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Intrigo e amore

And it's with you that I want to stay forevermore
von
Koautor:  Coventina

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London 3 - Entscheidungen

29Entscheidungen
 

Tancrèd


 

An anderer Stelle hatte einer auch ein ganz gewisses Verlangen. Tancrèd war bereits wach, bevor die Sonne wirklich den Tag erhellte. Er schlief so verdammt schlecht auf festem Boden... obwohl er jetzt schon wieder relativ lange an Land war, schlief er einfach schlecht. Er hätte ja auch im Hafen auf dem Schiff bleiben können, doch angesichts der gespannten politischen Verhältnisse war seine Anwesenheit in London einfach unabdingbar. Neben ihm schlief John noch immer und er würde wohl noch eine ganze Weile schlafen. Der schlanke schöne junge Mann hatte sich im Schlaf nahe an ihn geschmiegt und Tancred hatte zumindest das sehr genossen, auch wenn das Bett einfach viel zu ruhig stand.

Im Geiste ging er durch, was in den nächsten Tagen wohl auf seinem Programm stehen würde. Mit dem Schlag gegen Cromwell, dem hoffentlich noch weitere folgen würden, kam auch auf ihn selbst wieder mehr Arbeit zu. Man würde die Schiffe bald brauchen, wenn der König gen Frankreich marschieren oder zumindest Flagge zeigen wollte. Dann würde er noch einmal die Kanonen... DIE KANONEN! Tancrèd schoss im Bett in die Höhe. Seine Gedanken rasten, als ihm gerade bewusst wurde, warum er Kadmin am Tag des Turniers bereits an den Hafen geschickt hatte. Sie bekamen neue Lieferungen von Kanonenkugeln! "Merde!", entfuhr es ihm auf Französisch, als er schon die Beine aus dem Bett schwang. Er schlüpfte so leise und schnell er konnte in Hemd und Hose, nahm seine Jacke von dem Haken neben dem Kamin. John schlief noch immer und schien nicht bemerkt zu haben, dass er ging. Im Labor fand der Franzose Tinte, Feder und Papier und kritzelte eine kurze knappe Nachricht für John, die er auf das leere Kopfkissen neben dem Schlafenden legte: "Verzeih meine Abwesenheit, wenn du aufwachst, John. Ich habe eine wichtige Lieferung für das Schiff vergessen und muss dringend zum Hafen. Ich werde sicher sehr bald wieder in London sein und dich aufsuchen. T" Dann verließ er das Labor, ließ sich in den Stallungen, in denen bereits gemistet wurde, sein Pferd geben und war nur kurze Zeit später bereits in vollem Galopp durch das morgendliche Grün unterwegs zum Meer.
 

John


 

John streckte sich leicht, drehte dann noch einmal den Kopf, um sich noch einmal in das Kissen zu kuscheln. Irgendetwas fehlte, so kam es ihm vor. Irgendwas... John tastete neben sich, dann richtete er sich abrupt auf und blickte suchend auf das Bett. Doch anstatt dass da Tancrèd lag, war da nur ein Zettel, den er eilig griff, um zu lesen. Johns Augenbrauen wanderten nach oben, als er den Zettel noch einmal und noch einmal las. "Idiot!", knurrte er im ersten Affekt, als er wieder ins Kissen sank und die Augen schloss. Er fühlte sich etwas matt, sein Magen schmerzte und er hatte unheimlich Durst. Man, was für ein Abend. John strich sich mit den Händen über das Gesicht und atmete tief durch. Langsam ließ er Revue passieren, was geschehen war und auch wenn er jetzt darüber nachdachte, was Tancrèd mit ihm getan hatte, damit er endlich aus sich heraus kam, und auch was er jenem dann alles erzählt hatte, fühlte er weder Zorn hochsteigen, noch hatte er das Gefühl, etwas Falsches getan zu haben. Das, was Tancrèd ihm gesagt hatte, ließ ihn schmunzeln und nach wie vor hörte er nicht hin, was diese kleine Stimme in seinem Kopf ihm immer wieder einzureden versuchte. Nein, er wollte das glauben. Er wollte glauben, dass er besonders war, dass dieser Mann ihn wirklich wollte und dass er es schaffen würde, sich wirklich auf den anderen einzulassen.

Ich würde einen Mann wie dich niemals aufgeben. Du bist etwas ganz Besonderes, John Forbes, und es ist eine Schande und zugleich mein Glück, dass das niemand vor mir getraut hat, dir ins Gesicht zu sagen.

Dieser Satz würde sich für immer in seinem Kopf eingebrannt haben.

Im Rückblick hatte er nur einen großen Fehler begangen: er war einfach eingeschlafen.

