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Ziras unerzählte Geschichte

von

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Ein Ausflug mit Folgen

Zwei Wochen. Seit zwei Wochen saß Zira jeden Tag vor diesem Holzscheit und versuchte auch nur eine einzige Maus zu fassen zu bekommen. Sie hatte es vor ein paar Tagen fast geschafft, doch war zu spät abgesprungen und ihre Chance, mal wieder, vergehen lassen.

Aber sie war sich ganz sicher, dass es heute funktionieren musste. Es musste einfach!

Chica und Jerk saßen wie immer hinter ihr unter der Akazie und Linda war, wie immer, mit allem möglichen beschäftigt.

Zira lauerte nur wieder im Gras, den Bauch dicht an den Boden gedrückt und die Ohren stur auf den Holzstapel gerichtet. Sie hörte winzige Krallen, die über Holz tippelten und plötzlich änderte sich der Klang. Eine Maus musste den Erdboden berührt haben, was wieder eine mögliche Chance auf Beute für Zira bedeutete. Sie versuchte genau herauszuhorchen aus welchem Loch sie gekrochen kommen würde, doch für ein paar Sekunden hörte sie wieder nichts.

Und dann ganz plötzlich ertönten wieder winzige Schritte auf Erde. Ihr Blick schoss in die jeweilige Richtung und in der abendlichen Dämmerung konnte sie tatsächlich den Kopf einer Ratte aus seinem Versteck lugen sehen.

Sie ging nach draußen, blieb jedoch in sicherer Nähe zu ihrem Versteck stehen, ehe sie begann sich auf die Hinterbeine zu stellen und die Umgebung zu prüfen. Der Wind stand günstig, darauf hatte Zira heute extra geachtet.

„Warte noch.“, sprach Chicas Stimme ihr ruhig zu. Ja, diesmal würde sie mit Sicherheit auf sie hören, gar keine Frage.

Die Ratte machte ein paar Schritte in Richtung des höheren Grases in dem sich auch Zira versteckt hielt. Zwar kam sie nicht direkt in ihre Richtung, aber doch näher. Und dann stockte der kleine Nager wieder, stellte sich erneut auf die Hinterbeine und schnupperte hastig in der Luft umher.

Zira hielt den Atem an. Sie musste sich angewöhnen ruhiger und langsamer Luft zu holen wenn Beute nah war, Chica meinte dass manche Tiere sogar solche Dinge wie Atemzüge hören konnten.

Lange hielt Zira mit angehaltenem Atem jedoch nicht mehr aus und versuchte so leise wie nur möglich auszuatmen, ohne dabei fast zu ersticken.

Die Ratte schein für einen Moment die Gefahr zu erkennen, die ihr da im Nacken saß, doch wand sich dann, sehr zu Ziras Erleichterung, wieder der Futtersuche zu. Die Nase des kleinen Tiers bewegte sich unablässig und sie kam ihr wieder ein Stück näher.

Ziras Pfoten kribbelten vor Anspannung und ihr nervöser Blick konzentrierte sich wieder auf die Ratte. Der Abstand war noch ein wenig zu groß, aber vielleicht, wenn sie sich besonders anstrengte…

„Warte noch.“ Erneut kamen Chicas Worte an ihr Ohr und sie musste sich merklich zusammenreißen, um jetzt nicht ihre Fassung zu verlieren. Die Anspannung machte sie verrückt, aber sie würde, müsste es wohl aushalten. Sie wollte unbedingt endlich Beute machen, es war schon regelrecht beschämend jeden Tag mit demselben Gefühl des Versagens zu Bett zu gehen.

Aber gut, sie würde warten. Sie musste warten.

