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Die Geflügelte Schlange - Schatten

* * make love, not war * * - Teil 2
von

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10. Boten

Nefut erwachte mit schmerzenden Schultern. Anscheinend hatte er die ganze Nacht Amemna in seinen Armen gehalten. Sie schlief noch, sah so schön aus wie nie zuvor, als seien die Geschehnisse der Nacht alle durch den Schlaf von ihr abgefallen. Nur der leichte Parfumgeruch an ihr erinnerte noch an den Vorabend, und Nefuts Dolchscheide, die ein Stück von Amemnas Bett entfernt auf dem Boden lag. Jetzt überwog wieder der Duft der Unirdischen und Nefut konnte nicht anders, als ihr Gesäß zu entblößen, mit dem sie sich an ihn geschmiegt hatte. Er streichelte es sanft, sie kippte, leise und höchst erregend schurrend, ihre Hüfte, so daß Nefut mit seiner Hand leicht ihre Vulva erreichen konnte und merkte, daß Amemna schon sehr feucht war. Offenbar tat sie nur so, als ob sie noch schliefe. Nefut küßte sanft Amemnas Nacken, zog während dessen sein eigenes Untergewand beiseite, und schob dann das Knie ihres Beines ein wenig nach oben um in sie einzudringen.
 

Amemnas Schnurren verstärkte sich, sie faßte zärtlich nach Nefuts Hand an ihrem Bein und verschränkte ihre Finger mit seinen. "Ja, nimm mich, Nefut, und dann nehme ich dich", flüsterte sie.
 

Es war so leise, daß Nefut erst dachte, er hätte sie falsch verstanden. Doch dann erreichte die Erkenntnis auch Nefuts Genitalien und seine Lust war plötzlich vergangen. Er ließ von Amemna ab.
 

"Ach Nefut", seufzte Amemna, "ich bin nun einmal nicht nurr eine Frrau", und sie drehte sich zu Nefut um. Ihr edles, weißes Untergewand war nicht zugeknöpft, so daß er in dieser Lage einen guten Blick auf eine ihrer wunderschönen Brüste hatte, deren Brustwarze vor Erregung noch immer fest zusammengezogen war. Und Amemna wirkte ehrlich traurig. "Es tut mirr wirrklich weh, dich so enttäuscht zu sehen, aberr ich möchte mich auch hin und wiederr einmal als Mann fühlen."
 

Nefut fühlte sich, als hätte sie ihm einen Schlag versetzt. Sie wußte doch, daß er in der Liebe seine Probleme mit ihrer männlichen Natur hatte. "Reicht dir die lüsterne Regentin nicht?" fragte er darum gehässig, auch wenn es ihm fast leid tat.
 

Amemnas Gesicht umwölkte sich. "Barrida will mich kastrrierren", sagte sie finster. Das war wohl Amemnas bildhafte Umschreibung für die Unersättlichkeit der Regentin.
 

"Du hattest mir gesagt, daß du mich liebst. Ist das nun plötzlich alles vorbei?" wollte Nefut flüsternd wissen.
 

Amemna strich ihm so zärtlich über den Bart, daß Nefut fast versucht war, sie zu küssen, aber er unterließ es. "Ich habe mich in dein Begehrren verrliebt, glaube ich", sagte sie fast entschuldigend, dann zog sie die Augenbrauen wieder zusammen. "Und seit gesterrn weiß ich nun, daß ich selbst dieses Begehrren in dirr ausgelöst habe, daß es nicht deine willentliche Entscheidung warr, sonderrn mein chelemverrfluchterr unirrdischerr Zauberr, wie du es nennst", aufgebracht hieb sie mit der Faust auf die Matratze.
 

"Aber ich habe mich in dich verliebt, nicht in deinen unirdischen Zauber, fr'tschan", hauchte Nefut in ihr Ohr.
 

