Catch you, catch me - Part 1
***
Man sah die Lichter auf der Strasse.
Kitschige Lichterketten und orangene Lampignons leuchteten an den
Fenstern und erhellten die Terrasse mit mattem Licht. Zwei kleine
Scheinwerfer standen auf beiden Seiten der großen Eingangstür und
strahlten Blitze in den Himmel und die Strassen. Leichtbekleidete
Menschen warteten in einer langen Schlange darauf, von finster
dreinblickenden Türstehern in das Gebäude gelassen zu werden.
Auf der Terrasse und dem Balkon im ersten Stock drängten sich die
Leute dicht aneinander. Sie standen fast Schulter an Schulter mit
Getränken in der Hand oder saßen an kleinen Tischen, wenn sie das
Glück hatten, einen Platz zu ergattern. Die Nacht war laut. Überall hörte
man das Gemurmel der Stimmen und ausgelassenes Gelächter, das
lauter wurde, je länger Alkohol im Spiel war. Über all dem klang der
gedämpfte Bass lauter Musik, der deutlicher wurde, je näher man der
Eingangstür kam.
Es war Freitagnacht.
Die Menschen Tomoedas trafen sich in den Clubs der Stadt. Vor allem
junge Leute feierten ausgiebig und ausgelassen, oft in verschiedenen
Clubs nacheinander, bis in die Morgenstunden.
Aber egal ob man bis zum Umfallen tanzen wollte oder sich nur für ein
paar Stunden amüsieren wollte: früher oder später landeten alle in
diesem Club. Im ältesten Club Tomoedas, der zum Stammlokal aller
Stadtbewohner wurde. In dem Club, in dem immer wieder neue - mal
lustige, mal dramatische - Geschichten ihren Lauf nehmen, in dem jeder
Besucher zu einem Teil einer Geschichte wurde.
Der Club hieß »Clamp«.
Tip-Tap Fruits Candy
5. Kapitel: Catch you, catch me
"Wir treffen die Anderen an der Bar!" Tomoyos Stimme klang gedämft,
übertönt von der lauten Musik und dem konstanten Stimmengewirr der
Besucher des Clubs. Das Mädchen mit dem nachtschwarzen Haar
bahnte zielsicher einen Weg durch die dicht besetzten, kaffeebraunen
Holztische, an denen aufgedrehte Partygänger zusammensaßen, gut
gelaunt über alte Witze lachten und dabei bunte Cocktails tranken mit
Papierschirmchen im Glas oder Scheiben von Ananas.
Tomoyo ignorierte den Lärm um sie herum und schaute in Richtung
Theke. Hätte Jemand den Saal von oben betrachtet, hätte er sehen
können wie sich die tanzende Menschenmenge, die im gesamten Raum
umherschwirrte, ehrfürchtig vor dem hübschen Mädchen teilte, wie das
Rote Meer für Moses.
Ein paar Schritte hinter Tomoyo tappte Sakura und schaute unsicher in
die Menge. Ihre hochhackigen Schuhe waren zwar keine meterhohen
Ärzteschrecks, dennoch mittlerweile genauso unbequem als wenn sie's
wären. Mit schnellen Schritten folgte sie ihrer Freundin so gut es ging, um
sie unter all den Menschen nicht aus den Augen zu verlieren. War es hier
schon immer so voll gewesen?
"Hey, ich glaub wir sind die Ersten!" rief Tomoyo über ihre Schulter als sie
die Theke erreichten. An den meisten Barhockern tummelten sich junge
Leute mit Bier- oder Colaflaschen in der Hand und schauten auf die
Tanzfläche.
Sakura und Tomoyo stellten sich an den Rand der Theke, an dem am
Wenigsten los war. Sakura schaute sich um. Jetzt, da sie nicht mehr
mitten im Gedränge stand, merkte sie dass der Club genau genommen
gar nicht so überfüllt war. Es war viel los, aber die Atmosphäre war
eigentlich nicht ungemütlich.
"Es war ja wohl klar, dass wir die einzigen sind, die pünktlich kommen"
seufzte Tomoyo, sah dabei aber ziemlich unbekümmert aus.
