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Namenlos

von

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Hoffnungsschimmer

Ich dachte, ich könnte ja mal ein neues Kapitel hochladen. <3
 

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Schneller als erwartet hatte Ventus nach seiner Fluchtaktion ‚sein’ Zimmer gefunden und sich darin verschanzt, sich aufs Bett geworfen und gefühlt Stunden in sein Kissen geschrien, bis sein Hals nachgab und schmerzte.

Dieser…dieser…

Er wusste nicht mal den Namen dieses Vollidioten, der sich tatsächlich ‚Psychologe’ schimpfen durfte. Was Ventus aber wusste, war, dass er den Kerl nicht leiden konnte und es verdammt noch mal nie tun würde. Was den natürlich nicht interessieren würde, aber trotzdem.

Was den Blonden aber wirklich wütend machte und ihm – wie er merkte, als er den Kopf hob – tatsächlich Tränen in die Augen trieb, war, dass der Kerl Recht hatte! Selbst wenn er hier je wieder rauskäme – auch wenn das unwahrscheinlich war, aber das am Rande – wohin sollte er schon gehen? Nach Hause war unmöglich und darauf hätte er auch keine Lust gehabt. Wütend presste er wieder den Kopf in sein Kissen.

„Jo, Ven, alles klar?“ – oh nein…

Dieser komische Typ, mit dem er das Zimmer teilte. Musste wohl so alt sein wie Ventus selbst, vollkommen durchgeknallt und immer viel zu gut gelaunt. Abgesehen davon, dass er manchmal komisches Zeug schwafelte und hin und wieder auf eine Art und Weise lachte, die Ventus einen kalten Schauer über den Rücken laufen ließ, merkte man ihm jedenfalls meist nicht an, wieso er möglicherweise hier war.

Wen interessierte das auch eigentlich?! Ven hatte genug Probleme mit sich selbst. Und mit seiner bekloppten Familie. Und diesem bescheuerten Psychologen. Und generell mit allen Leuten hier!

Abgesehen davon war er ja auch nicht gemeingefährlich, also warum hierbehalten? Er würde schon niemandem etwas tun, außer seinen Eltern vielleicht, aber das zählte in seinen Augen nicht als Straf- sondern eher als Heldentat.

Nur leider schien er – warum auch immer – mit dieser Ansicht allein dazustehen. Ziemlich unfair, dabei kannten die Idioten hier doch dieses Volk überhaupt nicht, wie konnten sie beurteilen, dass seine Handlung falsch gewesen war? Abgesehen davon, dass die Nachbarn, die sonst auch die Augen nicht aufbekamen, ausgerechnet jetzt glotzen und die Feuerwehr hatten rufen müssen.

Was hatte er seinem Leben angetan, dass es ihn so sehr hasste? Zwar wusste er nicht mehr viel aus seiner ganz frühen Kindheit, was er selbst getan hatte – und interessieren tat es ihn auch nur peripher, es würde eh nichts Wichtiges oder Essenzielles sein – aber er konnte sich nicht vorstellen, dass er etwas so Schreckliches verbrochen hatte, dass…

„Versuch erst gar nicht, dich zu ersticken, das klappt nicht“ – „Kannst du mal für nen Moment die Schnauze halten? Ehrlich. So…fünf Minuten? Laber doch jemand anders voll, im Ernst.“ Zu schade, dass dieser Junge, der Ven wohl nichts Böses zu wollen schien, ausgerechnet im unpassendsten Moment auftauchen und nerven musste.

„Wow, ziemlich aggressiv heut, oder?“ – „Und du verdammt lebensmüde, wer bist du überhaupt?!“ – „Hach, ich hatte viele Namen…“ – „Okay, weißt du was? Sag mir am liebsten keinen davon. Du bist nicht mal die Menge an Gehirnzellen wert, die ich bräuchte, sie mir zu merken.“

Wie lange war er jetzt hier? Zwei Tage oder drei? Das fing ja großartig an. Jetzt schon störte ihn dieser Idiot und wie es schien würden sie eine Weile miteinander verbringen müssen. Ein weiterer Beweis, dass Ventus’ Leben ihn einfach nicht leiden konnte.

