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Ziras unerzählte Geschichte

von

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Albträume und die, die wahr werden

Zu behaupten dass Zira in den letzten Tagen gut schlief war gelogen.

Es ging ihr erbärmlich.

Sie hatte gedacht sich besser zu fühlen, wenn sie es Scar zurückgeben würde, aber stattdessen fraß sie das schlechte Gewissen auf, ohne dass Scar es überhaupt merkte. Obwohl, er merkte dass es ihr schlechter ging, aber tat er etwas? Fragte er?

Na ja… Schon. Aber er war nicht unbedingt verbissen was das anging. Er fragte, sie sagte es sei nichts, er ließ es dabei beruhen. Irgendwie nicht die Reaktion die Zira sich in ihrem Innern erwünscht hatte.

Eigentlich wünschte sie sich von ihm Zuneigung zu erfahren.

Ach, es war alles so Gegensätzlich. Sie wünschte sich von dem Trost, den sie betrogen hatte, hätte ihn jedoch sofort abgewiesen wenn er ihr körperlich zu nahe gekommen wäre. So war sie doch immer gewesen… Sie fauchte, in der Hoffnung betätschelt zu werden, wie ein Hund der sich auf den Rücken legte, dich anknurrte und dem es letzten Endes doch gefiel wenn du ihn streichelst.

So war sie immer schon gewesen, ein einziger Haufen an Widersprüchen, der auf der einen Seite, zum Beispiel, Nuka über alles liebte, doch andererseits ihn einfach fallen ließ, wenn Scar ihm, geschickt wie er war, Nuka irgendwas vorwarf. Irgendwas was er nicht war, irgendeine Hoffnung die Nuka nicht erfüllt hatte. So hatte Zira immer schon reagiert. Sie liebte Nuka, doch anscheinend nicht genug um das Rückgrat zu haben und ihn vor seinem Vater zu verteidigen.

Scar liebte seinen Sohn, das wusste Zira, sie sah doch wie er mit ihm umging wenn er glaubte Zira würde nicht darauf achten, aber er hatte eben Erwartungen in den kleinen Prinzen gesetzt, die einfach nicht erfüllt werden konnten.

Aber wie denn auch? Er war doch noch ein Junges, Scar würde sich gedulden müssen, noch hatte Nuka all seine Potenziale noch gar nicht gezeigt.

Doch um ehrlich zu sein war Nuka Ziras kleinstes Problem im Moment.

Es fraß sie auf.

Dieses scheußliche Schuldgefühl fraß sie langsam auf, sie wurde wahnsinnig, es machte sie völlig fertig.

Tagsüber so zu tun als wäre nichts gewesen, war schon schwer, aber nachts konnte sie sich nicht vor ihren Albträumen und schlechten Gewissen verstecken.

Diese Träume kamen einfach.

Sie waren dumm, sie ergaben keinen Sinn, waren völlig willkürlich zusammengefügt und dennoch verängstigten sie sie.

So wie jetzt.

„Scar… Wohin gehst du?“, fragte Zira Scar, der ihr den Rücken zugedreht hatte.

Sie hatte schon im ersten Moment bemerkt dass sie diesen Traum nicht mögen würde, denn er machte ihr Angst. Alles hieran. Der Himmel war grau und dunkel und es fiel ihr schwer zwischen dem Grau der Wolken und dem des Grases zu unterscheiden, zudem lag irgendwas in der Luft, was in ihr ein schreckliches Unbehagen auslöste. Sie konnte es nicht beschreiben, es war diese Stimmung, diese Anspannung die sie so bedrückte. Sie wusste das sie schlief, sie wollte aufwachen, aber genau darüber hatte sie eben keine Kontrolle.

„Weg.“, antwortete Scar ihr schließlich nach einem unangenehm langen Schweigen auf ihre Frage, wobei er sehr kühl klang und irgendwie wütend zu Zira hinabsah.

Wut, war das Wut? Sie wusste es nicht, er war auf jeden Fall verärgert.

„Ich will mitkommen. Nimm mich mit!“, flehte Zira nun und erschrak als sie realisierte wie unfassbar erbärmlich und unterwürfig sie eigentlich klang als sie das sagte.

„Oh nein“, fuhr Scar sie scharf an „Du hast es dir doch gar nicht verdient, bleib doch einfach hier und lass mich allein.“, fauchte Scar gefährlich leise und schubste Zira von sich weg.