Doch plötzlich blieb Zira beinahe das Herz stehen, als die Ratte schlagartig die Richtung änderte. Für einen Moment wollte sie ihr einfach hinterher und darauf pfeifen, ob das nun schlau war oder nicht. Der Frust der sich in ihr aufbaute vernebelte ihren Verstand und Wut kochte auf. Diese dämlichen Mistviecher, warum konnte nichts davon so funktionieren, wie sie es wollte? Warum–

„Konzentration. Unten bleiben.“, tadelte Chica sie wieder von ihrem Beobachtungsposten aus. Zira konnte den strengen Blick der Hündin regelrecht im Rücken spüren und duckte sich erneut tiefer ins Gras. Gut, es war noch nicht zu spät, vielleicht würde die Ratte in einem Anfall von Dummheit ja nochmal in Ziras Richtung kommen.

Einige Minuten verstrichen wieder, ohne dass etwas passierte. Die Ratte saß einfach da und bewegte sich wenn dann nur Zentimeterweise von ihrem momentanen Platz weg. Doch dann, als Zira fast schon nicht mehr damit gerechnet hatte und ihr Rücken zudem anfing steif zu werden, da machte sie plötzlich tatsächlich ein paar schnelle Schritte in ihre Richtung zu.

Sie dachte nur einen Sekundenbruchteil nach, ob das hier jetzt schlau war, aber sie entschied, dass es das Risiko wert war. Sie müsste den Sprung schaffen und ihre Krallen waren ausgefahren.

Sie peilte die Ratte an, ihre Hinterbeine setzten zum Sprung an und mit einem einzigen Satz schoss sie aus dem hohen Gras, direkt auf die überraschte Ratte zu. Ihre Krallen bohrten sich in den Rücken des Nagers, der nun zum ersten Mal ein grelles Quieken von sich gab und sich zwischen Ziras Pfoten zu winden begann. Doch nur einen Moment später biss die junge Löwin ihr in den Kopf und der Nager verstummte endgültig.

Das Töten ging schneller vorbei, als Zira es erwartet hatte, aber umso zufriedener war sie mit dem Ergebnis. Sie hatte ihre Beute schnell getötet, das war es doch, was sie mal können sollte, nicht?

Mit einem selbstzufriedenen Grinsen im Gesicht und hoch erhobenen Kopfes stolzierte Zira mit ihrer Beute im Maul zurück zu den Hunden, die sie prüfend ansahen.

„Sehr gut! Ich hab dir doch gesagt, dass du es mit genug Geduld schaffen würdest.“, gratulierte Chica ihr und auch sie konnte ein zufriedenes Grinsen nicht gänzlich verbergen. Aber Zira hatte sich das Lob redlich verdient, immerhin hing sie jetzt wie lange hieran? Sie war einfach glücklich, dass das Löwenjunge es endlich geschafft hatte endlich ein lebendes Tier zu erbeuten und diese hässliche, fette Ratte war ein würdiger Anfang.

„Wir sind stolz auf dich, Kleines!“, bestärkte Jerk mit wedelndem Schwanz und streckte den Hals ein wenig in Ziras Richtung. „Zeig mal her, die sieht ja riesig aus…“

Zira legte die Ratte vor den beiden ab und sah erwartungsvoll mit blutverschmiertem Maul zwischen ihnen umher. „Was sagt ihr? Sie ist groß, nicht?“

„Oh ja… Aber friss sie lieber bevor die Fliegen kommen.“, schlug Chica vor und schob ihr die Ratte wieder entgegen.
 

„Jerk, hey, Jerk!“ Zira rannte auf den schlafenden Rüden zu und kam erst zum Stehen, als sie in ihn hineinkrachte. Er schreckte aus dem Schlaf hoch und wollte schon instinktiv nach Zira schnappen, hielt jedoch inne, als er erkannte, dass es nur sie war.

„Ach, Kleines, was ist los?“, fragte er und kratzte sich ohne sie weiter zu beachten hinter dem Ohr.

„Wo ist Chica?“

„Im Haus? Keine Ahnung. Warum, was ist?“

Ziras schelmisches Grinsen wurde augenblicklich größer und sie rieb den Kopf an Jerks Hals. Inzwischen hatte sie genug an Gewicht und Größe zugenommen, um ihn, wenn er lag, bereits über den Kopf sehen zu können.

