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Hunters

Die Erinnerungen des alten Silver
von

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Kapitel Vier

~Kapitel Vier~

Der alte Silver atmete tief durch. Das war erst der Anfang seiner Geschichte, der leichte Teil. Er schaute durch die Reihen seiner Zuhörer und blickte in ein paar ihrer Gesichter. Er dachte daran, was noch alles kommen würde und sein Herz wurde ihm schwer. Sein Begleiter reichte ihm sein Wasser. Dankend nahm Silver es an und nahm einen großen Schluck. Ein Mann stand auf und ging einige Schritte auf ihn zu. »Geht es euch gut? Braucht ihr eine Pause?« Lächelnd winkte der Alte ab. »Nein danke, das ist sehr nett von Euch, aber es geht schon. Es ist nur...« Die Menge lauschte bedächtig. »Ich erzähle diese Geschichte nun seit so vielen Jahrzehnten. Die Abenteuer, die Tränen, das Blut und das Lachen. All das trage ich in meinem Herzen. Und immer an dieser Stelle fängt mein Herz an zu schmerzen. Für euch mag es eine Geschichte sein von Heldentum und siegreichen Schlachten. Aber für mich ist alles, was in meinem Buch steht, zusammengefasst, eine einzige Tragödie.« Silver lächelte seinen Begleiter an und schlug die nächste Seite in seinem großen Buch auf. »Die Reise ging weiter in Richtung Osten...«
 

Bevor Zoran den Wirt bezahlte, schaute er sich um, ob ihn auch niemand beobachtete. Dann zog er seinen eigenen Geldbeutel hervor, in den er zuvor die Hälfte des Erlöses, von Sharons Sachen, getan hatte. Dem Wirt verschlug es die Sprache, als Zoran ihm eine glänzende Goldmünze auf den Tresen legte. »Aber mein Herr, das... Das ist viel zu viel!« Zoran lächelte den überraschten Wirt an. »Gastfreundschaft und gute Bedienung sind mir das Wert.« »Aber, aber... Für das was Ihr verzehrt habt nehme ich normalerweise neun Kupfermünzen, das hier ist mehr als das Zehnfache!« Zoran beugte sich vor und flüsterte dem Wirt zu. »Könnt ihr mir versprechen, dass ihr es leugnet, mich und meine Begleiter hier gesehen zu haben, egal, wer danach fragt?« Der Wirt war immer noch wie gebannt von dem seltenen Anblick, der sich auf seinem Tresen bot. »Gewiss, mein Herr, gewiss. Mein Haus steht euch offen, wann immer ihr hier in der Gegend eine Bleibe sucht! Mögen euch die Götter segnen!« Zoran bedankte sich und ging aus der Taverne. Es war bereits nach Mittag, als sie beschlossen wieder aufzubrechen.

Vor der Tür wartete Blake bereits mit den Pferden. Sharon stand beleidigt schweigend neben ihm und blickte ins Leere. »Ist das zu fassen? Wenn ich schon vorher gewusst hätte, dass man sie so zum Schweigen bringt, hätte ich ihr schon viel früher die Wahrheit gesagt.« Zoran schaute ihn wütend an. »Was denn? Ist doch wahr!« Unsanft hob Zoran Sharon auf das Pferd, danach stieg er selber auf. »Richtung Osten?« »Ja, bloß weit weg vom Palast.« Zoran gab seinem Pferd ein tritt in die Seite und schon galoppierten sie aus dem Dorf heraus, hinein in eine ungewisse Zukunft.

Sie waren mehrere Tage unterwegs. Beim Anblick der schönen Landschaften, die ihr bis dahin immer verwehrt geblieben waren, vergaß sie des öfteren ihre derzeitige Situation. Die klaren, endlos langen Flüsse, die Weiten Wiesen. Sie zog ihre Schuhe aus und lief barfuß über das Gras, wie es die Kinder in ihren Büchern immer taten. Das erste mal in ihrem Leben spürte Sharon den Regen auf ihrer Haut. Sie mochte den Regen nicht, aber sie liebte den Geruch. Nach fünf Tagen konnten sie die Berge aus der ferne immer Näher kommen sehen. Sharon war beeindruckt. Nie zuvor hatte sie so etwas gewaltiges gesehen.

