf Beweisen beruhte.
 

Tatsächlich verließ sich Sasuke jetzt mehr auf seine Beine. Setzte chakraverstärkte Sprünge ein, um schnell zu entkommen und ebenso schnell wieder zum Angriff überzugehen. Schoss um seinen Gegner herum und deckte ihn mit Schlägen ein. Wich aus, griff an. Sasuke schien jetzt auf volles Risiko zu gehen, denn er mied den Nahkampf absolut nicht mehr. Eher ließ er sich vollständig darauf ein. War ja auch logisch - Taijutsu war alles, was ihm blieb. Aber jetzt war er noch schneller als vorher. Neji konzentrierte sich vollständig darauf, die gefährlich Tritte zwischen den einzelnen Schlägen abzuwehren. Diese wurden allmählich langsamer, was Neji die Oberhand über den Kampf gab. Er konzentrierte sich darauf, Sasuke in die Ecke zu drängen und lediglich seine Tritte zu blocken, was sich als fataler Fehler herausstellte, denn plötzlich packte Sasuke Nejis Arme und er spürte, wie Chakra in sie eindrang. Er konnte sie nicht mehr bewegen! Was?- dachte Neji nur und fand sich auf dem Rücken wieder. Sasuke saß auf ihm, um ihn ebendort festzuhalten und hielt ihm ein Kunai an die Kehle.
 

"Was hast du-?"
 

"Keine Sorge, ich hab nur ein bisschen Blitzchakra in deine Arme geleitet. Die Lähmung ist bald wieder verschwunden."
 

"Wie hast du das gemacht?", fragte Neji darum bemüht, sich seinen Unglauben nicht anmerken zu lassen. Sasuke wusste, worauf er anspielte.
 

"Sharingan. Du hast nur geglaubt, meine Arme blockiert zu haben."
 

"Ich hab dir nie in die Augen gesehen!"
 

"Das musst du auch nicht."
 

"Aber ich habe gespürt, dass ich dich getroffen habe."
 

"Das hast du auch, aber Sensei Kakashi hat uns einen nützlichen Schild beigebracht. Er musste nur so groß sein, dass er dein Chakra gezielt absorbieren konnte und klein genug, dass du ihn nicht bemerkst."
 

"Riskanter Plan. Du hättest dich verschätzen können. Ich hätte es bemerken und ausnutzen können."
 

"Hast du aber nicht. Ich war mir sicher, dass du mich unterschätzen würdest und vor allem, dass du nicht mit einer auf Defensive beruhenden Strategie rechnen würdest. Immerhin zeugt deine ganze Haltung von derselben Arroganz, die du mir vorwirfst. Du warst davon überzeugt, dass ich dich einfach nur verletzen wollte, nicht wahr?" Nun richtete Neji seinen Blick von dem Kunai an seinem Hals auf Sasuke, der sich sichtbar um eine ruhigere Atmung bemühte, und sah ihn das erste Mal nicht abschätzend an. Er dachte an ihre beiden Gespräche zurück und ließ sich seine Äußerungen noch einmal durch den Kopf gehen.
 

"Ist es denn normal für dich, dich von einem einzigen Gegner beinahe töten zu lassen und dann fast auf deinen Retter loszugehen?"

"Ich warne dich, Uchiha. Ich beobachte dich."

"Tsunade-sama hat mir aufgetragen, ihr deinen Falken unverletzt zu bringen. Es ist unfassbar, dass sie für dich so weit geht."

"Deine Arroganz ist nicht zu überbieten. Meinst du, jemand wie du kann der Hokage Befehle erteilen?"

"Weil du eine Gefahr bist."

"Hast du etwa Angst, dein Vogel könnte dich verraten?"

"Angst, Uchiha?"
 

Es stimmte, wenn er mit Sasuke gesprochen hatte, schwang in Stimme ein spöttischer Unterton mit, der dem Uchiha sicher nicht entgangen war. Er sah ihn als Gefahr, besonders, weil er so einfach das Vertrauen der Hokage geschenkt bekam. Und Sasuke hatte auch Recht mit seiner zweiten Behauptung. Neji hatte seine Wut wahrgenommen. Er war überzeugt davon, dass Sasuke ihn einfach nur dafür zur Rechenschaft ziehen wollte, was er seinem vertrauten Geist angetan hatte. Langsam glättete sich Nejis gerunzelte Stirn.
 

"Du hast Recht. Ich habe dich wirklich unterschätzt. Diesen Fehler werde ich nicht noch einmal machen. Also solltest du mich besser gleich aus dem Verkehr ziehen. Niemand wird sich wundern, da ich dich zuerst angegriffen habe."
 

"Darum geht es nicht", antwortete Sasuke und begann, das Kunai langsam von Nejis Hals zu nehmen. "Lös dein Byakugan auf und ich lass dich-"
 

"Neji!" Ein Knall und plötzlich befanden sich Asuma, Shikaku und Kakashi am Ort des Geschehens. Die beiden ersteren zogen Sasuke mit hartem Griff von Neji herunter und hielten ihn fest.
 

"Was ist passiert? Wieso greift Sasuke dich an?", fragte Asuma und schaute zwischen beiden Parteien hin und her, um eventuelle Verletzungen ausmachen zu können. Davon waren auch einige sichtbar, da die beiden zum Schluss sehr hart aufeinander eingeschlagen hatten. Neji richtete sich langsam auf, beugte sich ein wenig nach links, um seine zugerichtete linke Seite ein wenig zu schonen und schaute Asuma an. Sein Kekkei Genkai war nicht länger aktiviert.
 

"Es ist nicht so, wie es aussieht. Ich habe ihn zuerst angegriffen, indem ich seinen Falken überwältigt habe. Er hat das wohl bemerkt." Diese Worte bewirkten, dass sie die beiden festen Griffe um Sasukes Oberarme etwas lockerten. Dennoch wurde er nicht ganz losgelassen.
 

"Dann hast du der Hokage nicht die volle Wahrheit gesagt", meinte Shikaku mit einem Seitenblick auf Sasuke. Doch dieser beachtete ihn nicht. Sasukes Aufmerksamkeit galt jemand anderem. Seine nun wieder schwarzen Augen fixierten die von Kakashi.
 

"Sie...wussten davon?" Nur schwer konnte er die Enttäuschung und den Schock in seiner Stimme zurückhalten. Das verräterische Zögern offenbarte seinen Unglauben. Das würde er nicht tun, oder? Nie würde Kakashi die Hokage gnadenlos eine seiner Schwachstellen ausnutzen lassen, geschweige denn ihr dabei auch noch in die Hände zu spielen! Niemals würde er sich gegen seinen Willen des Geheimnisses bemächtigen, das Sasuke so sorgfältig verbarg! Sonst hätte er es doch schon längst mit etwas Hartnäckigerem als einfachen Fragen versucht! Das durfte nicht sein! Das konnte nicht-
 

"Ja", sagte Kakashi leise, aber bestimmt.
 

"Kakashi!", rief Shikaku aufgebracht. Was dachte sich Kakashi nur dabei, Sasuke die Wahrheit zu sagen! Sie brauchten ihn als Verbindungsglied. Kakashi war zweifellos die Person, der Sasuke am meisten vertraute. Dieses Vertrauen dürfte nicht erschüttert werden. Ohnehin waren Shikaku und Asuma dagegen gewesen, dass Kakashi mitkam, aber dieser hatte darauf bestanden.
 

Kakashi verstand den Grund für Shikakus Empörung sehr wohl, doch als er Sasuke musterte, stellte er zu seinem Bedauern fest, dass er heute Abend möglicherweise das Vertrauen seines Schülers für eine lange Zeit verspielt hatte. Der Uchiha wendete seinen Blick ab, der nahezu abrupt an Fokus und jeglicher Emotion verlor. Es war ein Blick, den Kakashi fürchtete, denn er diente Sasuke als Selbstschutz vor anderen. Ein deutliches Zeichen von Misstrauen. Kakashi musste verhindern, dass sich der junge Uchiha jetzt seinen negativen Gedanken hingab.
 

"Sasuke", sagte er deshalb etwas lauter. Nein, er hatte den Plan, auf Kibou zurückzugreifen nicht gutgeheißen, aber er konnte auch die Hokage verstehen, die allmählich die Geduld verlor. Auf ihr lastete ein großer Druck und ohne Resultate würde sie ihren Kampf für Sasuke früher oder später aufgeben. Das konnte der Jounin auch nicht zulassen, also hatte er sich für das kleinere Übel entschieden. Ihm war dabei klar gewesen, dass Sasuke nicht glauben würde, dass er völlig unbeteiligt am Geschehen war. Die Hokage konnte nur von Kakashi wissen, dass er stets auf der Hut war und oft Kibou benutzte, um sich zusätzlich abzusichern. Er wollte seinem Schüler gegenüber deshalb vollkommen ehrlich gegenübertreten und hoffte, dass Sasuke ihm glaubte und diese Geste verstand.
 

"Schau mich an." Es war wichtig, Blickkontakt herzustellen. Nur so konnte Sasuke wirklich sehen, dass er es ehrlich meinte. Nur so würde er ihn nicht einfach ausblenden können. Aber dieser Blickkontakt schien dem Uchiha gerade sehr schwer zu fallen, denn nur äußerst langsam kam er der Aufforderung nach. Mit jener sorgfältig neutral gehaltenen Miene, die fast schon teilnahmslos wirkte.
 

"Hör mir gut zu. Es war nicht richtig, auf Kibou zurückzugreifen und ich will auch nicht behaupten, dass der Zweck die Mittel heiligt. Aber du musst verstehen, dass Tsunade-sama nicht mehr weiter weiß. Deine Lage ist ziemlich ernst, Sasuke, und sie will verhindern, dass du als Mörder verurteilt wirst. Du hast ihr kaum eine Wahl gelassen."
 

"Ich verstehe", antwortete Sasuke und drehte sein Gesicht weg, um zu seinem Falken zu sehen, der immer noch bewusstlos dort lag, wo er ihn zurückgelassen hatte. Ich verstehe. Eine ebenso nichtssagende Antwort wie Sasukes Gesichtsausdruck. Und ebenso mechanisch.
 

"Wir sollten die beiden erst einmal zur Hokage bringen", schlug Asuma vor. Tsunade würde sie sowieso schon erwarten. Allerdings nicht in dieser Konstellation. Sie würde gar nicht begeistert sein, wenn sie hörte, dass nicht nur ihr Plan aufgeflogen, sondern die ganze Sache auch noch derart eskaliert war.
 

"Ich werde nicht weglaufen", sagte Sasuke und sah die beiden Ninjas, die ihn immer noch flankierten, eindringlich an. Diese ließen endlich seine Arme los und Asuma nutzte die Gelegenheit, um sich eine neue Zigarette anzuzünden. Sasuke hingegen eilte schleunigst zu Kibou und versicherte sich dabei, dass die anderen ihm nicht folgten. Reumütig ließ er seinen Blick über die scheinbar leblose Gestalt seines treuen Gefährten gleiten.
 

"Ich lasse es nicht noch einmal so weit kommen, das verspreche ich dir", flüsterte er und streichelte seinem vertrauten Geist entschuldigend über den Kopf, obwohl dieser das nicht spüren konnte. Aber Sasuke hatte das dringende Bedürfnis, wenigstens etwas zur Wiedergutmachung zu tun. Er hätte so etwas ahnen müssen. Immerhin hatte er die Verbindung zwischen ihm und seinem vertrauten Geist preisgegeben. Das hatte Kibou förmlich auf den Präsentierteller befördert. Warum war er nicht vorsichtiger gewesen? Er hätte- Sasuke hielt inne, als seinen Kopf beim Aufheben seines Schwertes ein scharfer Schmerz durchfuhr. Er hatte alle Mühe, keinen Laut von sich zu geben. Obwohl er damit schon gerechnet hatte, überraschte ihn die Intensität doch. Eine Illusion in einer Illusion so lange aufrecht zu erhalten, das hatte sein Sharingan noch nie leisten müssen. Das war riskant gewesen, zumal er nicht genau wusste, wie seine Augen auf eine solche extreme Überanstrengung reagieren würden. Etwas langsamer als er es normalerweise getan hätte, um ein wenig Zeit für eine kleine Erholung zu schinden, steckte er Kusanagi wieder in das Band um seine Hüfte und wandte sich um. Er ging auf Asuma und Shikaku zu, die auf ihn warteten. Sein Wort reichte ihnen offenbar nicht.
 

Weiter vorn befragte Kakashi inzwischen Neji, was genau passiert war.
 

"...dann stand Sasuke vor mir und fragte nach seinem vertrauten Geist. Ich erzählte ihm von meinem Auftrag und er forderte mich zu einem Kampf heraus. Er war so wütend, ich bin überrascht, dass er nicht sofort auf mich losgegangen ist." Tief in Gedanken versunken neigte sich Kakashis Kopf ein wenig nach links. Ja, die Umstände sprachen nicht dafür, dass Sasuke hitzig auf Neji losgegangen war. Er hätte sonst nicht Kibou und sein Schwert beiseite legen können. Das war gut. Er hätte Sasuke so ein feindliches Verhalten gegenüber einem Konohaninja sowieso nicht zugetraut. Er wollte sich wirklich wieder eingliedern. Und auch Neji schien dem Uchiha jetzt anders gegenüberzustehen. Als die Hokage ihm vorhin noch seinen Auftrag erteilt hatte, schien er es nicht abwarten zu können, die vermeintliche Gefahrenquelle zu offenbaren.
 

"Das wundert mich auch. Kibou bedeutet Sasuke sehr viel. Er hat sich wegen ihm sogar mit der Hokage angelegt."
 

"Dann stimmt es also", murmelte Neji. Kakashi hörte seinen Kommentar trotzdem.
 

"Was stimmt?"
 

"Er hat gesagt, dass sein vertrauter Geist sein Freund wäre. Dann ist er wohl nicht so kalt, wie er tut." Kakashi schmunzelte. Diese Äußerung von einem Hyuuga. "Er hat im Kampf sogar einen Treffer hingenommen, weil sein Vogel sonst verletzt worden wäre. Aber wahrscheinlich war das nur eine geschickte Finte. Ihm war sicher bewusst, wohin er sich bewegt."
 

"Wieso sollte Sasuke sich absichtlich treffen lassen?"
 

"Er hat mir vorgegaukelt, dass ich seine Chakrapunkte getroffen und seine Arme lahmgelegt hätte."
 

"Hatte er während des ganzen Kampfes das Sharingan aktiviert?", fragte Kakashi grübelnd. Ein knappes Nicken gab ihm die befürchtete Bestätigung. Wenn er sich Sasuke so ansah, wirkte es fast, als hätte er sein Sharingan überstrapaziert. Er blinzelte sehr oft und auch ein wenig länger als normal. Doch wieso hatte er überhaupt das Sharingan von Anfang an aktiviert? Er hatte doch gesagt, dass er möglichst darauf verzichtete und es nur einsetzte, wenn ihm fast keine Wahl blieb. Was hatte ihm zu so einem frühen Zeitpunkt im Kampf schon keine Wahl mehr gelassen? Und wie lange musste der Kampf gegangen sein, wenn es ihn derart ausgelaugt hatte?
 

"Neji, wie lang habt ihr ungefähr gekämpft?" Der jüngere Jounin überlegte kurz.
 

"Das kann ich nicht genau sagen. Das war der schnellste Kampf, den ich je hatte, da konnte ich nicht auf die Zeit achten. Ich schätze, etwa zwanzig Minuten." Kakashis Augen weiteten sich leicht. Zwanzig Minuten - das war zu kurz, um Sasuke dazu zu bringen, Erschöpfungszustände zu zeigen, die auf eine Überbeanspruchung des Sharingan schließen ließen. Entweder hatte Neji sich verschätzt...oder Sasuke hatte etwas getan, das sein Gegner nicht bemerkt hatte. Noch einmal sah er prüfend zu seinem Schüler. Was konnte es sein? Wie wahrscheinlich war es, dass Neji sich einfach nur zu sehr auf den Kampf hatte konzentrieren müssen?
 

"Was bedeutet das Schwert?", riss Neji Kakashi aus seinen Gedanken.
 

"Hm?"
 

"Sasuke hat sein Schwert vor dem Kampf weggelegt. Soweit ich es einschätzen kann, ist das seine Hauptwaffe. Das ist irrational." Kakashi konnte nicht anders, er musste lächeln.
 

"Du kannst dich glücklich schätzen, Neji." Dieser zog fragend eine Augenbraue in die Höhe.
 

"Naja, dieses Schwert ist etwas Besonderes für Sasuke. Warum, das hat er uns nicht verraten. Wohl aber, dass er es nur gegen Feinde einsetzt." Trotz der stoischen Hyuuga-Miene konnte man Neji seine Überraschung ansehen.
 

"Er unterscheidet?" Kakashi nickte.
 

"Warum?"
 

"Das kann nur er dir beantworten", sagte Kakashi und fragte sich, ob er nach diesem Abend dieses Geheimnis selbst noch irgendwann erfahren würde...

