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Die Geflügelte Schlange - Schatten

* * make love, not war * * - Teil 2
von

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30. Fürsorge

Hamarems Blick ruhte noch einen Moment auf der sanft schwingenden Zeltklappe, durch die Adí W'schad gerade eilig verschwunden war. Er mußte sofort Amemna Bescheid geben, aber was geschah so lange mit Jochawam und dem Dämon?
 

"Du hast gesagt, du würdest mir helfen", erinnerte Jochawam ihn.
 

"Das habe ich nicht gesagt", widersprach Hamarem. Die Priester des Ungenannten mit ihrem Banngegenstand mochten wirkungsvoll gegen den Dämon helfen können, Hamarem dagegen sicher nicht. "Aber ich werde jemanden finden, der dir helfen kann", versprach er.
 

"Hamarem?" erklang da erneut die Stimme der fürstlichen Wache der Darashy.
 

"Bleib hier, ruh dich aus, ich schicke dir etwas zu essen", vertröstete Hamarem den Ostler. Es mißhagte ihm, daß Jochawam so völlig undurchschaubar war, nicht nur durch den Kräftepanzer, der alle Regungen der Kräfte verbarg, sondern auch durch seine ausdruckslose Miene. Nur sein Kiefer bewegte sich, als er eine weitere Dattel aß.
 

Jochawam spuckte den Stein in die Hand. "Jawohl, Zweiter", antwortete er, nahm sich eine weitere Frucht.
 

Nicht gerade glücklich mit der Lösung ging Hamarem vor das Zelt, wo Patris geduldig auf ihn gewartet hatte. Eigentlich mußte Hamarem jetzt sofort Amemna suchen, andererseits mußte er auch irgend jemanden damit beauftragen, Jochawams Verbleib im Birh-Melack-Zelt zu beaufsichtigen und ihm richtiges Essen zu bringen, etwas gesüßten Tee, damit er seinen noch immer erschöpft wirkenden Körper stärken konnte. Vielleicht konnte Hamarem ja Patris damit beauftragen, wenn der Mann keine Mittagsruhe halten wollte.
 

Doch bevor Hamarem ihm den Auftrag schmackhaft machen konnte, sagte Patris: "Ich möchte mit euch über eine Gewissensangelegenheit sprechen."
 

"Wieso kommt ihr deswegen zu mir?" fragte Hamarem überrascht. Das erklärte aber zumindest die Unruhe der Kräfte um den jungen Mann.
 

"Weil mir euer Mann Oremar dazu geraten hatte", antwortete Patris. "Kann ich irgendwo ungestört mit euch sprechen?"
 

Der Wächter war wohl etwa so alt wie der gut zwanzigjährige Oremar, und Oremar erinnerte sich natürlich an Hamarems Funktion als Ratgeber in Fragen des Wahren Weges, die ihm in Ashans Banditenbande zuteil geworden war. Aber ein vertrauliches Gespräch war in den Zelten der Wannim während der Mittagsruhe sicher nicht möglich. "Wir könnten uns hinter das Mawati-Zelt setzen, da sieht und hört uns wohl niemand, der es nicht darauf anlegt", schlug Hamarem vor. "Bequemer hätten wir es jedoch, wenn ihr bis nach..."
 

Aber der Mann ließ Hamarem gar nicht ausreden. "Es hat keine Zeit mehr! Bitte laßt uns jetzt sofort sprechen."
 

Hamarem konnte nur hoffen, daß das Gespräch nicht allzu lange dauerte. Amemna mußte Bescheid wissen über den Verbleib seines ehemaligen Zweiten und Liebhabers. Ob es für Hamarem selbst wirklich zu gefährlich war, noch einmal eine Liebesnacht mit Amemna zu verbringen? Er konnte doch einfach eine Kanne Willkommenstrunk an sein Lager stellen und das Getränk nach ihrer berauschenden Vereinigung als Kräftigung zu sich nehmen. Bleibenden Schaden hatte er doch offensichtlich nicht erlitten, und das Erlebnis ihrer Vereinigung war so überwältigend gewesen, daß Hamarem es gerne noch einmal wiederholt hätte - allen Warnungen Ramillas zum Trotz.
 