Zira hasste es zu träumen. Sie hatte keine Kontrolle über  das was geschah und das war es was sie so sehr verabscheute. Vor allem waren ihre Reaktionen allem gegenüber tausendmal intensiver als sie wirklich wären.

Wie zum Beispiel jetzt. Sie heulte. Sie weinte tatsächlich und wimmerte Scar, wie ein verzweifeltes, unterwürfiges Etwas seinen Namen nach, doch er drehte sich gar nicht mehr nach ihr um.

„Was hab ich nur getan?“, fragte sie nun und klang nun jedoch einfach nur noch wie ein kleines, trotziges Junge, welches wollte dass sein Wille erfüllt wurde.

Doch er war verschwunden, einfach so. Nicht mal über ihre eigenen Träume hatte Zira die Kontrolle… Sie hasste es.

Und dann passierte schon wieder etwas, was ihr wie ein vollkommen willkürlicher, schlechter Scherz ihrer Gedanken vorkam, denn plötzlich kamen zwei Gestalten aus dem Gras getreten, nämlich Kisamba und Fisadi.

Von Kisamba ging ein engelhaftes Strahlen aus, Zira konnte kaum etwas an ihr erkennen, sie wahr so unglaublich hell.

Fisadi hingegen sah dunkel und bösartig aus, die Augen waren wie ausgehöhlt, leer und schwarz, sein Fell, verkrustet, dreckig und ungepflegt.

Es war als hätte man die Verkörperungen von Gut und Böse in Person vor Zira aufgestellt.

Und sie stand einfach nur da und konnte nichts anderes tun als Hass auf diesen Bastard zu  empfinden, Ihre Mutter existierte nicht, es war nur dieser Hass gegen Fisadi da.

„Warum hast du mir das angetan?“, schrie Zira ihn an und holte, aus purem Hass, zum Schlag aus. Sie wollte ihre Krallen in sein Fleisch bohren, ihn Leiden sehen, doch sich griff regelrecht durch ihn hindurch, er war wie Nebel.

„Zira… Wenn du so weitermachst, dann wirst du dir dein eigenes Grab schaufeln. Er kann dich nicht hören. Er wird es auch nicht.“

Das waren die ersten Worte die Kisamba nun sagte. Sie Löwin sagte endlich etwas, doch was sie da hörte, gefiel Zira nicht. Ungläubig starrte sie zu ihrer Mutter.

„Was redest du da?“, fragte Zira.

„Du hast IMMER eine Wahl… Und so hast du auch immer die Chance das richtige zu tun.“ Kisamba sah liebevoll zu Zira „Ich will nicht zusehen, wie du dich kaputt machst. Noch hast du die Chance dich zu retten. Aber irgendwann wirst du zusammenbrechen. Ich will dir dabei nicht zusehen… Ich will das nicht.“

„Mutter… von was redest du? Du bist nicht mehr hier.“

„Nein… Aber ich pass trotzdem auf dich auf.“

Dann war es eine Sekunde still.

„Warum rede ich überhaupt mit dir? DU bist doch nur Teil meiner Fantasie, es gibt doch nicht mal.

„Denkst du das“ Kisambas Züge wurden härter und etwas Enttäuschtes schlich sich auf ihr Gesicht „Schau dir ihn an, ist der da etwa auch nur deine Fantasie? Existiert er etwa nicht?“

„Das… Das ist nur ein Traum. Das weiß ich. Und ich will nicht mehr.“

„Dann wach doch auf“, meinte Kisamba „Du hast doch alles immer so gerne unter Kontrolle.“

Und dann war es still. Zira wusste nicht ob sie überhaupt Handlungen in Träumen bewusst tat, aber sie sagte etwas: „Ich will zu dir.“

Und plötzlich, da schoss die dämonenhafte Gestallt Fisadis zwischen Zira und Kisamba, so plötzlich dass Zira zusammenschreckte.

„Da musst du erst an ihm vorbei.“, erklärte Kisamba, drehte Zira den Rücken zu und ging. Und wie auf Befehl löste sich auch plötzlich Fisadi in Luft auf. Und Zira war ganz allein.
 

„Mutter…“ Nuka patschte Zira vorsichtig im Gesicht herum „Bist du okay? Du hast im Schlaf immer wieder komische Sachen gesagt, geht’s dir nicht gut? Hast du was schlimmes geträumt?“, fragte Nuka voller Sorge.

