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Intrigo e amore

And it's with you that I want to stay forevermore
von
Koautor:  Coventina

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London 3 - Der Kardinal

Alessandro


 

Er erreichte das kleine aber feine Haus des Schmieds nur kurz nach Rodrego. Drinnen brannte Licht und da das Grundstück insgesamt überwacht wurde, hatte Rod nicht abgeschlossen. Als Alessio eintrat, nicht gerade leise, sah er wie Rod erschrocken herumfuhr und einige Blätter fallen ließ. Schnell hatte er sich gebückt, um sie einzusammeln, doch Alessio war schneller und hielt Rodregos Ticket für die Überfahrt in die Neue Welt in den Händen. Mit einem spöttischen Lachen ließ er das Schriftstück wieder zu Boden fallen. "Wieso wundert es mich nicht, das bei dir zu finden? Du bist der feigste Bastard den ich kenne.."
 

Rodrego


 

Rodrego genoss den kurzen Weg zu seinem Haus. Es kam ein wenig Wind auf und das Wetterleuchten in der Ferne machte Hoffnung auf ein klärendes Gewitter, nach dem die Nacht hoffentlich ein wenig abkühlen würde. Der Schmied ließ hinter sich die Tür ins Schloss fallen und ging ins Wohnzimmer, wo er die Kerzen entzündete und schließlich seine Papiere noch einmal hervorzog, um sie zu lesen und erneut in seinem Schreibtisch zu verwahren. Er kam nicht mehr dazu. Erschrocken fuhr er herum, als er hörte, wie jemand polternd ins Haus kam. Waren das Cromwells Leute? Aber das Anwesen war doch bewa... Rodrego ließ die Schriftstücke fallen, als er sah, wer da gekommen war.
 

"Alessio?", hauchte er ungläubig. Der Kardinal hatte ihn nicht eines Blickes gewürdigt, seit er offenbart hatte, dass er schuldig am Unglück der Familie war. Da wurde er sich der Schriftstücke bewusst und bückte sich schnell, um sie aufzuheben, bevor es der andere tun konnte, aber er war zu spät. Alessio warf nur einen kurzen Blick auf das Dokument und begriff sofort. Der Blick und das Lachen, das ihn traf, war erschlagend. "Der feigeste Bastard" hallte es in ihm wieder und wieder und Rodrego war im ersten Moment unfähig, sich zu bewegen. Langsam richtete sich Rodrego zu voller Größe auf und blickte Alessandro zornig an. "Ich bin also feige, ja?", fragte er gegen. "Was sollte ich denn deiner Meinung nach tun? Mich mein Leben lang hier knechten und mich erniedrigen lassen? Die Schuld auf meinen Schultern tragend, von der ich mich nie werde lösen können? Ich habe wirklich Scheiße gebaut und dabei selbst sehr viel verloren. Ich werde alles dafür tun, zumindest einen Teil der Schuld ein wenig zu tilgen. Aber irgendwann ist Schluss. Und das hat nichts mit Feigheit zu tun!" Wie wütend er auf Alessandro war, das merkte er erst jetzt so richtig. In ihm brodelte es. Er hatte viel zu laut gesprochen.
 

Aber eigentlich durfte er das nicht zu offensichtlich zeigen. Der Kardinal würde das ausnutzen, wie er wollte. Irgendwie fühlte sich Rodrego eigentlich schon mit sich selbst genug bestraft. Ja, er hatte Fehler gemacht, schwerwiegende - daran wollte er nichts schön reden. Aber er versuchte auch alles, es wieder einigermaßen gut zu machen. Und irgendwann war Schluss.
 

Alessandro hatte letztlich alles Recht der Welt, auf ihm herumzutrampeln, wie es ihm gefiel, aber es tat sehr weh. Er... wenn er ihn hier so sah... alles in ihm sehnte sich nach diesem Mann. Aber er hatte ihn für immer verloren und würde ihn nie wieder so nah bei sich haben, wie er es für einen kurzen Moment hatte. Von ihm jetzt richtig fertig gemacht zu werden, war vielleicht dessen Recht, aber er würde das nicht ertragen. Er bemühte sich, wieder ruhiger zu werden, hob das Ticket und die restlichen Papiere auf und legte sie auf seinen Schreitisch.
 

“Aber wenn Ihr das so seht, eure Eminenz, dann wird es wohl so sein." Während er sprach, drehte er sich wieder zu Alessandro um und verbeugte sich leicht vor der Obrigkeit. Es war schwer, aber er würde es aushalten müssen, sich nicht provozieren zu lassen dürfen. "Aber wenn Eure Eminenz es wünscht, werde ich mich gerne von Euch mit Füßen treten lassen, so wie es nur rechtens ist. Macht mit mir, was Ihr wollt.”
 

