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Intrigo e amore

And it's with you that I want to stay forevermore
von
Koautor:  Coventina

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London 2 - Gespräch in der Stallgasse

Erinnerungen I
 

Rodrego


 

Sehr geehrter Mr. Fernale,
 

Ich bedaure, dass ich mich nicht schon viel früher an Euch gewandt habe. Aber die Ereignisse vor fünf Jahren bedrohten auch meine Existenz und ich fürchtete damals um mein Leben. Mit diesem Brief gehe ich wieder das Risiko ein, meinem Leben ein Ende zu setzen, aber Euer Schicksal hat mich nie losgelassen und mittlerweile weiß ich, dass ich nie zur Ruhe kommen werde, solange Ihr nicht die Wahrheit erfahrt, warum Eure Familie von so großer Grausamkeit heimgesucht worden ist.

Aus Angst, versteht das bitte, werde ich nicht selbst schreiben, was geschehen ist, und ich kann es auch nicht ohne Gegenleistung tun.

Ich werde euch die Möglichkeit geben, selbst die Schlüsse zu ziehen, die euch die Mörder eurer Familie offenbaren. Wenn Ihr das wünscht, so bitte ich Euch dafür zu sorgen, dass der Kardinal Sforza am Samstagmittag verspätet in London eintreffen möge.

Ich werde das als Zeichen für Euren Wunsch nach Wissen sehen.

Egal wie Ihr euch entscheidet, bitte verbrennt diesen Brief, wenn Ihr ihn gelesen habt.
 

Hochachtungsvoll

Ein Freund
 

Vor drei Tagen hatte er diesen Brief gefunden. Er hatte ihn am Grab seiner Schwester gefunden, ein Grab, das niemand kannte, weil er es niemandem gezeigt hatte, wo er sie vergraben hatte, nachdem man ihr ein christliches Begräbnis versagt hatte. Er hatte sie unter einer schönen Linde auf dem Anwesen der Sforzas gebettet, genau wie seinen Vater, den er vom Galgen geschnitten hatte, bevor die Raben ihm seine Augen auspicken konnten.

Seitdem er den Brief gefunden hatte, war er vollkommen durch den Wind. Er wusste nicht, was er davon halten sollte. War das ehrlich? Wer schrieb ihm? Welche Gegenleistung? Warum kümmerte es den Schreiber wirklich?

Und was ihn noch mehr bewegte: wollte er die Antworten auf die vielen Fragen, die ihn seit fünf Jahren quälten? Was würde das bewirken? Was würde es ändern?

Er wusste es nicht. Er wusste nicht, ob er es wollte, wusste nicht, ob er sich darauf einlassen sollte, wusste nicht, ob er die Antworten verkraftete, wie er darauf reagieren würde...

Aber immerhin war es das erste Indiz dafür, dass mehr hinter den Morden an seiner Familie stand, als nur der Verdacht, dass sein Vater ein Spion oder sonstiger Gegner des Königs gewesen war, wie ihm vorgeworfen worden war.

Und das war es doch immer gewesen, was er gewollt hatte: die Wahrheit über die Unschuld seiner Familie.
 

Als an diesem Morgen ein Bote am Königshof eintraf, dass der Tross aus Spanien auf dem Weg nach London war und im Laufe des Tages zurückkehren würde, war Rod irgendwie erleichtert gewesen. Endlich würde er Nico sehen können und mit ihm reden können. Vielleicht nicht konkret über den Brief, eher allgemeiner... Aber Nico hatte ihm gefehlt in den letzten Tagen.

Da der König ohnehin nicht da war, beschloss Rod kurzfristig, sich erst um Nicos Pferde zu kümmern. Seit der Nacht in Cambridge hatten sie wenig Zeit gehabt. Zumal er mitbekommen hatte, dass Nico ein paar Nächte später 'Besuch' gehabt hatte. Er selbst war recht eingespannt gewesen damals, weil einige Pferde Koliken bekommen hatten. Als er eben an jenem Abend zum Anwesen gekommen war, hatte er das mitbekommen. Seitdem hatte Nico teilweise so fahrig gewirkt, so als sei er mit seinen Gedanken bei jemand anderem. Rod vermisste ihn manchmal, nicht als Lebens- oder Sexpartner, sondern als Freund, und seit drei Tagen besonders.
 

