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Wo ist Izzy?

Rockstar wider Willen
von

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Gelangweilt sitze ich in der Schule und starre aus dem Fenster. Der Himmel ist beinahe wolkenlos und nur einige Kondensstreifen sind zu erkennen. Die Sonne scheint zwar auch, jedoch auf der anderen Seite des Gebäudes. Wenn es heißer wird, muss ich in meiner Klasse wenigstens nicht gebraten werden.

Ich muss dauernd an den Vorfall gestern denken. Zumal ich meinen ersten Kuss auch noch von einem Kerl bekommen habe und mich in meiner Ehre als Mann sichtlich gekränkt fühle. Der Kerl hat mich doch überhaupt nicht ernst genommen! Der wollte nur seinen Spaß und mich ärgern, mehr nicht!

Ich schüttele den Kopf und kann es immer noch nicht fassen, dass Jelena auf so eine dumme Idee gekommen ist. Ich werde nie in einer Band mitspielen. Da kann sie mir noch so viel aufschwatzen.

Ja, ich spiele gerne auf meiner Gitarre, aber eben nur für mich allein.

Mein Blick fällt auf die Tafel, an der mein Lehrer irgendetwas schreibt, was doch niemanden hier im Raum interessiert, denn alle warten sehnlichst die letzten 20 Minuten ab, um endlich in die Pause gehen zu können. Mal ehrlich, wer hat auch schon bei diesem tollen Wetter Lust in der stickigen Klasse zu sitzen und zu büffeln?!

Ich wäre jetzt viel lieber am Meer und würde schwimmen, den ganzen Tag mit Jelena verbringen und einfach nur das tun, wozu ich Lust habe und nicht, was die Gesellschaft mir vorschreibt.

Morgen müssen wir bei dieser Affenhitze auch noch eine Stunde laufen. Ich weiß nicht mal wozu das gut sein soll, denn wir können dabei nicht mal etwas gewinnen. Noch so eine dämliche Idee meiner Lehrer. Die scheinen es wirklich zu lieben uns Schüler zu foltern...

Ich sehe nach draußen auf den Sportplatz und erkenne Jelena. Hat sie jetzt Sport? Ich betrachte sie, weil ich sowieso nichts besseres zu tun habe. Mit ihren hellblau gefärbten Haaren sticht sie sofort aus der Menge heraus.

Warum hat sie eigentlich noch keinen Freund? Ich meine, sie ist nett und lustig und eigentlich sogar ziemlich umgänglich, solange man ihr nicht ihre Schokolade weg isst.

Ich lege den Kopf schief und schaue zu, wie die Schüler, einer nach dem anderen, über ein Hindernis springen. Wie heißt das noch gleich? Hochsprung oder so?

Mit Sportarten kann man mich jagen. Ich hasse Sport und der einzige, den ich betreibe ist der vor der Konsole. Okay, ab und an stemme ich Gewichte, wenn es mich doch mal ins Fitnesscenter treibt, aber das gehört auch nicht unbedingt zu meinen Stärken.

Habe ich überhaupt Stärken? In letzter Zeit fallen mir nur immer mehr Schwächen auf. Ich kann gut zuhören, ich weiß nur nicht, inwiefern mir das nützen sollte. Ich könnte später Seelsorger werden oder Therapeut.

Ich muss nur noch lernen, besser mit meinen Mitmenschen klar zu kommen, denn da mangelt es mir gewaltig.

Ich habe mich ein Jahr in meinem Zimmer eingesperrt nach diesem Vorfall. Es ist ein Wunder, dass ich es überhaupt wieder verlassen habe und es ist größtenteils Jelena zu danken, denn sie hat mich aus meinem Tief wieder heraus geholt. Ohne sie würde ich wahrscheinlich immer noch in diesem Zimmer vergammeln.

Irgendwie mag ich sie auch. Ich habe mir sogar mal vorgestellt, wie es wäre mit ihr auszugehen. Ich meine, wir hängen so oder so ständig zusammen und sind unzertrennlich, da ist es ja gar nicht mal so abwegig, dass man sich ein bisschen in die Freundin verguckt.

Trotzdem ist nie etwas zwischen uns passiert.

Und dann ist da diese Sache gestern. Dieser blöde Nick schwirrt in meinem Kopf herum, als wäre das sein Territorium!

Ich seufze. Mein erster Kuss sollte mit einem Mädchen sein, nicht mit einem Jungen. Das ist doch echt blöd. Noch einmal seufze ich.

„Na, haben wir Liebeskummer, Isidor?“, höre ich plötzlich eine Stimme neben mir. Verwirrt sehe ich auf und in die braunen Augen meines Lehrers, der mich belustigt ansieht.