„Oh Nuka, ist alles okay, mir… mir geht’s gut.“, stotterte Zira. Erst jetzt merkte sie wie flach ihre Atmung war und das sie stark geschwitzt haben musste.

Was sollte das?! Was hab ich denn da für einen Mist geträumt? Seit Ewigkeiten hatte ich keinen Albtraum mehr in dem Kisamba vorkam. Warum jetzt auf einmal wieder? Und was hab ich da für einen Schrott geredet, schoss es Zira im selben Moment durch den Kopf. Träume, vor allem ihre, waren schon… seltsam.

„Bist du dir sicher? Du hast ganz schlimm geatmet. Ich glaub du hast sogar geweint.“, hakte Nuka besorgt nach.

„Nein, nein, ist alles gut.“, meinte Zira nochmals und strich Nuka beruhigend über den Rücken.

Nuka schluckte, dann nickte er jedoch.

„Was ist denn?“, grummelte Scar in diesem Moment und wälzte sich umher.

„Mutter hatte einen Albtraum.“, erklärte Nuka und legte sich zu Vitani, die er vorsichtig zwischen seinen Pfoten platzierte. Seine geliebte, kleine Schwester genoss ab jetzt eben Sonderrechte.

Scar sah Zira einige Augenblicke lang aus seinen stechenden, tiefgrünen Augen an, was jedoch ein eher schlechtes Gefühl in ihr weckte, vor allem als er schließlich meinte: „Zira… Ich will mal mit dir reden.“

Zira stand zögerlich auf und folgte Scar, wenn auch merklich widerwillig. Sie wollte nicht reden, auch wenn sie es verstehen konnte. Es waren schon mehrere Tage seit denen Zira sich eben so verhielt wie sie war, natürlich war das nicht normal.

Und so folgte sie ihm, spürte die kühle Abendluft ihr entgegenschlagen und eigentlich war nichts groß dabei gewesen, bis eben plötzlich etwas geschah, auf was sie nicht gefasst war. Etwas, was nicht eingeplant war. Etwas, wes rein biologisch gar nicht möglich sein durfte. Etwas, was ihr das Blut aus dem Kopf sog und ihre Beine ins Schwanken brachte und wenn sie etwas im Magen gehabt hätte, hätte sie gekotzt.

Oh nein. Nein. Nein, nein, nein, nein, nein. NEIN. ALLES nur DAS nicht!

Sie spürte es schon wieder… Dieses ziehen in der Bauchgegend. Hinter dem Magen, unterhalb des Beckens.

Warum eigentlich sie und nicht irgendwer anders? Warum tat man ihr das an? Sie konnte doch nicht… Weil… Sie durfte doch nicht, das ging doch gar nicht!

Doch. Sie war trächtig.

Sie trug ein Jungtier in sich herum, ein winziges, kleines Junge und zwar von…

Von ihm.

Von Fisadi

Oder?

Nein…

Doch! Das war sein Junges, er war der Vater, natürlich war er das.

Aber warum, verdammt?! Es war doch nur einmal gewesen! Nur ein einziges Mal, so kurz nach Vitanis Geburt, wie war das denn überhaupt möglich gewesen, es hätte doch gar nicht seien dürfen!

Zira blieb mit einem Mal einfach nur wie erstarrt stehen und blickte völlig emotionslos in die Dunkelheit, ehe Scar sie aus ihren Gedanken riss.

„Du willst nicht weiter“, fragte er, merklich genervt „Gut. Dann eben hier. Zira, setz dich.“

Zira setzte sich, wie ihr befohlen,  neben Scar in das verdorrte Gras. Sie waren jetzt irgendwo hinter dem Königsfelsen.

„Also…“, begann er „Was ist mit dir los? Seit Tagen kannst du kaum noch schlafen. Ich merk das doch auch“ Er hielt kurz inne und betrachtete ihre dürre Figur im Mondlicht „Du bist unruhiger. Und Nuka hat nicht mal so unrecht: Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich glauben du hast Albträume und zwar ständig.“

Zira sah in eine andere Richtung und starrte sich an einem Stern fest.

„Zira. Ich rede mit dir.“, sagte Scar bedrohlich ruhig.

