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My other Self

Persona 4 Golden mit weiblichen MC
von

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Midnight Channel

April 13
 

Es war der Dreizehnte April, ein Tag ohne Regen, aber auch ohne Sonne, als Otome zum zweiten Mal in Inaba erwachte. Pünktlich, wie am Tag zuvor, dank ihrer inneren Uhr. Vielleicht lag es aber auch nur daran, dass sie früh zu Bett gegangen war.

Daran konnte sie sich ja schon einmal in der Kleinstadt gewöhnen. Es war eben so, wie es der Tankwart gesagt hatte. Hier gab es nichts. Und noch hatte sie keinen Gelegenheitsjob mit dem sie ihr Taschengeld aufbessern und die Zeit tot schlagen konnte. Alles was ihr blieb war die Schule und das ein oder andere Buch. Aber selbst das hatte ihre am Abend zuvor keinen wirklichen Sinn gemacht.

Wie schon am Tag zuvor, wahrscheinlich wollte sie daraus ein Ritual machen, griff sie zu ihrem Handy und sah nach, ob sie eine Nachricht erhalten hatte. Nichts. Nur ihr Bildschirmhintergrund mit den lächelnden Sonnenblumen, die Miwako ihr eingerichtet hatte, waren zu sehen.

Es war noch zu früh um was zu erwarten. Definitiv. Und doch... Es machte sie traurig, dass sie keine Botschaft von Miwako lesen konnte. Keine Nachricht, die sie aufmunterte und ihr sagte „Hey, du hast einen bescheidenen Klassenlehrer, aber du bist Otome, du schaffst das schon.“

Ja, nur zu gerne hätte sie so etwas gelesen. Doch stattdessen hinterließ Miwako einfach nur eine unsagbar tiefgehende Leere.
 

Im Gegensatz zum vergangenen Tag, hatte Otome ein schnelles Frühstück eingenommen und war so früh wie möglich aus dem Haus gegangen. Sie wollte Morooka keine Angriffsfläche bieten, wenn sie sowieso schon auf seiner Abschussliste stand.

Und scheinbar hatten viele ihrer Klassenkameraden ebenfalls diesen Gedanken, denn sie sah einige bekannte Gesichter vom Vortag auf ihren Weg. Genauso wie sie die wohl vertrauten quietschenden Bremsen eines orangefarbenen Fahrrades hörte, dass an ihr vorbeifuhr.

Ein Deja-vú. Zumindest kam ihr der Moment sehr bekannt vor, in dem der Junge mit dem zerbrochenen Nüssen gegen etwas fuhr. Doch Fortuna schien ihm heute treu sein zu wollen und sorgte nur dafür, dass er zwischen dem Abfall landet und kopfüber in einer Mülltonne landete. Ob Fortuna ihm irgendetwas damit sagen wollte?

Vorsichtig näherte sich Otome der kugelnden Tonne, aus der sie Hilfe suchende Laute hörte. Sie überlegte kurz, ob sie ihm helfen sollte, da er aber sonst zu spät zur Schule kam, konnte sie nicht anders als ihm zu helfen.

„Irgendjemand...“
 

Es hatte Otome etwas Kraft und etwas, vielleicht für den Jungen schmerzhaftes Ziehen benötigt, um ihn aus seinem Gefängnis zu befreien. Doch er schien nicht soviel gelitten zu haben, denn ein strahlendes Lächeln lag auf seinem Gesicht.

„Mann, du hast mich gerettet. Danke. Also... ähm, du bist doch die Neue, Otome Narukami.“

Blitzmerker. Das war der erste Gedanke, der Otome durchfuhr. Wie konnte man auch den Namen der Person vergessen die zum einen aus der großen Stadt kam und zum anderen sich auch noch vor der gesamten Klasse mit Morooka angelegt hatte?

„Mein Namen ist Yosuke Hanamura. Schön dich kennenzulernen.“

Lächelnd reicht Yosuke ihr die Hand, in die sie ebenso freundlich einschlug. Immerhin hatte der Herr mit den geknackten Nüssen nun endlich einen Namen für sie und sie musste nicht bei diesem seltsamen Spitznamen bleiben. Wobei sie doch auch dazu neigen wollte, ihm irgendwann, vielleicht wenn sie Freunde wurden, mit diesen Namen zu konfrontieren.

