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Where Butterflies never die

Die Geschichte einer Assassine
von

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Rettung

Prolog: Rettung
 

Unbarmherzig brannte die heiße Sonne auf Syrien herab. Die Hitze drängte die Leute in ihre Häuser, in denen sie sich erhofften etwas Abkühlung zu finden. Hoch am Himmel flog ein Adler empor und stieß einen wohlklingenden Schrei aus. Er verringerte seine Flughöhe und fand schließlich einen hohen Baum, auf dem er sich niederließ. Die scharfen Augen schweiften über die Umgebung. Etwas schreckte den edlen Vogel auf. Er breitete seine großen Schwingen aus und flog wieder davon.

Unter den Zweigen des Baumes, auf dem der Adler gerade gesessen hatte, liefen drei Pferde mit ihren Reitern hindurch. Die in weiß gekleideten Männer mit den roten Schärpen und den Kapuzen, die ihre Köpfe und Gesichter verdeckten, trotzten der großen Hitze. Der Weg zurück in ihr Heimatdorf war nicht mehr weit.

„Wir hätten an der letzten Oase halt machen sollen, so wie ich gesagt habe. Die Pferde haben Durst und auch meine Kehle ist staubtrocken“ sagte plötzlich einer der Männer gereizt.

„Beschwere dich nicht, Bruder. Ihr wart beide dafür, dass wir noch weiter reiten“ widersprach der Führer der kleinen Gruppe.

Er lief mit seinem weißen Pferd vorneweg. Die anderen beiden folgten ihm in einer kleinen Keilformation.

„Wie weit ist es denn noch?“ wollte nun der dritte im Bunde wissen.

Der Anführer hielt sein Pferd an und drehte sich zu seinen Leuten um. Dann sah er wieder nach vorne und schnaubte leise.

„Wir reiten vorneweg noch zwei Tage bis nach Masyaf. Bis zur nächsten Oase dürfte es aber nicht mehr weit sein, wenn ich mich nicht irre“ sagte der Assassine.

Unruhig begann sein Pferd mit den Hufen zu scharren. Es senkte den Kopf auf und ab und schnaubte. Auch es hatte fürchterlichen Durst. Allerdings spürte es auch, dass die wünschenswerte Wasserquelle nicht mehr weit entfernt war.

„Sharif, sieh. Da vorne.“

Der Mann zu Sharifs rechten deutete in das Tal, das sich vor ihnen ausbreitete. Am Fuße eines hohen Felsvorsprungs, kurz vor einem weiteren Pfad war eine Oase zu sehen.

„Und ich dachte, wir reiten jetzt noch ein paar Stunden durch“ meinte nun Samir.

Er hatte sich als Erstes über das Problem beschwert. Ilai, der dritte im Bunde, lachte nur leicht.

„Worauf warten wir noch?“ wollte Sharif wissen und ließ sein Pferd angaloppieren.

Die anderen beiden folgten ihm im selben Tempo und kurz darauf erreichten sie die Oase. Die Palmen spendeten wohltuenden Schatten und das Wasser tat Mensch und Tier gut. Sie machten eine ganze Weile Rast, banden die Pferde an die Bäume und sattelten sie ab, damit der Schweiß unter der Decke trocknen konnte. Während sie im Schatten saßen, unterhielten sie sich über ihren letzten Auftrag, den sie in Aleppo erledigt und gut abgeschlossen hatten.

Sharif erhob sich und ging zu seinem Pferd. Er streichelte den Hengst an Hals und Schulter und redete leise mit ihm. Kadir erwies ihm schon seit ein paar Jahren gute Dienste. Er machte seinem Namen alle Ehre. Der, der alles schafft. Oh ja. Das traf auf dieses Tier wirklich zu. Sharif nahm den Sattel vom Boden und legte ihn Kadir auf. Plötzlich stutzte er. Er ging um sein Pferd herum und blieb vor ihm stehen.

„Samir, Ilai. Kommt her. Schnell“ sagte Sharif zu den beiden.

Sofort sprangen die beiden anderen Assassinen auf und gingen zu Sharif. Jetzt sahen sie auch das, was seinen Blick so gefesselt hatte. Ein paar Meter von ihnen entfernt stand ein kleines Mädchen mit hellen braunen Haaren. Sie zitterte am ganzen Körper und schien sich kaum noch auf den Beinen halten zu können. Sharif zögerte keine Sekunde länger und lief auf sie zu. Vor ihr ging er in die Hocke. Verstört sah das Mädchen ihn an.

