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Namenlos

von

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Verschleierte Idylle

Ja, etwas Neues. :) Ja, wieder Kingdom Hearts. Ja, wieder Vanitas & Ventus als Hauptfiguren. Ich kann halt nicht anders! Und ja, wieder AU! :D

Bevor jetzt jemand sagt Total unkreativer Titel, was soll das!...

Um ehrlich zu sein, ist er tatsächlich unkreativ. Ich nannte das Dokument übergangsweise "Namenlos", da ich mir erst noch einen Namen überlegen wollte, doch ist mir im Verlaufe des Überlegens klar geworden, dass es kaum einen Passenderen hätte geben können.

Also keine Sorge, namenlos bedeutet nicht gleich ideenlos. :)
 

Und bevor das Vorwort länger wird als der Prolog, geht's auch gleich los. (Ja, mit Absicht kursiv)
 

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Ungetrübt blendend erwärmten angenehm warme Sonnenstrahlen die Erde und belebten die grünende, aufblühende Natur. Aus dem längst aufgetauten Boden sprossen die ersten Blumen und das Zwitschern der zurückkehrenden Vögel läutete reges Leben ein.

Frühling. Ein Neuanfang. So sollte es sein.

Doch fast als sei diese Idylle nicht zu verwirklichen, verscheuchten die lauten, schrillen Töne von Sirenen das Zwitschern und alles Leben der Natur fast so schnell, wie all dies eben erst begonnen hatte.

Auch als das Schrillen der Sirenen verstummte, kehrte die Lebendigkeit nicht zurück. Die Sonnenstrahlen blieben unberührt, doch wirkten sie bedrückend, je näher man der Ursache der Störung kam.

Dunkelgraue Wolken stiegen in den Himmel, um die Helligkeit und ihre Wärme zu verdrängen, hüllten die Kulisse trotz der hellen, zischenden Flammen, die die Luft zu verschlingen drohten, in ein krankes, falsches, kaltes Schauspiel, aufgesetzt in Sekundenschnelle und sofort perfekt gespielt.

Als wäre alles eingeübt, spielte das Glück diesmal seine entscheidende Rolle und sorgte dafür, dass die herzliche, zusammenhaltende Familie dem Dilemma ohne Schäden entkommen konnte.

Zwar hatte das Feuer schon den Großteil der Habseligkeiten und des gesamten Gebäudes, aus dem die Familienmitglieder sich hatten retten können, verschlungen, doch konnte auch das nicht das offensichtliche Glück der Verwandten schmälern.

Und obwohl alles schien, als sei ein Glück im Unglück geschehen, konnten die löschenden Wasserfontänen das Leuchten und die Idylle nicht zurückzaubern. Denn etwas abseits der Freude, sichtbar doch kaum beachtet, ließ sich ein Fehler in der Perfektion finden. Der Kratzer auf der Schallplatte, welcher dafür sorgte, dass sie nicht mehr spielbar war. Die Ursache für die Störung.

„Kannst du aufstehen?“, beinahe kalt erklangen die Worte der Ermittlerin, welchen ohne eine bemerkbare Antwort Folge geleistet wurde. Ebenso emotionslos wie ihre Stimme war auch der Gesichtsausdruck des Jungen, an den sie das Wort gerichtet hatte. Ohne auf eine weitere Anweisung zu warten und ohne das Geschehen eines Blickes zu würdigen trat der Junge vor das Polizeiauto und stieg ein, bevor man ihn dazu auffordern konnte.

Denn auch wenn es nicht funktioniert hatte, wie es sein Wunsch gewesen war, hoffte er, dass dieses Geschehen sein Ticket in ein anderes Leben war. Etwas Frisches. Ein Neuanfang.

Äußerlich absolut regungslos und desinteressiert lehnte der Junge sich an seine Rückenlehne und blickte aus dem Fenster. Ob es ihm innerlich anders ging, konnten zumindest die beiden Ermittler nicht sagen, die sich vorne gesetzt hatten und ihn nun zur Wache brachten. Der Junge würde Fragen beantworten müssen. Sich verantworten müssen.

Anhand seines Verhaltens könnte man weder sagen, dass er seine Tat bereute, noch, dass er sie für gut befand. Es war, als hätte sich eine Maske über ihn gelegt, die seine Gefühle und Gründe für sein Handeln verschleierten und versteckten.

Die Fahrt war kurz und schmerzlos, die Fragen erwartet und uninteressant. Mit leerem Blick starrte der Junge durch die Person durch, die ihn befragte, antwortete knapp, gab nur vage Antworten, mit trockener Stimme, als wisse er kaum, wie man spricht. Vielleicht wusste er es tatsächlich kaum, so schwer wie es ihm fiel, sich nicht bei jedem zweiten Wort zu verhaspeln.

Eigentlich hätte man erwartet, dass er verstört sei, ratlos, untröstlich, und deswegen so wirr sprach, doch nichts davon zeichnete sich in seiner Mimik oder seinen Worten ab. Nur pures Desinteresse, als wolle er lediglich alles hinter sich bringen.

Beinahe beängstigend, doch ebenso eindeutig. Hinweisend auf eine geistige Störung. Zwar würde er über Nacht auf der Wache bleiben müssen, doch stand zumindest noch nicht fest, wie dann weiter vorgegangen werden würde.

Es war möglich, dass er – unter Beobachtung und Kontrolle –wieder nach Hause konnte, doch schien diese Möglichkeit eher unwahrscheinlich und – so fanden zumindest die Ermittler – ziemlich gefährlich. Und ob er das wollte, war ebenfalls fraglich.

Nein, vielleicht würde man ihn in eine Klinik schicken und eine Therapie durchführen lassen.

Schließlich ging nicht jeder so weit, ein Haus anzuzünden, das gefüllt war mit Mitgliedern der eigenen Familie.
 

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Ich weiß, kurz, aber wie gesagt nur der Prolog. :)

Mal sehen, ob sich das überhaupt jemand antut. xD
 

Liebe Grüße, Freunde der Nacht (und schlechter Volksmusik, wie auch immer ich darauf komme),

Valenfield

Eingewöhnung

Wie inzwischen wohl bekannt, kopiere ich einfach von Fanfiktion.de.

Ja, es geht schon weiter. <3

Leider ist das Kapitel auch nicht so sonderlch lang und genauso wenig spannend.

Aber ich dachte, ich muss unser zweites Hauptcharakterchen ein bisschen vorstellen, bevor es wirklich los geht.

Ab dem nächsten Kapitel wird's dann also langsam interessanter. :)

Ach ja, btw kenne ich mich mit Psychiatrien nicht so gut aus. Sollte also jemand mehr Ahnung haben als ich und hier oder im Verlaufe der FF massive Fehler bemerken, wäre es superlieb, mich eines Besseren zu belehren. <3 Ich will ja so richtig schreiben wie möglich.

Bisher auf jeden Fall schon mal meinen Dank an Apollon, die mir schon weitergeholfen hat. <3
 

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„Da wären wir auch schon.“

Die Türe öffnete sich geräuschlos und offenbarte einen unerwartet natürlich erhellten Raum. Auf der gegenüberliegenden Seite bestand die Wand zur linken Hälfte der Rückwand quasi nur aus riesigen Fenstern, von denen aus man wohl auf die relativ weit entfernte Straße blicken konnte; beinahe mittig platziert, wenn auch in Richtung der Fenster verschoben, befanden sich ein Schreibtisch inklusive einem Schreibtischstuhl und zwei normalen, wenn auch gemütlich scheinenden Stühlen, die man normalerweise wahrscheinlich in ein Esszimmer gesetzt hätte.

Von der Tür aus links war eine breite Schrankwand angebracht, ebenso wie ein relativ großer Aktenschrank, auf der anderen Seite ein kleinerer, tiefer gelegter Tisch und zwei weitere Stühle, die fast schon an Sessel erinnerten. Alles wirkte herrlich frisch und einladend, weniger steril als erwartet, auch wenn eine persönliche Note noch fehlte. Wahrscheinlich sollte es so distanziert wirken, aber…

„Danke“, knapp aber höflich bedankte der junge Mann sich und wartete, bis man ihn allein ließ.

Ein seichtes Seufzen entfloh ihm, während er sich, sich am Kinn kratzend, umsah, um alles genauer unter die Lupe nehmen zu können. Die Bücherwand fing seinen Blick und lockte ihn herüber, auch wenn er sich schon vorstellen konnte, was das wohl für Bücher sein würden. Es erinnerte ihn ein wenig an seine Zeit im Studium, die er ja eigentlich gerade hinter sich gelassen hatte. Viele Bücher, viel lernen…

Doch wurde er eines Besseren belehrt. Natürlich viel Fachliteratur und so etwas. Aber auch simple Romane und Ähnliches, bei denen er das Gefühl nicht los wurde, dass sie jemand dazugeschmuggelt hatte.

Irgendwie meinte er schon zu wissen, dass er diesen Beruf mögen würde. Zwar war ihm natürlich bewusst, dass er sich bei seiner Berufswahl weit aus dem Fenster gelehnt hatte, doch war er gewillt gewesen, die Herausforderung anzunehmen.

Psychologischer Psychotherapeut. Er musste ein hämisches Auflachen unterdrücken. Eigentlich war ihm so etwas viel zu hochgestochen, er war nicht einmal ein besonders sozial integrierter Mensch. Natürlich hatte auch er selbst seine Kontakte, doch hielten sich diese in Grenzen. Und wenn es nach ihm ging, konnte das eigentlich auch so bleiben.

Theoretisch also unklug, einen derartigen Job zu suchen, doch faszinierte ihn die Psyche des Menschen so sehr, dass er sich am Ende doch dafür entschieden hatte.

Es war immer noch alles ein wenig neu und ungewohnt, umso erleichterter war er, dass er heute noch würde entspannen können. Er war gerade erst hergezogen, hatte überraschend schnell eine Stelle gefunden, die ihn gleich angenommen hatte, es war zugegeben ziemlich überwältigend.

Doch wie es schien wartete ab dem kommenden Tag bereits eine Menge Arbeit, allerdings wollte er sich damit jetzt noch nicht beschäftigen. Stattdessen gab er sich ausgiebig dem Testen seines neuen Stuhls hin, auf dem er wahrscheinlich viel Zeit verbringen würde.

Hm, ja, ziemlich gemütlich, so war sein erster Eindruck. Vielleicht auch, weil er nichts sonderlich Exquisites gewöhnt war. Neben dem Studium war nicht gerade viel Geld da gewesen, mit dem er sich derart teure Möbel hätte leisten können. Die größte Zeit der letzten Jahre hatte er ohnehin damit verbracht, lernend auf der Couch zu liegen. Und das Übrige war gespart worden, so gut es eben ging.