Sakura lächelte, "Wann war Yamazaki schon jemals pünktlich?"
Die Mädels schauten sich an an und lachten. Mindestens sieben
(männliche) Köpfe verdrehten sich nach dem Klang.
"Gut, dass er Chiharus Problem ist." meinte Sakura.
"Darf ich euch Ladies zu einem Tequila einladen?"
Sakura drehten sich um und sahen einen dunkelhaarigen,
schwarzgekleideten Don Juan, der versuchte den Beiden sein
unwiderstehlichstes Lächeln zuzuwerfen.
Sakura und Tomoyo lächelten zurück und sagten synchron:
"Nein danke, wir sind schon verabredet."
Dann drehten sie sich wieder um.
Don Juan versuchte, so cool und männlich wie möglich ans andere Ende
der Theke zu schlendern.
Die Mädchen sagten eine Weile nichts. Dann meinte Sakura:
"Jura?"
Tomoyo schüttelte den Kopf.
"Medizin. Es sind immer die Mediziner."
Die Musik wechselte von einem öligen R'n'B Song zu einer schnellen
Rocknummer. Anscheinend konnte die Hälft der Besucher den Text
auswendig, denn man hörte viele Menschen ausgelassen mitsingen.
"Alles klar bei dir?" fragte Tomoyo. "Du zappelst herum."
Sakura warf Tomoyo einen Blick zu, der deutlich sagte ,woran liegt's
wohl?'.
Tomoyo grinste vergnügt.
"Ich weiß gar nicht, was du hast! Der Rock steht dir super."
Sakura versuchte nicht zu rot zu werden.
"Tomoyo, ich bin langsam alt genug, um mich selber anzuziehen.."
"Das weiß ich. Aber ein spezieller Anlass erfordert nunmal besondere
Kleidung."
Sakura rollte mit den Augen.
"Wir sind so gut wie jede Woche im »Clamp«."
"Ist das ein Grund deine Schönheit zu verstecken, wenn du doch meine
Modekreationen zur Auswahl hast?" zwinkerte ihr Tomoyo zu.
Sakura erkannte eine Steinmauer, wenn sie davor stand und sagte nichts
mehr.
Tomoyo hatte schon immer geliebt, Sakura die ausgefallendsten Kleider
anzuziehen. Schon als sie noch klein waren, war es Tomoyos
Leidenschaft gewesen, Sakura in hübsche Kleider zu stecken, vergnügt
,Ohhhh' und ,Ahhhhh' zu rufen und das ziemlich verlegene Mädchen mit
Komplimenten zu überschütten. Sakura hatte auch heute nicht die
leiseste Ahnung, was genau Tomoyo daran Spass gemacht hatte, aber
insgeheim einigte sie sich darauf, dass Tomoyo einfach lebendige
Brabiepuppen aufregender fand als die aus Plastik.
Zum Glück hat sie damit aber wieder aufgehört, dachte Sakura.
Mittlerweile musste sie zwar keine Model Sessions mehr über sich
ergehen lassen, aber dafür ließ Tomoyo es sich auf keinen Fall nehmen,
Sakura zu stylen, wenn sie miteinander ausgingen (oder wenn Sakura
eine wichtige Verabredung hatte, das versteht sich ja von selbst).
So war es überraschenderweise auch heute abend gewesen, obwohl die
Mädchen sich eigentlich erst im Club treffen wollten. Nach dem
Abendessen in Sakuras Wohnung begleitete Sakura Tomoyo nach
Hause und stritt sich die nächsten eineinhalb Stunden über Rocklängen
und T-Shirt Größen. Sakura war das ganze Verfahren natürlich längst
gewohnt, und genaugenommen hatte sie gegen Tomoyos
Outfitvorschläge nichts einzuwenden, was Geschmack und Modedesign
anging hatte Tomoyo Talent, das war keine Frage. Die ganze
Aufmerksamkeit war Sakura eben einfach peinlich.
