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Das Bonbon, das zum Stern wurde

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Das Bonbon, das zum Stern wurde

Es war einmal vor nicht allzu langer Zeit, ein Bonbon. Kein außergewöhnliches, sondern ein ganz normales Bonbon mit Zitronengeschmack. Es befand sich zusammen mit verschiedenen anderen Bonbons in einem großen Glas. Jedoch war es das einzig Gelbe.

Von seinem Platz aus hatte es eine wunderschöne Aussicht auf den ganzen Süßigkeitenladen. Es handelte sich nicht um eines der großen Geschäfte, von denen die Marzipanfiguren erzählten, welche mit dem Gesicht zum Schaufenster standen, sondern um einen kleinen Laden. Jede Süßware war hier noch von Hand hergestellt worden. Außer die Kaugummistangen, die wurden einmal im Monat geliefert.
 

Es näherte sich wieder die Zeit des Zuckergusses, so berichteten jedenfalls die Marzipanfiguren, denn draußen vor dem Schaufenster waren die Straßen weiß. Jedes Jahr träumte das Bonbon davon, einmal den Zuckerguss auf der Straße sehen zu dürfen.

Zu dieser Zeit kamen immer besonders viele Menschen in den Laden und kauften Süßigkeiten. Aber niemand wollte das Bonbon kaufen. Alle mochten nur die schönen Dinge. Wie oft wurden die großen Lutscher gekauft? Wie oft streckte sich eine Kinderhand zu den kandierten Äpfeln aus, oder wie oft naschten die kleinen Besucher an den karamellisierten Nüssen? Ab und zu wurde auch das Glas mit den Bonbons geöffnet und jedesmal tat das kleine Herz des Bonbons einen Sprung, doch niemals wurde es herausgenommen. Dabei versuchte es so lecker wie möglich auszusehen.

Alle wollten immer nur die roten Bonbons, oder jene, die eine schöne Papierverpackung vorweisen konnten.

Seit Jahren lag das gelbe Bonbon nun in seinem Glas, mittlerweile ganz auf dem Boden. Über ihm schnatterten all die roten Bonbons. Sie kannten die Welt noch nicht lange und fanden alles neu und interessant.

Für das gelbe Bonbon war alles zur Gewohnheit geworden. Nur in der Zeit des Zuckergusses begann es wieder zu träumen. Immer wenn es die schönen Lebkuchenhäuser sah, da wurde sein Herz leicht und es sah sich selbst auf einem dieser Häuser kleben, ummantelt von Zuckerguss. Jeden Tag würden die Kinder es ansehen und irgendwann würde man es endlich essen. Wie sehr wünschte sich das Bonbon ein Stück dieser Lebkuchenhäuser zu sein!
 

Die Menschen kamen in Scharen in den kleinen Laden. Alle wollten die schönsten Süßwaren kaufen. Die Regale leerten sich, füllten sich morgens wieder und waren abends erneut geleert. Nur das gelbe Bonbon, das wollte wie immer niemand kaufen.

„Morgen ist der Tag, an dem der große rote Mann kommt!“, erklärte eine alte Marzipanfigur den jungen Bonbons und frisch gefertigten Zuckerteilchen. „Ich kann es genau sehen. Morgen ist der letzte Tag, an dem so viele Menschen kommen. Danach machen sie eine Pause. Versucht also so lecker wie möglich auszusehen.“

Das Bonbon seufzte betrübt. Vorher wollte es niemand kaufen, warum sollte es also morgen gekauft werden?

Traurig drängte es sich in die Mitte des Glases. Nun war es verdeckt von all den roten Bonbons.
 

Umgeben von all der Dunkelheit, bemerkte das gelbe Bonbon nicht wie es Tag wurde. Erst als ein Ruck durch das Glas ging und einige rote Bonbons erschrocken aufschrien, schreckte das Bonbon hoch. Erneut bewegte sich das Glas, diesmal viel unangenehmer. Die Bonbons wurden durcheinander geschüttelt, fielen übereinander und untereinander, bis es plötzlich hell um das gelbe Bonbon wurde und es sich auf dem Verkaufstresen wiederfand.

