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Nebelhauch

von

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Londons Nebel

London 1858, Frühherbst
 

In seinem Trödelladen lehnte ein schlanker, schwarzhaariger Mann gelangweilt am Tresen. Er hatte den ganzen Tag kaum Kunden gehabt. Vielleicht war die Lage des Ladens daran Schuld. Es war nun wirklich nicht die beste Gegend Londons. Nah an der Themse und in Whitechapel.

Den ganzen Tag hatte er ärmlich gekleidete Menschen an seinem Schaufenster vorbeigehen sehen. Arbeiter und Arbeiterinnen, am frühen Morgen noch vor Sonnenaufgang auf dem Weg in die Fabriken. Einige verwahrloste Kinder hatten auf der Straße in seinem Blickfeld gespielt, aber sie hatten es nicht gewagt den Laden zu betreten.

Um die Mittagszeit herum war eine alte, halbblinde, humpelnde Frau an der Hand eines kleinen, barfüßigen Mädchens in den Laden gekommen. Die Kleine hatte ihn aus großen blauen Augen unter einem Schopf verfilzter, roter Locken angeblickt und durch ihre Zahnlücke hindurch um ein paar Almosen gebeten. Als er gesagt hatte, dass er nur Dinge verkaufte, hatte sie schon enttäuscht gehen wollen. Schließlich hatte er ihr eine Handvoll der Papierblumen aus ihrem Korb gegen einen Laib Brot eingetauscht. Er gehörte vielleicht nicht zu den freundlichsten Wesen, die es gab, aber Kinder hungern zu sehen, tat ihm weh.

Nun begann es zu dämmern. Vom Fluss her zogen langsam Nebelschwaden auf, welche alles in einen grauen Dunst packten. Die Gaslaternen kamen nur schwer dagegen an. Der Anblick des verlotterten Hauses gegenüber und des kleinen vollgestellten Hofes daneben, welchen den jungen Mann den Tag über deprimiert hatte, wurde zunehmend schwerer zu erkennen. Nur weil der junge Mann wusste, was dort stand konnte er noch die Ascheimer, den zersplitterter Stuhl, den zerbrochenen Nachtopf und den Sack mit Lumpen, die dort standen ausmachen. Dinge, die so kaputt waren, dass nicht einmal die Ärmsten der Armen noch viel damit anfangen konnten. Ein Lumpensammler hatte am frühen Nachmittag den durchgerosteten Topf, welcher an der Lehne des Stuhls gehangen hatte, mitgenommen und gerade kam ein kleiner Junge an, der den Stuhl, den er kaum zu tragen vermochte, fortschleppe, schließlich eignete der sich noch als Feuerholz.

Der junge Mann wandte den Blick ab und zog eine London Times unterm Tresen hervor, welche er am Morgen von einem Zeitungsjungen erstanden hatte. Möglicherweise fände er einen Artikel darin, den er noch nicht gelesen hatte.

Ein merkwürdiges an- und abschwellendes Geräusch unterbrach ihn. Hastig suchte der junge Mann nach der Ursache des Geräusches. Als er sie gefunden hatte, beobachtete er mit hochgezogener Augenbraue, wie sich im Hof gegenüber eine blaue Policebox allmählich materialisierte. Er ließ die Zeitung auf den Tresen sinken und wartete das Kommende ab. Policeboxen, wie diese schräg gegenüber seines Ladens, würden erst in circa hundert Jahren existieren.

Die Tür der Policebox öffnete sich und ein schlanker, hochgewachsener Mann im braunen Anzug trat heraus. Über dem Anzug trug der Mann einen braunen Mantel. Der Verkäufer stutzte, weil ihm der Anzug des Mannes nicht ganz passend schien. Irgendetwas daran, war nicht wie es sein sollte. Der ungewöhnliche Besucher ließ seinen Blick durch die Gasse streifen, wobei er den Verkäufer im Laden entdeckte. Ihre Blicke kreuzten sich, der Fremde nickte dem Verkäufer freundlich zu, ehe er sich abwandte.

Der Verkäufer, dem auch noch die Schuhe des Mannes auffielen, verließ seinen Platz hinter dem Tresen. Ein fremder aus dem Nichts aufgetauchter Mann, in einer Policebox, der Sneakers zu seinem Anzug trug, das war wirklich ungewöhnlich. Zu ungewöhnlich, als das er weiter gelangweilt im Laden herumlungern konnte. Dieser Fremde war viel zu interessant, um ihn aus den Augen zu verlieren.

Auf leisen Sohlen verfolgte der Verkäufer den Besucher. Dieser schlenderte durch die engen Gassen und sah sich interessiert um. Seinen Verfolger hatte er noch nicht entdeckt.

