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Die Geflügelte Schlange - Schatten

* * make love, not war * * - Teil 2
von

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18. Vollkommenes Glück (jugendfrei)

Ramilla kam zu den Mawati, deren Zelte inzwischen abgebaut und zusammengelegt auf einem der beiden Lastenkamele verstaut waren. Da sich der Knabe Nefut und Oremar gerade ein Stück entfernt befanden, begrüßte Hamarem seine Geliebte glücklich mit einem Kuß. "Meine Priesterin bleibt in Tetraos. Sie wird wirklich mit dem König verheiratet und holt Nefut zu sich", erklärte sie und winkte den Jungen, der gerade zu ihnen herüber sah, heran. "Deine Mutter läßt dich abholen", eröffnete sie ihm.
 

Nefut machte ein langes Gesicht. "Ich will lieber hier bei den Mawati bleiben." Seinen Widerwillen gegen das Gebot seiner Mutter konnte man förmlich greifen.
 

Ramilla schüttelte ermahnend den Kopf, legte eine Hand auf seine Schulter. "Gehorche deiner Mutter, Nefut. Wenn du älter bist wirst du sicher genügend Gelegenheiten haben, an einem Heerzug teilzunehmen. Und sei nicht wieder ungehorsam, denn ein weiteres Mal wird dich vielleicht niemand retten können."
 

Vor den finsteren Gedanken Nefuts mußte Hamarem sich willentlich abwenden, um nicht wieder in ihren Bann gezogen zu werden. Er sah Ramilla an. "Wirst du auch nach Tetraos gehen oder bleibst du hier im Lager." Immerhin war sie die Schülerin der Amapriesterin.
 

Ramillas Lächeln beruhigte Hamarem sehr. "Ich bleibe im Lager. Darf ich dich besuchen, wenn wir Tarib erreicht haben?"
 

Die begehrlichen Gedanken hinter Ramillas Worten waren so deutlich, daß Hamarem merkte, wie er plötzlich errötete. "Ich würde mich freuen, wenn du mich besuchst", antwortete er flüsternd.
 

Ramilla kam ganz nahe, küßte Hamarem auf die Wange. "Und mich freut es, daß es dich freut", flüsterte sie zum Abschied. Dann nahm sie die Hand des zornig zu Boden blickenden Nefut und ging mit ihm davon, vermutlich in den Teil des abgebauten Lagers, wo die Boten der Amapriesterin auf ihn warteten.
 

*
 

Hamarem und Oremar führten die Lastkamele und die überzähligen Pferde am Zügel, während sie mit dem Rest der Söldner nach Süden zogen, zurück dorthin, von wo sie vor zehn Tagen gekommen waren. Die anderen beiden Mawati und ihren Birh-Melack hatten sie seit dem Aufbruch aus der Ebene vor Tetraos nicht wieder zu Gesicht bekommen. Oremar schwieg zumeist und Hamarem hatte Zeit, von einer Zukunft mit Ramilla zu träumen. Ob ihr gemeinsames Kind auch ähnlich bunt gefleckte Augen wie er selbst bekommen würde? Ob es insofern der niedlichen Tochter der Darashyprinzessin ähneln würde? Hamarem dachte zurück an Derhans Bekenntnis, daß das höchste Entzücken für ihn nicht das Zeugen des Kindes gewesen sei, sondern das Kind leibhaftig in den Armen zu halten. Hamarem meinte, nun eine Ahnung davon zu haben, wieso Derhan so empfand. Ein Kind war das lebendige Zeichen der Verbundenheit und Liebe zu einem anderen Menschen, geradezu die eigene Zukunft in Form eines kleinen, hilfsbedürftigen Wesens. Was konnte es Schöneres geben, als diese Zukunft in den Händen zu halten, sie wachsen zu sehen, selbst dafür zu sorgen, daß sie gedieh und weitere Früchte trug.
 

Während der Rast lagerten sie mit einem Großteil der mit den Söldnern ziehenden Priesterschaft um einen Brunnen. Hamarem hoffte im Stillen, daß er irgendwie Gelegenheit bekam, wenigstens ein paar Worte mit Ramilla zu wechseln, aber statt dessen kam ein junger Orempriester zu ihm. Es war einer von denen, die zwei Tage zuvor mit Hamarem über die Rückkehr der Orempriesterschaft in das Heerlager gesprochen hatten. "Wir brauchen eure Hilfe", begann der Priester, sichtlich verstört. "Ihr kennt doch alle Priester und Gottgeweihten hier im Lager, nachdem ihr ja für die Zivilisten im Lager zuständig seid, nicht wahr?"
 