Alessandro


 

Zum Glück war er betrunken. Unter anderen Umständen hätte Rodregos ungläubiges "Alessio" ihn vermutlich bereits in die Knie gezwungen, doch so wurde sein Blick nur noch höhnischer. Als der Schmied sich aufrichtete, die Dokumente in seiner Hand, hätte der Kardinal beinahe gelacht. Es war doch wirklich fatal. Dieser Mann, der sich jetzt selbst in seiner eigenen dunkelsten Stunde noch aufrichtete und mit diesem ganz gewissen italienischen Stolz seine Ehre verteidigte, war genau das Format von Mann, nach dem der Kardinal sich sein ganzes Leben gesehnt hatte. Jemanden wie Rodrego würde er in seinem Leben nie wieder finden, jemanden der ihn so berührte und der alles in ihm nur danach schreien ließ, ihm zu gehören. Aber das würde er niemals bekommen. Denn selbst Rodrego, den er so lange kannte und den er schon so lange begehrt hatte.. nun. Selbst Rodrego hatte ihn verraten. Seinen Worten nach schämte er sich zwar dafür, aber galt "sehr viel verloren" auch für ihn? Wohl kaum. So wie Rod hier stand, ging es ihm sicher um seine Stellung und sein Leben, seine Vorzüge auf dem Anwesen der Sforzas zu leben und vielleicht auch um Dominico, der ihm genauso wenig verziehen hatte, auch wenn er ihn nicht allzu sehr schnitt.
 

Dennoch. Ein Teil in ihm wollte Rodrego glauben, wollte ihm sagen, dass er ihn verstand, dass er vielleicht genauso gehandelt hätte und dass er ihm "verzieh" - insofern man das denn konnte. Immerhin war er ja noch am Leben und Rodrego hatte es geschafft, die Wahrheit zu sagen, wenn auch zu einem Zeitpunkt, an dem es beinahe schon zu spät gewesen wäre. Nicht auszudenken, wenn John und Kieran nicht in der Kapelle gewesen wären... Er wäre elendig verreckt in der Kluft, in der seine Familie ihn gesteckt hatte und die ihn zur Zielscheibe so vieler Gegner machte. Aber es war nicht passiert, er atmete noch. Also.. hatten Rodregos Taten doch kaum wirkliche Folgen, oder? Und immerhin.. er hatte ihnen ja auch geholfen, gegen Cromwell einen wirklich tiefen Schlag setzen zu können.
 

Aber Alessandro konnte nicht überwinden, dass der Schmied ihn ausgenutzt hatte. Dass er ihm Zuneigung und Liebe vorgespielt hatte, nur um ihm dann so hinterrücks den Dolch in den Rücken zu treiben.
 

Rod schien sich langsam zu besinnen und schlug ruhigere und vor allem höflichere Töne an. Einerseits war der Kardinal froh, nicht mehr mit Alessio aus diesem Mund angesprochen zu werden, das ihn so schmerzlich an all das erinnerte, was er eigentlich haben wollte. Andererseits klang Rodregos „Eminenz“ nicht im Mindesten so, als meinte er es ernst. Alessio straffte sich und ging gemessenen Schrittes zum Schreibtisch hinüber, griff wieder nach dem Papier, das Rod abgelegt hatte, nachdem der Schmied sich abgewandt hatte.
 

Er hatte sich das Hirn zermartert, wenn er es denn geschafft hatte, überhaupt über diese Sache nachzudenken, was er tun konnte, womit er Rodrego wirklich treffen konnte. Ihm war nichts eingefallen, denn Rodrego hatte, wie er selbst sagte, nichts, was man ihm noch hätte nehmen können. Doch bezüglich einer Sache, da war sich Alessandro sicher, hatte Rod nicht gelogen: er hasste den Kardinal. Nicht Alessandro selbst, der war ihm vielleicht einfach nur egal oder zumindest nettes Beiwerk im Bett, aber den Kardinal und diese Maske, die hasste der Schmied. Als Rod jetzt so vor ihm stand, da wusste Alessio, mit was er ihn wirklich verletzen konnte. Er zog das Dokument näher zu sich heran, tat so, als würde er darin lesen, dann hob er es in einer schnellen Bewegung hoch und nahe an die Flamme einer der Kerzen, die Rod entzündet hatte.
 