Der Blick Richtung Tür war irgendwie eigenartig. Man fühlte sich irgendwie überlegen und in einer Machtposition – nicht, dass das den Mann gestört hätte; es bereitete ihm keine Probleme, anderen überlegen zu sein. Dennoch war es etwas ungewohnt. Er würde mit Menschen zusammenarbeiten müssen, die jünger, älter, schlauer, weniger schlau als er waren. Und immer musste er einen ruhigen Kopf bewahren.

Mit einem schwachen, kaum hörbaren Lachen erhob er sich wieder und ging zu den Fenstern rüber. Von hier aus ging es ziemlich weit runter, und irgendwie überkam ihn der schaurige Gedanke, dass man gerade deswegen die Fenster nur mit einem passenden Schlüssel öffnen konnte. Er schluckte und versuchte, den Gedanken loszuwerden. Er war zwar wahrlich niemand, der sich vor vielem ekelte oder gar Angst hatte, doch wollte er auf keinen Fall die Schuld dafür tragen, wenn sich jemand aus seinem Arbeitszimmerfenster stürzte. Zumindest war der Ausblick schön.

So kalt und unnahbar ihn seine Umgebung auch zu nennen pflegte, der Tod war etwas, wovor er Respekt hatte. Und erst Recht vor Menschen, die ihm einfach so ins Gesicht blickten.

Ein Klopfen an der Tür, auf welches hin er nur hereinbat, lenkte ihn einen Moment von den grausigen Gedanken ab.

„Hey, störe ich dich?“, er schüttelte nur mit dem Kopf. „Sehr gut, ich wollte nämlich gerade dein Telefon aktivieren“, skeptisch blickend nickte er die Frau an, die eher ungefragt bereits zum ‚du’ übergegangen war – wobei ihm das lieber war. Sie war grob geschätzt mindestens zehn Jahre älter als er selbst, und gesiezt wurde er ohnehin nicht gern. Sie hatte ihn auch schon hergebracht. Anhand ihrer Kleidung vermutete er, dass sie eine Sekretärin oder etwas Vergleichbares war.

Er wusste nicht ganz, ob es ihn wundern sollte, dass die Telefone erst aktiviert werden mussten. Und noch weiter, dass dieser Raum bis dato anscheinend unbenutzt gewesen war. Warum? Nun, eigentlich konnte es ihm egal sein. Die Karte, die sie ihm in die Hand drückte, milderte seine Verwirrung nicht.

„Wofür ist die?“ – „Zum telefonieren?“ Es dauerte einen Moment. „Ist ja fast wie im Krankenhaus“ – „Das sagt jeder, der hier neu ist. Du wirst dich dran gewöhnen!“, sie lachte herzig und verließ mit einem Winken wieder den Raum, nachdem sie erledigt hatte, was sie hatte erledigen wollen.

Skeptisch beäugte der Mann die Karte in seiner Hand. Er fühlte sich jetzt schon viel zu kontrolliert – und hatte derartige Überwachung auch noch nie bei seinen Praktika erlebt – bevor die Arbeit überhaupt angefangen hatte. Aber es war angenehm, sich sicher sein zu können, im Notfall sofort Anrufe tätigen zu können. Nur im Notfall.

Eigentlich waren ihm alle in dieser Klinik sympathisch, niemand fiel bisher unangenehm auf, dennoch hinterließ dieses Stück Plastik einen bitteren Nachgeschmack. Oh ja, er würde sich daran gewöhnen. Welche Wahl hatte er auch?

Er musste hier raus. Erster Eindruck schön und gut, aber er wollte nicht gleich am ersten Tag – oder am nullten, schließlich war es ja nicht mal ein Arbeitstag – schon durchdrehen.

Sogar das war total merkwürdig für ihn selbst. Selten konnte man ihn aus der Reserve locken, er war eher ein ruhiger, durchdachter Mensch, den Außenstehende wohl nicht ganz verstanden.

Es wurde immer ironischer, dass er sich gerade für diesen Job entschieden hatte. Seine Kollegen waren eher offenherzig, lachten viel, unterhielten sich die ganze Zeit. Normalerweise waren das wohl auch Voraussetzungen für diese Tätigkeit, schließlich würde er ziemlich viel mit Menschen reden müssen.

Kopfschüttelnd versuchte er, die Gedanken loszuwerden, und verließ das Zimmer schleunigst wieder. Daran, jetzt so eine Art Freiberufler zu sein, würde er sich noch gewöhnen müssen. Mal freie Abende, dann nächtelang Arbeit nonstop. Aber es brachte wohl auch nichts, sich damit verrückt zu machen, bevor es überhaupt begonnen hatte.

Sein Bestes gebend, niemandem über den Weg zu laufen, der ihn noch aufhalten könnte, versuchte er, den Weg nach draußen zu finden, ohne sich zu verlaufen. Nicht, dass er ein schlechtes Gedächtnis hatte, und sein Orientierungssinn war auch gut, doch hatte er auf dem Hinweg – und auch während der Führung, die schon einige Tage zurücklag – nicht sonderlich darauf geachtet, wohin man ihn gebracht hatte.

Erst, als er das Gebäude verlassen hatte, fühlte er sich ein bisschen freier und konnte wieder durchatmen. Sehr, sehr merkwürdig. Und eigentlich so falsch. Wenn ihm das Ganze schon nicht gefiel, wie wirke es dann auf die Patienten?
 

Der kühle Wind auf dem Heimweg machte die Situation auch nicht direkt besser. Es war zwar Frühling, und die letzten Tage waren recht sonnig gewesen, doch die Abende erinnerten eher an Herbst. Es regnete viel und dem matschigen Boden fehlte nur noch das Falllaub, um sich tatsächlich in der Jahreszeit zu irren.

Es gefiel ihm nicht. Der Winter war ihm definitiv noch die angenehmste Jahreszeit. Die Temperaturen waren endlich mal genießbar – notfalls konnte man eine Jacke anziehen – es war nicht so lange hell – und er war eher ein Nacht- als Tagmensch – und matschiger Schnee war ihm ohnehin immer noch lieber als matschige Blätter.

Aber leider würde er darauf wieder warten müssen und besonders den Sommer überstehen müssen. Von vielen geliebt, doch eigentlich so trostlos. Erbarmungslose Hitze, die den Körper vollkommen überforderte. Nein, er würde nie verstehen, wieso jeder so nach dem Sommer her war. Definitiv nicht.

Seufzend öffnete er die Haustüre, als er angekommen war, fischte zwei Briefe aus seinem Briefkasten, ohne sie eines Blickes zu würdigen, und ging die Stufen bis zur sechsten Etage nach oben. Der Aufzug war vollkommen intakt, aber warum faul sein, wenn die paar Treppen keine große Herausforderung waren? Er wusste, dass hier größtenteils ältere Menschen wohnten, und es war schließlich nicht nötig, dass sie unten auf den Fahrstuhl warteten oder sich die Stufen hinaufschleppten, während er den Aufzug besetzte, obwohl er hätte gehen können.

Er blieb stehen. Unfassbar. Er war inzwischen so in der ‚sich um andere kümmern’ Sache drin, er konnte es selbst kaum glauben. Erstaunlich, wie ein paar Jahre Studieren einen Menschen doch in eine neue Richtung rücken konnten.

Ermüdet und schlapp – wovon, das hätte er selbst nicht genau sagen können – ließ er sich auf das Sofa fallen, warf im Fall die Briefe auf den Tisch und griff blindlings nach der Fernbedienung, um den Fernseher einzuschalten.

Nachrichten. Nachrichten. Nachrichten. Und weiß Gott keine Guten. Er stellte das Gerät sofort wieder ab, denn das konnte er sich nicht antun. Natürlich war es wichtig, auch mal etwas rund um die Welt zu erfahren, aber er war gerade nicht in Stimmung, sich die Laune noch mehr vermiesen zu lassen.

Vielleicht sollte er doch lieber die Briefe anschauen. Der eine schien von seinem Vermieter, weswegen er ihn erstmal ignorierte. Der Zweite war handschriftlich…und er kannte diese Schrift.

Sein Blick suchte nach dem Brieföffner, der noch heute Morgen auf dem Tisch…oh, da lag er immer noch. Er griff danach und öffnete den Umschlag, schon mit einem leichten Grinsen auf dem Gesicht. Was konnte das nun wieder zu bedeuten haben?
 

Hey, Vanitas!

Wie geht’s dir denn bisher so in deinem neuen Heim? Hoffentlich bist du gut angekommen uns verstehst dich mit den Nachbarn. Ich weiß nicht genau, wann der Brief ankommt, aber wie war dein erster Arbeitstag, falls er schon vorbei ist?

Bleibt ja zu hoffen, dass du dir da wirklich das Richtige ausgesucht hast.
 

Nun ja, da du ja kein Freund von langatmigen Briefen bist, belasse ich es dabei auch besser.

Woher ich die Adresse bereits habe, sage ich dir eh nicht, also frag nicht nach.

Und antworte mir endlich mal auf einen Brief, sonst werde ich sauer!
 

Mit herzallerliebsten Grüßen,

Aqua.
 

Unverbesserlich.

Das einzige Wort, was ihm für die Frau einfiel. Nicht nur, dass sie immer noch auf so etwas wie Briefe zurückgriff, statt einfach anzurufen oder eine SMS zu schreiben, obwohl sie wusste, dass er niemals in Form eines Briefes antworten würde – und niemals bedeutete wirklich niemals. Es war erstaunlich, wie sie es vollbrachte, ihre überfürsorgliche Bemutterung wie bloßes Interesse wirken zu lassen. Vanitas war zwar inzwischen dahintergekommen, aber auch nur, da er sie schon Ewigkeiten kannte.

Vielleicht war das auch der Grund, warum es ihn nicht störte. Meist empfand er Frauen generell als eher nervtötend, da sie zu neugierig waren und zu schnell rumkeiften, wenn ihnen etwas nicht passte. Es war ihm auch egal, dass das total verallgemeinernd war und vielleicht gar nicht stimmte, aber Aqua war die erste und bisher einzige Frau, die ihm bewiesen hatte, dass zumindest nicht jede so war.

Mit einer Grimasse, die bei anderen wohl ein Schmunzeln hätte sein sollen, wurde ihm bewusst, dass ihn dieser Brief doch etwas aufgemuntert hatte. Zwar graute es ihm immer noch etwas vor dem ersten Arbeitstag, aber wenn es zu viel wurde, hätte Aqua schon ein offenes Ohr für ihn. Hatte sie immer.

Grummelnd drehte Vanitas sich auf den Rücken und starrte an der Lampe vorbei zur Decke, während er den Brief auf den Tisch gleiten ließ. Das Licht war ermüdend und ohne besonderen Grund hatte ihn der Tag ausgelaugt. Er hatte zwar ein paar Kartons ausgeräumt, aber das war alles wirklich nicht der Rede wert gewesen – das hatte er ja auch in den vergangenen Tagen schon gemacht.

