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Intrigo e amore

And it's with you that I want to stay forevermore
von
Koautor:  Coventina

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London 3 - Backgammon

John

Auch wenn er es kaum noch für möglich gehalten hätte, so hatte John es letztlich doch noch geschafft, sich wieder auf das zu konzentrieren, weswegen er eigentlich auf das Anwesen der Sforzas gekommen war. Anfangs hatte er sich öfters bei den Gedanken an Tancred erwischt und an das, was er empfunden hatte, als sie sich so nahe gekommen waren, als sie sich geküsst hatten. Schließlich hatte er es jedoch geschafft, das zurückzustellen und zu verdrängen. Letztlich war das doch vollkommen unwichtig, oder? Ein Flirt, bei dem eben Giulia reingeplatzt war. Na und? Nichts von Bedeutung. Dass er dabei war, seine Prinzipien zu brechen und zu versuchen, Tancred noch einmal in sein Bett zu bekommen – nun, dann war es halt so. Das hatte er gestern schon akzeptiert. Es würde ihn schon nicht umbringen. Oder?

Die kleine Glocke der Kapelle auf dem Anwesen der Sforzas verkündete die 8 Stunde nach Mittag, als John registrierte, wie spät es bereits geworden war. Er blickte sich um und entschied, dass er sich fast schon beeilen müsste, wenn er nicht gestresst in London ankommen wollte. Er räumte in Ruhe auf, verzeichnete Ergebnisse und kontrollierte noch einmal wichtige Präparate und Versuche. Schließlich ließ er sich sein Pferd wieder geben und ritt in Richtung London. Er hatte verdammt großen Hunger und keine rechte Lust noch mehr Zeit zu verlieren. Also beschloss er, in der Innenstadt in einer Taverne noch etwas zu essen, bevor er dann auch direkt zu eben jener Spielstätte gehen würde, wo er den Rest des Abends verbringen würde. Er gab sein Pferd ab, erklärte dem Schmied, der ihm das Tier immer wieder zur Verfügung stellte, dass er es wohl auch am nächsten Tag bräuchte, und ging dann etwas essen.

Als er gegen 23 Uhr das Hinterzimmer betrat, waren schon viele Männer anwesend. Diese Spielhölle existierte nicht jeden Tag, nur an bestimmten Wochenenden. Nur, wenn man eingeladen oder mitgebracht wurde, von jemanden, der schon Mitglied war, bekam man überhaupt Eintritt. John war schon lange nicht mehr hier gewesen und doch wurde er durchgewunken. Er war gespannt, ob man ihn heute spielen lassen würde, denn das vergangenen Mal hatten sie ihn darauf hingewiesen, dass er hier nicht willkommen sei, wenn er tatsächlich Karten zählen könne. Nun, er hatte da für solche Dinge nun mal ein Talent. Wieso also nicht ausnutzen, oder? Aber heute war ihm eh nicht nach Karten spielen – er wollte lieber Backgammon spielen, wie es auch sein erster Wunsch gewesen war. So visierte er zielstrebig eine Ecke des Raumes an, wo er sich alsbald setzte, um herauszufordern. Er liebte diese Mischung aus Können und Glücksspiel. Letztlich gewann der, der die beste Übersicht hatte und gleichzeitig das beste Würfeltalent. Schnell fand err sich in seinem Element, einen Krug Bier in der Hand und eine Zigarette im Mundwinkel.
 

Tancrèd

Der Ritt zurück nach London half, Tancred wieder auf den Boden der Tatsachen zu bringen. John machte ihn wirklich zum wilden Tier, weil er einerseits nichts sehnlicher wollte, als John wieder in sein Bett zu holen und andererseits eben genau das zu verhindern versuchte - denn er wollte John nicht verlieren. Als er durch die Stadttore ritt, war er sich zumindest sicher, dass es John genau so gegangen war wie ihm. Dieser Kuss hätte nicht so lange gehen sollen, doch er war nunmal so lange gegangen und sie hatten aneinander gehangen.. und es war herrlich gewesen. Mit einem Grinsen auf den Lippen kam Tancrèd am Gasthaus an, gab das Pferd ab und eilte dann hinauf in seine Räumlichkeiten.

Zu seiner großen Verwunderung war Kadmin ausnahmsweise da und sah genau so überrascht auf, als er Tancred durch die Türe kommen sah. "Das ging aber schnell... sind sie alle in Portsmouth ausgeflogen?" Tancred winkte ab. "Ich bin nicht mal dorthin gekommen. Brandon hat mich abgefangen. Es gab einiges zu besprechen." Das reichte, um Kadmin in Kenntnis zu setzen, und der wusste ganz genau, dass er nicht weiter zu fragen hatte. Der Kapitän ließ sich an den Tisch fallen, auf dem einiges an Essen stand, und er bediente sich ungefragt, was Kadmin zwar registrierte aber nicht kommentierte. Es war in Ordnung, immerhin kümmerte sich Tancred sonst auf dem Schiff auch um sein Wohlbefinden.

Doch dass etwas mit seinem Kapitän nicht stimmte, das merkte auch Kadmin. Denn Tancred versank gerade wieder in Gedanken an das, was er gerade getan hatte.. und nahm den Mann, der ihm gegenüber saß, nicht mehr wahr. Kadmin musste dreimal nachfragen, um Tancred zu einer Reaktion zu bringen. "Hey! In welchen Höhen fliegst du denn gerade herum?" Tancred blickte auf. "Hmn. Ich frage mich nur, was ich mit diesem langweiligen Abend anfangen soll. Ich habe keinen Bedarf, noch einmal in den Palast zu gehen und mir dieses Geschwafel anzutun..." Kadmin wusste, dass Tancred log. Zumindest wusste er, dass das hier nicht die Hauptsache dessen war, warum Tancred gerade so abwesend wirkte, doch der erste Maat fragte nicht nach - er wusste, dass diese Verschwiegenheit genau der Punkt war, der ihn in seine Position gebracht hatte. "Dann gehen wir spielen."

"Hm.." Keine wirkliche Antwort, doch die hatte Kadmin auch nicht erwartet. Er stand auf, schlug mit der Hand auf den Tisch und Tancred zuckte merklich zusammen, war aber wieder im Hier und Jetzt angekommen. "Was?"

Kadmin verdrehte die Augen. "Ich dachte, Huren in edlen Stoffen seien meine Leidenschaft? Na los! Du siehst aus, als könntest du schlechtes Ale und Spiele gebrauchen. Los!" Ohne weiter zu warten ging Kadmin Richtung Tür. Tancred runzelte die Stirn, doch ohne darüber nachzudenken, folgte er seinem ersten Maat.
 

Sie gingen zu Fuß in die die Innenstadt hinein, in der es viele kleinere Tavernen und Kneipen gab, die schnelles Vergessen für wenig Geld anboten. Doch während sie gingen, merkte Tancred bereits, dass Kadmin heute anderes im Schilde führte... Vermutlich der Grund dafür, dass er so "klar" und nüchtern eben noch im Zimmer gesessen hatte - denn auf das Spiel, das er vorhatte zu spielen, musste er sich vorbereiten. Und tatsächlich! Als sie die Taverne betraten, steuerte Kadmin ziemlich zielsicher eine unscheinbare Hintertür an. Tancred folgte ihm langsam und war einmal mehr dankbar, auf die teure Jacke verzichtet zu haben. Der Mann, der nahe der Tür stand, fing schon breit an zu grinsen, als er den Araber sah. Als Kadmin vor ihm stand, klopfte er ihm freundschaftlich auf die Schulter. "Wieder bereit zu verlieren, mein Lieber?" Kadmin grinste verschmitzt und behauptete, heute sicher eine Glückssträhne zu haben. Falls nicht, so habe er Nadim mitgebracht, der noch schlechter sei als er. Wenn es etwas gab, das diese Glücksspieler schätzten, dann Männer mit Geld, die nicht spielen konnten. Wie sehr sie sich doch täuschten...

Während Tancreds Gesicht naiv und dümmlich in den Raum starrte, musste er innerlich lachen und gleichzeitig den Hut vor Kadmin ziehen. Sie wurden in den Hinterraum gelassen, der schlecht beleuchtet und verqualmt genau die Welt wiederspiegelte, in der Kadmin sich gerne aufhielt. In der er sich oft aufhielt.. und das nicht nur in London.