Nicht so nah, dass das Pergament Feuer fing, aber nahe genug, um es schneller an die Flamme zu halten, als Rod ihn erreichen konnte. "Ihr habt Recht, wenn Ihr sagt, dass ich jedes Recht habe, Euch zu bestrafen. Und Strafe habt Ihr verdient, für das, was Ihr dieser Familie angetan habt." Sein kaltes Lächeln wurde, wenn denn möglich, noch gemeiner. "Zieht Euch aus." Und als Rodrego nicht sofort reagierte, wanderte das Pergament Richtung Flamme. "Wenn Euch Eure Überfahrt lieb ist, dann tut Ihr, was ich sage, und zwar ein bisschen plötzlich."
 

Rodrego


 

Rodrego hätte das Papier, die Möglichkeit für einen ersehnten Neuanfang weit weg von hier, nicht einfach hinlegen sollen. Denn nun schnappte sich Alessandro eben dieses und schien es erneut lesen zu wollen. Rod sah ihn zweifelnd an und sein Zweifel wurde bestätigt. Doch was folgte war nicht abzusehen gewesen.
 

Die Worte hinsichtlich der Strafe kannte er letztlich schon. Es waren diejenigen, die er sich selbst oft genug gesagt hatte. Er hatte zwar dabei geholfen, Cromwells Untergang einzuleiten, aber dass sich Alessandro selbst bei ihm noch rächen wollte, damit hatte er fast schon gerechnet. Spannend wurde nur, worin diese Rache bestehen würde. Diese Bombe platzte sogleich. Die Worte des Kardinals waren überraschend und wie ein Faustschlag. Rod konnte nicht umhin, den anderen fragend anzusehen, ob er richtig verstanden hatte. Er sollte sich ausziehen? Sich entblößen bis er nackt war?
 

Ein tiefes Donnergrollen löste Rodrego aus seiner Starre und Alessandro verlieh seinen Worten Nachdruck, indem er damit drohte, seine Überfahrt zu verbrennen. "Nein!" Rod hob beschwichtigend die Hand, spürte, wie sein Herz heftig gegen die Brust schlug. Einen Moment starrte er in die Eiseskälte, die sich in des Kardinals ganzem Gesicht wiederspiegelte. In diesem Moment begriff er so richtig, dass Alessandro doch gestorben war. Dort, vor dem Altar in der Kapelle. Er war sein Mörder gewesen. Wie hatte er nur so lange hoffen können?!
 

Ein helles Licht durchzuckte den Raum und wenige Augenblicke später, rollte neuerlicher Donner hinterher, als Rod sein Hemd über den Kopf zog und seinen Oberkörper entblößte. Seine Erkenntnis gerade schmerzte, aber es machte auch einiges einfacher. Er hob das Kinn mit herausforderndem Blick und öffnete den Gürtel, der seine Hose hielt. Er war dünner geworden und so rutschte diese einfach hinab und er stieg nackt aus ihr heraus.
 

Rodrego blickte Alessandro unverwandt an. "Ist es das, was Ihr wollt, Kardinal? Meinen Körper? Wollt ihr mich schlagen, demütigen, mich verstümmeln? Oder wollt ihr gar Sex?" Er hob fragend die Augenbrauen. "Na los, macht mit mir was Ihr wollt. Vermutlich habt Ihr alles Recht der Welt dazu. Aber wird es Euch dann besser gehen? Wird es Euch helfen, wenn Ihr mir weh tut? Werdet Ihr ruhiger schlafen, wenn Ihr mich unterwerft? Werdet Ihr glücklich sein, wenn Ihr mich benutzt?" Rodrego zuckte mit den Achseln, als man hörte, wie vom aufkommenden Wind die Tür zuknallte. "Nur zu! Nehmt Euch, wonach Euch gelüstet. Aber sein Rodrego, Alessios Rodrego, ist mit ihm zusammen dort gestorben, dort vor dem Altar. Ich bin nur eine Hülle, ein Körper, nicht mehr und nicht weniger." Er war an den anderen herangetreten, hob nun die Hand und drückte die erhobene des anderen etwas nach hinten, so dass das Papier Feuer fing. Er wäre gefahren, in der Hoffnung, dass Alessio seinen Frieden finden würde. Aber wenn er nicht mehr existierte, dann konnte er genauso gut hier verrotten. Es war ihm mittlerweile alles egal.
 