Aber heute abend war sie ganz froh gewesen, bei Tomoyo zu Hause zu
sein. Nachdem Sakura Kamo zu seinem Auto gebracht hatte, kam ihr auf
dem Weg zurück zum Haus Tomoyo bereits entgegen. Sie hatte Sakuras
Handtasche unter dem Arm und meinte, dass Sakura nicht noch einmal
in die Wohnung müsse, sondern lieber gleich mit zu ihr käme.
Sakura widersprach nicht.
Sie wollte Syaoran nicht gegenüber stehen, da sie wusste, dass er ihr
Fragen stellen würde. Nach der Hongkong-Sache hatte er sie die ganze
Zeit über so forschend angestarrt, bestimmt hatte er gemerkt, dass sie
sich komisch verhielt.
Sakura seufzte nachdenklich. Hongkong.. warum hatte sie ihn nie
gefragt? Sakura kam sich wie der schrecklichste Mensch auf der Welt vor.
Schließlich wohnte sie schon zwei Monate mit dem Kerl zusammen,
wusste aber trotzdem mehr oder weniger gar nichts über ihn.
Sie schüttelte den Kopf. Gut, dass sie heute ausgegangen war.
Wenigstens konnte sie dadurch Syaoran noch eine Weile aus dem Weg
gehen.
Sakura merkte nicht, dass Tomoyo sie mit verständnisvollen Augen leise
anlächelte.
"Sieh mal wer da kommt." sagte sie schließlich.
Sakura drehte den Kopf in Richtung Tanzfläche und sah einen gut
gelaunten Yamazaki und eine amüsierte Chiharu, die sich langsam
einen Weg zur Theke bahnten.
"Wird auch Zeit.." meinte sie, aber lächelte trotzdem.
Chiharu entdeckte die beiden Mädchen als erste und zog Yamazaki
lachend am Arm hinter sich her. "Hallo ihr zwei!" rief sie. "Mann, hier
wird's auch immer voller!"
Yamazaki zwinkerte den Mädchen kurz zu und lehnte sich dann über die
Bar um für sich und die Mädchen Cola zu bestellen. Hey, er war ein
Gentleman.
"Und warum sind zwei so reizende Damen wie ihr es sein nicht schon
längst von einem eigenen Fanclub männlicher Verehrer belagert?" fragte
er lächelnd als er die Colaflaschen verteilte.
Sakura wurde rot und Tomoyo grinste: "Wir konnten sie uns gerade noch
vom Leib halten."
"Dann bin ich ja beruhigt." meinte Yamazaki.
"Wo ist der Rest?" fragte Chiharu und schaute sich im Club um. Die
Tanzfläche wurde noch voller, als die ersten Takte von B2K's ,Bump,
bump, bump' erklangen.
"Kommt noch." antwortete Tomoyo.
"Falsch, ist schon da!" rief eine vergnügte Stimme. Ein paar Sekunden
später tauchte aus der Menge ein gut gelaunter Rotschopf zusammen mit
einem freundlich dreinblickendem, braunhaarigen Mädchen auf. Mit
schnellen Schritten stellten sie sich zu ihren Freunden und grüßten in die
Runde.
"Sakura, ich bin enttäuscht." meinte der Rotschopf. "Jetzt hab ich mich
extra so schön angezogen, und Syaoran ist gar nicht da!"
Chiharu und Tomoyo mussten lachen.
"Wenigstens bin ich nicht noch extra zum Frisör gegangen. Ich sag's
euch, ich war so kurz davor!"
"Hey! Und warum gehst du wegen mir nicht mal zum Frisör?! Bin ich ein
zweiter Adonis, oder was!" meinte ein im Stolz gekränkter Yamazaki.
Chiharu und Rika sahen ihn nur kurz an und würdigten den armen
Jungen nichtmal einer Antwort.
"Naja, es wird schon einen Grund geben, warum Sakura ihn nicht
mitgebracht hat.."
"Ich glaube, Sakura will Syaoran lieber für sich alleine haben, Rika.."
grinste Chiharu.
"Hm, sie hat ja auch einen riesen Vorteil.." seufzte das Mädchen. "Sie
wohnt mit ihm unter einem Dach. Nonstop...Rund um die Uhr..."