„Geht es dir gut?“

Erst als Otome diesen albernen Gedanken beiseite schieben konnte, besann sie sich wieder dazu, dass Yosuke bis vor wenigen Augenblicken noch in der Mülltonne gelegen hatte. Der Sturz da hinein hatte sicher die ein oder andere Blessur mir sich geführt, weswegen sie einfach sicher gehen wollte, dass man ihn an der Schule nicht gleich im Krankenzimmer abliefern musste.

„Ach ja, mir geht’s gut.“

Das Grinsen aus seinem Gesicht schwand nicht, als wollte er damit versichern, dass es ihm wirklich gut ging. Sie konnten also weitergehen, sich Morookas endlosen Dialoge antun und schließlich nach Hause kommen, so wie am Tag zuvor, den nächsten Tag darauf und so weiter.

Zumindest dachte Otome das. Doch Yosuke schien andere Pläne zu haben.

„Sag, hast du von den Vorfall gestern gehört? Sie haben diese Nachrichtensprecherin auf einer Antenne hängend gefunden. Meinst du nicht auch, dass es so eine Art Warnung ist? Es ist doch absolut unmöglich, dass etwas so seltsames nur ein Unfall war.“

Da war es wieder. Das Kleinstadtleben mit all seinem Klatsch und Tratsch.

'Natürlich war das kein Unfall.'

Innerlich seufzte Otome. Wie sollte so etwas ein Unfall sein? Wie sollte eine Leiche auf eine Antenne kommen, ohne das ihr Flügel wuchsen? Und selbst mit Flügeln hätte sie so ganz Tod Probleme gehabt, da hoch zu kommen. Dazu musste man weiß Gott kein Kriminalbeamter sein, um das zu erkennen.

Allerdings, Otome konnte nicht abstreiten, dass Yosuke in einem Punkt Recht hatte. Der Täter, der die Leiche drapiert hatte, wollte irgendetwas damit sagen. Eine Botschaft zu übermitteln.

„Wahrscheinlich hast du recht.“

Otome nickte. Sie war froh, dass Yosuke scheinbar mit einer Zustimmung zufrieden war, denn mehr wollte sie sich nicht in diese Klatsch und Tratsch hineinziehen lassen.

„Einen Körper so von einer Antenne baumeln zu lassen ist... Das ist so eine Sauerei. Wobei jemanden umzubringen selbst schon eine Schweinerei ist.“

Letzteres hatte Yosuke schnell nachgeworfen. Scheinbar wollte er nicht, dass Otome irgendetwas falsch verstand und sein guter erster Eindruck zunichte gemacht wurde.

Doch die Schulglocke rettete ihn, denn wahrscheinlich hätte er sich noch um Kopf und Kragen geredet, wenn das überhaupt möglich gewesen wäre.

„Oh verdammt, wir kommen zu spät. Hey, willst du mitfahren? Es knarrt zwar etwas, aber es sollte gehen.“

Zweifelnd sah Otome zu dem Fahrrad von Yosuke. Sie war etwas unschlüssig, nachdem sie in den letzten Tagen seine Fahrkünste beobachten konnte. Und irgendwie war sie auch nicht scharf darauf, von einem Moment zum anderen plötzlich in einer Mülltonne zu hängen und um Hilfe zu rufen.
 

Erschöpft ließ Otome ihren Kopf auf den Tisch sinken. Sie hatte es doch tatsächlich überlebt. Sie hatte die Fahrt auf Yosukes Horrorbike überlebt. Und wahrlich, sie würde niemals behaupten, dass es eine angenehme Fahrt war.

Fest hatte sie sich an den Jungen geklammert, daran erinnerte sie sich noch, denn sie spürte seinen Körper immer noch an den ihren. Doch genauso gut spürte sie auch noch das Knarren unter ihrem Po und das war alles andere als angenehm.

Noch dazu musste sie sich nun in den nächsten Tagen das Getuschel ihrer Mitschüler anhören, die scheinbar glaubten, dass sie und Yosuke...

Nein, sie wollte nicht einmal daran denken. Niemals. In einer Millionen Jahre nicht. Der Junge war gar nicht ihr Typ.

„Okay seid ruhig, ihr Idioten!“

Da war sie wieder. Die Stimme des Grauens. Die Stimme jener Person, die sie nun ein Jahr verfolgen würde. Wahrscheinlich sogar bis in ihre Träume.

