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Spartacus: Champion

von

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Virgo

Ich werde sterben.

Er fuhr sich mit der Zungenspitze über die Lippen, den Blick fest auf die Gitter gerichtet. Dahinter tobte die Menge, jubelte den Männern zu, die in der Mitte auf dem Sand standen... oder zumindest einem von ihnen.

Der andere war ein Gefangener.

Er war groß wie ein Bär (oder zumindest glaubte der Junge, dass Bären so groß waren), und auch genauso behaart, mit langen, schwarzen Zöpfen, die ihm über den Rücken fielen, Oberschenkeln wie Baumstämme und breiten Schultern wie ein Stier. Sechs Männer lagen schon tot zu seinen Füßen.

Der Junge hielt den Atem an, beide Hände um die Gitterstäbe, als der siebte fiel. Blut sprudelte aus dem Stumpf, der der Hals des Mannes gewesen war. Die Luft war erfüllt von Schreien und metallisch-schwerem Geruch, Jubel und einem Namen, den er nicht verstand.
 

Neben ihm hinter dem anderen Gitter lehnte jemand anderes. Er war drei oder vier Jahre älter als der Junge, vielleicht achtzehn. Die Rufe der Menge hinterließen keine Regung auf dunklen Zügen; die obsidianfarbenen Augen blickten regungslos.

Er schluckte und wandte den Blick rasch ab.

Natürlich war er es gewohnt, dass keiner mit ihm sprach. Niemand gab sich gerne mit Todgeweihten ab, obwohl sie das ja irgendwie alle waren... allerdings ließen sie keinen Zweifel daran, dass er noch ein bisschen totgeweihter war als alle anderen.

„Stirb nicht zu schnell“, hatte einer der anderen ihm zugezischt; einer der Älteren, Barcas, erkennbar an den scharf geschnittenen Zügen und schwarzen Zöpfen, beinahe wie der Gefangene draußen auf dem Sand. „Stirb nicht zu schnell, das versaut denen nur den Tag.“

Ihm war schlecht vor Angst; vor seinen Augen tanzten dunkle Punkte und er umklammerte das Gitter so fest, dass seine Knöchel weiß hervortraten.

Sein Vater war auch Gladiator gewesen.

Natürlich hatte er ihn nie kennen gelernt; seine Mutter hatte ihm erzählt, er sei schon in der Arena gefallen, da sei sie noch schwanger gewesen. Es musste ein epochaler Kampf gewesen sein, denn die Menge hatte seinen Namen trotz seiner Niederlage in den abendlichen Himmel des Primus getragen.

Seine Hände zitterten vor Anstrengung.

Als kleines Kind hatte er manchmal versucht, sich vorzustellen, wie sein Vater ausgesehen hatte. Es hatte nie funktioniert, aber den Kampf hatte er immer gesehen.
 

Draußen schlitzte der Gefangene seinen achten Gegner auf. Die Menge johlte, doch der Junge sah die schweren Atemzüge des Gefangenen und die vielen Wunden, die er inzwischen davongetragen hatte.

Es würde nicht mehr lange dauern.

„Er kämpft ehrenhaft“, sagte der andere leise, „Wenn er Gladiator wäre, brächte ihm das vielleicht die Freiheit ein.“

Der Junge schürzte die Lippen.

„Und dann?“

Vielleicht klang seine Stimme etwas höher als beabsichtigt; verärgert umklammerte er wieder die Eisenstäbe.

Er war mit vierzehn Jahren der jüngste Gladiator seines Lanistas, das Brandmal war noch ganz frisch und seine Prüfung war mit Mühe und Not ein Unentschieden gewesen - er würde sterben, aber er wollte sich wenigstens nicht vorher einpinkeln, er musste sich zusammenreißen.

Man hatte ja nicht einmal versucht, es ihm als ernsthaften Kampf zu verkaufen.