Als die Abenddämmerung eintrat, erreichten sie einen dichten Wald, ein perfektes Versteck. Auf einer Lichtung kamen sie zum stehen. »Hier werden wir unser Nachtlager aufschlagen.« Sharon sah Zoran schockiert an. Bislang waren sie immer an kleineren Dörfern vorbeigekommen und schliefen in Herbergen. Beim Anblick des dreckigen Bodens legte sie Protest ein. »Oh nein, ich werde auf GAR KEINEN FALL hier im Dreck schlafen!« Zoran und Blake verdrehten die Augen. »Dann schlaf halt im stehen!« Zoran schaute nach oben und suchte die Bäume ab. Blake starrte ihn verwundert an. »Was gedenkst du da oben zu finden?« »Einen Schlafplatz« erwiderte er trocken. »... Einen Schlafplatz?« »Ja.« »... Auf einem Baum?« »Nicht einfach auf einem Baum. Auf einem Ast. AHA!« Zoran nahm etwas Anlauf und sprang vor dem Baum, auf den er zugelaufen war, so hoch, dass er sich mit Leichtigkeit an einem dicken Ast festhalten konnte. Er zog sich an ihm herauf, kletterte noch etwas weiter hinauf und legte sich lang, auf einem noch viel dickerem Ast, hin. »Ist DAS denn bequem?« rief Blake ihm zu. »Das ist sogar sehr bequem!« gab Zoran lachend zurück. »Ich schlage vor, während ich von hier oben die Lage überprüfe, suchst du Feuerholz und Sharon legt einen Steinkreis für die Feuerstelle.« »Wer hat dich denn zu unserem Anführer erklärt?« Blake schien es gar nicht zu gefallen, dass Zoran ihm einfach befehle gab. »Ich, weil ich offensichtlich schon einiges mehr an Lebenserfahrung habe und ihr zwei Süßen noch grün hinter den Ohren seit.« Blake fluchte vor sich hin, ging aber trotzdem tiefer in den Wald hinein um Holz zu suchen. »Hey, Zoran, wie mache ich das denn mit dem Steinkreis?« rief Sharon. »Hier liegen überall dicke Steine herum, nimm davon welche und mach einen großen Kreis, sagen wir, etwa so groß wie ein kleines Kutschenrad.« Wie ihr geheißen, ebenfalls fluchend und schimpfend, suchte Sharon den Boden nach Steinen ab. Zoran blickte von seinem Beobachtungsposten aufmerksam durch den Wald. Er war sich nicht sicher, ob Blake es bereits gemerkt hatte. Zoran hatte die eine oder andere Begabung, die ein normaler Mensch nicht hatte. So waren seine merkwürdig violetten Augen eine seiner stärksten Waffen. Sie waren unglaublich präzise und erkannten jede noch so kleine Anomalie in Sekundenschnelle. So war ihm auch der seltsame schwarze Schatten um ihr Lager herum nicht entgangen.

Blake war bereits seit fast zwei Stunden weg. Das kam Zoran sehr komisch vor. Es war bereits dunkel und um sie herum wurde es immer kälter. Sharon hatte sich in den braunen Mantel gewickelt, den sie ihr vor einigen Tagen gekauft hatten. »Meinst du, ihm ist etwas passiert?« fragte sie zögerlich. Genau in diesem Moment war ein Schrei zu hören. »Blake!« riefen beide im Chor. Sofort rannten sie in die Richtung, aus der sie den Schrei vernommen hatten. Sie fanden Blake an eine großem Baum liegen, der versuchte, sich wieder aufzurappeln. »Was ist passiert?« fragte Zoran und blickte suchend umher. »Autsch... verdammt! Da lag ein Rucksack auf dem Boden und ich wollte ihn mir näher ansehen. Da kam plötzlich jemand aus dem Gebüsch hervorgeschossen, tritt mir in den Magen und schnappt sich den Rucksack!.« »Hast du gesehen wer es war?« Sharon wollte Blake aufhelfen, doch er schlug ihr die Hand weg. »Nein, nicht direkt, sie hatte eine schwarze Kapuze auf.« »Sie?« »Ja, ich hab ganz kurz ein Gesicht gesehen, es hatte weibliche Züge.« Plötzlich sprintete Zoran los. Er hatte in der Ferne einen blassen Lichtschimmer gesehen. Das musste das Lager des Kerls – oder des Mädchens – sein. Kurz bevor er ankam blieb er stehen. Er schielte durch die Äste auf den Platz vor sich. In der Mitte brannte ein großes Lagerfeuer. Daneben waren zwei Felldecken ausgebreitet und über dem Feuer briet, an einem Stock, ein offenbar selbst gefangener Fisch. Bei diesen Anblick lief Zoran das Wasser im Mund zusammen und sein knurrender Magen erinnerte ihn daran, dass er zuletzt in den frühen Morgenstunden etwas zu sich genommen hatte. Vorsichtig blickte Zoran umher. Niemand schien auf der Lichtung zu sein. Schnell schlich er auf den Fisch zu. Plötzlich spürte er einen gewaltigen Ruck an seinem rechten Bein und wurde von den Füßen gerissen.Erst schlug er mit dem Rücken, dann mit dem Kopf auf den Waldboden auf. Schließlich schwang er kopfüber hin und her. Während er herum zappelte wie ein Fisch an der Angel, erblickte er an einem Baum angelehnt einen schwarzen Rucksack. So praktisch seine guten Augen auch waren, einen ganz entscheidenden Nachteil hatten sie... Solche Dinge wie Fallen, die näher dran waren als fünf Meter, übersah er einfach.