Er sah aus den Augenwinkeln – den Blick immer noch auf sein Kissen gerichtet – dass der Junge auf ihn zukam, was ihm ehrlich gesagt überhaupt nicht passte. Statt zu reagieren wartete er aber ab, was sich als Fehler herausstellte, als er an der Schulter gepackt, umgedreht und auf das Bett gedrückt wurde.

„Ich würd aufpassen, was ich sage“, grummelte der wohlgemerkt größere Junge mit merkwürdig tiefer und bedrohlicher Stimme. „Sonst schlag ich dir gleich ein paar Gehirnzellen weg.“ Es ging nicht. Es war eine Kurzschlussreaktion und absolut anders geplant, aber Ventus spürte nur noch, wie seine Faust sich in die Wange des anderen bohrte und ihn – da er mit solcher Kraft wohl nicht gerechnet hatte – ein Stück nach hinten geschleudert wurde.

„Wag es noch einmal, mich anzufassen, du widerliches Schwein!“, schrie er so laut, dass wahrscheinlich bald jemand reinstürmen und nach ihnen sehen würde, aber das kümmerte ihn überhaupt nicht. Trotzdem verging ihm die Lust an diesem Volk, weswegen er das Zimmer wieder verließ und in irgendeine Richtung stapfte.

Doch natürlich verfolgte ihn das Pech und ihm lief eine Krankenschwester über den Weg. Sie schien sich zu wundern, dass er hier gerade rumlief. Kannte sie seinen Tagesplan auswendig oder was sollte das jetzt? Jedenfalls hielt sie ihn an.

„Sag mal, solltest du nicht…“, sie starrte auf ihr Klemmbrett, als würde dort dick und fett geschrieben stehen, dass er eigentlich bei der Behandlung sein sollte, Ventus unterbrach sie aber, bevor sie weitersprechen konnte – was, wenn ihn dieser Freak verfolgen würde? Oh Gott, er mochte nicht daran denken!

„Ähm, ja, bin gerade auf dem Weg dorthin, hatte nur was Wichtiges im Zimmer vergessen“, murmelte er kleinlaut und versuchte, ein Lächeln aufzusetzen, das ihn seine ganze Konzentration kostete. Doch zum Glück nickte sie tatsächlich nur lieb und ließ ihn weiterziehen. Puh.

Ach so, wohin wollte er eigentlich? Ein ungutes Gefühl kam in ihm hoch. Er hatte gesagt, er würde zurück zum Behandlungszimmer gehen, und wie er diese paranoiden Kerlchen hier kannte, würde die Frau das auch prüfen.

//Ist doch egal. Was kümmert’s mich// Schluckend wandte er sich um und überlegte. Er wollte nicht wieder dort hin, aber in sein Zimmer? Nein, das würde nur Probleme bringen, und zwar mit mehr als einer Person.

Andere Möglichkeiten hatte er aber nicht. Würde er sich irgendwo rumtreiben, wo er gerade nicht sein sollte, würde man ihn schon an den rechten Platz verfrachten. Mist…

//Am besten ganz raus hier, wie wär’s?// Nein, nein, nein! Nicht schon wieder! Um sich davon abzulenken, eine Entscheidung treffen zu müssen, ging Ventus irgendeinen Weg entlang und studierte jede Türe und jedes Fenster genauer als nötig. Nicht daran denken, nicht daran denken. Aber die Gedanken wollten nicht gehen, es wurde immer schlimmer.