Amemna rollte sich weg von Nefut auf den Rücken und schloß die Augen. "Aber du willst nurr eine Hälfte von mirr. Und das ist mirr nicht genug", sagte sie leise aber entschieden.
 

Nefut bekam plötzlich Angst, Amemna ganz zu verlieren, aber er wagte auch nicht zu fragen, ob er Amemna für ihre weibliche Hälfte denn überhaupt genug war. "Laß dich wenigstens von der Regentin nicht so schinden", flüsterte er statt dessen, denn Amemnas Stimmung konnte nur damit zu erklären sein. "Derhan und ich können dir helfen, ihr aus dem Weg zu gehen und den Vertrag dennoch nicht zu verletzen", raunte Nefut. "Eskerta parut'sker", ergänzte er in der Südländersprache, auch wenn es vermutlich schlimm geradebrecht war, verstand Amemna wohl, wovon Nefut sprach: von vertragserfüllendem Vertragsbruch.
 

In dem Moment klopfte es an der Tür. "Eine Nachricht von der Regentin für euch, Birh-Melack", hörte Nefut Derhans Stimme. Nefut sprang aus dem Bett, wickelte seine Haare zu einem Knoten, während Amemna sich eher gemächlich erhob, als wolle sie eine unliebsame Pflicht möglichst lange hinauszögern. "Du könntest zum Kriegsrat gerufen werden", gab er zu bedenken.
 

"Dann wärre die Nachrricht nicht von derr Rregentin", gab Amemna zurück. Sie zog das aufgeknöpfte Untergewand über den Kopf und begann sich zu waschen, mit besonderer Sorgfalt an ihren Genitalien.
 

Nefut merkte, daß Amemnas Duft an ihm haftete, obwohl er sie nur im Arm gehalten hatte. Er sollte sich also auch waschen und zog ebenfalls sein Untergewand aus.
 

Es klopfte wieder an der Tür. "Boten aus dem Heerlager", sagte Derhan knapp.
 

Das immerhin mochte wichtig sein. Nefut zog sein Untergewand unverrichteter Dinge wieder über, zog die Tür nur einen Spaltbreit auf und schlüpfte hinaus.
 

Derhan reichte Nefut mit betont ausdruckslosem Gesicht einen Brief und einige weiße Leinenbinden, die Nefut automatisch entgegen nahm. Die Boten aus dem Heerlager waren Oremar und ein kleiner, plump wirkender Jüngling mit Ma'ouwati-Turban und in Doshans abgeschnittenem Mantel. Konnte es sein, daß Derhan Hamarem bereits von ihrem Plan zur Ablenkung berichtet hatte?
 

"Brring mirr etwas zum Anziehen", befahl Amemna durch die fast geschlossene Tür.
 

Jetzt mußte also auch Oremar über Nefuts besonderes Verhältnis zu Amemna Bescheid wissen, doch wie Derhan verzog er keine Miene. Nefut erinnerte sich selbst daran, daß er sich zu seiner Liebe bekennen wollte, griff nach dem sauberen Untergewand des Birh-Melack, und kehrte in das Zimmer zurück.
 

Amemna zog sich das frische Untergewand an, knöpfte es zu. Erst dann griff sie nach dem Brief der Regentin, erbrach das Siegel und las mit steinerner Miene.
 

"Draußen wartet Oremar", erinnerte Nefut, als Amemna von dem Schreiben aufblickte und nahm seinen Dolch von dem Tisch neben dem Bett.
 

"Nefut, ich muß mich zunächst um meine Kastrration kümmerrn", sagte Amemna ernst.
 

"Ich dachte, das wäre bildlich gesprochen gewesen." Allein der Gedanke zog Nefut das Herz in der Brust zusammen. "War die Regentin gestern nicht zufrieden?"
 

Amemna schüttelte unwillig den Kopf. "Laß mich allein, Nefut." Sie hob die Dolchscheide vom Fußboden auf und warf sie Nefut zu. "Warrte", sagte sie dann plötzlich, "hat Orremarr eine Nachrricht von Hamarrem?"
 