Mondschein

"Ihr habt WAS?!"
 

Neji hatte soeben seinen Bericht abgegeben und Tsunade war alles andere als angetan. Mit zuckender Augenbraue sah sie zwischen den beiden Delinquenten hin und her, die nebeneinander standen und sich einen unbewussten Wettkampf darin zu liefern schienen, wer ausdrucksloser auf ihren Tisch starren konnte. Unnötig zu erwähnen, dass das die Hokage nur noch mehr reizte. Unter anderen Umständen wäre es vielleicht sogar komisch gewesen, doch jetzt standen die Dinge unter einem ungünstigen Stern.
 

"Ist euch klar, was für eine Situation ihr heraufbeschworen habt? Seht euch doch mal an, ihr seht beide völlig ramponiert aus! Glaubt ihr im Ernst, dass irgendjemand an einen harmlosen 'Übungskampf', der aus dem Ruder gelaufen ist, glauben wird? Die Dorfbewohner werden in Sasuke den Schuldigen sehen, bei all dem Misstrauen, das sie ihm sowieso schon entgegenbringen! Ich werde euch beide bestrafen müssen." Tsunade legte nachdenklich ihr Kinn auf die ineinander verschränkten Finger, die vor ihr in der Luft thronten.
 

"Zwei Wochen Hausarrest und Missionssperre inklusive Lohnentzug, das wird reichen, um die Gemüter wieder zu beruhigen. Und damit meine ich nicht eure." Um die Ernsthaftigkeit der Lage noch einmal zu untermauern, blickte Tsunade beiden Ninjas eindringlich in die Augen und traf auf Nejis neutrale und Sasukes abwesende. Das alles schien letzteren gar nicht zu interessieren. Er sah aus, als würde er sich krampfhaft auf irgendetwas anderes konzentrieren. Erstaunlich, wie sehr er sich bemühte, seine Wut im Zaum zu halten. Dass er sich überhaupt so bemühte. Immerhin hatte sie ihn hintergangen. Warum also schrie er sie nicht an? Nicht, dass sie sich das wünschen würde, denn dann müsste sie ihn tatsächlich zurechtstutzen. Momentan war sie eher darauf fokussiert, die Wogen zu glätten.
 

Dieser Gedanke brachte sie auch schon zum nächsten Problem. Etwas war zwischen Kakashi und Sasuke passiert. Hatte er beim letzten Besuch noch sehr nah bei seinem Sensei gestanden, so hielt der Uchiha jetzt den größtmöglichen Abstand. Die Anspannung zwischen den beiden war fast greifbar. Höchstwahrscheinlich hatte Sasuke herausgefunden, dass Kakashi ihr bei dem Plan geholfen hatte. Und wenn sie sich auch wunderte, warum er sie nicht anschrie, war es ihr doch sonnenklar, warum er Kakashi gegenüber schwieg. Ihr hatte er so etwas zugetraut. Ihm nicht. Ein Junge mit derartigen Vertrauensschwierigkeiten würde so etwas nicht auf die leichte Schulter nehmen. Kakashi hatte sich da ein ziemlich großes Problem aufgeladen. Da kam ihr doch eine Idee...
 

"Um deutlich zu machen, dass ich das Problem ernst nehme und dass ihr beide schuld seid, werden eure Senseis dafür sorgen, dass ihr den Hausarrest auch einhaltet. Ich will eine Rund-um-die-Uhr-Überwachung, ist das klar?" Drei Ninjas nickten daraufhin, einer davon etwas enthusiastischer als die anderen beiden. Kakashi wusste, dass das ein Manöver der Hokage war, um wieder für eine Entspannung zu sorgen. Allerdings lag der Fokus dabei nicht auf den Dorfbewohnern, sondern auf Sasuke. Der Jounin hatte an Tsunades skeptischen Blick vorhin bemerkt, dass sie sofort die aufgeladene Stimmung zwischen seinem Schüler und ihm wahrgenommen hatte. Und nun präsentierte sie ihm eine Gelegenheit auf dem Silbertablett, an dem strapazierten Verhältnis zu arbeiten. Er warf ihr einen kurzen, dankbaren Blick zu.
 

Sasuke war weniger dankbar. Nejis Bericht war an ihm vorübergerauscht, während er versucht hatte, nichts Unvernünftiges zu tun. Gern würde er der Hokage jetzt seine Meinung sagen, ohne auf ihre Reaktion Rücksicht nehmen zu müssen. Doch Kibou hatte Vorrang. Bis er die Erlaubnis für sein Vorhaben hatte und dieses auch tatsächlich umgesetzt war, musste er wohl oder übel seinen Ärger herunterschlucken, was ihm ziemlich schwerfiel. Aber, wie er sich immer wieder seit dem Weg in das Büro der Hokage ermahnen musste, seiner Wut durfte er nicht nachgeben, auch wenn Tsunade es verdient hätte.
 

"Ich muss das Dorf vorher noch einmal verlassen", sagte er daher bemüht ruhig. Bevor ihn irgendjemand nach dem Grund fragen konnte, setzte der Uchiha selbst zu einer Erklärung an. "Ich werde Kibou zum Takanoyama* bringen. Dort wird man sich um ihn kümmern."
 

"Zum Berg der Falken? Kein Grund, so weit zu reisen, du kannst Kibou auch hier behandeln lassen." Sasuke bedachte sie mit einem feindseligen Blick, die Augen zu Schlitzen verengt.
 

"Ich werde ihn hier niemandem ausliefern." Die Wortwahl stach selbst Tsunade ein wenig. Im Grunde hatte sie auch nicht dermaßen in die Privatsphäre von Sasuke eindringen wollen und schon gar nicht ungefragt. Auch hatte sie nicht seinen unschuldigen Falken attackieren lassen wollen. Sie verstand, dass er sich verraten fühlte. Dennoch würde sie sich nicht entschuldigen, da sie nur mit den besten Absichten gehandelt und der Bengel vor ihr ihnen keine andere Wahl gelassen hatte. Des Weiteren war, wie geplant, niemand zu Schaden gekommen, wenn man von den offensichtlichen Blessuren der beiden Kampfhähne absah. Aber daran waren die zwei selbst schuld. Sie war immer noch die Hokage und durfte das Wohlbefinden einer einzelnen Person nicht über das ganze Dorf stellen, was sie schon zu lange getan hatte. Und trotz dieser Fakten fühlte sich diese Situation so falsch an. Wie im kalten Krieg. Ein unbedachtes Wort und sie würde eskalieren.
 

"Ich erlaube dir, Kibou wegzubringen, aber du musst es sofort tun und ohne Umschweife wieder hierher zurückkommen. Ich nehme an, dass auch die Falken Rückwärtsbeschwörungen beherrschen?" Der Uchiha nickte nur und biss sich bereits in den Daumen, um Sekunden später eine Beschwörung auszuführen. Als sich die dabei entstandene Rauchwolke lichtete, bot sich den Anwesenden ein wahrhaft skurriler Anblick. Auf dem Boden des Hokagebüros saß ein Falkenjunges, fast noch ein Küken, nur in einen weißen Federflaum gehüllt. Es wäre so niedlich gewesen, hätte es nicht den grimmigsten Ausdruck in den Augen gehabt, den die Welt je gesehen hatte. Kurz ließ es seinen Blick durch den Raum schweifen, völlig unbeirrt über Kibou, um ihn dann auf Sasuke ruhen zu lassen.
 

"Sasuke-sama", krächzte das Junge zur Begrüßung mit einer rauen Stimme, die man so einem kleinen Piepmatz gar nicht zutrauten würde. Doch bevor Sasuke sich dem eben beschworenen Falkenjungen zuwendete, schaute er Tsunade kühl an.
 

"Kibou ist der einzige Falke, dessen Geist jemals mit meinem verbunden war." Die Implikation des Gesagten ließ er im Raum stehen und wandte sich nun dem kleinen Falken zu. "Munen**. Beschwör mich gleich wieder hierher." Das Vögelchen nickte pflichtbewusst und schon löste sich Sasuke in einer Rauchwolke auf***. Munen musterte weiterhin völlig reglos und todernst die etwas erstaunten Anwesenden. Lange Zeit rührte sich keiner, bis das Fast-noch-Küken plötzlich auf den Boden starrte und an dieser Stelle kurze Zeit später Sasuke erschien. Dass er ziemlich aufgebracht zu sein schien, konnte er auch nicht damit verbergen, dass er sich Munen zuwandte. Durch ein Nicken beschied der Uchiha dem Falken, dass er seine Pflicht erfüllt hatte. Munen neigte leicht den Kopf zum Abschied und verpuffte.
 

"Kibou wird nur eine Weile bewusstlos sein, Sasuke. Neji hat die harmlosesten Betäubungspfeile eingesetzt, die ihm zur Verfügung standen", beschwichtigte die Hokage, die durchaus ebenfalls auf Sasukes emotionalen Zustand aufmerksam geworden war. Dieser zeigte keine sichtbare Reaktion. Wie zu einer Steinsäule erstarrt stand er der Hokage zugewandt und blickte sie wortlos an, fast schon durch sie hindurch, was Tsunade zu einem tiefen Seufzen veranlasste.
 

"Hör zu. Mir ist klar, dass du dich betrogen fühlst. Aber du als ein Ninja Konohas solltest in der Lage sein, das große Ganze zu sehen, statt auf deiner eigenen Perspektive zu beharren. Und der Plan war auf das Wohl Konohas ausgerichtet. Es ist dir vielleicht nicht klar, aber du bist unabsichtlich dabei, das Dorf zu spalten. Die Ältesten sind gegen dich und nach eurer letzten Mission sind die meisten anderen das auch. Das Misstrauen gegen den Namen deines Clans wird wohl nie verschwinden und es macht die Situation auch nicht einfacher. Wenn wir nicht bald etwas unternehmen, wird die Situation eskalieren, also hör auf, eingeschnappt zu sein und fang an, uns zu helfen! So wichtig können deine Geheimnisse doch nicht sein, dass du eine Eskalation und sogar deine Verurteilung riskierst!" Tsunade war nun völlig im Hokagemodus. Es war ihr auch egal, wie Sasuke auf ihre Ansprache reagieren würde, jetzt war Schluss mit diesem Eiertanz! Sie würde Kakashi nach wie vor das Ruder überlassen und nicht eingreifen, wenn es darum ging, Sasukes Vertrauen zu gewinnen, aber sie würde durchgreifen, wenn es das Dorf betraf, sie hatte lange genug ihre Prioritäten für diesen Bengel und Naruto verschoben. Dabei war ihr aber auch klar, dass sie so eine Aktion wie mit Kibou nicht noch einmal durchführen konnte, wenn sie Sasuke nicht endgültig aus dem Dorf vertreiben wollte.
 

"Verstanden." Nicht nur Tsunade war verblüfft über diese Antwort. Verstanden?! Mehr nicht? Der stolze Uchiha nahm den Vorwurf hin, er würde wie ein Mädchen schmollen? Sein Ton hatte natürlich nichts davon verraten, was er tatsächlich von den Vorwürfen hielt, aber irgendwie schien Sasuke sowieso nicht mehr anwesend zu sein. Sein Blick hatte sich, seit er vom Berg der Falken zurückgekommen war, ziemlich geändert. Tsunade hatte die Wut gesehen, die in seine Augen getreten war, sobald er sie erblickt hatte und sie hatte gesehen, wie er versucht hatte, diese zu unterdrücken. Doch jetzt war die Wut nicht mehr zu sehen, etwas Passives war an ihre Stelle getreten und schien so gar nicht zur aktuellen Situation zu passen. Tsunade zog es vor, das nicht zu erwähnen. Darum sollte sich Kakashi kümmern. Sie räusperte sich, um die Aufmerksamkeit aller wieder auf sich zu lenken.
 

"Da wir nun alles geklärt haben, könnt ihr gehen", verkündete Tsunade und bedachte drei der Anwesenden mit einem Macht-dass-ihr-rauskommt-Blick. Also verließen Neji, Kakashi und Sasuke das Büro.
 

"Uchiha." Sasuke drehte sich zu Neji und starrte ihn halbherzig an.
 

"Ich werde dich weiter im Auge behalten." Kurz zögerte Neji noch, doch dann setzte er seine Rede fort. "Dennoch soll unser nächster Kampf unter wohlwollenderen Umständen stattfinden." Sasuke sah die Änderung der Motive für einen Kampf und die damit verbundene Entschuldigung, obwohl andere niemals eine hinter diesen Worten vermutet hätten. Doch Neji entsprang ebenso einem stolzen Clan wie Sasuke. Einem Clan, in dem man es nicht gewohnt war, sich offen zu entschuldigen. Und den Uchiha indirekt zu einem Übungskampf einzuladen und auf dieselbe Weise zuzugeben, dass er ihm möglicherweise zu Unrecht misstraut hatte, war wohl das, was einer Entschuldigung in Nejis Sinn am nächsten kam, denn er zeigte ihm damit auch, dass er ihn nicht mehr so feindselig betrachtete wie vorher. Sasuke verstand diesen verqueren Gedankengang. Er selbst entschuldigte sich ebenfalls nur selten. Auch wenn das in der unmittelbaren Vergangenheit für seine Verhältnisse sehr oft passiert war. Zweimal hatte er sich schon bei Naruto entschuldigt. Aber beide Male waren begründet gewesen und beide Male war die Entschuldigung an jemanden gerichtet, der ihm näher stand als alle anderen. An ein Mitglied von Team 7. Diese drei Ninjas waren wahrscheinlich die einzigen, die jemals eine Chance gehabt hatten, eine offene Entschuldigung von ihm zu hören. Neben ihr und seinen Falken.
 

Warum Neji ihm gegenüber jetzt ein wenig offener war, damit beschäftigte sich Sasukes Geist nur kurz, da er nicht umhin kam, diesen Umstand zu bemerken. Doch dann schob er den Gedanken beiseite, beziehungsweise wurde er automatisch verdrängt, denn etwas anderes beherrschte sein Bewusstsein und duldete keine Ablenkung. Nicht einmal die Worte der Hokage hatten ihn wirklich interessiert. Andere Worte wirbelten in seinem Kopf herum und rissen Kluften auf, die sie eigentlich zu schließen versucht hatten. Ließen Fakten wieder in den Vordergrund rücken, die zu lange schon nicht mehr im Fokus seines Handelns lagen.
 

"Hn." Neji schien mit dieser undeutbaren Antwort zufrieden zu sein, denn er fragte nicht weiter nach und wandte sich zum Gehen. Kakashi hingegen war alles andere als zufrieden. Er konnte seinen Schüler im Moment kein Stück deuten und das gefiel ihm überhaupt nicht. Sasuke war wieder vollkommen verschlossen. Wie viele Rückschritte hatte die heutige Nacht bedeutet? Und konnten sie wieder rückgängig gemacht werden?
 

~*~
 

Der Weg zum Uchihaviertel verlief schweigend. Es war ein erdrückendes Schweigen, das sich zentnerschwer auf die Schultern zumindest eines der beiden Ninjas legte, die momentan auf der Hauptstraße zu Sasukes Haus nebeneinander herliefen. Kakashi warf immer wieder einen kurzen Seitenblick auf seinen Schüler, der scheinbar gedankenlos die Straße musterte und sie doch nicht sah. Er war offensichtlich immer noch tief in Gedanken. Kakashi fragte sich, was ihn so beschäftigte und gleichzeitig auch, ob er es ihm wohl erzählen würde. Hätte er es ihm vor der ganzen Sache erzählt? Diese Frage drängte sich Kakashi auf, als ihm die rechte Hand Sasukes ins Auge fiel, die nicht locker neben ihrem Besitzer her schwang, wie es beim Gehen natürlich war, sondern leicht geöffnet und vor allem angespannt in Kampfbereitschaft verharrte. Bedauern legte sich über den Jounin und er versuchte, in seinen Gedankengängen sachlich zu bleiben.
 

Er würde die Sachlage schrittweise ausloten müssen und machte sich jetzt schon auf ein paar entschiedene Zurückweisungen gefasst. Verübeln konnte er es Sasuke nicht. Aber hinnehmen würde er das auch nicht. Ihm würde schon etwas einfallen, wie er seinen schweigsamen Schüler aus der Reserve locken konnte. Noch einmal dankte er gedanklich der Hokage, die Sasuke in Kakashis Gegenwart zwang. Wäre es keine direkte Anordnung gewesen, würde ihn der Uchiha jetzt sicher sehr hartnäckig meiden.
 

Die angespannte Atmosphäre ließ den relativ kurzen Weg wie einen kilometerlangen Marsch erscheinen und Kakashi war froh, als sie endlich vor ihrem Zielort ankamen und Sasuke begann, diverse Fallen an der Tür zu deaktivieren. Anschließend ging dieser schweigend ins Haus und ließ die Tür offen. Mehr Gastfreundlichkeit konnte er im Moment offensichtlich nicht aufbringen. Kakashi folgte ihm nach oben und kam schließlich neben ihm der Tür des Nachbarzimmers zum Stehen. Sasuke selbst stand mit dem Rücken zu Kakashi und schien den Flur entlang zu schauen.
 