Wenn es auf dem Schiff eine Flaute zu verzeichnen gab, dann vertrieben sich die Männer Zeit mit Karten oder Brettspielen. Sie waren regelrecht süchtig danach, auch nach den einfachsten Würfelspielen. Sie waren alle Meister ihres Faches.. von wegen verlieren! Doch um überhaupt noch in diese Räume eingelassen zu werden, hatte Kadmin sich einer einfachen Technik bedient. Er konnte unglaublich glaubhaft einen naiven Ausländer mimen, der keine Ahnung von den Spielen hatte, die gespielt wurden. Während er sie "lernte", verlor er immer wieder.. nur um sich alles Geld anschließend, durch List und Tücke, getarnt als plötzliche Glückssträhne zurückzuholen. Er war so glaubhaft, dass niemand ihm unterstellte, diese Züge von Beginn an zu planen.. und Tancred musste jedesmal darüber lachen.

Während Kadmin sich direkt an einen der Tische setzte und loslegte, ging Tancred ein wenig beobachtend durch den Raum. Es gab Karten, es gab Würfel und es gab... Er blieb beinahe wie vom Donner gerührt stehen, als er John in einer Ecke des Raumes entdeckte. Er sah ihn nur von hinten, doch das war John, daran gab es keinen Zweifel. Der Zufall wollte wohl, dass sie immer wieder aufeinander prallten.. Tancred schlenderte weiter bis an eine Wand, von der aus er John von hinten beobachten konnte, genau so wie das Spiel, das er spielte. Backgammon.. es war Tancred auch nicht unbekannt. Andere Männer hatten sich ebenfalls versammelt, um zuzusehen, da John gerade dabei war sein Gegenüber auszunehmen, was er ganz offensichtlich genoss. Wie er dasaß, den Krug Bier in der Hand und den Tabak im Mundwinkel... Tancred musste beinahe lachen über so viel "Verwegenheit". Johns Geschick und Würfelglück beendete die Partie kurz darauf und der Mann erhob sich vom Tisch, wirkte leicht angefressen. Doch er vermied es, John wegen irgendetwas zu beschuldigen. Anscheinend war er sich bewusst, dass John einfach besser gewesen war. Der Platz gegenüber John blieb leer, keiner der umstehenden traute sich in diesem Moment John heraus zu fordern, man schien erst warten zu wollen, was der Kumpane zu berichten hatte.. Doch Tancred scheute sich nicht. Er ging einmal um den Tisch herum und ließ sich auf den Stuhl gegenüber von John fallen. Auf dem Weg hatte er der Bedienung einen Krug Ale abgenommen und machte ein Gesicht, als sei es nicht das Erste. "Na guten Abend, der Herr!"
 

John

Das Schöne an diesem Ort war, dass er einfach spielen konnte und dabei Geld verdiente. Das Blöde war, dass viele ihn schon kannten und mieden. Er hatte einfach bei Backgammon einen guten Überblick und auch die Würfel waren ihm meist gewogen. Sein Pokerface bei diesem Spiel war vor allem von Gleichgültigkeit geprägt. Selbst wenn es einfach nur gut für ihn lief, verriet seine Miene nichts von seinen Emotionen, sofern er die überhaupt hatte. Klar freute es ihn, wenn er sich ein Taschengeld verdiente. Und ja, er fand es auch ein wenig amüsant, wenn jemand wieder und wieder versuchte, ihm das Wasser zu reichen. Aber letztlich war er nur hier, um zu spielen, um einmal an etwas anderes zu denken als an Medizin, Arzneimittel und seinen Vater – und momentan wohl auch an Tancred, der ihn seiner Meinung nach am heutigen Tage ohnehin schon zu oft im Kopf herumgespukt hatte. Daher wirkte er sehr unbeteiligt, was wohl den ein oder anderen sicher auch störte, als er das Spiel zu Ende brachte und kurz lächeln musste, als er sah, wie hoffnungslos der andre noch dastand. Er blickte kurz auf, als der andere sich erhob und ihn mit einem giftigen Blick versah. John wäre nicht John, wenn ihm das nicht völlig egal wäre. Er trank sein Bier aus und nahm einen Zug von der Zigarette, die er anschließend am Boden ausdrückte.

Offenbar wollte niemand mehr mit ihm spielen und so ging es ihm oft, wenn er hier war. Nun ja, dann würde er sich wohl ein wenig umsehen und später schauen, ob er noch jemanden auftun konnte, der mit ihm spielte. Er machte sich daran, die Münzen in einen Beutel zu klauben, als sich doch jemand zu ihm setzte. John blickte zunächst nicht auf, mit sich hadernd, ob er wirklich gleich noch einmal spielen wollte. Schließlich hatte er sich eben noch mit dem Gedanken angefreundet, sich ein wenig umzusehen. Außerdem brauchte er neues Bier. Doch als der andere ihn ansprach und begrüßte, schnellte sein Kopf nach oben und er hatte Mühe, nicht sehr erstaunt zu schauen. Was machte den Nadim hier? Verfolgte er ihn? Oder war es reiner Zufalle, dass er hier war? Er hatte ihn hier noch nie gesehen… Wie war er reingelassen worden? Einen Moment überschlugen sich die Gedanken, während John den anderen nur anstarrte. Dann senkte er den Blick wortlos und zählte die Münzen weiter in seinen Beutel. Schließlich, als er geendet hatte, sah er wieder auf. „Ebenfalls einen schönen guten Abend, der Herr“, sagte er dann langsam, abschätzend. Denn er wusste nicht so recht, was er jetzt wirklich tun sollte. Zum einen hatte er schon irgendwie Lust, mit dem anderen zu spielen, zum anderen, wollte er es aber auch lieber nicht. „Ihr wollt spielen? Habt Ihr schon einmal Backgammon gespielt?“ Letztlich hätte er sich diese Frage sparen können, denn in den Kneipen am Hafen spielten die Seemänner alle möglichen Spiele. Es wäre also ein Wunder, wenn Tancred keine Ahnung hätte. Wenn er klug war, dann würde er jetzt behaupten, dass er es nur hin und wieder gespielt hätte, oder so…

„Ich weiß noch nicht so recht. Eigentlich wollte ich mir gerade etwas zu trinken holen und mich umsehen. Was wäre der Einsatz, damit ich hier sitzen bleibe und mit Euch spiele?“, fügte er letztlich provokant hinzu. Irgendwas in ihm warnte ihn davor, sich auf ein Spiel mit Nadim wirklich einzulassen. John kannte seinen Ehrgeiz und mit einem Bekannten zu spielen, konnte ziemlich übel ausgehen…
 

Tancrèd

Wenn John überrascht war, dann hatte er ein Talent dafür, es nicht zu offen zu zeigen. Tancred sah zu Kadmin hinüber, der bereits an einem der Kartentische saß und sich ein Ale nach dem anderen einflößen ließ, was er lautstark kommentierte und dabei tunlichst darauf achtete, einen arabischen Akzent an den Tag zu legen. Manchmal war Tancred der Meinung, der Mann hätte wesentlich besser Schauspieler werden können als Pirat.. aber gut, jeder wählte Hobbies und Beruf ganz für sich allein. Er gab John die notwendige Zeit, die der brauchte, um seine Münzen zu sortieren, und sich zu fangen, bis er bereit war ihm zu antworten. Tancred zuckte mit den Schultern. "Ich denke, wenn man hier ist, will man spielen." Tancred löste seine Börse von seinem Gürtel und legte sie auf den Tisch neben das Spielbrett, danach nahm er einen Würfel und drehte ihn nachdenklich in der Hand, ließ ihn probeweise über das Feld rollen. Er würfelte wie ein normaler Mensch würfelte, ohne besonderen Stil.. eben einfach würfeln. Sein Blick glitt über das Spielbrett und die Steine.. John hatte mit Backgammon gewonnen, es lagen noch immer Steine im Startfeld des Gegners.. eine herbe Niederlage. Natürlich kannte Tancred die Regeln.. und er kannte vor allem die Regeln, den anderen zu blockieren, indem man seine Steine aus dem Spiel warf und ihn so zwang, sie erst wieder ins Spiel zu bringen, ehe man auswürfeln konnte. Er zuckte trotzdem mit den Schultern. "Ihr wisst, dass ich Seemann bin und meine Mannschaft spielt alle möglichen Spiele. Ich denke, ich habe auch schon Backgammon gespielt. Ich bin mir nicht sicher, ob ich die Regeln genau kenne, aber Ihr werdet mich sicher erleuchten." Er öffnete seine Börse und holte die einzigen beiden Münzen heraus, die sie enthielt. "Außerdem habe ich nicht besonders viel. Und um euch die Qual zu erleichtern gegen mich zu spielen, spendiere ich euch ein Ale..." Er winkte die Bedienung heran, die John einen neuen Krug brachte. Am anderen Tisch fluchte Kadmin gerade äußerst faszinierend und glaubhaft los, während die anderen Spieler jubelten, weil Kadmin offenbar viel gesetzt hatte. Tancred musste sich das Lachen verkneifen. Er bezahlte das Ale und nahm das wenige Wechselgeld entgegen, das von seinem ohnehin schon mikrigen Vermögen übrig geblieben war. Er musterte die Münzen in seiner Hand und legte sie dann neben das Spielbrett. "Ich denke für eine oder zwei Partien wird es reichen, oder nicht?" John hatte gerade um weniger als das was jetzt auf dem Tisch lag gespielt, aber es war längst nicht alles was Tancred bei sich trug. In solchen Etablissements war es aber als Europäer nicht klug, zu viel Geld zu zeigen. Kadmin hatte es da besser.. er war einfach der idiotische reiche ausländische Matrose, der nur mit viel Glück große Summen gewann. "Also, wie sieht es aus? Spielt Ihr mit mir? Ich könnte auch mein Hemd setzen, es ist aus bestem Leinen.. falls Euch der Einsatz nicht genügt. Ihr könnt es sicher teuer weiterverkaufen."
 