Chiaharu und Rika grinsten erst sich und dann Sakura an, und warteten
auf einen ihrer typischen Wutausbrüche. Aber zur Verwunderung der
beiden Witzbolde blieb Sakura still, und lächelte nur nervös und
irgendwie, seltsamerweise, traurig.
Huh?
Tomoyo hustete kurz und schaute dann zu Yamazaki.
"Chiharu, ich glaube du hast seine Gefühle verletzt."
Alle Köpfe drehten sich zu dem Jungen, der daraufhin rötlich anlief.
Chiharu lächelte verschmitzt und hakte sich bei ihrem Freund ein.
"Ich verspreche, dass ich dich nicht für Syaoran verlassen werde, wenn
es dich beruhigt."
Yamazaki fand das nicht witzig.
"Du liebst mich nicht." sagte er säuerlich. Die anderen Mädchen mussten
lächeln. Chiharu grinste und stützte ihr Kinn auf seine Schulter.
"Was? Einen gut aussehenden Adonis wie dich?"
Rika lachte. "Wenn du willst, geh ich auch das nächste Mal extra zum
Frisör für dich."
Yamazaki legte seinen Arm um seine Freundin und sah wieder zufrieden
mit sich und der Welt aus. "Schon ok." meinte er. "Ist nicht nötig."
"Yamazaki hat bestimmt nur so getan, als wär' er sauer." meinte das
braunhaarige Mädchen.
"Was?! Du verletzt mich, Naoko."
"Stimmt! Ich vergesse immer wieder, dass er Schauspieler ist!" rief Rika.
"Hattest du heut abend nicht noch Proben für deinen nächsten Auftitt?"
fragte Tomoyo interessiert.
Yamazaki ging zur gleichen Uni wie die fünf Mädchen auch, aber die
Schauspielerei war schon mindestens seit der Grundschule seine große
Leidenschaft gewesen. Als die Freunde noch zur Schule gingen, spielte
Yamazaki jedes Jahr im Theaterclub der Schule mit und die Mädchen
schauten sich seine Auftritte an und klatschten heftig Beifall. Niemand
konnte abstreiten, dass er Talent hatte und dass es ihm Spass machte,
war sowieso klar.
Deshalb war auch keiner verwundert, als Yamazaki sich für die
Theatergruppe seiner Uni bewarb.
Keiner war überrascht, als er eine Woche später aufgenommen wurde.
"Ja, aber die gingen nicht lang." antwortete Yamazaki.
"Wie heißt das neue Stück nochmal?" fragte Sakura.
"Kill Till. Ich spiele einen einfachen Blumenverkäufer, der nach einem
Unfall seiner Schwester zum kaltblütigen Rachekiller wird."
Sakura zögerte. "...das hört sich ganz schön hart an..für eine
Studentenaufführung.."
"Tja, das Leben ist kein Schlotzer."
Chiharu sah ihren Freund an. "Wenn dein Blumenverkäufer jemals
versucht dich umzubringen, dann ruf mich bitte an." meinte sie trocken.
"Hey, ich sag's euch! Vor 13 Jahren in China, da kam plötzlich ein-"
Ein allgemeines Stöhnen ging durch die Runde.
"Was?" fragte Yamazaki - und Sakura, die gerade noch gebannt an
Yamazakis Lippen hing.
"Du erzählst Schwachsinn, Takashi!" meinte Chiharu leicht angenervt.
"Ich erzähle nie -"
"Doch, tust du.." unterbrach Rika.
"Ich wusstet doch gar nicht, was-"
"Wir können uns ziemlich gut vorstellen, was du erzählen wolltest."meinte
Naoko.
"Und sowas nennt sich Freunde!"
Daraufhin nahm eine weitere von mittlerweile bereits unzählbaren
Episoden der üblichen Streitereien und Neckereien ihren Lauf.
Schließlich kannten sich die sechs Freunde fast schon seit sie denken
konnten. Schon in der Grundschule waren alle zusammen in einer
Klasse und freundeten sich schnell an. Sakura und Tomoyo waren
sowieso praktisch unzertrennlich gewesen, da ihre Mütter Cousinen
waren.