Zu allem Überfluss war er jetzt wieder an diesem dämlichen Behandlungszimmer angekommen, womit hatte er das eigentlich verdient? So viel Schlechtes konnte ein einzelner Mensch gar nicht verbrechen, dass man es so extrem zurückzahlen müsste. Dass er in unnötiges Selbstmitleid verfiel, war ihm genauso egal, und ohne weiter darüber nachzudenken platzte er wieder in den Raum herein, ohne überhaupt anzuklopfen – warum auch, er würde diesem Kerl sicher keinen Respekt entgegenbringen – und wütend wieder zum Tisch in der Mitte zu stampfen.

Natürlich saß dieser Kerl da immer noch genauso selbstgefällig, halb zum Fenster gerichtet und blickte mit einem Gesichtsausdruck auf, den Ventus schlicht und ergreifend als vollkommen arrogant einstufen würde. Der schien sich auch für etwas viel Besseres zu halten, und dabei war es vollkommen egal, ob er etwas Besseres war! Es war so…so…

„Wieder zurück, was?“ Genau so! Diese trügerisch neutrale bis beinahe höfliche Visage, die heuchlerisch-freundliche Art, der Ventus selbst jedoch nichts als Überheblichkeit abgewinnen konnte. Die penetrant rhetorischen Wort- und Satzkonstellationen, die extra so ausgelegt waren, dass man keine Antwort darauf geben konnte, die nicht eigentlich offensichtlich oder abgrundtief sarkastisch war. Es war…es regte ihn…Argh!

„Bring mich hier raus! Tu irgendwas! Jetzt!“ Ungeplant hatte die Stimme des Blonden einen hohen, piepsigen, ja fast kindlichen Ton erreicht, was ihn aber ebenso wenig störte wie überhaupt interessierte. Wäre er nicht so angespannt, hätte es ihn vielleicht sogar gefreut, dass sich auf dem Gesicht seines Gegenübers auf einmal ein winziger Hauch von Verwirrung abzeichnete.

„Ventus, beruhig dich und…“ – „Ich will mich aber nicht beruhigen!“ – „Wie soll ich dir helfen, wenn du mich anschreist?“ Wütend knirschte Ven mit den Zähnen, antwortete aber nicht, da es vielleicht sogar stimmte – vielleicht ein bisschen!

//So schnell nachzugeben, also wirklich…// – „Lass mich verdammt noch mal in Ruhe!“ Verzweifelt ließ er sich auf den Stuhl fallen, schüttelte wie wild den Kopf und bemerkte nur am Rande, dass versucht wurde, ihn doch ein wenig zu beruhigen. Und tatsächlich, dieses penetrante auf ihn Einreden schien das Vorgehen in seinem Kopf ein wenig zu beruhigen. Verwirrt blickte er auf den Tisch und merkte, dass seine Hände zu zittern begonnen hatten. Sollte er etwas sagen? Er wollte doch eigentlich gar nichts sagen, er wollte nur…

„Schon besser. Was ist passiert, wieso bist du so aufgelöst?“, was, keine unterschwellige Provokation? Oder war das doch Einbildung? Ventus selbst empfand gerade jedenfalls nicht mehr dieses ungebändigte Bedürfnis, diesem Typen – dessen Name er immer noch nicht wusste, weil es keine richtige Gelegenheit gegeben hatte, ihn zu erfahren, und er zu jedermanns Bedauern nicht zugehört hatte, als er schon zuvor mit einem anderen Mitarbeiter hier darüber geredet hatte – gehörig die Meinung zu geigen, und das nicht zwangsläufig verbal.

„Ich…ich weiß nicht.“ – „Was weißt du nicht?“ – „Ich…alles. Wieso bin ich hier…wieso bin ich aufgelöst? Was soll das alles…“, sein Kopf dröhnte und er kniff die Augen zusammen, um die wirren Gedanken zu ignorieren. Er wollte einfach nur hier raus und in Ruhe gelassen werden, wieso verstand das einfach niemand? Sie hielten ihn vielleicht verrückt, aber er selbst hatte eher das Gefühl, hier erst verrückt zu werden.