Aus der Ferne hörte er Schritte näher kommen. Dann kamen auch schon Blake und Sharon durch das Gebüsch auf ihn zu gerannt. Sharon war schockiert von seinem Anblick, Blake fand das ganze wohl ziemlich lustig. »Was um alles in der Welt machst du denn da oben?« fragte Sharon ganz Aufgeregt. »Na ja... ich hänge hier nur so herum.« »Und das zurecht, du Dieb!« Blake und Sharon wirbelten herum. Als Zoran sich von rechts wieder nach links drehte packte ihn jemand am Hemd und hielt ihn fest. Er schaute direkt in das Gesicht eines Mädchens. Sie trug zwar eine Kapuze, doch durch den Schein des Feuers war sie relativ deutlich zu erkennen. Sie hatte sehr blasse, feine Haut und kohlrabenschwarzes Haar, dass ihr in die Stirn und an beiden Seiten ins Gesicht viel. Ihre leuchtend grünen Augen schauten Zoran durchdringend an. So wie er von seiner Position aus beurteilen konnte, war sie sehr hübsch. »Was willst du hier?« sprach sie in sehr ruhigem, aber bestimmten Tonfall. »Ich glaube, du hast meinen Begleiter da drüben überfallen.« antwortete Zoran in einem ebenso ruhigen Ton. Sie grinste. »Er hat unrechtmäßig fremde Sachen - meine Sachen - durchsucht. Ich habe nur mein Eigentum beschützt.« »Diebesgut?« Sie lächelte ihn verschmitzt an. »Wer