„Klar, jeden Tag!“, erwidere ich und ziehe eine Grimasse.

„Dann darfst du dich jetzt ein bisschen ablenken und die Aufgabe an der Tafel lösen!“, fordert er mich auf und schmollend stehe ich auf, um zur Tafel zu gehen. Na ja, wenigstens habe ich meine Mitschüler ein wenig erheitert, die mich grinsend ansehen.

Schon komisch, obwohl ich nicht viel mit ihnen rede, nehmen sie mich so wie ich bin. Irgendwie gehöre ich wohl dazu, denn bisher wurde ich von niemandem geschnitten oder geärgert. Ich bin einfach da.

Ich trotte zur Tafel und sehe mir die Formel an. Mathematik... Was hat sich der Erfinder nur dabei gedacht? Wenn ich könnte, würde ich ihn eigenhändig ausgraben, nur um ihn wieder unter die Erde zu bringen!

Ich kratze mich am Kopf, greife nach der weißen Kreide und löse die Aufgabe. Zum Glück hilft mir Jelena immer dabei, sonst würde ich jetzt hier stehen und keinen blassen Schimmer von all den Zahlen haben.

Ich sehe zu meinem Lehrer, der mir anerkennend zunickt und gehe wieder zu meinem Platz. Mein Blick fällt zur Uhr, die mir sagt, dass ich noch zehn Minuten hier ausharren muss.

Ich linse zum Sportplatz und sehe, wie Jelena gerade über das Hindernis springt. Wie kann das nur jedes Mal so elegant aussehen?

Na ja, sie hat ja auch die langen Beine, dass muss dann wohl einfach toll aussehen. Würde ich das machen, würde es nur plump ausschauen.

Ich ziehe meine Shirt ein Stück hoch und besehe prüfend meinen Oberkörper. Wenigstens damit kann ich ein klein wenig angeben. Immerhin zeigen sich, wenn auch nur schwach, die Ansätze eines Sixpacks.

„Isidor!“

Erschrocken sehe ich auf und lasse mein Shirt wieder herunter fallen. „Es ist ja ganz schön, dass du uns an deinem Körper teilhaben lässt, aber bitte konzentriere dich die letzten Minuten auf den Unterricht!“, meint mein Lehrer kopfschüttelnd, auch wenn ich ihm ansehe, dass seine Mundwinkel leicht zucken und er sich ein Lachen verkneifen muss.

Verlegen sehe ich auf meinen Tisch und hoffe, dass die Stunde gleich vorbei ist.

Als es endlich zur Pause klingelt, hält mich und auch den Rest meiner Klasse, nichts mehr auf den Stühlen und so drängt es uns aus dem Raum, hinaus auf den Schulhof.

„Isidor, warte!“, höre ich eine Stimme hinter mir.

Ich drehe mich um und sehe meinen Lehrer abwartend an. Habe ich etwa schon wieder etwas verbrochen?

„Was ist los mit dir? Du bist heute so abwesend. Das haben mir schon ein paar andere Lehrkräfte mitgeteilt.“

Ich zucke mit den Schultern und verziehe meinen Mund. Was soll schon los sein?

„Ich hatte gestern keinen guten Tag...“, erzähle ich ihm widerwillig.

„Isidor, ich weiß, dass es dir noch schwer fällt Kontakte in der Klasse zu knüpfen. Das kann ich gut verstehen, aber du bist jetzt wieder seit einem halben Jahr in der Schule und du solltest dich wirklich auf den Unterricht konzentrieren.“

Ich nicke resigniert. Kommt jetzt die übliche Leier von ihm?

„Wenn du dich wieder so verschließt, sind wir genau dort, wo wir vor einem halben Jahr waren. Das möchtest du doch nicht oder?“, fragt er mich beugt sich ein wenig vor. „Ich möchte, dass du gut mit deinen Mitschülern auskommst und nicht im Unterrichtsstoff hängen bleibst. Wenn du mit irgendetwas Probleme hast, kannst du mich jederzeit ansprechen. Ich bin für dich da.“

Ich nicke und ringe mir ein Lächeln ab. Klar, wird er für mich da sein. Das Problem ist nur, dass er es sich scheinbar zur Lebensaufgabe gemacht hat, mich wieder in die Gesellschaft einzuführen.

Ob ich das überhaupt will, danach fragt mich keiner. Ja, mir ist es unangenehm mit Leuten zu reden, die ich nicht kenne, auch wenn sich das ändern kann, je öfter man miteinander spricht, aber bisher konnte ich nur bei Jelena wirklich ich sein. Sobald ich mit einem Klassenkameraden spreche, fühle ich mich unbehaglich, weil ich im Grunde genommen nichts über sie weiß. Ja, wir verbringen einige Stunden am Tag miteinander, aber mehr auch nicht. Danach gehen wir getrennte Wege. Wieso muss ich mich mit so jemandem anfreunden?