Für einen Moment trafen sich ihre Blicke und Zira schluckte. Doch sagen? Nein, sie sagte nichts.

„Ist es wegen… Nala? Wegen dem was ich vor ein paar Tagen gemacht habe?“

Das Schweigen Ziras war Antwort genug.

„Oh Zira“, lachte Scar nun und rieb ohne Vorwarnung seinen Kopf an Ziras „Als ob du das ernst nehmen musst. Nala war doch nun wirklich nichts ernstes, es ist noch nicht mal zu was gekommen, das weißt du auch. Ich hab mich einfach hinreißen lassen, sie hat mich doch selbst dazu verführt, das musst du mir glauben. Sie wollte mich Verführen um das Geweihte Land verlassen zu können, so war das.“

Seine Lügen waren eigentlich zu offensichtlich, doch Zira zwang sich ihm irgendwie zu glauben.

„Aber… letzten Endes ist sie jetzt doch trotzdem weg.“, meinte sie kleinlaut.

„Ach Zira, sie war eine kleine, dreckige Schlampe…“ Als ihr Blick noch immer wie der eine Leiche starr geradeaus gerichtet war, fuhr Scar fort „Weißt du was? Vergiss das alles einfach. Du bist die Löwin die ich liebe und das weißt du.“

Scar beugte sich zu Zira herüber und begann ihr mit der Zunge liebevoll über den Hals und die Schnauze zu fahren.

„Und was du über mich sagtest? Das ich dein persönlicher Sklave oder so sei?“ So leicht gab sie nicht auf, so leicht wollte sie ihm nicht klein bei geben, sie wollte nicht so unterwürfig sein.

„DAS sagte ich nicht. Ich sagte nur, du würdest alle meine Entscheidungen akzeptieren. Und das sagte ich auch nur, damit Nala die Klappe hält.“, wand Scar ab. Im Grunde stimmte es doch sogar.

Ach ja… Scar hatte eine solche charmante Art zu lügen. Es war richtig süß. Und jeder wusste das Scar gelogen hatte. Aber Zira… Sie ZWANG sich dazu seine Lügen zu glauben. Sie liebte ihn trotz der ganzen Sache einfach so sehr, dass sie sich ihm nie großartig widersetzt hätte und Streit wollte sie auch nie. Sie nahm es einfach so hin und zwang sich dazu alles zu glauben.

„Ach so…“, war schließlich alles was Zira raus brachte.

Sie wusste nicht was sie nun tun sollte, also tat sie das was ihr erster Impuls war. Sie kuschelte ihren Kopf in Scars Mähne und glaubte, als sie seine beruhigende Wärme auf ihrer Haut spürte, einen ganz kurzen Moment zumindest, dass alles wieder gut war. Er zeigte ihr noch seine Zuneigung, also konnte noch nicht alles verloren sein. Er ließ sie ihn lieben, er war noch für sie da.

Noch.

Und da sah Zira plötzlich ihre Chance.

Diese Idee kam ihr einfach so und es schien der einzige Ausweg aus dieser Sackgasse zu sein.

 Wenn sie jetzt erste Anzeichen der Trächtigkeit zeigen würde, dann wäre es für Scar ganz offensichtlich, dass er NICHT der Vater sein konnte. Also los, jetzt oder nie.

„Scar… Mir tut die ganze Sache wirklich leid…“, begann Zira gespielt schuldbewusst und drängte sich näher an Scar „Das ich damals so ausgerastet bin und so… Sei mir nicht böse deswegen, ja? Ich… Ich hab einfach überreagiert.“, meinte sie und ihre Stimme hatte mit jedem Wort mehr etwas so verführerisches angenommen, dass sie sich schwer vorstellen konnte, dass Scar noch widerstehen könnte. Im Gegenteil, er sah es doch kommen. Er grinste schon wieder so. So wie er grinste wenn er genau wusste was als nächstes passieren würde. Dieses lüsterne, fast schon diabolische Grinsen.

Und er ließ sich solch eindeutige Angebote von Zira nicht zwei Mal machen, weshalb er sofort den Kiefer um Ziras Nackenfell schloss und ein tiefes Knurren von sich gab, als sie erschrocken auffauchte. Sein Atem erklang mit einem Mal so Rau in Ziras Ohren und sie fühlte sich alles andere als entspannt. Es war weniger Scars Rauheit, die sie immer schon gemocht hatte, sondern mehr die Tatsache dass ihr diese ganze Situation und vor allem sie selbst, nicht gefiel.