John

John folgte einen kurzen Moment dem Blick des anderen. Ein Araber, den er schon ein paar Mal hier gesehen hatte, saß am Kartentisch und blendete alle mit der Masche des naiven Ausländers. Nun, John hätte ihn nicht beachtet und wenn, dann wäre es ihm egal gewesen, ob jener spielte oder wirklich naiv war, aber dadurch, dass er wohl zu Tancred gehörte, wirkte dieses Bild, das der imposante junge Mann dort drüben abgab, irgendwie nicht richtig. Wenn dieser Mann dort drüben ein guter Schauspieler war, dann der Mann vor ihm auch. Er würde ihn nicht unterschätzen dürfen und das machte die ganze Geschichte hier wieder so unwägbar. Sollte er sich darauf einlassen?

Aber Tancred schien das wirklich zu wollen, zumindest legte jener sein Geld heraus, das verhältnismäßig wenig für jemanden war, der für den König ein Kriegsschiff steuerte. Aber das Augenscheinliche war in dieser Welt hier ohnehin nie die Wahrheit. Das begriff er auch sogleich, als Tancred fortfuhr und ihm weiszumachen versuchte, dass er wohl schon mal gespielt habe, aber die Regeln nicht so kenne. Johns Augenbraue huschte einen Moment zweifelnd nach oben. Tancred schien zu versuchen, ihn in ein Spiel zu drängen, was er wohl selbst auch angefangen hatte. Aber sollte er sich darauf einlassen? Er nahm das Bier mit einem dankenden Nicken entgegen und trank nachdenklich einen Schluck, als der andere ihm erklärte, dass sein Geld wohl schon für zwei Runden reichen könnte, und ihn nun bat, ihm zu sagen, ob er mit ihm spielen würde. John sah ihn an, als der andere sagte, er könne auch sein Hemd setzen. Meinte der andere das ernst? Offensichtlich… „Hm, sogar ausziehen würdet Ihr Euch für eine Partie mit mir, obwohl Ihr mir gerade auch schon das Bier bezahlt habt. Nun, dann möchte ich mal nicht so sein“, sagte er daher und zuckte scheinbar unbeteiligt mit den Schultern. Aber eigentlich fand er das hier gerade sehr amüsant. „Ich werde allerdings keine Regeln erklären, das ist nicht meine Aufgabe und ich bin mir sicher, dass Ihr die wenigen Regeln ganz gut beherrscht.“ Nein, Regeln zu erklären bedeutete immer, dass man Taktiken preisgab und mehr über sich und seine Spielweise erzählte, als einem von Vorteil sein konnte. Wenn der andere spielen wollte, müsste er selbst sehen, wo er blieb. Wenn er falsch spielen würde, würde er es ihm zeigen, so oder so. „Ich weiß nur nicht, ob ich etwas Vergleichbares habe. Mein Hemd ist wesentlich weniger wertig als das Eure.“ John kannte sich. Er durfte das nicht zu ernst nehmen hier. Sonst wurde er verbissen und das war nicht das, was hier angebracht war. Vielleicht, so dachte er, sollte er es als eine weitere Runde ihres scheinbar andauernden und immer wieder unterbrochenen Flirts sehen… Eine Fortsetzung von heute Mittag, nun irgendwie doch ganz anders… Er durfte nicht anfangen, ehrgeizig zu werden – das sagte er sich immer wieder, während er die Steine sortierte und dem anderen das Spielfeld so frei räumte, dass man anfangen konnte. Dann nahm er einen Würfel und würfelte eine Vier. Herausfordernd blickte er den anderen an, damit jener seinen entscheidenden Wurf machte, der zeigen würde, wer die Partie beginnen durfte.
 

Tancrèd

Für John schien Kadmin ein offenes Buch zu sein, doch dessen Show war für jemanden der wusste, dass er sie spielte, wirklich leicht zu durchschauen. Aber die, die mit Kadmin spielten, sahen nur das schnelle Geld, das der Araber versprach, denn er setzte gerne hoch und trieb damit auch die anderen Spieler zu unvorsichtigen Einsätzen. So gewann Kadmin und vervielfachte sein verdientes Geld und Tancred ließ ihn. Innerhalb der Mannschaft nahmen sich die Männer auch immer wieder Geld ab, aber auf einem Schiff blieb der Wert meistens gleich.

Seine Konzentration richtete sich wieder auf John, der scheinbar einverstanden war mit ihm zu spielen und er nickte. "Naja, wenn man nicht bereit ist, das letzte Hemd für die Ehre zu geben, sollte man nicht anfangen zu spielen - das ist meine Meinung." Er trank noch einen Schluck Ale und fing dann an, spiegelverkehrt zu John, seine Steine auf das Feld zu bringen. Da John ihm einfach eine Farbe zuteilte nahm Tancred sie, auch wenn er darauf hätte bestehen können, die Farben und das Startfeld auszuwürfeln - aber wozu? Das Feld war gleich, es gab keinen Vorteil. "So wie ich das sehe habt ihr mehr gewonnen als ich heute Abend noch setzen könnte, also sehe ich kein großes Problem."

Dass John die Regeln nicht erklären wollte, hatte Tancred sich fast gedacht. Genauso wie er sich dachte, dass John dem Braten nicht traute, dass Tancred keinen blassen Schimmer von diesem Spiel hatte. Nun, es würde sich zeigen, wie gut Tancred darin war, John das zu beweisen.

Die Steine lagen bereit und John machte den ersten Wurf. Eine vier war eine recht gute Zahl, immerhin lag sie in der oberen Hälfte der Würfelanzeige. Tancred nahm den Würfel entgegen und wog ihn in der Hand. Jemand wie er, der auf dem Schiff beinahe täglich mit Würfelspielen zu tun hatte, konnte mit relativer Zuverlässigkeit Zahlen würfeln, wenn er Gewicht und Bewegung des Würfels kannte. Hier war das nicht so, doch er versuchte es trotzdem. Mit der nötigen Portion Glück gelang es ihm unterhalb der Vier zu liegen - und tatsächlich, der Würfel kippte auf die zwei. Damit war John am Zug und für Tancred war es nicht das Schlechteste, zuerst einmal zu sehen, wie John spielte. Er hob die Schultern und setzte ein leichtes Grinsen auf. "Tja, Euer Anfang. Aber vielleicht lerne ich dann etwas mehr darüber, wie man am besten rückt." Er trank noch einen Schluck Bier und öffnete einen Teil seines Hemdes. Scheinbar nur weil er schwitzte, denn in dem stickigen Raum stand ihm wirklich bereits der Schweiß auf der Stirn. Aber vielleicht konnte ein wenig Ablenkung auch nicht schaden. Immerhin ging es bei diesem Spiel um Taktik und Voraussicht.. und die hatte Tancred und hoffte, sich darin mit John messen zu können.
 

John

Ehre - wer besaß denn wirklich noch 'Ehre'? John hob einen Moment die Augenbraue, erwiderte darauf aber lieber mal nichts. Wobei er sich bei Tancred schon vorstellen konte, dass jener wirklich so etwas wie Ehre besaß, auch wenn jener sicher genauso log und betrog wie jeder andere, wenn es darum ging, einen Vorteil aus einer Situation zu ziehen. Ehre hin oder her - jeder Mensch war sich selbst der nächste und wirklich ehrenhafte Menschen gab es in Johns Augen sehr sehr selten. Wenn Tancred wirklich eine solche besaß, dann sollte es auch sein gutes Recht sein, diese bis auf das letzte Hemd zu verteidigen.