Ein Schrei gelte durch den Nebel und hallte von den Häuserwänden wieder. Anstatt, wie jeder vernünftige, hier lebende Mensch sich nicht um den Schrei zu kümmern, sprintete der Besucher los. Geradewegs in die Richtung, aus welcher der Schrei erklungen war. Sie brauchten nicht weit zu laufen. Aus einem heruntergekommenen Haus, dessen Wände, grün, weiß und schwarz vor Schimmel waren, stolperte eine junge Frau heraus.

„Sie sind tot! Sie sind alle tot. Mary, Lucy, Peter, James, William, John und David, tot!”

Der Besucher trat auf die Frau zu, zog eine Lederhülle, wie sie für offizielle Ausweise üblich war, aus der Manteltasche und hielt ihr diese unter die Nase.

„ Guten Abend Miss...“

„...Davies.“

„Scotland Yard, was ist geschehen?“, fragte er.

„I-Ich kam von meiner Arbeit, nach Hause u-und da fand ich sie! In der Wohnung! Alle tot!“, stammelte sie nur.

„In welcher Wohnung?“

Zitternd deutete sie auf zwei schwacherleuchtete Fenster, in Höhe der Straße. Der Mann hielt sich nicht weiter mit Fragen auf. „Danke, Miss Davies.“, rief er noch, während er zu der Wohnung hastete.

Der Verkäufer runzelte die Stirn. Dieser Mann verhielt sich äußerst seltsam. Ohne groß darüber nachzudenken, schlüpfte der Verkäufer unbemerkt an der schluchzenden Frau vorbei in die Wohnung.

Es war eine ärmliche Behausung, geradeeinmal zwei Zimmer in denen eine achtköpfige Familie gewohnt hatte. Beleuchtet wurden die Zimmer nur schlecht von einer Gaslampe. Es gab zwei Stockbetten, ein Tisch, ein paar Stühle und ein Schrank vervollständigten die Möbel. Über dem Tisch gebeugt lagen die Leichen vierer Personen. Ein junger abgekämpfter Mann war mit verzerrten Gesichtsausdruck über seiner Schüssel mit dünner Suppe zusammengebrochen. Ein alte Mann hatte wohl seine Tasse, die zersprungen zu seinen Füßen lag, im Tod fallengelassen. Die Finger eines jungen Mädchens waren um einen Löffel verkrampft und ein kräftiger mittelalter Mann in grober Arbeitskleidung war mitsamt seinem Stuhl umgekippt. In einem Schaukelstuhl befand sich die Leiche einer alten Frau, die noch im Tod ihr Strickzeug umklammert hielt. Ein etwa zwölfjähriger Junge, mit Schwielen an den Fingern, lag zusammengesunken in der Ecke des Zimmers, als hätte er versucht vor etwas zu fliehen. Ein kleiner nackter Fuß lugte unter dem Stockbett hervor und kündete davon, wohin sich das andere Kind vergeblich geflüchtet hatte.

Der Besucher stürmte von einer Leiche zur Nächsten, richtete einen länglichen, silbernen, summenden Gegenstand, der an der Spitze blau glühte, auf sie und sprach laut mit sich selbst.

„Mal sehen, was mit ihnen passiert ist. Symptome: Wasser in der Lunge. Tod, durch Ertrinken. Wie sieht es mit dem hier aus? Ja, auch ertrunken. Und sie? Wieder ertrunken! Alle ertrunken, in ihrer Wohnung!“ Der Mann wirbelte herum und erstarrte. „Was?“, entschlüpfte ihm verblüfft.

Er musterte, den in der Eingangstür stehenden Verkäufer, sowie dieser ihn seinerseits betrachte. Nun im Licht der Lampe war zu erkennen, dass das kurze Haar des Besuchers rot-braun war. Er schien recht jung zu sein. Seine Haut war mit Sommersprossen gesprenkelt. Er hatte eine schmale spitze Nase und schmale Lippen. Seine ganze Erscheinung hatte etwas jungenhaftes an sich, doch der Blick seiner braunen Augen wirkten uralt.

Der Verkäufer lächelte zögerlich. Ihn überkam das unangenehme Gefühl, dass dieser seltsame Reisende ihn sehen konnte, ihn wirklich sehen konnte, so wie er war, nicht wie er anderen gemeinhin erschien. Es war als könnte der Fremde mehr sehen, als einen schlanken, jungen Mann mit schwarzen Haaren, der einen schwarzen Gehrock, eine schwarze Weste zu einem weißen Hemd mit einem weißen Halstuch und natürlich einen Zylinder trug, wie es zur Zeit üblich war. Der Blick des Besuchers wurde intensiver.