Sie fad sich noch immer nicht wirklich hübsch, auch wenn seit Vitanis Geburt einige Tage vorbei waren. Aber ihre verdammte Haut war noch immer überdehnt und sie fühlte sich wie ein Schwein. Oder ein Büffel. Oder ein Nashorn. Oder ein Nilpferd. Oder ein hässlicher, fetter Elefant.

Kurz gesagt: Zira fand sich abstoßend.

Doch wohl nicht genug, denn Scar schien zufrieden… Natürlich, er hatte mal wieder das bekommen was er wollte.

Sie erwiderte seine Zärtlichkeiten soweit, indem sie sich hinlegte und ihn einfach machen ließ, in der Hoffnung nur ein einziges Ziel zu erreichen, nämlich einen riesigen Unfall zu vertuschen.

Es war ja nicht so als ob sie es eilig hatte, aber sehr viel lieber jetzt als nachher. Sie musste nur dafür sorgen, dass Scar glaubte, es sei sein Junges. Dann wäre das Problem erledigt… Zumindest zeitweise.
 

„Samangi… Ich flehe dich an… Was ist passiert? Was hat man mit dir gemacht? Zeig dich doch endlich.“

Tage waren Vergangen, seit Tumaini oder irgendeiner aus der Gruppe Samangi gesehen hatte.

Sie versteckte sich gut und war so aufmerksam und so scheu wie eine Gazelle. Sie hatte sich abgeschottet und hatte mit niemandem ein Wort gesprochen, geschweige denn den Kontakt zu irgendwem gesucht.

Doch nun war es Tumaini einfach zu viel geworden, sie konnte und wollte nicht mehr, sie musste endlich wissen was mit ihrem kleinen Mädchen los war, verdammt noch mal!

So kam es dass Tumaini nun, nach ewig langer Suche und mehreren Fehltritten in unzählige Dornenbüsche, langsam auf Samangi zugeschlichen kam. Samangi saß zusammengekauert, den Kopf gesenkt und abgewandt, da und drehte Tumaini, als sie sie bemerkte, wortlos den Rücken zu.

„Bitte… Kleines, was hat man dir angetan? Was hat man mit dir angestellt? WER? Und vor allem WAS?“

Mheetu hatte wohl mit niemanden über den Zwischenfall geredet. Obwohl Kwanza als auch Tofauti versuchten aus Mheetu irgendwas rauszubekommen, schließlich war er der letzte der mit Samangi geredet hatte, doch er sagte entweder nichts oder ließen sich nicht auffinden.

Oder beides.

„Ist es wegen deinen Eltern?“, fragte Tumaini schließlich und setzte sich neben Samangi. Sie war überrascht dass die Löwin sie nicht anknurrte oder ähnliches.

Samangi wollte auch gar nicht. Sie wollte ja Tumainis Nähe, doch nur sollte sie nicht ihr Auge sehen. Aber dieser Wunsch war unrealistisch, irgendwann würden ALLE die Verletzung sehen, ihr trübes Auge und sie würde sich auch nicht ewig verstecken können.

„Mama, ich mag dieses Thema nicht. Du weißt es.“, murrte Samangi giftig.

„Ja… aber… Ich will nicht dass du deine Wurzeln vergisst. Ich will einfach dass du weißt dass du vor mir eine andere Familie hattest“ Tumaini starrte planlos auf ihre Pfoten „Was ist denn so schreckliches passiert? Du redest seit einer Woche nicht mehr mit irgendjemandem.“

„Es hat alles nichts mit dir oder meinen Geschwistern zu tun. Noch weniger mit meinen Eltern… Die kannte ich schließlich nicht mal“ Und mit einem Mal spürte Samangi die Tränen aufsteigen „Es war Mheetu.“ Ihre Stimme wurde langsam zu einem weinerlichen Wimmern.

Und das war wie ein Schlag ins Gesicht für Tumaini. Mheetu, Mheetu den sie wie einen Freund aufgenommen hatten, sollte also Samangi irgendwas angetan haben?

„Unser Mheetu“, hakte Tumaini schließlich ungläubig nach, auch wenn sie die Antwort wusste „Was hat er dir getan?“ Tumaini klang vorsichtig. Seit Samangi sie angegriffen hatte, hatte sie etwas mehr Respekt vor ihr.