„Ich wollte sie fragen, wann wir endlich jagen gehen.“, antwortete Zira und tippelte nervös von einer Stelle zur anderen.

„Die Ratten sind dort drüben.“ Er zeigte auf den Holzhaufen.

„Nein… Ich meine was richtiges jagen. Antilopen, Zebras, sowas.“, entgegnete Zira ungeduldig. Sie sah es nicht mehr ein zu warten, sie hatte schon genug Mäuse und Ratten getötet um sich allmählich an größere Tiere zu wagen. Das Wetter heute war zudem sehr angenehm, nicht mehr ganz so unerträglich sengend heiß wie noch vor ein paar Wochen.

„Das entscheiden wir nicht.“, antwortete Jerk nur schulterzuckend. „Linda wird das entscheiden, wenn du soweit bist.

„Aber ich bin soweit… Zudem langweilt mich alles hier.“ Sie ließ sich laut seufzend neben Jerk fallen und schmiegte den Kopf an seiner Schulter. Meistens ließ er sich so gut einlullen, jedoch wusste Zira nicht, ob ihr Niedlichkeitsfaktor noch lange halten würde. Spätestens wenn sie größer war als er, würde es damit wohl vorbei sein.

„Aha und was willst du nun tun?“

„Lass uns endlich raus gehen! Ich will wieder raus, richtig raus!“, antwortete sie bestimmt und stampfte mit einer Vorderpfote auf.

Jerk kannte diese Geschichte inzwischen in- und auswendig. Er verstand ja warum Zira das wollte, aber den Ärger dafür wollte er gleichzeitig auch nicht einheimsen. Andererseits hatte Zira diesen Wunsch nun schon so oft geäußert und kein einziges Mal war darauf auch nur eingegangen worden. Sie alle wussten sehr gut, dass sowohl er als auch Chica das Tor öffnen konnten, wenn sie sich nur genug anstrengten und Zira wusste genau, dass sie es nur aus Angst vor Linda nicht offensichtlich taten. Zudem hatte Jerk noch zusätzlich Angst vor Chica. Wenn Zira was passieren würde, würde sie ihn persönlich umbringen. Sie hatte das Löwenjunge leib gewonnen, das bestritt sie schon gar nicht.

„Bitte Jerk, nur einmal! Ich will nur einmal ein bisschen draußen rumlaufen!“, bettelte Zira und drückte sich noch enger an ihn.

„Ich…“ Er sah unsicher zur Terrassentür. Chica war bisher auch noch nicht aufgetaucht, vielleicht hielt sie ja auch gerade Mittagsschlaf. Zudem hatte Zira ja recht, er verstand sie doch…

„Bitte, wir sagen auch niemandem was.“, versprach die Löwin und setzte den gequältesten Blick auf, den sie auf Lager hatte.

„Also gut!“ Er gab sich seufzend geschlagen und verfluchte sich jetzt schon dafür. Das würde bestimmt wieder damit enden, dass er von irgendwem, vornehmlich Chica, zur Schnecke gemacht wurde, ganz sicher. Ach, er und sein schwacher Wille. Es hatte schon Sinn gemacht Chica die meiste Verantwortung für Zira zu übertragen, sie war viel härter als er.

„Ja! Du bist wunderbar, weißt du das schon?“, rief Zira überglücklich aus. Sie konnte für einen Moment selber nicht glauben, dass es so einfach war ihn zu überzeugen, aber sie hatte doch richtig gehandelt, abzuwarten dass Chica nicht dabei war.

„Oh, glaub mir, ich hör das ständig!“, meinte er großspurig, konnte das schlechte Gefühl in seiner Magengegend jedoch nicht ganz ignorieren.

Egal! Sie würden nur ein bisschen durch die Gegend streifen, was sollte schon passieren?
 

Der Hund huschte mit Zira im Anhang eilig durch das hohe Gras und ließ seinen Blick über die Savanne schweifen. Es war Nachmittag, was bedeutete dass die meisten, wirklich gefährlichen Tiere jetzt dösten und sie wohl hoffentlich in Frieden lassen würden.