Und jetzt war dieser Idiot nicht da, den er heute Morgen durch dieses Bett gejagt hätte, dass er sich gewünscht hätte, er wäre ein paar Jahre jünger. "Scheiße", knurrte er, bevor er sich aufraffte, aufzustehen. Denn sein Rückblick hatte ihm auch die Gedanken daran nicht erspart, zu überlegen, was nun die Zukunft bringen würde. Eines war ihm gestern sehr klar geworden. Er musste etwas an seiner Situation ändern und zwar radikal. Anders würde es nicht funktionieren, egal wie sehr er auch wollte.

Während er sich wusch und anzog, dachte er hin und her. Sein Knackpunkt war sein Vater. John würde sich selbst belügen, wenn er sagte, er freue sich auf das Gespräch mit diesem.

Nachdem er noch von Alessandro Sforza abgepasst worden war, war es bereits später Vormittag, als er schließlich mit einem Pferd das Anwesen verließ. Er musste sich beeilen, wenn er alles vorbereiten wollte, bevor sein Vater kam.
 

"Wer ist das?", war die trockene Frage seines Vaters, als er die Apotheke betrat. "Patricia", entgegnete John bestimmt. "Die wunderbarste Krankenpflegerin Londons und emsigste Hilfe, die du dir wünschen kannst. Sie wird dir im Laden helfen und deine Visiten unterstützen. Ab morgen wohnt sie in meinem Zimmer." Damit begann ein teilweise recht lautes, teilweise sehr verletzendes und sehr anstrengendes Gespräch, das jedoch zumindest insofern positiv endete, als dass sein Vater ihm zwar klar gemacht hatte, dass er sich nicht einbilden sollte, jemals wieder in diesem Haus leben zu dürfen, aber er wollte es immerhin einmal mit Patricia versuchen. Und er würde für ihn weiterhin als Alchimist tätig sein. Denn auch wenn sein Vater ein verbohrter und verbitterter alter Mann war, so war er nicht dumm. Und John braute nun mal mittlerweile die meisten seiner Medikamente. Sie einigten sich auf einen Lohn, der es John ermöglichen würde, über die Runden zu kommen.

Er würde das letzte Trimester noch hinter sich bringen und mit Kierans Hilfe würde er auch die Dinge bestehen, in denen er nicht so gut war. Dann würde er sehen, was geschah und wie er und Tancred standen. Alles andere musste er auf sich zukommen lassen.

Am nächsten Tag hatte er seine Sachen gepackt und für Patricia sein Zimmer geräumt. Die energische Frau hatte schon am Tag zuvor bewiesen, dass sie seinen Vater zu nehmen wusste. Wenn John ehrlich war, tat sie ihm ein wenig leid. Aber er hatte sie mehrfach vorgewarnt. Mehr konnte er nicht tun und er war ihr unendlich dankbar. Als Kieran am späten Vormittag kam, war dieser mehr als überrascht. Sie unterhielten sich in Ruhe und der Jüngere freute sich so sehr, dass John ihn damit aufzog, offenbar sehr froh zu sein, ihn los zu werden. Letztlich bestätigte ihm das jedoch nur, dass Kieran es ebenfalls für den richtigen Weg hielt. Nachdem er vormittags für seinen Vater gearbeitet hatte, machte er sich nachmittags auf die Suche nach einer neuen Wohnung, bzw. einem Zimmer. In diesem Punkt machte es sich zumindest bezahlt, dass er etliche Menschen kannte. Zudem hatte er genaue Vorstellungen davon, was er wollte. So richtete er sich am Abend mit Kieran zusammen eine ehemalige Gesindekammer ein, die über den ehemaligen Stallungen eines Gasthauses nahe der Apotheke lag. Mr. und Mrs. Gardner waren schon seit John denken konnte Kunden bei ihnen gewesen und freuten sich über seine Frage, ob sie ihn aufnähmen. Die größere Landwirtschaft hatten die älteren Herrschaften ohne Nachkommen bereits aufgegeben und bewirteten nur noch Gäste. Er war früher öfter bei ihnen auf dem Hof gewesen und hatte geholfen, um etwas zu essen zu bekommen, wenn sein Vater ihm das Essen entzogen hatte.