Als er am Anwesen eintraf, herrschte relative Ruhe. Offenbar war der Tross bereits länger wieder zurück. Rod schickte sich an, die Schmiede herzurichten. Während er den Zustand der Hufe kontrollierte und nachsah, welche Pferde einen Beschlag brauchten, heizte der Ofen bereits vor. Der Stalljunge betätigte den Blasebalg, um die nötige Hitze zu erlangen und schließlich suchte Rod die passenden Eisen aus. Ein paar Pferde kannte er noch nicht: eine Stute und ein paar Pferde, die Nico sicher aus Spanien mitgebracht hatte.

Die Arbeit tat ihm gut, dabei konnte er sich wenigstens ablenken. Schließlich schickte er den Stalljungen nach jemandem, der ihm aufhalten konnte. Er hoffte auf Nico, aber ansonsten würde er ihn später aufsuchen.

Als jemand eintrat blickte Rodrego kurz auf, erkannte erst gar nicht, wer da gekommen war, und senkte daher den Blick wieder, um zu beenden, was er gerade angefangen hatte. Doch im gleichen Moment blickte er erstaunt wieder auf, als ihm klar wurde, wer da gekommen war. Er lächelte unwillkürlich und stand auf, trat auf den anderen zu. "Alessandro, mio caro!", begrüßte er den anderen. "Du siehst verdammt gut aus, so... verwildert." Er grinste breit. "Italien scheint dir gut getan zu haben. Du glaubst nicht, wie sehr ich dich beneide." Er war an ihn herangetreten und lächelte ihn an. Seit dem Vorfall damals in Cambridge hatten sie sich kaum gesehen. Und es nagte noch immer an ihm, wie er ihn behandelt hatte. Er hob die Hand und strich Alessio eine Haarsträhne nach hinten. Alessio sah genau so aus, wie er ihn von seiner Jugend her kannte, natürlich attraktiv - nicht in eine Kutte gepresst. Und Rod war dadurch etwas verwirrt. Lange hatte er ihn nicht mehr so gesehen... "Du siehst wirklich gut aus", sagte er leise, dann drehte er sich zu der Stute, die er aus der Box geholt hatte. "Schön, dass du mir helfen möchtest. Sag, seit wann hält dein Bruder eigentlich Stuten hier im Stall?" Meist standen diese doch auf den Weiden, außer sie waren kurz vor der Geburt. "Ist Nico auch da?", fragte er dann noch, weil er bisher noch nichts von ihm gehört und gesehen hatte.
 

Alessandro

Als der Kardinal in den Stall kam, schlug ihm bereits die angenehme Wärme der Schmiede entgegen, die von dem Jungen noch immer auf Temperatur gebracht wurde. Niamh stand bereits in der Boxengasse und schien darauf zu warten, dass man ihr die Hufe sauber ausschnitt. Es war immer gut, wenn das direkt nach einer so langen Reise erledigt wurde, denn vom Horn war einiges abgesprungen und abgeplatzt.

Weil er so legere angezogen war, erkannte ihn wohl auch Rodrego auf den ersten Blick nicht und Alessandro war nicht unbedingt böse darum. So hatte er ein wenig mehr Zeit ihn anzusehen, wie er dort kniete und die meisten überstehenden Ränder bereits abschnitt. Rod machte seine Arbeit immer sehr pflichtbewusst, doch obwohl sein Haus gar nicht so weit entfernt war und noch auf ihrem Land lag, hatte Alessandro ihn in letzter Zeit wirklich selten gesehen. Einerseits lag es daran, dass er sich selbst keine Zeit nahm, andererseits hatten sie beide wohl viel zu tun gehabt. Während er näher kam und sich über den nackten Oberarm fuhr, musterte er den Schmied, der ihm halb den Rücken zugewandt hatte. Noch so etwas, was sein Bruder bekommen hatte und er nicht.

