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Like The Stars

Sterne gehören in den Himmel
von

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Like The Stars

„Lucy… Verstehst du das Leid eines Sterns, der nicht in den Himmel zurückkehren kann?“, hat Loki, meine Lieblingsfigur aus einem Anime in einer Folge mal gefragt. Dieser Satz verfolgt mich seit dem ständig. Immer wieder denke ich daran, immer wieder drängt sich diese Frage vor mein inneres Auge. Sie scheint leuchtend rot auf einen schneeweißen Hintergrund geschrieben worden zu sein, als wolle irgendwer sicher gehen, dass ich sie auch wirklich lese. Ich versuche es zu verdrängen, die ganze Zeit schon. Kann ich dieses Leid nachvollziehen? Weiß ich, wie es ist nie mehr nachhause zu können? Wie man sich da fühlt?
 

Und plötzlich sehe ich auf und bin zuhause angekommen. Ich habe gar nicht gemerkt, dass ich aus dem Bus ausgestiegen und nachhause gelaufen bin…

Eigentlich kann ich mich nicht einmal mehr daran erinnern in den Bus eingestiegen zu sein. Ich weiß noch, dass es geklingelt hat und dass Anna, meine beste Freundin, sich über irgendwas beschwert hat… aber worüber? Nicht einmal das weiß ich noch! Dabei kann ich eigentlich ziemlich gut zuhören… schließlich bin ich der Kummerkasten der Clique. War ich wirklich so in Gedanken versunken? Hat mich dieser kleine Satz… diese Frage… so sehr beschäftigt? Ernsthaft? Immerhin war es doch nur ein Satz aus einem Anime! Völlig bedeutungslos! Oder etwa nicht?

Seufzend sehe ich hinauf zu unserem Balkon. Mein Blick schweift am Geländer entlang und sucht den schwarz-weißen Energiebündel, den ich vor fast einem Jahr liebevoll Leroy getauft habe. Übersetzt bedeutet der Name in irgendeiner Sprache „König“. Ich weiß zwar nicht mehr welche, aber das ist egal. Ich finde den Namen auch so schön und habe meinen größten Schatz so genannt. Mein kleiner Huskyrüde, der seltsamerweise nicht wie sonst immer auf dem Balkon auf mich wartet. Ein mulmiges Gefühl überkommt mich. Ob Papa schon mit ihm draußen ist? Ich hoffe nicht! Wenn Leroy nicht auf ihn hören sollte… das… das wäre nicht gut! Gar nicht gut!
 

Sofort renne ich die schmale Einfahrt entlang, schließe hastig die Tür auf und stürme nach oben in unsere Wohnung. Unendliche Erleichterung durchflutet mich, als ich den Kleinen schlafend auf meinem Bett vorfinde. Ihm geht es gut. Nichts passiert, alles okay. Ich brauche einen Moment um zu begreifen, dass ihm trotz meiner Abwesenheit nichts passiert ist, doch dann setze ich mich lächelnd neben ihn und streiche sanft über sein Fell. Er schlägt die Augen auf und es scheint mir, als würde ich direkt in sein Inneres sehen. Diese wundervollen, eisblauen Augen verblüffen mich immer wieder und erinnern mich Tag für Tag daran, warum ich mir überhaupt die Mühe mache in dieses Haus zurück zu kehren. Er streckt sich, gähnt, dann schnuppert er an meinen Haaren und gibt mir einen Kuss auf die Wange.
 

Willkommen zu Hause, Mama.
 

„Hallo, mein Schatz“, flüstere ich. Warum ich das tue, weiß ich nicht. Vielleicht, weil ich, wie immer gerührt bin. Vielleicht aber auch, weil ich die anderen Bewohner des Hauses nicht auf mich aufmerksam machen will, doch ich weiß genau, dass es zu spät dafür ist. Ich muss nicht einmal aufsehen um zu wissen, dass meine Schwester in der Tür steht und mich beobachtet.

„Leroy, komm! Essen!“, meint sie und versucht ihn zu locken. Mich ignoriert sie dabei völlig. Wir haben uns heute Morgen mal wieder gestritten, nichts Ungewöhnliches.
 