"Da ich dich überwachen soll, wäre es am sinnvollsten, wenn ich das Zimmer neben dir nehme", meinte der Jounin, um Sasuke zu zwingen ihn anzusehen, statt grübelnd den Flur zu mustern. Was auch klappte. Sasuke fuhr augenblicklich herum und starrte auf Kakashis bereits ausgestreckte Hand, die sich langsam der Tür näherte.
 

"Nein!", entfuhr es dem Uchiha ein wenig zu scharf. Wieder runzelte er die Stirn, offensichtlich verärgert über seinen Ausbruch und setzte dann erneut an, diesmal in gefassterer Tonlage. "Nein. Sie können das andere Zimmer neben meinem nehmen, das ist ein Gästezimmer." Kakashi ahnte, wem das Zimmer nebenan gehören könnte und war über diese Schutzreaktion seines Schülers fast schon erfreut. Wollte er Itachis Zimmer so unberührt lassen wie es war? Das war wohl etwas ganz anderes als mit dem Haus. Da hatte sich Sasuke inzwischen schon beinahe daran gewöhnt, dass auch andere als er selbst gelegentlich anwesend waren.
 

"Das ist auch in Ordnung. Gute Nacht, Sasuke."
 

"Hn." Kakashi schüttelte leicht den Kopf und betrat das für ihn vorgesehene Zimmer. Ziemlich überrascht sah er, dass bereits ein hergerichteter Futon auf ihn wartete. Sasuke musste das Haus bei seiner Rückkehr generalüberholt haben. Er konnte auf keinen Fall geahnt haben, dass er in nächster Zeit einen Schlafgast haben würde und Kakashi glaubte auch nicht, dass er darüber sehr erfreut war.
 

~*~
 

Egal, was er tat, Kakashi konnte nicht einschlafen. In diesem Viertel herrschte so eine penetrante Totenstille, er konnte sich von seinen nicht minder penetranten Gedanken einfach nicht ablenken, sie waren schlichtweg zu laut. Zu sehr beanspruchte die Situation seine Gedanken und eine irrationale Stimme in seinem Kopf, ironischerweise dieselbe, die ihn seit seiner Kindheit quälte, warf ihm immer wieder vor, dass er seinen Schutzbefohlenen verraten hatte. Dass er ihn eben nicht geschützt hatte, so wie es eigentlich seine Pflicht gewesen wäre. Er konnte sich hundert Mal die Situation vor Augen führen und sich klarmachen, dass er nicht wirklich eine Wahl gehabt hatte, die Stimme wollte nicht schweigen. Zumindest nicht, bis Kakashi hörte, wie ein Fenster aufgeschoben wurde. Ausnahmsweise war er dankbar für die unnatürliche Geräuschlosigkeit dieses Ortes und auch dafür, dass er selbst sein Fenster vor dem Hinlegen geöffnet hatte, andernfalls wäre ihm dieser leise Laut sicher entgangen. Irgendetwas sagte Kakashi, dass Sasuke seines nicht einfach nur geöffnet hatte, weil er ein bisschen frische Luft schnappen wollte. Also stand er lautlos auf und schlich zum Fenster. Tatsächlich, Sasuke war aus dem Fenster gesprungen und bewegte sich langsam vom Haus weg. Damit hätte sich die Frage geklärt, ob ich heute noch Schlaf finde.
 

Kakashi seufzte und verließ ebenfalls auf dem Fensterweg das Haus, um dem Abtrünnigen zu folgen. Was dachte er sich dabei, Tsunades Befehl gleich in der ersten Nacht zu missachten? Seine aufkeimende Empörung machte allerdings nach einiger Zeit der Resignation Platz, als Kakashi klar wurde, wohin der Uchiha unterwegs war. Ich war wohl nicht der einzige, der keine Ruhe finden konnte..., dachte sich der Jounin und blieb unschlüssig vor dem Friedhofstor stehen. Nein, er würde Sasuke nicht weiter folgen, egal, ob er damit seine Aufsichtspflicht verletzte. Sasukes Privatsphäre war heute schon genug verletzt worden und bei einem Besuch am Grab seiner Familie würde er ihn sicher nicht belästigen. Stattdessen machte er sich auf, seine eigenen Geister zu besuchen. Mit einem bitteren Lächeln stand er schließlich vor dem ihm so bekannten Mahnmal.
 

"Obito... Mache ich denselben Fehler noch einmal?"
 

~*~
 

Als Kakashi nach einer ziemlichen Weile zurückkehrte, fand er Sasukes Zimmer leer vor, obwohl er seinen Schüler nicht auf dem Friedhof gesehen hatte. Er begann schnell, systematisch das Haus zu durchsuchen. Ohne Ergebnis. Als er nach einer Weile an einem bestimmten Fenster vorbeilief, erinnerte er sich an das vorletzte Mal, bei dem er nachts in diesem Haus gewesen war. Dieser Gedanke veranlasste ihn, durch eben jenes Fenster zu blicken und er sah, was er auch schon beim vorletzten Mal gesehen hatte: Sasuke im Garten auf demselben Ast. In derselben Position: ein Bein angezogen und den Arm dagegengelehnt, das andere ausgestreckt dem anderen Arm als Ablage dienend. Und es war auch wieder derselbe Gesichtsausdruck. Wieder starrte der Uchiha betreten zum Mond, die Stirn von Zweifeln und Gedanken zerfurcht, die ihn nicht loszulassen schienen. Es war eine Atmosphäre des vollendeten Schwermutes, der so greifbar war, dass er Sasuke wie eine Hülle zu umgeben und gleichzeitig zu erdrücken schien.
 

Kakashi begab sich hinaus und wartete eine Weile. Gerade wollte er etwas sagen, da senkte Sasuke seinen Kopf und lehnte ihn auf den Arm, der immer noch gegen sein Knie gelehnt war. Wieso sah er so beschämt aus? Oder war es geschlagen? Kakashi hatte alles erwartet von rasender Wut bis hin zu latenter Traurigkeit, aber so etwas nicht.
 

Da ihn diesmal kein knarrendes Brett verriet, debattierte er darüber, ob er sich selbst bemerkbar machen sollte oder ob er Sasuke lieber doch allein lassen sollte. Diese Entscheidung nahm jedoch sein Schüler ein paar Augenblicke später ab, indem er ihm sein Gesicht zuwandte.
 

"Wird das zur Gewohnheit?" Wieder überraschte Sasuke seinen Sensei ungewollt, denn seine Stimme barg keine Feindseligkeit, sondern pure, schlecht versteckte Erschöpfung, auch wenn seine Miene wieder eine undurchdringliche geworden war.
 

"Hässliche Aufsichtspflicht", sprach Kakashi gelassen und wartete einen Moment. Er wollte sehen, ob sein Schüler irgendeinen Kommentar zu seinem nächtlichen Ausflug abgeben würde. Er erwartete nichts und wurde auch nicht enttäuscht. Daher versuchte er es mit einer direkten Frage. Irgendwie musste er Sasuke wieder aus seinem Schneckenhaus bekommen.
 

"Wie lange sitzt du schon hier?" Sasuke zuckte die Achseln.
 

"Kannst du nicht schlafen?" Auf diese Frage hin wandte Sasuke seinen Blick ab und richtete ihn auf sein Knie. Das einzige, was Kakashi entgegengebracht wurde, war beharrliches Schweigen und ihm war klar, warum der Uchiha nicht anders konnte: Er fühlte sich nun einmal verraten.
 

"Meditierst du nicht eigentlich, wenn du nicht schläfst?", versuchte Kakashi erneut, eine Antwort zu provozieren. Er erhielt auch eine: Lippen, die sich zu einem dünnen Strich zusammenpressten. Ein einfaches Ja hätte das Thema beendet, doch Sasuke hatte sich, aus welchem Grund auch immer, gegen eine offene Lüge entschieden.
 

Wie war diese Reaktion zu deuten? Entweder wollte Sasuke nicht mit ihm reden, was an sich offensichtlich war, oder aber die Antwort war nicht so einfach. Vielleicht auch beides. Kakashi überlegte, während er den sternenklaren Himmel betrachtete. Der Mond übte auf ihn keinen besonderen Reiz aus. Eigentlich gab es nur zwei Möglichkeiten, warum das Meditieren nicht möglich war. Entweder war Sasuke zu ausgelaugt oder er konnte sich nicht genug konzentrieren. Aber ein Blick auf seinem Schüler machte Kakashi klar, dass es hier wohl eher um die geistige Komponente ging.
 

Kurz wanderten seine Gedanken zurück zu dem bisher einzigen Mal, an dem Sasuke zu aufgewühlt gewesen war, um eine Einheit von Körper und Geist herzustellen. Als Sasuke von ungeheurer Wut erfüllt war, die er nur mit großer Mühe hatte unterdrücken können. Auf der Mission, bei der der Kaufmann sein Leben verloren hatte, weshalb sie sich nun in dieser Lage befanden. Aber das alles schien für Sasuke gerade sehr weit weg zu sein. Da war kein bisschen Wut in ihm, was Kakashi überraschte. Sasuke war nicht umsonst wieder deutlich abweisender, in Kakashis Handeln sah er ganz klar Verrat. Dennoch schien er nicht wütend zu sein, sondern eher sehr müde, fast schon resigniert. Was war los? Was hatte Sasuke erst auf den Friedhof getrieben und dann auf diesen Baum?
 

"Nun, warum tust du es dann nicht? Ein bisschen Ruhe könnte dir nicht schaden", hakte Kakashi nach einer Weile nach.
 

"Das geht-" Oh nein, diesmal nicht.
 

"Du musst es mir nicht sagen. Aber sag mir nicht, dass es mich nichts angeht. Ich bin nicht nur dein Sensei, sondern auch dein Freund. Wenn du Probleme hast, dann kannst du zu mir kommen, das hast du hoffentlich nicht vergessen."
 

Sasuke bemühte sich, seine eigene Verwunderung nicht zu zeigen, als ein leises "Ich weiß." schneller über seine Lippen kam, als er den bewussten Entschluss zum Aussprechen solcher Worte hätte fassen können. Wieder einmal diktierte sein Unterbewusstsein seine Handlungen, denn sein Bewusstsein hätte Kakashi ganz andere Dinge an den Kopf geworfen, wenn er nicht gerade eine absolute Abneigung dagegen empfunden hätte, überhaupt ein Wort mit dem Jounin in seinem Garten zu wechseln. Zum Beispiel die Frage, warum er sich als sein Freund bezeichnete, wenn er ihn mit der Teilnahme an einer solchen Mission hinterging, die offensichtlich gegen einen von Sasukes Verbündeten und gegen seinen Willen gerichtet war. Oder warum zur Hölle er das überhaupt zugelassen hatte. Wieso er unerlaubten Zugriff auf das Wissen zuließ, das Sasuke so sehr zu schützen versuchte.
 

Doch ein Teil von Sasuke wusste die Antwort. Der Teil, der Kakashis Worte akzeptierte und ihm keinen Verrat vorwarf. Der Teil, der seinem Misstrauen allmählich überwog. Der Teil, der eine gefährliche Schwäche bedeutete, weil er bereitwillig vergab und sich nach Nähe sehnte. Vertraute. Der Teil, von dem Sasuke gedacht hatte, dass er bei Orochimaru endgültig zum Schweigen gebracht worden war. Gefühle, das wusste er besser als jeder andere, waren immer gefährlich. Sie waren irrational. Außerdem ließen sie Manipulationen zu. Gefühle wie Vertrauen. Wie dieser ganze Vorfall bewiesen hatte, musste Sasuke besser auf der Hut sein. Und nun wohl auch noch mehr vor sich selbst. Deshalb setzte er auch schnell etwas nach - einen Gruß von seinem Bewusstsein.
 

"Aber Freunde verraten sich nicht." Kakashi seufzte. Hätte es nicht bei diesem leisen "Ich weiß." bleiben können? Wäre ja zu schön gewesen...
 

"Aber du weißt auch, wie ernst die Lage ist, nicht wahr?" Er warf Sasuke einen eindringlichen Blick zu, doch dieser blieb unbeachtet. Stille war die einzige Reaktion, die er bekam.
 

"Vielleicht ist dir die aktuelle Situation nicht so wichtig wie dein Geheimnis. Und egal, wie unvernünftig mir dein Handeln vorkommt, ich weiß, dass ich es eigentlich nicht beurteilen kann, denn deine Motive hältst du vor uns allen verborgen. Aber ich möchte, dass du einsiehst, in welche Lage du die bringst, die es gut mit dir meinen, dass du die Motive, zumindest für mein Verhalten verstehst", sagte der Jounin in der Hoffnung, Sasuke würde es ihm irgendwann gleichtun. Wären dessen Augen nicht kurz zu ihm hinübergehuscht, hätte er möglicherweise gedacht, dass auch das seinem Schüler egal war.
 

"Tsunade-sama setzt sich momentan besonders wegen deiner Verbindung mit Naruto für dich ein. Er ist ihr sehr wichtig, wie du wahrscheinlich gemerkt hast. Aber ich glaube, sie hat auch eine gewisse Achtung für dich entwickelt, die sie zu ihrem Handeln bewegt. Dennoch wird das nicht ewig reichen. Irgendwann wird sie sich der Realität stellen müssen. Sie kann dich nicht ewig ohne Beweise beschützen, das wird das Dorf nicht dulden. Noch weniger de Ältesten. Also wird sie es aufgeben, dich zu schützen. Und das kann ich nicht zulassen, auch wenn mich das dazu gezwungen hat, dich scheinbar zu hintergehen." Wieder war absolute Ruhe die Antwort. Nur der lauwarme Wind säuselte sacht durch die Blätter. Es hätte eine durchaus idyllische Nacht sein können...
 

"Sasuke, ich erwarte nicht, dass du mir mein Handeln nicht mehr nachträgst, aber kannst du es wenigstens verstehen? Dass ich dir helfen will?" Schweigen. Was sonst? Doch dann:
 

"Ja." Das war wohl der widerwilligste Laut, den Kakashi je gehört hatte.
 

"Und kannst du auch Tsunade-samas Handeln nachvollziehen? Du musst verstehen, wie das Dorf dich momentan sieht. Du warst fast drei Jahre bei dem gefährlichsten Feind des Dorfes. Dann kamst du wieder und warst nicht einzuschätzen. Du warst selbst für deine Freunde wie ein Fremder. Stell dir vor, wie die dich jetzt sehen, die dich nie wirklich kannten. Die nur deinen Clan kennen. Kannst du dir vorstellen, unter welchem Druck die Hokage steht?"
 

"Hn. Sie braucht Beweise, ich enthalte sie ihr. Also muss sie sie erzwingen." Es klang vielleicht wie ein Vorwurf, aber es war keiner. Sasukes rationaler Teil, der Teil, der ihn vor dem Ausmaß an Vertrauen warnte, das er Kakashi bereits entgegenbrachte, wusste, dass ein Ninja nur ein Werkzeug war, auch wenn Sasuke das bislang nur bei Orochimaru wirklich deutlich zu spüren bekommen hatte. Und auch wenn man ihm hier aus seiner misslichen Lage helfen wollte, war Konoha ebenso ein Ninjadorf. Und er war ein verdammter Ninja. Und Kakashi war ebenso ein Ninja. Da konnte er nicht einfach beleidigt sein, weil auf ihn keine Rücksicht genommen wurde. Dennoch hätten sie sich nicht an seinem vertrauten Geist vergreifen sollen. Er hatte mit all dem nichts zu tun.
 

"Ich weiß, du verurteilst ihr Vorgehen, ich selbst hätte auch eine andere Lösung bevorzugt, aber sag mir: siehst du eine andere Lösung? Was hätte Tsunade-sama anders machen können? Was hätte ich anders machen können?" Sasuke schwieg. Nein, ihm fiel selbst keine Lösung ein. Und er wollte jetzt auch nicht von den eindringlichen Fragen seines Kakashis dazu gezwungen werden, über mögliche andere Lösungen und die vorhandenen Zwänge der Beteiligten nachdenken. Denn es ärgerte ihn, wie schnell Kakashi ihn wieder eingewickelt hatte. Noch vor einigen Stunden war er völlig entsetzt gewesen und hatte den dritten großen Verrat in seinem Leben gesehen. Wieder von der Person, der er am meisten vertraut hatte. Himmel, er hatte sogar überlegt, wohin er gehen konnte. Dass er nicht mehr in Konoha bleiben konnte. Und jetzt stand er seinem Sensei schon wieder erschreckend offen Rede und Antwort. War er wirklich so verzweifelt? So schwach, dass er sich an jemanden klammern musste? Und wollte er wirklich mit den Konsequenzen leben?
 