„Was?“, wiederholte er.

„Stört Sie etwas?“, erkundigte sich der Verkäufer höflich.

„Jep! Die größtenteils menschliche Erscheinung mit, spitze Ohren, Raubtiergebiss, gelb-grüne Augen mit geschlitzten Pupillen, die das Licht reflektieren und der Katzenschwanz. Einem Wesen wie dir bin ich noch nicht auf der Erde begegnet.“, wurde festgestellte, ehe der Besucher sich erkundigte: „Was bist du?“

Die grünen Augen des Verkäufers blieben gelassen auf den Mann gerichtet, der ihn nun noch genauer musterte.

„Abgesehen davon, dass dies gerade recht weit von dem eigentlich Bedeutenden hier fortführt, ist es eine ziemlich rüde Frage.“, seufzte der Verkäufer. Er strich sich mit der Hand durch das schwarze Haar und beantwortete die Frage, trotz seines Protestes. „Ich bin ein Caith Sith.“

„Ein Feenkater? Wie in den menschliche Mythen aus Schottland? Interessant. Du siehst für nen Kater ziemlich menschlich aus.“ Der Mann schien dies ernst zu meinen.

„Schon mal ausprobiert in Katzengestalt als Verkäufer zu arbeiten?“, grummelte der Caith Sith.

„Ah, ein Gestaltwandler.“

„Unter anderem. Ist ganz nützlich. Übrigens bin ich eher ein Wesen, auf welches diese Mythen referieren. Ach du je, werd ich diese idiotische Angewohnheit Dinge zu erklären, irgendwann auch mal wieder los?“ Der Caith Sith schüttelte gereizt den Kopf. Sein Blick blieb an dem nackten Kinderfuß hängen. „Ich mag es nicht, wenn Kinder involviert sind.“, murmelte er.

„Hast du etwas mit dem hier zu tun?“, forderte der Besucher zu wissen.

„Nein!“, entrüstet funkelte der Verkäufer den Mann an. „Ich kann Leute nicht ertränken, während sie beim Abendessen sitzen! Jedenfalls nicht ohne einen Eimer zu benutzen oder ohne sie zu irgendeinem wassergefüllten Gefäß zu schleifen!“

„Jep, dass ist seltsam. Hier ist es höchstens klamm, genauso wie draußen. Keinerlei Pfützen, kaum Kampfspuren, nur die Kinder versuchten überhaupt zu flüchten.“, murmelte der Mann und fügte hinzu, „Warum bist du hier?“

„Ich folgte Ihnen, weil Sie mir interessant zu sein schienen.“

Der Mann nickte abwesend, während er durch das Zimmer lief und es genauer betrachtete.

„Weißt du irgendetwas darüber?“

„Bis jetzt nur, dass es nicht die einzigen Toten dieser Art sind. Es steht etwas darüber in der Morgenausgabe der Times.“, wurde die Frage beantwortet. „Und wo wir gerade dabei sind uns bekannt zu machen... Wer sind Sie?“

„Der Doktor.“, wurde ihm beiläufig geantwortet, ohne dass dieser seine Inspektion des Zimmers unterbrach.

„Nun gut, also der Doktor. Sie können mich Enigma nennen.“

Der Doktor hielt verdutzt inne und drehte sich zu Enigma um. „Das ist neu. Keine Fragen?“

„Oh, Fragen habe ich viele, aber nicht zu der von Ihnen bevorzugten Art der Benennung,“ war die gelassene Erwiderung.

„Fein, Enigma. Du sagtest, über Tote, wie diese wird in der Zeitung berichtet...“

„Exakt. Möchten Sie die Zeitung von heute Morgen sehen?“

„Jep.“

„Kommen Sie. Sie liegt noch in meinem Laden.“

Der Caith Sith wandte sich von den Leichen ab und führte den Doktor aus der Wohnung. Auf der Straße schüttelte Enigma sich kurz heftig, bevor er raschen Schrittes auf die Gasse in welcher sich der „Trickster’s Treaures“ befand, zustrebte.

Sie kamen nicht sehr weit. Sie wurden an der nächsten Straßenecke von einer Frau aufgehalten. Sie war stark geschminkt und trug unter ihrem Mantel, den sie zuvorkommend öffnete, ein sehr tiefausgeschnittenes dunkelrotes Kleid, welches ihre Brüste nur allzu deutlich betonte.

„Na, Süßer, soll ich dich ein wenig wärmen?“, bot sie dem Doktor mit rauchiger Stimme an. Enigma schien sie nicht zu bemerken.