„Leroy!“, ruft sie ihn noch einmal, doch der Hund sieht sie nur kurz an und wendet sich dann wieder mir zu. Ich muss grinsen, obwohl ich weiß, dass das noch ärger geben wird. Nicht für ihn, nein. Das würde ich unter keinen Umständen zulassen, aber für mich dafür umso mehr. Wie erwartet rennt meine Schwester sofort wütend zu meiner Mutter. Ich höre nicht, was sie ihr sagt, aber sie sagt diese Texte tagtäglich so oft auf, dass ich sie alle auswendig kenne.
 

„Mira hat mich geschlagen! Mira lässt mich nicht mit dem Hund spielen und Mira hat mir meine Sachen weg genommen!“, gehören dabei zu ihren Lieblingssprüchen. Man sollte eigentlich meinen, dass Eltern nach einer Weile verstehen, dass diese Sprüche gelogen sind, aber nein! Ihre kleine Prinzessin lügt natürlich nie.

Nun gut, zugegeben… das mit dem schlagen stimmt meistens sogar… aber dann hab ich auch meine Gründe dafür!
 

Es dauert auch gar nicht lange, bis meine Mutter ins Zimmer kommt. Den genauen Wortlaut der Predigt erspare ich euch lieber. Es ist eben das Übliche.

Ich bin eine schreckliche Tochter, ich bin faul, ich mache nur ärger, ich soll mich gefälligst meinem Alter entsprechend verhalten, ich soll aufhören ständig das Engelchen der Familie zu ärgern, ich bin eine Schlampe, Hure und noch diverse anderer Sachen, die ich nicht unbedingt erwähnen will. Ach ja und sie weiß natürlich nicht, was sie getan hat um ein solch verkorkstes Kind wie mich zu verdienen.
 

Ich habe nicht wirklich zugehört, aber so langsam sollte ich mich wieder in das dann doch ziemlich einseitige Gespräch einklinken. Ihre Lippen haben aufgehört sich zu bewegen und der Rotton in ihrem Gesicht wird immer dunkler.

„Ja, Mama… ich tu‘s nie wieder…“, spule ich mechanisch ab. Was sie von mir denkt interessiert mich nicht. Noch nicht. Die Schmerzen und Depressionen werden erst später kommen, wenn ich alleine bin und keiner meine Schwäche bemerken kann. Kaum zwei Sekunden später der erste Schlag… und der zweite… dritte…

Ich höre auf zu zählen. Leroy knurrt, aber meine Schwester hält ihn zurück. Innerlich muss ich lächeln. Verstehe… sie hatte wieder einen miesen Tag und muss sich abreagieren. Na… mit mir kann sie das ja machen. Ich wehre mich nicht. Warum auch? Es ist sinnlos. Wenn ich mich wehre dauert es doch sowieso nur länger. Ich warte ab, schließe die Augen und singe gedanklich Kinderlieder vor mich hin. Das lenkt mich ab.
 

Hänschen klein, ging allein in die weite Welt hinein…
 

Und dann taucht sie wieder auf, diese Frage.
 

Verstehst du das Leid eines Sterns, der nicht in den Himmel zurückkehren kann?
 

Ich halte inne, kriege noch einen Schlag ab und dann geht meine Mutter wieder, zusammen mit meiner Schwester. Ich bleibe in der Position stehen, starre mit aufgerissenen Augen an die Wand. Was soll das? Wieso taucht diese Frage ausgerechnet jetzt auf? Warum nur?

Als Leroys feuchte Nase meine Hand berührt kehre ich zurück in die Wirklichkeit. Langsam beginne ich den Schmerz zu registrieren, doch er ist mir egal. Halb so wild, ich lebe ja noch. Leroy sieht mich an. Er scheint besorgt zu sein. Ich weiß nicht, ob er versteht, was hier los ist, aber ich weiß, dass er spürt, dass etwas nicht stimmt. Meine Lippen verziehen sich zu einem schmalen Lächeln. Ich schmecke Blut, meine Lippe ist aufgeplatzt. Seufzend hole ich die Leine und gehe wortlos. Leroy kommt natürlich mit. Draußen ist es eiskalt. Ich friere, trotz der dicken Jacke, die ich trage. Das ist einer der Gründe, wieso ich den Winter so mag. Er ist kalt und betäubt den Schmerz. Nicht nur den körperlichen, auch den seelischen. Vielleicht kann ich so einen Zusammenbruch vermeiden, bis meine Mutter arbeiten und meine Schwester zum Handballtraining gegangen sind.

