Kaminfeuer
Die brauen Haare kleben nass von Schnee an der fiebrig heißen Stirn. Er sitzt am Boden, sein Rücken berührt die hölzerne Wand. In der verlassenen Hütte ist es dunkel und kalt, schwerer Atem lässt weiße Wölkchen entstehen.
Die Wunde, von der Kugel gerissen, saugt erbarmungslos langsam alle Kraft.
Seine Hände verharren auf den Knien, dass Herz schlägt verzweifelt.
Der Körper ist schwach, die Augen sind nun geschlossen, während sacht dickflüssiges Blut über bloße Haut gleitet. Zäh und träge sind alle Gedanken, selbst das Pochen des Schmerzes verrinnt in trostloser Gleichgültigkeit.
Nichts hat mehr Bestand, er reagiert nicht, als knarrend die Tür geöffnet wird, Schneeflocken wehen herein.
Dielen knacken leise, als Gewicht sie belastet, dass Geräusch des schnellen Atmens verrät die Anwesenheit einer noch unbekannten Person. Deren Hände auf einer frischen Wunde liegen, Blut klebt an ihnen.
In den eigentlich gnadenlos, kalten Irden steht leiser Schmerz geschrieben, die Lippen sind nur ein schmaler Strich.
Er lässt sich zu Boden sinken, der Körper ist erschöpft, plötzliche Müdigkeit erfüllt seinen Geist.
Die Augen jedoch erblicken im Dunkel ungebetenen Besuch, Wut beginnt sich zu regen.
Er kann nichts tun, seine Waffen sind fort, liegen in den ewigen Weiten des Schnees begraben.
Eine Hand gleitet in die Tasche seines schwarzen Mantels, Feuerzeug und Zigarette kommen zum Vorschein.
Rot glüht sie auf, beleuchtet mit flackernden Schatten das Gesicht, kurz sind helle Haare zu sehen.
Rauch zieht durch den Raum, sein Geruch lässt den Anderen aus der selbst geschaffenen Trance erwachen.
Die geöffneten Irden blicken in schwarze Dunkelheit, bis diese von einer Flamme durchdrungen wird.
Beide starren einander an, hätten nicht erwartet, sich so plötzlich und unter solchen Umständen wiederzusehen.
Die Flamme verlischt, Finsternis hüllt ihre Gesichter von neuem ein.
Schneeflocken tanzen vor dem Fenster, Wind türmt den Pulverschnee zu Dünen auf.
Noch immer herrscht angespannte Stille in der verlassenen Hütte. „Gin?“ Keinerlei Angst ist in der Stimme des Jungen zu hören. „Wo ist Sherry?“ Ist dessen einzige Reaktion. Shinichi zuckt vorsichtig, als würde es ihm Schmerzen bereiten mit den Schultern. „Wer?“ „Stell dich nicht dümmer als du bist, ich weiß das ihr euch kennt!“
„Sherry, Sherry“ murmelt er und schüttelt mit dem Kopf, was Gin in der Dunkelheit natürlich verborgen bleibt.
Am liebsten, hätte er Kudo für diese Provokation zum schweigen gebracht, aber sein verletzter Körper macht es ihm unmöglich. Gin versucht aufzustehen, doch bleierne Schwäche hält ihn an Ort und Stelle gefangen.
Ein wütendes zischen verlässt kurz darauf seine Lippen, sein Körper lehnt sich wieder zurück an die Wand.
Schweigen breitet sich zwischen beiden Personen aus.
Eine wütende, unausgewogene Stille, unterbrochen nur vom schweren atmen zweier gefährlich verletzter Menschen. Beide zu stolz, zu stur, um auch nur einen Schmerzenslaut, in der Gegenwart des Anderen auszustoßen. Die so unterschiedlichen und sich doch ähnelnden Persönlichkeiten Gin und Shinichi denken in diesen einen Moment jedoch aus dem selben Grund, über genau die gleiche Frage nach.
Gehen stillschweigend von ein und dem selben Täter aus. Es gibt sicher den ein oder anderen, der sich über den Tot Shinichis oder Gins freuen würde. Aber wer hatte etwas gegen sie beide, kannte Mörder und Detektiv?