„Du wirst alt“, hörte er sich selbst murmeln und stand auf, um seinen plötzlich knurrenden Magen in der Küche zufriedenzustellen. Dafür, dass er nicht unglaublich viel auf der hohen Kante liegen hatte, war die Wohnung wirklich angenehm. Nicht zu klein, nicht zu groß. Wahrscheinlich rührte die niedrige Miete von den – so kam es ihm jedenfalls vor – unerträglichen Nachbarn.

Und das beinhaltete wirklich nur die Wohnung gegenüber seiner eigenen, weswegen diese hier wohl auch so lange unbewohnt gewesen war. Doch es störte ihn nicht. Bald würde er ohnehin nicht mehr viel Zeit hier verbringen, und abends konnte er sich getrost in das Schlafzimmer verbarrikadieren, welches er bewusst ganz hinten durch eingerichtet hatte.

Wenn man so wollte, war er tatsächlich ein ziemlicher Glückspilz, was das anging. Und gerade weil er dafür eigentlich ziemlich dankbar war, wollte er sein Bestes tun, auch daran festzuhalten und jetzt zu schaffen, wofür er Jahre seines Lebens ‚aufgeopfert’ hatte.

Würde schon funktionieren.

Was allerdings nicht funktionieren würde, war seine Küchennutzung. Er würde es nicht unordentlich oder gar unsauber nennen, aber besonders Aqua hätte wohl wieder einen Schreikrampf bekommen. Geschirr fand erst gar nicht den Weg in den Schrank, es wurde benutzt, in die Spüle geworfen, gespült, genutzt…immer so weiter eben.

Vielleicht lag es daran, dass er hier alleine lebte – nicht, dass er vorhatte, das auch nur in entferntester Zukunft zu verändern. Er war ein Einzelgänger durch und durch, nicht in der Hoffnung, dass sich das mal ändern würde.

Der Blick in den Kühlschrank offenbarte eine ganze Menge nichts. Ach, er hatte vergessen, mal wieder einkaufen zu gehen. Zu schade auch. Ein Brot zu schmieren war ihm jetzt auch irgendwie zu blöd und da er ohnehin jetzt schlafen gehen würde, konnte er wohl noch bis zum nächsten Morgen warten.

Normalerweise würde der Tag für ihn wohl jetzt erst anfangen, da es langsam später wurde, aber er wurde das Gefühl nicht los, sich auf das Kommende mit einer Menge Schlaf vorbereiten zu müssen. Vielleicht wurde er wirklich alt. Und vielleicht dachte er zu viel nach. Nein, nicht vielleicht. Letzteres war sicher.
 

Er musste ins Bett. Jetzt gleich. Die Gedanken loswerden und wieder normal werden. Sich nicht so viele Gedanken machen, kein Mädchen sein und einfach ruhig und gelassen wie immer in den neuen Tag starten.

In einen Neuanfang.
 

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Ja, das war's dann leider auch schon.

Aber ab dem nächsten Kapitel wird's dann mal interessanter. <3

Grüße,

Valenfield

Angespannt

Heyho :) Dumm wie ich bin, hatte ich vergessen, das Kapitel hier hochzuladen, aber hier ist es nun.

Das Kapitel ist Teil eins von zweien, da ich die Stelle als passend für einen Schnitt empfand (wieso, sollte man am Anfang des nächsten Kapitels merken).

Ich schwafel zu viel, deswegen geht's jetzt auch los.
 

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Nervosität war eigentlich ein Zustand, den Vanitas nicht kannte, jedenfalls nicht wissentlich.

Nicht einmal Prüfungen oder Bewerbungsgespräche jeglicher Art hatten ihn je aus der Ruhe bringen können. Sowieso konnte er nicht genau sagen, ob dieses Gefühl, was er da gerade verspürte, tatsächlich Nervosität war.

Er wusste einfach nicht ganz, was auf ihn zukommen würde. Dass er mit einem Jungen zusammenarbeiten müssen würde, der erst seit kurzer Zeit hier war, hatte man ihm bereits mitgeteilt, aber jetzt, da der Moment immer näher rückte, wurde ihm die Tragweite dessen erst so ganz bewusst.

Auf seine Hände blickend versuchte er, gedanklich zusammenzufassen. Sein Ziel würde es sein, diesen Jungen hier so gesund wie möglich rauszubringen. Was, wenn er das talentiert vermasseln, gar alles schlimmer machen würde? Normalerweise war er kein pessimistischer Mensch, eher realistisch, aber nach den Horrorgeschichten, die ihm einer seiner ganz lustigen Kollegen heute früh erzählt hatte, war ihm irgendwie ganz anders geworden.

Die Akte auf dem Tisch kannte er jetzt quasi auswendig, auch wenn sie ohnehin nicht gerade viel preis gab. Aber das würde jetzt wohl an ihm liegen – er durfte nicht darüber nachdenken. Ruhig bleiben, tief durchatmen.

Äußerlich war er natürlich die Ruhe selbst. Nicht das kleinste Zittern seiner Hände, seine Haltung vollkommen normal, lediglich ein wenig nach vorne gelehnt und auf den Unterarmen abgestützt. Aber so war er eben. Er konnte es nicht leiden, wenn ihm jemand Unsicherheit ansah, da er mit so etwas selten zu kämpfen hatte und dementsprechend auch nicht damit konfrontiert werden wollte.

Umso froher war er über seine herausragende Selbstkontrolle. Sich vor Fremden die Blöße zu geben kam nicht in Frage, im Normalfalle wollte er das ja nicht einmal vor engsten Bekannten.

In Gedanken versunken überhörte er schon beinahe das recht zaghafte Klopfen an der Tür, was aber auch egal gewesen wäre, da die Person auch ohne hereingebeten worden zu sein eintrat.

Vanitas beschloss, erst einmal zu schweigen, und beobachtete stattdessen interessiert, wie der blonde Junge zielstrebig auf den Tisch zukam und neben dem Stuhl stehenblieb. Sein Gesichtsausdruck spielte eine Mischung aus Angst und Desinteresse aus, irgendwie wirkte er auch ein wenig verloren.

„Du-“ – „Ich weiß, dass der Stuhl zum sitzen da ist.“

Verblüffend. In diesem Jungen schien Temperament zu stecken, obwohl er äußerlich so zerbrechlich wirkte. Was nichts daran änderte, dass Vanitas es überhaupt nicht leiden konnte, wenn man es sich herausnahm, ihn zu unterbrechen. Doch er würde schweigen. Er musste ruhig bleiben und das würde er auch. Stumm wartete er, bis der Junge sich gesetzt hatte, ließ ihn aber nicht aus den Augen.

„Gibt es etwas Interessantes zum Bestarren?“ – „Vielleicht.“

Hm. Damit schien er nicht gerechnet zu haben, denn urplötzlich lief er ein wenig rot an und rutschte in seinem Sitz hin und her.

„Gut, Ventus. Das war dein Name, richtig?“ – „Verdammt gut kombiniert“, dabei starrte der Blonde urplötzlich ebenso zielstrebig wie Vanitas selbst in die Augen seines Gegenübers, als hätte er Angst, etwas Schlimmes würde passieren, gäbe er nach. Beide schwiegen für einen Moment, Vanitas dachte nach, wie er mit diesem Jungen umgehen sollte.

„Können Sie nicht ein paar spannende Fragen raushauen und mich dann in Ruhe lassen?“, bat der Jüngere dann überspitzt höflich und provokant. Das würde eine verdammt stressige Zeit werden, das stand schon mal fest.

„Höchstwahrscheinlich nicht, nein. Oh, und ich würde viel davon halten, wenn du mich nicht siezt.“ Ob das den Jüngeren kümmerte, war in dem Moment egal, es sollte nur klargestellt sein. Erneut herrschte Stille für eine gefühlte Ewigkeit, und Vanitas wurde klar, dass er so schon gar nicht anfangen konnte.

Am liebsten hätte er gerade heraus gefragt, was jemanden dazu bewegen würde, zu versuchen, seine eigene Familie in einem brennenden Haus sterben zu lassen. Doch er war gezwungen, seine Faszination darüber zu unterdrücken und so sachlich und erfolgsorientiert wie möglich zu bleiben. Leider würde er den Jüngeren dabei wohl etwas ruhiger angehen müssen, um irgendwelche Antworten zu bekommen.

„Was tu ich überhaupt hier?“ – „Das weißt du nicht?“, gedanklich ging der Schwarzhaarige die Akte durch. Eigentlich müsste Ventus wissen, wieso er hier war. Spielte er dumm, erinnerte er sich wirklich nicht oder empfand er seine eigene Tat einfach nicht als schlimm? Letzteres wäre ziemlich interessant, aber auch ein wenig beunruhigend und ein weiterer nachvollziehbarer Grund, ihn hierzubehalten.

„Sie hätten es verdient gehabt“, murmelte der Junge dann und blickte mit undeutbarem Blick zu Boden.

„Deine Familie?“ – „Ja, genau. Meine Familie. Wie auch immer die…“, er verstummte urplötzlich und sprang beinahe hastig auf, was Vanitas dann doch ein wenig aus der Bahn brachte.

„Ventus?“ – „Was soll das alles? Ich bin nicht krank, was tu ich hier überhaupt?!“ – „Du hast…“ – „Ich weiß, ich bin doch nicht blöd im Kopf! Ich…“; er verstummte und ließ sich wieder in den Sitz fallen, der Blick ausdruckslos und kalt. Als könne er wirklich nicht nachvollziehen, was ihn hierhergebracht hatte.

Vielleicht konnte er es nicht? Er schien nicht gerade reumütig für seine Tat, eher, als hätte er sie als etwas Gutes befunden.

„Ich…will hier wieder raus“ – „Wohin?“, die Frage war gezielt eindeutig. Zurück zu seiner Familie, die er beinahe selbst auf dem Gewissen gehabt hätte? Das wäre mehr als nur makaber, aber zugegeben hätte er wohl auch keine große Wahl.

„Egal. Irgendwohin, wo die Leute nicht so viele Fragen stellen. ‚Wir wollen dir nur helfen’, ja sicher. Ich brauche keine Hilfe.“ Durchaus faszinierend. Auf den ersten Blick hätte Vanitas den Jungen eher zurückhaltender eingeschätzt, aber wie es schien, hatte er sich da doch geirrt. Es konnte eine Trotz-Phase sein, in der er sich ein wenig aufspielte, alles tat, um vielleicht doch hier rauszukommen, aber sicher war es nicht.

„Und da bist du dir sicher?“ – Schweigen. Mit Widerworten schien der Junge irgendwie überfordert. Vanitas sah davon ab, sich dadurch jetzt schon direkt einen Grund zusammenzureimen, auch wenn es nahezu eindeutig schien.

„Wie lange werden die mich hier festhalten?“, lenkte der Blonde dann ein wenig kleinlauter als zuvor vom Thema ab und auch seine Mimik veränderte sich ein wenig. Hinter der forschen Mauer schien also doch eine gewisse Angst zu stecken.