John nickte kurz, als Tancred ihm erklärte, dass er ja an diesem Abend bereits mehr gewonnen hätte. Wenn er verlieren würde, würde er zumindest darauf achten, dass er ein wenig Gewinn behielt. Er war jemand, der gut aufstehen konnte, wenn er denn wollte. Er war niemand, der sich blind ein ums andere Spiel lieferte. Interessant fand John bei diesen Gedanken jedoch, dass er einräumte, gegen den anderen verlieren zu können. Tancred tat so, als habe er noch nie wirklich gespielt. Aber igendwie kaufte er das dem anderen so gar nicht ab. Als er sah, wie jener die Würfel in der Hand rollte, bevor er warf, war ihm zumindest klar, dass jenem das Würfeln bestimmt nicht neu war. Wie bei jedem Spiel wurden auch hier neue Würfel verwendet. Alle Würfel hatten nun einmal andere Schwerpunkte, andere Eigenarten. Es dauerte ein paar Würfe, ehe man den Würfel kannte und zumindest ansatzweise bestimmen konnte, was geworfen wurde.

Tancred würfelte eine niedrigere Zahl als er, so dass er beginnen durfte. Er startete das Spiel und merkte, dass Tancred zunächst recht passiv war. John lehnte sich etwas zurück, trank in Ruhe sein Bier und atmete durch. Er merkte, dass ihn das Spiel mit dem anderen irgendwie ein wenig stresste. Besonders in jenen Momenten, in denen er den anderen kurz ansah, während dieser überlegte, und sein Blick mal hierhin, mal dorthin wanderte - zu dem geöffneten Knopf, den Oberarm, dessen Muskeln sich daunter abzeichneten, wenn Tancred sich leicht streckte. Den Gedanken an den Morgen, an dem sie so abrupt unterbrochen worden waren, vermied er, so gut es ging. Doch dieser elendige geöffnete Knopf dort vor ihm, versuchte genau das zu verhindern.

So spielten sie eine Weile. John merkte, dass der andere offensichtlich wirklich nicht so oft spielte, weil jener hin und wieder die Übersicht verlor, so dass ein Stein liegenblieb, den John dann aufsammel und Tancred damit blockierte. Letztlich war es ein Herantasten. John versuchte gelassen zu bleiben und einfach sein Spiel zu machen.
 

Tancrèd

Das ganze war eine Kunst, die Tancred in seiner Zeit als Kapitän gemeistert hatte. Früher einmal, als er noch wirklich jung gewesen war, da hatte sein Mentor, der ihn im Schwertkampf betreute, stets gesagt, Tancreds Gesicht sei ein offenes Buch, wenn er angestrengt war. Und seitdem war jede Bemühung dieses Mannes dahin gegangen, ihm das Pokerface zu verleihen, dass in Tancreds Kreisen so unglaublich notwendig war. Er war daher schon immer gut darin gewesen, Desinteresse vorzugaukeln, doch seit er an Bord dieses Schiffes gekommen war, mit dieser Mannschaft - da hatte er schnell gelernt, das Desinteresse nicht reichte. Im Grunde war er ja auch wirklich naiv gewesen. Er hatte dieses Schiff und die Mannschaft aus dem Boden gestampft, nur mit Geld und ohen Erfahrung. Er hatte keinem dieser Männer trauen können und genau das hatte sich kurz darauf auch auf See bemerkbar gemacht. Sie hatten nichteinmal eine Meuterei anzuzetteln brauchen, er wusste einfach viel zu wenig von der Schifffahrt, als das er ein geeigneter Befehlshaber auf dem Meer gewesen wäre. Doch Tancred hatte es geschafft durch Geschick, List und Tücke seine Mannschaft so gegeneinander aufzuwiegeln, dass letztlich keiner den anderen unterstützen wollte und allein gegen den Franzosen hatten sie alle kläglich versagt. Selbst eine echte Meuterei unter Anführung von Kadmin, war an seiner Weitsicht und seiner Einsatzbereitschaft gescheitert. Als ihnen bewusst geworden war, dass der Mann sie ausgetrickst hatte, hatten sie begriffen, dass er vielleicht unerfahren, ganz sicher aber nicht dumm war. Nach diesen ersten Zusammenstößen, die ihn im Endeffekt näher an seine Mannschaft gebracht hatten, hatte Tancred gelernt, jede Emotion vorzutäuschen, auch wenn er eine ganz andere empfand - und das half ihm gerade sehr in diesem Spiel.

Er rief sich zur Ruhe das Spiel nicht all zu ernst zu nehmen. Was er hier verlieren konnte war kaum von Wert für ihn und damit egal. Es ging darum, Zeit mit John zu verbringen und mehr über ihn herauszufinden, auch wenn sie nicht sprachen. Sobald John am Zug war beobachtete Tancred den jungen Mann aufmerksam. Sein Blick glitt über Johns Hände, die den Bierkrug hielten, die legere Kleidung, die lockere Haltung. Eine Spur zu locker, um bequem zu sein, Tancred sah es an Johns Schüsselbein das deutlicher hervortrat, als es im Normalzustand gewesen wäre. Er merkte, dass John ihn seinerseits beobachtete, sein Blick über Tancreds Unterarme strich und die breiten Schultern bis hin zu dem schmalen V in dem geöffneten Hemd. Beinahe beiläufig öffnete er einen weiteren Knopf und wischte sich unsichtbaren Schweiß mit dem Hemdsärmel von der Stirn als John am Zug war. Das Spiel seines Gegenübers wurde selbstsicherer, er schien zu erkennen, was Tancreds Intention von Beginn an gewesen war: einen Gelegenheitsspieler zu mimen, der Fehler machte. Durch die Fehler, die er machte, brachte er John dazu, auf genau diese Fehler zu warten, um ihn festzusetzen.

John war bereits dabei, seine Steine auszuwürfeln, als Tancred nach wie vor alle Steine auf dem Feld, zum leichten Angriff überging. Zunächst würfelte er und wollte schon rücken, als es ihm scheinbar auffiel, einen von Johns Steinen auswerfen und damit blockieren zu können. Mit dem Gesichtsausdruck "auch ein blindes Huhn findet mal ein Korn" warf er Johns Stein zu Gunsten des eignen heraus und schien sich darüber ehrlich zu freuen, während er darauf wartete, dass John wieder zog. Auch wenn der Raum um sie beide von Geräuschen gefüllt war, so nahm Tancred die Stille zwischen ihnen wohl wahr - doch sie war nicht unangenehm und Tancred fing an, sich daran zu gewöhnen.
 

John

Als Tancred seinen Stein auf den mittleren Steg des zusammenklappbaren Brettes legte, verzog John keine Mine. Er lag weit vorne und in dieser Phase des Spieles war es ganz normal, dass man Steine ungeschützt liegen ließ. Es war kaum anders möglich. John ergriff die Würfel, warf... warf noch einmal... und ein drittes Mal, als auch schon die nötige 6 geworfen wurde und er mit einem weiteren Wurf die neue Position dieses Steines bestimmte. Dann war Tancred wieder am Zug. John war sich sicher, dass er diese Partie bereits gewonnen hatte, denn Tancred lag weit zurück und es müsste schon seltsam zugehen, wenn er noch verlieren würde. Aber man konnte ja nie wissen, wie sehr Tancred noch immer den ahnungslosen Spieler mimte und er am Ende doch noch ein Finale hinlegte, das John zeigen würde, dass ER der blutiger Anfänger wäre. Nicht, dass er wirklich damit rechnete, aber er sagte sich das zu sich, um nicht unvorsichtig und überheblich zu werden. Das war es nämlich, wozu der Mensch neigte, wenn er sich seiner Sache allzu sicher war. Das Schimpfen, Anklagen und Weinen hinterher war etwas, was John ziemlich nervte.

Sie beendeten bald darauf die Partie und John nahm den Gewinn an sich. "An sich, gut gespielt", sagte er ruhig und blickte den anderen an. "Aber definitiv zu defensiv. Ich hatte mit mehr Aggressivität gerechnet." Er zuckte mit den Schultern, blickte sich kurz um und sah, wie Kadmin offenbar mittlerweile die perfekte Glückssträhne eines blutigen Anfängers mimte. Er schmunzelte leicht. "Lust auf noch eine Partie?", fragte er den anderen und blickte ihn wieder an. "Deine Begleitung scheint noch auf dich verzichten zu können und sonst scheint niemand mit mir spielen zu wollen..."