„Ihr seid jetzt in der High School, oder? Könnt ihr nicht wenigstens da die Klappe während des Unterrichts halten? Besitzt ihr alle den keinen gesunden Menschenverstand? Also zuerst, es ist mein verdammter Job euch Arschlöchern Philosophie zu lehren. Und weil ich so nett bin, werde ich euer Verhalten verbessern, während ich schon einmal dabei bin. Ist das nicht eine Ehre? Und ich werde mir besonders jene zu Herzen nehmen, die sich so interessiert mit diesem Mord beschäftigen. Verstanden? Dann nehmt eure Bücher heraus!“

Ein leises Seufzen entkam Otome. Das konnte ja heiter werden. Auch wenn Morooka nicht ganz unrecht hatte, und das wusste sie. Der Kerl taugte einfach nicht zum Lehrer, denn das was er gerade vermitteln wollte, kam wohl nur bei den wenigsten an.

Dennoch, sich darüber zu beklagen brachte nichts und das wusste sie, weswegen sie ihr Buch herauskramte und schließlich zum ersten Mal in diesem Jahr, sich mit der Philosophie beschäftigte.
 

Die Stunden des Schultages waren fast schon wie im Flug vergangen. Mal wieder. Wahrscheinlich war das aber auch das einzig gute an dieser Kleinstadt. Die Stunden vergingen genauso schnell wie sie anbrachen und brachten den Tag schnell über die Bühne. Mehr konnte Otome doch nicht erwarten, außer vielleicht, dass etwas passierte, was für sie von Belang wäre. Zum Beispiel das Morooka vom Blitz erschlagen wurde. Aber darauf konnte sie wohl lange warten.

„Hey!“

Otome sah auf, als jemand, der sich heimlich wie ein Ninja an sie angeschlichen hatte, neben ihr stand. Sie sah in das breit grinsende Gesicht von Yosuke, der scheinbar noch etwas mehr Zeit mit ihr verbringen wollte.

Erneut hatte sie ein Deja-vù. Sie konnte sich dunkel daran erinnern, dass ihre Banknachbarin Chie sich erst einen Tag zuvor auf sie „gestürzt“ und zum gemeinsamen verbringen der kostbar dahinschwindenden Freizeit gebeten hatte. Scheinbar war das ein Ritual und in den nächsten Tagen musste Otome damit rechnen, dass noch mehr Schüler das tun würden. Wahrscheinlich hatten sie sogar schon Nummern gezogen und Yosuke hatte wenigstens im Spiel Glück bewiesen.

Nein, dieser Gedanke war einfach absurd.

„Also, hast du dich an Inaba gewöhnt?“

Lächerlich, genau so hätte Miwako ihn wahrscheinlich beschrieben, wenn sie an ihrer Stelle gewesen wäre. Sie war gerade mal hochgerechnet drei Tage vor Ort und sollte sich schon an Inaba gewöhnt haben? Das war doch einfach lächerlich. Mal davon abgesehen, dass sie sich mehr mit Inaba abgefunden, als wirklich daran gewöhnt hatte.

„J-Ja, sicher“, antwortete sie ruhig und schluckte jeden zynischen Kommentar der ihr auf der Zunge lag runter.

Mit Sicherheit war es leicht sich an eine Kleinstadt zu gewöhnen, in der jeder Tag dem vorangegangenen gleicht. Aber doch nicht nach drei Tagen!

„Wirklich? Wow, das ging schnell. Aber naja, hier ist ja auch nicht soviel wie in der Großstadt. Aber es gibt auch hier etwas, das man nirgendwo anders finden kann. Die Luft ist sauber, das Essen ist großartig und... Oh kennst du die lokale Spezialität? Das ist gegrilltes Steak. Mann. Als ob das etwas besonderes wäre. Ich kenne aber einen Ort, an dem es billig bekommt. Willst du mitkommen? Du hast mir immerhin heute Morgen geholfen, also geht es auf mich.“

Gegrilltes Steak. Ja, in der Tat, so etwas konnte nur in einer Kleinstadt als lokale Spezialität gelten. Aber vielleicht, Otome wollte ja nicht vorschnell urteilen, hatten sie ein ganz besonderes Rezept für die Marinade oder eine spezielle Technik um das Steak zu grillen. Sie sollte es wenigstens probieren, bevor sie voreilig urteilte. Zumindest riet ihr Bauchgefühl dazu.

„Was ist mit mir? Willst du dich nicht entschuldigen? Wegen meines Trial of the Dragon?“

Ein missmutiges Seufzen verließ Yosukes Mund, als Chie, die scheinbar von der Einladung mitbekommen hatte, sich zu ihnen gesellte. Das beide sich scheinbar gut kannten, hatte Otome ja schon am Vortag geahnt, schließlich verlieh man nicht an irgendwelche wildfremden Menschen seine geheiligten DVDs.