Aber auch später in der Highschool blieben die Mädels zusammen, und
es dauerte nicht lange, da fand Yamazaki endlich genug Mut um Chiharu
zu fragen, ob sie seinen Freundin sein wolle (erst sagte sie Idiot. Dann
sagte sie ja).
Sakura hörte gar nicht mehr hin, sondern nippte lieber an ihrer Cola und
schaute sich im »Clamp« um. Die Tische am Rand sahen gemütlich aus,
auf jedem stand ein gelbes Windlicht und man konnte im ganzen Raum
goldenes Kerzengeflacker sehen. Die Tänzer sangen gerade ziemlich
ausgelassen zu ,We got the noise' von den ,Donots'. Sakura wippte ein
bisschen hin und her und schaute weiter.
"Und was war dann damals, auf dem Tokyo Tower als-"
"Hey! Das wirft du mir auch noch vor, wenn wir 90 sind!"
"Tja, woran liegt's wohl.."
Sakura schaute auf die obere Etage des Clubs. Dort oben gab es keine
Tanzfläche sondern nur kleine Tische, an denen die meisten Partygänger
nicht nur Cocktails tranken, sondern auch etwas zu essen bestellten. Dort
war es ruhiger und gemütlicher, und viele setzten sich hin um sich für
kurze Zeit auszuruhen.
An den großen Fenstern des »Clamp« hingen kleine Lichterketten. Es
gab breite Glastüren, die auf die matt beleuchtete Terasse und den
Balkon führten, wo genauso viel Gedränge herrschte wie im gesamten
Club.
"OK, dann erzähl ich eben allen, wie du mal als Kind deine Socken
gegessen hast-"
"Komm schon Chiharu, das weiß doch schon jeder!"
Sakuras Blick schweifte über die vielen Lichterketten und landete
schließlich am Eingang, durch den immer noch von Zeit zu Zeit einige
Leute in den Club tröpfelten. Sakura sah zu, wie ein turtelndes Pärchen
langsam die wenigen Stufen herunterspazierten, dicht gefolgt von einer
quietschig kichernden Gruppe junger Teeniemädchen, die höchstens 16
sein konnten.
Sie wollte gerade wieder nach ihren Freunden schauen um dem Streit
langsam mal ein Ende zu setzen, da zuckte sie zusammen und spürte,
wie ihr Blick plötzlich am Eingang kleben blieb.
Es war als hätte jemand plötzlich den gesamten Ton abgestellt.
Das Mädchen starrte mit grünen, weit aufgerissenen Augen auf den
Eingang und konnte nicht glauben, was sie sah. Die Haare, das Gesicht,
die Haltung, der Blick, es gab keinen Zweifel.
Langsam kehrte der Ton zurück.
"Jedenfalls war es nicht meine Schuld."
"Das sagt ja wohl jeder-"
"Sakura, alles ok?"
Tomoyos besorgte Stimme beendete die Neckereien der Anderen sofort.
Plötzlich verstummt, sahen sie zu Sakura, doch das Mädchen starrte an
ihnen vorbei, fassungslos.
Sakura zeigte mit dem Finger zum Eingang.
"Wah-?"
Vor Neugier fast umkommend, drehten die Mädels und Yamazaki schnell
ihre Köpfe.
Dort am Eingang stand niemand anderes als Li Syaoran.
Und seine Gegenwart war Anziehung. Hätten Sakura und ihre Freunde
ihren Blick von ihm losgerissen, hätten sie sehen können, wie die
Menschen in Syaorans Nähe ebenfalls nicht aufhörten ihn anzustarren.
Seine Haare waren so zerzaust und unfrisiert wie immer, er trug Jeans
und ein dunkles T-Shirt, wahrscheinlich war es grün. Sein Blick war
unbekümmert, entweder der Aufmerksamkeit nicht bewusst oder bereits
längst daran gewöhnt, und schweifte durch die Menge der Clubbesucher,
bis er plötzlich bei der Theke stehenblieb und Sakura traf.