Unwillig, sich von seinen Zukunftsträumen abzuwenden, hielt es Hamarem doch für richtig, die Vorstellungen des jungen Priesters zu korrigieren. "Alle kenne ich nicht." Als sich daraufhin deutliche Unruhe in den Kräften um den jungen Priester manifestierte, versuchte Hamarem, ihn zu beschwichtigen. "Ich kenne jedoch alle Gruppen, so daß wir sicherlich jedermann hier im Lager ausfindig machen können."
 

"Unser ehrwürdiger Vater ist verschwunden", rückte der Priester dann mit der Sprache heraus, in gedämpftem Ton, anscheinend damit Oremar, der in der Nähe saß, nicht zu viel zu hören bekam. "Gestern abend wollte er sich mit einem anderen Priester aus dem Lager treffen, den er vor vier Tagen kennengelernt habe, wie er sagte. Der ehrwürdige Vater war offensichtlich beunruhigt über irgend etwas, sprach von Dämonen und Unirdischen und daß er sich mit dem anderen Priester auch darüber unterhalten hätte und nun dessen Meinung zu jener beunruhigenden Entdeckung hören wolle, die er gemacht habe."
 

"Was für eine beunruhigende Entdeckung meinte euer ehrwürdiger Vater denn?" wollte Hamarem wissen. Er selbst hatte sich vor vier Tagen mit dem uralten Orempriester unterhalten, über Unirdische und ihre Nichtmenschlichkeit. Aber der ehrwürdige Vater konnte kaum Hamarem gemeint haben, da er ja von einem anderen Priester gesprochen hatte und der ehrwürdige Vater wußte, daß Hamarem sein Priesteramt schon vor ein paar Jahren niedergelegt hatte.
 

"Das wissen wir nicht. Er hat uns nichts Näheres gesagt. Als unser ehrwürdiger Vater heute morgen noch nicht zurückgekehrt war, nahmen wir an, er hätte mit dem anderen Priester noch bis spät in die Nacht diskutiert und dann bei ihm übernachtet, aber als zur Mittagszeit das Signal zum Aufbruch durch das Lager ging, war er noch immer nicht zurückgekehrt und wir begannen, uns Sorgen zu machen."
 

"Er ist nicht vielleicht an unserem Lagerplatz bei Tetraos zurückgeblieben? Viele Verwundete der Schlacht blieben in der Obhut einiger Priester des Ungenannten zurück", gab Hamarem zu bedenken.
 

Aber der junge Priester schüttelte besorgt seinen Kopf. "Das haben wir bereits nachgeprüft."
 

Hamarem war sich sicher, daß es während des Heerzuges nicht möglich war, einen einzelnen Mann in der Menge zu finden. "Ich werde die Lagerwachen und die Reiterei, die für unsere Bedeckung sorgt, darauf hinweisen, daß der ehrwürdige Vater verschwunden ist. So werde ich sicher sofort erfahren, falls er irgendwo zurückgeblieben ist oder sich offensichtlich irgendwo im Heerzug befindet. Ansonsten kann ich euch nur bitten, bis zu unserer Ankunft in Tarib zu warten und darauf zu vertrauen, daß Orem die seinen beschützt."
 

"Könnt ihr denn nicht irgendwie nach ihm suchen lassen?" drängte der junge Priester.
 

Hamarem schüttelte den Kopf. "Es ist alles in Bewegung. Wie könnte man da einen einzelnen Mann finden? Ich werde nach ihm suchen lassen, wenn das neue Heerlager errichtet worden ist und auch den Befehlshabern von dem ehrwürdigen Vater berichten. Dann sollten wir ihn finden, wenn er sich denn im Lager befindet."
 

Notgedrungen gab sich der junge Priester mit Hamarems Antwort zufrieden, verabschiedete sich und ging. Hamarem aber wurde das Gefühl nicht los, daß der ehrwürdige Vater doch mit ihm hatte sprechen wollen, aus welchem Grund auch immer. Was mochte ihn daran gehindert haben? Hamarem war den ganzen vergangenen Abend und die  Nacht im Lager gewesen, wenn er auch nicht die ganze Zeit im Mawatizelt verbracht hatte. In den frühen Morgenstunden hatte er ja kurz die Amapriesterin in ihrem Zelt aufgesucht. Und dann fiel ihm ein, daß er bei Amemna noch Abbitte für seine Worte am Vortag zu leisten hatte. Um zu verhindern, daß seine Gedanken wieder in einem undurchdringlichen Geflecht aus Schuldgefühlen und unangemessener Begierde seinem Birh-Melack gegenüber gefangen wurden, versuchte er, das Problem eines vertraulichen Gespräches mit dem Birh-Melack rein wissenschaftlich zu betrachten.
 