Die Begegnung von gestern ebenfalls. Der Kerl kennt mich im Grunde genommen doch gar nicht, wie kann er mich einfach behandeln, als würden wir uns ewig kennen?

Ich könnte das nicht. Ich bin immer befangen und mache mir tausend Gedanken, was ich mit meinem Gegenüber reden soll.

„Wir sehen uns dann morgen!“, verabschiedet sich mein Lehrer und als er sich umdreht und geht, sehe ich ihm einen Moment nach.

Ich konnte mich nicht mal meinem Lehrer öffnen, obwohl er ziemlich viel für mich getan hat. Er ist sogar zu mir nach Hause gekommen, um mit mir und meinen Eltern zu reden. Ich fürchte nur, er wird es nicht schaffen einen selbstsicheren Menschen aus mir zu machen.

Ich verlasse langsam das Schulgebäude und gehe zum Sportplatz. Schon von weitem sehe ich Jelena. Blaue Haare sind wirklich toll. Ich muss gar nicht großartig in der Menge suchen, wenn ich zu Jelena möchte.

Ich grinse und gehe zu ihr. Als sie meine Schritte vernimmt, dreht sie sich lächelnd zu mir um und legt ihr Handtuch auf die Bank. „Hast du meinen Sprung gesehen?“, fragt sie mich begeistert.

Ich nicke und halte ihr beide Daumen hoch. „Das war spitze!“, lobe ich sie.

Jelena sieht mich erfreut an und setzt sich auf die Bank. „Ich habe gleich noch eine weitere Stunde Sport. Am liebsten würde ich noch mal springen. Je höher ich es schaffe, desto besser!“

Ich setze mich zu Jelena auf die Bank und greife nach ihrer Wasserflasche, die in ihrer Sporttasche liegt. Ich öffne den Deckel und trinke einen Schluck daraus, ehe ich sie ihr reiche, die sie mir dankend abnimmt und in großen Zügen daraus trinkt.

„Soll ich dann auf dich warten?“, frage ich sie, denn immerhin habe ich nach der nächsten Stunde Schluss und so könnten wir noch am Nachmittag etwas unternehmen. Ich habe nämlich keine Lust bei dem schönen Wetter zuhause herum zu hängen.

„Lass uns was unternehmen! Wir könnten wieder zu dem Musikladen gehen und uns ein paar CD's anhören!“, schlage ich munter vor.

„Ich kann heute nicht...“, meint Jelena und sieht plötzlich niedergeschlagen aus.

„Was ist los?“, frage ich sie besorgt und lehne mich vor, um ihr in die Augen zu sehen, wobei ich ihre Haare ein wenig zur Seite streichen muss, da sie ihren Kopf gesenkt hält.

„Ich glaube, ich bin schwanger...“, gesteht Jelena mir und sieht mich niedergeschlagen an.

Ich lasse meinen Blick sinken und kann es nicht fassen. Entsetzt sehe ich sie an und bringe kein Wort hervor.

„Sieh mich nicht so an!“, meint sie und nimmt mir den Verschluss ihrer Flasche aus der Hand, um sie zu schließen.

„Schwanger? Wieso? Von wem?“, frage ich sie verwirrt und mein Kopf scheint auf einmal so leer zu sein.

Wieso spricht sie erst jetzt darüber? Sie hat mir nie erzählt, dass sie einen Freund hat. Wieso sagt sie mir so etwas nicht? Wir reden doch über alles!

Jelena knabbert nervös auf ihrer Unterlippe und legt ihre Wasserflasche zurück in die Sporttasche. „Es war nur einmal. Wir haben getrunken und da ist es einfach so passiert. Ich habe Angst, Izzy! Wenn ich jetzt schwanger werde, verbaue ich mir meine ganze Zukunft. Es gibt nichts, was ich einem Kind bieten kann und ich kann dann nicht mal die Schule beenden...“ Jelena's schnieft und ihr kommen die Tränen, doch ich fühle mich unfähig ihr beizustehen.

„Wer?“, frage ich mit erstickter Stimme und räuspere mich.

„Ein Junge aus der Parallelklasse.“

Sie will mir also nicht mal erzählen mit wem sie geschlafen hat. Ich schlucke und habe das Gefühl, als hätte mir gerade jemand eine Ohrfeige verpasst. Ich weiß nur nicht wieso. Liegt es daran, dass Jelena schwanger ist und mir erst jetzt davon erzählt hat oder liegt es daran, dass sie nicht mir geschlafen hat? Ich weiß nicht, was mich im Moment mehr enttäuscht.