Es ist zu spät sich darüber den Kopf zu zerbrechen Shinichi! Er atmet scharf, zischend ein, als eine erneute Welle von Schmerz seinen Körper durchzieht. „Ich hoffe es tut schön weh, Meisterdetektiv!“ Das letzte Wort klingt abfällig, selbst die verächtliche Geste bleibt nicht aus. Mit verzehrtem Gesicht, ändert Shinichi seine Position, bis ihn nur noch wenige Meter von Gin trennen. Vorsichtig dreht er seinen Kopf, um den Anderen ansehen zu können. „Kann ich eine Zigarette haben?“ Verblüfft hebt Gin eine Augenbraue, was soll das denn jetzt? Sein schweigen, wird mit einem trockenen schnauben quittiert. „Schon klar, welcher Kriminelle der etwas auf sich hält teilt seine Zigaretten mit einem totgeglaubten Detektiven.“ Ein kurzes spöttisches grinsen huscht über seine Lippen. „Hier!“ Glimmstängel samt Feuerzeug wechseln für kurze zeit den Besitzer. Shinichi lässt sich wieder gegen die Wand sinken, nachdem er Gin die Utensilien zurück gegeben hat. Der Hustenreiz klettert seinen Hals hinauf, doch der Detektiv schluckt ihn mit einiger Anstrengung hinunter. „Gin? Wie stark ist deine Wunde?“ Ist das gerade Sorge in Kudos Worten gewesen? Seine gedankliche Frage wird unterbrochen, als er eine Bewegung wahrnimmt. Der Detektiv sitzt ihm nun direkt gegenüber. Im Licht von dessen Uhr, kann er die mehr oder weniger verbundene Verletzung erkennen. Der Lichtstrahl richtet sich auf seinen Körper, gibt den Blick auf den blutgetränkten Pullover frei. „Ist die Kugel noch drinnen?“ „Nein!“ kommt es feindselig zurück. „Gin!“ kommt es ernst von seinem gegenüber, „wenn du Sherry jemals finden willst, dann lass mich dir helfen!“
„Ich wusste doch, dass du sie kennst!“
„Oh nein jetzt habe ich mich aber verraten!“Gespielt geschockt hält sich der Detektiv die Hand vor den Mund.
„Lass gut sein, ich habe schon verstanden.“ Shinichi wirft ihn einen schrägen Blick zu, geht aber nicht weiter darauf ein. Der Detektiv beißt sich auf die Lippe, um einen Schmerzenslaut zu unterdrücken. Blut durchtränkt den Stoff. Er atmet scharf ein, manövriert sich selbst wieder an die Wand zurück. Erneutes schweigen zwischen den Beiden. Nur unterbrochen vom pfeifenden Geräusch eines erneuten Schneesturmes.
„Schon ein seltsamer Zufall, das ausgerechnet wir in dem selben Holzhaus landen.“
„Ja als ob es jemand von vornherein geplant hat.“ Gin schließt überlegend seine Augen, aber wirklich einfallen will ihm niemand oder vielleicht doch? Die Person muss uns beide kennen, irgendwie müssen wir mit ihr in Kontakt gekommen sein. Wer? Schießt es ihnen durch den Kopf. „Würde ich auch denken, aber wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass zwei Verletzte in dieser Einöde aufeinander treffen?“ Gin zuckt mit den Schultern „prozentual gesehen, ist die Chance wohl sehr gering, außer“ „wir wurden gezielt in diese Richtung gelockt“ beantwortet Shinichi seine eigene Frage. „Aber was hat diese Person von unserem aufeinander treffen?, einen finalen Showdown wird sie wohl kaum erwarten.“ Ein trockenes lachen verlässt Gins Kehle, „hätte ich meine Waffe noch, wärst du lange nicht mehr am leben!“ Shinichi verzieht kurz das Gesicht, „ein Showdown wäre das aber auch nicht geworden. Viel wichtiger, ist doch die Frage, woher er oder sie wusste, dass wir uns genau am selben Tag in den Bergen aufhalten würden.“ „Spionage Kudo was sonst?“ „Klingt am wahrscheinlichsten, aber dann muss er oder sie wissen, dass wir hier sind. Womöglich befindet sich diese Person mit uns in der Holzhütte.“ Shinichi stockt bei seiner eigenen Ausführung blickt sich leicht nervös um. „Was soll das werden, wenn es fertig ist? Selbst wenn du recht hast, es wird nichts ändern!