Rods breite Schultern hatten ihn schon immer dazu eingeladen, mit den Händen darüber zu streichen, sanft die verspannten Muskeln zu massieren.. nun. Er hätte es gern getan...

In Italien waren sie sich alle drein sehr nahe gewesen, waren ein eingeschworenes Team gewesen. Wobei schon damals es ihm schien, dass Nico ein anderes Verhältnis zu Rod hatte, als er. Was zu Beginn früher einmal der Neid auf seinen Bruder gewesen war, war bald wirklich zu einer kleinen Schwärmerei seinerseits ausgeartet. Er hätte gerne mehr von Rodrego gehabt... Doch weil Alessio die Kutte gewählt hatte, war die Kluft zwischen ihnen beiden größer geworden und Alessio war leider nie der Mann geworden, dem Rod sich hatte anvertrauen wollen... sehr zu Alessandros Bedauern. Als sie später etwas gemeinsam unternommen hatten, waren sie zu dritt gewesen und irgendwann hatte Alessio einfach resigniert. Er wollte nicht in die Fußstapfen seines Bruders treten, das erschien ihm falsch, und Rod hatte kaum Interesse an ihm, zumindest empfand Alessio es so. Es schien fast so, als würde er ihn meiden, ihm aus dem Weg gehen. Besonders seit vor fünf Jahren Rod alles verloren hatte - auch durch die Kirche. Aber sich jetzt darüber Gedanken zu machen, hatte ohnehin keinen Sinn...
 

Als Rod ihn jetzt doch erkannte und so freudestrahlend auf ihn zukam, musste Alessio unwillkürlich lächeln und begrüßte ihn ebenso überschwänglich - dennoch: das was Rod ihm in Cambridge gezeigt hatte, was er getan hatte, das saß noch immer tief. Und so wäre er beinahe weggezuckt, als Rodrego Hand an seine Wange legte, weil er ihm eine Strähne hinters Ohr strich. Dann war der Moment vorbei, und Alessio zuckte die Schultern. "Er hält sie nicht wirklich, sie gehört nicht ihm. Das ist die Stute seines... Liebhabers." Er hatte eine Weile das richtige Wort suchen müssen und war auch jetzt nicht mit seiner Wahl zufrieden. "Ich weiß nicht genau, ob man ihn so bezeichnen kann. Lange Geschichte im Grunde... er hatte schon eine Weile nur noch Augen für ihn. Jetzt in Spanien hatten sie wohl Zeit, ein wenig ungestört zu sein, und als er vor einigen Stunden wieder kam, da waren sie beide der festen Überzeugung, eine längere Beziehung hier auf die Reihe zu bekommen." Alessio strich Niamh sanft über den Hals und tätschelte ihre Schulter. "Ich habe keine Ahnung, ob dem so ist, aber sie wirkten sehr glücklich. Und hier ist er nicht mehr, sie haben den Hof vor knapp einer Stunde verlassen, um zu der Hütte am Wald zu reiten. Ich glaube auch nicht, dass sie da in den nächsten Tagen wirklich rauskommen."

Rod kannte die Hütte, sie waren alle schon ab und an dort gewesen, ein jeder von ihnen mit einer anderen Begleitung. "Also wollen wir beginnen? Italien hat mir tatsächlich Kraft und Tatendrang zurückgegeben und wenn man mir es ansieht - um so besser. Aber du siehst auch aus, als wäre die Arbeit nicht liegen geblieben. Was macht dein Rücken?"
 