Erstaunt beobachtete John, wie Tancred den Rest seines 'Vermögens' nach vorne schob, so als wolle er wirklich alles setzen. "Wirklich?", fragte er irritiert nach. Schließlich hatte er auf noch eine weitere Partie gehofft. Und ob er wirklich um das Hemd des anderen spielen wollte, wusste er nicht so recht. "Ich weiß wirklich nicht, ob ich dir nachher wirklich das Hemd noch nehmen kann...", er grinste leicht und sah den anderen fragend an.
 

Tancrèd

Er hatte nicht vor schon dieses erste Spiel zu gewinnen. John erkannte das und nannte seine Spielweise zurecht defensiv, doch Tancred winkte ab. "Aggressivität hat noch keinem Mann auf dem Meer das Leben gerettet", erwiderte er, so als sei das Erklärung genug. Um auch etwas anderes in den Fingern zu haben, als Würfel, Spielsteine und den Bierkrug von Zeit zu Zeit, zückte Tancred eine Zigarre, die er entzündete und sich wie John auch in den Mundwinkel hängte. Er lehnte sich im Stuhl zurück, während John den Tisch und das Brett wieder in Ausgangszustand brachte, und sah ebenfalls zu Kadmin, dessen Glückssträhne sogar ihn zum Schmunzeln brachte. Aber Kadmin hatte diese Geschihte einfach zu gut aufgebaut und keiner zweifelte jetzt noch an ihm, so dass er es etwas bunter treiben konnte. Als John auf eine nächste Partie zu sprechen kam, richtete sich Tancred wieder im Stuhl auf und nickte, richtete seinen Fokus wieder auf das Spielbrett vor sich. Er schob seinen restlichen Einsatz vor, denn mehr hatte er ja nicht und um zu wenig Geld zu spielen hatte in seinen Augen auch wirklich wenig Sinn. Er war gerade wieder dabei, die Steine auf sein Feld zu setzen, als er merkte, dass John seinen Einsatz so komisch beäugte und darauf zu sprechen kam, dass er Tancred nicht wirklich das letzte Hemd abnehmen wollte. Seine Mundwinkel zuckten nach oben. John ging also wirklich davon aus auch erneut zu gewinnen. Das war ein guter Ausgangspunkt. "Nachher? Also noch eine Partie nach dieser meinst du?" Denn immerhin hatte es so geklungen... Er zog an der Zigarre und paffte eine Rauchwolke in die ohnehin schon rauchige Luft des Hinterraumes, ehe er sie ablegte und die Ärmel abrollte. Danach öffnete er nach und nach die Knöpfe, ohne John aus den Augen zu lassen, und zog das Hemd aus, faltete es sorgfältig zusammen und legte es zu seinem Einsatz auf den Tisch. "Da ich mir nicht ganz sicher bin, wie lange mein guter Freund dort vorne noch Glück haben wird, und du so großen Wert auf dieses Hemd zu legen scheinst, setze ich es gleich. Es macht den Einsatz zu einem Wert, um den es sich zu spielen lohnt und wer weiß - vielleicht gewinne ich halb nackt besser als angezogen." Sein Wurf zum Start des Spieles brachte ihn selbst in die Situation anzufangen und so begann die zweite Runde, mit einem ähnlich passiven Tancred, dessen Züge jedoch ein bestimmtes Ziel zu verfolgen schienen.
 

John

John versuchte keine Miene zu verziehen. Schließlich gehörte das zu ihrem Spiel hier, oder? Den Harten zu markieren und seine wahren Gedanken nicht Preis zu geben... Aber in dem Moment, als Tancred begann, sein Hemd aufzuknöpfen und es sich auszuziehen, wurde Johns Miene doch einen Moment unsicher. Was bezweckte der andere damit? Er hatte ja nicht gesagt, dass er das Hemd unbedingt haben wolle...

Unwillkürlich glitten seine Augen über den wohlproportionierten, breiten Oberkörper des anderen, seine Macken, seine Haut, seine Brust, seinen Bauch und weiter hinab. John schluckte und zwang sich seine Steine wieder auf das Spielfeld zu legen. Was auch immer der andere damit bezweckte, er würde sich nicht davon aus seinem Konzept bringen lassen! Definitiv nicht! "So viel Wert lege ich auf dein Hemd nun eigentlich nicht", entgenete er, während er die Steine setzte. "Zumal es mir nur als Nachthemd dienen könnte, so groß, wie es ist. Aber wenn du meinst, dass dir das Glück bringt, dann will ich dich nicht davon abhalten." In diesem Moment dämmerte es ihm auch endlich, was der andere hier bezweckte. John blickte wieder ein wenig irritiert auf und musterte das Gesicht des anderen kurz. Meinte der andere wirklich, ihn mit seinem Strip aus dem Konzept bringen zu können? Ernsthaft?

Nun, der Körper des anderen war schön, er war männlich, er war begehrenswert und er hatte ihn schon einmal kosten dürfen... Dabei sollten sie es belassen. John legte die letzten Steine und seine Gedanken glitten unwillkürlich zu diesem Morgen, an dem sie sich geküsst hatten, voll Gier, voll Verlangen, hungrig, wie zwei Wölfe nach einer langen Jagd.

John merkte, dass diese Partie wirklich zur Herausforderung werden könnte. Denn seine Gedanken, zusammen mit dem Anblick - der sich ihm unwillkürlich bot, ob er wollte oder nicht - ließen seinen Körper reagieren, minimal, aber er merkte, dass sein Körper mit einem Mal etwas ganz anderes wollte, als nur ein wenig Spaß beim Backgammon zu haben...

John war froh, dass Tancred begann und bestellte bei einer vorbeilaufenden Bedienung noch ein Bier. John war zufrieden mit seiner Eröffnung, mit Tancreds offenbar nicht geänderten Taktik. Doch gleichzeitig merkte er, dass er bei weitem nicht mehr so konzentriert war, wie bei der anderen Partie. Immer wieder zog er seinen Blick von diesem schön geschwungenen Schlüsselbein, der leichten Vertiefung, die die rechte von der linken Brust trennte... Und so merkte er gar nicht, wie seine Steine teilweise recht schutzlos auf dem Feld zum liegen kamen, merkte geschicktere Züge erst, nachdem er schon gezogen hatte, und er begann sich darüber zu ärgern, dass Tancred ihn tatsächlich so irritieren konnte.
 

Tancrèd

Tancred schenkte Johns Reaktion absichtlich keine Beachtung, so gut sie sich eben ignorieren ließ. Aber sein kleiner Strip zeigte schon nach kurzer Zeit Wirkung, auch wenn John sich zunächst abfällig darüber äußerte, dass er sich bereits entkleidet hatte. Er hatte den ersten Zug gemacht und sah wieder auf, scheinbar teilnahmslos darüber, dass er halb nackt in dem schwülen Raum saß. Er fror auch nicht, dafür war es zu warm. Stattdessen empfand seine Haut es als angenehm, endlich nicht mehr unter dem Hemd eingesperrt zu sein. Langsam lehnte er sich im Stuhl zurück um darauf zu warten, dass John zog und hob den Bierkrug. Er hatte den Blick wieder dem Spielbrett zugewandt, doch seine Muskeln unter der Haut arbeiteten mehr als notwendig gewesen wäre, um den Krug anzuheben und zum Mund zu führen. Er merkte wie Johns Blick immer wieder über seine Brust strich und unstet hier und da hängen blieb, ehe er sich wieder dem Spiel zuwandte. Tatsächlich veränderte Tancrèd an dem Spiel nur sehr wenig, er musste es auch gar nicht. John war unkonzentriert genug, dass Tancred selbst mit seiner so devensiven Spielweise gleichauf lag und kein Problem damit hatte, Johns Spiel immer wieder auszubremsen. Er war so unkonzentriert, dass Tancreds innerliches Grinsen immer breiter wurde und es wirklich anstrengend war, nichts davon nach draußen dringen zu lassen. Er setzte mehrere Steine von John fest, so dass der wirklich lange würfen musste, bis er sie wieder frei brachte, während er defensiv wie zuvor seine Steine möglichst sicher in das letzte Feld brachte, um sie auszuwürfeln. Dabei bediente er sich jedoch eines Tricks und sorgte dafür, immer einige wenige Steine so positioniert zu lassen, dass er John regelmäßig wieder festsetzen konnte. Das so zu gestalten, dass der Gegner es nicht merkte, war wirklich schwer, aber John war auch wirklich abgelenkt und nach dem 3. Bier inzwischen auch nicht mehr ganz nüchtern. Tancred gab sich alle Mühe, John zu gefallen, und setzte seinen Körper zu seinem Vorteil ein. Sicher, er hätte einfach auch besser spielen können und offen zeigen können, dass er selbstverständlich ein guter Backgammonspieler war - so wie beinahe jeder Seemann - doch er wollte es auf diese Weise tun, um John zu reizen. Seine Hand strich über seine Schulter als John wieder am Zug war und rollte sie etwas nach hinten, um sie zu lockern. Durch die Streckbewegung wurde sein trainierter Bauch sichtbar, weil er sich gerade auf den Stuhl setzte und diesesmal beobachtete Tancred aufmerksam Johns Gesicht.
 