Wie in Trance laufe ich die Straßen entlang. Leroy zieht nicht, das ist seltsam. Haben sie ihm vielleicht doch etwas getan? Oder merkt er einfach, dass es der falsche Zeitpunkt ist um hyperaktiv zu sein?
 

Er muss nicht lange an der Leine bleiben. Sobald wir auf der Wiese angekommen sind, darf er frei rumrennen. Heute ist es mir egal was er macht. Von mir aus kann er wieder Enten jagen gehen oder sich meterweit von mir entfernen… solange er vergisst, was er gesehen hat, ist es gut.

Gedankenverloren stapfe ich durch den Schnee.
 

Verstehst du den Schmerz eines Sterns, der nicht in den Himmel zurückkehren kann?
 

Nein, Loki. Ich verstehe ihn nicht! Ich bin kein Stern, so wie du!

Ich bin ein Stück Dreck, ein Niemand! Mir wird das oft genug gesagt! Ich gehöre nicht in den Himmel!

Ich bin auch nicht so stark wie Spex! Ich bin schwach und zerbrechlich, ein unreparierbares Wrack! Ein Nervenbündel, das sich jeden verdammten Tag fragt, warum es eigentlich auf der Welt ist! Diene ich wirklich nur dazu meinen Eltern eine Möglichkeit zu geben sich abzureagieren? Wenn ja, habe ich wenigstens mal einen Grund zum Leben! Obwohl… kann man das ein Leben nennen? Ich bezweifle… aber naja… jemand wie ich hat es wahrscheinlich gar nicht anders verdient, nicht wahr?

Schließlich muss es ja einen Grund geben, warum das alles passiert, oder? Also muss das, was mir passiert richtig sein… oder nicht?

Aber selbst wenn es richtig sein sollte… ich will das nicht mehr! Ich kann langsam nicht mehr! Ich merke doch, wie die Mauer, die mich sonst immer schützt immer mehr Risse bekommt! Ich merke doch, dass ihre Zeit bald gekommen ist, dass sie bald einstürzen wird! Und wenn diese Mauer einstürzt, werde auch ich einstürzen. Ich werde wegbrechen, wie ein ausgetrockneter Zweig, der von irgendwem gebogen wird.

Vielleicht ist es besser das Ganze vorher zu beenden? Immerhin will ich nicht, dass irgendwer sieht, wie ich breche… ich bin ein einzelner Mensch auf einem riesigen Planeten. Ein Mensch, der so wenig wert ist, dass er gar nicht das Recht hat sich ein Mensch zu nennen. Ist es da nicht besser, wenn ich mein Leben beende? Dann wäre ich wenigstens keine Last mehr… für niemanden.
 

Und plötzlich spüre ich einen erneuten Schlag. Eine Ohrfeige, die in meinen Ohren so laut erschallt, dass sie alles andere übertönt, doch ich weiß, dass niemand hier ist. So blind bin doch nicht mal ich! Der Schmerz ist anders, als der, den ich schon kenne. Er lässt sich durch die Kälte nicht betäuben. Mir wird schwindelig davon, doch als ich endlich wieder klar denken kann, sehe ich ihn… nein… sie. Sie alle.

Spex steht ganz dich vor mir, neben ihm Loki. Ich weiß, dass das nicht sein kann. Spex ist kilometerweit weg und Loki existiert nicht mal! Und doch sehe ich sie vor mir, ganz deutlich. Sie sagen nichts, sehen mich nur an. Sie haben beide denselben Ausdruck in den Augen. Als ich mich umsehe erkenne ich noch Midna, Anna, Cyn, Jana… alles Menschen, die mir wichtig sind und… denen ich auch wichtig bin!

Und mit einem Mal wird mir klar, was die Frage zu bedeuten hat und ich verstehe das Leid eines Sterns, der nicht in den Himmel zurückkehren kann doch.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von: RuffysKreationen
2012-07-20T23:00:13+00:00 21.07.2012 01:00
Schade, dass es noch keine Kommis gibt.
Dein OS ist auf jeden Fall extrem beschrieben, aber ich denke, er spricht einige an. Natürlich muss es nicht so wie beschrieben sein, aber jeder hat mal einen schlechten Tag.
Vor allem Lokis Frage trifft es auf den Punkt. Ich selbst finde es immer faszinierend, dass auch Mangas die Realität so widerspiegeln können, obwohl man natürlich an Fiktion denkt.
Mir gefällt dein OS sehr :)


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