„Jerk, du bist viel witziger als Chica, weißt du das?“, meinte Zira und trabte breit grinsend an ihm vorbei. Wunderbar, jetzt wollte sie auch noch die Führung übernehmen?

„Toll, das werde ich sicher gut zu meiner Verteidigung aufbringen können…“, seufzte er und hechelte weiter, während Zira mit gespitzten Ohren einige Nashornvögel ausmachte, die am Boden nach Samen pickten. Ohne groß zu überlegen nahm sie Anlauf und rannte auf den Schwarm zu, der sich augenblicklich in alle Himmelsrichtungen davon machte.

„Haha, diese dummen Vögel!“ Ziras Aufmerksamkeit war jedoch schon bald wieder woanders. All die fremden Gerüche waren so aufregend. Ihr kam es so vor als sei sie seit Ewigkeiten nicht mehr richtig draußen gewesen. Natürlich kamen ihr andauernd die spannendsten Dinge in die Nase geweht, aber sie konnte ihnen nie folgen.

„Hey, wohin gehst du? Nicht so schnell!“, hechelte Jerk außer Atem und hatte Probleme mit ihr Schritt zu halten. Es war einfach zu heiß um zu rennen… oder zu gehen… oder zu atmen.

„Was ist das?! Sind das etwa Vögel?“ Fasziniert von ihrer neuen Entdeckung wandte Zira sich wieder an den Hund und deutete aufgeregt in die Richtung, in der die seltsamen Tiere standen. Als Jerk sie schließlich eingeholt hatte erkannte er sofort, was sie meinte. In einiger Entfernung, hinter einigen Büschen unter einer Akazie, drängten sich ein paar Strauße im Schatten.

„Ja, das sind Vogelstrauße… Komm, ich erzähle dir jetzt mal was über sie.“, meinte Jerk plötzlich und deutete zu ihnen.

„Äh… Was? Warum tust du mir was über diese Vögel erzählen?“, hakte Zira nach.

„Weil sie böse sind! Glaub mir, sie mögen wunderschöne Augen haben, aber sie sind böse!“, meinte Jerk ernst.

„Aber es sind doch nur Vögel.“

„Und Nashörner sind nur sehr hässliche Gnus?“, erwiderte Jerk und schüttelte entschlossen den Kopf. „Nein Zira, Strauße sind das schlimmste was hier draußen lebt. Sie mögen dich vielleicht nicht fressen, doch sie töten aus reinem Spaß!“

Vielleicht kam es Zira in dem Moment nur so vor, aber irgendwie schien er ihr etwas… paranoid. Oder vielleicht hatte er auch nur schon schlechte Erfahrungen gemacht, so genau ließ sich das nicht sagen. Jedenfalls wurde sein Gerede immer mehr und immer wirrer. Zira hörte nach kurzer Zeit schon gar nicht mehr hin und allen Anschein nach beachtete Jerk sie auch nicht weiter. Er war viel zu gefesselt von seiner eigenen Erzählung und konnte den Blick nicht von den Laufvögeln nehmen.

Und während er da so redete, tat Zira das, was sie schon die ganze Zeit tun wollte: sie setzte sich auf und ging einfach ihres Weges. Der unwiderstehliche Geruch von frischem Blut kam ihr Schwach aus einer Richtung entgegen und was auch immer da gestorben war, sie wollte es sehen. Jerk würde sie gleich danach wieder aufsuchen, er würde gar nicht merken, dass sie weg war.

Zira eilte schnellen Schrittes durch das Gras und allmählich wurde der Geruch stärker. Ein großer, knorriger Baum schien der Ursprung zu sein und als sie näher an die Akazie herantrat, sah sie tatsächlich in einem der höher liegenden Äste eine tote Antilope. Oder zumindest das was von ihr übrig war.