Doch so wütend ihn das auch auf sich selbst machte, hauptsächlich wollte er das Gespräch beenden, weil er zu sehr mit anderen Dingen beschäftigt war. Er hatte schlicht keine Energie für andere Dinge, so dringlich sie auch sein mochten. Es gab noch etwas Wichtigeres. Das Gespräch mit dem Falkenältesten hatten die Schreie von Verrat in seinem Kopf fast schon verstummen lassen. Es hatte die Enttäuschung und Wut weggeblasen und tiefer Beschämung platzgemacht. Sasuke war von sich selbst enttäuscht, als ihm bewusst wurde, von welch nebensächlichen Problemen sein Bewusstsein plötzlich beherrscht war, wo doch Itachi und noch ganz andere Gestalten frei da draußen rumliefen. Und wo er doch schon wieder dabei war, seine Pflichten als Rächer und den wahren Ernst der Lage zu vergessen.
 

Er musste sich ganz einfach zusammenreißen und auf seine Aufgaben konzentrieren, ganz egal, was um ihn herum geschah. Und dabei musste es auch egal sein, was andere von ihm hielten, dachte er und versuchte erfolglos, seine Gedanken wegzuzwingen von den Falken und allen Wellen, die das Gespräch mit dem Falkenältesten in seinem Kopf geschlagen hatte. Dieses Chaos an Gefühlen war so ermüdend, er hatte selten so eine Verwirrung empfunden. Erst die Enttäuschung gegenüber Kakashi, dann die Wut auf die Hokage. Unsicherheit, Misstrauen, Resignation. Dann das Gespräch mit dem Falkenältesten, das alles in den Hintergrund drängte. Beschämung. Und dennoch tobten all diese Gefühle weiterhin in seinem Inneren, besonders, seit Kakashi wieder da war. Dabei musste er sich doch fokussieren. All diese Dringlichkeiten schienen sich förmlich über ihm aufzutürmen und nicht zum ersten Mal in den letzten Wochen fühlte sich Sasuke, als würde er unter dieser Last ersticken. Nicht zum ersten Mal hatte er Zweifel, ob er all diese Dinge allein bewältigen konnte. Doch er hatte keine Wahl, er konnte nicht-
 

"Sasuke?" Zwei leicht verklärte Augen blickten Kakashi entgegen und brachten ihn wieder einmal dazu, die Stirn zu runzeln. "Dich beschäftigt doch noch etwas anderes, oder?"
 

Wäre es nicht ein zu offensichtliches Zeichen seiner inneren Angegriffenheit gewesen, hätte Sasuke genervt geseufzt. Kakashi gab auch nie Ruhe. Ganz bestimmt hatte er den Ausflug auf den Friedhof mitbekommen. Und er hatte ihn in Ruhe gelassen, weil er wahrscheinlich wusste, dass Sasuke die Ruhe nötig hatte. Und so war es auch, sonst hätte er nichts riskiert. Genau solche Handlungen wie dieses wohlwollende Ignorieren ließen Sasuke nicht einfach nur an Kakashis Verrat glauben. Offensichtlich machte sich sein Sensei Gedanken um ihn - er war ihm nicht egal. Er wollte oft sein Bestes, auch wenn das gegen die Regeln der Hokage ging. So war er ihm beispielsweise nicht auf den Friedhof gefolgt. Jedenfalls hatte er sein Chakra nicht gespürt. Aber das Haus verlassen hatte er definitiv, denn als Sasuke zurückkam, fehlte von dem Jounin jede Spur. Und augenscheinlich hatte er Tsunade seine unverhohlene Missachtung ihres Hausarrests auch nicht gemeldet.
 

Doch wenn er vorhin schon gemerkt hatte, dass Sasuke Ruhe brauchte, warum ließ er sie ihm dann jetzt nicht? Irgendetwas musste er ihm geben, sonst würde sein Sensei höchstwahrscheinlich die ganze Nacht da stehen bleiben und ihn mit Fragen löchern. So sehr sein Kopf in Aufruhr war, wenn er Kakashi ansah, verspürte er trotzdem einen Stich. Trotz der Einsicht, dass die Hokage nicht anders konnte und Kakashi ihm, wenn auch auf unglückliche Weise, nur helfen wollte.
 

"Ich weiß, dass Sie als Ninja von Konoha gehandelt haben, aber ich fühle mich trotzdem verraten." Das musste genügen. Es stimmte ja auch, aber das war nicht das, was Sasuke im Moment am meisten beschäftigte. Er sah den Jounin prüfend an, der mittlerweile ein bisschen näher an den Baum herangekommen war, sodass er dessen Mimik genau erkennen konnte. Zumindest den Teil, der nicht von der Maske verborgen war. So konnte er auch sehen, dass in jenem Auge, auf das der Blick freigegeben war, Sorge, Betrübnis und eine gewisse Freude um die Vorherrschaft kämpften. Waren das Kakashis wirkliche Emotionen, die gerade deutlich zu sehen waren?
 

Er hatte nicht lange einen Blick darauf. Kakashi fasste sich und schenkte ihm ein rätselhaftes Lächeln, das trotz allem eine gewisse Melancholie ausstrahlte. Er konnte den Jounin manchmal so schlecht deuten. Was wusste er überhaupt von ihm? Und seit wann interessierte ihn das? Wann hatte er angefangen, die Person, die eigentlich nur für seine Ausbildung zuständig war, als Gefahr und dann auch noch als Freund zu betrachten? Hatte Itachi das bereits bewirkt oder die Zeit bei Orochimaru? Und warum konnte er nicht aufhören, über diese Gefühlsduseleien nachzudenken, wo ihm doch erst heute der Falkenälteste wieder auf äußerst unangenehme Weise ins Gedächtnis gerufen hatte, was eigentlich wichtig war? Auch wenn er das ganz sicher nicht beabsichtigt hatte. Eher das Gegenteil. Ja, seine Worte waren in eine völlig andere Richtung gegangen. Eine, die Sasuke ganz und gar nicht mochte...
 

"Und was hat es mit dem Mond auf sich?"
 

"Was?" Sasuke verfluchte sich selbst. Sich von seinen Gedanken zu sehr ablenken zu lassen, entsprach nicht unbedingt der erhöhten Vorsicht, zu der er sich erst vor kurzer Zeit gemahnt hatte.
 

"Der Mond. Du siehst ihn immer so traurig an." Für den Bruchteil einer Sekunde zuckten Sasukes Brauen nach unten, dann war sein Gesicht wieder aalglatt. Er schaute weg und sagte nichts.
 

"Vielleicht kannst du es mir irgendwann erzählen. Ich bin bereit, darauf zu warten", sagte Kakashi und schenkte Sasuke trotz seiner Besorgnis sein typisches unbekümmert scheinendes Lächeln. Das erste heute, das tatsächlich rein wirkte, nicht von negativen Emotionen verdorben. Dann drehte er sich um und ging in sein Gästezimmer, um diese Nacht wenigstens noch etwas Schlaf zu bekommen.
 

Sasuke sah ihm nach. Wenn es nach ihm ginge, würde er es Kakashi nie erzählen. Denn er hoffte, dass niemals jemand von seiner Schande erfahren würde. Der Schande, mit der er nicht leben wollte - durfte - und es dennoch tat...
 

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*Takanoyama: Ich konnte es mal wieder nicht lassen und habe ein bisschen mit einem Japanischwörterbuch herumexperimentiert. Höchstwahrscheinlich ist diese Komposition, die schlicht Berg der Falken bedeuten soll (ja, sehr originell, ich weiß...^^') sowieso falsch, aber da der Ort der Frösche auch einen japanischen Namen im Manga hat, ist mein Kopf darauf versessen gewesen, dem Lebensraum der Falken ebenfalls einen solchen zu verpassen.
 

**Noch ein Anfall extremer Kreativität: Munen heißt laut Wörterbuch Missmut oder Verdrießlichkeit. Hier das Bild, das mich zu so einem Charakter inspiriert hat: http://www.tierhilfe-ostholstein.de/cms/wp-content/uploads/2010/11/Falkenbaby-2-TOG-2005.jpg
 

***Ich hab keinen Schimmer, wie das mit diesen Beschwörungen funktioniert, aber als Naruto zum ersten Mal zum Myoubokuzan beschworen wird, sagt Fukasaku nur, dass ihn Gamakichi beschwören wird. Woher genau Gamakichi wusste, dass er ihn in genau diesem Moment beschwören muss, ist unklar. Ich gehe in meiner Geschichte deshalb von einer Art Telepathie innerhalb des entsprechenden Volkes der vertrauten Geister aus. Allerdings funktioniert genaues Gedankenlesen dabei untereinander nicht!

Nakama

Warmes Sonnenlicht erhellte das Zimmer. Sanfter Wind wogte durch das Fenster herein. Quirlige Vögelchen kündigten zwitschernd den neuen Tag an. Verflucht sollten sie sein, konnte er nicht einfach nur seine Ruhe haben? Unzufrieden brummte der Jounin, dessen Nacht viel zu kurz gewesen war. Er unterdrückte den Drang, seinen Kopf unter dem Kissen zu vergraben, um so sämtliche Störenfriede auszublenden und in Ruhe weiterschlummern zu können. Verdammter Ninjaschlaf, der selten sehr tief war. Antrainiertes konnte man leider nicht spontan ablegen und so extrem war seine Erschöpfung nicht gewesen. Noch etwas benommen streckte sich Kakashi und zwang sich auf die Füße. Er hatte schließlich aller morgendlichen Trägheit zum Trotz eine Pflicht zu erfüllen. Im Haus war keine andere Chakraquelle zu spüren, also schlief Sasuke nicht. Warum auch...
 

Eigentlich hätte er ihn nicht allein lassen dürfen, aber er wollte ihm ein bisschen Zeit geben, sich zu sortieren. Wenn er sogar Tsunades Befehl missachtete, brauchte er das sicher auch. Denn bislang war Sasuke jedem Befehl gefolgt. Er hatte sogar trotz seiner Wut Tsunade gegenüber um Erlaubnis gefragt, Kibou wegbringen zu können. Auf seine eigene Weise...
 

Nachdem Kakashi sämtliche Handgriffe abgeschlossen hatte, die zum traditionellen Beginn eines Morgens gehörten, verließ er das Badezimmer und begab sich auf die Suche nach seinem Schutzbefohlenen. Kakashi hoffte inständig und entgegen jeglicher Vernunft, dass sich Sasukes Gemüt über Nacht ein wenig entspannt hatte. Dabei schien seine Wut das kleinste Problem zu sein, die war gestern Nacht schon nahezu nicht mehr vorhanden gewesen. Und selbst mit dem offensichtlichen Misstrauen, das Kakashi am meisten stach, war es noch nicht getan. Auf Sasuke schien ein Druck zu lasten, dessen Ursache bisher noch keinem im Dorf klar war. Druck, der sich immer mehr erhöhte und langsam zu viel zu werden schien. Nur wie sollte Kakashi helfen, wenn der Uchiha ihm nicht vertraute. Ein Teufelskreis in Reinform.
 

Der Anblick, der sich dem Jounin im Wohnzimmer bot, trug nichts dazu bei, seine Stimmung zu heben: Sasuke, der zusammengekrümmt über einem dicken Buch brütete. Kakashi runzelte die Stirn. Was brachte ihn dazu, so dermaßen angespannt ein Buch zu lesen? Wenn man das überhaupt noch als Lesen bezeichnen konnte... Trotz der Müdigkeit, die Sasuke ins Gesicht geschrieben stand, wirkte er viel zu wachsam. Nahezu überkonzentriert. Seine Augen schossen hektisch hin und her, während sie offenbar versuchten, den Inhalt der Seiten möglichst schnell zu erfassen. Diese langandauernde Routine wurde jedoch ab und zu von einem angestrengten Blinzeln unterbrochen und das vermutlich nicht nur wegen des offensichtlichen Schlafmangels.
 

"Was liest du da?", fragte Kakashi ehrlich interessiert. Die gehetzten Augen stoppten und ihr Besitzer hob langsam den Kopf, bis sie ihr neues Ziel erfassten. Und sagte nichts. Mit jeder weiteren Sekunde des Schweigens lud sich die Atmosphäre weiter auf und auch die Antwort, die nach einer gefühlten Ewigkeit doch noch erfolgte, konnte nichts zu ihrer Entspannung beitragen.
 

"Chakrakontrolle."
 

"Mh?"
 

"Ein Buch meines Clans über Chakrakontrolle", sagte Sasuke mit leicht genervtem Unterton. Offensichtlich war es ihm zuwider, diese Information zu teilen.
 

"Warum beschäftigst du dich damit?"
 

"Ich kann nicht trainieren, also arbeite ich an der Theorie." Kakashi sah Sasuke skeptisch an, entschied sich aber, vorerst nichts zu dieser merkwürdigen Aussage zu sagen.
 

"Im Garten ist doch genug Platz für einen Trainingskampf ohne Jutsu." Dieser Satz schien die ohnehin schon angespannte Atmosphäre noch mehr zu strapazieren und so sparte sich der Jounin die Anmerkung, dass man Chakrakontrolle doch überall trainieren konnte. Sasuke schaute scheinbar gelassen in sein Buch zurück, aber anhand der Tatsache, dass er ohne zu blinzeln einen einzigen Punkt fixierte, erkannte Kakashi, dass er entweder gerade in seinen Gedanken verloren war oder fieberhaft überlegte. Aufgrund der Grundstimmung im Raum tippte der Jounin auf letzteres. Nur warum?
 

"Ich würde lieber nicht auf diesem Grundstück kämpfen." Die Aussage war zumindest zur Hälfte wahr, überlegte Kakashi. Sonst würde Sasuke nachts nicht so weit weg von seinem Haus trainieren und das unerwünschte Risiko eingehen, dabei beobachtet oder gar gestört zu werden. Dennoch schrie die Äußerung geradezu nach einer Lüge. Sasuke kannte sich mit der Theorie der Chakrakontrolle gut aus, Kakashi selbst hatte sie ihm beigebracht. Außerdem würde er sich nicht so drängend mit dieser Materie auseinandersetzen, was Kakashis Neugier nur noch mehr anfachte. Nach außen hin gelangweilt holte er sein "Icha Icha Paradise" aus seiner Waffentasche, blätterte eine markierte Seite auf und wandte sich ein letztes Mal seinem Schüler zu.
 

"Dann wird das wohl ein gemütlicher Lektürevormittag", sagte er mit leicht ironischem Unterton und setzte sich Sasuke gegenüber an den Tisch. Doch sein heißgeliebtes Buch lieferte ihm ausnahmsweise nur einen Vorwand, denn er würdigte es keines konzentrierten Blickes. Der huschte immer wieder knapp über den Seitenrand hinaus zu dem Buch, das ihm gegenüberlag und in dessen Lektüre Sasuke so vertieft war, dass er diese Spähversuche nicht bemerkte. Vielleicht wollte er sie auch nicht bemerken. Allerdings hatte er das Buch etwas über die Tischkante angekippt, sodass Kakashi nur eine mitgenommene Oberkante sehen, aber keine der wahrscheinlich schon angegilbten Seiten genauer erkennen konnte. Wohl aber sah er die in Konzentration halb zusammengekniffenen Lider und fragte sich, wonach genau Sasuke suchte. Denn eines war bereits klar geworden: Er las die Seiten nicht komplett, sondern überflog sie nur kurz. Scannte ihren Inhalt und bewertete ihn. Zielstrebig. Nützliches schien das Buch aber nicht zu enthalten, denn mit jeder Minute, die verging, wurden die Falten auf Sasukes gerunzelter Stirn tiefer.
 

Kakashi wusste nicht, wie viel Zeit genau vergangen war, als Sasuke schlussendlich sein Buch zuklappte und es offensichtlich unzufrieden wegbrachte. Was er nun aber wusste, war, dass sein Schüler fieberhaft nach etwas suchte. Gemessen an der Geschwindigkeit, die er eben an den Tag gelegt hatte, hatte Sasuke diesen dicken Wälzer im Laufe des Morgens, vermutlich schon in der Nacht, bis zur Hälfte unter die Lupe genommen. Und er wirkte nicht so, als sei seine Suche schon beendet. Was hatte das zu bedeuten? Wäre es nicht wichtig, wäre Sasuke nicht mit solchen Feuereifer dabei. Und es musste mehr als wichtig sein, wenn es ihm sogar egal war, dass sein Sensei ihn beim Lesen sah, obwohl er keine Information über das Buch teilen wollte. Wenn er sogar vergaß, seine Mimik im Zaum zu halten...Und das, obwohl er Kakashi des Themas wegen angelogen oder zumindest nur sehr spärlich informiert hatte. Kakashi glaubte nicht, dass er das nur getan hatte, weil sich Sasuke verraten fühlte und ihm momentan pauschal misstraute. Nein, hier schien ein ernstes Problem vorzuliegen. Eins, das er vor allen anderen verbarg und von dem er glaubte, es auch vor seinem Sensei geheim halten zu können. Hätte er ihm sonst so eine billige Ausrede aufgetischt? Womit er wieder bei der Frage nach dem Ursprung dieses neuerlich aufgekommenen Drucks gelandet war.
 