Er mußte bald mit Amemna sprechen und bis dahin einen Weg finden, die gegenseitige Erhitzung zu verhindern. Da es durch ihrer beiden unirdischen Fähigkeiten zu dem bereits mehrfach erlebten Hochschaukeln der Lust kam, wenn einer von ihnen sich an eine amouröse Begegnung erinnerte, mußte Hamarem also seine eigenen unirdischen Fähigkeiten irgendwie unterdrücken. Und er erinnerte sich an die Schlacht gegen die Tetraosi vor sieben Tagen. Da hatte er die Kräfte nur gedämpft wahrgenommen und die Gefühle anderer praktisch gar nicht geteilt - als die Betäubung des am Vorabend eingenommenen Stechapfelsuds noch wirkte. Bisher hatte er den in Hannai gekauften Stechapfelsud noch immer nicht weggegossen, vielleicht erwies sich das nun als Segen. Für den gewünschten Effekt mochte sogar eine Dosis von wenigen Tropfen ausreichen, die Hamarem nicht vollkommen betäubte. Dann wäre es, als sitze seinem Birh-Melack ein beliebiger Mawati gegenüber. Vielleicht konnte Ramilla ihm helfen, die richtige Dosis zu bestimmen, indem er den Sud tropfenweise einnahm und an ihr prüfte, wie viel ihrer Gefühle und Gedanken er noch wahrnahm. Doch dann mußte er ihr sagen, was er damit zu verhindern suchte, und mit dem ihr eigenen Scharfsinn würde sie sicher erkennen, wie viel Hamarem an Amemna gelegen war und welcher Art sein Interesse an dem schönen, jungen und aller Wahrscheinlichkeit nach zweigeschlechtlichen Birh-Melack war, obwohl er doch in Ramilla eine ebenso schöne und fast ebenso junge Geliebte hatte, die einem Mann Erfüllung genug schenkte. Vielleicht würde sie sich beleidigt oder sogar verletzt von ihm abwenden. Und Hamarem versuchte, wieder von einer kinderreichen Zukunft mit Ramilla zu träumen.
 

*
 

Mit dem Einbruch der Dunkelheit erreichten sie endlich den neuen Lagerplatz. Hamarem erinnerte sich an das Gespräch mit dem Orempriester und schickte Nachricht an die tetraosischen Lagerwachen, daß der ehrwürdige Vater der Orempriesterschaft vermißt wurde und schließlich setzten er, Oremar und Derhan sich gemeinsam zum Nachtmahl an das Kochfeuer. Sogar Nefut kam endlich dazu, zusammen mit einem rothaarigen Ostler.
 

Der Ostler trug den Mantel und das Ma'ouwati-Tuch, die Nefut noch während des Aufbruches des Heerlagers mit sich genommen hatte, außerdem ein kurzes Ostlerschwert an einem Ledergürtel, den er quer über der Brust trug. Das war also der neue Mawati.
 

Der Ostler nahm wie Nefut das Ma'ouwati-Tuch ab und verneigte sich ohne zu Zögern vor Hamarem. "Ich bin Jochawam, ein ehemaliger Eunuch aus dem Besitz der Regentin von Tetraos", stellte er sich vor. Die in leichter Bewegung um ihn befindlichen Kräfte ließen darauf schließen, daß dieser Satz mit Bedacht formuliert worden war. "Meine Gebieterin schenkte mich eurem Herrn, dem es wiederum gefiel, mich freizulassen und seiner Wannim einzugliedern."
 

Hamarem lud den Ostler ein, sich zu setzen. Im Licht des Kochfeuers sah man, daß sein schon etwas faltiges Gesicht nicht rasiert sondern, wie bei Amemna, völlig bartlos war. In Hannai und im Gefolge von Fürsten, die das Oremorakel in Harna besucht hatten, waren Hamarem schon solche jünglingshaften Männer aufgefallen, Sklaven in einem Harem und ergebene Diener ihrer Herren, doch keiner davon hatte den Eindruck gemacht, mit der Waffe dienen zu können. Hamarem hatte sich selbst mehr Fertigkeiten im Kampf zugetraut als den Eunuchen. Dieser Mann vor ihm jedoch war trotz seines Aussehens kein Eunuch, das war deutlich. Und wenn er meinte was er sagte und er wirklich ein ehemaliger Eunuch war, konnte das nur bedeuten, daß hier irgendwie die Heilungskräfte des Birh-Melack ins Spiel gekommen waren. Der Blick, mit dem ihn der Ostler musterte, war beunruhigend wissend. Er hatte erkannt, daß Hamarem ihn durchschaute, aber es war, als habe er ihm erlaubt, ihn zu durchschauen.
 

