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Geister der Nacht

Versuchungen kommen meist durch absichtlich offen gelassene Türen
von

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Geistergeflüster

Sakura wachte nicht allein auf.
 

Ein genervtes Seufzen war zu vernehmen, ehe sein Arm unter der schwarzen Bettwäsche zum Vorschein kam und nach der Flasche neben sich tastete. Offenbar überdachte er sein Vorhaben jedoch, denn der Uchiha zog sie murrend an sich, als wolle er verhindern, dass sie sein Bett verließ.
 

Sie ergab sich, legte ihren Kopf liebevoll an seine Schulter. Unter ihren Fingern spürte sie seinen nackten Oberkörper. Sanft streichelte sie über seine Haut, bis sie seinen Hals erreichte wo sie eine tiefe Narbe ertastete, die längst verheilt war. Wie in Trance beobachtete sie das Spiel ihrer Finger auf seinem nackten Körper.
 

Es war schön ihm so nahe zu sein. Worte waren nie die Stärke des Uchihas gewesen. Doch wenn sie so in seinen Armen lag, dann fühlte sie sich geborgen, brauchte keine Worte. Als könnte ihr niemand etwas anhaben, und doch gab es eines, mit dem sie nicht gerechnet hatte. Der April war dieses Jahr kalt, doch der Uchiha Haushalt war kälter.
 

„Frierst du?“
 

„Nein ... nein, jetzt nicht mehr, Sasuke.“ Einen Funken Freude konnte sie selbst zu einer so frühen Stunde nicht unterdrücken, obwohl es im Schlafzimmer zugegebenermaßen eisig kalt war.
 

„Dann schlaf weiter.“ Wie monoton seine Stimme klang.
 

Und irgendwo zwischen Halbschlaf und Realität kam der letzte Abend wieder hoch, an dem ihr beinahe die Ausreden ausgegangen wären.
 

„Ist es wahr? Bist du mit ihm zusammen?“
 

Davon durfte niemals, unter keinen Umständen eine Menschenseele erfahren.
 

„Ich ...“ Sakura senkte demütig ihren Kopf „Nein, du weißt doch - Uchiha führen nur innerhalb des Clans Beziehungen ...“
 

Sie erstarrte, bezweifelte, dass ihr ihre Lüge abgenommen werden würde. Ihre Schwäche für ihn war schon immer so verflucht offensichtlich gewesen. Und doch glaubte man ihr.
 

Kurz herrschte Stille und der strenge Blick ihres Vaters schien sie zu erdrücken. War er enttäuscht, weil er wusste, dass sie ihn belog?
 

„Wenn das so ist ..“, antwortete er und ließ das Thema damit fallen.
 

Niemand bemerkte, dass sie mittlerweile wie ein Geist durch ihr eigenes Leben ging, ständig darauf bedacht, Sasuke im Verborgenen zu treffen. Alles kreiste darum, bis ein Netz aus Lügen entstanden war, das sie jedem auftischte der ihr nahe stand. Bis sie das Gefühl hatte, nur noch in jenen wenigen, verwirrenden Momenten lebendig zu sein, die sie mit teilte. Weil sie nur dann nicht log. Das was sie ihm zeigte war echt.
 

Sie wollte es in die Welt hinausschreien, wie sehr sie ihn liebte und stattdessen lebte sie mit dieser Lüge, die ihr Leben immer mehr aufzufressen drohte. Eine Lüge, die langsam mehr wurde als sie ertragen konnte, denn sie fing an sich selbst für ihre Unaufrichtigkeit zu hassen.
 

Nach dieser Konfrontation hatte sie den Entschluss gefasst, Sasuke ihr Herz auszuschütten. Sie wusste zwar, dass er von einer einwöchigen Mission zurückkam und den Schlaf nötig haben würde, doch es konnte nicht warten. Sie war zu aufgewühlt, mittlerweile innerlich zerfressen und tapste von einem Bein auf das andere, während sie viel zu lange vor seiner Haustüre stand und die Finger um den Bund ihres Shirts verkrampfte.
 