Rodrego

Rod hob etwas überrascht und mindestens genauso überrumpelt die Augenbrauen. „So, so…“, sagte er etwas atemlos. „Ein fester Partner? Wow.“ Rod wusste nicht so recht, was er sagen sollte, er war etwas aus der Spur, bei dieser Information. Er hatte ja eigentlich wirklich dringend mit ihm sprechen wollen. Aber jetzt war er wieder unerreichbar. Seine Gedanken wirbelten durcheinander. Doch er versuchte sich nichts anmerken zu lassen. „Das glaube ich auch nicht“, er lachte, aber es klang wohl nicht sehr echt. Rod ging zu Niamh und stich ihr über den Hals. Dann hatte Nico also einen festen Partner. Es freute ihn eigentlich, aber gerade im Moment hätte er ihn gerne hier gewusst. Erst jetzt merkte er so richtig, wie sehr er mit Dominico hatte reden wollen, obwohl er beim Herkommen noch unschlüssig gewesen war. Doch jetzt, da Nico nicht verfügbar war, riss ihm das irgendwie wieder den Boden unter den Füßen weg. Was sollte er jetzt tun? Wie sollte er sich verhalten? Es war…

Erst jetzt merkte er, dass Alessio weitegesprochen hatte und er realisierte nur langsam was jener gesagt hatte. „Ja, lass uns anfangen…“, murmelte er und schüttelte den Kopf, um die Gedanken wegzuschütteln und sah den anderen an. „Man sieht es dir wirklich an“, stimmte er mit einem Lächeln zu. „Du hast mich vorhin an damals erinnert, als wir Fossano unterwegs waren. Erinnerst du dich?“ Er grinste bei dieser Erinnerung und sie tat ihm unheimlich gut. „Wie wir unsere ‚Männlichkeit’ gefeiert haben, indem wir das Wochenende völlig eins draufgemacht haben?“ Sie waren gemeinsam losgezogen. Sie waren jung gewesen, hatte noch nicht das Diktat ihres Werdegangs erhalten und das Wochenende einfach nur gefeiert, getrunken und die Sau rausgelassen. Es war das schönste Wochenende gewesen, das letzte schöne, bevor sie die Realität eingeholt hatte und Alessio zur Kirche, Nico zum Dienst an die Waffe verdonnert wurde und er noch Hoffnungen gehabt hatte, irgendwann nicht mehr nur als Schmied sein Geld zu verdienen. Sie waren unbeschwert gewesen und frei, zumindest im Schein.

„Mein Rücken? Das ist momentan das geringste Problem“, er seufzte. „Die letzte Zeit war anstrengend gewesen. Mein Rücken meldet sich regelmäßig. Aber ich war in letzter Zeit öfters bei Tan. Kennst du ihn?“ Er war ein Asiate, der als Leibeigener am Hofe war. Er war ein Künstler, wenn es darum ging, Muskeln zu entspannen und Knochen wieder in Position zu bringen. Tatsächlich hatte jener ihn des Öfteren durchgeknetet und ihn auch wieder eingerenkt. Dann tat es immer einen Knacks und die Knochen waren wieder an Ort und Stelle und man fühlte sich großartig. „Er hat mir recht geholfen.“ Tan war zudem nicht nur ein guter Masseur, er war auch was man so sagte: die Frau im Männerkörper. Und er hatte Glück, so exotisch zu sein, denn man ging davon aus, dass einfach alle asiatischen Männer so waren. Dass er auf Männer stand, verbarg er gekonnt.

„Lass uns anfangen“, sagte er noch einmal und holte das passende Eisen heraus. Alessio hatte angehoben und Rod brannte es kurz auf, zog es wieder herunter, um zu sehen, wie es passte. Dann ging er zum Amboss und passte es an, testete noch einmal und tauchte es dann in den Wassereimer, um es erkalten zu lassen.
 

Alessandro

Der am Hof gut geschulte Kardinal merkte beinahe sofort, dass es nicht nur ihn selbst überrascht hatte, Nico so plötzlich so viel Emotion versprühen zu sehen. Es passte einfach nicht wirklich zu seinem Bruder, zumal er eigentlich immer mit ihm redete. Offensichtlich hatte Dominico entweder bis Spanien nicht gewusst, was er mit Kieran anzufangen hatte, oder er hatte es wirklich vor ihnen beiden verheimlicht, denn Rod schien genau so wenig zu wissen wie er. Es gab ihm ein gewisses Gefühl der Genugtuung, auch wenn das sicher unangebracht war.