"Das ist anzunehmen. Er ist mit einem Mawati-Jüngling hier."
 

"Schick den Jüngling herrein", befahl Amemna ihrem ehemaligen Zweiten.
 

Bevor er zur Tür ging, neigte Nefut sich zu Amemna und flüsterte ihr zu: "Es könnte sein, daß die Wände hier Ohren haben." Und sie nickte. Ihrem Blick nach hatte sie verstanden, was Nefut damit sagen wollte.
 

Nefut schickte den verkleideten Jüngling zu Amemna, dann ging er in das Zimmer, das die beiden Leibwächter Amemnas sich seit der vorvergangenen Nacht teilten. Er wusch sich endlich, kämmte sich die Haare, stutzte sich den Bart und konzentrierte sich ganz darauf, um nicht über Amemnas merkwürdige Stimmung grübeln zu müssen. Als er in das Vorzimmer zurückkehrte, sah er, daß Oremar und Derhan damit begonnen hatten, sich die Zeit mit einer Partie Bohnenspiel auf dem noch bereitliegenden Spielplan zu vertreiben.
 

Nefut schaute ihnen zu als er die letzten Knöpfe seines eigenen frischen Untergewandes schloß und fragte Derhan beiläufig: "Und was hält Hamarem von unseren Plänen zum Bohnenspiel?"
 

"Was für Pläne?" fragte Oremar viel zu laut.
 

"Ich habe sie Hamarem noch nicht vorgetragen", sagte Derhan, stand rasch auf, nahm seinen Mantel, das Ma'ouwatituch und sein Schwert. "Einen schönen Tag wünsche ich euch", und schon war er durch die Tür in den Gang hinaus.
 

"Der Birh-Melack wird zum Kriegsrat gerufen", kam es von einem vorbeieilenden Diener durch die noch offene Tür.
 

"Das ist ja wie in einem Taubenschlag hier", staunte Oremar beeindruckt.
 

Es war in der Tat viel hektischer, als am vorangegangenen Morgen, als Nefut sich für den Vormittag hatte entschuldigen dürfen. Er kopfte an die Tür zu Amemnas Zimmer. "Der Kriegsrat läßt euch bitten, Birh-Melack."
 

Erstaunlicherweise öffnete sich die Tür fast sofort. "Begleite mich, Nefut", befahl Amemna und schloß die Tür wieder. "Oremar, bleib bitte hier. Wir kommen zurück, wenn die Beratungen abgeschlossen sind."
 

*
 

Der große Raum wurde von einem riesigen Sandtisch bestimmt, um den die Befehlshaber des Heeresaufgebotes der Tetraosi und der Kriegsminister standen, die Nefut schon von der Beratung und der Vertragsunterzeichnung kannte. Er erinnerte sich, als Kind einmal einen ähnlich aufwendigen Sandtisch gesehen zu haben, als sein Vater ihn zu Schlachtplanungen mitgenommen hatte, damit er frühzeitig ein Verständnis für Strategie entwickelte. Nun war sein Platz jedoch nicht am Tisch, sondern nahe der Wand auf einer der Bänke, auf denen die Schreiber und Leibwächter der anderen Anwesenden saßen. Trotzdem blieb Nefut stehen, um wenigstens auf die Entfernung einen Blick auf den Tisch und die darauf aus Sand geformte Landschaft werfen zu können, mit Holzhäuschen, die Dörfer und Städte darstellten.
 

Der Feldherr der Tetraosi wies mit einer Hand aus dem Fenster des Beratungsraumes, auf die großen Wolkenschiffe, die am Himmel schwammen. Anscheinend war die Regenzeit näher, als Nefut angenommen hatte. "Angesichts des Wetterumschwunges, müssen die Feldlager in der Ebene möglichst noch heute abgebaut werden. Der Untergrund der Senke ist den Wolkenbrüchen nicht gewachsen. Die Lager müssen auf sicheren Boden verlegt werden", erklärte der Feldherr.
 