Obwohl sie sich nicht hatten treffen wollen, obwohl sie viel zu aufgelöst war, als dass sie noch ein vernünftiges Gespräch mit ihm hätte führen können, stand sie in dieser Nacht vor ihm und er sah unbeeindruckt auf sie hinab. Nur, dass sie die feinen Züge bemerkte, die sich über seine Stirn zogen, die nur ihr auffielen und die meist ein Zeichen von Sorge waren. Und wie gewöhnlich ließ er sie in seine Wohnung, die so weit am Rande von allem lag, dass die Gefahr entdeckt zu werden wesentlich kleiner war als in ihrer, die sich mitten im Stadtzentrum von Konoha befand und die er nie betreten hatte.
 

Doch das Debakel begann erst, denn wenn sie vor Sasuke Uchiha stand, war immer alles schrecklich schwer. Alleine aufgrund der Tatsache, dass ihr Herz schnell schlug, wenn er sie nur ansah. Diese Vertrautheit zwischen ihnen, dieser Funke machte ihr einmal mehr bewusst, wie wichtig er ihr war. Sie konnte kaum atmen und dabei hatte er noch kein einziges Wort an sie gerichtet. Nur schwer konnte sie einschätzen, wie er reagierte oder was er im Moment dachte.
 

Sasuke blickte ihr tief in die Augen und offenbarte ihr seine Schlussfolgerung "Du willst also nicht mehr?“ Was musste ihm in seinem Leben zugestoßen sein, dass er das dachte? Merkte er denn gar nicht, wie sehr sie an ihm hing?
 

„Gott Sasuke ... natürlich will ich dich!“, und da sprach sie es aus: das, was wahr war. Was sie sich ständig selbst vorbetete wie ein Mantra aber noch nie laut ausgesprochen hatte. Und es reichte aus, dass es passierte.
 

Sie schliefen in dieser Nacht miteinander, weil beide nicht wussten, wie sie mit der Situation sonst hätten umgehen können. Sasuke konnte sowieso nicht darüber sprechen, hatte diese persönlichen Grenzen und sie war ein elender Feigling, der das nicht aussprechen konnte, was sie sich sehnsüchtig von ihm wünschte. Eine Chance für sie beide.
 

Diese Beziehung war wie ein verkehrtes Märchen. Unrealistisch. Unmöglich. Verboten.
 

All das hatte zu besagtem Morgen in seinem Bett geführt. Sie musste im Halbschlaf gewesen sein, denn der Schleier lichtete sich nur langsam als Sasukes Wecker klingelte.
 

Was für verwirrende Gedanken sie selbst im Traum begleiteten. Ihre Affäre bedrückte sie, verlangte mehr von ihr als sie leisten konnte. Wie lange konnte sie noch ein Leben als Geist führen?
 

„Mach den Scheiß aus ...“, kam es von dem genervten Uchiha, der seinen gut geübten verzogenen Mund aufsetzte und sich auf die andere Seite des Bettes wälzte, seinen Kopf tiefer in das Kissen vergrub. Er war erledigt, er war die letzte Woche über fast pausenlos auf den Beinen gewesen und einem abgängigen Mann nachgejagt. Sakura konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. So sah er also aus, ihr Traummann, ihr Morgenmuffel. Sie waren gestern kaum zum Reden gekommen und Sakura wollte wissen, wie es ihm ergangen war.
 

„Du bist wieder da...“ Es war weniger eine Frage als eine glückliche Feststellung, die der Uchiha mit einem teilnahmslosen „Hn.“ quittierte und sich konsequent weigerte seine Augen zu öffnen.
 

> Bitte geh nicht wieder weg, Sasuke.
 

„Weißt du, ich habe oft an dich gedacht in den letzten Tagen ...“
 

> Nur so ein, zwei Trillionen Mal.
 

Wieder ein genervtes Raunen und eine ungläubig dreinblickende Sakura. Es war als würde sie mit großen, leuchtenden Augen von all seinen tollen Eigenschaften schwärmen, aber dank seines freundlichen Wesens sofort wieder auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt werden. Dieser unverbesserliche Romantiker. Ein klein wenig musste sie erneut Grinsen.
 

Andererseits hatte er ihr schon oft deutlich klargemacht, dass er es wirklich hasste, wenn Sakura ihn morgens mit Monologen quälte. Wie gerne hätte sie ihn jetzt mit Fragen bombardiert. Was hat deine Mission ergeben? Hat dir die letzte Nacht gefallen? Warum isst du gerne Gorgonzola? Was muss ich tun, damit du eine öffentliche Beziehung mit mir eingehst? Was denkst du über uns?
 

Sakura seufzte. Manchmal kam es ihr vor, als würde sich seine Laune auch tagsüber kaum heben.
 