„Argh, du tauchst immer dann auf, wenn vom Essen die Rede ist.“

Verwundert hob Otome eine Augenbraue und sah zu Chie. Das Mädchen war, abgesehen von der grünen Trainingsjacke, die alle Weiblichkeit eliminierte, recht schlank gebaut. Soviel konnte sie da doch nicht essen, bei dieser Figur. Oder hatten die Menschen in der Kleinstadt auch noch speziellen Sportunterricht, der die Pfunde dahin purzeln ließ?

Etwas unwillkürlich, es beachtete sie sowieso keiner der beiden, schüttelte Otome den Kopf. Mit Sicherheit lag es einfach nur an ganz anderen Dingen. Sie wusste immerhin nichts über Chie, vielleicht trainierte sie auch einfach viel in irgendeinem Club.

„Ich passe, ich möchte nicht noch mehr zunehmen. Außerdem muss ich heute im Inn aushelfen.“

Yukikos Stimme war es, die Otome wieder in die Realität holte und sie realisieren ließ, dass Yukiko wohl von jemanden, wahrscheinlich Chie, ebenfalls eingeladen worden war. Sie hatte das in ihrer ganzen Grübelei nicht bemerkt, was vielleicht auch besser so war. Denn wer wusste schon, was für freundschaftliche Spitzen Chie und Yosuke untereinander ausgeteilt hatten. Fakt war nur, dass Chie nun wohl doch mitkam und sie sich den ganzen restlichen Tag die zwei Streithähne anhören durfte.
 

Sie hätte nie gedacht, dass man so Recht haben könnte, als sie nach einem schier endlos lang erscheinenden Weg endlich im Junes Gastronomiebereich saß. Den ganzen Weg über hatte Chie über ihren Tiger of the Dragon gejammert und Yosuke irgendwelche Ausflüchte gesucht, die ihr sagten, warum es nicht fair wäre, dass sie sich einfach so selbst eingeladen hatte. Sie stritten wie ein altes Ehepaar und Otome erwischte sich sogar bei dem Gedanken Wetten darauf anzunehmen, ob die beiden innerhalb diesen Jahres noch zusammenkommen würden. Zumindest glaubte sie zu erkennen, das zwischen den beiden sicher der ein oder andere Funken noch überspringen konnte.

„Das ist der billige Ort von dem du gesprochen hast? Hier gibt es kein gegrilltes Steak!“

Es war der Gong für die zweite Runde, den Otome in ihrem Geiste hörte und sie war wirklich gespannt, wer gewinnen würde. Denn Yosuke Hanamura, der gerade mit wohl duftenden Takoyaki ankam, machte sich für seinen Gegenschlag bereit.

„Ja, weil ich meine Pläne ändern musste, als du auf den 'Essen für Lau'-Zug aufgesprungen bist.“

Ein Seufzen kam von Otome, als die unnachgiebige Chie Satonaka nun ihrerseits versuchte das Herz des tapferen Yosukes zu verletzten, indem sie mit einem vermeintlich direkten Treffer darauf hinwies, an welchem Ort sie sich genau befanden. Zwar verstand Otome es nicht, doch genauso schnell wie Chie es aufgegriffen hatte, wurde ihre Unwissenheit von Yosuke beseitigt.

„Ach ja, ich habe es dir noch nicht erzählt, oder? Vor sind sechs Monaten sind wir aus der Stadt hier her gezogen. Junes hatte gerade geöffnet und mein Vater wurde als Manager eingestellt. Deswegen ist unsere gesamte Familie hier her gezogen.“

In der Tat, das hatte Otome nicht erwartet, immerhin verteilte auch Yosuke diesen Kleinstadt Klatsch und Tratsch. Er passte wohl bereits viel besser in dieses Leben, als sie es je würde, zumindest glaubte sie das, aber mit Sicherheit würde sie sich das nicht anmerken lassen.

Deswegen lächelte sie, nahm sich die ihr gereichte Soda und Takoyaki-Portion.
 

Otome hatte die ganze Zeit geschwiegen, während Yosuke und Chie sich angeregt über Inaba unterhielten, um die Kleinstadt der Neuen doch noch irgendwie schmackhaft zu machen. Doch es brachte nichts, denn Chie selbst, die erst von dem ausgezeichneten Tofu und dem tollen Textilienladens gesprochen hatte, kam plötzlich auf ein etwas heikleres Thema zu sprechen.