Das Zimmer war groß und nach einer größeren Reinigungsaktion recht hell, lag abseits der Hauptstraße, so dass es nicht sehr laut war und der nächste Nachbar außer Hörweite. An diesem Abend verabschiedete er Kieran mit der Bitte, Tancrèd zu sagen, wo er ihn finden würde, falls der Kapitän auftauchen würde. Kieran grinste breit und setzte sich demonstrativ erstmal wieder und sah ihn fragend an. John war klar, dass der Kleine nicht gehen würde, bevor er zu diesem Thema nicht genauere Informationen erhalten habe. Er wog ab, was er erzählen wollte, was er erzählen konnte. Dann befriedigte er die Neugierde seines besten Freundes soweit er das wollte und so weit, bis jener zufrieden war. Anschließend schickte er Kieran dann nach Hause, der irgendwie aufgedrehter war als sonst. Er hätte ihn gerne dabehalten, aber Kieran musste für seinen Vater da sein, für Patricia und für Tancrèd im Falle des Falles.

Tancrèd - ja. Es war gut, dass John so viel zu tun hatte, denn das Gefühl in seinem Bauch war nicht sehr angenehm. Von Kieran wusste er, dass die Kriegsschiffe im Hafen östlich von London, in Gravesend lagen. Er würde ihm noch einen Tag geben. Aber dann wäre irgendetwas - eine Nachricht mindestens, sein Erscheinen bestenfalls - überfällig. Besonders wenn man bedachte, dass er nächste Woche auslaufen würde, wenn das, was sich der Kardinal überlegt hatte, wirklich so stattfinden würde. Irgendwie machte ihn das wütend. Die Zeit arbeitete gegen ihn und das Gefühl, einen großen Schritt gemacht zu haben, aber dabei Unterstützung zu brauchen - so seltsam das auch war: er wollte Tancrèd zeigen, dass ihr Gespräch im Hafen damals Spuren hinterlassen hatte.
 

Der nächste Tag war ein normaler neuer Tag in seinem neuen Leben - und das war nicht gut. Denn dieses Leben bedeutete viel Zeit für sich allein zu haben. Zu viel Zeit, um nachzudenken. Daher hingen seine Gedanken bei dem Mann, der ihm geholfen hatte, endlich einmal nur für sich Zeit zu haben.

Während aufstand, sich wusch, frühstückte, seine Kammer aufräumte und sich schließlich auf den Weg zur Arbeit machte, hingen seine Gedanken bei dem Kapitän, der sich doch wenigstens mal mit einem Brief hätte melden können. Selbst als er arbeitete und alles für den entscheidenden Tag von Alessandro vorbereitete, merkte er, dass er abgelenkt war. Vor nicht allzu langer Zeit hatte er sich deswegen über Kieran lustig gemacht. Der Unterschied war nur, dass man es ihm nicht ansah. Er wirkte stoisch wie eh und je. Allerdings glitt sein Blick vielleicht dich öfter zur Uhr, oder zur Tür, wenn jemanden Laden betrat. Gleichzeitig verfluchte er die Umstände ihrer Übereinkunft. Irgendwie war es wie verhext mit ihnen. Entweder wurden sie gestört, oder er bockte oder der andere musste dringend weg... Argh! Wie sollten Sie ihren 'Weg gemeinsam gehen', wenn sie sich nie sahen?

Es war kurz nach Mittag, als er sich ein Pferd geben ließ und los ritt. Er war noch nicht oft so weit weg von London gewesen, aber wenn er jetzt nicht ritt, dann würde er nicht rechtzeitig für Alessandro Plan zurückkehren. Die Wut in seinem Bauch auf die Umstände ihres gemeinsamen Starts trieb ihn voran.

Als er in Gravesend eintraf, war es schon früher Abend. John brachte sein Pferd in eine Stallung in der Nähe des Hafens und genoss den kurzen Fußweg, um sich ein wenig zu strecken und sich von dem Ritt zu erholen. Er fragte sich auf dem Weg durch, wo die Raashno lag, was nicht weiter schwierig war, denn das Schiff war aufgrund seiner Besatzung bekannt wie ein bunter Hund. Als er es von weitem sah, zögerte er einen Moment und beobachtete das Treiben an Deck. Was, wenn Tancrèd nicht da war? Auf dem Weg nach London? Aber Kieran hatte ihm versichert, dass er nicht bei Hofe war. Er sah ihn hier aber auch nicht und so passte er jemanden ab, der vom Schiff kam und nun offenbar zu seinem freien Abend in die Hafenkneipen aufbrach, ob Nadim an Deck wäre. Dieser nickte und musterte ihn, ging jedoch ohne weitere Worte weiter. Also war er da. Und er hatte keine Zeit gefunden, ihm eine Nachricht zukommen zu lassen? Und in ein paar Tagen würde er auslaufen? So ein verdammter Mistkerl!!!