Es spielte keine Rolle, dass er nicht über seine Gefühle sprach, sie hatte sich für ihn entschieden und würde es auch immer, auch wenn er sich emotionslos ihr gegenüber verhielt. Vielleicht gab es Menschen, die damit nicht umgehen konnten, doch Sakura hatte diese Seite an ihm längst lieben gelernt. Sie war eben ein Teil von dem Menschen, der mit ihr morgens die Zeitung las und mit ihr über die Entscheidungen des Stadtoberhaupts diskutierte. Er kaufte ihr Kuchen, den er selbst nie angerührt hätte, weil er wusste, dass sie ihn mochte und ließ ihr nach einem langen Tag ohne zu fragen ein Bad ein, das er dann mit ihr teilte. All das tat er emotionslos und doch lag in seinen Taten so viel Zuneigung.
 

Über die letzten Monate hinweg, still, unbemerkt hatte er sich immer weiter in ihr Herz geschlichen. Sasuke bedeutete ihr einfach mehr als sie in Worte fassen konnte.
 

Schlief er, so wollte sie wissen, was er träumte. Blickte er teilnahmslos in die Ferne, so wollt sie wissen, was er dachte. Sie wollte alles für ihn tun, alles für ihn sein, was er sich wünschte. Sie hing an ihm.
 

Sakura erstarrte mit einem Mal, als sie zufällig ihr Spiegelbild in dem großen Spiegel neben dem Bett bemerkte und spürte, wie Unsicherheit ihre Stimmung trübte. Auch ohne eine Decke, die irgendetwas verdeckte, mit zerzausten Haaren, war er mehr als perfekt. Überdurchschnittlich attraktiv, stark. Nun gut, er war meist der stille Beobachter, ein Morgenmuffel, verschlossen und seine sturen Denkweisen hatten sie schon oft zum Verzweifeln gebracht.
 

Trotzdem gab es kaum ein Mädchen, das ihm keinen sehnsüchtigen Blick hinterherwarf. Diese Tatsache erfüllte sie einerseits mit Stolz, andererseits mit Eifersucht und zum Teil auch mit Schmerz.
 

Am meisten hasste sie die Unsicherheit, die an ihr nagte.



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Kommentare zu diesem Kapitel (6)

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Von:  Levisto
2018-12-26T00:52:52+00:00 26.12.2018 01:52
Interessante Perspektive, Sasuke in seinem eigentlichen Charakter, eine geheime Beziehung, ein guter Start.

Bin auf das na Kapitel gespannt.
Von:  Ginny1986
2018-12-21T22:53:49+00:00 21.12.2018 23:53
Ich würde mich echt Wahnsinnig freuen, wenn du die Geschichte weiter schreibst. Es ist echt toll geschrieben. Ich freue mich auf das nächste Kapitel.
Von: abgemeldet
2017-04-17T04:40:15+00:00 17.04.2017 06:40
Hallo ._.

Ich meine... Hallo? ._.
Du kannst doch nicht sowas wundervolles anfangen und dann nicht beenden ._.
Ich bin empört!

Dein Schreibstil ist die Wucht! Er ist so schön lebendig und real~
Ich bin ganz angetan von den vielen kleinen Details, die du hie und da mit deinen Worten einwebst, dass ich wirklich, wirklich sauer bin, dass dieses kleine Meisterwerk nicht beendet wurde...

Liebste Grüße
Yuki
Von:  Tattles
2013-01-20T17:54:51+00:00 20.01.2013 18:54
echt interessant auch wenn manche momente besser beschrieben oder besser gesagt ausführlicher geschrieben werden können. :) wann kommt den die fortsetzung davon? :D
Von:  horo_koi
2012-09-26T20:34:43+00:00 26.09.2012 22:34
interessant geschrieben
aber ob mikoto sakura gegenüber wirklich so reagieren
würde stellt sich mir die frage ^^
dennoch eine schöne idee und klasse umgesetzt =)

Von:  Schneekaetzlein
2012-08-21T13:59:37+00:00 21.08.2012 15:59
Huhu,
Sasuke und Sakura fand ich noch passend beschrieben - Mikoto hingegen wirkte im Anime nie so kalt, wie sie von dir dargestellt wurde, dies passt eher zu seinem Vater. -grübel-
Den Rest fand ich gut. :)

Grüße,
die Kätzin


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