„Es ist bereits ein halbes Jahr her, seit Junes eröffnet hat, aber seitdem war ich kaum noch in der Shoppingmeile. Viele Läden dort schließen mit der Zeit und... oh...“

Erst jetzt bemerkte Chie Yosukes bitteren Gesichtsausdruck, als sie von den schließenden Läden der Shoppingmeile sprach. Scheinbar war das sein wunder Punkt und Otome ahnte, dass da mehr dahinter steckte.

„Du kannst nicht die ganze Schuld auf Junes schieben!“

Wütend, und weil er Chie einfach nach diesem indirekten Vorwurf nicht in die Augen sehen konnte, wandte er seinen Blick ab. Es war wirklich sein wunder Punkt und irgendwie konnte Otome ihn verstehen. Es war viel leichter die Schuld bei anderen zu suchen, als etwas gegen das eigentliche Problem zu unternehmen. Aber das war nicht nur in der Kleinstadt so, sondern überall auf der Welt. Immer suchten die Menschen den einfachsten Weg ohne den schweren zu probieren.

„Hey, da ist Saki-senpai! Tut mir leid, ich bin gleich zurück.“

Der bittere Ausdruck auf Yosukes Gesicht war verschwunden und er erhob sich von seinem Platz. Otome folgte seiner Blickrichtung und erkannte eine Mitarbeiterin des Junes, die sich scheinbar müde und erschöpft auf einen Stuhl sinken ließ.

„Ist sie seine Freundin?“

Nun war es doch die Neugier die Otome packte, vielleicht lag es auch an der frische Landluft, die man in der großen Stadt nicht bekam. Auf einmal interessierte sie dieser Kram und Otome konnte sich weiß Gott nicht erklären warum.

„Das wünscht er sicher“, erklärte Chie lachend, was nur um so deutlicher machte, dass diese Romanze wohl eher auf einseitiger Basis beruhte.

So ganz war sich Otome nicht sicher, ob sie das beruhigen sollte oder nicht, aber sie beobachtete mit großem Interesse das Geschehen.

„Das ist Saki Konishi. Ihre Eltern besitzen einen Schnapsladen in der Einkaufsmeile. Ich glaube aber, dass sie hier Teilzeit arbeitet.“

Der Unterton in Chies Stimme gefiel Otome gar nicht. Es war immerhin klar, dass es wohl zu Problemen führte, wenn die eigene Tochter an dem Ort arbeitete, den alle für den Untergang der Einkaufsmeile verantwortlich machte. Zumindest würde Otome sich an Stelle der Eltern verraten fühlen. Vielleicht sah sie es aber auch als Fremde alles zu streng und ihre Eltern hatten nichts gegen diesen Nebenverdienst.

Gedankenversunken sah Otome auf ihren Getränkebecher. Das Geschehen war schon lange nicht mehr so interessant wie die Frage, was die Tochter des Schnapsladens dazu gebracht hatte hier im verhassten Junes zu arbeiten.

„Bist du die neue Schülerin? Hast du schon von mir gehört?“

Erschrocken sah Otome zu Saki auf, die ihr ein freundliches, willkommen heißendes Lächeln schenkte. Und dennoch wirkte sie erschöpft, fast schon müde.

„Es muss schön sein, mit jemand anderen aus der großen Stadt reden zu können. Ich sehe Hana-chan nicht sehr oft mit anderen aus der Schule.“

Ein verräterischer, verlegener Schimmer setzte sich auf Yosukes Wangen. Scheinbar hatte Saki da etwas erwähnt, was vor Otome eigentlich ein Geheimnis bleiben sollte. So als ob er versucht hätte cooler dazustehen und am Ende kam raus, dass man gar nicht cool war.

„Er hat nicht viele Freunde, deswegen hoffe ich, dass ihr gut miteinander auskommt. Hana-chan ist ein guter Junge, aber manchmal kann er etwas laut werden. Wenn er dich nervt, musst du ihm das direkt sagen.“

Ein belustigter Unterton schwang in Saki Stimme mit, und dennoch wusste Otome nicht, was sie sagen sollte. War das nun ein Scherz, oder tarnte sie die Tatsache, dass sie es ernst meinte mit einem Lachen?

„Nein, Yosuke ist eigentlich okay.“

Freundlich lächelte Otome Saki an und ignorierte, dass Yosuke sich fast schon etwas verlegen abwandte. Wahrscheinlich hatte ihr Kompliment ihn etwas verlegen gemacht, oder es war ihm peinlich, das Saki so von ihm sprach. Vielleicht meinte sie es ja wirklich ernst und Yosuke wusste es.