weiß?« Zoran lächelte zurück. »Du siehst nicht aus, wie eine typische Diebin.« »Und ihr zwei Vögel seht nicht aus wie typische Prinzessinnen-Kidnapper.« Zoran konnte hören, wie Blake sein Schwert zog. »Was meinst du damit?« Zoran blieb ganz ruhig, bereit zum Angriff. Soweit seine derzeitige Lage einen Angriff zuließ. »Ich weiß nur, dass alle Welt darüber Bescheid weiß, dass Sorth's Tochter aus dem Palast entführt wurde.« »Und wie kommst du darauf, dass wir das sind?» fragte Zoran ruhig. »Gibt es Steckbriefe?« Das Mädchen fing an zu kichern und zog Zoran Näher an sich heran. »Also erstens, selbst wenn ich nur auf gut Glück ins blaue geraten hätte, spätestens mit der Steckbrief-Frage hättest du euch verraten.« Dämlicher Zoran! Dämlich! Dämlich! Dämlich! »Und zweitens gibt es gar keine Steckbriefe von euch. Im Gegensatz zu aller Welt habe ich die Prinzessin schon ein paar mal auf dem ein oder anderen Fest mit eigenen Augen gesehen.« Zoran sah aus den Augenwinkeln Sharons verdutzten Blick. Das Mädchen hat es wohl auch bemerkt und nahm ihre Kapuze runter. Jetzt sah sie gar nicht mehr so mädchenhaft aus. Ihre Gesichtszüge wirkten Erwachsener. Eine junge Frau, vielleicht Anfang zwanzig? Sharon schüttelte den Kopf. »Nein, tut mir leid, aber an dich kann ich mich beim besten Willen nicht erinnern.« Sie grinste und setzte die Kapuze wieder auf. »Ist ja auch kein Wunder, das ganze ist schon mehr als neun Jahre her. Und außerdem, das einzige Gesicht, für das Prinzessin sich interessiert, ist ihr eigenes im Spiegel.« Zoran, dem das Blut im Kopf langsam zu pochen begann, sprach das Mädchen noch einmal an. »Was hast du nun vor? Wirst du mich hier hängen lassen bis die Soldaten kommen? Ich warne dich, mein Begleiter ist äußerst geschickt mit dem Schwert.« Sie schaute ihm wieder tief in die Augen. »Versprichst du mir, dass du nie wieder einen Fisch über einem einsamem Lagerfeuer weg klauen wirst?« Zoran nickte langsam. »Gut.« Sie grinste. »Dann kann dein Kumpel da hinten dich ja jetzt vom Baum holen.« Sie ließ Zoran los und begab sich zu ihrem Rucksack. Die drei starrten sie ungläubig an. »Keine Sorge, ich habe nicht vor, euch zu verraten. Mich interessiert nur, dass niemand an meine Sachen geht. Das versteht ihr doch sicher?« Alle nickten schweigend. »Ähm, hör mal Kleiner, du solltest deinen Freund jetzt besser da runter holen. So rot wie sein Kopf gerade ist befürchte ich, er wird gleich platzen.« Zoran brummte allmählich der Schädel. »Blake?« »Ja?« »Sie hat Recht, bitte hol mich hier runter.« Blake ging auf den baumelnden Zoran zu, hob sein Schwert und schnitt das Seil durch, an dem er hing. Zoran krachte, mit dem Kopf zuerst, auf den Boden auf. Er blieb noch einige Sekunden auf dem Boden liegen, bis ihm nicht mehr schwindelig war. Dann rappelte er sich auf und Klopfte den Dreck von seiner Kleidung. Er ärgerte sich. Die weite Hose, das grüne Muskelshirt und die braune Lederjacke waren noch fast neu. Er wandte sich dem Mädchen zu, welches seelenruhig in ihrem Rucksack kramte. »Wie heißt du?« Lächelnd stand sie auf und drehte sich um. »Sag mir zuerst deinen Namen.« Er schaute zu Blake. Dieser zuckte nur mit den Schultern. Sie wandte sich ebenfalls Blake zu. »Dein Name ist Blake, das habe ich eben schon mitbekommen. Und wie die Prinzessin heißt, brauch ich gar nicht erst zu fragen. Also?« Sie schaute wieder Zoran an. Aus irgendeinem Grund musste er lächeln. »Mein Name ist Zoran. Warum interessiert dich das überhaupt?« Sie holte etwas Brot und Käse aus ihrer Tasche. »Ich würde einfach gerne wissen, mit wem ich mein Essen teile.« Sie warf Zoran etwas Brot zu. »Mein Name ist Fay.«
 

Die vier hatten es sich auf Fay's Wolldecken gemütlich gemacht. Sharon und Zoran aßen genüsslich das Brot und den Käse, während Fay sich über ihren Fisch hermachte. Nur Blake rührte nichts an. Er traute diesem Mädchen nicht über den Weg. »Sag mal Fay« sagte Zoran schmatzend »warum bist du hier so ganz alleine im Wald? Ich meine, so'n hübsches Mädchen wie du? Hast du gar keine Angst?« Sharon schaute ihn beleidigt an. Um sie hatte er sich noch nie Gedanken gemacht. Fay trank einen Schluck und antwortete. »Ich lebe seit neun Jahren dieses Leben. Die Dunkelheit und die Einsamkeit machen mir schon lange keine Angst mehr.« Sharon musterte abfällig ihre Erscheinung. Sie trug eine sehr enge schwarze Lederhose und ein weites grünes Shirt mit kurzen Armen. Darüber trug sie zwei gekreuzte Ledergürtel mit allerlei praktischen Sachen daran befestigt. Ihr langes Haar hatte sie hochgesteckt. Blake schaute sie genauso argwöhnisch an. Und DIE soll mal im Palast gewesen sein? »Viel interessanter ist doch die Frage, warum ihr zwei ausgerechnet die Prinzessin entführt habt.« Blake war angespannt. Was geht dich das denn an? Fay wandte sich ihm zu. »Willst du gar nichts essen?« Die Blicke, die er ihr zuwarf ließen keinen Zweifel daran, dass er ihr nicht im geringsten über den Weg traute. Sie schüttelte den Kopf. »Keine Sorge, das ist nicht vergiftet. Zoran und Sharon leben ja auch noch.« Blake schnaubte abfällig. »Deine Entscheidung, ich kann dich nicht zum Essen zwingen. Allerdings muss ich sagen, so wie du aussiehst, würde ich dir ernsthaft dazu raten, du halbes Hemd.« Zoran lachte laut auf, was Blake gar nicht lustig fand. Er war bei weitem nicht die muskulöseste Erscheinung, das wusste er. Er wollte es auch so. Für seine Zwecke wäre ein zu durch trainierter Körper nur hinderlich gewesen.