Der Doktor zog beide Augenbrauen hoch. „Nicht nötig, Madam.“, gab er zurück und ging weiter.

„Geizhals!“, schrie sie ihm nach.

Beide Männer bogen ungerührt in die enge Gasse zu ihrer Linken ein.

„Du bist ihr gar nicht aufgefallen, obwohl du nur ansatzweise menschlich wirkst. Interessante Art eines Low-Level-Aufmerksamkeitsfilter.“, stellte der Doktor fest.

„Wenn Sie es so nennen wollen. Es ist nur eine weitere meiner nützlichen Fähigkeiten. Keine Sorge, wenn Menschen mich sehen, wirke ich völlig menschlich auf sie.“

„Noch eine weitere deiner nützlichen Fähigkeiten, nehme ich an.“

„Stimmt genau.“, grinste Enigma.

„Hm.“ Der Doktor schien nachdenklich, schwieg jedoch zu dieser Aussage.

Der Nebel hatte noch weiter zugenommen. Enigma runzelte die Stirn. Ein hohes Wimmern und Stöhnen kratze an seinem Geist. Auch der Doktor sah sich so um, als nehme er es wahr. Der Caith Sith drehte sich und musterte seine Umgebung. Hinter ihnen ballten sich dunkle Nebelschwaden zusammen. Ein gedämpfter Schrei drang an ihre Ohren. Die beiden sahen sich an und rannten den Weg, denn sie gekommen waren zurück. Kaum um die Ecke sahen sie die Prostituierte, welche von einer vage Gestalt umklammert wurde. Die Gestalt sah aus, wie ein graues menschenähnliche Wesen in einem weiten Umhang mit heruntergezogenen Kapuze. Abrupt blieb Enigma stehen und sein Katzenschwanz zuckte unruhig. Der modrige Geruch nach kalter Asche gefiel ihm gar nicht. „Oh,oh!“, entfuhr es ihm.

Der Doktor hielt nicht an, sondern lief weiter auf die strampelnde Frau zu.

„Halt! Nicht! Um Himmelswillen nicht berühren!“, schrie Enigma ihm hinterher.

„Warum?“, fragte der Doktor und stoppte in einigem Abstand zu dem Wesen, welches die Frau hielt. Er zog diesen länglichen Gegenstand aus der Tasche und richtete ihn auf das Wesen.

„Weil sie Krankheiten verbreiten! Durch Berührung.“, rief Enigma ihm zu, gerade als das nebelartige Wesen seinen Umhang der Frau noch tiefer in den Mund stopfte. Sie zuckte, umklammerte ihren Hals und sackte in sich zusammen. Weitere Nebelwesen glitten die Gasse hinauf auf sie zu.

„Wer seid ihr?“, forderte der Doktor von den Wesen zu wissen. Er erhielt keine Antwort. Die Gestalten schwebten nur näher, wobei das Wimmern lauter wurde. Eine schemenhafte Hand griff nach dem Doktor, welcher geschickt auswich. Das Wesen hob seinem Umhang und kam noch näher.

Ein Fauchen entkam Enigma. „Halt! Er ist Mein!“ zischte er. Der Nebelschemen hielt kurz inne und hob dann den zweiten Arm.„Sie lassen nicht mit sich reden!“, fauchte der Caith Sith.

„Dann, nichts wie weg hier!“, rief der Doktor, duckte sich von einem zweiten Schemen fort, drehte sich um und rannte los. Enigma wirbelte herum und folgte ihm. Sie hasteten um die Ecke, durch die Gasse und bogen um eine weitere Ecke. Nun hatten sie die Straße erreicht, in welcher der Laden und die TARDIS waren.

„In die TARDIS!“, befahl der Doktor.

Enimga hatte zwar keinerlei Ahnung, was TARDIS bedeutete, aber er nahm an der Doktor meinte die Policebox. Sie waren fast auf der Höhe des Schaufensters des Ladens, als vor der blauen Policebox weitere Nebelwesen erschienen und ihnen den Weg abschnitten. Ein Blick nach Hinten, zeigte ihnen, dass die anderen Nebelwesen schon bedrohlich nahe gekommen waren.

„Hier rein!“ Enigma stieß den Doktor im Laufen Richtung Laden. Mit Schwung polterten sie durch die Tür hinein, welche sich von selbst hinter ihnen schloss.

„Die Tür...“, begann der Doktor.

„Ist da wo ich sie brauche.“, keuchte Enigma nur.

„Wie auch immer. Hier sind wir nicht sicher. Nebelschwaden kommen durch Fensterritzen!“, schnaufte der Doktor, der sich gerade aufrappelte.