Die rotwangige Verkäuferin und zwei fremde Gesichter blickten es mit großen Augen an. Das gelbe Bonbon blickte sich nervös um. Was war passiert? Warum lagen sie alle auf der Theke?

Zwei Finger packten das gelbe Bonbon und hielten es in die Luft.

„Da ist ein gelbes Bonbon, Mama.“

Ein kleines Mädchen blickte das Bonbon lachend an. Fast hätte das Bonbon vor Freude geschrien. Würde es jetzt wirklich gekauft werden?

Die Verkäuferin steckte das Bonbon in eine dunkle Tüte, es schwankte heftig und erneut war das gelbe Bonbon orientierungslos. Würde man es nun essen?

Es dauerte einige Zeit, bis es wieder Licht sah. Das Mädchen stand vor einem Haus und hielt das Bonbon in der Hand. Da sah das Bonbon zum ersten Mal die Straßen voller Zuckerguss.

Ehrfürchtig hielt es den Atem an. Alles um es herum war weiß – und wie das funkelte!
 

Im Haus sah das Bonbon eines der schönen Lebkuchenhäuser. Es stand neben kleinen Figuren, welche sich um ein Baby versammelt hatten. Das Kind hatte genauso gelbe Haare wie die Farbe des Bonbons.

Neugierig versuchte das Bonbon einen genaueren Blick auf die Figuren zu werfen, doch da wurde es plötzlich mit etwas kaltem an der Rückseite bestrichen und auf die Spitze des Lebkuchenhauses geklebt, genau so, dass es die Figuren ansehen konnte.

„Nun haben wir auch einen echten Stern für das Haus!“, verkündete das Mädchen und zeigte auf die Figuren.

„Jetzt kann der Stern dem Jesuskind leuchten.“

Das Bonbon erstarrte. Es sollte ein Stern sein? Das Bonbon hatte noch nie einen echten Stern gesehen, aber die Marzipanfiguren hatten immer erzählt, dass Sterne das schönste seien, was sie nachts sehen konnten. Sie leuchteten am Himmel und strahlten warmes Licht aus.

Das Bonbon blickte zu dem Baby in der Krippe.

„Ja, für dich will ich leuchten“, flüsterte es und strahlte von diesem Tage an wie ein echter Stern auf dem Lebenkuchenhaus.



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Kommentare zu diesem Kapitel (6)

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Von:  Vanilla_Coffee
2015-02-18T17:52:15+00:00 18.02.2015 18:52
Hallo :D
Ich hab dein Märchen hier durch Zufall gefunden und bin einfach verzaubert davon ♥
Es ist einfach so unheimlich süß und rührend und man freut sich richtig mit für das kleine gelbe Bonbon :D
Dein Schreibstil hier gefällt mir sehr und ich hoffe, dass du vielleicht noch mehr solcher süßen Märchen schreibst :)

LG
Amalia
Von:  lara_lianore
2015-02-01T02:15:24+00:00 01.02.2015 03:15
Was für eine süße Geschichte ^^ (im wahrsten Sinne des wortes xD ähem... *hüstel*)
Ich finde, es ist wirklich ein schönes Märchen und die Idee ist klasse. Bisher habe ich noch nie etwas aus der Sicht von Süßigkeiten gelesen, dabei passen sie doch so gut.
Nur kann ich die Leute nicht nachvollziehen, die das Bonbon nicht eher gekauft haben, ich mag Zitronen- und Orangenbonbons viel lieber als die süßen roten...