Sollte sie das tun?

Samangi dachte nach. Sie hatte die ganze Woche Zeit zum Nachdenken gehabt, aber irgendwie schien es ihr als hätte sie diese Woche nur Zeit mit Selbstmitleid verschwendet.

Sollte sie sich ihr wirklich anvertrauen?

Ja.

Warum denn nicht, natürlich sollte sie. Tumaini war doch ihre Mutter… Irgendwie. Sie hatte sie lieb, sie liebte sie eine Mutter und einer Mutter vertraute man sich doch an.

„Also gut… Erschreck aber bitte nicht.“, bat Samangi und drehte ganz langsam den Kopf, so dass Tumaini ihr ins Gesicht sehen konnte.

Und das Versprechen, sie nicht zu erschrecken, konnte Tumaini leider nicht einhalten, denn der Schock über das was sie da sah war riesig.

Samangis gesamte, linke Gesichtshälfte war von vier langen, tiefen Wunden verunstaltet, die ihr von knapp über der Braue, herunter bis zum Mundwinkel liefen. Sie gingen genau über ihr Auge.

Ja, ihr Auge, ihr einst giftgrünes Auge, war silbrig-blau. Es war richtig trüb geworden, so wie man es von blinden Tieren kannte. Das sah einfach nicht mehr schön aus und die Schmerzen, die Samangi gehabt haben musste, wollte sie sich gar nicht vorstellen.

„Das… Das ist furchtbar.“ Das war alles was Tumaini herausbekam, sie war noch immer zu geschockt.

Doch das schien schon zu viel für Samangi gewesen zu sein, denn in diesem Moment schluchzte sie auf, brach in Tränen aus und sank völlig fertig zu Boden.

Tumaini selbst hatte scher gegen die Tränen anzukämpfen, nicht nur aufgrund der Tatsache dass Samangi so entstellt war, sondern noch mehr deswegen, weil das hier anscheinend Mheetus Werk gewesen sein sollte.

Bitte nicht Mheetu. Und so einer war der Freund ihrer kleinen Tofauti? Unfassbar! Und da glaubte man jemanden zu kennen. Nie hätte Tumaini gedacht sich so in jemandem zu täuschen.

„Schätzchen… Nein, nicht weinen!“, flehte Tumaini und schlang die Vorderpfoten um Samangis Hals. „Pst, ich bin ja da! Nicht weinen, bitte Schatz, NICHT weinen“, flehte sie und einige stille Tränen flossen über ihr Gesicht  „Kwanza kümmert sich um alles, versprochen. Er ist dein großer Bruder… E- er passt schon auf dich auf, das tut er doch immer.“

Tumaini drückte sich ganz eng an die junge Löwin und leckte ihr tröstend über den Kopf. Sie wollte ihre Kleinen doch nicht weinen sehen… Sie wollte ihnen genau das Leben verschaffen, was sie selbst nie hatte: Ein Leben mit Freunden, einer Familie… Sicherheit… Ohne Ängste und Trauer.

„Warum… warum hat er mir nicht einfach einen Gefallen getan und mich vollständig erblindet? Dann… dann würde nicht mal auffallen wenn ich mich im nächsten Fluss ertränke würde!“, wimmerte Samangi und drückte Tumaini noch enger an sich.

„Nein, sag doch so was nicht! Du hast es nicht verdient zu sterben! Dein Leben ist doch trotzdem lebenswert, du bist doch mein großes Mädchen! Du lässt dir doch nicht von so einem dummen, blinden Auge den Lebenswillen nehmen… Nein, das tust du nicht!“ Tumaini tat in ihrer Panik ihr bestes um Samangi irgendwie aufzubauen, doch sie zweifelte doch selbst an ihre Worten.

Samangi beruhigte sich langsam und ließ sie los.

„Kleine, seh mich an: Mir fehlt das halbe rechte Ohr…“, begann Tumaini „Und? Lass ich mir davon den Lebenswillen nehmen? Wohl eher nicht.“

„Aber… Du hast das Ohr bei einem Kampf mit einem Leoparden verloren. DU kanntest diesen Leopard nicht. Aber… mir wurde von Mheetu wehgetan. Einem Freund.“

Tumaini schluckte und wischte Samangi eine Träne aus dem Gesicht.