“ „Trotzdem wüsste ich gerne, wer mich“ er wirft Gin einen kurzen Blick zu „und dich“ fügt er nun doch hinzu unbedingt tot sehen will!?“ „Wer hat denn etwas von sterben gesagt my dear?“ Diese Stimme, sie ist beiden nicht unbekannt. Ruckartig springt Shinichi auf, was er sogleich bereut. Schmerz jagt durch seinen Körper, raubt ihn für kurze Zeit die Sicht. Sit down please Detective!“ Ihre Worte klingen honigsüß und spottend zu gleich. „Was soll das ganze, warum hast du uns angeschossen?“ Er hält sich seine durch eigenes verschulden wieder schmerzender werdende Schusswunde. „Ein treffen, hättest du auch anders arrangieren können.“ Sie schmunzelt leicht, „hätte ich ihn zu dir einladen sollen?“ „Warum nicht? Denn hätte ich jetzt wenigstens keine Schussverletzung!“ „Stimmt, du wärst wohl schon lange tot.“ Kontert sie überlegen. „Immer noch besser als das hier“ kommt es sofort zurück. Sie lächelt fast entschuldigend, als sie seiner Miene gewahr wird. „Ich habe dich wohl etwas ungünstig erwischt, sorry darling!“ Shinichi wirft ihr einen schon beinahe hassenden Blick zu. „Ich weiß was für ein guter Schütze du bist, also verkaufe mich nicht für dumm!“ Seine Stimme zittert, ob vor Wut oder Schmerz, weiß sie jedoch nicht zu sagen.
„Was soll das eigentlich werden Vermouth?“ Gin macht eine bezeichnende Geste, welche den ganzen Raum mit einschließt. „Hast du etwa, deinen Sinn für Romantik entdeckt?“ Erst jetzt nimmt der Detektiv den flackernden Feuerschein war. Hört das leise knistern der Flammen. Seit wann? Vermouth muss ihm die Frage förmlich vom Gesicht abgelesen haben, denn sie beantwortet diese mit hörbarem Amüsement in der Stimme. „Ihr zwei wart so in euer Gespräch vertieft, dass ihr es nicht mitbekommen habt! Ach und Shinichi, ich wusste gar nicht, dass du rauchst!“ „Tue ich nicht“ faucht er ihr die Worte schon fast entgegen. „Du nimmst mir die Sache immer noch übel hmm?“Shinichi hat seine liebe Mühe, bei diesen Worten nicht endgültig die Beherrschung zu verlieren.
„Sieh es doch mal so, jetzt müsst ihr euch wenigstens nicht mehr suchen.“ „Danke, darauf hätte ich verzichten können Vermouth! Wie hast du dir das eigentlich gedacht, so mit dem wieder zurück kommen?“ Gins Augen lodern vor unterdrückter Wut, sein Körper jedoch bleibt ruhig. „Oh no!“ Übertrieben geschockt hält sie sich die Hand vor den Mund, lächelt dann jedoch erneut. „Ich habe nie etwas von zurück gehen gesagt“ Gins Augen verengen sich leicht, Verachtung spiegelt sich nun in ihnen wieder. „Ich wollte nur, dass ihr euch einmal aussprecht, so ganz ohne Waffen versteht sich.“ Dabei wirft sie ersteren einen tadelnden und letzteren einen leicht spöttischen Blick zu.
Sowohl Gins als auch Shinichis Miene drückt Verachtung und Zorn aus.
„Du bist echt das letzte Vermouth!“
Synchron werden ihr diese Worte entgegen geschleudert.
Die Augen der Frau funkeln jedoch nur amüsiert.
„Das weiß ich längst, trotzdem danke, dass ihr es nochmal erwähnt habt.“ Achsel zuckend entsichert sie die Waffe. „Irgendwelche letzten Worte, Wünsche, Flüche?“ Beide blicken der Mündung mit nüchterner Miene entgegen. „Es tut mir ehrlich leid für euch, aber es muss nun mal sein, ihr steht mir einfach im Weg.“ Damit drückt sie ab. Zwei Schüsse kurz nacheinander. Nichts als ein kalter Blick, trifft auf Gins leblosen Körper. Sie wendet sich ab von ihm. Siehst herüber zum tödlich getroffenen Detektiven. Ein Funkte Trauer erscheint in den blauen Augen. „Sorry my dear!“ murmelt sie leise. Es sind die letzten Worte der Mörderin, bevor diese im aufkommenden Schneesturm verschwindet.