Sekunde, was war das, was ihre Mutter ihr mal eingebläut hatte? Sie hatte sich fernzuhalten von tiefen Gewässern wegen den Krokodilen, von Büffelkälbern wegen ihrer Mütter und von… Aas in Bäumen. Aber wegen was? Sie erinnerte sich nicht mehr daran, aber allein dass sie es wusste war Grund genug sich Sorgen zu machen.

Wo war eigentlich…

„Jerk? Hallo…“, rief Zira und drehte sich nach allen Seiten um. „Jerk!“, rief sie ein weiteres Mal, doch als wieder keine Reaktion von irgendwoher kam, zuckte sie nur die Schultern und gerade als sie einen Schritt zurück machen wollte um sich auf den Rückweg zu machen, bewegte sich einer der Äste des Akazie.

„Ich fass es nicht, wer traut sich da an meine Beute?“, fauchte eine tiefe Stimme zu ihr herunter und zwei gelbe Augen funkelten sie in den Schatten an.

Leoparden. Stimmt, ihre Mutter hatte sie stets vor Leoparden auf Bäumen gewarnt.
 

Währenddessen durchlebte Jerk wohl die Hölle auf Erden. Als er nach ellenlangem Gerede endlich bemerkte das Zira über alle Berge war, war erst mal panisch und planlos durch die Gegend gelaufen, bis er schließlich einsehen musste, das er Zira allein nicht finden konnte. Er hatte den schweren Entschluss gefasst zurück nach Hause zu gehen und Chica die Geschichte zu erzählen. Und jetzt bekam er Buße…

„Du hast WAS getan?! Wie konntest du sie nur verlieren?! Wie konntest du nur so blöd sein und die Kleine aus den Augen lassen? Einfach mit ihr da raus gehen! Wahrscheinlich wird sie schon von irgendwelchen Raubtieren belauert! Oder sie ist schon tot! Oder verletzt! Was hast du dir dabei gedacht? Ich könnte dich…“ Chica brachte den Satz nicht zu Ende und knurrte nur noch lauter.

„Das wollte ich doch gar nicht… Ich dachte nur…“

„Du wagst es zu DENKEN?!“, knurrte Chica energisch und schlug ihre Pfote gegen den Boden. „Ich glaub’s einfach nicht! Ich wage es einmal Zeit für mich zu nehmen und dich und Zira unbeaufsichtigt zu lassen und einfach nichts zu tun und dann kommst du daher und erzählst mir diesen Mist!“

Sie schnaubte wütend, dann öffnete sie das Gartentor mit den Pfoten. „Hör zu: Wenn Linda kommt, dann halte sie auf! Was weiß ich, versuch sie übermäßig zu begrüßen, sie vom Garten wegzudrängen, nimm‘ ihr ihre Autoschlüssel weg, verwüste das Haus, was weiß ich! Sorg einfach dafür, dass sie nicht bemerkt dass Zira und ich weg sind! Ich geh jetzt auf die Suche nach der Kleinen, ich bin sowieso schneller als du. Mal wieder.“, zischte Chica und rannte schließlich so schnell ihre Beine sie tragen konnten davon, immer mit der Hoffnung eine Fährte zu bekommen. Sie musste sie einfach finden, denn sonst… sie wollte nicht daran denken was sonst war oder was sie sonst vielleicht finden würde… oder eben nicht mehr finden würde.

Sie begann zu hecheln und schmeckte den Staub den sie aufwirbelte auf ihrer Zunge. Die Stelle an der Jerk Zira zuletzt gesehen hatte musste ganz in der Nähe sein und sie hoffte nun endlich eine Fährte zu wittern. Sie musste.
 

„I-ich wollte nicht–“ Zira kam gar nicht dazu zu Ende zu reden, da der Leopard nun in einem eleganten Satz von dem Ast sprang, auf dem er bis eben noch gesessen hatte und nur wenige Meter von Zira entfernt auf dem trockenen Boden aufkam.