Patris wartete hinter dem Zelt, bis Hamarem sich ins Gras gesetzt hatte, ließ sich dann ebenfalls nieder. "Was ist euer Anliegen, Patris?" fragte Hamarem höflich.
 

"Ich bin besorgt wegen der Prinzessin", eröffnete Patris ihm. Sehr überrascht über das angeschnittene Gesprächsthema forderte Hamarem den Wächter der Prinzessin auf, weiterzusprechen.
 

"Mein Fürst hat mich damit beauftragt, für die Sicherheit seiner Großnichte zu sorgen. Da jedoch die Klärung ihrer Scheidung der Grund war, aus dem sie ursprünglich die Zelte der Darashy verließ, bekam ich von ihm auch den Auftrag, dafür zu sorgen, daß die Prinzessin ehrbar bleibt, falls sie den Scheidebrief annimmt. Ich hätte mich nie dazu bereit gefunden, sie im Scheidungsfalle zu ehelichen, würde ich mich nicht schon geraume Zeit durch ihre Gestalt und ihre Art angesprochen fühlen. Und auf der Reise gelang es ihr durch ihre Fürsorge für ihre Tochter und ihre Freundlichkeit ihren Begleitern gegenüber, mein Herz vollends einzunehmen. Obwohl sie in der Fremde aufwuchs, ist sie eine wahrhafte Prinzessin und ehrt den Wahren Weg."
 

Hamarem nickte dazu etwas abwesend. Wenn der Wächter jetzt zunächst das Loblied auf seine Angebetete sang, wie lange mochten sie dann hier sitzen, bis sie zum eigentlichen Kern des Problems vordrangen? Nefuts Gefangennahme durch den Feldherrn der Tetraosi war nichts, was sie einfach ignorieren konnten, aber ebensowenig durfte sich diese Nachricht unkontrolliert in der Birh-Mellim verbreiten, denn das mochte zu Unruhe unter den Söldnern führen. Also mußte Hamarem seinem Herrn persönlich, ohne Zwischenträger, berichten.
 

"Schon als wir bei eurer Wannim eintrafen, war es für uns alle offensichtlich, daß der Birh-Melack kein Interesse mehr an seiner Frau hat, da er sie gestern weder begrüßte, noch ihr Lager besuchte. Ich vermutete, er weicht ihr einfach aus, weil es keine ehrbare Möglichkeit für ihn gibt, die Scheidung zu erzwingen. Darüber nun wuchs in mir natürlich die Hoffnung, daß die Prinzessin sich angesichts dieser sträflichen Vernachlässigung dazu entschließen würde, den Scheidebrief doch anzunehmen. Denn er macht ihr auch Schande durch seine verschiedenen Geliebten, von denen ich hier im Heerlager gerüchteweise vernahm, es soll sogar ein Mann darunter sein. Ich wollte euch um Rat zu fragen, ob ich es wagen kann, der Prinzessin von diesen Gerüchten zu berichten und ihr zuzuraten, die Scheidung anzunehmen, um nicht weiter zu leiden, weil ich in diesem Falle ja alles andere als unparteiisch bin."
 

Die Prinzessin mußte doch in der Nacht gemeinsam mit Nefut - und Jochawam - bei Amemna gewesen sein. Von den Geliebten wußte sie also schon, auch wenn Patris davon noch nichts ahnte. Aber warum hatte es nun solche Eile, daß der Mann lieber im Freien nahe dem Abort mit ihm sprach, als nach der Mittagsruhe bei einer Tasse Tee im Zelt? "Und warum hat diese Angelegenheit plötzlich keine Zeit mehr?" fragte Hamarem also.
 