„Hilfe…“ hauchte sie tonlos.

Dann sackte sie zusammen und direkt in Sharifs Arme.

„Sie ist verletzt“ sagte Ilai plötzlich, der auch hinzugekommen war, und den blutverschmierten Rücken des Kindes als erstes erblickte.

„Ich brauche Wasser und Verbandszeug“ sagte Sharif, nahm das Mädchen auf die Arme und brachte sie zur Wasserstelle.

Die anderen beiden folgten ihm. Ilai kramte aus seiner Satteltasche ein paar Mullbinden und brachte sie zu Sharif. Sie versorgten das Mädchen, gaben ihr Wasser und reinigten die Wunde. Die Schnittwunde – sie schien von einem Schwert zu stammen – war lang, aber glücklicherweise nicht sehr tief. Sharif kniete am Boden und hielt das Mädchen im Arm, um ihr das Gefühl von Halt zu geben. Die Assassinen wussten nicht, was mit ihr passiert war, aber es musste etwas Schlimmes gewesen sein, denn das Kind schien völlig unter Schock zu stehen. Es dauerte eine ganze Weile, bis das Mädchen die erste Antwort gab.

„Wie heißt du denn?“ wollte Ilai mit einem sanften Lächeln wissen.

„Arsur“ gab das Kind nur zurück und sah ihn an.

Ilai war etwas erstaunt, als er ihr so in die Augen sah. Sie leuchteten kristallblau. Eine wunderschöne und sehr seltene Farbe.

„Arsur ist eine Stadt. Wie ist dein Name?“ fragte nun Sharif nach.

„Ich… ich weiß es nicht“ antwortete das Mädchen wahrheitsgemäß.

Verwirrt sahen sich die drei Assassinen an.

„An was erinnerst du dich denn?“ wollte Sharif weiter wissen.

„Blut… Schreie… Arsur…“ stammelte das Kind.

„Arsur wird doch zurzeit von den Kreuzfahren belagert, oder?“ fragte Ilai nach.

„Ja, aber mit dieser Verletzung ist sie niemals von Arsur hier her gekommen. Das sind ein paar Tage zu Pferd von hier“ erwiderte Samir.

Das Mädchen hatte sich fest an den Saum von Sharifs Robe gekrallt und begann wieder zu zittern. Es wollte einfach nicht aufhören.

„Nehmen wir sie mit?“ fragte Ilai.

Sharif zögerte einen Moment, doch er konnte dieses Häufchen Elend in seinen Armen nicht einfach kaltherzig seinem Schicksal überlassen. Er nickte.

„Ja. Sattelt die Pferde. Wir müssen schnellstmöglich nach Masyaf zurück“ wies er an.

Die anderen beiden nickten und machten die Tiere fertig. Sharif setzte sich auf sein Pferd und Ilai gab ihm das Mädchen hoch, welches vor Sharif auf den Sattel bugsiert wurde. Ilai setzte sich auch auf sein Pferd. Dann galoppierten sie los in Richtung Heimat.
 

Am Morgen des zweiten Tages erreichten sie schließlich Masyaf. Das Mädchen, das Sharif nach wie vor auf Kadir mit sich trug, war außer Lebensgefahr, aber immer noch schien sie verstört und nicht ganz bei sich zu sein. Sharif bremste vor der Palisade sein Pferd und sagte den beiden Wachen, die dort standen, dass sie dringend einen Arzt holen sollten. Die zwei Wachen verstanden sofort, warum, als sie das Kind sahen und einer von ihnen lief ins Dorf, um eben jene Person zu holen. Sharif stieg vom Pferd und nahm das Mädchen langsam von Kadirs Rücken.

„Ich bringe dein Pferd in den Stall, Bruder. Kümmere dich um sie“ sagte Samir und nahm Sharif die Zügel ab.

Er nickte nur und ging mit dem Mädchen auf dem Arm auf den Arzt zu, der ihm entgegengelaufen kam. Sie brachten das Kind in das Behandlungszimmer des Arztes. Sharif musste draußen warten, während der Arzt das Mädchen untersuchte. Ilai kam auf den Assassinen zu.