John atmete tief durch. Es war nicht die Angst davor, den anderen zu sehen. Es war das Geräusch von Meerwasser, das immer wieder an die Kaimauer schlug, ... stetig, immer wieder... und wieder und wieder... Er näherte sich dem Schiff, blieb ein paar Meter von der Kaimauer entfernt stehen. Er sammelte sich, schloss die Augen, lauschte seinem Gefühl im Bauch, klingelte die Glocke an der Gangway - dann rief er laut: "Nadim, du elender Mistkerl! Wenn du nicht in weniger als drei Minuten hier bei mir bist und mir Rede und Antwort stehst, dann weiß ich nicht, ob du dich jemals wieder in London blicken lassen kannst, ohne um dein verdammtes Leben bangen zu müssen!"
 

Tancrèd


 

Die Kanonenkugeln vergessen zu haben, war Tancrèd ziemlich, ziemlich peinlich. Er, als inoffizieller Admiral seiner Majestät hatte doch verdammt noch mal da zu sein, wenn ihre Bewaffnung eintraf! Nicht, dass Kadmin das nicht auch hätte erledigen können oder einer der anderen Kapitäne - aber es warf irgendwie kein besonders gutes Licht auf ihn wie er fand. Also trieb er das Pferd zur Eile und wechselte es an der nächstgelegenen Station, um das nächste schnelle ausdauernde Tier schweißnass zu reiten. Als er trotzdem erst gegen Mittag am Hafen eintraf, belud man bereits die ersten Lagerhäuser mit der prekären Fracht. Tancrèd hatte sich strikt geweigert, die Kanonenkugeln an Bord zu nehmen. Es war einfach viel zu gefährlich, was betrunkene Männer unter Deck mit Schwarzpulver anstellen konnten und am Ende würde es in einer Kettenreaktion die ganze Flotte seiner Majestät in Stücke reißen, ohne dass auch nur eine Kanone abgefeuert worden war. Tancred hatte die Unschuld schon kotzen sehen und er war froh, dass man seinem Wunsch nachgekommen war, die Munition erst einmal in einem Lagerhaus zu verstauen. Zwar war das nicht sicherer, aber am Ende würde es eben nur das Lagerhaus zerreißen und nicht die teuren Schiffe.

Er erreichte die Raashno einige Zeit später und wurde bereits von Kadmin erwartet, der ihm Bericht erstattete, was bisher bereits geschehen war. Wenig später traf er sich mit den Kapitänen der anderen Flotte, denen seine Abwesenheit durchaus aufgefallen war. Er hatte ohnehin keinen allzu leichten Stand bei ihnen, weil er Franzose war und ihnen das ganz und gar nicht passte, doch Tancrèd fand meistens einen Weg, ihrer wieder Herr zu werden. Da er in London gewesen war, konnte er sehr wichtige Geschäfte vorschieben und machte ihnen Hoffnung auf einen baldigen Krieg, stützte die Gerüchte, die es bereits nach Gravesend geschafft hatten, über Cromwells schwindenden Einfluss auf den König. Trotzdem wurde ihm klar, dass er eine Weile hier würde bleiben müssen. Er konnte nicht einfach wieder nach London reiten, die Stimmung hier verlangte seine körperliche Anwesenheit. Kadmin hatte die Mannschaft gut im Griff und sie mochten ihren Kapitän, waren ihm auch treu - aber er wollte nicht, dass andere über eine Meuterei spekulierten. Also blieb ihm nichts anderes übrig als die nächsten Tage abzuwarten, auch wenn es ihm danach dürstete nach London zurück zu reiten, um John wieder zu sehen.

Der Gedanke an John rückte am nächsten Abend durch einen besonderen Gast jedoch in den Hintergrund. Tancrèd war deutlich irritiert, als er die Glocke unten an der Gangway hörte und über die Reeling blickte, vor der er auf den Fluss hinausgestarrt hatte. Dort unten an der Planke stand kein geringerer, als der Leibdiener beider Sforza Brüder. Am Morgen als er mehr oder weniger Hals über Kopf abgehauen war, hatte er sich nicht von ihnen verabschieden können, immerhin hatten sie noch geschlafen. War sein Fehlen bemerkt worden und er bekam jetzt die Abmahnung dafür? Er deutete dem Italiener heraufzukommen, der ihm einen Brief überreichte, der ein ihm nur allzu bekanntes Siegel trug: Das Siegel eines Kardinals in Diensten des Vatikans. Ein Schreiben von Alessandro Sforza? Das sein hochheiligster Diener ihm persönlich überbrachte? Tancred musterte Amadeo einen Moment und bat ihn dann, ihm in seine Kajüte zu folgen.