In Thrakien und Griechenland gab es Aufstände und Schwierigkeiten, und deshalb war es gut für die Moral, wenn ein paar Griechen in der Arena fielen; praktischerweise war er auf Kreta geboren, und die Römer unterschieden eh nicht zwischen Athenern und Spartanern und allen anderen...

Seine Rüstung war zu groß und schloss sich kaum um seine Arme, die Klingen waren stumpf und mit einem Schild hatte er eh nie umgehen können. Er würde sterben, und jeder wusste es.

Sein Gegner war ein erfahrener Gladiator, dessen Name von der Menge ebenso besungen wurde wie jetzt der des Mannes draußen vor dem Gitter.

Seinen eigenen Namen kannte niemand; er war noch nie in der Arena gewesen...
 

Die letzte Stunde des Gefangenen schien gekommen.

Sie hatten gleich zwei Männer zu ihm geschickt; offenbar wurde das Spiel auch der Menge langsam langweilig.

Der Gefangene war auf ein Knie gesunken, eine Hälfte seines Gesichtes blutüberströmt.

Der Schlag seines Gegners ließ ihn taumeln und er drehte sich halb zur Seite weg; für Sekundenbruchteile traf sich sein Blick mit dem des Jungen.

Der Junge schluckte unweigerlich, als er das Lächeln auf seinem Gesicht sah.

Er kämpft mit Ehre und stirbt ruhmreich.

Zwei Sklaven schleiften die Leichen hinein.

Sie boten samt und sonders einen grausigen Anblick, verstümmelt und zerfetzt; die rechte Gesichtshälfte des Gefangenen war eine blutige Masse aus Fleisch und Knochen und gesplitterten Zähnen. Um den Hals trug er ein verschlungenes Lederband mit grob geschnitzten Perlen; er war nah genug, als dass der Junge die Zeichen darauf erkennen konnte.

Sie waren keltisch. Sein Vater war Kelte gewesen.

Die Übelkeit in seinem Magen war leerer Kälte gewichen; blitzartig und ohne recht zu wissen, was seine Hand führte, streckte er die Finger aus und griff nach der Kette, band sie sich mit einer flinken Bewegung um den Hals.

Wenn der andere etwas gesehen hatte, dann sagte er zumindest nichts.
 

Er spürte seine Beine nicht, als er zum Tor hinüber trat.

Der Name seines Gegners glitt an ihm ebenso vorbei wie sein eigener, die Schmährufe der Menge dem schwächeren Gegner gegenüber oder das Knirschen, mit dem das Tor hinter ihm zu fiel.

Das gestohlene Lederband um seinen Hals schien schwerer zu wiegen als die Gewichte, die ihr Ausbilder sie stemmen ließ.

Wenn sein Gegner angesichts des mageren Jugendlichen, der blass vor Angst und mit zitternden Händen vor ihm stand, lachte, so verbarg der Helm das gut.

Kämpf mit Ehre...

Der erste Schlag seines Gegners ging daneben. Der Junge war leichter und schneller, das wusste er; er wich dem Speer ein zweites Mal aus, doch diesmal streifte die Klinge seine Brust; die Menge johlte und heißes Blut tropfte aus dem Schnitt.

Das dritte und vierte Mal konnte er abwehren, doch damit hatte er sich selbst in eine Ecke manövriert; der Speer traf ihn mit tödlicher Genauigkeit, und er konnte spüren, wie die Spitze vom Knochen seines Oberarmes abglitt.

Der Schmerz nahm ihm für Sekunden den Atem, doch der Gladiator schien nicht gewillt, die Sache so schnell zu beenden. Stattdessen machte er einen Schritt zurück und ließ zu, dass er sein Schwert aufhob.

Dickflüssig rann Blut in den Sand.

Der Junge griff nach seiner Waffe.

Die Menge johlte lauter, als er sich zurück auf die Füße kämpfte, den linken Arm nutzlos an seiner Seite, und das Geräusch schien durch seine Adern zu vibrieren.

