Zum Inhalt der Seite

Sanctuaire des Anges

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Kleiner Engel

Als ich am Morgen aufstehen wollte, fühle ich mir wie gerädert. Die letzte Nacht war einfach nur schlimm. Erst konnte ich nicht einschlafen, weil ich ununterbrochen an den Engel David denken konnte und woher er diese Informationen hatte, es ging mir einfach nicht aus dem Kopf. Und als ich endlich einschlafen konnte, hatte ich wieder diesen Traum mit dem Engelsmädchen.

Wieso träume ich das in letzter Zeit nur so oft?

Im Spiegel sehe ich erst das Ausmaß meines Schlafmangels. Ich habe dunkle Augenringe, welche ich nicht mal mit Make-Up wegbekommen würde und habe leicht gerötete Augen. Zumindest kann es mir ja egal sein, da ich beschlossen habe, zu Hause zu bleiben. Sam hätte sicher etwas dagegen gehabt, dass ich einfach die Schule schwänze, aber was sie nicht weiß, macht sie nicht heiß, oder? Sie sagt immer, man darf seinen Problemen nicht aus dem Weg gehen. Aber wenn dieses Problem fast 2 Meter groß ist und fliegen kann, ist das wahrlich schwer.

Und ich denke, hier könnte man mal eine Ausnahme machen, immerhin geht es um meine Eltern, wobei ich die eine Hälfte, meinen Vater, niemals kennen lernen will, und die andere Hälfte, meine Mutter, niemals kennen lernen kann. Wieder dieses Ziehen in meiner Brust bei dem Gedanken an meine Mutter.

Sam erzählt immer so wunderschöne Sachen von meiner Mutter, dass es mich jedes Mal traurig macht, sie nicht zu kennen. Ein ziehen in meiner Brust.

Schnell schiebe ich die Gedanken beiseite und suche mir eine Beschäftigung. Die Wohnung kommt einem immer so groß und leer vor, wenn Sam nicht mehr da ist. Das Gefühl der Einsamkeit breitet sich in mir aus, wie so oft, wenn ich allein bin. Ich unterdrücke dieses Gefühl und gehe ins Bad um mich kalt abzuduschen. Es wirkt wirklich erfrischend.

Ich zieh mir meine schwarze Jogginghose sowie ein schwarzes Top an und hau mich mit einem Buch meiner Tante auf mein Bett. Sam hatte schon immer Bücher, die mir auch gefallen haben. In diesem Fall ging es um die Liebe zwischen einem Menschen und einem Engel. Ist so etwas wirklich möglich? Immerhin sind Engel alt.. sehr alt. Ich komme ins Grübeln und lege das Buch wieder beiseite.

Wie alt sind Engel nun? David sieht aus, als wäre er in meinem Alter. Ich hole meine Religionsunterlagen heraus und hoffe, dass ich irgendwann mal etwas über Engel aufgeschrieben habe. Nichts.

Ich gehe in das Zimmer meiner Tante und setzte mich an ihren Schreibtisch um am Laptop zu recherchieren. Ich gebe in der Suchmaschine das Wort Engel und bekomme prompt über 100 Millionen Einträge zu diesem Thema. Genervt klicke ich auf die erste Seite und erhalte einen endlosen Artikel mit mehreren weiteres Links über Engel.

Wieso einfach, wenn es auch kompliziert geht?

Ich klicke und lese mich durch den Artikel bis mein Magen gegen Nachmittag anfängt zu knurren. Bis auf ein paar Schokoriegel zwischendurch habe ich noch nichts gegessen und einkaufen muss ich auch noch, fällt mir ein.

Ich schalte den Laptop aus und überlege, ob ich mich noch umziehe. Nö. Keine Lust. Meine Haare die bisher lose über meinem Rücken hingen, binde ich zu einem Pferdeschwanz zusammen und mache mich dann auf den Weg zum Einkaufsladen.

