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Das perfekte Geschenk

Schneeregen
von

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Das perfekte Geschenk
 

Was für ein schreckliches Wetter. Wahrscheinlich war Mel die einzige Person, die sich bei diesem schrecklich ungemütlichen Schneeregen auf der Straße herumtrieb. Warum hatte sie sich auch so lange Zeit gelassen?

Es war kurz vor Weihnachten und sie brauchte noch ein Weihnachtsgeschenk für die ihr momentan wichtigste Person in ihrem Leben. Bisher war ihr einfach nichts eingefallen. Außerdem gehörte sie zu der Sorte Menschen, die Dinge gerne so weit aufschoben, bis die Zeit viel zu knapp wurde um sie noch ordentlich erledigen zu können. Nun lief Mel im Schneeregen durch die Gassen der Kleinstadt, die ihre Heimat war, und suchte nach einem Anreiz für das perfekte Geschenk. Der Schneeregen war so dicht und stark, dass man kaum weiter als fünfzig Meter sehen konnte. Mel zog sich ihre Wollmütze noch tiefer ins Gesicht und verengte die Augen zu Schlitzen. Sie blickte in die Schaufenster der kleinen Läden, an denen sie vorbeikam. Überall brannten dort kleine Weihnachtslichter und Kerzen. Es sah warm und gemütlich aus und Mel wünschte sich in diesem Moment nichts sehnlicher, als einfach in einem dieser Läden verschwinden und sich aufwärmen zu können und zu warten, bis der Schneeregen endlich vorüber war. Doch die Wolken waren so dicht, dass es nicht den Anschein machte, als würde sich dieses Wetter innerhalb der nächsten paar Minuten oder gar Stunden bessern. Hätte sie sich doch nur schon eher auf die Suche nach einem Geschenk gemacht. Er hatte ihr Geschenk bestimmt schon längst. Manchmal beschlich sie das Gefühl, dass sie ihm wohl niemals so viel Liebe ihrerseits zeigen könnte, wie er es ihr gegenüber immer tat. Und das tat ihr Leid.

Sie verließ die kleine Gasse und kam zu einer schmalen Landstraße. Sie hatte keine Ahnung, warum sie überhaupt weiter lief, denn hier waren sowieso keine Läden mehr. Aber aus irgendeinem Grund konnte sie nicht anhalten.

Sie kam an einer großen Koppel vorbei, auf der ein einsames Pferd stand und sie anscheinend anstarrte. Doch Moment. Als sie das zweite Mal hinsah, erkannte sie ein Geweih auf dem Kopf des Tieres. Was hatte denn ein Hirsch auf einer Pferdekoppel zu suchen? Sie dachte sich nichts weiter dabei und lief weiter. Doch als sie schließlich noch einmal hinsah, kam das Tier auf sie zu. Also blieb sie stehen und wartete, bis der Hirsch bei ihr angekommen war. Sie ging nahe an den Zaun heran und betrachtete ihn. Seltsam. Waren Hirsche nicht eigentlich scheue Wesen? Vielleicht hatte der hier Tollwut? Mit gerunzelter Stirn beobachtete sie das anmutige Tier. Es blickte sie aus braunen Augen an und drehte leicht den Kopf. Zögernd steckte Mel eine Hand aus und strich dem Hirsch über die Nase. Er machte keine Anstalten sie anzugreifen. Sie betrachtete sich das riesige Geweih. Dabei fiel ihr auf, dass ein Hirschgeweih irgendwie anders aussah. Das hier wirkte breiter und mächtiger. Sein Fell war hellbraun. War das vielleicht ein Rentier? Aber was machte ein Rentier in dieser Gegend? Hier gab es doch gar keine.

„Wer weiß, wo du herkommst“, murmelte Mel und streichelte das Tier noch einmal. Dann wollte sie sich gerade umdrehen und weitergehen, als jemand ihr eine Hand auf die Schulter legte. Sie schrie auf und wirbelte herum, bereit sich zu verteidigen. Doch es handelte sich um einen alten Mann mit weißem Rauschebart und rotem Mantel.

„Entschuldige, ich wollte dich nicht erschrecken“, sagte er schnell und wich einen halben Schritt zurück. Seine Stimme war sehr tief.

Mel starrte den Mann an. Dann sah sie zu dem Rentier und wieder zu dem Mann. Unmöglich.