Für einen kurzen Moment schaute keiner der Beiden weg, und es war als
könnten sie sich berühren, durch Schnüre aus Glas.
"Wer ist das?" sagte Yamazaki leise.
Chiharu lächelte.
"Das, mein Freund, ist Syaoran."
Rika lachte auf: "Na also, doch noch Glück gehabt!"
Tomoyo grinste. Wer sagt's denn, Syaoran.
Plötzlich trat ein Junge neben Syaoran und sagte etwas zu ihm. Syaoran
sah von Sakura weg und redete mit dem Jungen.
"Und wer ist das jetzt?" fragte Rika verwirrt.
Tomoyo zuckte mit den Schultern und alle sahen zu Sakura.
Sie brauchte einen Moment, um sich wieder zu fangen.
"Keine Ahnung." sagte sie dann.
Die Anderen seufzten und schauten wieder zurück. Der Junge war neben
Syaoran getreten, so dass die kleine Gruppe ihn nun deutlicher sehen
konnte. Das half ihnen leider auch nicht weiter, aber da niemand wusste,
was sie sonst tun sollten, starrten sie ihn einfach noch ein bisschen
länger an.
Dann drehte er plötzlich seinen Kopf zu ihnen und schaute sie direkt an.
Und das war der Moment, in dem Takashi Yamazaki seine Colaflasche
fallen ließ und überrascht nach Luft schnappte.
Alle schauten ihn verwundert an.
"Was ist los, Takashi?" fragte Chiharu.
Sein Verstand dreht sich und er schüttelte kurz den Kopf.
"Moment mal.." sagte er dann. "Dieser Syaoran.. meint ihr etwa Li
Syaoran?!"
Ein kurzen Moment sagte keiner etwas.
"Mh-hm." sagte Sakura intelligent.
"Euer Syaoran ist Li Syaoran?!"
"Mh-hm." Was hätte man sonst sagen sollen?
Yamazaki schaute sie an, als warte er darauf, dass die Mädchen
genauso vom Blitz getroffen schauen würden, wie er. Als das nicht
geschah, gestikulierte er wild mit den Händen und meinte dann:
"Wieso hab ich das nicht gewusst?!"
"Ok, jetzt macht er mir Angst." flüsterte Naoko Rika zu. Ricka nickte
zustimmend.
"Takashi...Was ist das Problem?" Chiharu sprach aus, was alle dachten.
Yamazaki schaute zurück zum Eingang und sah, wie die beiden
Neuankömmlinge langsam die Stufen herunterliefen, in Richtung
Tanzfläche.
"Das.." sagte er dann, "..ist Li Syaoran und der Kerl neben ihm ist
Hiiragizawa Eriol."
Die Mädchen blinzelten, unerleuchtet.
"Und?" Diesmal sprach Naoko aus, was alle dachten.
"Wisst ihr denn gar nichts?! Jeder kennt die beiden!"
"Jetzt spucks schon aus!" rief Chiharu genervt.
Yamazaki seufzte.
"Es gibt so einen Haufen Gerüchte über die beiden, dass es ein Wunder
ist, dass ihr noch keins davon gehört habt! Seit die beiden im April in
Tomoeda auf der Uni aufgetaucht sind, gab es nur noch Getuschel über
die beiden!"
Dann sah er Sakura gekränkt an.
"Ich glaub einfach nicht, dass du mit ihm zusammen wohnst, und mir
nichts davon gesagt hast!"
Sakura rollte mit den Augen.
Plötzlich, als wäre ein stilles Kommando durch die Gruppe gegangen,
sahen alle wieder zurück zu Syaoran und Eriol Hiiragizawa. Die beiden
liefen sicher an den dicht besetzten Tischen vorbei, zielstrebig in Richtung
Theke. Die Mädchen, an denen sie vorbei liefen, fingen an zu tuscheln
und schauten ihnen nach. Wenn sie jemanden sahen, den sie kannten,
nickten sie ihnen zu und schüttelten Hände.
"Die beiden kommen anscheinend aus Hongkong und sind dort von der
Schule geflogen, weil sie Ärger gemacht haben." erklärte Yamazaki,
während alle dabei zusehen, wie Eriol und Syaoren langsam immer
näher kamen.