Zoran wandte sich wieder an Fay. »Kurz zusammengefasst? Blake und ich sind aus dem Palastkerker geflohen. Dann haben wir uns in Palast verlaufen und Sharon als unfreiwilligen Wegweiser genutzt. Als wir dann kurz vorm Ausgang waren, haben uns die Soldaten bedroht. Damit wurde unser Wegweiser zum Schutzschild. Wir also raus, Pferde geklaut und ab dafür.« Blake sah, dass Fay einen mitleidigen Blick zu Sharon warf. Die rümpfte aber nur die Nase und rutschte von Zoran und Fay weg und saß nun fast neben ihm. »Und was ist mit dir, Fay? Warum bist du denn nun hier?« Fay trank einen Schluck aus ihrer Flasche. »Ich bin genauso auf der Flucht wie ihr.« Zoran beugte sich vor. »Vor wem? Hast du was angestellt?« Fay grinste und legte die Hand auf ihren Rucksack. »Ich bin ein Hunter.« Zoran lehnte sich, selbstsicher grinsend, wieder zurück. Und auch Blake überraschte diese Information nicht allzu sehr. Nur Sharon wusste nichts damit anzufangen. »Ein was?« Fay lehnte sich zu Zoran rüber und flüsterte ihm ins Ohr. »Musstet ihr ihr auch beibringen, wie man sich die Schuhe zu bindet?« Zoran grinste. Blake sah zu Sharon hinüber, die zwar nicht genau gehört hatte, was Fay da gesagt hatte, aber trotzdem vor Wut kochte. »Ein Hunter« begann Zoran »ist so eine Art Schatzjäger.« »Schatzjäger?« »Schatzjäger ist nicht unbedingt die richtige Bezeichnung. Weißt du, ein Schätzjäger bricht in Tempel ein und klaut alles an Gold und wertvollen Sachen, was er greifen kann. Ohne sich Gedanken zu machen. Ein Hunter geht viel gezielter vor.« Sharon hakte nach. »Gezielter? Du meinst, sie klauen nicht irgendwas, sondern nur bestimmte Objekte?« Fay nickte ihr zu. »Genau das. Und für gewöhnlich sind es keine gewöhnlichen Objekte.« Sharon hatte wohl noch nicht so ganz verstanden, was für Objekte Fay meinte. Mit großen Augen schaute sie Blake an, wohl in der Hoffnung, eine Antwort zu erhalten. Blake schaute sie mit einem hämischen Lächeln an. »Magische Relikte. Gut versteckt in den tiefsten Abgründen der ältesten und heiligsten Orte dieser Welt.« »Und davon gibt es in dieser Welt eine ganze Menge.« sprach Zoran weiter. Fay unterbrach ihn. »Aber Relikt ist nicht gleich Relikt. Es gibt Relikte, die eine ganz bestimmte Fähigkeit haben. Das sind meistens Waffen, aus magischen Elementen geschmiedet.« Blake zog den kleinen Dolch aus dem Stiefel, mit dem er das Runen-Schloss im Verließ zerstoßen hatte. »Und es gibt die heiligen Reliquien.« Sharon rutschte aufgeregt auf ihren Knien herum. Von alledem hatte sie nie zuvor etwas gehört. »Und haben die auch Fähigkeiten?« fragte sie wissbegierig. Zoran sprach weiter. »Laut den Legenden sind es keine Waffen sondern Schmuckstücke, mit denen man mächtige Geister Beschwören kann.« »Mächtige Geister? Was für Geister?« Zoran zuckte mit den Schultern. »Das weiß keiner so genau. Es sind alles nur Legenden.« »Verstehe. Und die Hunters suchen nach diesen speziellen Dingen?« Fay schüttelte den Kopf. »Die meisten Leute, die sich als Hunter bezeichnen, sind gewöhnliche Diebe und Grabräuber. Richtige Hunters gibt es kaum noch.« Sharon belächelte Fay. »Aber DU bist natürlich noch ein echter Hunter.« »Ja« entgegnete Fay kühl. Nun wandte sich Blake direkt an Fay. »Hattest du denn schon Erfolg?« Herausfordernd schaute er sie an. Ein ehemals gern gesehener Palastgast? Eine Überlebenskünstlerin? Und dazu noch ein waschechter Hunter?Du kannst vielleicht Zoran um den Finger wickeln, aber mich hältst du nicht zum Narren.