"Ihr, als Zweiter der Wannim, müßt den Birh-Melack in seine Schranken gegenüber seiner Ehefrau weisen. Während ihr mit der Ostlerin und eurem Mann den Kranken im Birh-Melack-Zelt versorgtet, ging der Birh-Melack, noch dreckig von dem morgendlichen Ausritt und anscheinend von Oinos betrunken, in das Zelt der Prinzessin, und wenig später gab es einen heftigen Streit zwischen den beiden. Ich verstehe nicht viel von der Südländersprache, aber die von ihm gebrauchten Worte, die ich verstanden habe, waren sehr unschön. So sollte keine Frau behandelt werden!" Das klang gar nicht nach Amemna. Und wieso sollte er sich betrunken haben? Der Oinos würde doch seine unirdischen Kräfte, seine Empfänglichkeit für die Gedanken und Gefühle anderer betäuben. "Der Birh-Melack ist noch im Zelt der Prinzessin?" vergewisserte Hamarem sich.
 

Patris seufzte und nickte unglücklich. "Nach dem Streit habe ich nichts mehr gehört. Ich hoffe, er wurde nicht auch noch handgreiflich gegen seine Gattin."
 

Und was dachte dieser Mann, was nun ausgerechnet Hamarem dagegen unternehmen sollte, falls das doch der Fall gewesen war? Schließlich hatte er nur halb die Statur von Amemna, Patris war selbst größer und sicher kräftiger als Hamarem. "Es ist doch ruhig. Die Dienerinnen hätten sicher Alarm gegeben, wäre ihrer Herrin etwas passiert", versuchte Hamarem den Wächter ohne Erfolg zu beruhigen. Die Unruhe, die eine tätliche Auseinandersetzung in den Kräften verursachte, hätte er außerdem mit Sicherheit wahrgenommen. Aber irgend jemand war da zwischen den Zelten, halb fremd und halb vertraut, darum sollte Hamarem sich kümmern. Außerdem mußte er ohnehin schnellstens mit Amemna sprechen. Also erhob Hamarem sich. "Kommt, wir verlangen eine Aufklärung", sagte er im Aufstehen, "schließlich habt ihr allen Grund, euch um das Befinden der Prinzessin zu sorgen, da ihr Großonkel sie eurer Obhut unterstellte." Erleichtert nickte Patris und folgte Hamarem um das Mawatizelt herum zum Zelt der Prinzessin.
 

Tatsächlich stand eine Fremde zwischen den Zelten, eine junge Frau mit einfachem Schleier, die sich suchend umschaute. Vielleicht erinnerte Hamarem sich aus dem Zelt der Ama an sie oder er nahm zarten Weihrauchduft wahr, jedenfalls wußte er plötzlich, daß es Ramillas Botin war. "Sucht ihr mich? Ich bin der Zweite der Mawati", begrüßte er sie.
 

"Meine Priesterin erwartet euren Herrn und euch zu einem Gespräch in ihrem Schlafzelt", sagte sie erwartungsgemäß. Welcher Art waren Ramillas Vorbereitungen für das Gespräch mit dem Birh-Melack gewesen, daß es damit so schnell gegangen war? "Und wo ist das Schlafzelt der Priesterin in diesem Lager?" fragte Hamarem jedoch.
 

"Es steht gleich hinter dem Zelt der Ama", erklärte die Frau. "Meine Herrin sagte, ihr kennt das Zelt schon." Ramilla hatte also wohl das Zelt der vorherigen Priesterin übernommen. Er versprach, so bald wie möglich mit Amemna bei der Priesterin zu erscheinen. Aber irgendwie mußten sie auch noch schnell das Problem lösen, das Nefuts Gefangennahme darstellte. Hoffentlich fiel Amemna dazu etwas ein.
 

