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Mondgeflüster

von

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Künstlich

Das Erste, das der Grauhaarige bemerkte, war die alles dominierende Farbe Weiß.

Sie stellte sicher, dass der Fokus der Aufmerksamkeit so auf die einzelnen Bilder gelenkt wurde, das war ihm klar. Auch wenn der Hatake kein großer Freund der Kunst war, verstand er dies bis zu einem gewissen Grad. Einer Grenze, die hier bei weitem überschritten wurde.

Jede Wand und jedes Möbelstück waren in diesem Ton gehalten. Selbst die Gäste, die sich in dem weitläufigen Saal zu kleinen Gesprächsgruppen formiert hatten, bevorzugten diese Farblosigkeit an ihrer Kleidung. Kakashi fühlte sich fehl am Platz. Nicht wegen seinem dunklen Hemd und der legeren Jeans, die er trug, sondern weil auf ihn nicht nur die Landschaften an den Wänden künstlich wirkten.

Leise hallten seine Schritte auf dem hellen Marmorboden wieder, als er selbstsicher zu dem Bereich ging, welcher deutlich als Kasse ausgeschildert war. Der junge Mann dahinter konnte höchstens an die zwanzig sein. Er war, passend zum Rest des Ambientes, ungewöhnlich blass und auch das freundliche Lächeln wirkte aufgesetzt. Generell erweckte alles an dem Jungen den Eindruck einer einzigen Farce. Beiläufig schweifte sein Blick zu dem kleinen Namensschild an der schmalen Brust. Der Name Sai war in gradliniger Schrift darauf gedruckt. Kein einziger Muskel im Gesicht veränderte sich, als der Kassierer das Geld gegen eine Eintrittskarte tauschte und ihm einen angenehmen Tag wünschte. Kakashi bezweifelte stark, dass irgendetwas an diesem Ort angenehm sein würde, aber trotzdem nickte er ihm freundlich zu und ging weiter in das Gewölbe.
 

Die Galerie war weitläufig und linear. Es gab keine Türen, nur aufgestellte Trennwände, die wohl die einzelnen Bereiche gliedern sollten. Ihm war es recht, besonders da es schien, dass die Masse an Besuchern abnahm, je weiter man nach hinten ging. Mit deutlich schnelleren Schritt bahnte er sich seinen Weg durch die kleinen Ensembles. Der Grauhaarige musste sich zusammen nehmen, um bei den wenigen, nichtssagenden Gesprächsfetzen nicht den Mund zu verziehen. Es war das typische Gerede reicher Leute. Das Aufputschen von Themen, die so unsagbar nichtig waren, dass die Tatsache ihnen Aufmerksamkeit zu schenken schon an Luxus grenzte. Er war froh, als die Menschenmasse sich lichtete und er vermehrt einen Blick auf die Ausstellungsstücke an den Wänden werfen konnte. Vielleicht klag es grotesk, aber diese Form der Illusion zog er dem menschlichen Kontakt deutlich vor, denn sie verstand sich zumindest darauf still zu sein.
 

Der Grauhaarige drosselte seine Schritte, als er bemerkte, dass er allein war. In diesem Winkel des Museums war noch keine Menschenseele, nur die einzelnen Gesprächsfetzen aus dem Foyer drangen zu ihm durch, zu leise, als dass er sie noch hätte verstehen können. Und das erleichterte ihn. Beiläufig schweifte sein Blick über die einzelnen Landschaften an den Wänden. Einige von ihnen waren klar, sahen schon beinahe aus, als wären sie fotografiert. Der Polizist musste zugeben, dass er von ihnen fasziniert war. Nicht von den Bildern, sondern von den Künstlern. Es war schwer in der heutigen Welt so etwas wie Talent zu finden, aber augenscheinlich hatten einige dieses in der Malerei gefunden.

Es wäre übertrieben, wenn der Hatake behaupten würde sie zu beneiden, jedoch respektierte er sie. Vor allem, weil für ihn diese Form der Kunst auch plausibel erschien. Noch genau konnte der Grauhaarige sich daran erinnern, wie Itachi ihn vor Jahren einmal in eine Ausstellung geschleift hatte. Stundenlang hatte der Langhaarige vor den bemalten Leinwänden gestanden und sie angesehen. Regungslos hatte er vor jedem Einzelnen verharrt und auch wenn Kakashi damals nicht ein Funken Interesse aufbringen konnte, war er geblieben. Er hatte die stundenlange Prozedur ertragen, denn der Brünette hatte bei jedem Bild gelächelt.

Heute war er aber allein, nichts hielt ihn hier und doch sagte ihm etwas, dass er noch nicht gehen sollte. Es war schwer zu beschreiben, aber dieses Gefühl ließ ihn weiter in das Gemäuer schlendern, langsam genug, um den Schein aufrecht zu erhalten, dass er sich wirklich für die Ausstellung interessierte. Die Stimmen im Hintergrund wurden immer leiser, bis auch sie vollkommen verstummt waren und das einzige Geräusch das laute Widerhallen seiner Sohle auf dem Boden war.