Kämpf mit Ehre. Verlieren ist nicht ehrenhaft.

Er griff an.
 

Der Gladiator wechselte mühelos den Speer von der einen Hand in die andere und mit brachialer Gewalt traf ihn die gepanzerte Faust in den Brustkorb. Es knirschte widerlich und es dauerte eine Weile, bis ihm klar wurde, dass die Schreie, die er hörte, aus seiner eigenen Kehle stammten.

Die Augen seines Gegners, die er durch schmale Schlitze im Helm erkennen konnte, lächelten.

Er kämpfte sich ein weiteres Mal zurück auf die Füße, sein Schwert fest umklammert - seltsamerweise waren seine Gedanken immer noch völlig klar. Seine Position war ungünstig. Er stand mit dem Rücken zur Wand, er war kleiner und leichter, und sein unverletzter Arm erlahmte jetzt schon dabei, die Schläge seines Gegners abzuwehren.

Leichter...

Er stand mit dem Rücken zur Wand, aber das musste ja nicht so bleiben.

Den nächsten Hieb seines Gegners wehrte er ab, seine verletzten Rippen protestierten und er nutzte den Schwung, um sich mit dem Fuß von der Wand abzustoßen; die Drehung zur Seite brachte ihn aus der Gefahrenzone und seinen Gegner aus dem Gleichgewicht, mit aller Kraft stieß er sein verbliebenes Schwert in den Spalt zwischen Schulter- und Nackenpanzer.

Der Gladiator gab ein leises, fast überraschtes Röcheln von sich.

Er schwankte, machte eine Bewegung als wolle er sich in den Nacken greifen - und kippte um und regte sich nicht mehr.

Langsam breitete sich eine Blutlache unter seinem Körper aus. In der Menge herrschte verblüffte Totenstille.

Dann brach ein Sturm los.

Die Menschen sprangen von den Bänken, brüllten seinen Namen, als seien sie alle auf einmal wahnsinnig geworden, jubelten ihm zu als sei er Mars persönlich, und er stand in ihrer Mitte, halb betäubt vom Lärm und dem, was er hatte einstecken müssen, bis ihm klar wurde, dass das rhythmische Dröhnen in seinen Ohren sein eigener Herzschlag war, der im Einklang mit dem Jubel der Menge schlug.

Sie lieben mich. Scheiße, sie lieben mich.

Er drehte sich zum Tor um und erhaschte einen Blick auf eine Gestalt im Schatten dahinter; sie tauschten ein Grinsen.

Das Schwert entglitt seinen Fingern, seine Arme sanken herab und noch bevor er auf dem Boden aufschlug, hatte er das Bewusstsein verloren.
 

Als er aufwachte, war es still.

Jeder Muskel seines Körpers schmerzte; er spürte den groben Stoff von Bandagen auf der Haut und konnte Kräuter in der Luft schmecken.

Irgendwo weit entfernt waren die Geräusche der täglichen Übungen zu hören.

Der Ludus.

Langsam zeichnete sich vor seinen Augen der Umriss eines Gesichtes ab.

„Bin ich jetzt ein Gladiator?“, murmelte er.

Oenomaus lachte und zeigte dabei weiße Zähne.

„Du hast jedenfalls wie einer gekämpft“, sagte er, „Mit Ehre. Ich freue mich schon darauf, dir eines Tages selbst gegenüber zu stehen.“

Das leise Rascheln von Stoff war zu hören und wie sich eine Tür schloss, als er ging.

Ein kaum sichtbares Lächeln huschte über das Gesicht des Jungen; zu mehr war er nicht im Stande, und selbst das tat weh.

In seinen Ohren hallte immer noch der Jubel der Menge nach, sein Name, der aus tausend Kehlen zum Himmel emporstieg, während ihm die Augen zufielen.

Gannicus!

Gannicus!

Gannicus...



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