Nach dem Rod den Hof der Stute ausgeschnitten hatte und mit dem glühenden Eisen kam, drehte Alessio den Kopf leicht zur Seite um den beißenden Qualm nicht direkt einatmen zu müssen. "Ja, ich kenne Tan. Wer kennt ihn nicht? Jeder, der bisher mal auf einem Bankett des Königs war, kennt ihn. Die Frauen schwärmen in den höchsten Tönen von seinen akrobatischen Leistungen... ich glaube einige von ihnen würden ihn gerne mal in ihrem Schlafzimmer begrüßen, aber daraus wird wohl nichts." Denn auch Alessio hatte durchaus gesehen, wie Tan zum Beispiel den König ansah - nicht unbedingt die anwesenden Damen. Aber wegen seiner asiatischen Herkunft verzieh man ihm diese Eigenart wohl tatsächlich. "Er soll in diesem Fall tatsächlich der Beste sein. Ich glaube ich habe mich gestern beim Training auch übernommen, aber ein heißer Zuber heute Abend wird die Sache wohl wieder richten." Alessio war da recht praktisch veranlagt, außerdem halfen warme Umschläge oder durchblutungsfördernde Salben auch immer gut gegen diese Schmerzen. Er ließ den Huf der Stute wieder absinken und lehnte sich ein wenig gegen sie während Rod das Eisen bearbeitete. Seine Augen verfolgten das Spiel der Muskeln an Rods Schultern, als der mit dem Hammer auf das Eisen schlug.
 

Das erste Pferd war schnell erledigt, doch mit jedem weiteren Tier wurde es wärmer. Irgendwann rann Rod der Schweiß über den Rücken und auch Alessandro schwitzte, auch wenn seine Arbeit bei weitem nicht so anstrengend war. Um schneller voran zu kommen, schnitt Alessandro die Hufe teilweise schon selbst vor, einfach weil sie sich dann besser zuarbeiten konnten. Dennoch war das letzte Pferd erst in der Box, als die Sonne bereits untergegangen war und der Hof von Fackeln erleuchtet wurde. Alessandro trat in die laue Nacht hinaus und ließ den Schweiß auf seinem Körper trocknen, genoss das Gefühl zur Ruhe zu kommen, langsam aber sicher.

Einer der Hausdiener hatte ihnen Wein gebracht und Alessio setzte den Becher an und trank ein paar große Schlucke. Es war nicht gut, mit Rod zu arbeiten, wenn sie allein waren, vor allem nicht dann, wenn er ihn noch an alte Zeiten erinnerte. Alte Zeiten... wenn Alessandro ihn so halb nackt und verschwitzt arbeiten sah, dann dachte er durchaus an alte Zeiten, in denen er Rod sich nicht nur als Freund hätte vorstellen können. Und das Gefühl zumindest diesen Körper einmal zu fühlen, wurde präsenter denn je, wenn Alessio sich nicht ablenkte. Wie eine Süßigkeit, die man begehrte, aber nie bekam. Rod trat neben ihn und Alessandro hielt ihm den zweiten Becher hin. "Alte Zeiten, ja. Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern. Wie lange ist es schon her, dass wir das letzte Mal zusammen gefeiert haben? Vielleicht sollten wir das einfach mal nachholen und dir schadet ein heißer Zuber sicher auch nicht. Wir sollten den verdienten Feierabend begießen und vielleicht noch eine Kleinigkeit essen, was hälst du davon?" Es war sicher alles andere als klug, mit seinen Gedanken im Hinterkopf mit einem noch viel nackteren Rod in den Zuber zu steigen, aber gerade erschien es ihm logisch. Und wenn er sich nur schnell genug betrank, dann würde er einfach ins Bett wanken und schlafen. Das erschien ein guter und erstrebenswerter Plan, mit dem er vor allem diese Gedanken aus seinem Kopf töten konnte - für eine gewisse Zeit.
 