Was er in der nächsten halben Stunde las, konnte er kaum glauben. Das, was da in geschwungener ordentlicher Handschrift auf dem Papier stand in sich schier unendlich aneinanderreihenden Zeilen war kaum mehr als Hochverrat an dem König, der noch immer damit haderte, ihm seinen Freibrief zu geben. Das war allerdings nur die eine Seite der Geschichte.

Auf der anderen Seite bot Alessandro ihm eine so dicke Belohnung und einen sicheren Hafen, dass er dieses Angebot kaum würde ausschlagen können. Er hatte nur ein Problem: er konnte es seiner Mannschaft nicht sagen, nicht einmal Kadmin. Diese Tatsache missfiel dem Kapitän sehr. Solange er nicht auf See war und seine Männer nur unter sich, konnte er so eine Bombe nicht platzen lassen. Er musste sie darauf einschwören, aber das ging besser an einem Ort an dem sie nicht in der nächsten Kneipe davon erzählen konnten. Und es musste sich für sie auszahlen. Er las den Brief abermals und schüttelte erneut ungläubig den Kopf, ehe er zu dem Italiener aufsah, der neben dem Schreibtisch stand und ihn seit dem er sich gesetzt hatte, beobachtete. "Ich nehme an, ich soll diesen Brief verbrennen..." Amadeo nickte knapp, ohne etwas zu sagen. "Und ich nehme an... wenn ich den Forderungen seiner Eminenz nicht nachkomme, falle ich heute Nacht noch in das Hafenbecken und tauche nicht mehr auf...?" Der Franzose sah, wie Amadeos schön geschwungene Lippen leicht zucken. Der Franzose lehnte sich im Stuhl zurück, hob das Papier über die Kerze und sah zu wie es Feuer fing. "Ihr könnt seiner Eminenz ausrichten, dass ich nicht gänzlich abgeneigt von diesem Angebot bin, aber dass ich keinen Handel über einen Dritten abschließe. Für den ersten Teil seiner Forderung steht das Schiff bereit. Seine Schwägerin soll "ihr Gepäck" in den nächsten Tagen hier anliefern lassen, meine Männer sind ohnehin wild darauf, wieder in See zu stechen und ich werde es den anderen als eine Erkundungsfahrt in spanische Gewässer verkaufen können." Er ließ den brennenden Fetzen los und sah Amadeo dann direkt an. "Alles Weitere bespreche ich nur mit dem Kardinal oder seinem Bruder persönlich. Wenn ihm das nicht reicht, weiß er ja, wo man mich finden kann."

"Ich denke für den Anfang wird ihm das vollkommen ausreichen. Sicher ist es besser Eure Mannschaft vorerst im Ungewissen zu lassen. Da seine Eminenz von eurer Verschwiegenheit überzeugt ist, habe ich das für Euch." Amadeo ließ einen Beutel auf Tancreds Schreibtisch fallen, in dem es verdächtig klimperte. "Richtet seiner Eminenz meinen ergebensten Dank aus..", erwiderte der Franzose ruhig und sah zu, wie Amadeo die Kajüte verließ. Dieser Mann war mit Vorsicht zu genießen.. mit verdammt großer Vorsicht.
 

Die Pläne, John möglichst bald wieder zu sehen und nach London zurück zu reiten, wurden von dem Plan des Kardinals erneut zu Nichte gemacht. Eigentlich hatte Tancrèd gedacht zumindest einen Tag zurückreiten zu können, doch der enge Zeitplan, den der Kardinal ihm gesetzt hatte, machte das unmöglich. Bereits am nächsten Morgen musste er sich mit den anderen Kapitänen und auch mit Thomas Howard auseinandersetzen, dem er irgendwie verständlich verkaufen musste, warum eine Erkundungsfahrt ins Mittelmeer gerade zum jetzigen Zeitpunkt lohnend und notwendig war. Es gelang ihm schließlich nur, weil er glaubhaft verkaufen konnte, dass seine Männer des Landes überdrüssig wurden und rebellierten und es sich der König kaum leisten konnte, eines seiner Flaggschiffe wegen Meuterei zu verlieren. Er bekam eine Genehmigung, um in einer Woche auslaufen zu dürfen und trieb schon kurz darauf seine Männer dazu an, das Schiff seetüchtig zu machen. Zwar achtete man immer darauf, den Rumpf zu reinigen und das Holz in Schuss zu halten, doch in der letzten Zeit bei zu viel Landurlaub waren diese Tätigkeiten wirklich stark vereinfacht worden. Jetzt herrschte wieder rege Betriebsamkeit auf den Bohlen des Kriegsschiffes und Tancrèd nahm ein wenig des Geldes in die Hand, das Alessandro ihm im Voraus gegeben hatte, um Segeltuch zu kaufen, aus dem seine Männer in mühevoller Handarbeit einen zweiten Satz Segel herstellten.
 