"Was hast du vor, Sasuke?", murmelte Kakashi, während er nachdenklich die Wohnzimmertür musterte, durch die sein Schüler vor wenigen Augenblicken verschwunden war. Als er Sasukes Chakra kurz spüren konnte, entschloss er sich, nachzusehen. Er bog in dieselbe Richtung ab und folgte dem Flur, bis er durch ein Fenster in den Garten sehen konnte und dort Sasuke vor Munen hocken sah. Daher also das kurze Aufflammen seines Chakra. Kakashi bekam gerade noch mit, wie das Vögelchen abweisend den Kopf schüttelte, dann wurde er auch schon von einem energischen Klopfen zur Tür bestellt. Das allein reichte dem Besuch offenkundig noch nicht, um auf sich aufmerksam zu machen, denn nur wenige Sekunden später ertönte auch schon ein lautes Rufen.
 

"SASUKE!!! Lass uns nicht den halben Tag vor der Tür stehen!" Kakashi schüttelte nur den Kopf. Was für ein typischer Widerspruch. Er brüllte hier ungehemmt herum, in dem Wissen, dass das dem Uchiha auf die Nerven gehen würde, war aber rücksichtsvoll genug, nicht einfach hereinzuschneien. Naruto würde irgendwann einmal ein sehr guter Hokage sein würde, aber bis dahin würde ihm jemand die Einsicht einhämmern müssen, dass ein Ninja nicht so laut sein durfte. Kaum hatte er das zuende gedacht, fragte er sich, ob er nicht vielleicht telepathische Fähigkeiten hatte, denn es war ein empörtes "AUTSCH" zu hören. Schmunzelnd öffnete Kakashi seinen beiden Schülern die Tür.
 

"Sakura-chan, das war echt nicht nötig", murmelte Naruto und rieb sich eine schmerzende Beule am Kopf. Sakura indessen wechselte spontan von wutschnaubend auf freundlich und begrüßte lächelnd ihren Sensei. Diese emotionale Sprunghaftigkeit konnte einem Angst machen.
 

"Hallo, Sensei. Wir haben alle Zutaten mitgebracht." Kakashi hatte darauf bestanden, dass Team 7 seine Mittagsroutine trotz der jüngsten Ereignisse beibehielt. Er wollte mit allen Mitteln verhindern, dass Sasuke eine Möglichkeit fand, sich ihnen wieder zu entfremden, auch wenn er offensichtlich nicht danach suchte.
 

"Ja, und wegen Teme können wir jetzt zwei Wochen lang nicht zu Ichiraku gehen, weil er nicht aus dem Haus darf."
 

"Niemand zwingt dich, hier zu essen, Usuratonkachi", erklang die ruhige Stimme Sasukes hinter Kakashi. Doch irgendwie, so kam es dem Jounin jedenfalls vor, war sie nicht so ruhig wie sie sein sollte. Was Munen Sasuke wohl gesagt hatte?
 

"Das nicht", lachte Naruto. "Aber dann müsste ich ja auf Sakura-chans Kochkünste verzichten." Diese Bemerkung brachte die Kunoichi dazu, auch wieder in Narutos Richtung zu lächeln.
 

"Hn", war die einzige Antwort, die Naruto erhielt, bevor er nur noch auf einen befächerten Rücken starren konnte.
 

"Hey, Sasuke!", rief Naruto, während er seine Schuhe auszog und sich beeilte, dem Angesprochenen hinterherzukommen. "Du könntest uns ruhig ein bisschen freundlicher reinbitten. Hast du schlechte Laune, weil du nicht trainieren kannst?" Kakashi hatte keine Lust, die Spannung von eben wiederaufkommen zu lassen, daher lenkte er schnell vom Thema ab, damit niemand ein Training im Uchihaviertel vorschlagen konnte.
 

"Du kennst doch Sasuke. Das ist keine schlechte Laune, das ist sein natürliches Verhalten", sagte der Jounin und lächelte in die entsprechende Richtung. Aber ein Blickkontakt blieb ihm verwehrt.
 

"Vorsicht, Sensei, Sie müssen hier noch zwei Wochen überleben", stichelte Naruto grinsend.
 

"Hört auf, Sasuke-kun zu ärgern", empörte sich Sakura. Doch dieser winkte nur ab und machte sich daran, allen einen Tee zuzubereiten. Die drei anderen Ninjas verteilten sich daraufhin in der Küche und begannen stillschweigend, das Mittagessen zuzubereiten. Bald schon erfüllte ein köstlicher Duft das Haus, während alle Anwesenden – sogar Kakashi, nach einem strengen Blick von Sakura – ihren Beitrag zum Mittagessen leisteten. Schließlich saßen sie gemeinsam am Tisch und nahmen schweigend ihr Mahl zu sich. Nach dem Essen war es Sakura, die das Schweigen durchbrach.
 

"Sag, Sasuke, wie geht es Kibou?" Das war ganz offensichtlich das falsche Thema, den Sasukes Blick verfinsterte sich umgehend.
 

"Weiß ich nicht." Kakashis Augenbraue wanderte skeptisch in die Höhe. Sasuke hatte doch vorhin mit Munen gesprochen. Sicher war er besorgt um seinen vertrauten Geist und hatte sich erkundigt? Alles andere würde nicht zu dem Verhalten passen, das Sasuke bis jetzt in Verbindung mit Kibou gezeigt hatte.
 

"Aber wieso, du musst dir doch Sorgen machen!", mischte sich Naruto ein. Sasuke starrte wütend in seine leere Schüssel.
 

"Ich kann ihn ja schlecht besuchen."
 

"Aber du kannst einen anderen Falken fragen und-" In diesem Moment verfluchte Sasuke Narutos Hartnäckigkeit. Musste er auch noch in der Wunde bohren, die ihm seit seinem Besuch bei den Falken zu schaffen machte?
 

"Nein, Naruto. Das kann ich nicht!", blockte Sasuke ab und bedachte Naruto mit einem Blick, der ihm deutlich sagte, dass er das Thema lieber auf sich beruhen lassen sollte.
 

"Na klar kannst du das. Du musst doch nur einen beschwören und dann-"
 

"Sagt er mir nichts. Und jetzt hör auf, mich zu nerven!" Der Blondschopf hingegen, wie er eben war, konnte das in seiner Bestürzung nicht einfach hinnehmen. Das war doch total unlogisch! Außerdem mussten vertraute Geister ihrem Meister doch gehorchen, oder? Andererseits, wenn er da an seine eigenen vertrauten Geister dachte, die tanzten ihm ziemlich auf der Nase herum. Und sie waren ja auch nicht seine Sklaven oder etwas in der Richtung. Sie hatten ihre eigene funktionierende Hierarchie. Und Narutos Wort würde niemals das einer ranghöheren Kröte aufwiegen. Wahrscheinlich war das bei den Falken genauso. Bestimmt hatte ihr Anführer den Falken das Wort verboten. Aber warum? Diese Frage konnte sich Naruto einfach nicht verkneifen.
 

"Warum denn das? Das ist doch grausam. Die müssen doch wissen, dass du dir Sorgen machst!"
 

"Das geht dich nichts an!", fauchte Sasuke verärgert. Der verletzte Blick Narutos entging ihm, da er aufstand und sich wegdrehte, was er wohl eher tat, um seine Abneigung dem Gesprächsthema gegenüber zu unterstreichen, als ihnen allen Tee nachzuschenken. Sakura schaute nicht minder betrübt in Richtung Sasuke wie Naruto. Wahrscheinlich rotierte eine einzige Frage in ihren beiden Köpfen: Warum war Sasuke manchmal so entschieden zurückweisend, wo sie doch schon solche Fortschritte gemacht hatten? Zwar waren ihnen die Ereignisse der letzten Nacht bewusst, aber damit hatten sie beide nichts zu tun. Und Sasuke hatte auch schon vorher bei einigen Dingen gnadenlos abgeblockt.
 

Was sie nicht sehen konnten, Kakashi aber schon, da er sich schon vor Sasuke erhoben hatte, war der grübelnde Blick, den sein Schüler auf dem Tee ruhen ließ, und die in die Teetassen gekrallten Hände. Kakashi wusste zwar nicht genau, ob der Ärger in Sasukes Stimme ausschließlich daher rührte, dass Naruto sich über sein stummes und später sehr verbales Verbot hinweggesetzt und weiter nachgebohrt hatte, doch er war sich sicher, dass diese abweisende Reaktion noch einen anderen Grund hatte. Naruto hatte seinem besten Freund geradeheraus unterstellt, dass dieser sich Sorgen machte. Natürlich war er auch verärgert, eben weil er sich Sorgen machte. Und das war etwas, was Sasuke sich nicht so einfach eingestehen konnte.
 

Sorge, Mitgefühl, Zuneigung. Das waren Empfindungen, die Sasuke immer besonders sorgfältig versteckte. Noch nicht einmal auf Missionen hatte Sasuke sie offen zeigen können. In Kämpfen hatte er immer nur verstohlene Blicke zu seinen Kameraden geworfen, um zu sehen, ob sie nicht vielleicht Probleme hatten. Er hatte Naruto immer von seinem Essen abgegeben, wenn dieser noch Hunger hatte, unter dem Vorwand, dass der Blondschopf hungrig nicht voll einsatzfähig sei. Er hatte Sakura Sachen abgenommen, wenn sie ihr zu schwer wurden, mit der Behauptung, dass sie sie sonst nur ausbremsen würde. Selbst als er sich vor Haku geworfen hatte, um Naruto mit seinem eigenen Körper zu schützen, hatte er seine Reaktion auf eben diesen geschoben. Er habe sich von alleine bewegt. Es habe keine Gründe dafür gegeben. Immer hatte er seine Fürsorge hinter ruppigen Kommentaren zu verbergen versucht. Kakashi war damals schon schmerzlich bewusst gewesen, dass Sasuke sich damit isolieren wollte, weil er sich nur als einsamen Rächer sehen konnte. Dieses Verhalten war eingebrannt, so leicht würde Sasuke das nicht abstellen können. Das konnte Kakashi aber nicht über die Tatsache hinwegtäuschen, dass die Fürsorge immer noch da war. Und diese Fürsorge war es, so sehr sie auch immer getarnt war, die Kakashi dazu veranlasst hatte, nie den Glauben an seinen Schüler zu verlieren.
 

Kakashi hatte nie ein Team gewollt. Denn alle Genin, die frisch von der Akademie kamen, hatten alle dieselbe ungesunde Vorstellung, in welchen Nuancen sie sich auch immer ausprägte: Es war der Erfolg der Mission, der am wichtigsten war. Man durfte sich als Ninja keine Schande machen und musste den Auftrag auf jeden Fall erfüllen. Er schämte sich dafür, dass er als Kind auch so gedacht hatte, was seinen besten Freund das Leben gekostet hatte. Hier zwang er sich, nicht mehr daran zu denken. Immerhin würde er gleich sein neuestes Team treffen. Wieder eine Bande von Möchtegern-Shinobi. Er seufzte und schickte sich an, die Tür zu dem Klassenzimmer aufzuschieben, in dem seine zukünftigen Schützlinge auf ihn warteten. Auch wenn er schon einige Stunden zu spät dran war.
 

Er wusste bereits, dass er Naruto Uzumaki, den berüchtigten Spaßvogel in seinem Team hatte, aber einen solch undurchdachten Streich hatte er ihm nicht zugetraut. Es war in der Akademie üblich, die Türen immer geschlossen zu halten. Hatte der Kleine allen Ernstes gedacht, dass sich ein Jounin nicht über den auffälligen Spalt wundern würde, den die Tür offenstand? Er würde ihnen trotzdem den Gefallen tun und darauf hereinfallen. Seine Haare waren ohnehin schon grau, Kreide würde da nicht auffallen. Nein, so konnte er gleich mehrere Dinge testen. Zum einen, ob er dem vorlauten Bengel Unrecht tat, obwohl er es dem Uchiha-Jungen nicht zutraute und er bei einer Kunoichi generell ein zuvorkommenderes Verhalten vermuten würde. Der Täter würde sich schon durch seine Reaktion verraten. Noch viel wichtiger war allerdings, wie sie als Team auf einen Lehrer reagieren würde, der ganz offensichtlich nicht von ihrem ersten Eindruck angetan war.
 

Er schob also die Tür ganz auf und ließ den Schwamm auf seinem Kopf landen, was schallendes Gelächter im Raum verursachte. Also doch der Uzumakibengel... Trotz der Unverschämtheit war Kakashi ein bisschen beeindruckt. Normalerweise wollten Genin ihre zukünftigen Lehrer beeindrucken und einen möglichst guten Eindruck hinterlassen. Ganz offensichtlich war das dem immer noch hämisch grinsenden Jungen egal. Er riskierte sofort, wegen eines unbedeutenden Scherzes mit seinem neuen Sensei auf Kriegsfuß zu stehen. Interessanter Charakter.
 

Interessant waren auch die Reaktionen der beiden anderen Genin. Die rosahaarige Kunoichi, die sich eilig für das Handeln ihres Teammitgliedes entschuldigte, schien dem Geninprototyp nahezu vollkommen zu entsprechen. Sie stellte Naruto schlecht dar und versuchte sich selbst gutzustellen. Sie hatte zu viel Angst, schlecht dazustehen und war deshalb ein bisschen übereifrig. Wiederum sympathisch machte sie es, dass sie nicht ganz verbergen konnte, dass sie selbst amüsiert war. Das Mädchen war also nicht die perfekte Schülerin, als die sie sich verkaufen wollte. Zum Glück.
 

Der schwarzhaarige Junge versuchte den Eindruck zu vermitteln, dass ihn das alles nicht interessierte. Er starrte scheinbar grübelnd auf die Tischplatte, musterte Kakashi dabei aber mit einem Seitenblick derart abschätzig, dass ihm sofort klar war, dass dieser Genin an seinen Fähigkeiten zweifelte. Wahrscheinlich dachte er etwas in der Richtung wie ein Jounin nur auf so einen billigen Trick reinfallen konnte. Er saß abseits von seinen Kameraden und äußerte sich nicht zum Geschehen. Kapselte sich in voller Absicht ab. Das war also Sasuke Uchiha. Der Überlebende des Massakers. Und irgendwie hatte der Junge etwas Vertrautes. Er strahlte nach außen hin Selbstsicherheit aus, doch was in seinem Inneren vorging, das konnte man nur erahnen. Und diese Augen...
 

Als die drei sich später auf sein Geheiß hin vorstellten, wurde Kakashis Interesse nur noch mehr entfacht. Naruto stellte sich als ehrgeiziger Chaot heraus, der von seinen Teamkollegen offensichtlich nicht ernst genommen wurde. Sakura hasste Naruto und war offensichtlich in Sasuke verliebt, was dieser mit keiner Reaktion quittierte. Er starrte nur finster vor sich hin. Und sein Ziel war es, einen bestimmten Mann zu töten. Das hatte Kakashi sich gedacht. Dieser Junge lebte in der Vergangenheit. Er hatte sich bislang vollständig isoliert und strahlte eine ungesunde Aura der Ernsthaftigkeit aus. Nein, er lebte nicht nur in der Vergangenheit, das war es, was ihn von Kakashi unterschied. Er lebte auch FÜR sie. In diesem Moment hatte Kakashi sich entschieden, diesem Jungen zu helfen. Offensichtlich hatte er niemanden, an den er sich wenden konnte und vom Hokage hatte er bereits zu seinem Schrecken erfahren, dass der kleine Uchiha darauf bestanden hatte, weiterhin im Viertel seines Clans zu wohnen. Umgeben von nichts als Stille und den Geistern der Vergangenheit. Das konnte nicht gutgehen. Ebenso wie Kakashi damals jemanden gehabt hatte, der ihm eine wichtige Einsicht vermittelt hatte, so brauchte nun auch Sasuke jemanden. Möglicherweise würde er die Vergangenheit als steten Begleiter haben, doch leben musste er für die Zukunft.
 

Eine Zukunft mit Menschen, die ihn aus seinem Loch reißen konnte, hatte er aber nur, wenn er sich erfolgreich in ein Team eingliedern konnte und da hatte Kakashi seine Zweifel. Bei ihm würde er wohl besonders harte Bandagen anlegen müssen. Und so verwies er seine drei zukünftigen Schüler auf den Glöckchentest, der am nächsten Morgen anstand. Dort würde sich herausstellen, was Kakashi erreichen konnte. Also machte er ihnen zuerst einmal richtig Druck. Zum Abschied erzählte er ihnen, dass zwei Drittel durchfallen würden und dass der Test sehr hart sein würde. Und die drei reagierten wie erwartet. Sie waren fest entschlossen, diesen Test mit allen Mitteln zu bestehen. Naruto und Sakura zitterten am ganzen Körper. Der kleine Uzumaki stierte entschlossen auf den Rücken seines Senseis, er wollte ihm offensichtlich seine Fähigkeiten beweisen. Noch entschlossener blickte Sakura zu Sasuke, sie wollte sich nicht von ihm trennen lassen. Sasuke blickte nur weiter stur gerade aus, doch Kakashi wusste, dass er auch ihn erreicht hatte. Das Zittern seiner Hände hatte er nicht verbergen können.
 