Rodrego

Rod lachte. „Nein, ich denke auch nicht, dass daraus ernsthaft etwas wird.“ Tan war quirlig, überdreht und einfach nur ein netter Kerl – die Frauen mochten ihn, weil er so unbedarft mit ihnen umging. Aber er stand definitiv auf Männer. „Und er ist wirklich gut“, stimmte Rod zu. Ein heißer Zuber – Rod lächelte, aber die Erinnerungen, die diese Worte mit sich brachten, waren auch nicht die angenehmsten. Er würde sich dafür noch entschuldigen müssen. Aber nicht jetzt, während sie Eisen auf die Hufe brannten und versuchten so wenig von dem beißenden Geruch wie möglich einzuatmen. Sie arbeiteten erstaunlich gut zusammen und Rod entspannte sich in Alessandros Anwesenheit zusehends. Er hatte beschlossen, die Geschichte, die der Brief in Erinnerung gebracht hatte, ruhen zu lassen. Er würde mit Nico reden, sobald es ihm möglich wäre, würde ihm den Brief zeigen, den er natürlich nicht verbrannt hatte. Und er würde mit ihm beschließen, was zu tun war. Ja, so würde er es machen. Und so arbeiteten sie gemeinsam, schweigend, in angenehmer Atmosphäre. Rod war Alessio dankbar dafür, dass er ihm half, und das Auftreten des anderen war seit langem das erste Mal wieder so, dass er sich wohl fühlte. Trug Alessio seine Robe, seine Ornate und diese ganze Staffage, kam er ihm immer so fremd, so weit weg und unnatürlich vor.

Die Arbeit war anstrengend, die lange Reise hatte die Hufe einiger stark beansprucht. Die jungen Pferde, die neu waren, rührte er für heute erst einmal gar nicht an. Er würde morgen sehen, wie gut sie bereits an den Umgang mit Menschen gewöhnt waren und inwiefern das Beschlagen bald möglich wäre. Als sie fertig waren, räumte er sein Werkzeug auf, schüttete über die Glut im Ofen Sand, damit die Glut bald erstickt sein würde und keine Gefahr mehr darstellte. Dann trat er hinaus in die kühlere Nacht und die frische, kühle Luft tat ungemein gut. Vielleicht sollte er sich jetzt für damals entschuldigen und so trat er zum anderen. Dieser hielt ihm einen Becher hin, den er nur zu gerne nahm und davon trank. Alessios Worte ließen ihn schmunzeln. „Ziemlich lang, mein Lieber“, seufzte er und haderte kurz mit sich. „Ich halte recht viel davon, ja, es würde mich freuen. Und Hunger habe ich definitiv genauso sehr, wie das Verlangen nach einem Bad.“ Er lächelte den anderen an. „Aber der Zuber bringt unangenehme Erinnerungen hoch. Ich wollte mich schon längst für diese Szene in Cambridge entschuldigen. Es war eine blöde Situation, an der du und Nico letztlich schuld gewesen seid. Aber ich hätte mich da nicht so reinziehen lassen sollen. Es tut mir leid.“ Er hatte damals mit dem Wissen gespielt, dass Alessandro ihn einmal begehrt hatte - und er den anderen ja auch... Aber Rod ging davon aus, dass Alessandro schon lange nicht mehr an ihn dachte, ihn schon längst vergessen hatte. Es war doch eigentlich schon lange her, seitdem sie sich so nahe gewesen wären, dass er manchmal an mehr als nur Freundschaft gedacht hatte. Vor allem seitdem er mit Nico zusammen gewesen war, kam es ihm so vor, als seien sie sich nicht mehr sehr nah gewesen - vielleicht hätte er es sich auch vorher nur eingebildet. Vorher waren sie alle drei sich sehr nahe gewesen. Doch Alessio war ihm immer fremder geworden, nachdem er zum Vatikan gegangen war. Zu oft hatte Rod das Gefühl gehabt, dass die Robe des Kardinals zwischen ihnen und ihrer Freundschaft stand. Er war damals auch in Rom gewesen, als seine Familie zerstört worden war. Und große Anteilnahme schien er nicht verspürt zu haben...
 