Die Frau verabschiedete sich kurz, dann lief sie raschen Schrittes durch die Zeltgasse davon. Patris stand schon vor dem Zelt der Prinzessin, und Hamarem eilte zu ihm. Die Dienerin der Prinzessin war wach und im vorderen Teil des Zeltes am Herdfeuer beschäftigt. Sie hob erstaunt den Kopf, als sie die beiden Männer am Zelteingang bemerkte. "Schön, daß ihr euch inzwischen so gut erholt habt", sagte sie mit einem freundlichen Lächeln zu Hamarem. "Was wünscht ihr, Herr?" Sie winkte Hamarem und dann auch Patris in das Zelt. Bis auf das Knistern des Feuers und ein leises Schnarchen aus dem hinter der quergespannten Zeltbahn verborgenen Teil des Zeltes war alles ganz ruhig. "Meine Herrin schläft noch, aber wenn ich euch zu Diensten sein kann..."
 

"Losat, ist der Birh-Melack noch hier?" fragte Patris unumwunden.
 

"Auch mein Herr schläft noch", gab Losat etwas steif zur Antwort, sah hilfesuchend zu Hamarem hinüber.
 

"Ich habe drei wichtige Nachrichten für den Birh-Melack", gab Hamarem zur Antwort, sah die immer stärker werdende Unruhe um Patris und ergänzte, bevor der junge Mann noch aufgeregt in den hinteren Teil des Zeltes stürmte: "Außerdem sorgt sich der Wächter der Prinzessin um das Wohl eurer Herrin."
 

"Wegen des Streits?" mutmaßte die Dienerin und schüttelte dann mit einem unanständigen Grinsen den Kopf. "Die beiden haben sich recht schnell wieder versöhnt. Ich hole euch den Birh-Melack, Herr." Dann eilte sie auch schon hinter die quergespannte Stoffbahn.
 

Patris indes seufzte unglücklich. "Ich nehme an, ihr habt jetzt kiegswichtige Dinge mit ihm zu besprechen, nicht wahr?" Hamarem nickte. Dem jungen Mann wäre es offensichtlich lieber gewesen, wenn er als Zweiter jetzt Amemna ins Gewissen geredet hätte, sich gegenüber seiner Gattin anständig, dem Wahren Weg entsprechend zu benehmen. Aber sollte ausgerechnet er Amemna verbieten, sich anderen, insbesondere auch Männern, begehrlich zu nähern? Doch Patris seufzte nur erneut. "Ich werde später, wenn meine Herrin wieder erwacht ist, mit ihr über die Gerüchte sprechen. Wenn das der Grund für den Streit war, werde ich kein Unheil anrichten, weiß sie davon bisher nichts, wird es ihr die Augen öffnen." Hamarem nahm aus dem Augenwinkel eine Art Wabern der Kräfte wahr und nickte daher nur abwesend zu Patris Worten. Dort lag ein Paket, vielleicht Decken oder Gewänder, eingeschlagen in einfache Tücher. Versteckte sich dahinter ein Mensch? "Haltet ihr das also für das richtige Vorgehen?" fragte Patris noch einmal drängend. Was hatte der junge Mann gesagt? Er wollte mit der Prinzessin sprechen? Das konnte nicht verkehrt sein, der Mann war anständig und ehrlich besorgt über die Beeinträchtigung ihres Gefühlslebens. "Ja, sprecht mit ihr", sagte Hamarem. "Und seid so gut und bringt dem Mann im Birh-Melack-Zelt etwas zu essen, vielleicht auch Honigtee. Ihr findet alles im Mawatizelt. Und erinnert ihn daran, daß er das Zelt nicht verlassen sollte." Patris nickte bestätigend und verließ mit einem halbwegs zufriedenen Lächeln auf den Lippen das Zelt.
 