"Am besten wohl schon auf den halben Weg nach Hannai, nicht wahrr?" fragte Amemna und betrachtete den Verlauf einer breiten Straße zwischen den Städten, die wohl Hannai und Tetraos darstellten. "Was sind das fürr Hügel?" fragte sie dann bei einem Gebiet, das nicht ganz in der Mitte zwischen den beiden Städten lag.
 

"Das sind die Grasberge, dieser Boden ist vor dem Monsun sicher", erklärte nun einer der verbündeten Feldherren. "Und dahinter entspricht das Klima auch schon fast dem der maribischen Ebene. In einem halben Tag können wir Tarib erreichen", und er zeigte auf ein einzelnes Häuschen in den Grasbergen, "und dort auf die neu ausgehobenen Truppen warten."
 

"Die neuausgehobenen Truppen werden erst in ein bis zwei Tagen marschbereit sein", ließ sich der Kriegsminister vernehmen.
 

"Also müssen wirr heute nach derr Mittagsrruhe aufbrrechen oder einen Nachtmarrsch in Kauf nehmen", schloß Amemna aus dem Gehörten.
 

"Ein Nachtmarsch ist nicht zu empfehlen. Wir befürchten, daß in den Grasbergen noch Reste der Hannaiim stehen könnten", gab der Feldherr der Tetraosi zu bedenken. "Entsprechende Nachrichten erhielten wir in der Nacht."
 

"Das errschwert also möglicherrweise auch die Zusammenführrung mit den noch auszuhebenden Trruppenteilen", mutmaßte Amemna.
 

Der Feldherr der Tetraosi nickte. "Wir müssen versuchen, den Weg der neu ausgehobenen Truppen zu sichern. Vielleicht..."
 

"Die Regentin befiehlt den Birh-Melack sofort in seine Gemächer", ließ sich ein Diener vernehmen, dem einer der Schreiber die Tür geöffnet hatte.
 

Der Kriegsminister und der Feldherr der Tetraosi sahen nicht gerade glücklich aus, als Amemna sich höflich verneigte und dem Befehl nachkam. Nefut eilte ihr nach, dem Diener hinterher die Gänge entlang bis in die Gemächer, die Amemna und ihre Mawati bewohnten. Bei Oremar warteten zwei Männer und eine alte Frau. Der ältere der beiden Männer sagte: "Ich bin der Leibarzt der Regentin. Sie befahl uns, in einer Angelegenheit hierher zu kommen, von der ihr unterrichtet wurdet." Wurde jetzt also wirklich ernst gemacht mit der Kastration?
 

Aber Amemna war sehr ruhig. "Ja, ich weiß Bescheid. Die betrreffende Perrson warrtet in diesem Rraum", und sie öffnete die Tür zu ihrem eigenen Zimmer. Ob der als Mawati verkleidete Jüngling noch dort wartete? "Falls ihrr noch einen Wunsch habt, findet ihr mich wieder im Kriegsrat", sagte Amemna noch, ließ den Mann und die alte Frau das Zimmer betreten und schloß die Tür dann wieder von außen.
 

"Und was willst du?" fragte Nefut den anderen Mann.
 

"Seid ihr der Birh-Melack?" fragte er Nefut und streckte ihm einen Brief entgegen, umwickelt mit einem grünen Faden.
 

Nefut schüttelte den Kopf und Amemna war schon neben ihm. "Ich bin derr Birrh-Melack. Was ist das fürr ein Brrief?" fragte Amemna ungeduldig. Erklärtermaßen wollte sie ja zurück zum Kriegsrat. Und wenn bereits nach der Mittagsruhe der Aufbruch bevor stand, mußte auch das Heerlager unterrichtet werden.
 

Dr Bote starrte Amemna nur an, anstatt ihr den Brief, den er in der Hand hielt, zu reichen. "Ihr habt eigentümliche Verwandtschaft in Hannai", sagte er dann.
 