„Vergiss nicht, dass wir nachher noch zu Al-Mualim müssen, um Bericht aus Aleppo zu erstatten“ erinnerte Ilai ihn.

Sharif sah zu ihm.

„Ja, ich weiß Bescheid. Geht schon mal vor und erzählt dem Großmeister, wie es gelaufen ist. Ich werde später meinen Bericht noch abliefern“ versicherte er ihm.

Ilai verstand, dass er besorgt um das Mädchen war, das sie mitgebracht hatten. Deshalb drängte er Sharif nicht.

„Friede sei mit Euch, Sharif“ sagte Ilai achtungsvoll.

„Mit Euch auch, Bruder“ lächelte Sharif zurück.

Ilai ging und ließ den anderen Assassinen zurück. Dann kam der Arzt wieder aus seinem Behandlungszimmer.

„Meister Sharif. Das Mädchen ist nicht in Lebensgefahr. Die Wunde wurde genäht und wird unproblematisch verheilen. Sie schläft jetzt. In ein paar Stunden könnt ihr nach ihr sehen, wenn ihr wollt“ versicherte der Arzt zuversichtlich.

„Vielen Dank, für Eure Hilfe. Ich werde Euch später wieder besuchen“ erwiderte Sharif.

Damit ging der Assassine. Bevor er jetzt zu Al-Mualim in die Festung ging, wollte er erst noch zu seiner Frau. Sie war jedes Mal fast krank vor Sorge, wenn er zu einem Auftrag ging. Immer in dem Wissen, dass ihr geliebter Ehemann vielleicht nicht mehr zurückkam. Und dieses Mal war Sharif wirklich lange weg gewesen. Er hatte Ayasha unheimlich vermisst. Sharif lief den Berg in Richtung Festung hoch. Vor dem Marktplatz blieb er vor einem kleinen Haus stehen und klopfte an die Holztür. Kurze Zeit später wurde sie geöffnet und er blickte in dunkelbraune Augen, die ihn erst mit Verwunderung, dann mit Begeisterung und Freudentränen empfingen. Ayasha umarmte ihren Mann stürmisch und küsste ihn leidenschaftlich.

„Du bist zurück. Dem Himmel sei Dank“ sagte sie glücklich.

Sharif nahm seine Frau in die Arme und drückte sie an sich.

„Geht es dir gut?“ wollte sie wissen.

Sie lösten die Umarmung ein wenig und sahen sich in die Augen. Sharif streichelte ihr über die gebräunte Wange. Sanft strich er ihr eine schwarze Haarsträhne hinters Ohr und lächelte.

„Ja, es ist alles Ordnung. Mir ist nichts passiert. Ich muss noch zur Festung und Al-Mualim aus Aleppo berichten“ erklärte er ihr.

„Danach haben wir endlich nach fast zwei Monaten wieder Zeit für uns“ lächelte Ayasha.

„Noch nicht ganz. Wir haben auf dem Rückweg ein verletztes Mädchen gefunden. Sie kann sich an nichts erinnern und es noch nicht klar, was jetzt mit ihr wird“ erwiderte Sharif.

Ayasha seufzte.

„Gut in Ordnung. Geh erst deinen Pflichten nach, mein Held in weißer Robe“ sagte sie schließlich.

Sharif nickte leicht. Es fiel ihm schwer, seine Frau wieder alleine zu lassen, aber er hatte seine Verpflichtungen. So machte er sich auf den Weg zur Festung. Er lief die steinernen Stufen hoch durch den Torbogen hindurch und begegnete auf dem Übungsplatz Umar.

„Friede sei mit Euch, Bruder. Ihr wart ja dieses Mal sehr lange weg“ begrüßte Umar den anderen Assassinen.

„Friede sei auch mit Euch. Es war ein schwieriger Auftrag, aber wir haben ihn erfolgreich beendet“ erwiderte Sharif.

Er sah an ihm vorbei zum Übungsplatz.

„Na, triezt Ihr Eure Schüler wieder?“

Umar lachte.

„Natürlich. Einer muss es ihnen ja beibringen!“

Sharif lächelte ebenfalls.

„Wie geht es Eurem Sohn?“ fragte er nach.

„Altair? Ihm geht es prächtig. Wenn es so bleibt, kann er bald als Novize in die Bruderschaft aufgenommen werden“ erzählte Umar stolz.