Aber an diesem Tag heute? Da fühlte es sich irgendwie wieder wie früher an. Wie sehr doch so blöde Kleidungsstücke einen Blickwinkel beeinflussen konnten. „Vergeben und vergessen?“, fragte er den anderen und sah ihn an, ihm den Becher Wein hinhaltend. „Oder sag mir, was ich machen kann, damit du mir das verzeihst.“ Selbst wenn Alessio sein Angebot nun doch noch zurückziehen würde, so würde er sich heute betrinken, hatte er sich soeben vorgenommen. Vielleicht würde ihm das helfen, doch wieder klarer zu sehen.
 

Alessandro

Das Anwesen hatte etwas wirklich Traumhaftes, wenn man es bei Nacht betrachtete, unter einem klaren Sternenhimmel. Ob sein Bruder den auch gerade sah? Vielleicht saß er mit Kieran in dem Zuber, draußen nahezu unter freiem Himmel.. und genoss die Nähe des jungen Arztes und die Ruhe. Alessandro hatte auch Ruhe, aber niemandem mit dem er sie wirklich teilen konnte. Zumindest nicht wie... nun, es biss sich die Katze in den Schwanz, wenn er weiterhin versuchte darüber nachzudenken. Der lauwarme Wein breitete sich angenehm in seinem Magen aus und erinnerte ihn daran, dass er dringend noch mal etwas essen musste, wenn er nicht schon nach dem ersten Becher in die Knie gehen wollte. Tatsächlich hatte auch er das Gefühl, dass ohne die rote Robe, die er sonst meistens trug, die Kluft zwischen ihnen weniger groß war, und doch war da immer noch ein fader Beigeschmack, wenn sie beide wohl an Zuber dachten.

Alessio hatte es eigentlich totignorieren wollen, wollte am liebsten nie wieder daran erinnert werden, doch Rod griff das Thema tatsächlich noch einmal auf, nachdem er zugestimmt hatte, mit ihm Baden zu gehen. Während er versuchte möglichst unbeteiligt auszusehen und seinen Blick zum Haupthaus hinüber schweifen ließ, zuckte Alessio mit den Schultern. Die Szene im Zuber hatte wirklich weitreichende Folgen für sie alle gehabt und Alessandro hätte vielleicht... ja, was hätte er getan, wenn Nico und Rod ihn nicht so provoziert hätten?

Wenn sie nur zu zweit in diesem Zuber gesessen hätten, bei Wein und ein paar Happen? Vielleicht hätte er Fin ausgeladen. Vielleicht wäre ihm ihre Freundschaft wichtiger gewesen. Dann wäre Fin noch am Leben.. aber Anne Boleyn vielleicht tot. Henry vielleicht tot? Wer konnte das schon wissen. Vielleicht wären dann all die Frauen und Männer noch am Leben, doch Rod mit in das hinein zu ziehen was seine eigene Schuld gewesen war? Das war weder fair noch richtig. So seufzte er nur und zuckte mit den Schultern. "Du hast mir Zweifelsohne ziemlich die Laune verhagelt an diesem Abend. Aber es hat geholfen... ich hatte keine besonders große Lust mehr auf mein "Spielzeug", wie du es so treffend beschrieben hast.. letztlich hat es dazu geführt, dass ich ihn wohl zu hart angegangen bin und dabei ein paar Worte gefallen sind, die vielleicht dem König das Leben gerettet haben. Du hast es sicher mitbekommen." Es gab kaum jemanden, der es NICHT mitbekommen hatte, dass einige Rebellen ihr Leben gelassen hatten. "Wir sind denke ich, einfach aus dem Alter heraus, solche dämlichen Wetten abzuschließen. Und da ich selbst nicht unschuldig an der Situation war ,ist es vergessen.. aber es gibt wirklich etwas, das mir dabei helfen würde, dir zu verzeihen." Er schmunzelte leicht, während er sich in Bewegung setzte, um zum Haus hinüber zu gehen. "Ich mache mir Sorgen um meinen Bruder. Kieran ist... wirklich ein netter Kerl. Er ist klug und er weiß, welchen Stand Nico inne hat. Er sorgt sich darum, nicht entdeckt zu werden.. und dennoch habe ich ein ungutes Gefühl bei dieser Sache. Vielleicht, weil ich es nicht kontrollieren kann. Oder vielleicht gerade, weil ich es könnte aber nicht will? Ich als sein Bruder könnte ihm bestimmt ein schlechtes Gewissen einreden, aber ich möchte ihm nicht im Weg stehen, wenn ich ihn doch endlich mal wieder glücklich sehe. Dann ist es wenigstens einer von uns." Er leerte den Becher und gab ihn an der Haustür einem der Diener, die sie bereits in Empfang nahmen. "Mylord, wir dachten ein Bad im Wintergarten könnte Euch gefallen in dieser schönen Nacht. Wenn Ihr nicht damit einverstanden seid, so lassen wir den anderen Zuber sofort füllen." Alessio schürzte kurz die Lippen und schüttelte dann den Kopf. "Nein, ich denke ein wenig hinaussehen und die Nachtluft genießen wird nicht schaden." Und das tat es tatsächlich nicht.
 