"Eriol Hiiragizawa soll anscheinend schon als Grundschüler eine
Lehrerin verführt haben, die gerade erst von der Uni kam. Er hat ihr das
Herz gebrochen, da war er gerade mal zehn."
Eriol und Syaoran liefen langsam über die Tanzfläche.
"Syaoran soll mal Einen aus seiner Schule übelst verprügelt haben, weil
er sich in der Caféteria vor ihn gestellt hat. Und er soll anscheinend auf
dem Schwarzmarkt mit chinesischen Kampfschwertern handeln und mit
dem Geld dann den Staatsanwalt bestechen!"
Chiharu gab ihm eine Kopfnuss. "Du glaubst auch alles was man dir
erzählt!"
"Nein, wirklich! Dieser Eriol hat auf dem Schwarzmarkt seine linke Niere
für einen Satz limitierter Spiederman Comics verhökert!"
"Spiderman Comics." sagt Rika trocken.
"Hey! Ich hab die Narbe gesehen!"
Sakura war mit den Gedanken ganz woanders. Mit einer gewissen
Portion guter alter Panik sah sie dabei zu, wie Syaoran langsam aber sich
immer näher kam, direkt auf sie zu.
Nein, nein! Warum ist er hier?! dachte sie verzweifelt. Verdammt!
Was mach ich jetzt? Er hat mich schon gesehen!
Mit wenigen Schritten tauchten Eriol und Syaoran aus der Tanzfläche auf
und blieben direkt vor der kleinen Gruppe (immernoch mit großen Augen
starrender) Freunde stehen.
Durch Sakuras Kopf schwirrte nur ein Gedanke, wie ein Mantra: OK, jetzt
nur keine Panik, nur keine Panik...
Jetzt da die Beiden direkt vor ihnen Standen, konnten die Mädchen vor
allem den bislang noch unbekannten Hiiragizawa Eriol genauer
betrachten. Die Mädchen mussten allesamt zugeben, dass er alles
andere als schlecht aussah.
Seine blauschwarzes Haar, das glatt und ordentlich aussah, erschuf
einen starken Kontrast zu Syaorans braunen Zotteln, besonders wenn
beide nebeneinander standen. Wie Naoko, trug er eine Brille. Er war
schlicht gekleidet in dunkle Jeans und einem dunkelblauen T-Shirt, auf
dem in großen Buchstaben das Wort Clow gedruckt war.
"Guten Abend," sprach er mit einem freundlichen Lächeln, absolut
formvollendet, "Ich hoffe, wir haben eure Unterhaltung nicht gestört."
Rika erholte sich als erstes.
"Uh..nein, natürlich nicht."
Tomoyo lächelte.
Eriols Blick fiel auf Yamazaki, der etwas blass wirkte.
"Ah, du bist doch Yamazaki Takashi, nicht wahr?" sagte er dann
freundlich, "Ich glaube, wir haben einen Wirtschaftskurs zusammen."
Sichtlich nervös aufgrund der vielen Aufmerksamkeit, war alles was
Yamazaki antworten konnte ein klägliches: "Uh....ja.."
Eriol schien jedoch nichts aufzufallen.
Während Eriol daran arbeitete das sprichwörtliche Eis zu brechen, blieb
Syaorans Blick unbekümmert auf Sakura haften. Er wusste, dass sie
nervös war, hatte aber nicht die leiseste Ahnung wieso. Sie gab sich
unendliche Mühe überall hinzusehen, nur nicht zu ihm, und wäre Syaoran
nicht so fest entschlossen sie ohne Unterbrechung anzustarren, hätte er
mit den Augen gerollt.
Syaoran hörte mit halbem Ohr zu, wie Tomoyo begann, Eriol die
Anwesenden vorzustellen. Bla, bla. Eigentlich hatte er ja überhaupt nicht
vorgehabt, ins »Clamp« zu gehen. Es war immer laut und voll, und darauf
hatte Syaoran weiß Gott keine Lust.
Er starrte Sakura böse an.