„Das hängt in gewissen Maßen von dir selbst ab. Solange niemand nachvollziehen kann, was dich zu deinem Handeln geführt hat, wird dieser Tag jedoch in weiter Ferne liegen.“

Sollte er höflicher sein? Seriöser, unpersönlicher? Wahrscheinlich schon, aber noch schien seine Art nicht zu schaden. Er schien den Jungen zwar ein wenig zu verunsichern, aber gerade das war auch irgendwo sein Ziel. Nicht, dass es eine Triez-Aktion werden sollte, aber Vanitas wollte wissen, wie weit sich Ventus wehren würde und ab welchem Punkt unter welchen Umständen er nachgab.

„Ich hab nicht darum gebeten, hergebracht zu werden“ – „Deine Familie hat auch sicher nicht darum gebeten-“ – „Aber verdient haben sie’s nicht besser!“

Schon wieder. Diese Launenhaftigkeit hatte beileibe nichts Gutes zu bedeuten und obwohl von vornherein klar gewesen war, dass mit dieser Familie so Einiges nicht stimmen konnte, war es doch beunruhigend, mit welch Überzeugung der Junge das Leben seiner eigenen Familie beendet hätte – und es wohl auch nicht bereuen würde.

„Und das kannst du genau warum so einfach sagen?“ – „Weil es so ist!“ – „Selbstjustiz ist also die Lösung?“ – „Besser als gar keine!“ Sicherlich ein interessanter Gedankengang. Besser als keine? Vielleicht gar nicht so falsch.

„Warum hast du das gemacht?“ – „Warum nicht?“ – „Du kannst nicht einfach so mit dem Leben von Menschen spielen wie mit Schachfiguren“ – „Stimmt, das würde die Schachfiguren beleidigen.“

Vanitas ließ es sich nicht anmerken, aber diese Worte machten ihn irgendwie sprachlos. Er wünschte, dieser Junge hätte sich einen anderen Weg ausgesucht, das Leben seiner Familie zu zerstören. Denn jetzt gerade interessierte ihn ziemlich, wie die häuslichen Zustände wohl ausgesehen hatten, aber das würde sich jetzt eben nicht mehr prüfen lassen.

Nichtsdestotrotz fragte sich Vanitas, ob mit diesem Jungen wirklich massiv viel nicht stimmte oder ob bisher tatsächlich niemand die möglicherweise katastrophalen Zustände im Haushalt bemerkt hatte. Beide Varianten hatten ihren bitteren Nachgeschmack, weswegen er sich nicht festlegte, welche ihm unlieber war.

„Ich will diese ganzen Fragen nicht. Ich will hier wieder raus!“ – „Heim? Ach nein, das geht ja nicht“; beinahe empört blickte Ventus auf, schockiert über diese doch eher direkten Worte.

„Du bist irgendwie anders als die anderen hier“ – „Insofern, dass?“ – „Die stellen ihre Fragen immer so unterschwellig, als wäre ich psychisch labil und würde sie alle der Reihe nach erwürgen, wenn sie ein falsches Wort sagen“ – „Und du denkst, du bist nicht labil?“ – „Genau das!“ Beinahe enthusiastisch sprang der Junge auf und musterte Vanitas eingehend. Der ließ sich äußerlich nicht beeindrucken, war innerlich aber doch gespannt.

„Keiner von denen würde es wagen, das zu fragen. Ich könnte aggressiv oder depressiv werden. Mich oder jemand anders umbringen. Aber dich interessiert das gar nicht, oder? Liegt dir nichts an deinem Leben?“ – „Ich sehe von dir keine große Gefahr ausgehen“ – „Was? Dir ist bewusst, dass ich versucht habe, meine Familie umzubringen? Bist du ein Freak?“ – „Nicht, dass ich wüsste. Und ja, das ist mir bewusst, aber ich befürchte, selbst wenn du wolltest, hättest du gerade nicht die Möglichkeit, mich anzugreifen.“

Fassungslos ließ der Jüngere sich erneut zurück auf den Sitz fallen, die kurzzeitig fast leeren Augen nun gefüllt mit Euphorie, als gäbe es nichts Spannenderes als diese Unterhaltung.

„Wenn hier alle so drauf wären wie du, wüsste man bald nicht mehr, wer die Patienten sind und wer die behandelnden Ärzte“ – „Du hältst mich also für einen Psychopathen?“ – „Mindestens! Niemand würde so was einfach so sagen! Du bist doch lebensmüde!“ – „Interessante Ansichtsweise, aber falls es dir nicht aufgefallen ist, habe ich dich damit munter zum reden gebracht.“

Wieder schien der Jüngere etwas baff. Er war es wohl nicht gewohnt, mit Leuten auf dieser Ebene zu sprechen, quasi auf der selben Länge. Es schien ihm neu und vielleicht brachte ihn gerade das dazu, mehr zu sprechen, als ihm wahrscheinlich lieb war.

„So wie du drauf bist…sollten die eher dich als mich hier festhalten“ – „Danke für die Blumen, Ventus. Erstaunlich, dass du so schnell deine Schlüsse aus meinem Verhalten ziehen kannst“ – „Da gibt es keine Schlüsse zu ziehen! Du bist einfach krank und viel zu optimistisch!“ Der Blonde verstummte, als Vanitas zu lachen begann.

„Amüsant, dass du gerade das erwähnst. Gerade eben noch stellte sich mir die Frage, ob ich momentan nicht in Wahrheit sogar ein zu pessimistischer Mensch bin. Aber danke für die Erleuchtung“ – „Mach dich nicht über mich lustig!“ – „Tue ich das?“ – „Schon wieder!“ – „Du regst dich ziemlich schnell auf, das ist ungesund“ – „Ich schlag dich gleich ungesund.“

Vanitas schwieg, grinste aber. Dieser Junge war zu viel des Guten. Vollkommen ängstlich, dass man ihn irgendwie angreifen würde, jederzeit bereit, seine aggressive Mauer vor sich aufzubauen und sich mit großen Worten zu verteidigen. Es war nur zu hoffen, dass er nicht versuchte, seinen Worten Taten folgen zu lassen. Man würde es zwar vielleicht nicht gleich vermuten, aber der Schwarzhaarige konnte sich höchstwahrscheinlich besser verteidigen als so ein kleiner Junge. Und er hatte keine Lust, seinen Patienten zu verletzen. Überhaupt nicht.

„Grins doch nicht so blöd! Du willst mich einfach ärgern, oder?! Und dann behaupten sie alle, sie wollen einem helfen, von wegen! Du willst mich doch provozieren!“ – „Ich sage kein Wort, und doch wirfst du mir solch arge Dinge vor, ein wenig unfair, meinst du nicht?“ – „Du schwafelst mir zu viel, ich hab keine Lust mehr“ und damit verließ der mehr als nur aufgebrachte Junge seinen Platz, um den Raum zu verlassen.

Vanitas konnte einfach nicht anders, er musste darüber lachen. Zwar hatte er keine Lust auf Probleme, aber es ging einfach nicht anders, dieser Junge machte ihn jetzt schon fertig. Und gerade weil den dieses Lachen so zu stören schien, wandte er sich noch einmal um.

„Hör auf damit! Warum tust du das?! Was hab ich dir getan?“ – „Davon abgesehen, dass du mich unnötig anschreist?“ – „Argh! Du hast es doch nicht anders verdient!“ – „So wie deine Familie?“ – „Tu nicht so, als hättest du davon eine Ahnung!“ – „Du kannst mich ja erleuchten“ – „Und du kannst schön weiter träumen!“

Damit verließ der Blonde den Raum, natürlich nicht ohne die Tür mit so viel Wucht wie möglich hinter sich zuzuziehen. Vielleicht würde es doch ganz spaßig werden, wenn auch stressig, aber vielleicht würde da ein frischer, starker Kaffee fürs Erste helfen.

Wäre es wohl besser, dem Jungen nachzugehen? Vanitas hatte nicht wirklich Lust dazu, hatte stattdessen einen Kugelschreiber gezückt und sich ein paar Stichworte auf ein Blatt Papier gekritzelt, was Ventus anging. Obwohl er das beruflich tat, wurde er das Gefühl nicht los, dass es ihm auch persönlich eine Menge Spaß machen würde. Ein wenig makaber kam er sich bei dem Gedanken aber doch vor…

Und da Ventus wohl nicht mehr zurückkehren konnte, nahm er sich einfach die Zeit, seine Notizen doch ein wenig zu verfeinern und erste, kleine Schlüsse zu ziehen.

Hatte er eben wirklich noch den zarten Hauch von Nervosität gegenüber dem empfunden, was jetzt wohl passieren würde? Welch Ironie!
 

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Nächstes mal schaff ich's dann hoffentlich wieder, rechtzeitig auch hier hochzuladen. >_<

Liebe Grüße,

Valenfield

Hoffnungsschimmer

Ich dachte, ich könnte ja mal ein neues Kapitel hochladen. <3
 

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Schneller als erwartet hatte Ventus nach seiner Fluchtaktion ‚sein’ Zimmer gefunden und sich darin verschanzt, sich aufs Bett geworfen und gefühlt Stunden in sein Kissen geschrien, bis sein Hals nachgab und schmerzte.

Dieser…dieser…

Er wusste nicht mal den Namen dieses Vollidioten, der sich tatsächlich ‚Psychologe’ schimpfen durfte. Was Ventus aber wusste, war, dass er den Kerl nicht leiden konnte und es verdammt noch mal nie tun würde. Was den natürlich nicht interessieren würde, aber trotzdem.

Was den Blonden aber wirklich wütend machte und ihm – wie er merkte, als er den Kopf hob – tatsächlich Tränen in die Augen trieb, war, dass der Kerl Recht hatte! Selbst wenn er hier je wieder rauskäme – auch wenn das unwahrscheinlich war, aber das am Rande – wohin sollte er schon gehen? Nach Hause war unmöglich und darauf hätte er auch keine Lust gehabt. Wütend presste er wieder den Kopf in sein Kissen.

„Jo, Ven, alles klar?“ – oh nein…

Dieser komische Typ, mit dem er das Zimmer teilte. Musste wohl so alt sein wie Ventus selbst, vollkommen durchgeknallt und immer viel zu gut gelaunt. Abgesehen davon, dass er manchmal komisches Zeug schwafelte und hin und wieder auf eine Art und Weise lachte, die Ventus einen kalten Schauer über den Rücken laufen ließ, merkte man ihm jedenfalls meist nicht an, wieso er möglicherweise hier war.

Wen interessierte das auch eigentlich?! Ven hatte genug Probleme mit sich selbst. Und mit seiner bekloppten Familie. Und diesem bescheuerten Psychologen. Und generell mit allen Leuten hier!

Abgesehen davon war er ja auch nicht gemeingefährlich, also warum hierbehalten? Er würde schon niemandem etwas tun, außer seinen Eltern vielleicht, aber das zählte in seinen Augen nicht als Straf- sondern eher als Heldentat.