Selbstbewusst stand Fay auf und ging zu dem Baum, an dem ihr Rucksack zuvor lag. Einen halben Meter neben ihm blieb sie stehen. Dann bückte sie sich und hob einen dicken, abgebrochenen Ast auf. Sie ging einige Schritte weiter und blieb neben dem Baum stehen. »Sie gut zu, Junge.« Blake ballte die Fäuste. Er hasste es, wenn jemand ihn von oben herab behandelte. Er sah zu, wie Fay ihren Arm hob und den Ast ausgestreckt von sich über dem Boden hielt. Sharon tippte genervt mit den Fingern. »Und? Was soll das jetzt?« Fay grinste und ließ den Ast los. Blake glaubte seinen Augen nicht zu trauen, als der Ast mitten in der Luft mit einem glatten Schnitt in zwei Hälften getrennt wurde. Sharon ließ einen kurzen, erstickten Schrei los. Zoran ergriff verwirrt das Wort. »Was war das? Ein unsichtbares Schwert oder so?« Fay hob die beiden Holzstücke auf und warf sie Blake zu. Er tastete mit seinen Fingern die Schnittstelle ab. Glatt. »Habt ihr mal was vom Volk der Aranea gehört?« Zoran nickte. »Ja, die Spinnenanbeter.« Blake schaute skeptisch dabei zu, wie Fay, während sie sprach, zwischen Bäumen herging und augenscheinlich die Luft abtastete. »Genau. Die Aranea glaubten angeblich an eine riesige Spinne, die einst einen gigantischen Kokon spann, aus dem unsere Welt schlüpfte.« Blake spürte, wie Sharon neben ihm sich angeekelt schüttelte. »Igitt, das ist ja ekelhaft. Wer glaubt denn so einen Quatsch?« »Zumindest die Aranea. Vor über fünftausend Jahren erbauten sie einen Tempel, ganz im Süden, und beteten ihre heilige Göttin, die große Spinne, an. Und im Zentrum des Tempels hüteten sie ihr heiligstes Relikt.« Die Hände vor der Brust erhoben kam Fay langsam auf Zoran zu. Sie streckte ihre Arme dichter an das Feuer. Blake und Sharon starrten konzentriert auf ihre Hände und Arme konnten aber nichts spannendes entdecken. Zoran jedoch konnte im Schein des Feuers sehen, dass Fay auf ihre Hände eine silbrig glänzende Schnur, um einiges feiner als ein Haar, aufgewickelt hatte. »Das ist ja unglaublich.« flüsterte er ihr zu. Blake war wütend, denn er konnte es nicht auf Anhieb sehen. Erst bei noch näherem hinsehen entdeckte er sie auch. Fay begann zu erklären. »Die Aranea glaubten, dass diese Kristallschnüre die letzten Überreste des Weltkokons sind. Sie sind praktisch unzerstörbar und so scharf wie kaum eine Klinge.« Vorsichtig packte Fay die Schnur in ein Täschchen an einem der Gürtel und band es gut zu. Als sie damit fertig war nahm Zoran ihre Hände. »Scheint nicht ganz einfach gewesen zu sein, den Umgang damit zu erlernen.« Blake beugte sich vor und sah an ihren Finger unzählige, feine Schnittnarben. Fay lachte auf. »Stimmt, das war echt ein Kampf. Aber jetzt hab ich den dreh raus.«
 

