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Verdorben

von

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Ich mag die Avengers.
 

Doch, wirklich.
 

Sie sind zwar nur umherkriechende, sterbliche Insekten, aber sie sind auch viel interessanter als deine Freunde zu Hause. Die, die so viel Ehrgefühl und Stolz und Licht in sich tragen, dass ich das Gefühl habe, mich übergeben zu müssen, wenn ich sie sehe.
 

Die hier sind anders.
 

Die rothaarige Spinne gefällt mir, glaube ich, am meisten. Sie weiß, was sie tut, sie weiß, wovon sie redet. Sie hat mich sogar fast überlistet. Sie weiß, was Tod und Trauer, Schmerz und Leid sind.
 

Genauso wie ihr Freund mit Pfeil und Bogen. Ich habe in sein Herz gesehen. Er arbeitet zwar für ,die Guten‘, aber auch er hat schon gemordet.
 

Gemordet, weil er wollte. Leute, die kein Blut lieben, verrichten diese Arbeit nicht. Sie kennen den Rausch und den Geschmack von Blut, Dreck und Tod. Und wollen ihn.
 

Ah, ich freue mich schon darauf.
 

Selbst der Captain ist nicht so selbstgefällig gut wie deine Freunde in Asgard. Wenn er könnte, würde er seine Peiniger von früher bestrafen. Und er liebt, er liebt so leidenschaftlich. Ich würde gerne mal die Frau von damals oder den Mann von heute besudeln, bloß um zu sehen, wie viel Gewalt und Böswilligkeit ich aus ihm herauskitzeln könnte.
 

Er erinnert mich ein wenig an dich.
 

Der Mann, der ein Monster in sich trägt, und dabei versucht, sich selbst zu verleugnen. Woher, meint er, kommt das Monster? Man kann nichts aus nichts erschaffen. Es ist nur eine freigewordene Facette seines Charakters.
 

Er erinnert mich ein wenig an mich.
 

So wie der Feigling in seinem Panzer, der so viel mutiger ist als alle seine Freunde. Der sich nichts zutraut und herumstolziert, als wäre er der König der Welt. Ich hätte ihn gern auf meiner Seite.
 

Diese ganze Gruppe von Kakerlaken wandert auf dem schmalen Grad zwischen gerecht und wahnsinnig, zwischen Mord und Hilfe. Sie sind so wunderschön zwiegespalten.
 

Das ist auch der Grund, warum du so gut zu ihnen passt, Thor.
 

Das ist der Grund, warum du deiner Idiotentruppe von Freunden in Asgard nie ebenbürtig warst; sie sahen dich immer mehr als Anführer denn als Freund, und das wusstest du nicht mal, oder? Doch doch, das war so. Und wie denn auch nicht, wenn du so köstlich zweischneidig bist, sodass der schwarze Kern in dir eine Macht ausstrahlt, die jeden um dich herum gefangennimmt.
 

Sie denken, es ist dein Lächeln. Sie denken, es sind deine Augen.
 

Doch dabei bin das ich. Ich allein. Ich wohne in deiner Brust, habe mich seit Kindesbeinen dort eingerichtet und fühle mich da sehr wohl.
 

Du siehst mich an. Ich sitze in meinem Glasgefängnis und du willst mich rausholen, oder? Du spürst, wie stark der Zug ist, der Zwang, in meiner Nähe zu sein, sodass du deinen schwarzen Kern nähren kannst, der dir deine Kraft gibt.
 

Was wärst du, wenn du nicht hassen könntest? Du könntest auch nicht leidenschaftlich lieben, so wie die Leute in Asgard. Aber du kannst, nicht wahr? So sehr, dass es wehtut.
 

Wenn du auf mir liegst, kann ich die Sterne nicht mehr sehen, du verdeckst sie, weil du eifersüchtig auf sie bist - niemand darf mich so sehen wie du mich siehst.
 

Du hasst jede Kriegertochter im Ballsaal, die mit mir getanzt hat; ich sehe in deinen Augen, wie du ihnen den Schmuck vom Hals reißt und ihn durch ihre Bauchhöhlen stößt. Deswegen küsse ich eine von ihnen. Sie ist süß, zerbrechlich wie ein Vogel. Ganz und gar nicht, was ich begehre, und doch das Mittel zum Zweck, das ich brauche.
 