„Beruhig dich erstmal. Wo kommst du gerade überhaupt her?“ – „Aus meinem Zimmer“ – „Und…warum bist du doch zurückgekommen?“ Er mochte nicht antworten. Dieser Kerl würde sich dann sowieso einmischen und das würde noch mehr Probleme geben. Dazu fehlten Ventus die Nerven. Sie würden seinem Zimmermitbewohner sagen, er solle doch bitte netter sein, und dann – ganz hinterrücks! – würde der ihn wahrscheinlich im Schlaf umbringen; auch wenn sich in ihrem Zimmer eigentlich nichts befand, womit man sich oder wahlweise auch andere hätte umbringen können. Aber dieser kranke Typ würde einen Weg finden, und wenn es das Erwürgen mit seinen eigenen Händen sein würde.

Dass Ventus selbst nicht als zu gemeingefährlich eingestuft wurde, als dass man ihn in ein eigenes Zimmer steckte, war ja schon merkwürdig genug, aber dieser Junge war die Krönung. Der schien irgendwie immer so unglaublich gut drauf, aber gerade eben hatte er bewiesen, dass er auch anders konnte.

„Wüsste nicht, was dich das angeht“ – „Nun, du bittest um meine Hilfe, da wäre es gar nicht so unangebracht, dir auch helfen zu lassen“ – „Es wäre auch gar nicht so unangebracht, mich zumindest mit weniger hochgestochenem Geschwafel zu nerven.“

Da war sie wieder – die Wut auf diesen ignoranten Idiot. Warum musste der auch immer so dermaßen selbstverständlichen Müll von sich geben? Ventus war nicht beschränkt genug, dass man ihm erklären müsste, dass nur sprechenden Menschen geholfen werden konnte, was aber noch lange nicht hieß, dass er sich deswegen weich kochen lassen würde. Nein, das ging einfach keinen was an und er wollte lediglich, dass irgendjemandem hier klar wurde, dass er nicht vollkommen krank im Kopf war, sondern einfach nur Ruhe brauchte.

„Du bist also zurückgekommen, obwohl du immer noch nicht mit mir reden möchtest. Sollte ich das verstehen?“ – „Als würdest du mich irgendwie verstehen können“ – „Wenn du mir nicht die Chance lässt?“ – „Ich würde ja nicht mal um deine Hilfe bitten, wenn man mich hier nicht festhalten würde. Zählt das nicht irgendwie zu Freiheitsberaubung? Die drehen sich auch alles so, wie es ihnen passt.“

Warum lachte der jetzt? Gut, es war weniger Lachen als einfach ein hämisches Glucksen, aber das machte die Sache für Ventus auch nicht gerade besser.

„Ich wüsste nicht, was daran lustig ist“ – „Es ist einfach…So wie du es sagst, klingt es tatsächlich so, nicht wahr? Aber stell dir mal vor, du wärst eine Gefahr für deine Mitmenschen, was-“ – „Bin ich aber nicht!“ – „Behaupten kann das jeder, aber bist du dir da selbst so sicher?“

Natürlich war er sich sicher! Es war ja nicht so, als hätte er ungeplant gehandelt, er hatte sich das Ganze schließlich vorgenommen und es ganz nach Plan durchgezogen. Dennoch schien man ihn für vollkommen durchgeknallt zu halten. Nur, weil einfach niemand verstehen wollte, was ihn überhaupt dazu gebracht hatte, das zu tun. Und was ging es sie auch an?! Bisher hatte es auch niemanden gekümmert!

//Sie wollen dich doch nur hier festhalten. Genauso wie vorher. Alles geht von vorne los.// Vehement schüttelte Ventus den Kopf, fasste sich an die Schläfen und versuchte, diese gemeinen Gedanken loszuwerden, obwohl ihm bewusst war, dass sie der Wahrheit entsprachen. Würde man ihn hier je wieder rauslassen? Und wenn ja, wann? In welchem Zustand? Unter welchen Bedingungen? Er wollte das nicht.