Nur leider schien er – warum auch immer – mit dieser Ansicht allein dazustehen. Ziemlich unfair, dabei kannten die Idioten hier doch dieses Volk überhaupt nicht, wie konnten sie beurteilen, dass seine Handlung falsch gewesen war? Abgesehen davon, dass die Nachbarn, die sonst auch die Augen nicht aufbekamen, ausgerechnet jetzt glotzen und die Feuerwehr hatten rufen müssen.

Was hatte er seinem Leben angetan, dass es ihn so sehr hasste? Zwar wusste er nicht mehr viel aus seiner ganz frühen Kindheit, was er selbst getan hatte – und interessieren tat es ihn auch nur peripher, es würde eh nichts Wichtiges oder Essenzielles sein – aber er konnte sich nicht vorstellen, dass er etwas so Schreckliches verbrochen hatte, dass…

„Versuch erst gar nicht, dich zu ersticken, das klappt nicht“ – „Kannst du mal für nen Moment die Schnauze halten? Ehrlich. So…fünf Minuten? Laber doch jemand anders voll, im Ernst.“ Zu schade, dass dieser Junge, der Ven wohl nichts Böses zu wollen schien, ausgerechnet im unpassendsten Moment auftauchen und nerven musste.

„Wow, ziemlich aggressiv heut, oder?“ – „Und du verdammt lebensmüde, wer bist du überhaupt?!“ – „Hach, ich hatte viele Namen…“ – „Okay, weißt du was? Sag mir am liebsten keinen davon. Du bist nicht mal die Menge an Gehirnzellen wert, die ich bräuchte, sie mir zu merken.“

Wie lange war er jetzt hier? Zwei Tage oder drei? Das fing ja großartig an. Jetzt schon störte ihn dieser Idiot und wie es schien würden sie eine Weile miteinander verbringen müssen. Ein weiterer Beweis, dass Ventus’ Leben ihn einfach nicht leiden konnte.

Er sah aus den Augenwinkeln – den Blick immer noch auf sein Kissen gerichtet – dass der Junge auf ihn zukam, was ihm ehrlich gesagt überhaupt nicht passte. Statt zu reagieren wartete er aber ab, was sich als Fehler herausstellte, als er an der Schulter gepackt, umgedreht und auf das Bett gedrückt wurde.

„Ich würd aufpassen, was ich sage“, grummelte der wohlgemerkt größere Junge mit merkwürdig tiefer und bedrohlicher Stimme. „Sonst schlag ich dir gleich ein paar Gehirnzellen weg.“ Es ging nicht. Es war eine Kurzschlussreaktion und absolut anders geplant, aber Ventus spürte nur noch, wie seine Faust sich in die Wange des anderen bohrte und ihn – da er mit solcher Kraft wohl nicht gerechnet hatte – ein Stück nach hinten geschleudert wurde.

„Wag es noch einmal, mich anzufassen, du widerliches Schwein!“, schrie er so laut, dass wahrscheinlich bald jemand reinstürmen und nach ihnen sehen würde, aber das kümmerte ihn überhaupt nicht. Trotzdem verging ihm die Lust an diesem Volk, weswegen er das Zimmer wieder verließ und in irgendeine Richtung stapfte.

Doch natürlich verfolgte ihn das Pech und ihm lief eine Krankenschwester über den Weg. Sie schien sich zu wundern, dass er hier gerade rumlief. Kannte sie seinen Tagesplan auswendig oder was sollte das jetzt? Jedenfalls hielt sie ihn an.

„Sag mal, solltest du nicht…“, sie starrte auf ihr Klemmbrett, als würde dort dick und fett geschrieben stehen, dass er eigentlich bei der Behandlung sein sollte, Ventus unterbrach sie aber, bevor sie weitersprechen konnte – was, wenn ihn dieser Freak verfolgen würde? Oh Gott, er mochte nicht daran denken!

„Ähm, ja, bin gerade auf dem Weg dorthin, hatte nur was Wichtiges im Zimmer vergessen“, murmelte er kleinlaut und versuchte, ein Lächeln aufzusetzen, das ihn seine ganze Konzentration kostete. Doch zum Glück nickte sie tatsächlich nur lieb und ließ ihn weiterziehen. Puh.

Ach so, wohin wollte er eigentlich? Ein ungutes Gefühl kam in ihm hoch. Er hatte gesagt, er würde zurück zum Behandlungszimmer gehen, und wie er diese paranoiden Kerlchen hier kannte, würde die Frau das auch prüfen.

//Ist doch egal. Was kümmert’s mich// Schluckend wandte er sich um und überlegte. Er wollte nicht wieder dort hin, aber in sein Zimmer? Nein, das würde nur Probleme bringen, und zwar mit mehr als einer Person.

Andere Möglichkeiten hatte er aber nicht. Würde er sich irgendwo rumtreiben, wo er gerade nicht sein sollte, würde man ihn schon an den rechten Platz verfrachten. Mist…

//Am besten ganz raus hier, wie wär’s?// Nein, nein, nein! Nicht schon wieder! Um sich davon abzulenken, eine Entscheidung treffen zu müssen, ging Ventus irgendeinen Weg entlang und studierte jede Türe und jedes Fenster genauer als nötig. Nicht daran denken, nicht daran denken. Aber die Gedanken wollten nicht gehen, es wurde immer schlimmer.

Zu allem Überfluss war er jetzt wieder an diesem dämlichen Behandlungszimmer angekommen, womit hatte er das eigentlich verdient? So viel Schlechtes konnte ein einzelner Mensch gar nicht verbrechen, dass man es so extrem zurückzahlen müsste. Dass er in unnötiges Selbstmitleid verfiel, war ihm genauso egal, und ohne weiter darüber nachzudenken platzte er wieder in den Raum herein, ohne überhaupt anzuklopfen – warum auch, er würde diesem Kerl sicher keinen Respekt entgegenbringen – und wütend wieder zum Tisch in der Mitte zu stampfen.

Natürlich saß dieser Kerl da immer noch genauso selbstgefällig, halb zum Fenster gerichtet und blickte mit einem Gesichtsausdruck auf, den Ventus schlicht und ergreifend als vollkommen arrogant einstufen würde. Der schien sich auch für etwas viel Besseres zu halten, und dabei war es vollkommen egal, ob er etwas Besseres war! Es war so…so…

„Wieder zurück, was?“ Genau so! Diese trügerisch neutrale bis beinahe höfliche Visage, die heuchlerisch-freundliche Art, der Ventus selbst jedoch nichts als Überheblichkeit abgewinnen konnte. Die penetrant rhetorischen Wort- und Satzkonstellationen, die extra so ausgelegt waren, dass man keine Antwort darauf geben konnte, die nicht eigentlich offensichtlich oder abgrundtief sarkastisch war. Es war…es regte ihn…Argh!

„Bring mich hier raus! Tu irgendwas! Jetzt!“ Ungeplant hatte die Stimme des Blonden einen hohen, piepsigen, ja fast kindlichen Ton erreicht, was ihn aber ebenso wenig störte wie überhaupt interessierte. Wäre er nicht so angespannt, hätte es ihn vielleicht sogar gefreut, dass sich auf dem Gesicht seines Gegenübers auf einmal ein winziger Hauch von Verwirrung abzeichnete.

„Ventus, beruhig dich und…“ – „Ich will mich aber nicht beruhigen!“ – „Wie soll ich dir helfen, wenn du mich anschreist?“ Wütend knirschte Ven mit den Zähnen, antwortete aber nicht, da es vielleicht sogar stimmte – vielleicht ein bisschen!

//So schnell nachzugeben, also wirklich…// – „Lass mich verdammt noch mal in Ruhe!“ Verzweifelt ließ er sich auf den Stuhl fallen, schüttelte wie wild den Kopf und bemerkte nur am Rande, dass versucht wurde, ihn doch ein wenig zu beruhigen. Und tatsächlich, dieses penetrante auf ihn Einreden schien das Vorgehen in seinem Kopf ein wenig zu beruhigen. Verwirrt blickte er auf den Tisch und merkte, dass seine Hände zu zittern begonnen hatten. Sollte er etwas sagen? Er wollte doch eigentlich gar nichts sagen, er wollte nur…

„Schon besser. Was ist passiert, wieso bist du so aufgelöst?“, was, keine unterschwellige Provokation? Oder war das doch Einbildung? Ventus selbst empfand gerade jedenfalls nicht mehr dieses ungebändigte Bedürfnis, diesem Typen – dessen Name er immer noch nicht wusste, weil es keine richtige Gelegenheit gegeben hatte, ihn zu erfahren, und er zu jedermanns Bedauern nicht zugehört hatte, als er schon zuvor mit einem anderen Mitarbeiter hier darüber geredet hatte – gehörig die Meinung zu geigen, und das nicht zwangsläufig verbal.

„Ich…ich weiß nicht.“ – „Was weißt du nicht?“ – „Ich…alles. Wieso bin ich hier…wieso bin ich aufgelöst? Was soll das alles…“, sein Kopf dröhnte und er kniff die Augen zusammen, um die wirren Gedanken zu ignorieren. Er wollte einfach nur hier raus und in Ruhe gelassen werden, wieso verstand das einfach niemand? Sie hielten ihn vielleicht verrückt, aber er selbst hatte eher das Gefühl, hier erst verrückt zu werden.

„Beruhig dich erstmal. Wo kommst du gerade überhaupt her?“ – „Aus meinem Zimmer“ – „Und…warum bist du doch zurückgekommen?“ Er mochte nicht antworten. Dieser Kerl würde sich dann sowieso einmischen und das würde noch mehr Probleme geben. Dazu fehlten Ventus die Nerven. Sie würden seinem Zimmermitbewohner sagen, er solle doch bitte netter sein, und dann – ganz hinterrücks! – würde der ihn wahrscheinlich im Schlaf umbringen; auch wenn sich in ihrem Zimmer eigentlich nichts befand, womit man sich oder wahlweise auch andere hätte umbringen können. Aber dieser kranke Typ würde einen Weg finden, und wenn es das Erwürgen mit seinen eigenen Händen sein würde.

Dass Ventus selbst nicht als zu gemeingefährlich eingestuft wurde, als dass man ihn in ein eigenes Zimmer steckte, war ja schon merkwürdig genug, aber dieser Junge war die Krönung. Der schien irgendwie immer so unglaublich gut drauf, aber gerade eben hatte er bewiesen, dass er auch anders konnte.

„Wüsste nicht, was dich das angeht“ – „Nun, du bittest um meine Hilfe, da wäre es gar nicht so unangebracht, dir auch helfen zu lassen“ – „Es wäre auch gar nicht so unangebracht, mich zumindest mit weniger hochgestochenem Geschwafel zu nerven.“

Da war sie wieder – die Wut auf diesen ignoranten Idiot. Warum musste der auch immer so dermaßen selbstverständlichen Müll von sich geben? Ventus war nicht beschränkt genug, dass man ihm erklären müsste, dass nur sprechenden Menschen geholfen werden konnte, was aber noch lange nicht hieß, dass er sich deswegen weich kochen lassen würde. Nein, das ging einfach keinen was an und er wollte lediglich, dass irgendjemandem hier klar wurde, dass er nicht vollkommen krank im Kopf war, sondern einfach nur Ruhe brauchte.