Sharif seufzte kaum hörbar.

„Das freut mich für Euch. Ich entschuldige mich, aber ich muss weiter. Al-Mualim wartet noch auf meinen Bericht.“

Umar nickte verstehend und Sharif ging. Er betrat das hohe Gebäude, lief durch die Bibliothek auf die große Treppe zu, bis zu Al-Mualim. Der Großmeister der Assassinen stand vor dem Fenster und schaute hinaus. Samir und Ilai waren auch anwesend. Als Al-Mualim die Schritte vernahm, drehte er sich um.

„Tretet ein, Sharif“ sagte er.

„Friede sei mit Euch, Meister. Entschuldigt die Verspätung“ erwiderte Sharif und verneigte sich leicht.

„Eure Truppe hat mir von der Sache in Aleppo berichtet. Das habt Ihr gut hinbekommen. Aber, eine Sache steht noch aus. Was ist mit diesem Mädchen, das ihr auf dem Weg hier her gefunden habt?“ wollte Al-Mualim wissen.

„Sie war verwundet. Wir haben sie versorgt und mit hier her genommen. Ich habe sie zu einem unserer Ärzte gebracht. Er sagte, dass es überstehen würde. Allerdings, kann sie sich an nichts erinnern. Das Einzige, was sie uns sagen konnte, war, dass sie Arsur gewesen ist. Ihr muss etwas Schreckliches widerfahren sein. Vielleicht beeinflusst das ihr Gedächtnis“ erklärte Sharif.

Al-Mualim trat vor sein Pult und wandte sich an Samir und Ilai.

„Ihr dürft gehen. Ich möchte mit Sharif gerne allein sprechen“ sagte er.

Die beiden verabschiedeten sich ordnungsgemäß und gingen.

„Sharif, es ist mir bekannt, dass Eure Frau keine Kinder mehr gebären kann, seit jenem Vorfall. Und da uns dieses Mädchen wahrscheinlich nicht in absehbarer Zeit sagen kann, wo sie hingehört und wer sie ist, würde ich vorschlagen, dass Ihr und Ayasha euch um sie kümmert. Euer Gesicht kennt das Kind bereits. So ist besser, als wie wenn wir sie in eine wildfremde Familie stecken“ sagte Al-Mualim.

Sharif konnte nicht verhindern, dass seine Augen groß wurden. Er wünschte sich auch schon seit langem Kinder, doch nach einer tragischen Fehlgeburt seiner Frau, war dieser Traum geplatzt wie eine Seifenblase. Aber, das ließ ihn neue Hoffnung schöpfen. Auch wenn es nicht ihr leibliches Kind war, so konnten sie vielleicht doch für sie das sein, als wäre es ihr eigen Fleisch und Blut.

„Ich werde mich um das Mädchen kümmern, Meister“ sagte Sharif und verneigte sich wieder leicht.

„Eure Brüder haben mir alles gesagt, was in Aleppo passiert ist. Ich denke, Eure Version deckt sich mit der, der anderen beiden. Geht und kümmert euch um das Kind. Friede sei mit Euch, Sharif“ meinte Al-Mualim.

„Friede sei auch mit Euch, Meister“ sagte Sharif, verneigte sich noch einmal kurz und ging.

Er lief hinunter ins Dorf, zu dem Arzt, der sich um das Kind kümmerte. Dieser sagte Sharif, dass er das Mädchen jetzt besuchen dürfte. Sharif betrat leise das Zimmer und setzte sich neben das schlafende Kind ans Bett. Er besah sie jetzt das erste Mal genauer, seit er sie an der Kreuzung zu Arsur gerettet hatte. Sie hatte sehr helle Haut und goldbraunes Haar. Plötzlich öffnete das Mädchen die Augen und sah Sharif an. Wieder diese blauen kristallähnlichen Augen. Auch Sharif war gebannt von diesem Anblick. Das Mädchen setzte sich auf und hielt sich an ihm fest. Sharif nahm sie in den Arm.

„Keine Sorge. Ich passe auf dich auf… Arsura“ murmelte er.

Dann realisierte er, dass er dem Mädchen gerade einen passenden Namen gegeben hatte. Ja, Arsura passte wirklich zu ihr. Ein wunderschöner Name für ein so einzigartiges Mädchen.



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