"Wovon sprrecht ihrr?" fragte Amemna nun barsch, streckte ihre Hand nach dem Brief aus.
 

"Ihr seht einem Mann ähnlich, den ich in Hannai kenne. Ich weiß nichts über seine Familie, aber dem Aussehen nach muß er ein Verwandter von euch sein, Birh-Melack", beeilte sich der Bote zu erklären und reichte Amemna auch endlich den Brief.
 

Amemna betrachtete Rück- und Vorderseite des Briefes. "Von wem kommt derr?"
 

"Von eurer Gattin, Birh-Melack", antwortete der Bote. Diese Gattin mußte die Tochter von Murhan sein, von der Amemna einmal gesprochen hatte.
 

Amemna nickte, machte aber keine Anstalten, den Brief zu öffnen. "Und von was fürr einem Mann in Hannai sprrecht ihrr?"
 

"Ein Mann von eurer Größe, mit eurem Profil, wohl mehr als doppelt so alt wie ihr. Allerdings ist er kein Oshey, und hat er weder so weiße Haare noch so helle Augen wie ihr, Birh-Melack."
 

"Natürrlich nicht", spottete Amemna.
 

"Und wenn ihr so verächtlich den Mund verzieht möchte ich sagen, ihr seid sein leiblicher Sohn", entgegnete der Bote mutig.
 

"Wie heißt derr Mann?" fragte Amemna mit offensichtlichem Interesse nach.
 

"Hemafas aus Menrish ist der Name, den er benutzt. Er wohnt im Südviertel, nahe des Königspalastes von Hannai. Ein wichtiger Mann, der aber, wie man so sagt, mehr im Verborgenen wirkt. Und es gehen Gerüchte, daß er in seiner Jugend ein Meuchelmörder gewesen sein soll." Was war das für ein Bote, den die Darashyprinzessin sich da ausgesucht hatte, wenn er mit Meuchelmördern auf vertrautem Fuße stand? Aussehen tat er wie ein gewöhnlicher Bauer.
 

"Das klingt wirrklich nach eigentümlicherr Verrwandtschaft", murmelte Amemna. "Warrtet ihrr noch auf Antworrt?" fragte sie dann, weil der Bote sie noch immer anstarrte.
 

Der Mann schüttelte den Kopf, verstand die Entlassung und beeilte sich, den Raum wieder zu verlassen.
 

Amemna sah den Brief eine Weile nur an, befühlte ihn und öffnete ihn schließlich, um ein goldenes Ohrgehänge daraus in ihre Hand zu schütteln. "Merrat", flüsterte Amemna und faltete den Brief auseinander, hielt ihn so, daß Nefut, der noch neben ihr stand, das Schreiben problemlos lesen konnte.
 

"Mein überaus geliebter Amemna,
 

ich war sehr erleichtert zu lesen, daß du der Gefangenschaft der Stammeslosen entkommen bist. Ich sehne mich so sehr nach deinen Berührungen, nach deiner Liebe, und es darf doch nicht sein, daß Amati ohne einen Bruder bleibt, der sie beschützen kann, wenn wir einmal nicht mehr sind.
 

Ich bin dir nachgereist und erreiche wohl zur morgigen Mittagsstunde das Heerlager, in dem sich die ehemaligen Söldner der Hannaiim befinden sollen. Ich teile dir hierdurch auch mit, daß ich nicht gedenke, deinen Scheidebrief zu akzeptieren. Schließlich bin ich keine rechtlose Städterin, die soetwas von ihrem Ehemann hinnehmen müßte. Ich bin ungeduldig, dich wieder in meine Arme zu schließen und mit dir endlich wieder der Göttin zu huldigen. Es war ein sehr einsamer Mond für mich.
 

In Liebe, Merat."
 