„Nur einem Freund? Oder war da nicht noch etwas mehr dahinter?“, fragte sie leise.

Samangi presste die Lippen aufeinander. Es sah so aus als würde sie gleich wieder zu weinen beginnen. Mit aller Kraft presste sie die Zunge gegen den Gaumen und kämpfte gegen die Tränen an.

„Na… Hatte ich also recht?“, fragte Tumaini.

Samangi nickte und zwar so energisch, dass ihr Pony dabei hin und her wackelte.

„Liebe tut weh… Was? Ach Kleines… Wenn ich das gewusst hätte…“ Tumaini streichelte sanft die Pfote Samangis und legte ihre Vorderbeine, so gut es eben ging, um sie „… Ich hätte alles getan um das zu verhindern.“

Was sie nicht wussten, war dass Kwanza alles mitgehört hatte. Zu gern wäre er zu seiner Schwester gerannt und sie umarmt, sie getröstet, aber momentan empfand er kein Mitleid. Nur blanken Hass auf einen ganz bestimmten Löwen.
 

Aufgewühlt stampfte Kwanza zurück zu Mheetu und Tofauti. Mheetu würde sein blaues Wunder erleben! Er würde es nie wieder wagen Kwanzas Familie weh zu tun! NIE WIEDER!

Und, als hätte es gar nicht besser seien können, stand er da also. Da stand Mheetu also, ganz allein, neben einem Gebüsch.

„Hey Kwanza“, begrüßte er ihn „Wollen wir vielleicht…“ Doch Mheetu kam nicht dazu zu Ende zu sprechen.

„Du verdammter Bastard!“, brüllte Kwanza stattdessen und warf sich auf Mheetu, der ihm körperlich natürlich völlig unterlegen war. Eigentlich war Kwanza wirklich nicht gewalttätig, aber das hier war eine Ausnahme. Eine RIESIGE Ausnahme.

„WAS?! Wie… was hab ich denn getan?“, fragte Mheetu verängstigt, als Kwanza ihn schon längst mit Leichtigkeit zu Boden gedrückt hatte.

„DAS weißt du GANZ GENAU! Ich dachte wir waren Freunde!“, fauchte Kwanza ihn an.

„Wir SIND Freunde!“, brüllte Mheetu zurück und spürte seine Wut auf Kwanza, der ihn ohne ersichtlichen Grund zusammenschlug, immer weiter wachsen.

„Ach, halt doch die Schnauze! Du bist so verdammt erbärmlich! Wegen dir musste Samangi  Höllenqualen durchmachen!“, brüllte Kwanza.

In diesem Moment wich alle Farbe aus Mheetus Kopf und ihm wurde richtig schlecht. Kwanza wusste es also.

„Es war keine Absicht!“, versuchte er sich zu verteidigen, auch wenn er wusste, dass jetzt nichts mehr half.

„Wirklich? DAS HIER auch nicht!“, fauchte Kwanza und schlug mit ausgefahrenen Krallen auf Mheetu ein. Und DAS tat richtig weh, vor allem da Kwanza auf den Bauch zielte. Bisher war er ja noch so gnädig gewesen die Krallen eingefahren zu lassen, doch inzwischen hatte Mheetu den Eindruck dass Kwanza ihn umbringen wollte.

Daraufhin entfachte ein Kampf, bei dem es bei mehr als nur einem Kratzer bleiben würde. Wie gesagt, keiner der beiden war gewalttätig, aber als sich der Geruch von frischem Blut mit dem Testosteron und Adrenalin vermischte, waren alle beide wie von Sinnen.

Zumindest so lange bis plötzlich eine kleine, weiße Löwin in das Geschehen geplatzt kam.

„Aufhören… AUFHÖREN!“, kreischte Tofauti panisch und stellte sich neben die kämpfenden Löwen.

„HALT DICH DA RAUS!“, schrie Kwanza sie, ungewollt aggressiv, an.

Tofauti sah entsetzt zu ihrem Bruder, dann zu Mheetu. Was zur Hölle war passiert? Kwanza war doch ihr Bruder, warum fuhr er sie so heftig an? Sie liebte beide dieser Löwen, warum taten sie das, warum brachten sie einander um?

„Hört auf!“, kreischte Tofauti nochmals und Tränen flossen aus ihren blutroten Augen. Sie konnte es einfach nicht ertragen

Und plötzlich, Kwanza wollte Mheetu grade in die Mähne beißen, da stockten die beiden Löwen.