Ach ja, was mir auch noch aufgefallen ist, ist die Stelle, dass es Jahr um Jahr wartet - passt ziemlich gut in die Geschichte, aber eigentlich möchte ich kein Jahre-Altes Bonbon kaufen ;)
Antwort von:  DanteMaxwell
01.02.2015 16:34
XD ja, bestimmt schmeckt es auch nicht mehr ganz frisch. Oder bei diesem Bonbon ist es wie bei gutem Käse, der erst etwas liegen muss? Man munkelt, man munkelt. :)
Von:  Thuja
2012-04-06T09:53:24+00:00 06.04.2012 11:53
*strahlende Augen habe*
Ich weiß, dass zu einem Märchen zu sagen, ist einfallslos: aber es ist einfach märchenhaft
Das ist mehr als schön. Total toll ^_^
Ich kann es glatt noch mal lesen
Und ich wünschte gerade ich hätte Kinder. Denen würde ich das auch vorlesen
Total niedlich allein die Idee, das der Protagonist ein Bonbon ist. *grins*. Süße Protagonisten mag jedes Mädchen :D
Aber die Geschichte drum herum finde ich ebenfalls kreativ.
Und toll geschrieben. Dein Stil ist perfekt für das Märchen. Einfach und doch wunderbar zu lesen
Ein großes Lob für diese tolle Geschichte.

Von:  oOArtemisOo
2012-03-12T00:51:28+00:00 12.03.2012 01:51
Wundervoll, es steht den Märchem meiner Kindheit wirklich in nichts nach.
Mehr braucht man nicht sagen glaube ich.
Lg
Artemis
Von:  Floreane
2012-03-04T17:28:42+00:00 04.03.2012 18:28
Noch eine supersüße Geschichtenidee. Ich muss ja sagen, ich hätte das Bonbon sicher gekauft, ich mag Zitrone XD
Ich hoffe nur, dass in der Familie die Lebkuchenhäuser nicht am Ende vertrocknen, so dass sie keiner mehr essen mag... damit das kleinen Bonbon auch gelutscht wird und eingehen kann in das große Bonbon-Nirvana.
Mir gefällt es auch gut, dass mit der schönen Aufgabe als Stern das Märchen endet und das Bonbon nicht desillusioniert feststellt, dass gegessen zu werden doch nicht so toll ist. Das wäre dann so ein bisschen wie die Bonbon-Variante von Andersons Tannenbaum, und bei dem Märchen hab ich als Kind schon immer geheult.
Von: abgemeldet
2012-03-04T16:50:08+00:00 04.03.2012 17:50
Hallo.
Märchen? Ja, bei einem Märchen muss man doch reinschauen.
Den Titel finde ich schon recht märchenhaft und unglaublich. ;) Für die Kurzbeschreibung würde ich mir aber trotzdem fünf Worte zum Inhalt wünschen, da bin ich pingelig.

Mir gefällt der Einstieg in die Geschichte sehr gut. Über das Bonbon, das ganz normale Bonbon eben. Super.

Jede Süßware war hier noch von Hand hergestellt wurden.
Es hat sich ein kleiner Tippfehler eingeschlichen: "worden"

Es näherte sich wieder die Zeit des Zuckergusses
Eine tolle Umschreibung. Schließlich ist es aus Sicht eines Bonbons geschildert, das sich am besten mit Süßem auskennt. Ich mag das Zusammenspiel sehr.

Man könnte beinahe Mitleid mit dem kleinen Bonbon bekommen, wie es einfach zurückgelassen wird. Obwohl es doch auch schön ist, so eine Süßigkeit. Schade.
Es wird im Laufe des Kapitels ja sogar noch schlimmer! Du hast das wirklich gut beschrieben, wenn ich schon richtig mitfühle.

Und dann fragt man sich zwischendurch, ob es etwa einfach aufgelutscht wird. Und wieso es das eigentlich wollen würde. Sollten nicht alle Süßwaren im Laden sich verstecken?
Nun, zum Glück wurde es gefunden und hat so ein anrührendes Ende gefunden.
Gefällt mir sehr gut, dein kleines Märchen. Was soll man da groß sagen?

Liebe Schreibziehergrüße,
Turna


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