Amemna brauchte etwas länger als Nefut, den Brief zu lesen, so daß er Gelegenheit hatte, ihr Mienenspiel zu beobachten. Sie biß die Zähne aufeinander und zog unzufrieden die Augenbrauen zusammen. "Oshey'ha skerr", stieß sie dann sehr leise wie einen Fluch in der Südländersprache aus, Oshey Gesetze.
 

"Sie hat recht", erklärte Nefut ungefragt. "Sie muß den Scheidebrief nicht akzeptieren."
 

Als wurde sie sich erst jetzt seiner Gegenwart bewußt, sah Amemna Nefut an. "Geh ins Heerrlagerr und nimm meine Frrau in Empfang", befahl sie mit unnahbarem Gesichtsausdruck. "Und laß Hamarrem Wanack Perrdinim sagen, daß das Heerr nach derr Mittagsrruhe nach Süden aufbrricht. Derr offizielle Marrschbefehl kommt wohl in Kürrze "
 

"Soll ich deine Frau hierher bringen?" wollte Nefut wissen.
 

Amemna schüttelte den Kopf. "Nein, sag lieberr Derrhan, err soll sein Gepäck abholen und nimm deines gleich mit. Und du gehst mit ihm, Oremarr."
 

Nefut nickte so gehorsam wie Oremar, aber bewegte sich nicht vom Fleck. Wie sollte er Amemna nur nach der Kastration fragen?
 

"Was ist noch?" fragte Amemna ungeduldig.
 

"Hat dieser Arzt", und Nefut zeigte vage in Richtung von Amemnas Zimmer, "irgendetwas mit der Operation zu tun, von der du gesprochen hast?"
 

"Ich hoffe, es wirrd zu keinerr Operration kommen", antwortete sie entschieden. "Und nun muß ich zurrück zum Krriegsrrat." Brief und Ohrgehänge steckte sie in ihren Gürtel und eilte hinaus.
 

Nefut war nicht wohl dabei, Amemna ohne Leibwache zurückzulassen, aber vielleicht konnte er Derhan schnell genug wieder hierher schicken, damit er Amemna notfalls eine Hilfe war. Also suchte Nefut rasch sein Gepäck zusammen und verließ mit Oremar die Gemächer des Birh-Melack. Sie liefen die Treppen hinunter zu den Stallungen und ließen den Palast hinter sich, bevor irgendjemandem einfallen konnte, sie aufzuhalten. Vielleicht war diese Befürchtung unbegründet, aber nicht nur die Wolken der beginnenen Regenzeit schienen sich über dem Palast zusammenzuballen.
 

*
 

Nefut überließ es Oremar, beide Pferde in die Pferche zu führen und lief zum Mawatizelt. Aus dem Zelt war das Lachen von Frauen zu hören. Anscheinend war Merat Darashy bereits eingetroffen.
 

Es saßen fünf unbekannte Oshey, Hamarem, Derhan und ein Junge beim Tee und etwas abseits drei Frauen, die sich anscheinend gerade über das putzige Verhalten eines noch sehr kleinen Kindes freuten, das auf dem Schoß einer der Frauen saß.
 

Hamarem sprang auf, als er Nefut sah, schien sich dann erst wieder der geänderten Rangordnung zu erinnern und kam gemesseneren Schrittes zu ihm. "Was ist los?" fragte er.
 

Konnte Hamarem wirklich einen Anschlag auf Amemna geplant haben? Nefut war nicht in der Lage nachzuvollziehen, wie er überhaupt auf diesen Gedanken gekommen war. "Das Heerlager wird nach Süden verlegt", erklärte Nefut dann. "Nach der Mittagsruhe soll es losgehen. Amemna befiehlt, daß du dem Zweiten der Birh-Mellim Bescheid gibst." Hamarem nickte und zog sich zu seinem Lager zurück. Holte er für den Weg sein Schwert?
 