„Ich gehe heute zum Arzt. Ich hoffe, ich bin nicht schwanger, aber der Test aus der Apotheke war positiv...“, meint sie und versteckt ihr Gesicht in ihren Händen. Ihre Schultern beben unter den Weinkrämpfen.

Hilflos sitze ich neben ihr und weiß nicht, was ich tun soll. Ich würde am liebsten wegrennen und schreien, doch ich bleibe einfach sitzen und halte meinen Mund geschlossen. Ich bemerke, wie uns einige Mitschüler neugierig beobachten, sich aber keiner so richtig traut, zu uns zu kommen und zu fragen, was mit Jelena ist.

Ich sehe sie an und weiß selber nicht so genau, was ich von alledem halten soll.

Ich müsste sie trösten, ihr beistehen und zur Not mit ihr zum Arzt gehen. So machen Freunde das doch oder?

Ich schlucke und auf einmal kommt Jelena mir so fremd vor, als würde plötzlich wie aus dem Nichts eine hohe Mauer zwischen uns empor ranken und es gibt keinerlei Möglichkeit sie zu erklimmen.

Ich dachte gestern wäre ein schlimmer Tag gewesen, aber heute ist eine einzige Katastrophe!

Ich greife nach Jelena's Hand und halte sie fest in meiner.

„Hast du es ihm schon gesagt?“, frage ich sie und meine Stimme klingt so schrecklich nüchtern und emotionslos.

Jelena schüttelt den Kopf. „Ich weiß nicht, wie ich es ihm sagen soll, aber ich möchte erst mal auf Nummer sicher gehen und Gewissheit haben. Danach werde ich weitersehen. Meine Eltern wissen es ebenfalls noch nicht. Ich habe solche Angst, Izzy!“, meint sie mit tränen erstickter Stimme und lehnt sich an meine Schulter. Sie versteckt ihren Kopf an meiner Halsbeuge und weint hemmungslos.

Ich spüre wie meine Hand zittert und ich versuche einen klaren Gedanken zu erfassen, doch es will mir einfach nicht gelingen.

Ich bin noch zu jung. Ich will mir über solche Sachen keine Gedanken machen müssen!

„Mit einem Baby habe ich keine Zukunft mehr...“, meint Jelena leise und schnieft. „Glaubst du, ich kann ein Baby großziehen?“ Zweifelnd sieht sie mich an.

Ich zucke mit den Schultern. Woher soll ich das wissen? Ist sie nicht selber Schuld an ihrer Misere? Hätten sie verhütet, stünde sie jetzt gar nicht vor diesem Problem.

Jelena richtet sich wieder auf und wischt sich mit dem Handtuch die Tränen aus dem Gesicht. „Jetzt wo du es weißt, fühle ich mich etwas besser. Danke!“

Komisch, denn ich fühle mich überhaupt nicht besser. Ich sehe zu, wie Jelena aufsteht und mir zulächelt, ehe sie zurück zum Sportplatz geht.

Ich bleibe auf der Bank sitzen, schaue wie in Trance zu den anderen Schülern und bekomme nicht mal mit, dass es längst geklingelt hat.

Jemand tippt mir auf die Schulter und als ich mich umdrehe, sehe in Nick's Augen. Verwirrt schaue ich zu ihm auf. „Was machst du hier?“, frage ich ihn erstaunt.

Er lächelt. „Du kamst mir gleich so bekannt vor. Meine Klasse ist im anderen Gebäude, aber ich war mir sicher, dich schon mal gesehen zu haben!“, erzählt er mit einem breiten Grinsen.

Er setzt sich neben mir auf die Bank und sieht mich an. „Du siehst so blass aus. Ist jemand gestorben?“, witzelt er und handelt sich von mir einen wütenden Blick ein. Ich schüttele den Kopf und sehe ihn einfach nur an.

„Wenn ich dich jetzt umarme, kannst du dann so tun, als wäre es nichts und deine Klappe halten?“, frage ich ihn zögerlich.

Nick legt den Kopf schief, scheint einen Moment nachzudenken und nickt schließlich. Ich rutsche näher an ihn heran und strecke meine Hände nach ihm aus. Ich schlinge meine Arme um seinen Körper und lehne meinen Kopf auf die Schulter. Mit geschlossenen Augen schmiege ich mich an ihn und spüre, wie er die Umarmung erwidert.

Irgendwie habe ich das jetzt wirklich gebraucht.

Als ich meine Augen kurz öffne, sehe ich wie Jelena zu uns sieht, sich dann jedoch abwendet.



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