„Wir sind hier sicher.“, wurde ihm versichert. „Sie können hier nicht rein. Dieser Ort ist dafür zu gut geschützt.“

Wie um seine Worte zu beweisen, versammelten sich weitere Nebelgestalten vor Tür und Schaufenster des Ladens. Graue Hände pressten sich an die Scheibe, glitten zu den Fensterritzen und darüber hinweg.

Angespannt verfolgte der Doktor dies. „Aber sie müssten... verstehe, ein Kraftfeld.“

„So könnte man es nennen oder auch Schutzschild, Schutzbann, Bannkreis, was auch immer Sie an Definition bevorzugen.“, erwiderte Enigma. „Die Zeitung liegt auf dem Tresen.“

„Einen Augenblick. Du weißt, was diese Wesen sind, so wie du dich ihnen gegenüber verhalten hast.“

Enigma seufzte. „Ich brauche jetzt einen Tee. Nehmen Sie die Zeitung mit. In der Küche ist es gemütlicher und ich schätze das wird ein längeres Gespräch.“

Der Doktor stürmte zum Tresen und griff sich die Zeitung. „Und ich brauche mehr Informationen!“

Etwas gelassener führte Enigma ihn in die Küche, wo er einen Kessel mit Wasser füllte und diesen auf den Herd stellte.

„Was weißt du über diese Wesen?“, fragte der Doktor und stützte sich mit beiden Händen auf dem Tisch ab.

„Es sind Far Laith auch Graue Männer genannt.“, gab Enigma ruhig Auskunft, während er aus dem Küchenschrank die Teekanne holte.

„Was noch?“

„Sie bestehen aus Nebel.“

„ Hab ich gesehen! Elementarwesen also. Aliens?“, hakte der Doktor nach.

„Aliens? Nein es sind keine Außerirdischen.“ Enigma schüttelte vehement den Kopf.

„Sie sind irdisch?“, wunderte der Doktor sich.

„So wie ich auch. Doktor, warum so verwundert? Kennen sie alle irdischen Lebensformen?“

Nun schüttelte der Doktor den Kopf. „Einige, aber sicher nicht alle. Was weißt du noch über sie?“

„Far Laith sind bösartig gewordene Nebelfay.“, erwiderte Enigma und löffelte Teeblätter in einen Teebeutel.

„Das war deutlich zu sehen! Diese Far Laith, was können sie?“

„Sie bringen Krankheiten und Seuchen, lassen Nahrung vergammeln, normalerweise. So ein Angriff, wie in der Gasse eben ist ungewöhnlich für sie.“

„Dieser Angriff... also gehst du davon aus, dass sie auch für die anderen verantwortlich sind.“

Enigma sah den Doktor ernst an und antwortete ihm: „Ja, ich gehe davon aus. Es ist ungewöhnlich, würde aber alles erklären. Das die Kinder fliehen wollten. Kinder können häufig unsere Täuschungen durchschauen. Das die Toten ertrunken sind. Wir haben ja gerade gesehen wie ein Grauer Mann getötet hat.“

„Ich muss sie aufhalten.“ Der Doktor lief in der Küche hin und her. Plötzlich hielt er inne. „Wenn diese Art zu töten ungewöhnlich für sie ist, warum tun sie es jetzt?“

„Diese Frage kann ich Ihnen nicht beantworten.“

„Okay. Was weißt du noch über sie?“

„Sie riechen nach Kaminrauch im Gegensatz zu gutartigen Nebelfay.“

„Worin besteht der Unterschied zwischen Far Laith und Nebelfay?“ erkundigte sich der Doktor.

„Nebelfay sind grundsätzlich harmlos sie tanzen im Nebel und tun sonst kaum etwas.“

„Was weißt du noch?“

„Sie sind der Sprache nicht mächtig.“, sagte Enigma und nahm den pfeifenden Wasserkessel vom Herd.

„Far Laith oder Nebelfay?“, hakte der Doktor ungeduldig nach.

„Beide.“, knurrte Enigma nur, während er den Tee aufgoss.

„Was noch? Was bringt Nebelfay dazu bösartig zu werden?“

„Unrecht ihnen gegenüber.“, erklärte Enigma und lehnte sich an die Arbeitsplatte, so dass er den Doktor ansehen konnte.

„Was noch?“

„Schmerz.“

„Was noch?“

„Luftverschmutzung.“

„Wieso Luftverschmutzung?“ Leichte Verwirrung schwang in der Stimme des Doktor mit.

„Weil sie die festen Bestandteile aus Luft und Wasser in ihren Körper ansammeln und ihnen das Schmerzen bereitet.“, führte Enigma seine Antwort weiter aus.