Nachdem ich mich endlich entschieden hatte, was ich essen wollte, gehe ich mit zwei vollen Einkauftüten wieder nach Hause. Mein Weg führte mich durch den Park, hier und da sieht man ein paar Vögelchen durch die Gegend springen, auf der Suche nach Nahrung, bevor sie mit dieser davon fliegen. Ich stelle meine Tüten auf einer Parkbank ab und setze mich kurz. Die Sonne scheint und ein leichter Windhauch streicht mir über mein Gesicht. „Einfach herrlich..“, murmle ich vor mich hin und schließe meine Augen.

Gerade als ich die Ruhe genieße, höre ich Kinderstimmen. Ich öffne meine Augen wieder und erblicke weiter vor mir auf der Wiese ein paar kleinere Jungs, die eine Traube um irgendwas bilden. Ich stehe auf um besser sehen zu können. „Diese kleinen, miesen….!“, fluche ich leise, als ich in ihrer Mitte ein kleines, ängstliches Mädchen erspähe. Ich gehe zu den Jungs hin und packe einen am Kragen. „Lasst das Mädchen in Ruhe!“, blaffe ich die erschrockenen Jungs an. Einer rannte auch sofort weg und ruft den anderen zu, sie sollen auch abhauen. Einer streckt mir die Zunge raus und ein anderer beschimpft mich als eine alte Schachtel bevor er auch abhaut.

„Bengel!“, fluche ich leise. Während ich ihnen noch nach sehe, greift das Mädchen meine Hand und ich erschrecke mich. Ich blicke zu ihr hinab und sehe in leuchtend blaue Augen, die übernatürlich hell wirken. Erst jetzt fällt mir auf, dass das Mädchen einen weißen Umhang umhat und eine Kapuze über ihren Kopf trägt. Der Umhang geht bis zu ihren Füßen ohne den Boden zu berühren. An ihrem Rücken steht der Umhang ein wenig ab. „Du bist ein Engel, nicht wahr?“, vermute ich und sie nickt.

„Soll ich dich nach Hause bringen?“, frage ich sie. Als sie sich umsieht und sichtlich nicht weiß, wo sie sich befindet, beschließe ich sie erst einmal mit zu mir zu nehmen. „Komm mit, wir gehen zu mir. Dort kannst du etwas essen und dann finden wir heraus von wo du herkommst, ok?“ Wieder ein Nicken.

Während wir zu der Parkbank gehen um meine Tüten abzuholen, die mehr als einsam dort standen, halte ich ihre Hand. „Mein Name ist Sara und wie heißt du?“, will ich wissen. „Maria.“, flüstert sie leise. „Schön dich kennen zu lernen, Maria!“, sage ich freundlich und mit einem Lächeln, nun lächelt auch sie ein wenig.

„So, das ist mein Zuhause!“, und deute dabei auf der Mehrfamilienhaus. Maria sagt nicht dazu, sie ist ein sehr ruhiger Engel. Ob alle Engel so sind? Wohl kaum, wenn man an David denkt. Weg mit dem Gedanken, ermahne ich mich selbst. In der Wohnung stelle ich die Einkaufsbeutel ab und packe das Essen sofort in den Kühlschrank. Maria steht unterdessen immer noch im Eingangsbereich der Wohnung und sieht schüchtern nach links und rechts.

Ich gehe zu ihr. „Komm ruhig rein, wenn du möchtest, kannst du deinen Mantel auch ausziehen.“ Vorsichtig sieht sich noch einmal um und legt dann ihren Mantel ab. Ihre Flügel kommen zum Vorschein und sind makellos weiß und glitzern im Licht wie tausend kleine Sonnen. „Wow, deine Flügel sind bezaubern Maria!“, platzt es aus mir heraus, ich kann meine Augen gar nicht von diesen schönen Flügeln abwenden. „Danke.“, sagte sie leise und wird rot im Gesicht. Nervös zupft sie an ihrem Kleidchen, welches ebenso weiß ist und Rüschen besitzt. Ihre blonden Haare fallen offen über ihre Schulter und sind leicht gelockt. Sie wäre der perfekte Engel.