„Du wolltest nicht meine Beute klauen? Natürlich nicht, auf den Baum würdest du wohl kaum hoch kommen.“, zischte der Leopard und begann Zira mit etwas Abstand zu umkreisen.

„Nein, ich wollte nichts klauen, ich bin nur zufällig vorbei gekommen und wollte gerade gehen.“ Zira verhaspelte sich beinahe vor Aufregung und die Angst die in ihr wuchs machte ihr das Denken schwer. Sie machte einen Schritt zurück, wurde jedoch von dem Leoparden augenblicklich wieder zurückgedrängt.

„Was denkst du was du da tust?!“

„Ich will nur geh–“

„Wo ist überhaupt dein Rudel? Was machst du hier alleine?!“ Für einen Moment schien der Leopard unkonzentriert und die Angst, dass jeden Moment ein ganzes Löwenrudel erscheinen würde um ihr in Not geratenes Mitglied zu retten, schien sich bei ihm melden.

Zira wollte gerade zum Rückzug ansetzen und ihre Chance ergreifen, doch ehe sie sich versah packte plötzlich etwas ihr Hinterbein und zog sie höchst unsanft zurück. Das würde mit Sicherheit eine Beule geben.

„Ich sagte bleib hier!“, brüllte der Leopard sie an und nun konnte sie die Tränen endgültig nicht mehr zurückhalten.

„W-was willst du denn von mir? Ich geh doch schon!“, presste sie zwischen ein paar Schluchzern hervor und sah mit Entsetzen dabei zu, wie sich ein fast schon sadistisches Grinsen auf das Gesicht des Leoparden schlich.

„Weißt du was ich mit dir machen werde?“ Er deutete hinter sich, auf die tote Gazelle auf dem Baum und sämtliches Blut wich ihr aus dem Kopf. Ihre Krallen bohrten sich in den Dreck unter ihr und die Tränen verschwammen ihre Sicht. Sie hätte nie von Jerk weggehen soll.

„Ich werde dich da oben aufhängen, als Warnung an dein ganzes verdammtes Rudel, verstanden? Also mach das nicht schwerer als–“ Diesmal war es der Leopard der höchst unfreundlich unterbrochen wurde.

„Hey! Was ist hier los?!“ Chica stand hechelnd und mit aufgestelltem Nackenfell und Schaum vorm Maul im Gras und sah in einigen Metern Entfernung zu den beiden Raubkatzen. Perfekt, natürlich musste das schlimmste nur mögliche Szenario passiert sein, warum auch nicht? Warum auch nicht ausgerechnet sie?! Sie hatte ja sonst nichts zu tun, ach war die Welt gut zu ihr!

„Was zur…“ Der Leopard schien einen Moment ernsthaft verwirrt zu sein. Er hatte noch nie zuvor einen so hässlichen… was auch immer das war gesehen.

Zira schien die Erleichterung über Chicas Ankunft ins Gesicht geschrieben zu sein, einzig und allein der Hund selbst war nicht glücklich über diese Gesellschaft. Warum auch? Sie kam sich nämlich plötzlich sehr, sehr, sehr klein vor. So klein, dass sie am liebsten umgekehrt und weggelaufen wäre.

„Na los, los!“, bellte sie schließlich und warf Zira einen vielsagenden Blick zu, ehe sie einige Meter in die entgegengesetzte Richtung rannte. Der Leopard schien jedoch nicht wirklich zu wissen, wie er darauf reagieren sollte und blieb wie angewurzelt stehen. Noch immer zu nah um Zira fliehen zu lassen, doch Chica hatte einen Plan. Er erforderte all ihren Mut, aber wann benutzte sie den auch schon?

„Hey, Mistvieh, komm doch!“, keifte sie mit gefletschten Zähnen und schnappte nach dem Schwanz der gefleckten Raubkatze. Und das schien tatsächlich Wirkung zu zeigen. Zumindest wand er sich jetzt von Zira ab und schlug erbost brüllend nach dem Windhund aus.