Es war ihr Schuld gewesen! Nachdem sie Kamo nach unten begleitet
hatte, und Tomoyo ebenfalls gegangen war, hatte er noch eine Ewigkeit
darauf gewartet, dass Sakura wieder zurück kam und sie kam einfach
nicht! Sie hatte ihm nichts von eventuellen Plänen erzählt, dass sie Kamo
so weit begleiten würde, oder sonst irgendwohin wollte. Nach zehn
Minuten, und immernoch keine Sakura, hatte Syaoran genug und ging
nach unten um nachzusehen, ob das dumme Mädchen von einem Bus
überfahren auf der Straße lag.
Aber von Sakura war weit und breit nichts zu sehen.
Er hatte geflucht und wollte schon sein Handy nehmen und sie anrufen,
tat es aber doch nicht. Er fühlte sich sowieso schon wie eine
überbesorgte Stiefmutter, also bloß nicht übertreiben.
Außerdem war Sakura merkwürdig gewesen als das Essen vorbei war.
Zu merkwürdig. Syaoran versuchte die letzten Unterhaltungsfetzen noch
einmal nachzuspielen, um zu erkennen, was Sakuras Problem war, aber
ihm viel nichts auf. Warum war sie sauer? Was hatte er gemacht?
Wenn er das wissen wollte, dachte er sich, dann hilft letztendlich alles
nichts...er musste ins »Clamp«.
"Ahh! Du und Syaoran seid also Cousins!"sprach Chiharu und Syaoran
schrak aus seinen Gedanken hoch, als er seinen Namen hörte.
"Ihr versteht euch bestimmt gut, wenn ihr zusammen ins Ausland
gegangen seid." meinte Rika.
"Stimmt, wir verstehen uns gut." antwortete Eriol und zwinkerte dann,
"Aber ich bin als Babysitter mitgekommen."
Die Mädchen lachten und Syaoran schaute von Sakura weg um seinen
mittlerweile vernichtenden Blick auf seinen Cousin zu richten.
"Witzig." sagte er sauer und die Mädchen lachten noch mehr.
Eriol schaute wieder zu den Mädchen.
"Nun, wie wäre es, wenn ich eine von euch bezaubernden Damen zum
Tanzen auffordere?" fragte er galant und streckte seine Hand aus.
Naoko und Tomoyo lächelten nur leise und schüttelten den Kopf.
"Na gut, wenn keine will, dann tanze ich eben mit dir!" meinte Rika und
nahm seine Hand.
Eriol zwinkerte ihr zu und führte sie auf die Tanzfläche.
Yamazaki schaute zu Chiharu.
"Und, Geliebte? Lust das Tanzbein zu schwingen?"
"Ist er nicht romantisch?" fragte Chiharu ihre Freundinnen und ging dann
lachend mit.
Tomoyo grinste und schaute Syaoran mit hochgezogenen Augenbrauen
an. Ihr Blick sprach fast schon hörbar ,Und? Was machst du jetzt?'
Syaoran sah Sakura an, schüttelt den Kopf, griff wortlos nach ihrer Hand
und zog sie davon.
"Iip, Syaoran!"quietschte Sakura und stolperte auf die Tanzfläche.
Syaoran legte seine Arme um das Mädchen (für den Fall, dass sie
weglaufen wollte) und bewegte sich langsam hin und her, um wenigsten
so zu tun, als würde es ihm ums Tanzen gehen.
"Hey, was soll das?" stotterte Sakura und versuchte Syaoran
wegzudrücken. "Lass mich los!"
"Keh." schnaubte Syaoran. "Vergiss es."
*
Am Rande der Tanzfläche sah eine gut gelaunte Tomoyo dem streitenden
Pärchen zufrieden zu. Dann schaute sie Naoko an und Naoko schaute
zurück. Tomoyo grinste süffisant.
"Zeit, an die Arbeit zu gehen!" Dann öffnete sie ihre dunkelblaue
Handtasche und griff hinein. Naoko grinste, als sie sah, was Tomoyo in
der Hand hielt.
Es war eine Digi-Cam.
***
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