Es war Mitten in der Nacht. Die Pferde hatten sie angebunden. Sharon schlief unruhig auf einer von Fay's Felldecken und Blake lehnte dösend an einem großen Baum. Einige Meter über ihm lag Zoran auf einem Ast und schaute verträumt in die Sterne. Für einen kurzen, friedlichen Moment versuchte er nicht sich darüber den Kopf zu zerbrechen, wie es nun weitergehen sollte. Er dachte nicht an die ewig schmollende Sharon und auch nicht an Blake. Er wünschte, er würde nicht vor der Frage stehen, was er als nächstes tun sollte.

»Was denkst du, was wirst du jetzt als nächstes tun?« Zoran war nicht entgangen, dass Fay sich schon vor einer ganzen Weile zu ihm auf den Ast gesellt hatte. Er seufzte auf, blieb aber liegen und schaute weiter gen Himmel. »Um ehrlich zu sein, ich habe keine Ahnung.« Fay sprach weiter. »Weißt du schon, was mit Sharon geschehen soll?« Er schüttelte den Kopf. »Der Plan lautete Anfangs einfach nur möglichst weit weg. Aber wir können nicht ewig Ziellos dem Horizont entgegen reiten.«

Nach einer kurzen Schweigepause, hörte er, wie sie ihm ein Stück näher kam. Als Zoran sich aufrichtete saß sie schon fast vor ihm. »Ich hätte da eventuell einen Vorschlag für dich.« Zoran hörte nun gespannt zu. »Ich bin auf dem Weg in die Berge. Vor ein paar Monaten habe ich von einem alten Bauern erfahren, dass er dort vor über fünfzig Jahren einen uralten Schrein entdeckt hat. Er kam aus irgendwelchen Gründen nicht mehr dazu ihn zu suchen, ich hab's vergessen, irgendwas mit Krieg und Flucht. Er konnte mir aber noch genau sagen, wie er ihn gefunden hat.« Zoran überlegte, warum Fay ihm das erzählte, doch dann ging ihm ein Licht auf. »Du meinst den Götterberg, richtig?« Sie nickte. »Zu Fuß wäre ich vor Wintereinbruch nicht da, aber wenn ihr mich auf euren Pferden mitnehmt, könnte ich es so gerade bis dorthin schaffen, bevor die Berge nicht mehr passierbar sind. Verstehst du, was ich meine?« »Ja natürlich, wenn der Winter seinen Höhepunkt erreicht hat, sind die Bergpässe für mehrere Wochen unbezwingbar.« »Ganz genau, dann könnt ihr, sobald ihr mich abgesetzt habt, weiter zur östlichen Hafenstadt. Da sorgt ihr dafür, dass Sharon irgendwo gefunden wird und setzt euch getrennt auf irgendeiner der zahlreichen östlichen Inseln ab.« Zoran war ganz euphorisch. »Und bis die Leute vom Palast wieder die Berge passieren können, sind wir längst, für die Soldaten, für alle Zeit verschwunden. Fay, du bist genial.« Seine Euphorie schwand, als er ein Problem in dem Plan erkannte. »Fay, wenn wir dich dort ausgesetzt haben, werden wir beide Pferde mitnehmen. Du wärst fast den ganzen Winter in den Bergen gefangen, Mutterseelenallein.« Aufmunternd zwinkerte sie ihm zu. »Keine Sorge, der Schnee steckt mir im Blut.« Dann kletterte sie den Baum hinunter. Der Gedanke, einfach ein Mädchen im Eis auszusetzen behagte ihm gar nicht. Besorgt sah er sie an. Fay schaute noch einmal zu ihm hoch, lächelte ihn an und legte sich schlafen. Mut hat sie ja.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Wie ihr vielleicht gemerkt habt, heißt eine meiner Figuren Fay, also wie ich mich hier nenne.
Der Spitzname kommt zwar daher und Fay ist auch die Figur, die ich mir ausgedacht habe, aber der Spitzname hat sich erst etwa ein Jahr nach der Entstehung der Figur verselbstständigt.
Ich habe mich NICHT selber eingebaut ;)
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