„Könnte das der Grund für ihr derzeitiges Verhalten sein?“

„Schon möglich.“, gab Enigma zu.

„Sogar sehr wahrscheinlich.“, stellte der Doktor fest.

„Wieso?“, nun war es an Enigma den Doktor verdutzt anzugucken.

„Weil in dieser Zeit über London fast ständig eine hohe Luftverschmutzung herrscht.“

„Ist das so?“ Dem Caith Sith war zwar der viele Rauch und Dunst aufgefallen, aber er hatte nicht nach den Gründen dafür geforscht.

„Jep, derzeit wird mit Holz und Kohle geheizt und es gibt große Fabriken, deren Maschinen mit Dampfmaschinen angetrieben werden. Da ist eine hohe Luftverschmutzung vorprogrammiert.“, erklärte ihm der Doktor nun.

„Oje. Hier sind übrigens zu viele Far Laith.“, stellte Enigma fest.

„Warum?“

„Weil sie sich selten in Städten herumtreiben. Sie bevorzugen eher Menschenleere Gebiete.“

„Aus welchem Grund sind sie dann hier?“

„Keine Ahnung. Vielleicht hat sie jemand hergerufen. Woher soll ich das wissen?“ Leicht gereizt nahm Enigma den Teebeutel aus der Kanne und schmiss ihn in die Spüle.

„Ist das möglich?“

„Ja, ist es. Mir nicht, aber es gibt zum Beispiel Sidhe, die Nebelfay und Far Laith Befehle erteilen können.“

„Sidhe?“

„So etwas wie die Adligen unter den Feen. Sagen Sie mal, haben Sie gar keine Ahnung von Feen? Nicht einmal durch Märchen und Sagen?“, murrte Enigma.

„Ein bisschen schon, aber dabei handelt es sich um Legenden. Du kannst mir Fakten liefern. Hab noch ein wenig Geduld. Wie viele Feen gibt es denn?“, bat der Doktor ihn ernst.

„Hmrph! Genug um verschiedene Feenhöfe und ein kompliziertes Regierungssystem zu haben. Die Sidhe stehen dabei über allen anderen Arten von Feen.“ Enigma raufte sich die Haare. Eigentlich war er davon ausgegangen, dass er mit den lästigen Erklärungen Menschen gegenüber endlich durch war. Anscheinend hatte er mit der Vermutung falsch gelegen.

„Verschiedene Arten von Feen?“, kam die nächste dumme Frage des Doktors.

„Feen, Fairies, Elfen, Unterirdische, das gute Volk, das sind alles nur Namen, welche sich die Menschen ausgedacht haben, um uns zu beschreiben. Es sind Oberbegriffe für viele verschiedene Wesen, die eigentlich nicht viel gemeinsam haben.“, grummelte der Feenkater.

„Was haben Feen gemeinsam?“

Enigma verdrehte die Augen. „Magie.“

Der Doktor schüttelte den Kopf. „Magie ist auch nur ein Begriff für Dinge, die man nicht versteht. Meist steckt nur eine unbekannte Technik dahinter.“

„Ach ja?“ Enigma winkte mit der Hand, woraufhin zwei Teetassen mit Untertassen, zwei Teelöffel, die Teekanne, ein Zuckerdöschen und ein Milchkännchen zum Tisch schwebten und sich darauf verteilten. „Und wie nennen Sie das?“

„Telekinese.“

„Und das Sie das Wimmern der Far Laith hören konnten?“

„Telepathie.“

„Sie haben also für so ziemlich jede Form dessen, was ich Magie nenne einen wissenschaftlichen Namen und eine wissenschaftliche Erklärung.“, stellte Enigma fest.

„Im Endeffekt, lässt sich alles irgendwie wissenschaftlich erklären.“

Enigma schauderte. „Ein Rationalist! Typisch!“

„Nun, ich lasse mich dennoch gerne überraschen. Überraschungen sind es doch, was das Leben spannend macht.“, versuchte der Doktor ihn zu beruhigen.

„Wie auch immer. Wir haben da ein paar durchdrehende Far Laith, die wir nicht weiter frei herum laufen und Leute umbringen lassen können!“, war Enigmas pampige Entgegnung.

„Was passiert mit Far Laith, wenn es regnet?“, wollte der Doktor plötzlich wissen.

„Sie sickern in die Erde und schlafen dort Unten irgendwo, bis die Bedingungen für ein erneutes Auftauchen gegeben sind.“

„Es würde sie nicht töten?“

„Es würde sie nicht töten.“ Enigma goss in beide Tassen Tee. Er erkundigte sich bei seinem Gast nicht, ob dieser Zucker oder Milch in seinen Tee wollte. Es mochte zwar unhöflich sein, aber der Doktor schien eh nicht gewillt jetzt Tee zu trinken.