Das Mädchen, das ist geküsst habe, ist verschwunden, und deinem selbstzufriedenen Gesichtsausdruck nach zu urteilen wird sie auch nie wieder jemand finden.
 

Normalerweise sehe ich nie Tusche und Feder bei dir im Zimmer; du schreibst nicht viel, und künstlerisch begabt bist du auch nicht; das hast du alles vor langer Zeit mir überlassen, die weibischen Künste. Wie du mir alle weibischen Künste zusprichst, in denen ich so talentiert bin.

Doch nun sind sie in deiner Hand und du schreibst deinen Namen auf die Innenseiten meiner Oberschenkel, in meine Handflächen, auf meinen Hals; schwarzes Blut breitet sich auf weißer Haut aus und du bewunderst dein
 

mein
 

Werk. Du weißt, dass ich alles danach wegzaubern werde, doch genauso weißt du, dass ich deinen Namen für immer auf mir spüren werde. Weil ich dein bin.
 

Schwarz wie die Tusche, die einst auf meiner Haut deinen Namen geziert hat, ist der Fleck in deinem Herzen, liebster Bruder. Der dich hassen lässt, der dich lieben lässt. Der nach mir, meiner Seele, meinem schwarzen Herzen, meinem weißen Körper schreit und mich verschlingen will.
 

Verschlingt.
 

Und so wohne ich in deiner Brust; die Tusche fließt langsam durch deine Adern, sodass sie sich auf deiner Haut zeigt und meinen Namen schreibt.
 

Ich verderbe dich durch und durch.
 

Ich lasse dich in meinem Glasgefängnis fallen, und du hasst mich. Aber das ist gut, das ist richtig so. Denn ohne deinen Hass könntest du mich auch nicht so lieben wie du es tust, nicht wahr?
 

Mein Wahnsinn fließt durch deine Adern und wir sind Brüder im Geiste, Liebende im Herzen, Hassende in Seelen, Wollende im Leib.
 

Du fällst in deinem Glasgefängnis in Richtung Erde, Boden von Midgard. Plötzlich fällst du langsamer; die Zeit scheint langsamer zu vergehen und du merkst, wie mächtig ich geworden bin - nicht mal Vater hat die Macht über die Zeit, nicht wahr?
 

Doch in unseren Glasgefängnis selbst vergeht die Zeit normal; nun, was ist schon ein normaler Zeitfluss für unsterbliche Götter?
 

Ich erscheine vor dir und wir fallen gemeinsam, so, wie ich es mir bei meinem ersten Fallen schon gewünscht hatte. Doch damals warst du dir deines schwarzen Kerns noch nicht bewusst.
 

Bis er
 

ich
 

fiel.
 

Doch jetzt siehst du mich endlich, oder? Kannst du endlich erkennen, wie ebenbürtig wir uns eigentlich sind, wie ähnlich?
 

Ja.
 

Als du durchschaust, was ich vorhabe und dass das alles hier nur ein Spiel ist, ein Spiel für dich, das aus dir heraus entstanden ist, das du geboren hast, ziehst du mich zu dir und endlich darf ich den Rest von mir berühren, weil du mich küsst. Du akzeptierst deinen Hass und deine Liebe und deine Eifersucht und deinen Zorn und fühlst du dich nicht endlich wie der Gott, der du bist?
 

Ich tue, was ich will, und deswegen solltest du auch tun, was du willst.
 

Wir fallen endlich gemeinsam und wir tun, was wir wollen, was wir schon immer wollten.
 

Die Avengers würden es verstehen, wenn sie uns nun sehen könnten, denke ich - im Gras von Midgard, eng umschlungen und einander liebend
 

hassende wollende Brüder
 

weil sie in ihrer erbärmlichen, menschlichen Hülle doch irgendwie so sind wie wir.
 

Mehr als nur Gut und Böse.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  CocaBeliLight
2012-12-30T23:52:54+00:00 31.12.2012 00:52
fasziniert mich
konnte gar nciht aufhören zu lesen
dein schreibstil ist wirklich fesselnd.

sehr schöne ff~


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