Nefut sagte zunächst nichts, sondern machte sich über den Rest des Nachmahles her, gab immerhin auch dem Ostler eine Portion ab. Doch dann sah er Derhan eine Weile über das Feuer hinweg an und fragte: "War es eine angenehme Aufgabe, sich um die Prinzessin zu kümmern? Ich sah, daß ihr euch recht angeregt unterhalten habt." Völlig unangemessene Eifersucht lag in den Kräften um Nefut. Oder galt diese Eifersucht nicht Derhan, sondern Amemnas Gattin, deren Anwesenheit Nefut jetzt den Weg in Amemnas Arme verwehrte?
 

"Sie ist eine interessante Frau", gab Derhan zurück. "Und sie hat Familiensinn." Er ließ Nefut bei dieser Antwort nicht aus den Augen.
 

Die Kräfte um Nefut reagierten auf die Worte wie auf einen Schlag. Aber er presste nur die Kiefer aufeinander und entgegnete nichts. Die Spannung zwischen ihm und Derhan war jedoch für alle greifbar. Ob auch Derhan wußte, daß Nefut und Merat Geschwister waren? Seine Worte legten es nahe.
 

In das peinliche Schweigen hinein betrat schließlich Amemna das Mawatizelt. Sogleich versuchte Oremar, Nefut den Topf mit dem Essensrest zu entreißen. "Herr, wollt ihr noch etwas von dem Nachtessen?" fragte er.
 

Amemna schüttelte den Kopf. "Ich habe keinen Hungerr. Drrei von euch werrden mich morrgen als Leibwache auf den Aufklärrungsrritt begleiten, macht unterr euch aus, werr das sein soll. Die anderren bleiben hierr und sorrgen fürr die Sicherrheit meinerr Frrau", bestimmte er. "Mit dirr, Hamarrem", und seine grauen Augen musterten Hamarem mit einem einschüchternden Blick, "will ich morrgen in allerr Frrühe rreden, ungestörrt, also sorrge dafürr, daß du deine sonstigen Pflichten delegierrst."
 

Hamarem nickte. Die Kräfte um Amemna waren mit besorgniserregender Heftigkeit in Bewegung, aber alles was Hamarem von ihm wahrnahm, war so etwas wie Ungeduld. "Wollt ihr einen Bericht über die Zivilisten, die im..."
 

"Du wirrst morrgen errfahrren, was ich will", schnitt Amemna ihm das Wort ab.
 

Hamarem hatte den Eindruck, Amemna wappnete sich für einen bevorstehenden Kampf. Er regelte alles Wesentliche für den kommenden Tag, duldete aber keine Ablenkung in seiner Konzentration auf die unmittelbar bevorstehende Aufgabe. Was hatte er vor? Wollte er seiner Gattin von Nefut und ihrer besonderen Beziehung unterrichten? Es schien fast so, denn er gab dem Ostler ein mehrfach gefaltetes Stück Papyrus. "Brring das meinerr Frrau, wenn du mit dem Essen ferrtig bist", sagte er. "Und du kommst jetzt mit, frr'tschan", befahl er Nefut dann und wandte sich zum Gehen, ohne sich zu vergewissern, ob Nefut ihm tatsächlich folgte. Fast wehmütig sah Nefut auf den Rest, der sich noch immer in dem Kochtopf befand, sprang dann aber gleich auf, um seinem Herrn zu gehorchen. Hamarem sah, wie die Kräfte um Nefut vor Begierde zu glühen begannen, dann verschwanden er und Amemna im Birh-Melack-Zelt und sein Eingang wurde verschlossen.
 

Demnach schienen Hamarems Worte glücklicherweise keinen bleibenden Schaden verursacht zu haben, wenn Amemna Nefut so offen zu seinem Lager rief und Nefut dem mit ebenso großer Offenheit nachkam. Hamarem hatte also Grund zu der Hoffnung, daß Amemna bei dem Gespräch am kommenden Morgen geneigt war, seine Entschuldigung anzuhören. Davor mußte er nur die richtige Menge des Stechapfelsuds zu sich nehmen.
 

"Sie tun es wirklich, nicht wahr?" fragte Oremar plötzlich in die Runde.
 