Als mein Magen erneut und sehr hörbar knurrt, wende ich meinen Blick ab und gehe wieder in die Küche. „Ich koche uns ein paar Nudeln mit Tomatensoße, ok?“ , rufe ich aus der Küche. Aus dem Wohnzimmer höre ich ihre Flügel schlagen, ist das ein Ja? Ich bereite alles vor und lasse die Nudeln kochen. Maria ist mittlerweile zu mir in die Küche gekommen und sieht mir neugierig zu. „Ich möchte helfen!“, sagt sie plötzlich. Ich gebe ihr Teller und das Besteck, welches sie sofort auf den Tisch legt.

Während des Abendessens, welches sie mehr als begeistert aufnimmt, frage ich sie, wieso sie sich verirrt hat. „Ich war auf der Suche nach meinem Bruder, er sollte hier irgendwas machen. Ich will aber zu ihm….“, erzählt sie traurig. „Ich helfe dir deinen Bruder zu suchen, wie heißt er denn?“, zumindest hoffe ich, ich kann ihn finden. „David!“, sagt sie freudig und ich hätte mich beinahe verschluckt. „Groß, dunkle Flügel und dunkle Haare?“, frage ich Maria und ihre Augen weiten sich. „JA! Das ist er!“, ruft sie freudig und flattert aufgeregt mit den Flügeln. Das ist dann doch mehr als nur Zufall, ich fühle mich vom Schicksal hintergangen.

Ich erzähle Maria, dass David bei uns in der Schule ist und ich ihn morgen, nach der Schule mit nach Hause bitten werde. Ein Lächeln breitet sich über ihr Gesicht aus. Ich sage, ihr aber auch, dass sie zu Hause auf uns warten solle. Sie nickt.

Anschließen waschen wir beide das Geschirr ab und unterhalten uns über alles Mögliche. Glücklich flattert sie mit ihren Flügeln und schwebt teilweise kurz über den Boden. Auf die Frage hin, ob sie richtig fliegen kann, antwortet sie mit Ja, aber nur, wenn David dabei ist. Nachdem sie Baden war und vorübergehend ein Shirt von mir an hat, welches ich für ihre Flügel zu Recht geschnitten hatte, liegen wir beide in meinem großen Bett. Maria wollte nicht alleine schlafen. Sie kuschelt sich an mich heran und breitet ihre Flügel über das Bett aus.

„Du, Sara? Wo ist eigentlich deine Mama und dein Papa?“ Ich verkrampfe innerlich. „Naja, ich habe keine Eltern mehr.“ „Sind sie gestorben?“ Große blaue Augen blicken mich an, als würde sie meine Seele berühren. Sie löst den Schmerz ein bisschen und ich erzähle ihr von meinen Eltern. „Meine Mutter starb als ich ein Kind war und meinen Vater kenne ich nicht. Aber ich habe meine Tante Sam.“ Kleine Hände streicheln über meine Wange und wischen eine Träne weg. „Ich habe auch keine Eltern, sie starben beim letzten Krieg. Ich war noch ganz klein, David passt aber immer auf mich auf!“ Der kleine Engel lächelt mich an und wischt den Kummer fort.

Bevor wir einschliefen, erzählte ich ihr noch eine Geschichte von Prinzessinnen, Drachen und Prinzen auf Pferden, welche immer zur Rettung nahten. Während sie in meinen Armen schläft, muss ich an David denken. Ob er sich Sorgen macht? Oder sich einsam fühlt? Auf ihn muss große Verantwortung liegen. Aber was hat es mit dem Krieg auf sich? Mit vielen Fragen, teils unbeantwortet schlafe ich irgendwann gegen Mitternacht ein und träume wieder.

Am nächsten Morgen mache ich Frühstück für uns und erkläre Maria, was sie in der Wohnung machen darf und was gefährlich ist. „Hast du das verstanden?“, frage ich sie nochmals. „Ja! Der Herd ist gefährlich, aber den Fernseher darf ich anmachen!“, sagt sie mit einer zufriedenen Laune und schlägt mit ihren Flügeln. „Gut, ich bin um drei Uhr wieder zurück. Bis nachher.“, verabschiede ich mich von ihr.