Genau in diese Situation am heißen Mittag des dritten Tages, nachdem er London verlassen hatte, platzte ein sehr überraschender Gast ein. Tancrèd hatte sich gerade in die Takelage hinaufgezogen, um einem seiner Männer dabei zu helfen, das Segel testweise zu befestigen. Es war ein schwieriges Unterfangen, weil das große Tuch ungeahnte Kräfte entwickeln konnte, wenn es denn einmal hing. Das Schiff war zwar fest vertäut, aber der Mast konnte durchaus Schaden daran nehmen, solange das Segel nicht richtig hing. Es war das letzte, was er heute noch abmessen wollte, deswegen waren sie nicht mehr viele Männer an Bord. Es brachte ja nichts wenn die Hälfte nur dumm herumstand und anderen bei der Arbeit zusah. Als eine seltsam bekannte Stimme von unten ertönte, hätte es den Kapitän fast vom Mast geholt. Kadmin, der unten das Seil hielt, mit dem Tancrèd sich gesichert hatte, lehnte sich in einer kurzen Schrecksekunde, die er den Mann bereits fallen sah, nach hinten, um das Gewicht auszugleichen. Doch Tancrèd hatte noch sicheren Halt am Mast und winkte zum Zeichen, dass alles in Ordnung war. Sein Blick wanderte nach unten, aber er hatte die Sonne im Rücken und John musste gegen das Licht nach oben schauen. Vermutlich erkannte er ihn nicht oder erwartete nicht den Kapitän höchst selbst in den Wanten. Der Araber, noch immer eine Hand am Seil, trat nun statt Tancrèd an die Reling und sah nach unten auf den jungen Mann herab, der da am Kai stand. "Wenn du kleiner Scheißer nicht gleich kopfüber von der Reling hängen willst, dann verpiss di-" Kadmin wurde unterbrochen, als er Zug am Seil spürte. Er sah wieder zum Mast und erkannte, das Tancrèd flink wieder herunterkam, während das Segel matt in der stehenden Mittagshitze hing. Der Franzose trat neben den Araber an die Reling und sah nach unten, deutlich überrascht und verdammt erfreut, John da unten zu sehen. Sein Grinsen wurde breiter. "Ich glaube nicht, dass ich etwas von dir zu befürchten habe, solange ich hier oben bleibe...", meinte er mit einem frechen Grinsen im Gesicht. "Und ich weiß nicht wirklich, warum ich runter kommen sollte, wenn du mir schon so drohst..." Er löste das Seil um seinen Bauch und betrat die Gangway. Weil sie schon so lange festmachten, war es nicht nur eine Planke sondern ein breiter Steg, an einer Seite sogar mit Halteseilen. Mitten darauf blieb Tancred stehen, verschwitzt und barfuß, nur mit Kniehosen bekleidet. "Du kommst doch wohl nicht, um mir mein Hemd zu bringen…?"
 

John


 

Während John auf eine Reaktion auf dem Schiff wartete, ließ er seinen Blick über eben dieses gleiten. Es waren nicht sehr viele Männer an Board, aber dennoch herrschte eine emsige Arbeitsatmosphäre an Board. Offensichtlich wurden die Segel repariert oder erneuert, denn ein paar Männer hingen in den Wanten. John blickte leicht gegen die tiefstehende Abendsonne, als er genauer hinsehen wollte. In diesem Moment trat ein für einen Araber recht großer, ihm nicht ganz unbekannter Mann an die Reling und wies ihn mindestens so freundlich zurecht, wie er selbst ja auch gerufen hatte. John kannte Kadmin von Kierans Erzählungen und von jenem Abend, als das Backgammon eine neue Bedeutung für ihn bekommen hatte. "Von einem drittklassigen Pokerspieler, der mit fünftklassigen schauspielerischen Fähigkeiten den Menschen das Geld aus der Tasche zieht, lasse ich mir bestimmt nicht sagen, was ich tun soll", motzte John zurück und folgte aus einem natürlichen Instinkt dem Blick des anderen, nur um nun Tancrèd zu sehen, der den Mast herunterkletterte. Aber anstatt dass der werte Herr die Gangway zu ihm herunterkam, trat er nur an die Seite seines ersten Maat. John knurrte leicht und lauschte den Worten des Kapitäns. Zumindest war er nicht umsonst gekommen - Tancrèd war da. Der Franzose sah etwas abgekämpft aus, aber John wollte sich nicht beruhigen, sondern sich aufregen, ein bisschen wie ein bockiges Kind. Schließlich war es der andere, der ihm gesagt hatte, er wolle ein Stück gemeinsames Leben verbringen. Dann stahl er sich so einfach weg, ließ ihn so unbefriedigend zurück und meldete sich nicht mehr.