Derhan nickte. "Ja, sie treiben es wie die Ostler", dann wurde ihm anscheinend bewußt, wer mit ihnen am Kochfeuer saß. "Entschuldige, Jochawam. Ich wollte dich nicht beleidigen."
 

"Sieh dich lieber vor, nicht respektlos von deinem Birh-Melack zu sprechen", ermahnte Hamarem ihn. Zumal Nefut vermutlich keinem Mann beiwohnte, wenn er mit Amemna Intimitäten pflegte.
 

"Tu nicht so, Hamarem. Du weißt doch auch, was Nefut und unser unirdischer Birh-Melack treiben", gab Derhan aufgebracht zurück. "Soviel wirst sogar du von der Südlersprache verstehen. Das hat nichts mit mangelndem Respekt meinerseits zu tun, sondern eher mit mangelnder Diskretion auf seiten unseres Birh-Melack. Immerhin ist sein Eheweib hier im Lager!"
 

"Diskretion ist wohl nicht gerade eine Stärke dieser Wannim", ließ sich in dem Moment Ramilla vom Zelteingang her vernehmen. Sie lächelte Hamarem so verheißungsvoll an, daß er die anderen drei Männer ignorierte und aufsprang, um sie in die Arme zu schließen.
 

"Immerhin du hast halbwegs Vernunft angenommen, Hamarem", brummte Derhan noch leise, dann half er Oremar, das Geschirr zu säubern und das Frühstück vorzubereiten. Der Ostler war unbemerkt verschwunden.
 

Ramillas Glut und der Duft ihrer Erregung begannen bereits, Hamarem zu erhitzen. "Bitte, alle wissen schon Bescheid", flehte er peinlich berührt, als Ramilla ansetzte, ihm die Lippen mit einem Kuß zu verschließen.
 

"Wo liegt dann das Problem, wenn alle Bescheid wissen?" fragte sie herausfordernd. Bevor Hamarem einen Gedanken fassen konnte, raubte Ramilla sich einen Kuß und zog Hamarem dann zu seinem Lager. Diesmal begann sie, in aller Eile Seile zu spannen und Decken darüber zu hängen, um ein ungestörtes Plätzchen zu haben, das durch das noch immer brennende Kochfeuer sogar erstaunlich gut beleuchtet war. Hamarem konnte bei respektlosen Äußerungen der anderen Mawati zwar auf seinen Status als Zweiter der Wannim pochen, aber er hoffte, daß Ramilla bald wieder im Zelt der Ama diente, denn dann konnten sie beisammen sein, ohne daß Oremar und Derhan praktisch neben ihrem Liebeslager das Bohnenspiel spielten.
 

Ramilla umschlang Hamarem geradezu, als sie endlich auf seinem Lager saßen und entlockte ihm so ungewollt ein begehrliches Stöhnen. Nur einen Moment erstaunt über seinen Körper, der allen Bedenken über das Publikum jenseits der Decken zum Trotz sogleich auf die Berührungen antwortete, ergab Hamarem sich schnell dem Rausch der Lust, der ihn erfaßte. Ramilla erzitterte unter seinen Berührungen, als er sie hastig entkleidete, stöhnte laut, doch war es Hamarem in diesem Moment einerlei, selbst wenn es noch zwei Zelte weiter zu hören gewesen wäre. Er wollte nur Ramilla zur vollkommenen Befriedigung verhelfen, ihr mit seinem Körper dienen um dann selbst ihre Ekstase in sich aufnehmen zu können wie erquickendes Wasser oder süßen Honig.
 

Seltsame Echos der Lust erschütterten die Kräfte um Ramilla und Hamarem kurz nachdem sie das Ziel ihres Bemühens erreicht hatten, als wäre plötzlich die ganze Wannim in geiler Umnachtung übereinander hergefallen und fast verlor Hamarem wieder einmal in Ramillas Gegenwart das Bewußtsein.
 

"Bist du noch bei mir?" fragte sie, den Kopf an seine Brust gelegt.
 

"Ich bin noch bei dir", flüsterte Hamarem zurück. Er vermutete, daß diese eindeutig aus mehr als zwei Quellen stammenden Schwingungen der Kräfte aus dem Zelt des Birh-Melack zu ihnen gedrungen waren. Um nicht zu überlegen, um wen es sich bei diesen Quellen gehandelt haben mochte, zog Hamarem Ramilla enger an sich und sang für die Mutter seiner ungeborenen Kinder ein Lied über die Liebe, ihre Erwiderung und das damit gefundene vollkommene Glück.
 