In der Schule angekommen, sehe ich mich sofort nach David um. Finde ihn jedoch nirgendswo auf dem Schulhof. Ich gehe in das Klassenzimmer und hoffe, dass ich ihn dort antreffe. Doch auch dort war er nicht. Ich frage eine meiner Freundinnen nach ihm, die meinte nur, er sei gestern auch nicht in der Schule gewesen. Ob er seine Schwester bereits sucht?

Nervös blicke ich immer und immer wieder auf die Uhr. Was ist, wenn ich ihn nicht mehr finde? Oder er schon wieder weg ist? Meine Gedanken kreisen bis zum Schulende nur um ihn und Maria. Zum Glück ist das Schicksal auf meiner Seite. Nach dem Unterricht erblicke ich auf dem Schulhof eine Traube von Mädchen, in der Mitte steht einen Engel. Ich gehe auf diesen Engel zu und atme erleichtert aus, als ich sicher sein kann, dass es David ist. Ich quetsche mich durch die Masse durch und muss mir ein paar Ellenbogen und böse Blicke einfangen.

Als ich vor ihm stehe, weiß ich nicht, was ich zu ihm sagen soll. Hey, deine Schwester ist bei mir! Oder wie sollte ich das sagen? Seine Augen durchbohrten mich fast schon. Seine wunderschönen Augen. Was? Weg mit diesem Gedanken. Ich atme tief ein und sage schließlich nur: „Maria!“

Ich dränge mich aus der Masse heraus und mache mich auf dem Heimweg, ein paar Sekunden später höre ich über mir das Schlagen von Flügeln. Gut, er kommt mit. Vor meinem Haus landet er neben mir und ein paar neugierige Nachbarn strecken ihre Köpfe aus ihren Fenstern heraus. „Lande auf dem Balkon dort, der Hausflur wird sonst zu eng für dich!“, befehle ich ihm und überraschenderweise gehorcht er mir auch wirklich. Ich laufe schnell ins Haus hinein in unsere Wohnung und ignoriere das Getuschel der Nachbarn. Ich erblicke Maria schlafend auf dem Sofa und schleiche mich in mein Zimmer.

Ich öffne meine Balkontür für den übergroßen Engel, welcher in mein Zimmer eintritt. Mein Zimmer ist fast schon lächerlich klein mit ihm hier drinnen. Ich lege meinen Zeigefinger an meinem Mund und flüstere ihm zu, er solle leise sein. Er nickt und zieht seine Flügel eng an seinen Körper. Gemeinsam gehen wir ins Wohnzimmer, wo Maria immer noch schläft. David geht auf seine kleine Schwester zu legt seine Hand auf ihren Kopf und sieht sie mit liebevollen Augen an. Vorsichtig hebt er den kleinen Körper seiner Schwester hoch und flüstert ihr etwas in Ohr, woraufhin sie erwacht. Müde reibt sie sich ihre Augen und schmiegt sich dann an ihren großen Bruder. Vorsichtig tätschelt David über den Kopf von Maria. Wieder flüstert er ihr etwas zu. Dann dreht er sich zu mir um.

„Danke.“, murmelt er mir zu. „Ich schulde dir etwas.“ Ich überlege kurz. „Egal was?“, frage ich vorsichtig, nach kurzem Zögern nickt er. „Dann sag mir, woher du dass mit meinen Eltern weißt.“ „Nein, das steht mir nicht zu, aber ich kenne jemanden, der es dir sagen kann.“ „Wer?“, will ich wissen. Doch die Antwort die jetzt kommt, ließ mein Herz einen kurzen Aussetzer erleiden.

„Der Erzengel Raphael.“



Fanfic-Anzeigeoptionen
Blättern mit der linken / rechten Pfeiltaste möglich
Kommentare zu diesem Kapitel (1)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Rajani
2015-01-02T22:03:44+00:00 02.01.2015 23:03
Oh süß, das ist ja niedlich.
Ist ja interessant, dass der Erzengel Raphael was damit zu tun hat... Ich frag mich was


Zurück