Alessandro


 

Es kostete den Kardinal mehr als seine Selbstbeherrschung einfach nur dazustehen und Rod abwartend anzusehen. Der Schmied schien nicht genau zu wissen, was er von dem Befehl halten sollte, hatte ihn vielleicht im ersten Moment auch gar nicht richtig verstanden. Doch das Verständnis kam schnell, je näher das Papier der Flamme kam, die gierig danach züngelte. Bei Rods Nein! hielt Alessandro in der Bewegung inne und wartete ab. Noch einmal schien sich Rodrego zu vergewissern, ob es wirklich das war, was der Kardinal wollte, dann tat er es.
 

Der Donner übertönte Alessandros scharfes Ausatmen, als er sah, wie sich Blitz und Kerzenlicht auf Rodregos Oberkörper spiegelten. Er war so verdammt, verdammt attraktiv. Er hatte abgenommen, das sah Alessandro auch. Aber er sah vermutlich selbst unter der Robe nicht viel besser aus, nachdem auch er weniger gegessen hatte in den letzten Tagen, als wohl gesund gewesen wäre. Die gleichen "Strapazen" auch an Rod zu sehen, gab ihm ein klein wenig Genugtuung. Als der Schmied schließlich nackt vor ihm stand, bemühte sich Alessandro, immer noch mit der gleichen Kälte in sein Gesicht zu starren, auch wenn das wirklich schwierig war. Rodrego machte es ihm mit seinen Anschuldigungen zum Glück ebenfalls etwas leichter. Alessios kaltes Lächeln wurde zu einem leisen Lachen. "Ja... Ich sollte euch kastrieren - Das wäre in der Tat sinnvoll. Leider bin ich gerade allein und ich glaube, es wird schwer, Euch an den Füßen aufzuhängen, so dass sich dieser ganze Aufwand überhaupt lohnen würde." Im gruselte beinahe selbst dabei, wie locker ihm die Androhung von Gewalt von den Lippen ging, doch es war genau diese Eiseskälte, die ihn vor dem Schmerz bewahrte, der ihn auffraß.
 

Er fühlte wie Rodrego die Hand hob und nach seiner Hand mit dem Papier griff. Einen nackten Mann würde er wohl noch überwältigen können, deswegen wartete er ab. Rod griff tatsächlich nicht nach dem Dokument, sondern schob es stattdessen selbstständig über die Flamme. Die Flammen entfachten das trockene Pergament sofort und Alessio fühlte, wie die Luft um seine Finger immer heißer wurde. Er wusste, dass er loslassen musste, irgendwann. Noch nicht. Sein Blick starrte geradewegs in Rodregos Augen und erst als er die Hitze an den Fingern kaum noch ertragen konnte, ließ er das Dokument los. Im Fallen verwandelte es sich in feine Fetzen aus Asche, der Geruch von verbranntem Papier hing in der Luft. Rodregos Überfahrt, für die er so viel Geld gespart hatte, war dahin.
 

"Ihr seid so ein schrecklich schlechter Lügner." Alessio griff mit der Hand, die eben noch das Papier gehalten hatte nach Rods Kinn. Seine Finger waren heiß von der Flamme als sie über den Bart und das markante Kinn fuhren. "Es hat ihn nie gegeben, diesen 'Rodrego' von dem Ihr sprecht. Er war erfunden und gespielt von einem Mann, der glaubte, er könne damit Unrecht zu Recht werden lassen. Wie soll etwas sterben, das nie da gewesen ist? Ihr tut beinahe so, als habe Euch dieser Mann, dessen Name aus eurem Mund der größte Verrat überhaupt ist, etwas bedeutet, dabei war er für Euch nur Mittel zum Zweck." Von sich selbst in der dritten Person zu sprechen war zwar seltsam, machte es ihm aber sehr viel einfacher den Schmerz zu ertragen. Er stieß Rod mit den Fingern nach hinten und schnaubte verächtlich. Er brachte so wieder ein bisschen Abstand zwischen sie und musterte den nackten Mann, der noch immer vor ihm stand. Wie gern hätte er ihn angefasst, doch Rods Blick war so leer. So wie diese Liebe, die Alessio einmal geglaubt hatte, in ihm zu sehen. Er wollte sich umdrehen, wollte einfach nur gehen. Er ertrug es nicht, ihn anzusehen, ihn so zu sehen und er wusste doch so genau, dass Rod ihn nur benutzt hatte, doch er konnte nicht. Stattdessen brach die Wut und die Enttäuschung aus ihm heraus, als die Maske des Kardinals in sich zusammenfiel und Alessio ausholte, um Rodrego mit aller Kraft, die er aufbringen konnte, einen so heftigen Rückhandschlag zu versetzen, dass es ihn beinahe selbst von den Füßen riss.
 