"Das war ein schönes Lied", flüsterte Ramilla eine ganze Weile nachdem der letzte Ton verklungen war. Aber woher kam dieses Gefühl der unerfüllten Sehnsucht?
 

Von Ramilla sicher nicht. Die Kräfte hatten sich wie eine Decke um sie gelegt und sie schmiegte sich sehr zufrieden an Hamarem, küßte zärtlich seinen Hals, streichelte mit einer Hand seinen Bart, mit der anderen seine Brust. Hamarem beugte sich über sie und küßte sie auf die Lippen und genoß ihre warme, nachgiebige Gegenwart. Ramilla strich ihm die Haare hinter die Ohren, sah lächelnd zu ihm auf. "Du machst mich sehr glücklich", flüsterte sie. "Ich wünschte, wir könnten für immer hier liegen."
 

Hamarem mußte lachen. "Das wünschte ich auch, und doch wird es nicht möglich sein", flüsterte er zurück. "Ich muß morgen früh mit meinem Herrn sprechen und du wirst irgendwann wieder ins Amazelt zurückkehren müssen." Außerdem mußte er noch herausfinden, wie viel des Stechapfelsuds nötig war, um seine unirdischen Fähigkeiten wirksam zu dämpfen.
 

"Ich bin jetzt die Priesterin. Ich werde nicht die ganze Nacht bei dir bleiben können", flüsterte Ramilla wieder mit leichtem Bedauern in der Stimme. "Morgen abend werde ich wiederkommen, für eine Weile." Sie erhob sich zum Sitzen, umarmte Hamarem und küßte ihn auf die Wange.
 

"Ich brauche noch deine Hilfe", bat Hamarem.
 

"Wobei?" wollte Ramilla wissen, während sie sich das prachtvolle, perlenbestickte Brustband wieder umband, das Hamarem vor kurzem erst mühsam gelöst hatte. Dann schlüpfte sie in ihr Kleid, legte den Schleier auf ihren Schoß.
 

Hamarem nahm die Phiole mit dem Stechapfelsud aus seiner Tasche.
 

"Was ist das?" fragte Ramilla neugierig, nahm die Phiole aus Hamarems Hand und zog den Korken heraus. Sie roch vorsichtig am Inhalt. "Das riecht wie sehr starker Oinos, mit irgendwelchen Auszügen. Wofür willst du das verwenden?"
 

"Das ist Stechapfelsud, vermutlich ist die Aufkochung mit Oinos versetzt worden, da kannst du recht haben. Es wirkt anders, als der Sud, der in Harna verwendet wird. Er betäubt auch meine unirdischen Fähigkeiten."
 

"Wozu willst du die denn betäuben? Ich mag es, wenn du mit den Kräften um mich spielst", Ramilla grinste frech. "Und es kann gut sein, daß es allein der Oinos ist, der auf deine Fähigkeiten wirkt und nicht der Stechapfel. Deswegen wird doch das Rauschfest bei den Ostländern gefeiert." Auf Hamarems fragenden Blick ergänzte Ramilla: "Der Held Buhachan hatte den Fürst der Dämonen zu einem Wettrinken gefordert und konnte ihn in berauschtem Zustand töten, weil dessen Kräfte gelähmt waren. Und diese Dämonenkräfte werden sehr ähnlich beschrieben wie diejenigen der Unirdischen, von denen die Legenden der Nordländer berichten."
 

"Du meinst also, der Oinos reduziert uns alle auf unsere menschliche Natur, bis er uns die Besinnung ganz nimmt?" fragte Hamarem, der zwar noch nichts vom Rauschfest gehört hatte, aber schon einige wilde Geschichten über die Wirkungen des Oinos.
 

"Wozu willst du deine Kräfte betäuben, Hamarem?" fragte Ramilla noch einmal.
 

Hamarem roch selbst an der Phiole und verschloß sie schnell wieder, als der stechende Geruch in seine Nase drang. Ramilla hatte recht, es konnte sich um sehr starken Oinos handeln, der diesen Geruch und das Brennen im Hals verursachte.
 

"Antworte mir, Hamarem. Stechapfel ist keine Droge, die man leichtfertig zu sich nimmt", drängte sie.
 

Hamarem verwünschte Ramillas Bildung und ihren Verstand, und schämte sich gleich darauf dafür. Er atmete tief durch, es half ja nichts, irgendwann mußte Ramilla es erfahren. "Ich habe morgen in aller Frühe eine Unterredung mit meinem Birh-Melack. Ich möchte verhindern, daß ich wieder seine Gedanken und seine Gefühle aufnehme", raunte er ihr zu.
 