„Der Weihnachtsmann?“, stieß sie hervor und hätte sich anschließend am liebsten selbst geohrfeigt. So ein Unsinn. Es gibt keine Weihnachtsmann.

Der Mann lachte hüstelnd und schüttelte den Kopf. „Nein, den gibt es doch gar nicht. Ich bin nur ein alter Mann auf Reisen. Und danke, dass du mein Rentier wiedergefunden hast.“

„Ihr Rentier?“, fragte Mel verblüfft. Was sollte das Ganze? Ein alter Mann auf Reisen, der aussah wie der Weihnachtsmann und dem ein Rentier ausgebüchst war? Träumte sie gerade? Das war alles mehr als eigenartig.

„Ja, ich weiß auch nicht, warum es sich immer von der Gruppe trennt. Es ist noch so jung“, erklärte er und streichelte dem Tier über die Stirn. „Wie kriegen wir dich jetzt wieder hier raus?“

Mel sah sich um. „Irgendwo muss es ja herein gekommen sein. Es kann ja bestimmt nicht so hoch springen.“ Sie war sich nicht einmal sicher, ob Rentiere überhaupt springen konnten. Aber sie beschloss, dem Alten zu helfen. „Wenn sie wollen, laufe ich schnell um die Koppel und suche nach dem Tor.“

„Das wäre lieb von dir. Ich bin auf meine alten Tage nicht mehr so gut zu Fuß“, antwortete der Mann.

„Ich bin gleich wieder da.“ Mit einem Satz sprang Mel über den Holzzaun und joggte daran entlang auf der Suche nach einer Tür. Da sie schon seit etlichen Jahren Fußball spielte, machte es ihr nichts, selbst bei diesem Wetter zu laufen. Ihre Kondition war wirklich gut.

Sie brauchte gar nicht weit laufen, denn bereits nach etwa hundert Metern fand sie das Tor. Dieses war allerdings mit einer Kette und einem Schloss verschlossen und man hätte einen Schlüssel gebraucht, um es zu öffnen. Gab es noch einen weiteren Zugang? Sie joggte weiter und landete nach ein paar Minuten schließlich wieder bei dem alten Mann.

„Es gibt nur ein Tor und das ist verschlossen. Ihr Rentier muss hier also tatsächlich hereingesprungen sein“, erklärte sie.

„Hm“, machte der Mann und fuhr sich nachdenklich durch den Rauschebart. „Dann muss ich es irgendwie dazu bringen, rüber zu springen.“

„Können Rentiere denn überhaupt springen?“, fragte Mel zweifelnd. Sie hatte zwar noch nie eines gesehen, aber dafür Hirsche, die ihnen ja sehr ähnlich waren. Und einen Hirsch hatte sie noch nie springen sehen.

„Es muss ja so sein“, antwortete der Mann. Er griff in die Tasche seines Mantels und holte einen kleinen Zweig mit merkwürdig geformten Blättern daran heraus. Die Blätter waren ziemlich klein und außerdem orangefarben. Er trat ein paar Schritte vom Zaun zurück und und streckte den Arm mit dem Zweig aus. „Komm, mein Kleiner. Komm schon.“

Das Rentier trat ebenfalls ein paar Schritte zurück und sprang – nein, es flog förmlich – über den Zaun. Mit offenem Mund und geweiteten Augen starrte Mel das Rentier an.

„Das sah ja aus, als würde es fliegen!“, rief sie verdutzt.

Der Mann lächelte nur vielsagend und machte sich auf den Weg die Straße entlang. Mel hatte das Bedürfnis, ihn zu begleiten.

„Bringen Sie ihn jetzt zu den anderen Tieren?“, fragte sie.

„Ja, willst du mitkommen?“

Sie lief an seine Seite und gemeinsam gingen sie die Straße entlang, sich immer weiter von der kleinen Stadt entfernend. Aber Mel hatte das Gefühl, ihn nicht allein lassen zu dürfen. Er war nur ein wehrloser alter Mann und sie war jung und sportlich und konnte sich ziemlich gut selbst verteidigen, zur Not sicher auch noch ihn.

Sie bogen auf einen Feldweg ab und gingen auf ein kleines Waldstück zu. Als sie näher herankamen, entdeckte Mel eine kleine Gruppe von Rentieren, die brav beieinander standen und warteten. Neben ihnen stand ein großer Schlitten aus Holz. Die ganze Sache wurde immer merkwürdiger.