Rodrego


 

Alessio ist tot, Alessio ist gestorben und du bist sein Mörder! Das war es, was immer mehr in Rodregos Bewusstsein eindrang. Er war für immer fort! Zurück blieb dieser kalte Mann, der ihn sogar kastriert sehen wollen würde, wenn es die Umstände ihm gerade erlaubten.
 

Als seine Überfahrt verbrannte, fühlte er wieder diese grauenhafte Hoffnungslosigkeit, die ihm in den vergangenen Wochen das Leben so schwer gemacht hatte. Die Überfahrt war sein Versuch gewesen, seinem Leben wieder etwas mehr Sinn und ein Ziel zu geben. Jetzt würden die Stimmen in ihm wieder lauter werden, die ihn schon einmal einfach in den See hatten laufen lassen, in dem sie einmal gemeinsam gebadet hatten, an dem sie so glücklich gewesen waren. Er war einfach hineingelaufen, hatte sich nicht bewegt, als das Wasser zu tief zum Stehen wurde, war einfach untergegangen. Das Bild von Alessio, der ihn um Hilfe bat, hatte ihn in letzter Sekunde wieder nach oben rudern lassen. Aber jetzt? Jetzt, wo er begriff, dass sein Alessio tot war? Was würde ihn da aufhalten? Nichts. In gewisser Weise erleichterte ihn dieser Gedanke auch wieder.
 

Während er in diese kalten Augen blickte, merkte er, wie er sich sorgte, dass sich der andere verbrannte. Rodrego war verwirrt und sein gerade noch so stolzer Blick schwand einem erschrockenen. Wie konnte der Kardinal nur Alessios Körper so ohne weiteres misshandeln?! Seine Hand zuckte vor, um Alessios Fingern zur Hilfe zu eilen, als der Kardinal selbst das Papier doch noch fallen ließ und seine Hand ihn am Kinn berührte, während er ihn als Lügner titulierte. Erst Feigling, jetzt Lügner - aber vor allem ein Mörder, Alessios Mörder. Rod spürte deutlich, dass die Finger heiß waren, die an seinem Kinn entlang fuhren. Nun hörte er, was er zu hören bereits erwartet hatte. Aus dem einfachen Grund, weil alles andere unglaubwürdig wäre.
 

Geduldig hörte er sich die Vorwürfe an. Alessio war tot - aber nur ihm war er Rechenschaft schuldig. Was brächte es, dem Kardinal die Wahrheit sagen zu wollen? Nichts! Er würde ihn nur auslachen, verhöhnen, ihn weiter als Lügner verspotten. Gerne hätte er widersprochen, aber wozu? Dieser Mensch vor ihm würde ihm niemals glauben.
 

Rodrego senkte den Blick, um nicht mehr dieser Blick ertragen zu müssen, als er vom anderen vor die Brust gestoßen wurde und er leicht nach hinten taumelte. Seine des Lebens müden Augen sahen zu Boden, als er mit einem Mal einen heftigen, völlig unerwarteten Schlag ins Gesicht bekam. Sein Kopf schlug zur Seite und metallener Geschmack breitete sich in seinem Mund aus. Es fühlte sich an, als wolle sein Kopf bersten und doch reagierte sein Körper auf das Gefühl, der andere könne das Gleichgewicht verlieren. Sein Arm ergriff den Arm des Kardinals und stützte ihn leicht.
 

Als Rodrego seinen Blick wieder seinem Gegenüber zuwandte wurde ihm eines klar: Alessio war doch nicht gestorben. Denn genau das - diese Ohrfeige – hatte ihn aufgeweckt. Sie war richtig und vollkommen angebracht. Sie war in ihrem Ausdruck von verzweifelter Verletzung das ehrlichste, was hier im Raum hätte passieren können. Sein Verrat, der Verrat an seiner Liebe, verdiente diese Ohrfeige zutiefst. Endlich hatte er genau diese Strafe erhalten, die er wirklich verdient hatte.
 