Hamarem ging näher an das Paket heran. Die Kräfte waren merkwürdig, fast zu ebenmäßig für ein Lebewesen, und hinter dem Paket war auch niemand versteckt. Die Quelle der Kräfte schien in die Tücher eingepackt zu sein. Hamarem wollte gerade eine Ecke der Verpackung anheben um hineinzusehen, als Amemna plötzlich neben ihm stand, gegürtet, bewaffnet, und sich nach dem Mantel bückte, der in der Nähe des Paketes auf einigen Sitzkissen lag. Wieso hatte Hamarem nicht bemerkt, daß sein Birh-Melack sich genähert hatte? Und wieso wirkten dessen Kräfte nun wieder so undeutlich? Patris hatte recht gehabt, Amemna entströmte wirklich der Geruch nach Oinos. Hamarem entfernte sich wieder von dem Paket, begrüßte seinen Herrn und dankte Orem im stillen, daß der Oinosgeruch so stark war, daß er nur einen Hauch des Duftes der Vereinigung von Mann und Frau an seinem Herrn wahrnahm.
 

"Was willst du, Hamarrem?" fragte Amemna, nachdem er sich leicht schwankend wieder aufgerichtet hatte. Schwindelgefühl erfaßte Hamarem und er merkte, daß es der Widerhall der Gefühle Amemnas war. Ramilla und der Dämon, das waren die beiden Dinge, die Amemna erfahren mußte, und... gab es nicht noch einen dritten Grund, aus dem er Amemna dringend sprechen wollte? Hamarem konnte sich nicht erinnern, merkte, daß seine Beine sich merkwürdig wackelig anfühlten, außerdem verspürte er plötzlich einen unbändigen Harndrang. War das etwa Amemnas Rausch? Als er sich dessen bewußt geworden war, gelang es Hamarem erstaunlicherweise schnell, sich Amemnas Empfindungen zu verschließen. Tatsächlich war es nicht schwieriger, als sich der düsteren Gedanken des Knaben Nefut zu entledigen. Die Kräfte um Amemna schienen im Moment nicht anders, als die eines gewöhnlichen Mannes. Zeigte sich auf diese Weise nicht die Wirkung des Oinos? Ramilla hatte in ihrer Geschichte von dem Held Buhachan und dem Dämonenfürst doch etwas in dieser Art erzählt. Und endlich ordnete Hamarem auch seine eigenen Gedanken wieder. "Herr, Ramilla möchte dich sprechen, Wanack Perdinim sandte Nachricht, daß die Tetraosi Nefut wegen des toten Priesters verhaftet haben, und..."
 

"Was heißt, err wurrde verrhaftet?" rief Amemna aufgebracht. "Err hat doch nurr den Toten mit dirr ketrragen. Werr hat Nefut denn ankeseigt?" Amemna ließ sich auf das mysteriöse Paket plumpsen, legte seinen Mantel ungeschickt um die Schultern. "Wenn es die Orremprriesterrschaft warr, warrum wurrdest du dann nicht ebenso verrhaftet?"
 

Einen Moment überlegte Hamarem, ob er seinem Herrn zur Hand gehen sollte, wagte es jedoch nicht, denn eine Berührung hätte sicher seine gerade erst gewonnene Beherrschung, nichts von Amemnas Empfindungen zuzulassen, ins Wanken gebracht. Statt dessen versuchte er, sich an die Worte Adí W'schads zu erinnern, an dessen Aufzählung von Gerüchten und Theorien, die im Beraterstab des Zweiten der Birh-Mellim geäußert worden waren, von der Furcht der Tetraosi vor Amemnas magisch anmutenden Kräften und der Suche nach einem wirksamen Druckmittel bis zu der Vermutung, daß Nefut einfach mit einem anderen, straffällig gewordenen Oshey verwechselt worden war. "Ich weiß nur, daß ihm von den Tetraosi angeblich okkulte Künste vorgeworfen werden. Es gehen aber Gerüchte, diese Anklage sei nur ein Vorwand, um ihn einer anderen Sache wegen in Haft zu halten."
 