„Du bist also zurückgekommen, obwohl du immer noch nicht mit mir reden möchtest. Sollte ich das verstehen?“ – „Als würdest du mich irgendwie verstehen können“ – „Wenn du mir nicht die Chance lässt?“ – „Ich würde ja nicht mal um deine Hilfe bitten, wenn man mich hier nicht festhalten würde. Zählt das nicht irgendwie zu Freiheitsberaubung? Die drehen sich auch alles so, wie es ihnen passt.“

Warum lachte der jetzt? Gut, es war weniger Lachen als einfach ein hämisches Glucksen, aber das machte die Sache für Ventus auch nicht gerade besser.

„Ich wüsste nicht, was daran lustig ist“ – „Es ist einfach…So wie du es sagst, klingt es tatsächlich so, nicht wahr? Aber stell dir mal vor, du wärst eine Gefahr für deine Mitmenschen, was-“ – „Bin ich aber nicht!“ – „Behaupten kann das jeder, aber bist du dir da selbst so sicher?“

Natürlich war er sich sicher! Es war ja nicht so, als hätte er ungeplant gehandelt, er hatte sich das Ganze schließlich vorgenommen und es ganz nach Plan durchgezogen. Dennoch schien man ihn für vollkommen durchgeknallt zu halten. Nur, weil einfach niemand verstehen wollte, was ihn überhaupt dazu gebracht hatte, das zu tun. Und was ging es sie auch an?! Bisher hatte es auch niemanden gekümmert!

//Sie wollen dich doch nur hier festhalten. Genauso wie vorher. Alles geht von vorne los.// Vehement schüttelte Ventus den Kopf, fasste sich an die Schläfen und versuchte, diese gemeinen Gedanken loszuwerden, obwohl ihm bewusst war, dass sie der Wahrheit entsprachen. Würde man ihn hier je wieder rauslassen? Und wenn ja, wann? In welchem Zustand? Unter welchen Bedingungen? Er wollte das nicht.

Er wollte nicht nach der Pfeife anderer Leute tanzen! Warum durfte er sein Leben nicht selbst klären? Er hatte es ja versucht, hätten sie ihn nur nicht derart davon abgehalten. Nicht mal sein Ziel hatte er erreicht, und als Belohnung saß er nun hier?

Skeptisch beäugte er sein Gegenüber, dessen Blick wieder so überheblich wirkte. Ach ja, Ventus hatte nicht auf seine Frage geantwortet, wahrscheinlich deswegen. Nur sollte der noch lang nicht glauben, dass das ein Eingeständnis war! Ven hatte schließlich keinen Grund, unschuldige Menschen zu gefährden. Die Frage war wohl lediglich, wen er selbst als unschuldig erachtete.

Dieses schwarzhaarige Monster hier gehörte schon mal nicht dazu, und Ven war sich mehr als sicher, dass er ihm irgendwann sein süffisantes Grinsen aus dem Gesicht schlagen würde, so fest wie eben möglich. Der würde noch ganz anders schauen, aber wie es schien war dieses Zimmer eine Art Zufluchtsort vor den anderen Gestalten in dieser Klinik, also würde der Blonde ohnehin erstmal davon absehen, dem Kerl ernsthaften Schaden zuzufügen.

„Du hast nicht geantwortet“ – „Überlege immer noch, ob du die Worte wert ist“ – „Ach? Sicher, dass du überhaupt eine Antwort hast?“ – „So sicher wie nötig! Nicht, dass es dich was anginge, hm?!“ – „Aber natürlich nicht. Wenn du dir aber doch so sicher warst bei dem, was du getan hast, muss das doch einen triftigen Grund gehabt haben. Was hält dich davon ab, ihn zu teilen, hm?“

Ventus gab – selbstverständlich – keine Antwort auf diese Frage, sicher war auch nichts Anderes erwartet worden. Wie oft sollte er denn noch erklären, dass es niemanden etwas anging? Einfach krank. Wollten die ihn hier festhalten, bis er wahnsinnig wurde? Machte das diesen Psychopathen Spaß? Da konnte man sich wirklich fragen, wer denn hier gestört war.

„Gut, ich verstehe. Möchtest du mir zumindest sagen, wieso du überhaupt zurückgekommen bist?“ Die Frage war natürlich berechtigt, die Sache war einfach nur, dass Ventus nicht einsehen mochte, was diese Menschen mit seinem Leben zu tun und hatten und warum es sie überhaupt interessierte. Ach ja, weil sie mit dem Gelaber ihren Lebensunterhalt verdienten, nicht wahr?

„Der Junge in meinem Zimmer nervt“, hörte er sich dann selbst murmeln und runzelte verwundert die Stirn. Warum hatte er das überhaupt zugegeben? Er wollte doch gar nicht kommunizieren.

„Wie meinst du das? Was tut er denn?“; urplötzlich überkam Ven dieser schwachsinnige Wunsch, sich über diesen Idioten – wieder jemand, dessen Name er nicht kannte und von dem er sich fragte, wieso ihm das nicht total egal war! – von Zimmermitbewohner zu beschweren, ja auszuheulen, ein Einzelzimmer zu verlangen und dann zu schweigen, bis ihm das geboten wurde.

Andererseits wollte er kein Einzelzimmer. Nein. Dann würden sie zurückkommen, diese Gedanken, alles würde erneut auf ihn nieder regnen, er wollte das nicht, konnte es einfach nicht mehr ertragen.

Nicht, dass er es laut sagen würde. Gerade jetzt war er verdammt froh, nicht allein irgendwo in einem kalten Raum zu sitzen und seinen Problemen schutzlos ausgesetzt zu sein. Er wollte nicht allein sein, aber das konnte er einfach nicht zugeben, es würde nur noch mehr Fragen mit sich bringen, die er nicht beantworten würde. Und warum erst mal Fläche zum Fragen stellen bieten, wenn er nicht vorhatte, jemanden sie nutzen zu lassen?

„Er existiert“, hörte Ven sich dann plötzlich selbst sagen und runzelte eine Sekunde lang die Stirn. Hatte er gerade wirklich auf diese Frage geantwortet? Wurde er schwach, gab er sich zu sehr der Tatsache, sprechen zu können, hin? So wollte er gar nicht erst anfangen, es war quasi der erste Tag und schon bröckelte seine Mauer? Nein, einfach nein.

„Vergiss es“, fügte er deswegen hinzu und blickte verstummt auf seine Hände. Wodurch sich seine Haut so weich hielt, war ihm ein Rätsel, und es verwunderte ihn jedes Mal aufs Neue, schließlich war er nicht gerade der Mensch, der sich sonderlich viel darum sorgte, ob seinen Händen gefiel, wie er mit ihnen umging. Meist war gar nicht die Zeit, darüber nachzudenken. Und er hatte weitaus wichtigere Sorgen als so etwas. Aber hatte er die wirklich?

Obwohl es ihm schon von Beginn an klar gewesen war, kam die Erkenntnis erst jetzt: Hier, in diesen Räumlichkeiten, gab es doch eigentlich niemanden, der ihm etwas konnte – abgesehen von seinem verrückten Zimmermitbewohner, vor dem er sich aber irgendwie nicht fürchten konnte oder wollte. Er war da und er tat alles, um seine Präsenz zum Störfaktor zu machen, er wurde sogar handgreiflich, aber wirklich gefährlich schien er immer noch nicht.

Nun gut, diese Einsicht war noch nicht mal Vens größtes Problem, wirklich nicht. Was ihn jedoch umso mehr belastete, was wirklich schwieriger zu verdauen war…

Wenn er das wollte, wenn er wirklich diesen Schutz, ja beinahe diese Freiheit, die er durch die Einsperrung bekam – wie schwachsinnig das schon klang, es wäre beinahe amüsant – behalten wollte, dann blieb ihm höchstwahrscheinlich keine großartige Wahl, als auch etwas dafür zu tun. Natürlich könnte er auch auf Durchzug stellen und alles um sich herum ignorieren, doch das würde wiederum zur Durchlöcherung von zu vielen Seiten her rühren.

Nein. Er würde sich einfach gut mit diesem Kerl sich selbst gegenüber, den er nun wieder leicht im Blick hatte, stehen müssen. Er konnte nicht einmal sich selbst versprechen, dass das funktionieren würde, ja dass er sein Bestes geben könnte. Aber welche Wahl hatte er?

Er konnte sich den Fragen dieses arroganten Etwas hingeben, die zwar nervten, aber ihm keine Kopfschmerzen bereiteten, oder wiederum denen in seinem Kopf, die drohten, ihn innerlich platzen zu lassen, ihn bis in den Schlaf und noch sehr viel weiter zu verfolgen. Ja, freilich. Welche Wahl hatte er?

„Du wirst mich nicht in Ruhe lassen, oder?“ – „Nun, ich befürchte, fürs Erste lässt sich das nicht einrichten, nein“ –„ Hmpf, dann erfahre ich wohl besser so langsam zumindest deinen Namen, um dich wenigstens in Gedanken anständig verfluchen zu können.“

Zu schwach, er gab zu schnell nach, ja.

Aber manchmal konnte vielleicht gar die eindeutig scheinende Niederlage sich genau zum Gegenteil wenden. Mehr als hoffen blieb nicht.

Zitronenbonbons

Hier nach einer Ewigkeit mal ein neues Kapitel, leider größtenteils unformatiert (kann man bei Animexx eigentlich immer noch keine Kapitel via Dokument hochladen?).

Wann es weitergeht, weiß ich nicht immer so genau, ich hab noch ein paar fertige Kapitel, aber mir fehlt ein bisschen die Lust zum Formatieren und Hochladen, sorry. :(

Trotzdem viel Spaß damit. :)
 

„Sechs“.

Drei Tage und die Hälfte ihrer heutigen Nachmittagssitzung hatte es nun gedauert, dieses einzelne, magische Wort aus dem Jungen herauszukitzeln, und wie es schien, war er nicht einmal gewillt, dazu sonderlich viel mehr zu sagen. Nach minutenlangem Schweigen schien ihm aber bewusst zu werden, dass auf eine genauere Klassifizierung gewartet wurde.

„Zwei…waren ganz cool.“ Mehr als erwartet, doch das würde Vanitas beileibe nicht laut sagen.

„Und die anderen vier?“

„Na, die halt nicht…was auch sonst?“ Nun, das war natürlich offensichtlich gewesen, aber obwohl Ventus so unverstehend tat, war ihm anzusehen, dass er genau wusste, worauf die Frage hinauslief und gerade deswegen umso weniger antworten wollte. Es war schon eine unglaubliche Herausforderung gewesen, ihn dazu zu bringen, überhaupt über die Menschen seines alten Umfeldes zu reden. Seine Familie war nach wie vor ein Thema, das man besser nur anbrachte, wenn man gehörig nach Streit suchte, doch über seine Schulkameraden schien er langsam aber sicher aufzutauen.