„Wenn der Schmutz aus ihnen herausgefiltert würde, würden sie dann wieder harmlose Nebelfay?“

„Wahrscheinlich. Das wurde noch nicht ausprobiert, soweit mir bekannt.“

„Das ist es!“ Der Doktor schlug breit grinsend mit beiden Händen auf den Tisch, so dass das Geschirr klirrte. Tee schwappte in die Untertassen. „Wenn ich in die TARDIS komme, kann ich es regnen lassen und...“

Enigma unterbrach ihn: „... Sie kommen aber nicht aus dem Laden, ohne von Far Laith angegriffen zu werden. Wozu wollen Sie es überhaupt regnen lassen?“

„Nun, damit die Far Laith in die Erde sickern und dabei der Schmutz aus ihnen herausgefiltert wird.“

„Bliebe ein Problem, sie steigen dort auf, wo sie geschlafen haben und damit setzen sie sich wieder der Luftverschmutzung aus.“, dämpfte Enigma die Begeisterung des Doktors.

„Unter welchen Bedingungen kommen sie hervor?“

„Wenn es Nebel geben kann.“

„Aber immerhin würde es uns Zeit verschaffen, in der keine weiteren Personen getötet werden. Und wir herausfinden können, warum sie sich hier in London aufhalten und gegebenenfalls, wer ihnen befielt.“

„Schon, nur ändert es immer noch nichts daran, dass Sie hier drin festsitzen. Und das Beeinflussen von Wetter gehört nicht zu meinen Fähigkeiten, aber vielleicht habe ich hier im Laden etwas, womit man das könnte. Was brauchen Sie?“, stellte Enigma fest.

„Einen Infrarotlaser, der Infrarotblitze produziert.“

„Einmal die Erklärung für Nichtwissenschaftler, wenn’s geht?“

„So wird das nichts, vielleicht kann ich meinen Überschallschraubenzieher umbauen, nur braucht das Zeit.“, knurrte der Doktor.

„Doktor, was sind Infrarotblitze? Wenn ich weiß, was das ist, kann ich auch sagen, ob ich etwas habe, das Infrarotblitze hervorruft.“, bestand Enigma auf einer Antwort.

„Unwahrscheinlich, dazu braucht es Lasertechnik. Infrarotblitze sind Lichtblitze, Wärmelichtblitze im Infrarotbereich, welchen das menschliche Auge nicht wahrnimmt. Ich muss nachdenken. Denk, denk, na los lass dir etwas einfallen!“, trieb der Doktor sich selbst an, wobei er das „Bin gleich zurück!“, des Feenkaters nicht mitbekam.

Enigmas Tasse klapperte auf der Untertasse als der Caith Sith sie hastig abstellte und loslief. Der Doktor raufte sich die Haare. Sein Hyperschraubenzieher arbeitete mit Ultraviolette, also genau auf der anderen Seite des Lichtspektrum, was nicht sehr hilfreich war.

Einen Moment später wurde eine Laterne mit einem dumpfen Knall auf dem Tisch direkt vor dem Doktor abgesetzt. Es war eine wunderschöngearbeitete Handlaterne aus Metall und Glas. Nur eine Sache fehlte, im Laternengehäuse gab es keine Befestigung für eine Kerze. „Das müsste klappen!“, grinste der Caith Sith.

„Das ist eine kaputte Laterne.“, murrte der Doktor, nach einem kurzen Blick auf das Fundstück.

„Nein, DAS ist die Laterne eines Irrwischs. Solche Laternen heißen auch Elffire. Sie werden meist dazu benutzt Wanderer in Mooren in die Irre zuführen.“

„Eine Kerze reicht nicht für Infrarotblitze.“

„Ich brauche keine Kerze, Doktor. Sehen Sie!“ Enigma hob die Laterne an, strich mit dem Finger über das Laternendach und schloss die Augen. In der Laterne flackerte eine bläuliche Lichtkugel auf. „Meine Willenskraft reicht dafür aus. Hm, das ist wohl der Leichenlichtmodus. Warten Sie. Ah, jetzt!“ Die Farbe der Lichtkugel wechselte durch alle Regenbogenfarben hindurch, bis sie bei einem Rotton angelangt waren, den kein Mensch zu sehen vermochte.