"Warum fürchtest du, seine Gefühle und Gedanken aufzunehmen? Ich finde, dein Birh-Melack sieht wie ein anständiger junger Mann aus, und ich dachte, er sei dir sympatisch", flüsterte Ramilla dicht an seinem Ohr.
 

"Wenn du wüßtest", entgegnete Hamarem und hätte sich am liebsten auf die Zunge gebissen.
 

"Wenn ich was wüßte?" stieß Ramilla sofort nach.
 

"Ja, er sieht aus wie ein anständiger junger Mann und er ist mir sympatisch, sehr viel mehr als sympatisch. Meine Gefühle für ihn sind denen, die ich für dich hege sehr ähnlich", gestand Hamarem leise.
 

Ramilla strich lächelnd über Hamarems Bart. "Oh, mein armer, geliebter Oshey. Will sich dir die Göttin auch in ihrer männlichen Gestalt nähern?"
 

Hamarem wäre am liebsten vor Scham im Boden versunken und Ramilla spottete über ihn. Immerhin war sie nicht zornig über diese Eröffnung, also nickte er zaghaft.
 

"Aber dein Birh-Melack scheint dem doch nicht gerade abgeneigt zu sein, was man so hört. Warum fürchtest du seine Gedanken? Sind sie zu begehrlich auf seinen Zweiten gerichtet?" flüsterte sie mit einem anzüglichen Grinsen.
 

"Ach, spotte nicht, Ramilla", bat Hamarem. "Es beunruhigt mich, was mit ihm und mir passiert, wenn er meine und ich seine Gedanken und Gefühle teile."
 

"Was passiert denn?" fragte Ramilla mit etwas mitfühlenderem Gesichtsausdruck nach.
 

Wie sollte er das seiner Geliebten erklären? Nun, sie kannte sich immerhin mit Gelüsten und Begierden aus. "Es genügt schon, wenn ich in seiner Gegenwart an eine erregende Situation denke. Er nimmt meine Gefühle auf und ich wiederum seine, so daß das Begehren, die Lustgefühle sich rasch potenzieren und hochschaukeln, bis zur bitteren Konsequenz."
 

"Nicht so bitter", berichtigte Ramilla ihn grinsend. "Zumindest was dich betrifft, mein Liebster."
 

"Das ist eine ernste Sache", wies Hamarem seine Geliebte zurecht. "Ich kann nicht wagen, mit meinem Birh-Melack ein vertrauliches Gespräch zu führen, und das, obwohl ich sein Zweiter bin."
 

"Meine Priesterin hätte in diesem Fall gesagt, daß ihr die ungelöste Spannung gemeinsam abbauen müßt", gab Ramilla mit geradezu wissenschaftlichem Ton von sich.
 

Hamarem mußte einen Moment überlegen, was Ramilla damit meinen mochte. "Du denkst, ich, daß heißt wir, also Amemna und ich sollen..." stotterte er.
 

"Ich denke, du solltest ihm deine Gefühle offenbaren", stellte Ramilla klar.
 

"Er weiß doch längst davon, er muß es wissen, er hat meine Gedanken gehört", und der junge Birh-Melack war peinlich berührt, ja bestürzt darüber gewesen.
 

"Wenn es dir ernst mit diesen Gefühlen ist, sag es ihm, sprich es aus", sagte Ramilla jetzt ernsthaft.
 

"Aber er hat Nefut erwählt und mir doch schon bei unserer ersten Erhitzung gesagt, daß es ihm peinlich ist, daß ich ihn so erregt gesehen habe", rechtfertigte Hamarem sich.
 

"Vielleicht ist es ihm peinlich gewesen, weil ihm etwas an dir liegt, oder vielleicht weil er sich nicht vorstellen kann, daß ein Oshey, ein ausgewachsener Orempriester, sich über einen momentanen Augenblick der Verwirrung hinaus wirklich zu ihm hingezogen fühlt, denn eure Schriften erlauben ja nicht, daß Männer miteinander die Göttin feiern, und er tritt als Mann auf. Nach dem allerdings, was euer neuer Mawati erzählt, soll er ja ein Göttlicher Zwitter, Ka'awata, sein."
 

Hamarem nickte. "Ja, Amemna ist wohl zweigeschlechtlich, wenn ich alles richtig gedeutet habe. Aber wieso äußert sich Jochawam zur Natur unseres Birh-Melack?" wollte er dann wissen.
 

"Weil zu den Geliebten deines Birh-Melack offenbar nicht nur seine Gattin und Nefut gehören."
 