Zumindest glaubte Otome das, bis Saki ihr erklärte, dass es wirklich nur ein Spaß gewesen war und Yosuke sich noch verlegener abwandte.

„Nun, meine Pause ist vorbei. Ich mache mich wieder an die Arbeit. Bis später.“

Ein letztes Mal lächelte Saki freundlich in die Runde, ehe sie sich von der Gruppe abwandte und zurück in die Richtung ihrer Abteilung ging. Yosuke hingegen schien alles andere als erfreut zu sein. Es war deutlich zu sehen, dass er gerne noch mehr mit Saki gesprochen hätte, doch gleichzeitig akzeptierte er, dass sie ihren Pflichten nachgehen musste.

„Sie sagt ich bin nervig, dabei ist sie doch die Lauteste. Sie hat übrigens einen jüngeren Bruder und behandelt mich im Prinzip wie ihn.“

Erneut kehrte die Bitterkeit in Yosukes Gesichtsausdruck zurück, auch wenn er diese mit einem Lächeln zu tarnen versuchte. Doch vor ihr musste er sich nicht die Mühe geben ein großes Schauspiel hinzulegen, denn sie verstand nur zu gut, wie es sich wohl anfühlen musste, wenn man in jemanden verliebt war, der einen nur als kleine Schwester sah. Sie hatte dieses Phänomen oft in ihrer alten Schule beobachten können, wie verzweifelt die Mädchen gewesen waren, wenn der coolste Junge der Schule sie nur als kleine Schwester ansahen, weil sie noch zu jung und unreif waren. Otome war dieses Schicksal zum Glück erspart geblieben.

„Hey!“

Es war schon wieder passiert. Otome erschrak, denn erneut war sie wieder zu tief in ihren Gedanken versunken und hatte die Diskussion zwischen Chie und Yosuke gar nicht mehr mitbekommen. Erst als Chie sie direkt angesprochen hatte, sah sie auf, in dieses schelmisch grinsenden Gesicht Chies, die sich wahrscheinlich gerade einen Kommentar auf ihre geistige Abwesenheit verkniff.

„Habt ihr vom Midnight Channel gehört? Man muss an einem verregneten Abend, alleine um Mitternacht in einen ausgeschalteten Fernseher sehen. Während man sein eigenes Spiegelbild ansieht, erscheint eine andere Person auf dem Bildschirm. Und diese Person soll der eigene Seelenverwandte sein.“

Zweifelnd hob sich eine Augenbraue Otomes. So etwas hätte sie in der Großstadt sicher nie zu hören bekommen. Ein Sender der nur an verregneten Tagen, bei ausgeschalteten Fernseher um Mitternacht lief. Nein, solche Gerüchte könnte es wirklich nur in einer Stadt wie Inaba geben.

„Was? Für einen Moment habe ich geglaubt, du willst uns etwas nützliches erzählen. Wie kannst du bei so einer Legende nur so aufgeregt sein?“

Immerhin so ganz hatte man Yosuke wahrscheinlich doch noch nicht an das Kleinstadtleben verloren. Zumindest hoffte Otome, dass, denn sonst hatte sie hier wirklich nichts mehr, an das sie sich etwas klammern konnte.
 

So ganz verstand Otome nicht, was sie hier eigentlich tat. Gut, sie stand nun vor dem Fernseher, in dem zum gefühlten Millionsten Mal ein Bericht über den tragischen Tod der Nachrichtensprecherin Mayumi Yamano lief. Sie konnte den Text bereits rauf und runter beten, schließlich hatte sie eben jene Sendung auch mit Dojima und Nanako beim Abendessen gesehen.

Ersterer war allerdings eingeschlafen, sodass sie sich fragte, wie Nanako ihren alten Herren ins Bett buxiert hatte.

Aus ihrem Zimmer heraus, in dem sie bis kurz vor Mitternacht die Hausaufgaben für Morookas Unterricht gemacht hatte, hatte sie nur gehört wie der müde Trampel durch die Gänge unten, in Richtung seines Bettes gepoltert war.

Aber gut, dass war ja nicht der Grund, warum sie nun hier stand und den Fernseher anstarrte, während draußen der Regen prasselnd gegen ihren Fensterscheibe klopfte.