Nefut gelang es, Derhans Aufmerksamkeit zu erregen. "Derhan, du sollst dein Gepäck aus dem Palast holen. Das Heerlager wird nach der Mittagsruhe abgebrochen", rief Nefut ihm zu und erkannte plötzlich, daß der Junge, der neben Derhan saß, der Sohn der Amapriesterin war. Er war also hier im Zelt, obwohl er versucht hatte, Amemna zu töten. Dann waren Nefuts schlimmste Verdächtigungen gegen Hamarem anscheinend doch richtig gewesen! Und Derhan schien auch nicht unbeteiligt an dem Anschlag auf Amemna, so angelegentlich wie er sich mit dem Jungen unterhalten hatte. Ob es angesichts dessen klug war, Amemna ausgerechnet mit Derhan allein zu lassen? Doch Derhan hatte das Zelt schon verlassen.
 

Der Junge blieb sitzen, bis Hamarem ihm einen Brief in die Hand drückte. Der Attentäter machte also Botendienste für die Mawati. Was war hier los? Wie weit ging diese Verschwörung? Wußte auch Oremar darüber Bescheid? Er war ja derjenige gewesen, der noch bis vor kurzem in Amemna nur die Hülle eines Dämons gesehen hatte und nach Hamarems merkwürdigem Verhalten am vergangenen Vormittag, dem Anschlag und seiner und Derhans Freundlichkeit gegenüber dem jugendlichen Attentäter... "Habt ihr Nachricht von meinem Mann?" fragte plötzlich die jüngste der drei Frauen, die sich Nefut genähert hatte, während er den Jungen beobachtete.
 

Nefut raubte dieser Anblick für einen Moment den Atem. Sie war eine wahrhafte Prinzessin, mit großen, schwarzen Augen, glänzendem hüftlangen Haar und einem Kleid, das ihre wunderbar frauliche Figur in vornehmer Art und Weise zur Geltung brachte. Nefut mußte schlucken, bevor er ein Wort herausbrachte. "Ja, äh, er sagte, ich solle euch in Empfang nehmen. Der Birh-Melack wird hierherkommen, wenn der Kriegsrat beendet ist, denke ich, Herrin."
 

Nach einem betörenden Augenaufschlag fragte die Prinzessin: "Geht es meinem Mann gut?"
 

"Nun, er kämpft gerade, wie wir alle, damit, daß sich die Dinge überschlagen. Ihr hättet zu einem günstigeren Moment hier erscheinen können, Herrin", wagte Nefut zu behaupten.
 

Die Prinzessin lächelte verführerisch. "Welche Funktion habt ihr?"
 

"Ich bin einer der Leibwächter eures Gatten, Herrin", beeilte Nefut sich zu antworten.
 

"Nach dem, was ihr sagtet, müssen wir uns wohl auch wieder abreisebereit machen, nicht wahr?" fragte die Prinzessin mit hörbarem Bedauern in der Stimme.
 

"Nein, das heißt, ja, wir alle müssen nach der Mittagsruhe die Zelte abbrechen, aber ihr könnt selbstverständlich beim Heerlager bleiben, Herrin." Diese tiefschwarzen Augen verwirrten Nefut. War es einfach ihre Art oder zeigte sie ein auffälliges Interesse an dem körperlich größten Leibwächter ihres Mannes? Sie war selbst recht hochgewachsen, also eindeutig Murhans Tochter, und hatte ein so liebliches Gesicht, das es Nefut in jeder Menge magisch angezogen hätte. Ihre unglaublich großen Augen jedoch bannten ihn geradezu. Nefut, das ist die Frau deines Birh-Melack, rief er sich selbst zur Ordnung, die Frau deiner Geliebten. Sie ist für Amemnas andere, für ihre männliche Hälfte zuständig. Kein Wunder, daß Amemna sich fern von ihr als Mann unerfüllt fühlte. Die Prinzessin war bestimmt noch keine zwanzig Jahre alt und das Feuer ihrer Leidenschaft konnte Nefut in ihren Augen erkennen. Wieso nur hatte Amemna ihr einen Scheidebrief geschrieben anstatt sie zu sich zu holen?
 

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