"Du hast gelauscht", unterstellte Hamarem seiner Geliebten. Aber es überraschte ihn nicht zu hören, daß der Ostler Jochawam Amemnas Gunst erlangt hatte, denn das erklärte, wie es zur Heilung einer so intimen Verletzung wie einer Verschneidung kommen konnte.
 

"Es war nicht nötig zu lauschen, ihr wart laut genug", entgegnete Ramilla. "Gehst du also morgen früh zu ihm und sagst ihm geradeheraus, was du für ihn empfindest?"
 

"Aber was ist mit dir?" wollte Hamarem zögernd wissen. Wenn Amemna sein Traumversprechen wirklich wahr machte und Hamarem erlaubte, sich mit ihm zu vereinigen, wie mochte Ramilla darauf reagieren?
 

"Was soll mit mir sein? Ich werde die Zeit genießen, die wir beide haben, bis unsere Wege sich wieder trennen. Und ich hoffe darauf, einen Sohn von dir aufziehen zu können", sagte sie sachlich.
 

"Und ich dachte, du liebst mich wirklich." Hamarem war enttäuscht.
 

"Ich liebe dich wirklich, Hamarem. Aber du verkennst offenbar unsere Situation. Ich werde dir niemals als dein Weib folgen können, solange ich Priesterin der Ama bin. Und du wirst mich in dieser Zeit auch niemals allein für dich haben. Es werden vielleicht sogar andere Männer kommen, die solche tiefen Gefühle in mir wecken, wie du es tust. Warum sollte ich also versuchen, dir zu verwehren, ebenfalls anderen Gelüsten zu folgen? Und wie könnte ich auch nur daran denken dir zu verbieten, mit einem Gefäß der Göttin das Lager zu teilen? Ich überlege eher, dich zu bitten, für mich ein gutes Wort einzulegen, damit auch ich in den Genuß seiner Gegenwart kommen kann." Hamarem merkte, daß sie in vollem Ernst sprach. "Und das mit dem Stechapfelsud laß sein. Du bist ein Mann. Sprich offen mit deinem Birh-Melack und verlange eine ebenso offene Antwort von ihm. Mit deinen unirdischen Fähigkeiten wirst du feststellen, was wirklich in seinem Herzen vorgeht."
 

Hamarem fühlte sich wie als kleiner Junge, wenn er von seiner Großmutter belehrt wurde. Und da nahm Ramilla ihm auch schon die halb vergessene Phiole aus der Hand und steckte sie tief in die Satteltasche zurück, aus der Hamarem sie gezogen hatte. Er liebte sie so sehr, daß es fast wehtat. "Dann laß uns hoffen, daß er weiterhin uninteressiert an mir ist", flüsterte er, legte die Arme um Ramilla und streichelte ihr weiches Haar.
 

"Du Lügner", raunte sie in sein Ohr. "Danke lieber der Göttin für das Geschenk, das dich in den Armen des Birh-Melack erwartet. Und erzähl mir morgen abend davon", sagte sie noch und hauchte ihm einen Kuß auf die Wange. Sie hatte tatsächlich keinen Zweifel, daß Amemna ihn erhörte. Und ebenso war sie davon überzeugt, daß Hamarem auch nach der Vereinigung mit einem Unirdischen noch Interesse an ihr hatte. Er selbst war in beiden Punkten lange nicht so zuversichtlich. Ramilla stand auf, richtete ihren Schleier und teilte die Decken um das Lager, um hinauszugehen. Hamarem hörte, wie sie sich von Derhan und Oremar verabschiedete, das Klingeln ihrer Arm- und Fußreifen leiser wurde und endlich verklang.
 

Hamarem war durch die Mischung aus Begehren, Hoffnung und Verzweiflung für einen Moment zu keiner Regung fähig. Ja, er sehnte sich nach Amemna und ebenso sehnte er sich nach Ramilla, die gerade seine Träume von einer gemeinsamen Zukunft zerschlagen hatte. Vielleicht war es das, was das unirdisches Erbteil ausmachte, und was Ramilla ihrer Ausbildung wegen verstand. Die Unirdischen und ihre Kinder begehrten nicht nur mehr als einen Menschen, sie konnten möglicherweise auch mehr als einen Menschen lieben. Hamarem legte sich auf sein Lager, schloß die Augen. Also würde er sich morgen seinen Begierden und Amemnas möglicher Ablehnung stellen, ganz abgesehen davon, was sein Herr eigentlich mit ihm besprechen wollte.
 

* * *
 



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