Das Rentier lief zu seiner Gruppe und nun waren es sechs.

Der alte Mann wandte sich an Mel. „Ich danke dir sehr für deine Hilfe. Hier, nimm das.“ Er drückte Mel einen kleinen roten Zettel in die Hand, an dem ein Glöckchen befestigt war.

„Ich muss jetzt weiter reisen. Wenn du irgendwann einmal meine Hilfe brauchen solltest, dann läute einfach das Glöckchen und ich werde dir Hilfe zukommen lassen.“

Stirnrunzelnd versuche Mel zu entziffern, was auf dem Zettelchen stand.

Werkstatt am Nordpol. Winterstraße 1.

„Am Nordpol?“ Skeptisch sah Mel zu dem Mann, doch er war nicht mehr da. Wo war er hin? Sie konnte weder ihn, noch den Schlitten mit den Rentieren irgendwo entdecken. Ihr Blick wanderte hinauf zum Himmel, aus dem noch immer fürchterlicher Schneeregen auf die Erde fiel. Hatte sich da gerade etwas Dunkles bewegt? Konnte es sein, dass... Nein! Es gibt keinen Weihnachtsmann. Oder doch? Auf jeden Fall hatte sie jetzt das perfekte Geschenk für ihren Freund.



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Kommentare zu diesem Kapitel (4)

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Von:  Lyra_Bel
2013-01-12T21:19:29+00:00 12.01.2013 22:19
mein gott wie kitschig :D
Von: abgemeldet
2012-01-26T21:27:03+00:00 26.01.2012 22:27
Oh nein, wie süß!

Leider komme ich kurz vor und vor allem während der Feiertae nicht dazu, FFs zu lesen und kommentieren. .. Aber in diesem Fall bereue ich es sehr, dass ich wieder einmal so wenig Zeit hatte; dein OS hätte mir wirklich einen langweiligen Abend versüßt! ;-)

Dieser OS war echt purer Zucker - zwar ein wenig kitschig (im weihnachtlichem Sinne, versteht sich XD), aber wirklich schön geschrieben und so gut wie fehlerfrei. Dein Stil gefällt mir sehr gut und ich finde, du hast die Atmosphäre sehr gut und authentisch rüber gebracht!

Ich habe mich sofort in das Rentier verliebt! <333

Liebste grüße, deine Heaven.
Von:  Kim_Seokjin
2011-12-17T19:09:59+00:00 17.12.2011 20:09
Ich kann mich Tentakel anschließen. Sie ist wirklich süß und es bringt mir die Vorfreude auf Weihnachten etwas näher, die dieses Jahr irgendwie auf sich warten lässt.
Von:  Tentakel
2011-12-05T15:04:56+00:00 05.12.2011 16:04
Eine süsse kleine Geschichte.
Ich kann es Mal ja so nachfühlen mit dem Geschenk in letzter Minute - passiert mir auch wenn ich es nicht will, jedes Jahr auch...
Und Schneeregen ist bäh.

Ich finde die Stimmung der Geschichte toll - iam Anfang sehe ich Mel so richtig vor mir wie sie den Kopf leicht zwischen die Schultern gzogen durch das Dorf geht. Wobei cich es seltsam finmde das Du erst am Ende erwähnst das sie ein geschenk für ihren Freund sucht (und der nicht mal einen Namen hat).

Achtung Spoiler für alle die, die Geschichte noch nicht gelesen haben!

Die Sache mit dem Rentier finde ich toll - ich denke viele Leute würden ein Rentier erst einmal für ein Pferd halten weil die meisten Leute selten bis nie einen Hirsch oder ein Reh gesehen haben und erst recht kein Rentier. Wobei mir die Sache mit dem grossen geweih komisch vorkommt. Rentiere sind eigentlich recht klein und haben kleine Geweihe - aber für jemden der noch nie eins gesehen hat ist es eventuell gross.

Ich finde die Atmosphäre wandelt sich langsam vom "Bäh Schneeregen!" zu etwas wirklich zauberhaft weihnachtlichen ohne kitschig zu werden. Und ob es jetzt wirklich der Weihnachtmann war oder nicht ist dann etwas das sich der Leser je nach Geschmack selbst aussuchen kann.

Und Mel hat ihr kleines Geschenk für ihren Freund.

Danke für dieses tolle Adventkalendertürchen :D


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