Offenbar hatte Tancrèd auch gar nicht vor, zu ihm zu kommen. Jener hatte die Situation genau erkannt - was John nur noch wütender werden ließ. Er blickte zur Gangway. Etwa 12 Schritte lang, leicht schräg nach oben gehend - aber eben über dem Wasser. Andere gingen da ständig drüber. Wieso sollte er hineinfallen? Er blickte wieder zu Tancrèd, dessen Grinsen ihm gerade sehr bitter aufstieß, und der nun selbst zur Gangway trat. John folgte ihm mit den Augen, sich wundernd, dass er wohl doch herunterkam - zumindest bis er in der Mitte hielt - sechs Schritte ... Er hatte das Hemd tatsächlich dabei, hatte es in seiner Tasche, die er sich quer über die Brust angelegt hatte und so quasi als Rucksack trug. Sein Blick glitt über den verschwitzten, halbnackten Körper des anderen und hatte er je Zweifel gehabt, ob es eine gute Idee gewesen war, hierher zu kommen, waren diese jetzt verflogen. Man, wie wollte er endlich mehr von ihm! Er zögerte einen Moment. Vorsichtig trat er mit einem Fuß auf den Steg, dann atmete er tief ein und ging zügig den Rest hinauf bis zu dem Franzosen. "Das habe ich in der Tat dabei", sagte er ruhig und blickte den anderen abschätzend und etwas herausfordernd an. "Aber ob du es wiederbekommst, bin ich mir nicht so sicher, du Mistkerl." Er merkte, dass er schwankte, dass er weiche Knie hatte, aber er versuchte das zu ignorieren. Er trat noch näher an den Kapitän heran, damit nicht jeder hören konnte, was er sagte. "Aber eigentlich komme ich, weil ich Bedürfnisse habe, die du mir neulich morgens nicht befriedigen konntest", sagte er leise ins Ohr des anderen. Er roch den anderen, spürte schon fast seinen Körper, als er sich leicht vorbeugte und flüsterte. "Ich möchte dich, deshalb bin ich hier. Ich möchte dich mit jeder Faser meines Körpers spüren und dich küssen, dich hören, wenn du kommst und dein Gesicht betrachten, wenn du diesen Moment genießt." Er suchte wieder das Auge des anderen, als er sich etwas distanzierte. "Und vielleicht bin ich auch hierhergekommen, weil es ein paar Neuerungen in meinem Leben gibt, die ich dir gern erzählt hätte, wenn du dich einmal dazu herabgelassen hättest, mich zu besuchen." Da war sie wieder - die Wut, die ihn hergetrieben hatte. Die Gangway schwankte leicht, aber langsam fühlte sich sein Körper nicht mehr so verkrampft an. "Aber bevor wir hier jetzt weiterreden", sagte er dennoch und fügte in Gedanken ein 'und ich noch einmal im Hafenbecken lande' ein. "Wäre ich dir sehr dankbar, wenn wir weitergingen - entweder nach hinten oder nach vorne..."
 

Kadmin


 

Direkt Widerworte von dem jungen Mann zu bekommen hatte Kadmin sicher nicht erwartet. Da sich inzwischen der Kapitän selbst eingeschaltet hatte, vermied er es aber, erneut etwas dazu zu sagen, zumindest für den Moment. Er war nicht dumm. Wer John war, wusste er sehr genau und er hatte ihn auch ohne Probleme wiedererkannt. Letztendlich ging es ihn nichts an, mit wem sein Kapitän wann was tat, doch in der Regel hatte Tancrèd "solche" Bekanntschaften nicht sehr häufig. Da es sonst meistens er war, der dann ab und an des Nachts im Bett seines Kapitäns lag, gefiel ihm der "Nebenbuhler" - wenn man es denn so sagen wollte - nicht besonders. Es ging dabei nicht besonders um Gefühle. Kadmin begehrte Frauen, keine Männer, redete er sich selbst ein. Aber auf See gab es keine Frauen und man nahm was man kriegen konnte. Es hatte etwas mit Macht und Vormachtstellung zu tun, die John ihm drohte streitig zu machen, wenn Tancrèd auf einmal entschied, mit diesem Kerl mehr als nur eine Nacht zu verbringen. Trotzdem hielt er die Klappe und machte sich daran, das Seil aufzurollen, das eben noch Tancred gesichert hatte. Sein Blick ließ die beiden Männer nicht aus den Augen, auch wenn er sich ein Stück von der Gangway entfernte.
 