John

Gott, dieser fiese Hund! John wusste nicht, worüber er sich mehr ärgerte: darüber, dass Tancred ihn auf so eine Art und Weise aus dem Konzept bringen wollte, oder darüber, dass er sich auch wirklich aus dem Konzept bringen ließ!

Die Gesten des anderen, die Bewegungen, die ein Spiel der Muskeln unter der Haut provozierten, ließen John immer wieder sein Bemühen, konzentriert zu spielen, scheitern. War er echt so ausgehungert, dass er sich hier so leicht ablenken ließ? Er musste dringend später sich noch irgendwo abreagieren - so schien es ihm. Offenbar war der Vormittag doch nicht ganz spurlos an ihm vorüber gegangen. Und der Kuss nach dem Besuch auf dem Jahrmarkt ja auch nicht unbedingt und überhaupt... Grrrrr

John ärgerte sich sichtlich über sich selbst und die Tatsache, dass einige seiner Steine sein Spiel blockierten, verbesserte seine Stimmung nicht. Im Gegenteil, denn der Ärger auch darüber, ließ ihn noch unkonzentrierter werden. Und mehr und mehr dämmerte ihm, dass Tancred ihn hier vorführte, wie einen kleinen Schuljungen.

Aber das war er doch eigentlich gar nicht!

John seufzte, schloss einen Moment die Augen. Es war noch nichts verloren. Aber wenn er weiter patzte, dann würde er das Spiel gleich aufgeben können. Er musste sich jetzt konzentrieren, ansonsten würde das hier sehr blamabel werden. Da immer mehr sich neben sie gesellten, die das Spiel interessiert und erstaunt beobachteten, ging es hier auch darum, nicht seinen Ruf zu verlieren.

Als er sie wieder öffnete, sah er den gut bemuskelten Bauch des anderen, als der sich streckte, um seine Schulter etwas zu lockern.

Warum verdammt noch mal, ließ er sich dadurch nur so sehr ablenken! John knirschte mit den Zähnen, als ihm ein Gedanke kam. Einen Moment blickte er Tancred an, dann erschien ein Lächeln auf seinen Lippen.

"Es ist wirklich ziemlich heiß und stickig hier drinnen", seufzte er und streckte sich, in der selben Bewegung sein eigenes Hemd sich über den Kopf ziehend. Langsam und bedächtig legte er es neben dem des anderen ab. "Ich hätte mir auch schon viel früher Luft verschaffen können", stellte er dann fast ein wenig naiv fest und streckte sich noch einmal, so als würde er sich jetzt schon viel besser fühlen. Dann blickte er auf das Spielfeld, wog die Würfel ab und warf einen 6er Pasch. Nun, das war natürlich auch Glück und Zufall, aber es half ihm in dieser Situation natürlich sehr, denn es befreite nicht nur seine gesamten Steine, sondern er konnte auch ein paar Fehler glattbügeln, die er zuvor gemacht hatte. Das Spiel war noch nicht entschieden und in John war der Kampfeswille erweckt, sich nicht einfach so unterbuttern zu lassen. Dass der andere weit besser spielen konnte, als er augenscheinlich erraten hatte, war ihm eh klar gewesen. Aber er war auch nicht schlecht. Von ein wenig Muskeln, einem schönen Körper und dem Gefühl, dringend Sex zu brauchen, sollte er sich nicht so ablenken lassen. Er schluckte dennoch, als er wieder zu Tancred sah, rief sich jedoch sogleich wieder zur Raison und begann nun seinerseits den anderen mit dem gleichen Spiel abzulenken.
 

Tancrèd

Er konnte die widerstreitenden Gefühle in John wirklich sehen. Einerseits die Gedanken an das, was sie beide schon miteinander getan hatten und vielleicht noch tun würden - andererseits die Wut über sich selbst, dass er eben diese Gedanken hatte und den Blick nicht von Tancreds Oberkörper abwenden konnte. Vielleicht, so überlegte der Kapitän, hatte John bisher auch noch niemand auf diese Weise herausgefordert. Oder nein, nicht vielleicht - sehr sicher sogar. John mit seiner Ruhe, Gelassenheit und seiner so unterschwelligen herausfordernden Art aus dem Konzept zu bringen war etwas, das John noch nicht erlebt hatte und genau deswegen wusste er auch nicht sofort, wie er reagieren sollte. Als John endlich mehr tat als nur Zuschauer seiner eignenen Unsicherheit zu sein, war das Spiel schon weit zu Gunsten Tancreds fortgeschritten.

Sie bekamen Zuschauer, vielleicht gerade WEIL auffiel, dass der sonst so sichere John Fehler machte und Tancred wusste, dass dies ein kritischer Moment war. Sie durften keinen Verdacht in irgendeine Richtung erwecken, deswegen hörte Tancred auch auf sich all zu offensichtlich zur Schau zu stellen.

Dann legte auch John sein Hemd ab. Erst zuckten Tancreds Mundwinkel nur, dann begann er zu grinsen und schließlich zu lachen. Sein Lachen wurde immer lauter und es war echt. So also hatte John vor, dem zu begegnen - keine schlechte Idee nachzuziehen, dass musste Tancred ihm lassen. "Ja, das hättet ihr.. so ist es sicher viel angenehmer.." gluckste er, noch immer belustigt, auch wenn die anderen um ihn herum es sicher nicht verstanden. Tancreds Blick glitt über Johns gepflegten Oberkörper, der für seine Größe sicher schmal war, aber dennoch schön definiert. Tancred fand, dass John manchmal wirklich aussah, als hätte man ihn gemalt, feine Linien ohne Narben und ohne zu viel Haar wie Tancred es nunmal hatte. Dennoch ließ er sich davon nicht vom Spiel ablenken und bot John jetzt schließlich doch den Gegner, den John sicher schon zu Beginn erwartet hatte. Aggressiver und mit gutem Überblick über Steine und Züge.

Sie waren bereits dabei die Steine auszuwürfeln. Um sie herum hatte sich die Menge vergrößert und kommentierte ihre Züge mit einigem Gemurmel, als plötzlich die Tür zum Hinterraum aufflog. Ein junger Mann, der Schmiere gestanden hatte, stolperte herein. "Die Stadtwache steht vor der Tür! Sie kommen gleich herein!!" Offenbar sammelten sie sich noch und waren bereits dabei, das Haus zu umstellen. Als hätte man Giftschlangen inmitten eines Hasenrudels geschmissen, stob die Menge um ihren Tisch in heilloser Flucht auseinander. Tancred stand auf, so heftig, dass es seinen Stuhl nach hinten kippte. In Manier eines erfahrenen Kämpfers durchsuchte er den Raum und erkannte den "offiziellen" Fluchtweg für diese Anlässe sehr schnell: Eine verborgene Luke hinter einem Vorhang. Die Männer drängten sich darum und behinderten sich gegenseitig, während schwere Stiefel bereits durch den Gastraum polterten. "NADIM!" Kadmins Stimme erklang von der anderen Seite des Raumes, an der Tür zum Gastraum. Tancreds Blick flog zurück zu John - beziehungsweise der leeren Stelle an der er gesessen hatte. John war weg, genauso das Geld, das sie gesetzt hatten und auch sein Hemd.