Er wollte nicht nach der Pfeife anderer Leute tanzen! Warum durfte er sein Leben nicht selbst klären? Er hatte es ja versucht, hätten sie ihn nur nicht derart davon abgehalten. Nicht mal sein Ziel hatte er erreicht, und als Belohnung saß er nun hier?

Skeptisch beäugte er sein Gegenüber, dessen Blick wieder so überheblich wirkte. Ach ja, Ventus hatte nicht auf seine Frage geantwortet, wahrscheinlich deswegen. Nur sollte der noch lang nicht glauben, dass das ein Eingeständnis war! Ven hatte schließlich keinen Grund, unschuldige Menschen zu gefährden. Die Frage war wohl lediglich, wen er selbst als unschuldig erachtete.

Dieses schwarzhaarige Monster hier gehörte schon mal nicht dazu, und Ven war sich mehr als sicher, dass er ihm irgendwann sein süffisantes Grinsen aus dem Gesicht schlagen würde, so fest wie eben möglich. Der würde noch ganz anders schauen, aber wie es schien war dieses Zimmer eine Art Zufluchtsort vor den anderen Gestalten in dieser Klinik, also würde der Blonde ohnehin erstmal davon absehen, dem Kerl ernsthaften Schaden zuzufügen.

„Du hast nicht geantwortet“ – „Überlege immer noch, ob du die Worte wert ist“ – „Ach? Sicher, dass du überhaupt eine Antwort hast?“ – „So sicher wie nötig! Nicht, dass es dich was anginge, hm?!“ – „Aber natürlich nicht. Wenn du dir aber doch so sicher warst bei dem, was du getan hast, muss das doch einen triftigen Grund gehabt haben. Was hält dich davon ab, ihn zu teilen, hm?“

Ventus gab – selbstverständlich – keine Antwort auf diese Frage, sicher war auch nichts Anderes erwartet worden. Wie oft sollte er denn noch erklären, dass es niemanden etwas anging? Einfach krank. Wollten die ihn hier festhalten, bis er wahnsinnig wurde? Machte das diesen Psychopathen Spaß? Da konnte man sich wirklich fragen, wer denn hier gestört war.

„Gut, ich verstehe. Möchtest du mir zumindest sagen, wieso du überhaupt zurückgekommen bist?“ Die Frage war natürlich berechtigt, die Sache war einfach nur, dass Ventus nicht einsehen mochte, was diese Menschen mit seinem Leben zu tun und hatten und warum es sie überhaupt interessierte. Ach ja, weil sie mit dem Gelaber ihren Lebensunterhalt verdienten, nicht wahr?

„Der Junge in meinem Zimmer nervt“, hörte er sich dann selbst murmeln und runzelte verwundert die Stirn. Warum hatte er das überhaupt zugegeben? Er wollte doch gar nicht kommunizieren.

„Wie meinst du das? Was tut er denn?“; urplötzlich überkam Ven dieser schwachsinnige Wunsch, sich über diesen Idioten – wieder jemand, dessen Name er nicht kannte und von dem er sich fragte, wieso ihm das nicht total egal war! – von Zimmermitbewohner zu beschweren, ja auszuheulen, ein Einzelzimmer zu verlangen und dann zu schweigen, bis ihm das geboten wurde.

Andererseits wollte er kein Einzelzimmer. Nein. Dann würden sie zurückkommen, diese Gedanken, alles würde erneut auf ihn nieder regnen, er wollte das nicht, konnte es einfach nicht mehr ertragen.

Nicht, dass er es laut sagen würde. Gerade jetzt war er verdammt froh, nicht allein irgendwo in einem kalten Raum zu sitzen und seinen Problemen schutzlos ausgesetzt zu sein. Er wollte nicht allein sein, aber das konnte er einfach nicht zugeben, es würde nur noch mehr Fragen mit sich bringen, die er nicht beantworten würde. Und warum erst mal Fläche zum Fragen stellen bieten, wenn er nicht vorhatte, jemanden sie nutzen zu lassen?