Tancrèd


 

Tancrèd fühlte sich derweil auf dem eigentlich recht stabilen Steg ziemlich sicher. Dass Johns Wut so groß sein würde, dass es ihn sogar das feuchte Holz hinauftrieb, hatte er nicht vermutet. Umso erstaunter war er, dass John tatsächlich nach kurzem Zögern zu ihm hinaufkam. Mit etwas unsicheren Schritten, aber zügig. Überrascht hob er die Augenbrauen und schmunzelte, während er die Hände hinter dem Rücken verschränkte und breitbeinig stehen blieb. "Na.. was sind denn das für Töne", meinte er mit beinahe tadelndem Unterton, verbiss sich aber den Hinweis darauf, dass ein kleiner Schubs Johns Hitzkopf abkühlen würde. Als John noch näher trat, schwankte er leicht. Tancred griff nach vorn, um ihn leicht zu stützen, doch John hielt sich eigentlich ganz gut auf den Beinen dafür, dass er beim letzten Mal so ängstlich gewesen war. Die Worte, die John ihm dann mehr oder weniger ins Ohr flüsterte, brachten ihn dazu, sehr konzentriert ein- und auszuatmen. Deswegen war er hier her gekommen? Ihm fröstelte plötzlich, aber es war eine sehr angenehme Gänsehaut, die sich über seinen verschwitzten Körper zog. Er räusperte sich, um seine Stimme wieder zu finden, doch er kam nicht wirklich dazu, etwas zu sagen, weil John schon nachlegte. Neuerungen in seinem Leben? Er runzelte die Stirn, aber John hatte sich schon wieder etwas von ihm gelöst.

"Wenn unser lieber gemeinsamer Freund, Kardinal Sforza nicht beschlossen hätte, in einer Woche eine Mittelmeerrundreise zu machen, dann wäre ich auch schon längst wieder in London gewesen... aber das Schiff muss seetüchtig gemacht werden und die Mannschaft ebenso. Daher hatte ich noch keine Gelegenheit nach London zurück zu reiten...", gab er zurück, um sich zumindest zum Teil zu erklären. "Aber das sollten wir an einem ungestörteren Ort besprechen." Tancrèd deutete an sich vorbei die Gangway hinauf und ging schließlich nach vorn. Kadmin beobachtete, wie beide Männer, die schließlich auf das frisch geschrubbte Deck traten. "Danke, Kadmin. Ich bleibe heute Abend an Deck. Du kannst die anderen Männer von Bord schicken wenn sie wollen." Der erste Maat nickte, musterte John jedoch beinahe einen Augenblick zu lange, ehe er sich abwandte und Richtung Niedergang davoneilte.

Tancrèd steuerte das Heck des Schiffes an. Als Kapitän hatte er die größte und komfortabelste Kajüte, die inzwischen nach so vielen Jahren auf See auch wirklich wohnlich aussah. Zwei für das Schiff recht große Fenster zeigten auf das Meer hinaus und ein massiv in den Bohlen verankertes Bett stand an einer der Wände. Da das Schiff im Hafen lag und die See ruhig war, bemerkte man die Bewegung fast gar nicht. Er schloss die Türe hinter John und lehnte sich dagegen. "Nur fürs Protokoll..." Sein Blick, draußen noch so "unbeteiligt" zeigte jetzt deutlich, was er von Johns Worten gehalten hatte, die ihm wirklich bis in den Schoß zogen. "Diese Neuerungen... Willst du die Besprechen bevor oder nachdem ich deine Bedürfnisse befriedigt habe?"


Nachwort zu diesem Kapitel:
Hab gestern aus Versehen ein falsches Kapitel hochgeladen ^^•
Tut mir leid... >.< Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Laila82
2017-09-22T19:52:06+00:00 22.09.2017 21:52
Und ich dachte schon ich hätte Halluzinationen als das Kapitel heute morgen weg war. Aber wird ja bestimmt noch kommen, denn es war gut. Dieses Kapitel gefällt mir auch. Aber Kadmin behalten wir besser im Auge, Eifersucht kann gefährlich für alle Pläne werden.
Antwort von:  Laila82
23.09.2017 01:06
Sorry, das Handy hat gesponnen. Leider kann ich den doppelten Kommentar nicht löschen.
Antwort von:  -Amber-
23.09.2017 08:02
Hab's für dich gelöscht. Das Kapitel, das ich zu früh geladen hatte, hab ich dafür jetzt hochgeladen :)

Kadmin wird noch eine tragende Rolle in der Geschichte spielen :)


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