Die Hand, die den Arm des anderen ergriffen hatte, um Alessandro zu stützen, zog ihn nun zu Rodrego heran. Er blickte Alessio suchend an, während seine Wange wummerte, sein Kopf schmerzte. "Du bist ja gar nicht tot", wisperte er. "Du bist nicht tot, sondern nur sehr, sehr tief unten vergraben, Alessio mio", wisperte er hörbar durcheinander. "Du bist noch hier, Alessio", wisperte er erneut und er sah, dass der Kardinal schwer kämpfte, um die Oberhand zu behalten. "Du magst mir glauben oder mich als Lügner beschimpfen, Alessandro Sforza, aber ich möchte dir nur noch eines sagen: ich habe dir meine Gefühle für dich nicht eine einzige Sekunde vorgespielt. Ich habe dich an jenem Tag im Stall wiedergefunden, nach so langer Zeit. Dich, der du mir verloren gegangen warst. Dich, den ich schon als Kind geliebt habe. Auch nachdem ich das gefälschte Todesurteil gefunden hatte, war mir immer klar, dass ich nicht spielen muss, nicht lügen muss. Denn alles, was zwischen uns gewesen ist, war echt, zumindest von meiner Seite aus. Ich liebe meinen Alessio, selbst jetzt noch. Ich liebe ihn an jedem Tag. Und nichts und niemand wird mir das zerreden. Ich wünschte nur, ich könnte es beweisen."
 

Alessandro


 

So tot wie Rodrego ihn glaubte, fühlte sich Alessandro tatsächlich. Er war erschöpft, sein Körper müde, seine Glieder schmerzten. Er sehnte sich nach einem weichen Bett und seligem Vergessen. Doch er wusste, dass er heute beides wohl nicht oder nicht zu seiner Zufriedenheit bekommen würde. Er hatte gar nicht so weit gehen wollen, wie er jetzt gegangen war. Er hatte Rod nicht angreifen wollen. Nicht, dass der Schmied diese Ohrfeige nicht verdient hatte, er hatte mehr Schläge als diesen einen verdient. Doch Alessandro hatte Angst vor der Auseinandersetzung, die nun unweigerlich folgen würde.
 

Aber war er nicht genau deswegen hierher gekommen?
 

Er wusste selbst nicht genau, was ihn dazu getrieben hatte, hier in Rods kleinem Haus zu erscheinen, zumindest wollte er es sich nicht eingestehen. Denn im Grunde war es einfach: er wollte, dass Rodrego sah, dass es "ihn" noch gab. Diese stumme Hoffnung, dass nicht alles in Rodregos Blick und seinen Taten Lüge gewesen war, die Hoffnung auf ein gutes Ende auch für sich selbst - ausnahmsweise einmal. Es war töricht, darauf zu hoffen, das wusste Alessandro selbst, aber er konnte einfach nicht anders. Jetzt war es wirklich so gekommen, dass Rodregos Worte wieder seine Maske hatten brechen lassen und er ausgerastet war. Er musste dringend hier raus!
 

Rods Hand griff ihn sachte am Arm und stützte ihn, als er taumelte, weil er nicht die Kraft für eine ausgewachsene Schlägerei hatte. Stattdessen fand er sich nahe an Rods nackter Brust wieder, atmete unabsichtlich tief den Geruch seiner Haut ein. Ein wenig roch Rodrego nach Bier aber sicher nicht so sehr, wie Alessandro nach Wein roch. Allerdings spielte das gerade wohl eine ziemlich untergeordnete Rolle. Er hob den Blick, nur um direkt in Rods Augen zu sehen. Dieses Mal nicht der kalte abgeklärte Kardinal sondern "Alessio". Als er diesen unsäglichen Namen, der immer wieder diese Wunde aufriss, erneut hörte, trommelten seine Hände mit der verbliebenen Kraft gegen Rodregos Brustkorb. Seine Stimme brach beinahe, als er versuchte sich von ihm zu schieben. "HÖR ENDLICH AUF, DIESEN NAMEN ZU SAGEN!" Es gelang ihm, sich etwas aus Rods Griff zu entwinden und sich seitlich wegzudrehen, auch um Rodrego nicht direkt zu zeigen, was seine Worte bei ihm bewirkten.
 