Geistig reiste sie noch einmal in der Zeit zurück, bis zu dem Moment, in dem sie von dem Midnight Channel erfahren hatte. Da Yosuke und sie Chie nicht geglaubt hatten, hatte sich die Burschikose dazu herabgelassen ihnen zu befehlen, dass sie heute allesamt das Gerücht auf Herz und Nieren testen würden.

Eigentlich, so empfand es Otome, war es eine reine Zeitverschwendung, denn mit Sicherheit würde nichts auf der Mattscheibe erscheinen, außer ihrem eigenen Spiegelbild, in dem sie, mit sehr viel Fantasie vielleicht sogar Saki, oder Chie oder sonst wen wieder erkennen konnte. Nur so konnte sie sich erklären, wie es zu diesem Gerücht gekommen war.

Sicher hatte ein verschlafener Oberschüler abends in den Fernseher gesehen und dank Dunkelheit und Übermüdung ein anderes Gesicht zu sehen geglaubt, als das seinige. Mit Sicherheit war das so.

Dennoch, Otome konnte nicht umhin, es doch zu probieren.

'Die Landluft tut mir wirklich nicht gut...', murrte sie sich in Gedanken zu und ging zum Fenster, bei dem sie die Vorhänge zurückzog und hinaus sah.

Es schüttelte wirklich wie aus Eimern, was wohl erneut das aufkommen von Nebel zur Folge haben würde. Irgendwie war diese Vorstellung deprimierend. Seit sie diese Stadt erreicht hatte, hatte sie wohl mehr Nebel als Smog zu Gesicht bekommen, wobei das wohl übertrieben war. Denn mit Sicherheit hatte sie schon mehr Smog gesehen.

Seufzend zog Otome wieder die Gardine zu und wandte sich von dem Fenster ab. Es war bald soweit und mit Sicherheit konnte sie Chie nicht irgendeine Lüge auftischen. Sie war nicht sonderlich gut darin, wenn es ums Lügen ging. Miwako hatte das zumindest immer behauptet.

Lustlos schaltete Otome den Fernseher ab und starrte auf die Mattscheibe. Sie kam sich unbeschreiblich albern vor, vor allem weil sie diese Geschichte mit dem Midnight Channel einfach nicht glaubte. Und dennoch stand sie hier, auf Befehl eines Landeis und warf jegliche Vernunft über Bord nur um hinterher festzustellen, dass sie nichts, außer ihrem eigenen Gesicht sehen würde.

Gedanklich legte sich Otome bereits dämliche Witze zurecht, die sie Chie unter die Nase reiben würde. Dinge wie: „Uh ich bin meine eigene Seelenverwandte.“

Wenn sie es nicht tat, würde Yosuke es tun, soviel stand fest.
 

Tick Tack, Tick Tack.

Das Ticken der Uhr verriet ihr, dass die Stunde, man nannte es anderswo Geisterstunde, immer näher kam. Es waren höchstens noch 30 Sekunden und bisher war der Bildschirm schwarz geblieben. Und schließlich, ein leises Dong ihrer Uhr sagte ihr, dass es soweit war. Mitternacht. Und wirklich nichts geschah. Kein Bild, außer ihrer eigenen Reflexion und damit auch kein geheimer Sender offenbarte sich ihr.

Es war wirklich so lächerlich, dass Otome den Drang laut loszulachen unterdrücken musste, bis...

Ihr stockte der Atem, als der Bildschirm plötzlich aufflackerte und sie das verschwommene Bild eines Mädchens sah. Sie schien in Panik zu sein, etwas schien sie zu greifen, zu drehen und zu wirbeln. Otome konnte, obwohl das Bild so schwach war, den schmerzerfüllten Ausdruck der Person erkennen, die sich noch am Tage im Junes gesehen hatte.

Ih... seiet ihr

Ihr seiet ih...

Ihr seiet die, der die Tür zu öffnen gestatten sei...

In ihrem Kopf erschallte die Stimme von irgendjemanden. Doch sie hatte keine Angst, denn in ihrem Herzen fühlte sie die Vertrautheit dieser Stimme, auch wenn sie in einem Dialekt sprach, den man wohl schon vor etlichen Zeiten begraben hatte.

Ihr Kopf schmerzte und sie hatte etwas Halt gebraucht, war auf die Knie gegangen, weil die Beine ihr nicht mehr gehorchen wollten. Und doch, die Kraft kehrte zu ihr zurück, während das leidvolle Antlitz der ihr bekannten Person über den ausgeschalteten Bildschirm flimmerte.