Tancred wusste, dass er keine Zeit hatte, ihn zu suchen und so stolperte er los - nicht zur Fluchttür, sondern zu Kadmin, der bereits durch die offene Tür hechtete. Zwischen Schankraum und Spielraum lag ein Gang, in dem die Treppe nach oben zu den Zimmern führte und genau die hechtete Kadmin hinauf. Als Tancred den ersten Absatz direkt hinter ihm erreichte, kamen die Wachen durch die Tür und zwei setzten ihnen direkt nach. Schwere Stiefel und klappernde Rüstung verriet, dass die Männer nicht so schnell sein würden wie Kadmin und Tancred. Der Araber hatte bereits Teile seiner Kleidung abgeworfen, die ihn behinderten, und stopfte im Rennen Geld in einen Beutel, den er um seinen Gürtel verknotete. Sie rannten den Gang entlang und Tancred, angeheitert vom Bier, stolperte über den oberen Treppenabsatz, schaffte es gerade noch sich abzurollen und kam strauchelnd wieder auf die Füße. Hinter ihm erreichte der erste Wachmann den Absatz und versuchte Tancred zu packen, doch er verfehlte ihn knapp und Tancred rannte weiter. Kadmin hatte eine Zimmertür aufgestoßen und schlug sie hinter Tancred zu, doch lange würde das ihre Verfolger nicht aufhalten. Aus dem Zimmer gab es kein entkommen, mit ausnahme eines Fensters - doch das führte in einen tiefen Innenhof und ein Sprung war absolut unmöglich. Dennoch schob Kadmin es auf und statt zu springen zog er sich hinauf.. aufs Dach! Tancred entwich ein unschöner französischer Fluch, als er sich beeilte seinem ersten Maat zu folgen.

Wie erwartet war das Dach in sehr schlechter Kondition und die Ziegel rutschten am steilen Dach hinab, als Kadmin sich aufrichtete um darüber zu balancieren. Tancred strauchelte und stolperte schließlich hinter ihm her, während Kadmin sich mit traumwandlerischer Sicherheit über den Dachfirst bewegte. Die Wache erreichte das Zimmer und erkannte den Fluchtweg ihrer beiden Verdächtigen, doch als der erste das Dach erreichte gaben die schon doppelt beanspruchten Ziegeln nach und der Mann rauschte mit einem erstickten Aufschrei in die Tiefe.

Dennoch blieb Tancred keine Zeit ihm nachzusehen. Sie erreichten das andere Ende des Daches und Kadmin ließ sich an der steilen Seite hinabgleiten, an der ein vorstehendes Fenster ihren Rutsch bremste. Dort verband ein schmaler Holzbalken das Wirtshaus mit dem Nachbarhaus, der dazu diente ein Schild zu halten, auf dem die Geschäfte der Gasse namentlich genannt waren. Kadmin rannte einfach so über den Balken in luftiger Höhe zum Dach auf der anderen Seite.. und Tancred, immer noch fluchend und Verwünschungen gegen den Araber aussprechend hinterher. Beinahe wäre er gestürzt, schaffte es aber dank der ausgestreckten Hand des Arabers gerade noch so sicher auf die andere Seite. Warum hatte er nur so viel Bier getrunken? Ihre Flucht über die Dächer setzte sich fort, bis sie schließlich einen alten Teil der Stadtmauer erreichten. Er war inzwischen voll vom Häusern eingeschlossen und wurde nicht mehr benutzt, zumindest nicht mehr von der Wache. Auf dem Umgang lagerten Leute ihr Hab und Gut und trockneten Wäsche. Geduckt im Schutz der Zinnen eilten die beiden Flüchtigen die Mauer entlang Richtung Palast - denn ihr eigenes Gasthaus lag genau an dieser Mauer.

Sie erreichten es nach weiteren schier endlosen Minuten und stiegen durch ein Dachfenster ein. Ihre Verfolger hatten offenbar aufgegeben und Tancred war sich ziemlich sicher, dass ihre Flucht niemand verfolgt hatte.. und doch schlug sein Herz bis zum Hals. In ihrem Zimmer angekommen trank er gierig Wasser aus einem Krug und trat ans Fenster, um hinab zu sehen, doch weit und breit zeigte sich keine Wache. "Das war knapp..", keuchte er, als er wieder zu Atem kam, während Kadmin das wohl alles etwas lockerer sah. "Achwas.. das war noch lange nicht knapp. Aber du bist etwas aus der Übung Kapitän...", tadelte er ihn und Tancred schnaubte verächtlich. Dennoch.. Kadmin hatte Recht. Im Grunde hatte diese Flucht das Adrenalin durch Tancreds Adern gepumpt, das er so vermisst hatte. Seine Gedanken kreisten jedoch nicht darum, sondern um John. Ob er auch heil davon gekommen war? Ein Klimpern schreckte ihn auf. Kadmin entleerte seine Schätze auf dem Tisch und Tancred blieb der Mund offen stehen. "Das hast du alles gewonnen?" Kadmin lachte und schüttelte den Kopf. "Nein, nicht alles. Einiges haben sie bei der Flucht liegen lassen.." Tancred verdrehte die Augen. Sogar dazu hatte der Araber noch Zeit gehabt.. manchmal fragte er sich wirklich, wer dieser Mann war, der sich aus jeder brenzligen Situation mit dieser Leichtigkeit zu winden verstand.
 

John

Endlich war er wieder im Spiel, war dem anderen ebenbürtig - bzw. dieser ihm. Er hatte den anderen mit seinen eigenen Waffen geschlagen udn nun entpuppte sich das Spiel als interessanter, als es angefangen hatte. Es freute ihn ein wenig, festzustellen, dass Tancred ein ähnlich guter Spieler war, wie er selbst. Das Ergebnis war noch nicht absehbar, im Moment stand es ziemlich ähnlich. John war mittlerweile mehr als klar, dass Tancred die ersten Spiele verloren hatte, weil er hatte verlieren wollen. Der Kapitän hatte ihn austesten wollen, sehen wollen, wie John spielte und er hatte ihn wohl auch in gewisser Weise in Sicherheit wiegen wollen. John wurde einmal mehr bewusst, dass Tancred ihn erforschte und klug genug war, ihn tatsächlich zu durchschauen. Warum er sich diese Mühe gab, war ihm immer noch nicht ganz klar. Aber er tat es, durchschaute ihn und brachte John aus dem Konzept. Sollte er nicht genervt sein? Irgendwie war er es nicht. Im Moment war er eigentlich einfach nur ehrlich gespannt, wie das Spiel enden würde.

Gerade hatte er die Hände ausgestreckt, um die Würfel zu ergreifen, als der Tumult um sie herum ausbrach. John handelte prompt, ohne weiter darüber nachdenken zu müssen. Er hatte diese SItuation schon recht oft miterlebt, kannte das Etablisment und reagierte daher, ohne weiter nachzudenken. Er klappt das Spielbrett zu, in dessen Hohlraum er zuvor das Geld geschmissen hatte, griff zu den beiden Hemden, die einen Haufen bildeten, und rannte los zu jenem Weg, den nicht alle kannten. Schnell war er im Keller und verschwand mit einer Hand voll anderer in einem Gang, der hinter einem Vorratsschrank begann und ihn ein gutes Stück weg vom Ort des Geschehens brachte. Dort angekommen, lief er, so schnell ihn seine Füße trugen durch die Gassen möglichst weit weg. Während er lief, zog er sich sein Hemd wieder an. Dass es ihm plötzlich viel zu groß war, merkte er gar nicht, als er weiterlief.

Hätte er Tancred mitnehmen sollen? Er hatte in dem Moment kein bisschen daran gedacht. Etwas in ihm wurde unruhig und er ärgerte sich ein wenig über sich selbst. Aber warum? Tancred würde sicher aus der Situation rauskommen. Das war ein schlauer Fuchs, der mit seinem Freund sicher geflohen sein würde. Was machte er sich eigentlich für Gedanken? Was wenn er erwischt worden war? Was wenn die Stadtwache ihn dort erwischte und erkannte? Was hätte das vor Henry für Auswirkungen? Ob jener hinsichtlich seines Namens Vorteile haben würde oder Nachteile? Aber es war Blödsinn darüber nachzudenken! War es seine Schuld, dass Tancred da aufgetaucht war? Er hatte ihn ja da nicht mit hingenommen, sondern war ihm zufällig dort begegnet. Was war das überhaupt für ein seltsamer Zufall gewesen? Nach ihrem 'Gespräch' im Labor war es ihm fast schon unheilich erschienen, dass er Tancred gleich noch einmal begegnete. Er hatte doch eigentlich gehofft, auf andere Gedanken zu kommen. Und dann dieser Strip! Was bezweckte Tancred eigentlich damit, ihm immer wieder kleine Happen zuzuwerfen, ihn dann aber mit ungestilltem Hunger stehen zu lassen? Wollte er ihn so dazu bringen, sich doch noch einmal auf ihn einzulassen? John wurde erst in diesem Moment richtig bewusst, dass er im Labor mehr als bereit dazu gewesen war. Dieser elendige Hund hatte es geschafft, seinen Körper in Besitz zu nehmen: Er hatte Sex haben wollen dort im Labor - sein Geist war willig gewesen, sich zu lösen, aber sein Körper in keinster Weise. Das hatte er auch eben deutlich bei diesem elendigen Spiel gemerkt. Sein Körper und sein Verstand waren meilenweit voneinander entfernt.