Am nächsten Morgen hatte er sie absichtlich stundenlang warten lassen, also noch länger als üblich, um sie beobachten zu können. Alle drei standen zu Beginn regungslos da, doch nach einer Weile kauerte sich Naruto hin und döste und auch Sakura machte es sich bequemer. Ab und zu wechselten die beiden ein paar genervte Worte. Nur Sasuke rührte sich nicht, sagte nichts. Er blieb stehen und beobachtete weiter die Umgebung. Das änderte auch Kakashis plötzliche Präsenz nicht, die von den beiden anderen wütend kommentiert wurde.
 

Die anfängliche Empörung über sein Zuspätkommen war schnell vergessen, als er ihnen erklärte, wie der Glöckchentest funktionierte. Einer würde auf jeden Fall die Mission nicht erfüllen können, ein Glöckchen von ihm zu bekommen, da es nur zwei waren und die anderen beiden waren nicht sicher. Diese Situation allein würde sie schon gegeneinander ausspielen. Zusätzlich provozierte er Naruto, der sich bereits in den ersten Minuten als Hitzkopf herausgestellt hatte, und stellte dann unter Beweis, dass er nicht umsonst ein Jounin war. Nun hatte er auch Sasukes Aufmerksamkeit, der vorher nicht allzu besorgt gewirkt hatte. Offensichtlich hatte er seinen Sensei vorher nicht ernst genommen und seine beiden Teamkollegen wohl immer noch nicht. Das würde interessant werden.
 

Nachdem er den Test gestartet hatte, waren zwei seiner drei Schüler gut versteckt. Der dritte war zu eifrig darin, sein Können unter Beweis stellen zu wollen. In seinem kurzen Kampf mit ihm schaffte es Naruto, ihn durch seinen Ideenreichtum und seine Entschlossenheit zu beeindrucken. Allerdings war er zu laut und fiel auch auf eine offensichtliche Falle herein. Dennoch hatte Kakashi das Gefühl, dass sich die Arbeit mit dem kleinen Chaoten lohnen würde, daher zeigte er ihm seine Fehler auf und ließ dabei scheinbar eine Lücke in seiner Verteidigung, die Sasuke für einen Shurikenangriff aus seiner Deckung heraus ausnutzte. In ihrem Kampf fiel ihm sofort Sasukes außergewöhnliches Talent auf, aber auch zwei große Schwächen. Er hielt sich offensichtlich für etwas Besseres als seine Teamkameraden und war von der Stärke seiner Uchiha-Katon-Technik so überzeugt, dass er danach ohne Deckung stehen blieb. Sakura hatte währenddessen den Kampf gemieden, Narutos Situation ignoriert und war nur Sasuke zu Hilfe geeilt, wobei sie sich in ihrer Vernarrtheit von einem offensichtlichen Gen-Jutsu täuschen ließ.
 

Kakashi war, wie er es erwartet hatte, wütend. Diese Genin waren wie alle anderen. Was ihn überraschte, war die leichte Enttäuschung darüber, dass diese drei es nicht in sein Team schaffen würden. Sie hatten einfach keinen Sinn für Teamwork. Wie alle anderen vor ihnen auch, wollten sie nur die Mission erfolgreich bestehen, ganz egal, was mit ihren Kameraden passierte.
 

Sasuke war am schlimmsten, daher war Kakashi ihm gegenüber am härtesten. Er provozierte ihn mit den bewussten Worten, dass sie alle nicht das Zeug zum Ninja hätten und als Sasuke dann erwartungsgemäß auf ihn losging, brachte er ihn in eine erniedrigende Position unter sich, mit dem Fuß auf dem Kopf des Uchihasprösslings und hielt ihnen ihre Fehler vor Augen. Und dass nicht die Mission das Wichtigste ist, sondern die Teamkameraden. Anschließend sagte er ihnen, dass sie noch eine Chance hätten, den Test zu bestehen. Nach dem Mittagessen würde es allerdings noch härter zugehen. Anschließend verbot er ihnen noch, Naruto etwas zu essen zu geben, da er gegen die Regeln verstoßen hatte. Kakashi betonte nochmals, dass er hier die Regeln machte und dass der, der Naruto etwas zu essen gab, sofort durchfallen würde. Dann verschwand er und wunderte sich, dass er gegen seine Prinzipien verstoßen und diese Genin darauf hingewiesen hatte, worauf es eigentlich ankam.
 

Um zu prüfen, ob seine Worte Wirkung zeigen würden, hatte er die drei absichtlich ohne Frühstück antreten lassen. Und er wartete und hoffte auf eine positive Reaktion. Und die kam zu seiner Überraschung nicht zuerst von Sakura. Sasuke war es, der Naruto sein Essen anbot, obwohl es sein Scheitern bedeutete, wenn er erwischt werden würde. Dieser Moment hatte Kakashi Hoffnung gegeben. Er hatte Erfolg darin gehabt, Sasuke zum Umdenken gebracht. Er sah sein Team zwar vorerst noch als Mittel zum Zweck, da er Naruto auch nur etwas zu essen gab, damit dieser sie nicht behinderte, aber er dachte im Team, denn er beschwor die beiden, nach dem Essen mit ihm zusammen zu kämpfen.
 


 

Das war der Beginn von Sasukes Wandel gewesen und mit der Zeit hatte er etwas weniger getan, um seine Fürsorge zu verbergen. Vor der Chuuninprüfung, das hatte Sakura Kakashi einmal stolz erzählt, hatte er sie, um ihr ihr Selbstvertrauen wiederzugeben, ein Genjutsu analysieren lassen, auf das alle anderen Mitanwärter hereingefallen waren. Sasuke selbst hatte es auch durchschaut, aber er hatte betont, dass Sakura es als erstes bemerkt hätte und sie darin die Beste sei.
 

Sasuke hatte, was Kakashi später von Naruto berichtet bekommen hatte, im Kampf gegen Gaara vorgehabt, sich zu opfern, um Naruto und Sakura Zeit zum Fliehen zu geben, obwohl er selbst kaum noch stehen konnte. Naruto hatte sogar Sasukes genauen Wortlaut hergebetet: "Naruto, nimm Sakura und flieh. Du kannst es schaffen. Ich kann euch ein bisschen Zeit verschaffen. Wenn es hier endet, dann bedeutet das, dass ich nur dazu im Stande war, bis hierher zu kommen. Ich hab schon einmal alles verloren...Ich will nie wieder jemanden, der mir wichtig ist, vor meinen Augen sterben sehen." Kakashi konnte heute noch genau Narutos glänzende Augen sehen, als er diese Sätze wiedergegeben hatte.
 

Und dann war da noch der offensichtliche Schock gewesen, als Kakashi Sasuke erzählt hatte, dass niemand mehr lebte, der ihm am Herzen lag. Nein, egal, welche Gleichgültigkeit er auszustrahlen versuchte, Sasuke sorgte sich um seine Teamkameraden, sie waren ihm wichtig. Vielleicht wollte er sich das nicht eingestehen, aber seine Taten leugnen konnte er nicht.
 

Sakura und Naruto hinterfragten Sasukes Handlungen unglücklicherweise nicht in diesem Maße. Sakura war damals zu sehr von Sasuke überzeugt gewesen und selbst heute fiel es ihr gelegentlich schwer, diesem Muster zu entkommen. Wies Sasuke sie ab, nahm sie das hin. Ihre Reaktion war in sich gekehrte Traurigkeit. Weil sie wollte, dass Sasuke sie akzeptierte und auf eine positive Art wahrnahm. Auch Naruto reagierte auf solche Zurückweisungen zuerst mit Traurigkeit, doch diese wandelte sich schnell in Trotz und Empörung um, weil er Sasuke nicht im Recht sah, ihn so behandeln zu können. Weil er Wert darauf legte, dass Sasuke ihm zeigte, dass er ihn als gleichwertig betrachtete.
 

So auch jetzt. Narutos traurige Miene verhärtete sich immer mehr und während Sasuke sich in seinen Gedanken verlor, steigerte sich in Naruto immer mehr die Wut, bis sich sein Mund öffnete, um endlich einer erboste Erwiderung Raum zu geben. Doch dazu kam er nicht, denn plötzlich ruckte Sasukes Kopf nach oben. Wieder konnte nur Kakashi sehen, wie sich Sasukes Augen weiteten. So blieb es für Sakura und Naruto zunächst gänzlich unverständlich, warum Sasuke plötzlich aus der Küche stürmte und sie blieben einen Augenblick zurück, bis sie den beiden anderen hinterher eilten.
 

Sasuke nahm absolut nicht wahr, dass Kakashi ihm sofort gefolgt war, denn nur ein Gedanke beherrschte im Moment sein Bewusstsein. Das Wichtigste für ihn war es jetzt, schnellstmöglich den Garten zu erreichen. Er hoffte, dass er sich irrte, denn was er da gerade gespürt hatte, durfte nicht sein...

Sturzflug

Während er seinem Schüler dicht auf den Fersen war, fragte sich Kakashi, was eigentlich passiert war. Sasuke wirkte ziemlich schockiert. Und zwar so sehr, dass er sämtliches Fassadenhandeln fahren ließ. Nur hatte der Jounin selbst nichts bemerkt, was eine solche Reaktion rechtfertigen würde, weder feindliches Chakra, noch irgendwelche verdächtigen Geräusche. Was war ihm verborgen geblieben? All diese Gedanken schossen in Sekundenbruchteilen durch seinen Kopf und kurz darauf fand er sich auch schon im offensichtlichen Ziel des Sprints wieder: dem Garten. Wobei Sasuke einen kleinen Vorsprung gehabt hatte, der auch dafür sorgte, dass Kakashi nur noch sehen konnte, wie der Uchiha einige Meter vor ihm gerade noch rechtzeitig ankam, um den Vogel zu fangen, der mehr vom Himmel stürzte, als dass er flog.
 

"Bist du von allen guten Geistern verlassen? Was machst du hier?!", schrie Sasuke schon fast. Der Falke in seinem Arm zuckte zusammen.
 

"Bitte seid nicht sauer, Sasuke-sama, ich wollte nur-"
 

"Das ist ja wohl dein geringstes Problem! Es ist dir verboten, zu mir zu kommen! Du hast dich einem direkten Befehl widersetzt! Und das in dem Zustand!" All die Gefühle, die sich über dem jungen Uchiha in den vergangenen Tagen, und ganz besonders gestern, angestaut hatten, schienen in diesem Moment aus ihm herauszubrechen. Bis jetzt hatte Kakashi Sasuke nur einmal jemanden anschreien hören und da hatte er unter emotionaler Hochspannung gestanden. Auch wenn in diesem Fall keine Wut in seiner Stimme lag, sondern offensichtliche Sorge. Was auch Kibou nicht verborgen blieb.
 

"Ich konnte nicht anders. Er hat den anderen verboten, Euch irgendetwas zu sagen und Euch untersagt, mich zu beschwören. Ich wollte doch nur, dass Ihr Euch nicht unnötig sorgt und vielleicht etwas Unüberlegtes tut", sprudelte es aus dem immer kleinlauter werdenden Falken heraus. Ein Grinsen schlich sich in Kakashis Gesicht. Augenscheinlich verbarg Sasuke seine Sorge seinen vertrauten Geistern gegenüber nur halb so gut wie im Vergleich zu Team 7, da der Falke sofort eine unbedachte Aktion seitens seines Meisters befürchtet hatte. Ein Seitenblick bestätigte Kakashis Vermutung. Sakura und Naruto standen neben ihm und starrten überrascht auf den ihnen zugewandten Rücken ihres Freundes. Es war aber auch überraschend, dass Sasuke – besonders in Anbetracht der momentanen Umstände – alles andere um sich herum vergaß.
 

"Und stattdessen tust du lieber etwas Unerlaubtes. Sehr vernünftig von dir", tadelte der Uchiha. "Hast du wirklich gedacht, ich bringe mich und dich in Schwierigkeiten, indem ich mich über sämtliche Verbote hinwegsetze? Man hat mir versichert, dass du nur betäubt warst und dass es dir gutgeht, das hat dir doch sicher auch jemand gesagt, oder?" Einen schuldbewussten Blick später wusste Sasuke, dass Kibou sich nicht einmal dafür die Zeit genommen hatte.
 

"Denk beim nächsten Mal besser über die Konsequenzen nach", mahnte Sasuke und tippte seinem Falken rügend auf den oberen Teil des Schnabels. Dann seufzte er uncharakteristisch und gab schließlich nicht nur Kibou die Erklärung für seine Anspannung. "Ich hab geahnt, dass du sowas machst. Du machst dir immer zu viele Sorgen um mich. Und ich hätte dich nicht einmal suchen können, wenn was passiert wäre." Kibous Blick wechselte von leicht trotzig, weil ausgerechnet Sasuke ihm einen Vortrag über Vernunft hielt, zu zerknirscht. Er sah ein, dass er die Umstände überschätzt und damit seinem Meister und sich selbst Schwierigkeiten bereitet hatte. Doch für langes Bedauern bekam er keine Zeit.
 

"Da du nun schon mal hier bist: Wie geht es dir?", fragte Sasuke und strich seinem vertrauten Geist tröstend über den Kopf. Allein schon durch diese sanfte Geste löste sich die Ernsthaftigkeit der Situation in Luft auf und die Stimmung Kibous heiterte sich sichtbar auf. Sein Meister war ihm offensichtlich nicht böse.
 

"Gut. Nur ein bisschen müde."
 

"Kein Wunder, nach dem weiten Flug. Und du hast sicher immer noch Reste von diesem Betäubungsmittel im Blut." Ein weiterer schuldiger Blick bestätigte Sasukes Vermutung, was ihn dazu brachte, seinen Falken eindringlich anzusehen. "Im Ernst, tu das nie wieder. Dich hätte in deinem Zustand leicht jemand abfangen können. Du bist doch viel zu benebelt, um schnell genug reagieren zu können."
 

"Ich weiß, es ist ein Sicherheitsrisiko, mich mit all meinem Wissen fliegen zu lassen-"
 

"Denk lieber daran, was ein Ninja mit dir machen würde, wenn du ihm als Informationsquelle nicht mehr nützlich bist. Oder was passiert, wenn du einfach abstürzt, weil du deine Kräfte überschätzt hast", warf Sasuke ein. Bedröppelt schaute Kibou seinem Meister in die dunklen Augen, in denen noch immer leichte Sorge schimmerte. Es stimmte, sein Meister war sehr besorgt wegen ihrer gedanklichen Verbindung und wozu sie genutzt werden konnte, doch seine größte Beunruhigung bei der ganzen Sache galt seinem Falken, der einmal mehr bedauerte, dass der Uchiha diese freundliche Seite nicht offen zeigte.
 

Kibou wusste, was Sasuke in der Vergangenheit alles zugestoßen war und Teile davon hatte er selbst miterlebt. Er wusste, was Sasuke quälte und machte sich Sorgen, denn allein würde dieser seine Probleme nicht bewältigen können. Er würde sich irgendwann selbst zerstören. Oder er wurde zerstört, diese Möglichkeit war in letzter Zeit wieder bedrohlich real geworden. Deshalb musste Kibou auch sein Bestes geben. Sein Meister musste sich blind auf ihn verlassen können - und das manchmal im wahrsten Sinne des Wortes. Nun hatte er ihn enttäuscht und das nagte an ihm. Deshalb musste er unbedingt noch eine Sache loswerden.
 

"Es tut mir leid, dass ich nicht aufmerksam genug war. Es ist meine Schuld, dass das alles passiert ist." Sasuke hielt in seiner Bewegung inne, senkte den Kopf und sah seinem Falken so bestimmt in die Augen, als hätte er auf diese Äußerung nur gewartet.
 

"Nein, Kibou. Dein Fokus lag auf mir, nicht auf dir. Ich war zu leichtsinnig. So etwas wird nicht nochmal passieren, das verspreche ich dir." Kakashi war äußerst gespannt zu erfahren, was genau Sasuke mit seinem Versprechen meinte, verkniff sich aber jegliches Nachfragen. So offen würde er ihn nicht gleich wieder erleben. Offenbar hatte der Uchiha seinen Besuch vollkommen vergessen, was sicherlich dem Schock über Kibous waghalsigen Besuch geschuldet war. Er war also momentan angenehm abgelenkt, da würde Kakashi ihn sicher nicht mit einer Frage auf seine Präsenz hinweisen. Obwohl er das wohl spätestens doch tun musste, wenn das Gespräch in eine Richtung ging, die für Sasuke ein zu privates Thema bedeutete. Denn sollte dieser sich dann doch wieder seines Teams besinnen, würde er sich nur ausgehorcht vorkommen und das wäre momentan alles andere als förderlich. Doch gerade ging es eher um lapidare Dinge und Kakashi genoss es, wie vertraut Sasuke mit seinem gefiederten Gefährten umging. Auch wenn er sich wahrscheinlich nie so verhalten hätte, wenn er sich der Zuschauer bewusst gewesen wäre.
 