Schwer atmend erhob sich Otome von ihrem Platz und ging wieder auf den Fernseher zu. Es war, als steuerte sie eine unbekannte Kraft, als sie ihren Arm hob und die Hand zum Bildschirm führte. So ganz wusste sie nicht, warum sie es tat, aber sie vertraute der Kraft die sie führe. Und schließlich, als sie das glatte Glas des Fernsehers berührte, schlug es Wellen. Es war wie Wasser und Otome konnte nicht anders als ihre Hand darin zu versenken um zu fühlen was auf der anderen Seite war.

Doch Nichts, es war nicht nass, es war nicht kalt, es war einfach nichts auf der andere Seite, bis sie etwas packte und versuchte auf seine Seite zu ziehen.

Erschrocken setzte Otome alle ihre Kraft dagegen ein, klammerte sich, nachdem sie mit den Kopf und den Schultern schon fast im Fernseher verschwunden war, mit der noch freien Hand an dem Hartplastik des Gehäuses Fest.

Sie hatte die Augen geschlossen, sah damit auch nicht, was an ihr zerrte, doch sie bekam Luft, was sie aber erst realisierte, als sie sich von dem Etwas löste, und mit ganzer Wucht nach hinten, aus dem Fernseher raus und gegen ihren Tisch fiel.

Ein stechender Schmerz durchzog ihren Kopf, den sie sich rieb, während kleine Tränen ihre Wange hinab glitten. Der Schock saß ihr noch in den Gliedern und erst als sie Schritte von der Treppe draußen hörte, wurde ihr bewusst, dass ihr Sturz wohl nicht ungehört geblieben war.

„Geht es dir gut?“

Müde drang Nanakos Stimme von der anderen Seite der Tür in ihr Zimmer. Otome hatte fast schon Gewissensbisse, dass sie diesen Krach gemacht und die Kleine wohl aus einem flauschigen Traum geweckt hatte.

„Ich habe laute Geräusche gehört...“, erklärte sie noch, Sorge schwang nun in ihrer Stimme mit.

Sorgen, die sie Nanako eigentlich nicht hatte bereiten wollen.

„E-Es ist alles okay. Ich bin nur über meine Tasche gestolpert, als ich vom Klo kam“, erklärte Otome und lachte verlegen.

Sie konnte immerhin schlecht sagen, dass der Fernseher sie beinahe gefressen hatte und eine im Weg herumliegende Tasche war hoffentlich in der Kleinstadt auch nicht so ungewöhnlich, dass man ihr diese Notlüge nicht abkaufen würde.

„Okay. Schlaf gut.“

Erleichterung machte sich breit, als Nanako sich von ihrem Zimmer entfernte. Zum Glück war das Mädchen eben doch noch ein Kind, dem sie diese Lüge glaubhaft machen konnte. Wäre es Dojima gewesen... Daran wollte sie gar nicht denken, weswegen sie einfach froh war, dass er wohl noch felsenfest schlief.

Allerdings blieb eine Frage offen. Was war da eben geschehen war? Diese Stimme in ihrem Kopf, der Fernseher in dem sie beinahe hineingezogen wäre.

Ein ungutes Gefühl verblieb bei Otome, doch sie musste es den anderen erzählen. Innerlich hoffte sie, auch wenn das absurd war, dass dies für die Kleinstadt Inaba wohl vollkommen normal war und Chie und Yosuke ihr das am nächsten Tag versichern würden.


Nachwort zu diesem Kapitel:
So, wie üblich die Übersetzungen habe ich gemacht. Einige Sachen habe ich geändert am Text. Weil ist ja nun ein Mädchen. Da kann man nicht mit Er kommen. X'D
Am schwierigsten war der Part den Izanagi sprach. Dieses "Thou art I". Das ist etwas altertümlicher weswegen ich auch hier im Sprachgebrauch alterümlich, fast schon mittelalterlich werden wollte. Und dennoch klingt es bescheuert. Ich bin nicht ganz zufrieden, aber es ist besser als wenn ich es einfach modern übersetze und dann irgendwas entstelle.

Joa die Eigenleistung ist bisher noch nicht so prober, weswegen ich versuche viel auf Otomes Gedanken, gefühle usw. einzugehen. Manchmal klappt es manchmal auch nicht.
Ich hoffe dennoch, ihr mögt es irgendwie, ihr, die ihr es nichtleset oder doch leset. Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  fahnm
2014-06-09T22:55:17+00:00 10.06.2014 00:55
Super Kapi^^
Mach weiter so^^


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