„Ich meinte, was sie getan haben, dass sie nicht ‚cool’“, einen spöttischen Unterton konnte Vanitas bei dem Wort doch nicht verhindern, „waren.“

Skeptisch, beinahe angeekelt und als hätte er die Worte nicht einmal gehört, ließ der Blonde seinen Blick über den eigenen Körper schweifen, untersuchte mit kritischer Mimik seine Hände und Arme, augenscheinlich auch seine Füße und schüttelte dann wie wild den Kopf, nur um ganz urplötzlich, innerhalb von einer halben Sekunde, wieder aufzublicken und – wenn auch eher zurückhaltend – Vanitas’ Blick zu suchen.

Was war mit diesem Jungen los? Er schien so unglaublich viele Geheimnisse mit sich rumzutragen und sie zu teilen schien nicht auf der Liste der Dinge zu stehen, die er in naher Zukunft vorhatte. Er senkte den Blick wieder, da er merkte, dass Vanitas wohl nicht nachgeben würde.

„Ist doch egal“, nuschelte er dann kurz angebunden, zog eine Schnute und blickte aus dem Fenster. Egal war es nicht wirklich, und das schien er auch zu wissen, aber es war natürlich verständlich, dass er nicht allzu viel darüber erzählen wollte.

„Und da bist du dir ganz sicher? Man wird schließlich nicht ‚nicht cool’, indem man nichts macht, oder?“

„Du schwafelst zu viel.“

„Und du viel zu wenig. Vielleicht sollten wir die Rollen wechseln?“

„Vielleicht aber auch nicht.“

Sein Temperament schien der Blonde jedenfalls wiedergefunden zu haben. Geändert hatte sich kaum etwas. Er sprach wenig – wenn, dann lief es meist auf Beleidigungen raus oder darauf, wie wenig das alles doch irgendjemanden anging – war in hohen Maßen zynisch und scheute nicht vor absoluter Übertreibung. Außerdem schien er Gefallen daran gefunden zu haben, wegzulaufen, wenn ihm irgendetwas nicht passte, wobei das noch zu einem Problem werden könnte, aber inzwischen hatte sich ein wenig herauskristallisiert, was ihm nicht gefiel und daher besser unterlassen wurde. Nicht, dass Vanitas nicht manchmal dennoch den Teufel herausforderte.

„Weißt du, Ventus. Du tust so, als würde ich dir etwas Böses wollen, dabei-“

„Willst du mir nur helfen. Schön. Ich hab’s verstanden.“

„Scheint mir nicht so. Du wirkst eher uneinsichtig, gefällt dir das? Ich dachte, du wolltest hier so schnell wie möglich raus.“

„Wenn du doch so gut im Denken bist, dann tu es, bevor du auf offensichtliche Antworten auf irgendwelche blöden Fragen wartest!“

Hm. Nun schien er doch säuerlich. Natürlich hatte Vanitas sich seinen Teil gedacht – was ihn auf irgendwie merkwürdige Weise an seine eigene Schulzeit erinnerte – aber es brachte ihm nicht viel, solange er keine Gewissheit hatte. Er konnte nicht auf schwammige Ideen und Überlegungen aufbauen, wenn er nicht scheitern wollte.

„Ich wusste nicht, dass es dir besser gefällt, wenn man sich einfach seinen Teil denkt, statt sich anzuhören, was du zu sagen hast, aber wenn du das möchtest…“

Ventus blickte auf und seine Gesichtszüge entgleisten ihm, als würde ihm bei diesen Worten selbst etwas einfallen, was er vollkommen vergessen hatte, er fasste sich aber schnell wieder und stand auf, wahrscheinlich um dem Blick seines Gegenübers auszuweichen, und ging rüber zu dem Bücherregal an der Wand, wühlte, als würde er etwas Bestimmtes suchen und schien irgendwo nach einer Antwort zu suchen. Sollte Vanitas ihn aufhalten? Nicht, dass er etwas kaputt machte.

Natürlich wollte er es nicht. Wahrscheinlich von allem, was ihm passieren konnte, am wenigsten. So wie er sich verhielt, war seine Meinung sein Leben lang genug ignoriert worden, aber ihm das jetzt an den Kopf zu werfen wäre wohl mehr als fatal gewesen.

„Wann hast du angefangen, diese Leute nicht zu mögen?“; das war keine besonders persönliche Frage, konnte aber entscheidend sein, schließlich staute sich Antipathie im Laufe der Zeit an und nicht von jetzt auf gleich. Dementsprechend konnte auch eine eher nebensächliche Frage entscheidend sein.

„Weiß nicht, was interessiert dich das?!“

„Das weißt du doch genau.“

Ventus wühlte noch ein Weilchen, griff dann nach einem Buch, dessen Titel Vanitas auf die Schnelle nicht identifizieren konnte, blätterte darin und schien ernsthaft über die Frage nachzudenken, bevor er schließlich antwortete.

„Sie mochten mich zuerst nicht.“ Er nuschelte die Worte kaum verständlich und sein Blick verlor sich etwas glasig wirkend im Raum, als wäre er selbst ganz verwundert über diese Einsicht. Das Buch fest umklammernd setzte er sich wieder auf seinen Platz und kaute nachdenklich auf seiner Unterlippe herum, setzte mehrmals zum sprechen an und ließ es dann doch wieder, schien beinahe darauf zu warten, dass Vanitas eine Frage stellte, deren Antwort er ihm dann ins Gesicht schreien wollte. Einen Versuch war es jedenfalls wert.

„Hast du eine Ahnung, warum?“

„Nein! Also…“

Wieder schien er sich gar nicht so sicher, ob er eine Ahnung hatte. Und dann war er wahrscheinlich noch mal unsicher, ob er das, was er dachte und wusste, wirklich teilen sollte.

„Weiß nicht mal, wieso ich denen aufgefallen bin. Die waren nicht mal in meinem Jahr.“

Das alleine verwunderte Vanitas dagegen nur wenig. Es war öfters so, dass man auf Leuten rumhackte, mit denen man nicht in direktem Kontakt stand. Sich gegen jemanden im eigenen Jahrgang, geschweige denn in der gleichen Klasse oder in gleichen Kursen, aufzulehnen, wagten nur wenige. Die meisten hatten selbst viel zu viel Angst davor, durch die Klassengemeinschaft – die wirklich öfter vorhanden war, als man glaubte – quasi eine Art Rückfeuer für ihr Verhalten zu bekommen. Wie jämmerlich feige, dachte er sich. So was war immer das Allerletzte. Die armen, kleinen Würmchen fertig zu machen, die sowieso wahrscheinlich kaum Anschluss fanden.

Wobei Ventus von seinem Auftreten und Äußeren her nicht gerade wie ein Außenseiter wirkte. Da spielte definitiv der Einfluss seiner Familie eine Rolle, aber darüber wollte er ja so wenig wie möglich preisgeben. Auf der einen Seite verständlich, auf der anderen problematisch.

„Wie sind sie denn auf dich aufmerksam geworden?“

„Hm…das war ganz früh. Ich glaube, zwei von denen haben mich auf dem Nachhauseweg verfolgt, weil ihnen mein Gesicht unbekannt war. So was haben die gesagt. Ich solle aufpassen, mit wem ich mich anlege. Kann mich bis heut nicht erinnern, das bis zu dem Zeitpunkt getan zu haben.“

Das sagte er beinahe gelangweilt, als wäre es so weit in der Ferne, das es ihn nicht mehr kümmerte.

„Und das Ende vom Lied?“

„War, dass ihnen das piesacken alleine nach zwei Wochen wohl zu langweilig wurde und sie derart schlechte Laune hatten, dass sie irgendwie meinten, auf mich losgehen zu müssen. Haha, das war lustig!“

Was daran lustig sein sollte und vor allen Dingen warum der Blonde das so gelassen von sich gab war Vanitas mehr als nur schleierhaft, aber da würde er jetzt definitiv weiter nachbohren.

„Was genau war daran lustig?“

„Haha! Ich erinner’ mich als wär’s gestern gewesen! Da kam dieser eine von denen zu mir rüber, der nicht nur so hässlich, sondern auch so dumm wie die Nacht war, als ich in Ruhe irgendein Buch lesen wollte, riss mir das aus der Hand und meinte ernsthaft, mich schlagen zu dürfen. Sein Blick, als ich ihm darauf seine hässliche fette Nase gebrochen hab war Gold, nein, Diamanten wert!“

War das der richtige Moment, sich ernsthafte Sorgen zu machen? Das warf ein wiederum anderes Licht auf die Sache. Bisher war es ja mehr so rübergekommen, als wäre Ventus das kleine Opfer gewesen, aber dass er wirklich so bereit war, sich mit Gewalt zu wehren, hätte man nicht unbedingt geglaubt.

„Wenn ich so darüber nachdenke, waren es danach nur noch drei, die mir tierisch auf die Nerven gegangen sind.“

„Inwiefern?“

„Na, der hat mich jedenfalls nicht mehr gestört, wenn ich lesen wollte.“

„Und das war wann?“

„Hab ich doch gesagt, sind die Ohren Deko oder hörst du mir einfach so nicht zu, um mich zu nerven? Ganz am Anfang, als ich auf die Schule kam. So mit zehn.“

Mit zehn also. Dann war das wirklich schon…sechs Jahre her? Nicht übel.

„Und wie genau konntest du ihn davon überzeugen, dich in Ruhe zu lassen?“

„Oooch, das war nicht so schwierig.“

Ventus schien das Bonbonglas auf dem Tisch erst jetzt aufgefallen zu sein, denn er griff mit beinahe leuchtenden Augen danach und suchte sich eine Hand voll Zitronenbonbons raus, steckte sich eins in den Mund und nuschelte danach beim Sprechen ein wenig.

„Er hatte wohl Schiss bekommen, nachdem ich ihm gedroht hatte, dass ich das Gleiche bei seiner kleinen Schwester mache, wenn er jemandem davon erzählt. Hihi!“

Er verfiel in ein Lachen, das beinahe psychopathisch klang und einem normalen Menschen wahrscheinlich einen Schauer über den Rücken hätte laufen lassen. Vanitas dagegen war jetzt erst Recht fasziniert und brannte auf Einzelheiten. So hatte er sich das vorgestellt, auch wenn der Gedanke für ihn selbst schon krank klang.

„Und die Drohung hat ihm so viel Angst gemacht, dass er wirklich keinem was davon erzählt hat?“

„Scheint so!“ Dabei schaute Ven eher scheinverwundert, als würde er so tun, als ob er es selbst kaum glauben konnte.

Interessant. Dass niemand anderweitig etwas davon bemerkt haben sollte, grenzte allerdings ebenso an ein Wunder. Entweder log Ventus…oder mit der Schule, die er besucht hatte, und auch insbesondere den Familien, die ihre Kinder hinschickten, stimmte etwas gewaltig nicht.