"Ich werde ab jetzt wachsamer sein, das schwöre ich!", beteuerte der Falke eifrig. Sasuke bedachte ihn mit einem leichten Lächeln und positionierte Kibou nun richtig auf seinem Arm, nachdem er ihn seit seinem Fang in einer halben Umarmung gehalten hatte. Danach strich er seinem vertrauten Geist weiter über das Gefieder.
 

"Das meinte ich nicht. Du wirst nicht mehr allein Wache halten."
 

"Aber ich bin doch Euer Spähfalke und ich werde nicht noch einmal versagen! Einen anderen-"
 

"Beruhige dich, ich hab nicht vor, einen weiteren Falken zu beschwören. Dich wird beim Wachehalten ein Schattendoppelgänger bewachen. Vielleicht auch zwei. Deine Sicht ist für mich unersetzlich, das weißt du doch. Außerdem bist du der einzige, dem ich das Sharingan übertragen kann. Meine Doppelgänger werden zur Sicherheit nur die nächste Umgebung um dich herum im Auge behalten."
 

"Wache halten! Sasuke-sama, wie wollt Ihr eigentlich schlafen in den Wochen, die ihr mich nicht beschwören dürft!?" Das brachte Sasukes Hände erneut zum Stillstand. Und endlich besann er sich der Situation.
 

"Kibou...", murmelte Sasuke warnend und drehte sich um. Wie er es befürchtet hatte, da stand sein Team. Warum hatte er sich so sehr von der Erleichterung einlullen lassen? Ja, im Moment war ihm der komplette Druck einfach zu viel und er war froh gewesen, dass sich eine Sorge quasi in Luft aufgelöst hatte. Doch er durfte sich trotzdem nicht so verlieren. Er konnte sich jetzt keine Unaufmerksamkeiten mehr leisten. Und das betraf nicht nur sein Team, die er nicht ganz als Feinde, aber auch nicht mehr blindlings als Verbündete betrachten konnte. Auch dieser Zwiespalt war zum Verrücktwerden. Momentan wusste er einfach nicht, wie er sich zu verhalten hatte, also tat er das, was über die Jahre zu einem Automatismus geworden war: Er besann sich auf seine Rolle und versuchte, die anderen halbwegs auszuklammern, während er trotzdem im gesellschaftlichen Rahmen weiter funktionierte. Er duldete also sein Team, war aber argwöhnisch. Und dazu gehörte, dass er sie über gewisse Sachen im Dunkeln ließ und auch im Dunkeln lassen musste. Nicht auszudenken, wenn sie alles erfahren würden. Was Kakashi wohl tun würde? Und Sakura, so pflichtbewusst, wie sie der Hokage gegenüber war. Naruto würde sicher schweigen, aber… Aber vielleicht hatten sie Kibous Aussage auch nicht gehört und-
 

"Was soll das denn heißen, Teme? Kannst du etwa ohne deinen Falken nicht schlafen?", zerstörte Narutos erstaunte Stimme jegliche Hoffnungen. Wozu auch hoffen? Das war doch auch nichts Handfestes und zerstreute nur den Fokus. Sasuke gab sich nur wenige Sekunden, um fieberhaft zu überlegen. Ein längeres Zögern wäre zu auffällig. Leugnen konnte er nicht, das würde ihm nicht einmal Naruto glauben. Also darauf eingehen und am besten gleich ein bisschen von den Dingen abzulenken, die verborgen bleiben mussten.
 

Kibou hingegen hatte keine Zeit für rationale Überlegungen. Mit schreckgeweiteten Augen blickte er seinem Meister in das gefasste Gesicht und bekam sofort ein schlechtes Gewissen. Das hätte niemand mitbekommen dürfen. Hatte er nicht eben noch geschworen, besser aufzupassen? Und jetzt hatte er es zugelassen, dass drei andere Ninjas ihr Gespräch belauschten, die zugegebenermaßen vom Körper seines Meisters verdeckt wurden. Dennoch. Er war ein Spähfalke, von seiner Aufmerksamkeit hing so viel ab!
 

"Nein, das soll heißen, dass ich lieber in Gesellschaft schlafe. Hab ich mir bei Orochimaru angewöhnt." Dieser Name allein reichte hoffentlich, um die Gedanken in ungefährlichere Bahnen zu lenken. Wenn Sasuke so darüber nachdachte, war seine Aussage nicht einmal völlig gelogen. Dennoch war das natürlich eine dünne Ausrede. Hoffentlich gab Naruto Ruhe. Sakura war offensichtlich skeptisch, aber sie würde nichts sagen. Was Kakashi dachte, vermochte Sasuke nicht zu sagen, aber wenn Sakura schon skeptisch war, war ihr Sensei mindestens misstrauisch.
 

Und genau das war Kakashi auch. Kibous entsetzte Frage hatte ihm ein Licht aufgehen lassen, das schon zu lange dunkel gewesen war. Überwachung. Sasuke ließ seinen Schlaf überwachen. Und das noch nicht lange, denn als Kakashi ihn überraschend mitten in der Nacht vor der Mission mit dem Kaufmann abgeholt hatte, war Kibou nicht in Sicht gewesen. Doch als Sasuke aus dem Bett gefallen war, als sie unten in der Küche das Essen kochten, da hatte der Falke auf dem Fensterbrett gesessen. Also hatte sich entweder während der Mission oder im Gefängnis etwas geändert. Warum war ihm das nicht eher aufgefallen? Und was könnte sich verändert haben? Hing das vielleicht mit Sasukes eifriger Lektüre heute Morgen zusammen? Seiner permanenten Anspannung?
 

Wenn diese Mutmaßungen stimmten, dürften die nächsten Wochen, gelinde gesagt, interessant werden. Wenn Sasuke Kibou wirklich für ein paar Wochen nicht beschwören durfte und für diesen Fall nicht wusste, wie er Schlaf finden sollte, musste er sich entweder eine andere Möglichkeit suchen oder er verzichtete auf die nächtliche Ruhe, was für einen so langen Zeitraum nicht einmal mit intensiver Meditation möglich war. Wobei es natürlich darauf ankam, von wie vielen Wochen überhaupt die Rede war. Verzichtete Sasuke vielleicht deshalb auch auf sein Training und nicht nur, weil er nicht auf diesem Grundstück trainieren wollte? Um so viel Energie wie möglich zu sparen?
 

Interessant war auch, warum Sasuke seinen eigenen vertrauten Geist nicht beschwören durfte. Dieses Verbot konnte nur vom Falkenältesten selbst kommen, niemand sonst hatte die Autorität dazu. Die Hierarchien waren bei allen Völkern der vertrauten Geister ähnlich, da brauchte sich Kakashi nur Narutos Kröten als Beispiel zu nehmen. Doch die Frage nach dem Warum des Verbotes konnte Kakashi jetzt nicht anbringen. Vor Naruto und Sakura würde Sasuke sicher nichts sagen. Und momentan bezweifelte der Jounin, dass sein Schüler ihm überhaupt irgendetwas anvertrauen würde, egal ob mit Publikum oder ohne.
 

"Wie lange darfst du denn Kibou jetzt nicht mehr beschwören, Sasuke? Und warum eigentlich nicht? Hat das der Falkenälteste verboten? Der Krötenälteste hat mir sowas noch nie verboten, aber der ist ja auch ziemlich senil. Echt jetzt, manchmal frage ich mich, warum der das Oberhaupt ist, der hat sie echt nicht mehr alle. Aber Ero-sennin meinte, das hätte seine Gründe, also stimmt das wohl auch."
 

Erst als der Arm, auf dem er saß, sich bewegte, wurde sich Kibou der Situation vollends bewusst und die Eindrücke und damit verbundenen Fragen prasselten auf ihn ein. Überrascht schaute er von Naruto zu seinem Meister, dessen Antlitz einer Mauer glich. Und so standen sich die Parteien auch gegenüber. Wie Mauern, die etwas voreinander abschotteten. Wann war diese greifbare Grenze zwischen die Mitglieder dieses Teams gefallen? Und warum hatte es Naruto nötig, mit seiner offensichtlichen Plapperei die Atmosphäre etwas aufzulockern? Denn keine andere Absicht konnte er gehabt haben, für einen einfachen Spaß oder eine schlichte Nachfrage war sein Ton zu angespannt, sein Lächeln zu bemüht. Und kaum hatte der Blondschopf zu seiner Frage angesetzt, hatte sein Meister seinen Arm ein bisschen von der Gruppe weggedreht, wie um ihn zu schützen. Warum? Es drohte doch keine Gefahr! Und warum war der Ton seines Meisters viel zu reserviert gewesen, als er seinem Freund geantwortet hatte? Warum hatte er dabei so kalkulierend gewirkt?
 

Was war seit seiner Ohnmacht passiert? Zwischen diese drei Menschen und dem jüngsten Uchiha durfte kein Keil getrieben werden. Sie waren die einzigen, denen gegenüber er sich ein wenig lockerte. Kibou war davon überzeugt, dass es dieses Team war, das seinen Meister aus seiner selbstzerstörerischen Dunkelheit befreien konnte. Niemand anderes würde je wieder die Chance bekommen, so nahe an ihn heranzukommen, würde sein Vertrauen noch einmal erschüttert werden. Deshalb hatte sich Kibou damals auch das erste und letzte Mal dazu entschlossen, seinen Meister zu hintergehen. Es war die Verzweiflung, die ihn dazu getrieben hatte und ebenso brachte sie ihn jetzt dazu, seinen Schnabel unerwünscht zu öffnen. Denn diese Einheit musste bestehen bleiben! Es durfte noch nicht zu spät sein!
 

"Die Dauer hat Outakasennin* noch nicht genau festgelegt. Aber ich hoffe, dass ich ihn überzeugen kann, die Strafe zu mildern", antwortete Kibou deshalb ungefragt, was Sasuke vor lauter Unglauben beinahe die Gesichtszüge entgleiten ließ. Noch nie hatte sein Falke von sich heraus Informationen preisgegeben, wenn er das nicht vorher erlaubt hatte. Wieso tat er das jetzt?
 

"Das wirst du bleiben lassen. Du kannst froh sein, wenn du selbst glimpflich davonkommst", sagte er und schob seine Verwunderung beiseite, während er Kibou einen angesäuerten Blick zuwarf.
 

"Und wieso hat er Sasuke überhaupt eine Strafe auferlegt?", wiederholte Kakashi die Frage. Möglicherweise antwortete ja Kibou, wenn Sasuke das schon nicht konnte. Und ganz wie erhofft öffnete das Plappermaul abermals seinen Schnabel, doch diesmal Sasuke fuhr dazwischen.
 

"Ist das nicht offensichtlich? Ich hab das Leben meines vertrauten Geistes gefährdet!" Sowohl die Tatsache, dass der Uchiha zum Schluss uncharakteristisch laut geworden war, als auch etwas Seltsames in Kibous Augen ließen Kakashi am Wahrheitsgehalt dieser Aussage zweifeln. Der Falke senkte sogar seinen Kopf. Wieso hatte der Älteste Sasuke also wirklich bestraft?
 

"Findest du das nicht ein bisschen übertrieben? Du warst in Konoha, deinen Falken hier unbeaufsichtigt zu lassen, war nicht gefährlich", meinte Kakashi nachdenklich. Sasuke reagierte ihm ein bisschen zu heftig.
 

"Offensichtlich doch", sagte der Uchiha leise die Worte, die seine Teamkameraden allesamt trafen. Natürlich hatten Naruto und Sakura von den Geschehnissen gehört. Sakura von Tsunade und Naruto aus erster Hand von Neji. Beide waren sie bestürzt gewesen, dass die Hokage zu solchen Mitteln griff, doch beide, besonders Sakura, verstanden auch ihre Beweggründe. Naruto war dennoch davon überzeugt, dass es einen anderen Weg geben musste. Er hatte Neji auch ziemlich zur Sau gemacht, naja, er hatte es zumindest versucht. Den Hyuuga schien seine Tirade nicht wirklich interessiert zu haben. So wie es leider auch niemand anderen interessierte, was Naruto zu diesem Thema zu sagen hatte.
 

"Sasuke, Baa-chan wird sowas nicht nochmal machen, echt jetzt!" Einen abwertenderen Blick hatte Naruto sicher noch nie von dem Uchiha bekommen. Nicht einmal, als er ihm vor ein paar Jahren, weil er gestolpert war, eine Schüssel Ramen auf den Kopf hatte fallen lassen, die dann wie ein deplatzierter Hut dort saß und das Gesicht eines äußerst angesäuerten Uchihas mit einer Suppennudelperücke umra(h)mte. Naruto hatte nicht geglaubt, dass der Gesichtsausduck, der das abfälligste „Usuratonkachi“ aller Zeiten begleitet hatte, jemals getoppt werden konnte. Das war wohl ein Irrtum gewesen.
 

"Wenn du Tsunade-shishou nur ein bisschen helfen würdest, dann könnte-"
 

"Was sie unter Hilfe versteht, kann ich nicht tun", unterbrach Sasuke Sakura mit schneidender Stimme. Die Kunoichi schaute ihn kurz betroffen an, schlug dann aber resigniert die Augen nieder. Sie sah ein, dass es keinen Zweck hatte. Sasuke war einfach zu stur. Außerdem wollte sie sich nicht streiten, zumal es auch nicht klar war, ob diese Maßnahme der Hokage überhaupt etwas bringen würde. Sie hatte in den vergangenen Tagen selbst zu spüren bekommen, wie misstrauisch das Dorf seinem letzten Uchiha gegenüberstand, sie sahen ja sogar schon einen zweiten Itachi in ihm. Damit war es höchst unwahrscheinlich, dass die Dorfbewohner etwas glauben würden, was aus seinen Gedanken gelesen worden war. Sie sollten besser alle zusammen überlegen, was noch getan werden konnte.
 

"Du willst Baa-chan nicht in deinen Kopf schauen lassen, richtig? Und weil du das nicht machst, hat sie Kibou ins Visier genommen, oder?" Sasukes Gesicht verfinsterte sich sichtlich und das war Antwort genug. Naruto musste ihn wirklich nicht daran erinnern, dass es seine Schuld war.
 

"Also brauchen wir irgendeinen Beweis für deine Unschuld. Am besten wir nerven Baa-chan so lange, bis sie uns nochmal zu dieser Lichtung gehen lässt", meinte Naruto, zufrieden, dass es wenigstens etwas gab, das sie tun konnten. Doch Kakashi zerstörte diese Hoffnung gleich wieder.
 

"Ich war schon da, Naruto. Es gibt keine Beweise. Meine Hunde konnten nicht einmal irgendeine Spur aufnehmen." Drei Augenpaare blickten ihn überrascht an. Das vierte wanderte zu Sasukes Gesicht. Kibou hatte sich schon vor geraumer Zeit vorgenommen, herauszufinden, wie weit Sasuke seinem Sensei wirklich vertraute und wie inwieweit er das jetzt noch tat, da er offensichtlich viel abweisender war als vorher. Nun die Überraschung in den Zügen des Uchihas erahnen zu können, tat dem Falken gut, der hoffte, dass es speziell Kakashi war, der Sasuke helfen konnte. Denn Kibou war davon überzeugt, dass sein Meister jemanden brauchte, zu dem er aufsehen konnte und der ihm den Rücken stärkte. Naruto wäre zwar auch eine Möglichkeit, aber er stand mit Sasuke auf derselben Ebene. Naruto war keine Autorität. Also setzte er seine Hoffnungen nach wie vor in den verschrobenen Jounin, von dem er schon so viel Gutes mitbekommen hatte.
 

"Davon hätten Sie uns aber erzählen können, echt jetzt!"
 

"Ich habe es für nicht weiter relevant gehalten, immerhin hat meine Suche nichts gebracht." Aber die Tatsache, dass ich gesucht habe offensichtlich schon, stellte Kakashi zufrieden fest, der Kibous Blick gefolgt war und die Überraschung ebenfalls gerade noch hatte wahrnehmen können, bevor sie hinter einer neuerlich felsenfesten Miene verschwand.
 

"Also ist die einzige Möglichkeit für einen stichhaltigen Beweis der andere Diener?", fragte Sakura leicht verzweifelt. Ihnen war klar, dass dieser sich nicht finden lassen würde. Es war schon ein unglaublicher Glücksfall, ob nun geplant oder nicht, dass der andere vermeintliche Diener ihnen in die Hände gefallen war.
 

"Ja. Tsunade-sama hat derzeit die Suche auf Root konzentrieren lassen, aber wir können auch nicht sicher sein, dass Danzou hinter all dem steckt." Es war eine verzwickte Situation, das wussten sie alle, Kakashi noch mehr als die anderen. Denn ihm war klar, dass es fast unmöglich war, den Diener als Root-Anbu zu identifizieren. Die Mitglieder waren alle unbekannt. Im Dunkeln aufgewachsen und ausgebildet. Offiziell gab es sie nicht. Nachdenklich schwiegen alle, bis der Falke auf Sasukes Arm zu taumeln begann. Sofort stützte Sasuke ihn mit seiner freien Hand.
 