„Eindeutig. Infrarot, aber noch keine Blitze.“, Der Doktor berührte sacht die Laterne. Enigma übergab sie ihm und das Licht erlosch. „Oh.“

„Mein Fehler. Geben Sie sie mir zurück. Sie funktioniert bei Ihnen nicht, weil sie kein Elf sind.“

Der Doktor reichte die Laterne zurück und erneut flackerte die Infrarotlichtkugel auf. „Also schön. Auf geht’s.“ murmelte der Doktor und ging zur Küchentür.

„Sie können da nicht raus. Das ist wohl mein Job.“, warf Enigma ein, als er ihm in den Verkaufsraum folgte. Er musterte die Far Laith, welche sich gegen die Scheibe drückten. Es waren inzwischen so viele, dass man nicht einmal mehr die andere Seite der Gasse sehen konnte.

Der Doktor stand an der Tür. „Zerstört es das Kraftfeld, wenn ich die Tür öffne?“, erkundigte er sich.

„Nein.“

„Geh nur ein zwei Schritte raus, dann kann ich dich zurückzerren, wenn sie dich angreifen.“

„In der Laterne werden sie keine Gefahr sehen. Irrwische laufen ständig durchs Moor wenn die Nebelfay tanzen, ohne dass es ihnen die Laternen gefährlich werden.“

„Bereit?“

Enigmas Griff um die Laterne wurde fester. Er nickte. „Ich muss ja nur kurz raus, es ein paar Mal blitzen lassen und wieder rein.“, sagte der Caith Sith leise. Der Doktor öffnete ihm die Tür. Enigma schlüpfte an ihm vorbei, zwei Schritte auf die Gasse hinaus. Grauer, nasser, müffelnder Dunst umgab ihn. Kroch unter seinen Gehrock und die Hosenbeine hinauf. Enigma schloss die Augen. Die Infrarotlichtkugel in der Laterne blitzte und blinkte mehrfach auf. Ein nasser, kalter Arm schlang sich um Enigmas Hals. Kalter Dunst glitt über sein Gesicht und seine Nase hoch. Er versuchte zu Atmen und atmete nur Nebel. Er öffnete den Mund und Nebel füllte seine Mundhöhle. Enigma riss die Augen auf, das Licht erlosch. Mit der freien Hand schlug er nach dem Nebelarm, welcher ihn hielt. Seine ausgefahrenen Krallen richteten keinen Schaden an. Jemand packte ihn am Kragen und zerrte ihn nach hinten. Er stolperte mit und sank hinter der Türschwelle auf die Knie. Die Laterne entglitt seinen Fingern. Erneut schnappte er nach Luft, hustete und würgte Wasser hervor. Derjenige, welcher ihn hineingezogen hatte klopfte ihm auf den Rücken. „So ist es gut. Bloß raus damit!“, wurde auf ihn eingeredet.

Nach ein paar Augenblicken, die ihm wie Ewigkeiten erschienen, erreichte Luft seine Lungen. Sein Atem beruhigte sich. Erschöpft lehnte er sich an die Person, welche ihn hielt.

„Du hast es geschafft. Sieh!“, kommentierte der Doktor und deutete auf das Fenster. Regentropfen trommelten dagegen und rannen daran herab. Enigma schauderte, krümmte sich zusammen und verwandelte sich.

„Hoppla!“

„Na toll. Jetzt bin ich klatschnass! Igitt!“, maulte der Kater, bevor er sich ausgiebig streckte , reckte und schüttelte. „Was tun wir als Nächstes?“

„Ich würde vorschlagen, du nimmst wieder deine andere Form an, bevor wir beginnen nachzuforschen, warum die Grauen Männer hier waren.“, riet der Doktor.

„Sehr witzig. Das ist grad nicht drin. Sie werden mit einem Kater auskommen müssen.“

Der Doktor seufzte. „Hab ich eigentlich schon mal erwähnt, dass ich kein großer Katzenfreund bin.“

„Noch nicht.“

„Sieh es als hiermit geschehen an.“ Der Doktor hob den Kater auf seinen Arm. „Auf geht’s. Ab in die TARDIS. Mal seh’n, was ich rauskriegen kann.“



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von: Futuhiro
2013-04-13T22:12:43+00:00 14.04.2013 00:12
"Du wirst mit einem Kater auskommen müssen." Haha, sehr schön. ^^

Okay, ich kenne Dr. Who nicht (zumindest schaue ich es nicht), aber da es eine Trickster´s Treasures Story war, musste ich es einfach lesen. Ich mag doch Mephistoffeles so. Ist nun Enigma eigentlich sein richtiger Name, oder auch nur ein Code-Wort?

Ich finde es toll, daß hier mal so richtig systematisch so viele Infos und Antworten auf einem Haufen waren. Das ist eine gute Basis für alles weitere. Jetzt kann die Story so richtig losgehen. ^^


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