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Augenblicke

von

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Träume

Schon als Kind hatte Thorin einen leichten Schlaf gehabt. Das kleinste Geräusch im Umfeld seines Schlafzimmers weckte ihn und oft lag er dann stundenlang wach, ohne wirklich wieder einschlafen zu können.

In dieser Nacht weckten ihn leise Schritte und als er träge in Richtung der Tür blinzelte konnte er gerade noch einen Blick auf einen Schatten werfen, der nach draußen verschwand.

Schlagartig war er hellwach und alle seine Sinne in Alarmbereitschaft; sein Herz klopfte dröhnenden laut in seinen Ohren und es dauerte eine Weile, bis ihm klar wurde, dass erstens wohl kaum ein Ork unerkannt in dieses Gebäude und dann auch noch bis hoch in sein Schlafzimmer hätte gelangen können, und zweitens dieser dann wohl auch kaum unverrichteter Dinge wieder abgezogen wäre.

Langsam setzte er sich auf, zog sich ein Hemd über und trat nach draußen.

Dís saß mit geschlossenen Augen auf der Balkonbrüstung, den Rücken gegen eine Säule gelehnt, und regte sich nicht.

Er zögerte einen kurzen Moment, dann nahm er neben ihr Platz.

"Verrätst du mir, warum du nachts in mein Zimmer schleichst?", fragte er ruhig. Das kannte er höchstens von ihren beiden Söhnen, und zumindest Fili war dafür inzwischen wohl zu alt.

Ertappt öffnete Dís die Augen und lächelte ein wenig gequält. "Ich konnte nicht schlafen", sagte sie leise, "Entschuldige, ich wollte dich nicht wecken... ich hab' nur schlecht geträumt und wollte sichergehen, dass alles in Ordnung ist..."

Sie hatte die Knie an die Brust gezogen und die Arme darum geschlungen, ihre Augen waren rot gerändert. Im schwachsilbrigen Licht wirkte seine kleine Schwester auf einmal viel zu zerbrechlich, wie Thorin fast schmerzhaft bewusst wurde.

Kurz wanderte sein Blick weiter den Gang hinunter. "Die Jungen schlafen?", fragte er und Dís nickte leicht, bevor sie den Hinterkopf wieder gegen die Säule lehnte.

"Was hast du geträumt? ", fragte Thorin nach einer Pause leise.

Dís rieb sich das Kinn.

"Es war nach der Schlacht im Schattenbachtal", sagte sie leise und Thorin konnte spüren, wie es ihm unwillkürlich kalt über den Rücken lief, obwohl die Nacht vergleichsweise mild war.

Dís sah ihn an und fuhr fort: "Eigentlich war es mehr [style type="italic"]wie[/style] nach der Schlacht. Ich bin mir nicht sicher, wo es war. Es gab viele Verwundete und noch mehr Tote, sie bedeckten die Berghänge und die Felsen waren schwarz vom Blut der Orks. Es war ganz still, es waren keine Schreie zu hören, keine Kommandos, auch keine Krähen oder andere Vögel. Ich war ganz allein."

Sie fuhr sich mit der Zungenspitze über die Lippen.

"Ganz in meiner Nähe war ein Zelt. Ich ging darauf zu, aber meine Füße berührten den Boden nicht und auch keinen der Toten, die so eng beieinander lagen, dass ich auf den einen oder anderen hätte treten müssen. Erst da fiel mir auf, dass es nicht nur Orks und Zwerge waren, es waren auch Menschen dabei, und... Elben."

Thorin zog die Augenbrauen zusammen. Die Elben waren ein ungutes Stichwort, auch, wenn er nicht unbedingt an die Aussagekraft von Träumen zu glauben gewillt war. Dennoch unterbrach er sie nicht.

"Immer noch war alles totenstill", fuhr Dís fort, "Ich erreichte das Zelt, aber ich konnte es nicht betreten. Vom Eingang aus konnte ich sehen, dass darin drei Zwerge aufgebahrt lagen, tot."

Sie presste die Lippen zusammen.

"Zwei von ihnen waren recht jung, einer hatte blondes Haar, einer dunkles. Ich hab' sie nicht sofort erkannt, weil... sie waren älter und..."

Ihre Stimme brach und Thorins Herz zog sich schmerzhaft für einen Schlag zusammen, als er die Tränen auf ihren Wangen sah. Er rutschte ein Stück näher zu ihr und schlang sanft die Arme um sie. Dís lehnte die Wange an seinen Arm. Sie schluchzte nicht, doch er konnte spüren, wie ihre Schultern zuckten.

"Und der dritte?", fragte er schließlich langsam, obwohl er sich nicht sicher war, ob er ihre Antwort hören wollte.

Tatsächlich sagte sie nichts, doch ihr Körper spannte sich an und sie grub die Fingernägel in sein Hemd, was ihm eigentlich bereits Antwort genug war.

Sachte strich er ihr über den Rücken, wiegte sie sachte hin und her und sagte kein Wort.

Schließlich fuhr sie sich flüchtig mit dem Ärmel über die Wange und sah zu ihm auf.

"Das ist nicht alles", sagte sie müde, "In dem Zelt war auch ein Elb, der noch am Leben war. Ich konnte sein Gesicht nicht erkennen, aber er trug Trauerflor..."

Unweigerlich entwich Thorin ein verächtliches Schnauben.

"Schwester, da brauchst du dir wirklich keine Sorgen machen - ich werde mit absoluter Sicherheit niemals mit einem Elben als Verbündetem in die Schlacht ziehen oder auch nur einem einen Grund geben, um mich zu trauern."

Ihre Wangen schimmerten feucht, doch sie lächelte, wenn auch ein wenig erstickt.

"Ja, ich weiß", murmelte sie, "Es war ja auch nur ein Traum, aber..."

"Es war nur ein Traum", wiederholte er ruhig und drückte sie kurz an sich, "Denk nicht mehr daran. Ich habe auch nicht vor, in nächster Zeit gegen irgendjemanden in den Krieg zu ziehen - erst recht nicht mit Fili und Kili."

"Dann würde ich auch vermutlich nie wieder ein Wort mit dir reden", antwortete sie mit einem gequälten Lächeln.



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