"Wegen einerr anderren Strraftat oderr weswegen?" fragte Amemna ungläubig.
 

"Sicher nicht wegen einer Straftat. Dann hätten sie doch keinen Vorwand für die Verhaftung gebraucht. Außerdem kann ich mir das bei Nefut nicht vorstellen." Immerhin folgte Nefut trotz seiner Liebe zu einem scheinbaren Mann weiterhin dem Wahren Weg und hatte sicher weder im Heer noch während der Tage in Tetraos ein Unrecht verübt. "Laß uns abwarten, wie die Prozessanklage lautet." Ob die Tetraosi es wagen würden, einer der persönlichen Wachen des Birh-Melack widerrechtlich etwas anzutun?
 

"Ich kann es mirr auch nicht vorstellen. Aberr natürrlich hast du rrecht, wirr müssen erfahren, welcherr Krrund offiziell kenannt wirrd", stimmte Amemna seinem Zweiten zu, senkte den Blick auf den Teppich zu seinen Füßen. "Und das am besten soforrt", sagte er leise, seine Kräfte und Gedanken in fast panisch wirkender Unordnung. "Vielleicht hat auch Narrif Perrdinim schon irrgendetwas keplant. Das müssen wirr...", dann sah er auf. "Und werr bittet mich, sie su besuchen?"
 

"Meine...", begann Hamarem gedankenlos und verbesserte sich dann rasch: "Die Amapriesterin bittet uns zu einer Unterredung."
 

Amemna machte mit den Fingern eine Bewegung vor seiner Brust. Plötzlich erkannte Hamarem, daß sein Herr mit den Fingern kurz hintereinander die drei Schriftzeichen der Hawatpriesterinnen für 'Ehrfurcht' geformt hatte. Amemna wirkte regelrecht ernüchtert, seine Kräfte strafften sich, er stand hastig auf und zog seinen Mantel zurecht, griff nach seinem stoffumwickelten Helm, der anscheinend am Vormittag seine auffälligen gelben Federn verloren hatte. "Dann laß uns kehen", forderte er Hamarem auf, und sie verließen das Zelt der Prinzessin.
 

"Und was ist mit Wanack Perdinim?", fragte Hamarem, während sein Herr sich am Abort erleichterte.
 

"Wirr können doch nicht die Prriesterrin warrten lassen. Narrif weiß, was err tut, err wirrd keinen unserrer Männerr ans Messerr lieferrn." Natürlich, Ama war für den Birh-Melack Hawat, die Göttin die sein Denken und Handeln von klein auf bestimmte, der zu gefallen wichtiger war als Essen oder Schlafen, deretwegen er sich einem Fremden gegenüber erniedrigt hatte, um die Schriftrolle, sein Opfer an die Göttin, zurückzuerhalten. Sogar sein Geliebter Nefut hatte hinter der Göttin und ihren Beauftragten zurückzustehen.
 

Amemna wandte sich zum Gehen, blieb aber plötzlich wieder stehen. "So kann ich die Prriesterrin nicht besuchen", seufzte er und zeigte auf den blutgefleckten Saum des Untergewandes. Hamarem sah verschwommen die Erinnerung an eine bewaffnete Auseinandersetzung während des Erkundungsrittes am Morgen. Noch immer wiesen Amemnas Kräfte nicht die gewohnte unirdische Dynamik auf und sein Herr schwankte etwas, als er den Blick von seinem Saum wieder hob. Wann mochte endlich die Wirkung des Oinos nachlassen? "Dann zieh dich um, Herr", schlug Hamarem vor und zog ein sauberes, bereits fast trockenes Untergewand seines Herrn von der Leine. Amemna nickte und wandte sich zum Birh-Melack-Zelt. Auch wenn Hamarem nicht wohl dabei war, Amemna gerade in der Nähe des Dämons zu wissen, war das Birh-Melack-Zelt für Amemna wohl tatsächlich der einzig richtige Ort, um das Untergewand zu wechseln, ohne Aufsehen zu erregen.
 