Genau das hatte er insgeheim doch hören wollen. Dass es nicht gelogen war, dass Rodregos Gefühle echt gewesen waren und dass er ihn wirklich und aufrichtig liebte. Der Kardinal in ihm tobte, weil Alessandro es auch nur in Erwägung zog, diesen Worten Glauben zu schenken. Seine Schultern zuckten, er war so verwirrt und so hin- und hergerissen. Wenn er seine Familie retten und beschützen wollte, dann brauchte er einen klaren Kopf und nüchterne Urteilskraft neben einer gehörigen Portion Egoismus und Brutalität. Aber wenn er danach noch als etwas anderes sein wollte, als eine leere Hülle, dann brauchte er Rodrego und das, von dem er glaubte, dass es wirkliche Liebe war. Er drehte sich wieder zu dem Schmied um, der noch immer nackt vor seinem Schreibtisch stand. Alessandros Blick glitt zu den Fetzen von Asche, die einmal Rodregos eigener kleiner Fluchtplan gewesen waren. War das nicht schon ein gewisser Beweis? Oder gehörte auch das nur zu dem Spiel, das Rodrego mit ihm spielte? War das überhaupt wichtig, wenn er dafür nur wenigstens ein paar Stunden das Gefühl bekam, mehr wert zu sein, als eine Hure an der Straßenecke? Alessandro wusste, dass er mit Menschen so umging. In Cambridge hatte er sich genau so verhalten und auch wenn er postwendend die Quittung dafür bekommen hatte, so war es doch so geschehen. Er ging nicht unbedingt mit gutem Beispiel voran, wenn es darum ging, sich für die Belange anderer einzusetzen. Verdiente er es überhaupt das Gefühl zu bekommen, mehr Wert zu sein, wenn er andere stets behandelte, als hätten sie keinen Wert für ihn? Andererseits hatte er Rodrego dieses Gefühl nie gegeben. Gerade von ihm so abgefertigt worden zu sein, war damit nur umso schlimmer gewesen. Wieso hatte er Rod gesagt er solle sich ausziehen? Es half definitiv nicht seiner Konzentrationsfähigkeit!
 

“Wieso hast du es nicht gesagt, als du Nico und mir von Cromwell erzählt hast? Wieso hast du gesagt, dass ... dass das alles nur gelogen war, warum?" Er sah langsam auf und hatte es geschafft, den berechnenden Blick aus seinem Gesicht zu verbannen. Zurück blieb ein abgekämpfter und unendlich müder Alessandro. "Wieso hast du mir diesen Schlag versetzen müssen, ich verstehe es nicht. Du stehst hier vor mir und sprichst von Liebe und hast mich doch so sehr verraten. Wie soll ich dir jemals, JEMALS wieder vertrauen, nachdem du mir über Wochen all das verheimlicht hast?”
 

Rodrego


 

Rodrego wehrte dich nicht, als der andere mit nicht wirklich viel Kraft begann, auf seine Brust einzuschlagen. Er hatte gerade seinen Alessio wiedergefunden. Dieser hatte alles Recht der Welt, ihn zu schlagen, nach allem, was er ihm angetan hatte. So hatte er nur schützend die Hände an Alessios Hüfte gelegt, falls dieser wieder taumeln würde. Der Italiener war entkräftet, er hatte sich noch nicht wirklich von der Vergiftung erholen können und er hatte heute ohnehin einen Kraftakt geleistet. Der Alkohol, den man deutlich roch, tat sein Übriges. Dann war da noch das Emotionale, das dem wunderschönen Mann vor ihm den Rest gab. Das hörte er deutlich, als dieser ihn anschrie, ihn nicht mit seinem Kosenamen anzureden. Die Stimme klang nicht mehr kalt und berechnend, sie klang verzweifelt und völlig entkräftet. Sie schmerzte ihn unsäglich.
 

Als Alessio sich von ihm distanzieren wollte, konnte er nicht umhin, ihn loszulassen, und Rodrego musste hart schlucken, als er seinen Alessio dort so stehen sah. Er sah, dass er mit sich rang und jetzt würde sich zeigen, wer stärker war: der Kardinal oder Alessio. Rod blieb nichts anderes übrig, als abzuwarten, was geschah. Bei dieser Entscheidung durfte er sich nicht einmischen. Diese Entscheidung musste Alessandro selbst treffen. Rodregos Kopf schmerzte noch immer und langsam begann er zu frieren. Der Wind draußen war noch immer stark, doch jetzt hörte er, wie der Regen langsam einsetze und mit einem Mal sintflutartig auf sein Hausdach stürzte, gefolgt von Blitz und Donner. Aber das alles war in diesem Moment nicht wichtig. Wichtig war nur, wie sich Alessandro entscheiden würde.
 

Als dieser wieder zu sprechen begann, kam die Frage, vor der er sich am meisten gefürchtet hatte. Aber es war eben auch die Frage, die am berechtigtsten war. Es war die Frage nach der größten Lüge seines Lebens und er schämte sich so sehr dafür. Das "Wieso?!" war im Nachhinein betrachtet nicht erklärbar. Er war so blind und dumm gewesen.
 

“Weil ich so dumm war, zu glauben, dass du wirklich für den Tod meiner Mutter und damit für das Schicksal meiner Familie verantwortlich warst.”
 