Aber hatten sie nicht gesagt, sie wollten einfach ein wenig Zeit miteinander verbringen und sich besser kennenlernen? Und jetzt?

Auch gerade beim Backgamon hatte Tancred alles dafür getan, dass John fast seinen Kopf verloren hätte. Er hatte ihm ja gedroht, ihn nicht mehr los zu werden, aber John hätte nie vermutet, dass sich dieser elende Franzose in seinen Kopf hineinbrannte, wie ein Lord, der seinen Viehbestand markierte, ohne aber je wirklich Besitzansprüche gestellt zu haben. Nun hatte er nur noch Gedanken an diesen Mann und auf etwas anderes konnte er sich kaum noch konzentrieren! Ob jener heil aus dem Laden gekommen war?

John merkte, dass er noch immer rannte und wurde nun langsamer. Wo war er eigentlich hingerannt? Er hob den Blick und seine Augenbrauen zogen sich zweifelnd zusammen, als er merkte, wohin ihn seine Beine getragen hatten. Wie er es festgestellt hatte - Tancred hatte seinen Körper in Bestz genommen, ohne dass er es wirklich gemerkt hatte: Er stand an der Mauer zum Palast, hinter jenem Gasthaus, in dem er einmal eine Nacht in einem warmen, weichen Bett verbracht hatte, mit einem Mann, der ihn mehr und mehr beschäftigte - mehr, als ihm lieb war. John blickte hinauf zu jenem Zimmer, das wohl das zu Tancreds Zimmer sein musste. Wenn er schon mal hier war, könnte er auch sehen, ob jener unversehrt hatte fliehen können.

Es brannte Licht und in diesem Moment trat Tancred tatsächlich ans Fenster und schien sehen zu wollen, ob etwas Ungewöhnliches draußen vor sich ging. Etwas anderes im Raum schien die Aufmerksamkeit wieder von der Straße weg zu ziehen. John atmete erleichtert aus. Die beiden Männer schienen es geschafft zu haben. Dann konnte er ja jetzt auch in Ruhe nach Hause gehen. Das Hemd und das Geld des anderen würde er ihm ein anderes Mal geben. Jetzt sagte ihm sein Kopf mehr als deutlich, dass es besser war, ihm erstmal nicht zu nah zu kommen. Und so machte er sich auf den Weg nach Hause.
 

Tancrèd

Je mehr der Seemann sich beruhigte, desto mehr fröstelte er. Als er in einer so typischen Bewegung die Ärmel seines Hemdes nach unten streifen wollte, berührten seine Finger nur nackte Haut. Sein Blick rutschte an sich hinab und er starrte auf seine noch immer nackte Brust. Das heftige Lachen, das kurz darauf aus seiner Kehle brach, ließ Kadmin zusammenzucken, der noch dabei war, sein Geld zu zählen. "Verdammt, dieser Kerl hat mein Hemd mitgehen lassen!", brachte er zwischen seinen Lachanfällen hervor und deutete auf seine nackte Brust.

Von einer Truhe im Eck griff er sich ein anderes Hemd, das er am Tag getragen hatte, und zog es über, um nicht mehr so zu frieren. Sein Blick glitt hinaus aus dem kleinen Fenster über der Truhe, das auf die ruhige Straße hinaus führte. Unten in der Dunkelheit bewegte sich etwas oder jemand.. oder?

"Hey Nadim, schau dir das mal an!" Der Kapitän drehte den Kopf zu Kadmin, der stolz eine mit dunklen Rubinen besetzte Halskette hochhielt. Entweder war das gute Stück eine hervorragende Fälschung, oder sein erster Maat hatte einen Edelmann bestohlen. "Das hat doch sicher niemand beim Spielen gesetzt... du Halunke.." Kadmins breites Grinsen wirkte schon beinahe entschuldigend. "Ich bestehle immerhin nur die Ungläubigen, Kapitän."

"Ja, genauso wie du dich von den christlichen Huren bekehren lassen willst, ist es nicht so? Lass das bloß verschwinden. Eine so wertvolle Kette kommt nicht ungesehen an der Stadtwache vorbei. Man wird dir diesen DIebstahl schon an der Nasenspitze ansehen und ich werde Beifall klatschen, wenn sie dich aufknöpfen. Habe ich euch nichts als Stehlen beigebracht?" Sein Blick wanderte wieder aus dem Fenster, doch was auch immer er sich eingebildet hatte zu sehen, es war nicht mehr da. Langsam schlenderte er zu dem Araber an den Tisch und griff sich die Goldkette selbst. "Hmhmhm... beinahe so, als hätte man sie der Königin selbst von der Brust gerissen.."

"Nun, ich bin sicher nach den Steinchen wird niemand suchen.." erklärte der Arabr, der in seinem Gepäck bereits eine kleine feine Zange hervorgezaubert hatte. "Eine Schande ist das, so ein schönes Stück auseinander zu nehmen..", kommentierte Tancred, doch Kadmin ließ sich nicht beirren. "Das ist deine Ration guten abgehangenen Specks und feinsten französischen Weines. Wenn du darauf verzichten willst..." Tancred gab ein Grunzen von sich und wandte sich ab, als Kadmin die Zange sorgfältig an der Fassung der Steine ansetzte, ging stattdessen zum Bett hinüber und ließ sich hineinfallen. Beinahe bildete er sich ein, John in den Laken noch riechen zu können - doch das war natürlich absurd! Immerhin war das Bett inzwischen wer wusste schon wie oft frisch bezogen worden. Aber irgendwie hatte er seit dem Morgen ständig das Gefühl, seinen Geruch in der Nase zu haben und seine Haut unter den Fingern zu spüren. Als er die Augen schloss fühlte er beinahe das leichte Beben, das durch Johns Körper gegangen war, als er ihn sachte an der Narbe berührt hatte. Diesen kleinen kurzen Moment offener Hingabe, den er gefühlt hatte, weil John sehr plötzlich realisiert hatte, dass Tancred sich an diese so empfindlichen Stellen seines Körpers erinnerte. Es war wie dieser Moment gewesen, den sie auf dem Jahrmarkt geteilt hatten, als John hatte einsehen müssen, dass Tancred nichts war, das sich mit Worten vertreiben ließ. Oder der Kuss, als er ihn zu Hause abgesetzt hatte.. Es waren diese Momente, diese kleinen Momente, für die er im Grunde lebte. Er wusste, dass er mehr nicht erwarten konnte. Andere Seeleute behalfen sich damit, Nacht für Nacht in die Arme einer Hure zu flüchten, die für Geld so tat als sei sie die Frau die noch in 20 Jahren auf ihren Seemann warten würde - doch für ihn war das Gefühl des Begehrens, das John in ihm ganz ohne Bezahlung auslöste, viel mehr wert und die Erinnerung daran etwas, das ihn länger wärmen würde, als der bedeutungslose Sex gegen Bezahlung. Tancred entledigte sich seiner Hose und zog die Decke ein wenig weiter hinauf. Der Araber war zwar in seine Arbeit am Tisch vertieft, doch Tancred wollte nicht, dass Kadmin seine leichte Beule in der Hose sah.

Oh John...! Ohne dich wäre London dieser Tage schrecklich langweilig für mich...


Nachwort zu diesem Kapitel:
So, endlich ein Neues Kapitel <3

Wie fandet ihr Kierans und Nicos "Vermählung" auf dem Dach?

Und was sagt ihr zu John und Tancrèd?

Würde mich über Feedback freuen <3 Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Laila82
2017-07-26T07:14:11+00:00 26.07.2017 09:14
Tancred und John, wer hat da wem mehr den Kopf verdreht. Erst im Labor, jetzt in der Taverne/Kneipe - immer kommt es zu Unterbrechungen. Das ist doch zum "Mäuse melken".
Antwort von:  -Amber-
26.07.2017 10:02
*G* Das ist es *lach*
Aber es ist definitiv besser so ;)
Antwort von:  Laila82
26.07.2017 10:04
Warum ist das besser so? Das muss ich glaube ich nicht verstehen. Vielleicht geht mir bei den nächsten Kapiteln dann ein Licht auf.
Antwort von:  -Amber-
26.07.2017 10:06
Wegen John!
Wenn er ihn einfach so bekommt, lässt er ihn danach fallen und redet sich ein, dass es besser so ist. Erst wenn er für sich akzeptiert hat, dass er ihn wirklich will, ändert er sich ;)
Tancrèd hat das schon verstanden XD
Daher spielt er dieses Spiel mit ihm ;)


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