Zira hatte sich indes hastig die Tränen aus den Augen gewischt, ergriff die Gelegenheit und hetzte sofort in die entgegengesetzte Richtung, was auch Chica sofort bemerkte und die junge Löwin in Windeseile einholte, den Leoparden noch immer dicht an den Fersen. Es ging nun um Sekundenbruchteile, wenn sie keine Zeit verschwenden wollte.

Chica packte Zira im Rennen am Kragen und hoch das Löwenjunge unter größten Anstrengungen hoch. Sie wusste dass sie sie verlangsamen würde, aber vielleicht würde der Leopard seine Jagd ja beenden, denn immerhin war Chica immer noch schneller als er… und wesentlich ausdauernder als er es je sein könnte.

Sie spürte die Erschütterung seiner Sprünge noch immer hinter sich im Boden, wagte es jedoch kaum nach hinten zu sehen. Im Augenwinkel sah sie gelegentlich eine ausgefahrene Kralle nach ihr greifen, doch jedes Mal verfehlte er sie. Noch. Sie musste es schaffen, sonst gab es kein Morgen mehr und Chica mochte ihr Leben ausgesprochen sehr.

Doch Rettung nahte, denn inzwischen sah sie zumindest in der Ferne das Haus sich aus dem Gras erheben. Wenn sie die Geschwindigkeit beibehielt würde, nein, musste sie es schaffen!

Der Wind rauschte ihr um die Ohren, gemischt mit den Geräuschen ihrer eigenen Sprünge und das Fauchen des Leoparden.

Und dann, ganz plötzlich wurden die Schritte ihres Verfolgers dumpfer und leiser und als sie genauer hinhorchte und den Blick ein klein wenig wand, da sah sie wie die Entfernung immer größer wurde.

Endlich! Sie wusste ja schon selber, dass sie verdammt gut war, in dem was sie eben konnte, aber es tatsächlich mal für etwas gebrauchen zu können… Nun, sie hoffte einfach, dass sie das nie wieder tun musste.

Chicas Herz pumpte noch immer pures Adrenalin durch ihre Adern, als sie endlich völlig erschöpft zu Hause ankamen. Sie hatte den ganzen Weg nicht angehalten, sich kaum getraut nach hinten zu sehen, wäre ein paar Mal um ein Haar gestolpert, doch… sie lebte! Sie hatten es geschafft, sie waren sicher und das war zumindest mehr als die Antilope über sich sagen konnte.

Ihre Beine zitterten, sie konnte kaum noch laufen. Wortlos schlüpfte sie in den Garten und lies Zira höchst unsanft auf den Boden fallen.

Schuldbewusst sah die kleine Löwin zu Chica auf, doch in deren Blick war nichts als Wut. Kein Funken Verständnis oder Mitleid kam zu Tage und irgendwie hatte Zira das Gefühl, dass sie das auch nicht verdient hatte. Sie wollte ja schließlich nicht auf Chica hören und das schlimmste war, dass sie mit ihren Befürchtungen anscheinend auch noch recht gehabt hatte.

„Tut mir L…“ Weiter kam Zira nicht, denn Chica fiel ihr sofort ins Wort.

„Bist du wahnsinnig!? Wir hätten alle beide sterben können! Was fällt dir ein? Warum bist du abgehauen!?“, bellte die Hündin wutentbrannt und trat im Vorbeigehen nach Jerk, der sich inzwischen zu ihnen gesellt hatte.

„Hören wir besser auf sie… Komm, ich denke wir sollten sie in Ruhe lassen.“, versuchte Jerk die Situation zu entschärfen, bekam jedoch nur wieder ein weiteres gereiztes Knurren zu hören.

„Ist sie sehr wütend?“, fragte Zira zittrig und folgte Jerk hinter den Akazienbaum.

„Ja.“, antwortete er trocken, ehe er Zira zwischen seine Pfoten zog und seinen Kopf auf ihr abstütze. „Aber sie kommt darüber hinweg, das tut sie immer.“

Ja, wahrscheinlich stimmte das sogar.



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