Jochawam sah überrascht auf, als er bei seinem Mahl aus Früchten und Brot gestört wurde. "Die Priesterin der Ama hat uns zu sich gerufen", erklärte Hamarem und versuchte dann, den Ostler einfach zu ignorieren. "Jochawam, Keliebterr, schön, daß du wiederr errwacht bist!" rief Amemna in diesem Moment überschwenglich aus, ließ sich vor dem Ostler auf die Knie fallen, schloß ihn herzlich in die Arme. Ging da nicht eine Welle durch den Kräftekokon?
 

Hamarem sprang dazu und zog Amemna mit aller Kraft hoch. "Die Priesterin der Ama erwartet uns", mahnte er. Darauf reagierte Amemna, rappelte sich, schwer auf Hamarem gestützt, auf. "Hamarrem hat rrecht", sagte er leise zu Jochawam. "Aberr ich werrde so schnell wie möglich wiederr hierrherr kommen." Obwohl er schon wieder einen Anflug der Rauschauswirkungen spürte, half Hamarem seinem Herrn aus dem Mantel, legte das Schwert beiseite, löste den Gürtel und öffnete das Untergewand ein Stück. "Zieh es aus, Herr", sagte er, nahm das frische Untergewand in die Hände, um es seinem Herrn zu reichen.
 

Als Amemna sich seines verschmutzten Untergewandes entledigte, erhob sich eine Duftwolke der Lust. Hamarem konnte nicht anders, als den schönen, nackten Körper begierig anzustarren, die wohlgeformten Brüste, das ebenso wohlgeformte Glied. Zuletzt war er Amemna in der vergangenen Nacht so nahe gewesen, dann hatte seinen wunderbaren Körper gekostet, sich mit ihn vereinigt. Um nicht noch mehr erregt zu werden, sah er schnell weg. "Ihr solltet euch auch waschen", riet er seinem Herrn, den Blick auf den Boden gerichtet. Und nach einer Weile stellte er fest, daß sein Blick auf der von Ramilla vergessenen Kanne mit Willkommenstrunk ruhte. Dieses Getränk war doch ein Allheilmittel, vielleicht milderte es auch die Wirkung des Oinos auf seinen Herrn. Für das Gespräch mit Ramilla war es doch sicher besser, wenn er einen klaren Kopf hatte. Er nahm eine Schale von dem kleinen Tischchen neben Jochawam, der das Brot noch immer ungegessen in der Hand hielt und den Birh-Melack anstarrte. Den Geräuschen nach wusch Amemna sich noch. Jochawam flüsterte: "Epargat", nach der alten Sprache der Ostler klang das aber nicht. War es etwa der Dämon, der aus Jochawams Augen das zweigeschlechtliche Kind eines Unirdischen musterte?
 

Beunruhigt drehte Hamarem sich zu Amemna um, der schon das Untergewand übergezogen hatte und sich nun umständlich selbst gürtete. Hamarem reichte ihm hastig die Schale mit dem Willkommenstrunk. Sein Herr nahm sie entgegen, nippte daran. "Bist du sicherr, daß der Uscherr'ta Hawat das rrichtige fürr mich ist, wenn die Prriesterrin nur mit mirr sprrechen will?" fragte er dann skeptisch.
 

"Ich hoffe, daß er die Wirkung des Oinos mindert", gab Hamarem zurück, griff nach dem verschmutztenUntergewand, dem Amemnas so überaus verführerischer Duft entströhmte, warf es durch die Zeltklappe nach draußen.
 

"Vielleicht hast du rrecht", sagte Amemna und trank dann die Schale leer. Bewegten sich die Kräfte um ihn nicht bereits wieder in der früheren Art? "Bis späterr, Jochawam", verabschiedete Amemna sich, griff nach Mantel und Helm und winkte Hamarem mit sich hinaus.
 

* * *
 



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