„Er existiert“, hörte Ven sich dann plötzlich selbst sagen und runzelte eine Sekunde lang die Stirn. Hatte er gerade wirklich auf diese Frage geantwortet? Wurde er schwach, gab er sich zu sehr der Tatsache, sprechen zu können, hin? So wollte er gar nicht erst anfangen, es war quasi der erste Tag und schon bröckelte seine Mauer? Nein, einfach nein.

„Vergiss es“, fügte er deswegen hinzu und blickte verstummt auf seine Hände. Wodurch sich seine Haut so weich hielt, war ihm ein Rätsel, und es verwunderte ihn jedes Mal aufs Neue, schließlich war er nicht gerade der Mensch, der sich sonderlich viel darum sorgte, ob seinen Händen gefiel, wie er mit ihnen umging. Meist war gar nicht die Zeit, darüber nachzudenken. Und er hatte weitaus wichtigere Sorgen als so etwas. Aber hatte er die wirklich?

Obwohl es ihm schon von Beginn an klar gewesen war, kam die Erkenntnis erst jetzt: Hier, in diesen Räumlichkeiten, gab es doch eigentlich niemanden, der ihm etwas konnte – abgesehen von seinem verrückten Zimmermitbewohner, vor dem er sich aber irgendwie nicht fürchten konnte oder wollte. Er war da und er tat alles, um seine Präsenz zum Störfaktor zu machen, er wurde sogar handgreiflich, aber wirklich gefährlich schien er immer noch nicht.

Nun gut, diese Einsicht war noch nicht mal Vens größtes Problem, wirklich nicht. Was ihn jedoch umso mehr belastete, was wirklich schwieriger zu verdauen war…

Wenn er das wollte, wenn er wirklich diesen Schutz, ja beinahe diese Freiheit, die er durch die Einsperrung bekam – wie schwachsinnig das schon klang, es wäre beinahe amüsant – behalten wollte, dann blieb ihm höchstwahrscheinlich keine großartige Wahl, als auch etwas dafür zu tun. Natürlich könnte er auch auf Durchzug stellen und alles um sich herum ignorieren, doch das würde wiederum zur Durchlöcherung von zu vielen Seiten her rühren.

Nein. Er würde sich einfach gut mit diesem Kerl sich selbst gegenüber, den er nun wieder leicht im Blick hatte, stehen müssen. Er konnte nicht einmal sich selbst versprechen, dass das funktionieren würde, ja dass er sein Bestes geben könnte. Aber welche Wahl hatte er?

Er konnte sich den Fragen dieses arroganten Etwas hingeben, die zwar nervten, aber ihm keine Kopfschmerzen bereiteten, oder wiederum denen in seinem Kopf, die drohten, ihn innerlich platzen zu lassen, ihn bis in den Schlaf und noch sehr viel weiter zu verfolgen. Ja, freilich. Welche Wahl hatte er?

„Du wirst mich nicht in Ruhe lassen, oder?“ – „Nun, ich befürchte, fürs Erste lässt sich das nicht einrichten, nein“ –„ Hmpf, dann erfahre ich wohl besser so langsam zumindest deinen Namen, um dich wenigstens in Gedanken anständig verfluchen zu können.“

Zu schwach, er gab zu schnell nach, ja.

Aber manchmal konnte vielleicht gar die eindeutig scheinende Niederlage sich genau zum Gegenteil wenden. Mehr als hoffen blieb nicht.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Yami-Hime
2012-11-25T14:04:47+00:00 25.11.2012 15:04
Hi,

ich habe mir jetzt mal alle bisherigen Kapitel durch gelesen und ich muss sagen das ich die Story sehr gut finde.
Sie ist gut geschrieben, ich kann mir alles bildlich Vorstellen und dein allgemeiner Schreibstil gefällt mir auch.
Mach weiter so.

MfG

Yami-Hime


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