Es war eine öffentliche Schule, so viel wusste Vanitas ja, und dass nicht gerade die Reichsten ihre Kinder dort hinschickten war ebenfalls kein großes Geheimnis, aber das hier alleine übertraf schon das, was er sich an Aufsichtspflichtverletzung hatte ausmalen wollen. Nun, zumindest hatte er jetzt einen Anhaltspunkt.

„Was ist mit den anderen Dreien? Die werden dich ja nicht auch einfach so in Ruhe gelassen haben, oder?“

„Nö.“

Sie schwiegen beide und Vanitas war sich ziemlich sicher, dass er zu dem Thema heute nicht mehr aus Ventus rausbekommen würde. Wobei es wirklich schon ein Fortschritt war. Denn die Art, wie er mit diesem Ereignis umging, ließ schon vermuten, dass die Schule nicht der Auslöser für sein Verhalten gewesen war, sondern es höchstens noch unterstützt hatte. Eine definitiv sehr wertvolle Information.

Vielleicht wäre es besser, es dabei zu belassen und auf ein anderes Thema überzuleiten, aber am besten nicht zu weit hergeholt.

„Wie lief die Schule denn sonst?“

„Prima. Die Lehrer waren alle inkompetenter als die Schüler selbst und von Motivation sag ich mal nichts. Aber ansonsten blickt man auf der Schule wirklich einer strahlenden Zukunft entgegen.“

Es klang beinahe, als wäre er kurz dafür, Vater Staat dafür den Kopf abzureißen, was, falls er da nicht übertrieb, wohl teilweise auch verständlich wäre. Trotzdem gab es doch auch so etwas wie staatliche Prüfung der Fachkräfte; wären die wirklich dermaßen inkompetent, hätten sie diese Prüfungen ja sicherlich nicht bestanden.

„Weißt du, was ich mich frage?“

„Was denn?“

Erneut begutachtete Ventus skeptisch seine Hände, Füße und den Rest seines Körpers, als wäre das die Antwort, zögerte eine Weile, schien sich noch zu überlegen, wie er die Worte verpacken sollte und wirkte ein wenig ungehalten, als er dann doch sprach.

„Wieso manche Leute Kinder bekommen, obwohl sie mit ihnen nicht umgehen können. Wenn du mir das zufriedenstellend beantworten kannst, zweifle ich nie wieder an deiner Kompetenz.“

Das klang ernster als es Vanitas gefiel und er war, auch wenn er sein Bestes tat, dies zu verbergen, ziemlich verblüfft über den eher tiefgehenden Gedanken. Ventus schien ein ziemlich unterforderter Junge zu sein, in dem Fragen lauerten, die ihm niemand zu beantworten vermochte, und so etwas frustrierte natürlich. Vanitas beschloss, ehrlich zu sein.

„Dann wirst du wohl noch eine Weile zweifeln müssen, denn ganz so sicher bin ich mir da selbst nicht. Manche wissen nicht, was sie erwartet…“

„Nein. Nein. Ich rede nicht von einem ersten Kind.“

„Hm. Manche wissen ja auch gar nicht, dass sie etwas falsch machen.“

„Und wenn es so offensichtlich ist, dass es ein Blinder sehen würde?!“

Jetzt wurde er wieder ungehalten.

„Würdest du nicht so dermaßen um den heißen Brei herumreden, könnte ich dir vielleicht eine Antwort geben, die dich etwas weniger…verärgert.“

Diese Antwort schien Ventus aber auch wieder nicht zu passen, denn er verschränkte die Arme vor der Brust, wandte den Blick demonstrativ ab und zog eine Schnute. Er verlangte Antworten auf Fragen, die er nicht präzisieren wollte, wahrscheinlich weil er fürchtete, dass das zu Gegenfragen verleiten würde – was natürlich auch stimmte.

Für den Moment schien jedenfalls nichts mehr aus ihm rauszubekommen zu sein. So gesehen konnte Vanitas den Jungen jetzt also eigentlich fürs Erste entlassen, er selbst brauchte ohnehin erstmal einen starken Kaffee, auch wenn er das Gesöff normalerweise verschmähte; seit er hier war, freundete er sich fast schon damit an.

Er wollte die Stimme schon erheben, bemerkte aber, dass Ventus sich dem aus dem Regal stibitzten Buch gewidmet hatte und ein wenig darin versunken schien. Wie Vanitas ihn einschätzte hatte er weder Gedanken noch Zeit daran verschwendet, irgendetwas für seine Freizeit – und davon hatte er nachmittags doch mehr als genug – von zuhause mitzunehmen, und irgendwie konnte man da schon Mitleid haben.

„Wenn du willst, kannst du jetzt auch gehen. Wir müssen uns nicht anschweigen.“

„Aber…“

„Du kannst das Buch auch mitnehmen, wenn dir so viel daran liegt.“ War das gegen seine Vorschriften? Oh, nicht, dass es ihn kümmerte.

Ein beinahe dankbarer Blick und ein abgebrochenes Grinsen legten sich auf Vens Lippen.

„Wenn das so ist, sieht die Sache natürlich anders aus. Man sieht sich!“

Und damit stand er auf, wirkte schon ein kleines bisschen weniger abweisend und verließ – nicht, ohne noch ein paar der Bonbons in seine Taschen zu stecken – den Raum.

Puh. Es war unglaublich auslaugend, mit dem Blonden zusammenzuarbeiten. Eine richtige Sisyphus-Arbeit, denn ein falsches Wort konnte alles negieren, was sie bis dato erreicht hatten. Und das war zwar noch nicht viel, hatte aber schon einiges an Anstrengung gekostet.

Für den Moment aber war Vanitas zufrieden. Er wusste nicht, wie die Zukunft dieses Jungen aussah, aber irgendwie war das gerade das Spannende, und die Tatsache, dass er selbst darauf einen entscheidenden Einfluss hatte, war irgendwie beinahe beflügelnd. Als hätte man die Zügel in der Hand.

Aber das klang, als würde er seine Rolle ausnutzen, was er wirklich nicht tat. Es machte Spaß, wenn man einen Erfolg erzielte, aber er hatte diesen Kram lange genug studiert um zu wissen, dass das nicht das Hauptziel und ‚Spaß’ definitiv nicht die Ursache dafür war, dass er hier saß.

Ganz im Gegenteil.



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Kommentare zu dieser Fanfic (6)

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Von:  JoMarch
2015-04-22T16:43:50+00:00 22.04.2015 18:43
Ich finde es toll wie du den zukünftigen Arbeitsalttag von Vanitas beschreibst.
 
Wie er sein neues Büro begutachtet und inspiziert. Wie er sich schon Gedanken über seine Arbeit macht. Auch, wenn seine Freunde sich über seine Berufswahl irritiert sind, wird er schon wissen warum er sich für diesen Beruf entschieden hat. Noch kann er entspannen aber die nächsten Tage wird es bestimmt anstrengend für ihn.

Hast alles sehr gut geschrieben und man kann sich alles sehr gut vorstellen. Der Anfang verspricht schon eine menge und ich bin schon gespannt wie es weiter geht und wie sich alles weiter entwickeln wird.
 

Antwort von:  Valenfield
22.04.2015 19:13
Ja, er weiß, warum er das machen will - auch wenn er selbst vorher wohl oft dachte, dass er verrückt sein muss, ausgerechnet so einen Job auszuüben.:D
Aber er will auf jeden Fall erfolgreich sein und sich da voll reinhängen.

Danke für den Kommentar! :)
Von:  Yami-Hime
2012-11-25T14:04:47+00:00 25.11.2012 15:04
Hi,

ich habe mir jetzt mal alle bisherigen Kapitel durch gelesen und ich muss sagen das ich die Story sehr gut finde.
Sie ist gut geschrieben, ich kann mir alles bildlich Vorstellen und dein allgemeiner Schreibstil gefällt mir auch.
Mach weiter so.

MfG

Yami-Hime
Von:  Hide-Behind
2012-10-07T23:07:41+00:00 08.10.2012 01:07
XD man deine ff ist so geil hach wie ich diese kleinen streitigkeiten zwischen ven und vani liebe XD und vani lässt seine sadistische seite raushängen XD
hui so agresiv kenn ich ven gar nicht XD
und das mit seiner familie naja den grund werd ich ja noch erfahren ^^
freu mich schon aufs nächste kapi
mal schauen ob vani der herausforderung gewachsen ist^^

lg helmche
Von:  Chinchilla
2012-08-08T13:41:36+00:00 08.08.2012 15:41
Dafug! ;c;

Und ich war der festen Überzeugung es handelt sich hierbei um Ventus. Bei dem Brief hatte es dann auch endlich "klick" gemacht und meine Reaktion ähnelte dem Anfang meines Kommentares. Aber wirklich schon allein bei der Kurzbeschreibung hätte ich auf Vanitas getippt! 8D
Von der Au­then­ti­zi­tät her bezüglich der Psychiatrie kann ich noch nicht viel sagen. Zumindest fällt mir hier nichts ein wo ich hätte sagen können: "Noes! :c" Das wird wohl erst im nächsten Kapitel möglich sein. Sollte mir etwas auffallen wird natürlich geholfen. c:

Ein verhaltensauffälliger Ventus ... Ich muss zugeben ich bin sehr gespannt!
Von:  Apollon
2012-08-04T17:21:21+00:00 04.08.2012 19:21
Also.
Als Liebhaberin guter Vanitas Ventus Fanfictions bin ich es schuldig dies zu lesen und auch zu Kommentieren. Außerdem krieg ich von dir auch immer so tolle Kommentare also versuche ich es jetzt auch einmal.

*mit Fingerknöchel knackt*

Also die Rahmenidee finde ich wahnsinnig interessant. Ich bin schon mal gespannt was ihn (im Kopf gehe ich von klein VenVen aus) dazu getrieben hat so etwas zu tun. Es verspricht schon einmal ein spannendes Rätseln *A*

Zum Prolog:

Ich mag den Aufbau sehr gern.
Das idyllische Bild des Frühlings und das plötzliche Auftauchen der Katastrophe die übergeleitet wird zu dem Täter.
Allerdings sind die Formulierungen etwas holprig. Ich weiß nicht was es ist. Irgendwie ist der Lesefluss nicht so flüssig wie sonst. Was mir besonders am Anfang aufgefallen ist, sich dann aber mit voranschreiten des Prologes fast ganz aufgelöst hat.

Auch finde ich es gut, dass du den Allwissendenerzähler für den Prolog gewählt hast und auf die innerliche Verfassung keines Charakters eingeht. Sondern nur darauf wie es den Anschein hat.
Guter Spannungsaufbau.

So...
ich glaube das war es auch schon.
Bis zum nächsten Mal ~
Gruß PonPon
Von: LittleRoxas
2012-08-04T17:06:56+00:00 04.08.2012 19:06
Klinkt ja schon mal ganz interessant.
Bin echt gespannt, wie es weiter geht. :3


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