"Kibou, was ist?", fragte er besorgt. Augenblicklich war Sakura zur Stelle.
 

"Ich kann ihn mir mal ansehen, wenn du möchtest. Er ist bestimmt nur erschöpft von seinem Flug. Mit einer kurzen Chakrabehandlung sollte es ihm besser gehen." Das kurze Zögern bevor der Uchiha Sakura den Arm hinhielt, auf dem Kibou saß, sagte allen Anwesenden mehr, als sie wissen wollten. Sasukes Grundvertrauen in Team 7 war zerstört. Er würde nichts mehr tun, ohne die Risiken abzuwägen. Dabei waren Sakura und Naruto an Tsunades Plan nicht beteiligt gewesen. Sie hatten nicht einmal etwas davon gewusst. Das einzig Gute an der Situation war, dass Sasuke sich offensichtlich darum bemühte, den Kontakt zu Team 7 nicht völlig zu verlieren, sonst hätte er sich nicht dazu entschieden, Sakura seinen Falken doch anzuvertrauen. Sonst hätte er sie auch nicht wieder in sein Haus gelassen. Obwohl Kakashi ja bereits drinnen gewesen war. Doch nun waren sie dem Anfang wieder wesentlich näher. Eine entmutigende Erkenntnis.
 

Sakura untersuchte Kibou kurz und begann dann mit ihrer Behandlung. Es stellte sich heraus, dass Kibou ein leichtes Fieber hatte wegen vollkommener Überanstrengung bei seinem weiten Flug.
 

"Du musst zurück, Kleiner. Ich werd Munen beschwören, der wird dich mitnehmen", sagte Sasuke und sah dabei äußerst unzufrieden aus, im Gegensatz zu Kibou, dem die Angst ins Gesicht geschrieben stand. Auf ihn wartete immerhin eine Bestrafung. Doch Sasuke konnte ihm nicht helfen. Widerwillig biss er sich in den Daumen und beschwor abermals das Falkenküken, das wie gewohnt mit mürrischer Miene die Anwesenden erfreute. Zum ersten Mal brach es dann allerdings seine Routine, indem es sich anstatt seinem Meister zuerst Kibou zuwandte.
 

"Du ahnst ja nicht, wie sauer Outakasennin ist", sprach der Piepmatz mit einer gewissen Häme.
 

"Mach deinem großen Bruder nicht noch mehr Angst, Munen." Sofort wandte sich das Vögelchen Sasuke zu, wenn auch mit einem leicht skeptischen Blick. Kibou war vielleicht sein älterer Bruder, aber nicht so viel älter, dass er ihn unbedingt zu respektieren hatte.
 

"Verzeiht mir, Sasuke-sama. Ich habe mich nicht so verhalten, wie es sich gehört." Damit bezog sich der kleine Falke keineswegs auf seinen durchaus gehässig gemeinten Kommentar. Der tat ihm sicher nicht leid. Respekt und absolute Loyalität war das absolut Wichtigste, das ein Falke als vertrauter Geist aufbringen musste. Das wurde im Gegensatz natürlich auch von dem Vertragspartner erwartet. Munen hatte sich nicht an das Protokoll gehalten und damit den Falken Schande gemacht. Er hatte sich nicht so verhalten, wie es sich für einen vertrauten Geist des Falkenvolkes gehörte. Sasuke wusste das. Aber für ihn waren im Moment andere Dinge wichtiger.
 

"Erinnere dich beim nächsten Mal daran", mahnte er dennoch den kleinen Falken, da es ihn ärgerte, wie er Kibou immer behandelte. Die beiden hatten sich, seit Munen geschlüpft war, nicht verstanden und irgendwie konnte Sasuke das nicht einfach hinnehmen. Über die genaueren Gründe dafür wollte er instinktiv nicht nachdenken. Munen nickte ein wenig steif, da er genau wusste, warum sein Meister diese Bemerkung von sich gegeben hatte.
 

"Outakasennin hat sich schon gefragt, wie lange es dauert, bis Ihr jemanden beschwört." Dieser Kommentar führte nicht dazu, dass Kibou sich entspannte. Und Sasuke schien zu grübeln. Nach einigen Augenblicken unterbrach er sichtlich genervt seine Gedanken.
 

"Hör gut zu. Sag Outakasennin, dass ich die volle Verantwortung übernehme." Munen starrte nur ungläubig. Er wollte gerade seinen Schnabel öffnen, da setzte Sasuke noch eine scharfe Mahnung hinzu.
 

"Vergiss es nicht, ich werde rausfinden, wenn du es tust." Kakashi wunderte sich, warum Sasuke sich diesem Falken gegenüber im Vergleich zu Kibou so harsch verhielt, obwohl er offensichtlich noch so klein war. Fast noch ein Baby. Doch von dem, was er mitbekommen hatte, schien das berechtigt zu sein. Das Küken hatte offensichtlich ein Problem mit Kibou und würde möglicherweise auch ein bisschen weitergehen, um ihm eins auszuwischen. Wenn das stimmte, war es die Besorgnis um Kibou, die ihn so harsch werden ließ. Er konnte ja nicht wissen, was Munen ausrichten würde. Das war vielleicht eine Chance, etwas Vertrauen zurückzugewinnen.
 

"Sasuke. Geh ruhig mit." Nun war es an dem Uchiha, ungläubig zu starren.
 

"Ich weiß, dass es gegen deinen Hausarrest und meine Aufsichtspflicht verstößt", setzte Kakashi nach. "Aber ich sehe auch, dass es sehr wichtig ist, die Situation persönlich zu klären." Bewusst vermied er die Phrase 'dass du dir große Sorgen machst'. "Wir werden dich nicht verraten, geh nur sicher, dass du nicht zu lange wegbleibst. Da du praktischerweise immer dein Chakra verbirgst, wird es auch niemand außer uns merken."
 

Neben ihm nickten Sakura und Naruto eifrig. Doch wieder zögerte Sasuke, nur um wenig später langsam zu nicken. Er gab Munen die übliche Instruktion, ihn später zurück zu beschwören und verschwand wieder einmal mit Kibou zusammen in einer Rauchwolke. Kakashi nutzte die Gelegenheit, um das dagebliebene Küken prüfend zu mustern. Anschließend hockte er sich vor den Kleinen, damit wenigstens eine annähernde Augenhöhe hergestellt war.
 

"Sag mal, wieso hat euer Ältester Sasuke eigentlich bestraft?" Doch Munen wandte nur trotzig sein Köpfchen ab, was für den Jounin noch lange kein Grund zum Aufgeben war.
 

"Du hast völlig Recht, mir nichts zu sagen. Das geht mich schließlich gar nichts an. Aber es ärgert mich eben so, dass Sasuke nur wegen Kibou bestraft worden ist und er ihn dann auch noch decken will. Das finde ich nicht richtig. Es ist ja schließlich Kibous Schuld, wenn er nicht aufpasst." Und sofort hatte Kakashi die gewünschte Aufmerksamkeit. Munen war eben noch ein Küken, es war unwahrscheinlich, dass er schon viel Erfahrung mit Dingen wie Manipulation gemacht hatte.
 

"Genau! Kibou ist sowieso kein Kampffalke, sondern nur ein Spähfalke. Viel zu schwach. Ich frag mich schon lange, warum ausgerechnet er für Sasuke-sama ausgesucht wurde", schimpfte Munen vor sich hin.
 

"Und jetzt muss Sasuke für ihn den Kopf hinhalten", stichelte Kakashi weiter.
 

"Ja, unglaublich! Dabei war Outakasennin schon vorher sauer auf ihn und jetzt-" Plötzlich unterbrach sich der kleine Falke und schaute Kakashi mit kugelrunden Augen an.
 

"Das hätte ich nicht sagen dürfen. Ihr habt mich reingelegt!", empörte sich der Kleine, setzte wieder seine stoische Miene auf und war nicht mehr zum Reden zu bewegen. Auch nicht, als Sakura versuchte, ihn zu fragen, wofür er denn zuständig war und Naruto hätte schwören können, dass sich ein zarter Rotschimmer über der Schnabelhaut des kleinen Falken legte, als er sich Sakura zugewandt hatte. Aber auch das änderte nichts an seinem eisernen Schweigen.
 

"Was meint ihr, was hat er gemacht, damit der Falkenälteste sauer auf ihn ist?", fragte Naruto und stellte sich dabei den Krötenältesten vor. Der war so gaga, Naruto konnte sich nicht vorstellen, dass er auch nur ansatzweise zu einer Emotion wie Wut oder so etwas wie Strenge fähig war. Wie wohl der Falkenälteste war?
 

"Das lässt sich schwer schätzen. Soweit ich das mitbekommen habe, ist der Falkenälteste sehr autoritär. Demzufolge hat Sasuke vielleicht etwas getan, was gegen grundlegende Prinzipien verstößt. Wer weiß..." Kakashi glaubte nicht daran, dass Sasuke es ihnen sagen würde, denn die Welt der Falken war etwas, das er nicht mit ihnen teilte. Sie war etwas, das ihn mit einer anderen Person verband und noch nicht einmal diesen Namen hatte Sasuke preisgegeben. Als Kakashi ihn nach seiner ersten Beschwörung von Kibou hatte fragen wollte, waren sie unterbrochen worden und seitdem war das Thema nicht noch einmal aufgekommen.
 

Er hatte das Gefühl, dass das eine wichtige Information war, denn Orochimaru hatte mit den Falken sicher nichts zu tun. Stellte sich die Frage, wer in Sasukes damaligem Umfeld ihm so nahe gekommen war, dass er einen solchen Vertrag akzeptiert hatte. Es wirkte jedenfalls nicht so, als sei er ihm aufgezwungen worden. Dafür sprach auch das besondere Band zwischen Kibou und Sasuke. Nicht nur, dass er die Präsenz seines vertrauten Geist damit eher spüren konnte als alle anderen, die schiere Existenz dieser Verbindung war schon einmalig. Noch nie hatte Kakashi bei anderen vertrauten Geistervölkern davon gehört, dass einer von ihnen dem Beschwörer näher stand als die anderen. Und außerdem schien sich Sasuke bereitwillig in die Hierarchie des Falkenvolkes einzugliedern, was an sich schon sehr erstaunlich war. Wie es wohl dazu gekommen war? Ein Puffen holte den Jounin aus seinen Grübeleien. Sasuke war wieder da und drehte sich sogleich zu Munen um.
 

"Danke, du kannst jetzt gehen." Der kleine Falke sah aus, als wollte er noch etwas sagen, beschränkte sich dann jedoch nur auf ein Nicken und verschwand.
 

"Und, wird Kibou jetzt bestraft?", fragte Naruto sofort. Der Spähfalke war Naruto irgendwie ans Herz gewachsen und deshalb wollte er auch nicht, dass er eine Strafe auf sich nehmen musste.
 

"Nein", antwortete Sasuke und drehte sich Richtung Haus.
 

"So ein Glück", warf Sakura ein, "da musst du dir nicht so große Sorgen um ihn machen. Sicher hast du vorhin schon die ganze Zeit nur an ihn gedacht, du hast so abwesend gewirkt." Man hätte einen Vorwurf in das Gesagte interpretieren können, wäre es von Naruto und nicht von Sakura gekommen. Ganz offensichtlich versuchte sie aber, Sasukes Verhalten zu rechtfertigen, das ziemlich ruppig gewesen war.
 

"Ich hab mir keine großen Sorgen gemacht", sagte dieser abweisend. Kakashi machte sich nicht die Mühe, sich sein Grinsen zu verkneifen, Sasuke hatte sich ohnehin von ihnen abgewandt.
 

"Sicher", meinte er. "Darum hast du vorhin auch den langen Weg quer durch das Haus gewählt, anstatt einfach dein Fluchtjutsu zu benutzen." Er bekam keine Antwort von Sasukes Rücken...
 


 

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*Outakasennin = Falkenältester



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Von:  n-ani
2017-12-27T07:17:26+00:00 27.12.2017 08:17
Hi, ich lese deine Story immer noch gerne, also wenn du irgendwann nochmal Lust oder Zeit hast weiterzuschreiben würde ich mich sehr freuen :)
Antwort von:  Eruwen
09.01.2018 21:04
Hey, danke dir. :) Ich schreibe immer noch weiter! Nur leider in Schneckenschritten, weil ich mir leider keine ununterbrochene Zeit mehr nehmen kann, um weiterzumachen. Ich lade wieder Kapis hoch, sobald ich wieder genug habe, um nicht wieder so eine große Pause zu haben.
Antwort von:  n-ani
14.01.2018 19:51
Das kann ich verstehen, Zeit fehlt mir auch ;) Mach dir keinen Stress. Es freut mich einfach nur sehr, dass ich irgendwann weiterlesen darf, vielen Dank :)
Von:  ashtray_soul
2017-03-02T08:18:28+00:00 02.03.2017 09:18
Warum schreibst du nicht weiter? Habe die Story Bestimmt schon 5 mal gelesen und jedes mal ist es traurig das kein neues Kapitel draußen ist 😢

LG Ashtray-soul
Von:  daliza
2013-10-09T23:30:26+00:00 10.10.2013 01:30
wieso schreibst du nicht weiter?
das ist einer der besten und spannensten storys die ich bis jetzt hier gelesen habe und ich habe schon viiiiieeeeeelllllleeeeeeee gelesen (=
bitte schreib weiter
Von:  n-ani
2013-03-12T20:04:26+00:00 12.03.2013 21:04
Ich finde die Beziehung zwischen Kibou und Sasuke richtig toll wenigstens einer dem er vertrauen schenkt^^Der Falke ist so süß den möchte man knuddeln, es ist super das du auch seine Perspektive nicht vergisst. Bin gespannt was Sasuke vorhat wenn er wirklich so lange nicht schläft wie er Kibou nicht beschwören kann und warum er wirklich bestraft wurde hätt ma ja fast erfahren XD

Ich freu mich schon drauf zu Erfahren was weiter passiert.
bis dann GLG ^-^


Von:  fahnm
2013-03-06T22:15:40+00:00 06.03.2013 23:15
Super Kapi^^
Von:  JoNaH
2013-03-06T16:31:58+00:00 06.03.2013 17:31
Der Junge ist echt schwierig ^^
Ich hätte schon lange die Geduld verloren...

Ich mag den Falken ^^ der kam bis jetzt immer etwas zu kurz und jetzt hatte er mal den großen Auftritt! Ich wüsste ja zu gerne, was denn da in der "Falkenwelt" passiert und was denn nun wieder los war, dass Sasuke so... unkooperativ ist
Freu mich auf das nächste Kapitel ^^
grüße
Von:  Saika_a
2013-03-06T15:47:32+00:00 06.03.2013 16:47
ok,
den Vertrag hat er von der komischen Frau, die ihn bei Oroshimaru verraten hat?
Aber warum hat er dann so einen engen Kontakt, den er zu ihr ja nicht mehr hat?
Fragen über Frage...
Aber immerhin geht es Kibou gut, das ist ja schon mal was!

a_a
Von:  Saika_a
2013-02-15T16:38:17+00:00 15.02.2013 17:38
Hey, da bist du ja wieder^^
erst dachte ich, so viel passiert in diesem Kapitel ja eigentlich nicht, aber wie immer soll man den Tag nicht vor dem Abend loben! Was spürt er? einen Falken? Die Frau, die er von Oroshimaru kennt(mit anderen Worten die Tussi, die ihn verraten hat)? schon witzig, wie man so beeinflusst wird, ohne das sie jemals in erscheinung getreten wäre;)
Kakashis Rückblick da mit reinzusetzen finde ich übrigens sehr interessant. Was er an dem komisschen Schwamm so alles ablesen kann...a_A
Von:  fahnm
2013-02-14T21:04:15+00:00 14.02.2013 22:04
Super Kapi^^
Von:  n-ani
2013-01-27T13:51:30+00:00 27.01.2013 14:51
Ein sehr gelungenes und emotionales Kapitel ^.^

Ich finde es Klasse wie Sasuke drauf bedacht ist das es seinem vertrauten Geist gut geht, den Namen des Küken finde ich ebenfalls sehr passend. Auch ich bin sehr gespannt was der Falkenälteste gesagt hat trotz grübelns kam ich nicht darauf, muss aber wirklich sehr treffend für Sasuke gewesen sein.

Die Idee mit dem Hausarrest fand ich gut jetzt hat Kakashi eine Menge Zeit Sasukes vertrauen zurück zu gewinnen, ich finde auch das es ausgeglichen ist Kakashi spielt eben eine wichtige Rolle was Sakura und Naruto aber nicht minder tun ^^ Der Dialog ist dir sehr gelungen ich finde es interessant wie Sasuke mit sich ringt ,soll ich oder soll ich nicht, klasse ^^

Ich bin sehr gespannt was nun weiter passieren wird

Freu mich schon bis dann ^^


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