Kwanza spürte mit einem Mal ein unendliches Schuldgefühl, als er seine kleine Schwester weinen sah. In ihren Augen spiegelte sich die pure Enttäuschung über ihn wieder, sie war einfach nur fertig von alle dem hier.

Er wollte das doch nicht, er wollte seine Schwestern doch nur beschützen, auf sie aufpassen, sie glücklich machen.

Wortlos stieg er von Mheetu herunter und sah schuldbewusst zu Tofauti. Na toll… Wo war er nur gelandet? Zum einen wollte er Samangi rächen, was sie ja auch nach allem was sie ertragen musste verdient hätte, doch wenn er das tat, würde er seiner anderen Schwester das Herz brechen. Egal für was er sich endschied, eine seiner Schwestern würde IMMER als Verliererin enden.

„Ich… Das war doch nur wegen Samangi.“, brachte er hervor.

„Was redest du da“, brüllte Tofauti ihn erbost an „Samangi geht es gut, sie ist nur in so einer Phase!“ Tofauti warf ihm einen vernichtenden Blick zu und schmiegte sich an Mheetu, welcher sich auf zittrigen Beinen aufstellte.

Und wieder wurde Kwanza wütend.

„NICHTS ist mit ihr in Ordnung! Mheetu hat...“ Er stockte „Willst du es ihr sagen, oder soll sie es von mir erfahren?“

Welche Wahl blieb ihm da? Mheetu schluckte, dann öffnete er den Mund: „Ich… ich hab sie einseitig erblindet.“, brachte er hervor.

Dann war es still.

Tofauti lachte. Doch, im ernst, sie kicherte.

„Nein, ehrlich, was war denn jetzt?“, fragte sie, in einem Tonfall als ob nichts gewesen wäre. Sie glaubte ihnen ganz eindeutig nicht.

„Das war kein Witz.“, meinte Mheetu trocken und senkte vor Scham und Schuldgefühl den Kopf.

Ungläubig starrte Tofauti zu ihm und machte verunsichert einen Schritt rückwärts.

Sie wollte das nicht wahr haben, das konnte doch nicht wirklich sein Ernst sein.

„Du… du hast das nicht gemacht… Nein, Mheetu! Ich liebe dich, sag mir das das nur ein Scherz war!“, flehte Tofauti weinerlich. Ihre Stimme war von einer Sekunde auf die andere von spaßend auf verzweifelt umgeschlagen.

Mheetu schüttelte wortlos den Kopf.

„NEIN! Das ist nicht wahr“ Panisch sah sie zwischen Kwanza und Mheetu herum „Wir sind doch alle Freunde! Ich glaub das euch nicht, ihr wollt mich doch nur reinlegen! Samangi geht es gut! Sie hat zwei gesunde Augen! Ich wird‘s euch beweisen, ich geh jetzt zu ihr und dann werdet ihr sehen!“

Tofauti klang hysterisch, fast schon verzweifelt, so wie ein kleines, bockendes Junge, das nicht das bekommen hatte was es wollte. „Ihr werdet schon sehen! Samangi geht’s bestens!“, fauchte sie wütend und rannte davon.

„So gutgläubig…“, seufzte Kwanza leise.

„Ja… dafür liebe ich sie.“, meinte Mheetu halblaut.

„Dafür? Nur dafür?“, hakte Kwanza nach.

„Nein… Nicht nur. Einfach für alles. Sie ist so unglaublich süß.“

„Ja, das ist sie“ Kwanza begann langsam sich schrecklich zu fühlen, weshalb er fortfuhr „Kumpel… Tut mir leid das grade eben… Aber du kennst mich.“

„Jaja, ich weiß: Sobald jemand deiner Familie weh tut, gibst du’s ihm zehnfach zurück. Aber ist schon okay.“

Dann herrschte ein paar Sekunden unangenehme Ruhe zwischen den beiden Löwen.

„Mheetu… Wie ist eigentlich deine Version der Geschichte?“, fragte Kwanza leise.

„Oh… Ich glaub ich hab Samangi einfach enttäuscht.“

„Erzähl’s mir… Vielleicht kann ich dir das alles irgendwann verzeihen.“

„Wirklich?“

„Bitte, erzähl es mir einfach.“

Und Mheetu erzählte…



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