Rodrego

Rod merkte deutlich, dass der Vorfall damals in Cambridge dem anderen noch immer nachging. Alessio konnte ihn nicht ansehen, zuckte nur mit den Schultern und schien mit sich zu hadern, bevor er ihm bestätigte, dass es ihm nahe gegangen war. Und Rod war froh zu hören, dass Alessio es vergessen wollte. Ja, diese Geschichte hatte einiges nach sich gezogen. Der blonde, selbstverliebte Fratz, der für seinen Geschmack auf unangenehme Weise selbstgefällig aufgetreten war, schien eine Art Spion gewesen zu sein. Das Ganze war aus dem Ruder gelaufen. Rod hatte die Männer, Frauen und Kinder hängen gesehen und einen Alessio daneben, der ihm so fremd vorkam, dass es ihn zutiefst erschreckt hatte. Lieber jetzt, wo der andere so zerbrechlich vor ihm stand, nicht daran denken. Denn genau das war es, was ihn immer mehr auf Abstand hatte gehen lassen. Diese schier zwigespaltene Persönlichkeit des anderen, bei der er oft nicht mehr wusste, welche die richtige war. "Es ist alles ein wenig eskaliert, denke ich", sagte er nur knapp.

Er nickte daraufhin und als der andere erklärte, er könne etwas für ihn tun, sah er ihn an und hörte den Ausführungen zu, während er dem anderen zum Haus folgte. Und die Worte, die nun folgten, freuten und verwunderten Rod in gleichem Maße. Alessio war ein Mann der Tat und besonders wenn es um seinen Bruder ging, zögerte er eigentlich nicht, zu handeln, wenn er sich Sorgen machte. Es freute ihn, zu hören, dass der Mann mit dem Nico nun liiert war, offenbar Nico glücklich machte. Und daher schmunzelte er, als er hörte, dass Alessio diesem sein Glück gönnte. Allerdings schwand das Schmunzeln, als er den letzten Satz hörte. Hm, da schien jemand melancholisch zu sein. Und ein wenig konnte er es verstehen. Rod wusste, wie schön es war, jemanden an seiner Seite zu wissen, jemanden, den man liebte, den man begehrte und der einen das auch zurückgab. Er wusste, dass Alessio sich eigentlich nahm, was er begehrte, aber echte Zuneigung konnte man eben nicht nehmen oder bezahlen. Es stimmte Rod ein wenig nachdenklich, dass das dem Kardinal doch mehr zusetzte, als er gedacht hätte. Das war ihm doch sicher bewusst gewesen, dass die Robe ihn einsam machte, oder? Aber es zu wissen und etwas zu 'leben' war ein Unterschied. Und Alessio war es nicht wirklich überlassen worden, was er mit seinem Leben anfing. Rod fragte sich, ob diese Kälte, die er in Cambridge wahrgenommen hatte, wohl einfach ein Schutzschild gewesen war.

Auch er leerte den Becher auf einen Zug und übergab ihn. Er sollte genau wie Alessio dringend etwas essen, bevor er weiter trank.



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