Er zögerte kurz. "Ich war so blind vor Wut, dass ich dich verletzen wollte. Ich hatte mir einreden lassen, dass der Mann, den ich liebe, ein doppeltes Spiel mit mir spielen würde. Ich dachte, du hättest mich mit deiner Liebe betrogen. Wenn dem nicht so wäre, wollte ich wenigstens, dass du siehst, wie schmerzhaft es ist, wenn man verliert, was man so sehr geliebt hat. Ich dachte, es würde sich gut anfühlen, aber es brachte nur noch mehr Schmerzen. Diese dumme Rache nahm mir erneut, was ich am meisten geliebt habe. Als sich dann noch herausstellte, dass alles eine Lüge war, wusste ich gar nicht mehr, wie ich nur so unfassbar dumm hatte sein können. Ich hatte gezweifelt, wo ich nie hätte zweifeln dürfen. Ich hatte zerstört, wo ich nie hätte zerstören dürfen. Ich hatte gelogen, wo ich nie hätte lügen dürfen." Er schwieg kurz, dann griff er nach seiner Hose und zog sie an, das Hemd folgte. "Ich weiß nicht, wie ich wieder gut machen kann, was ich gemacht habe. Ich kann dich nicht bitten, mir zu vertrauen. Ich wünsche es mir, ja! Aber ob du es tust, das musst du selbst entscheiden." Er war bei diesen Worten wieder einen Schritt auf Alessandro zugegangen. "Ich kann nur beteuern, dass ich dich unendlich vermisse. Ich vermisse deinen Geruch, deine Haare, die mich leicht kitzeln, vermisse deine frechen Finger, das Heben und Senken deiner Brust, wenn du friedlich neben mir schläfst. Ich vermisse deine Zärtlichkeit, deine Wärme gleichermaßen wie deine Stärke und Entschlossenheit. Ich vermisse es, mit dir baden zu gehen und dich ein wenig aufzuziehen. Ich vermisse es zu wissen, dass egal wie du den anderen gegenüber auftrittst, ich es bin, bei dem du du selbst bist." Rodrego betrachtete das schöne Gesicht vor ihm, das so aussah, als müsste Alessio einfach mal wieder wirklich friedlich schlafen. Er hob die Hand und strich Alessandro sanft über die Wange. Er merkte, dass seine Hand leicht zitterte, dass er Angst hatte, gleich zum Teufel gejagt zu werden. Aber wenigstens hatte er es dann versucht. Vielleicht machte es dann doch wieder alles ein wenig leichter.



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  Laila82
2017-08-26T13:04:22+00:00 26.08.2017 15:04
Hilfe wie soll ich bis zum nächsten Kapitel überleben?
Rod und Alessio ich leide mit euch. Ich hoffe es geht bald weiter mit den Beiden. Das Kapitel ist soo toll geschrieben, auch wenn es zum Heulen ist.
Antwort von:  -Amber-
26.08.2017 19:38
Freut mich riesig, dass du es gelungen findest... ganz schön tragisch das Ganze!!!
Ein paar Tage musst du dich noch gedulden! ;)
Du schaffst das!!! :D
Antwort von:  Laila82
26.08.2017 20:38
Bestimmt ist noch was vom Beruhigungsmittel von letztens da. John rück es raus. ;) Ich weiß ich weiß auf eigenes Risiko. Aber zur Not komm ich ja in den Genuss der Wiederbelebungsversuche von John.
Antwort von:  -Amber-
26.08.2017 22:05
John: Mein Spektrum an 'Beruhigungsmittel' ist mittlerweile mit Opiaten erweitert worden. Versuchskaninchen kann ich gut gebrauchen... *Funkeln in den Augen*
Wie lange willst du denn süße Träume haben? *evilgrin*
Antwort von:  Laila82
26.08.2017 23:44
Bis geklärt ist was aus Rod und Alessio wird und am besten bis auch geklärt ist was mit dir und Tancred wird. Fragst am besten die beiden Schreiberlinge der Ff wie lange die beruhigende Wirkung anhalten muß.
Ps. Süße Träume hätte ich gern jede Nacht, aber die Schnuckel dieser Ff sind ja alle vom anderen Ufer.
Antwort von:  -Amber-
27.08.2017 07:42
John: Hm... 2Wochen musst du dann wohl warten... *grübel* *mehrere Fläschchen und Pillen zurecht mach*
Aber nur im Notfall!
Ansonsten empfehle ich Ablenkung mit erneutem Lesen von Lieblingsszenen!
Und träumen darf man alles... ;)
Antwort von:  -Amber-
29.08.2017 13:53
John: *wiederbelebe*
Damit du nicht übersiehst, dass die Antwort auf eine deiner Fragen nun nachlesbar ist... *kiss*


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