Ihm war klar, dass er das Ende des Museums erreicht hatte, als sein Weg in einer Sackgasse zu enden schien. Die helle Wand, auf die er nun zuschritt, war fast vollkommen von einer Leinwand bedeckt. Die eigentliche Abbildung darauf sagte dem Hatake nichts. Es war für ihn einfach nur eine willkürliche Aneinanderreihung von Farben. Trotzdem verharrte der Grauhaarige für einen kurzen Moment vor dem Gemälde, denn er war nicht mehr der einzige Besucher. Direkt vor ihm, keine drei Meter entfernt, stand der Grund warum er heute hier war.

Anko hatte ihn ausgetrickst. Am Schlimmsten aber war, dass sie Pain auf ihrer Seite hatte. Er konnte nicht einfach wieder gehen, nicht weil er sich dann der direkten Anweisung von Pain widersetzt hätte, sondern weil er es sich selbst verbot.
 

Resigniert stellte er fest, dass seine Handflächen begannen zu schwitzen. Alles ergab nun einen Sinn. Die junge Prostituierte und der Rothaarige hatten damals in der Tat über ihn geredet. Über seine Ermittlungen, seine Fortschritte und über ihn. Wie weit sie die Materie dabei auseinandergenommen hatten war uninteressant. Alles was zählte war hier, direkt vor ihm. Er würde nicht gehen, er wollte nicht.

Darauf bedacht die Lautstärke seiner Schritte zu dämpfen, überbrückte er die letzten Meter und kam direkt neben dem jungen Mann zum Stehen.
 

„Du magst also Kunst?“ Kaum merklich zuckte der Schwarzhaarige zusammen und sah irritiert zu ihm.

„Hm“, kam in verneinenden Tonfall die Erwiderung, während sich die grauen Iriden wieder auf das wirre Farbenspiel an der Wand richteten.

„Geschäftstermin?“, riet der Polizist ins Blaue.

„Storniert.“ Kurz zuckte sein Mundwinkel bei dem Gedanken daran, dass der Junge mit Madara hier gewesen sein könnte. Er wusste selbst wie paranoid sich das anhörte, aber nichtsdestotrotz konnte er diesen Gedanken nicht verdrängen. Ebenso wenig wie das leise, verächtliche Schnauben, welches sich über seine Lippen schlich.
 

Eine unangenehme Stille breitete sich über den beiden aus und das störte den Grauhaarigen. Vor wenigen Wochen war es noch so einfach gewesen mit Katsumi ein Gespräch zu führen. Aber nun war es anders. Ohne dass man es aussprechen musste, war deutlich, dass etwas zwischen ihnen angeknackst war. Und auf seltsame Art und Weise störte ihn das. Obwohl er ein großer Freund der Stille war, wollte er sie in diesem Moment nicht.
 

„Es ist schon etwas her, was?“ Kaum hatte Kakashi die Worte ausgesprochen, bereute er sie. Was zur Hölle redete er da?

„Selbst schuld.“ Nur ein Flüstern, so leise, dass es unmissverständlich war, dass der Junge diese Worte an sich selber gerichtet hatte.

„Also dann, es war nett dich wieder zu sehen, Kakashi.“

Obwohl keinerlei Hektik in der Bewegung Katsumis lag, empfand er es so. Der schmale Körper setzte viel zu schnell dazu an sich wegzudrehen. Das milde Lächeln war zu flüchtig für ihn.

„Warte, bitte.“ Erst jetzt bemerkte der Hatake, dass er, begleitend zu seinem Ausruf, das Handgelenk des Jüngeren umschlossen hielt. Hastig lockerte er seinen Griff und zog seine Hand zurück, als er den fragenden Blick des Schwarzhaarigen auffing.
 

„Möchtest du einen Kaffee trinken?“

„Storniert.“ Irritiert zog der Hatake bei der Wiederholung seine Stirn in Falten.

„Ich bin privat hier“, kurz ließ der Schwarzhaarige den Blick über das riesige Gemälde gleiten, „und ich denke, dass ich mir die Kunst ansehen möchte.“

„Kunst?“, fragte er ihn etwas fassungslos.

„Ja.“
 

Langsam löste er den Blick von dem feinen Gesicht seines Gegenübers und schwenkte zurück zu der wilden Farbexplosion an der Wand.

„Das ist also Kunst?“, erhob er das Wort.

„Ja.“ Die Aussage des Jüngeren klang unsicher, fast so, als würde er nun selbst eine Frage stellen.

„Also“, der Hatake musste kurz innehalten, als seine Augen den scheinbar willkürlichen Farbsträngen folgte, „das ist wirklich-“, erneut stoppte er, fixierte den Kern der Leinwand, in dem jede erdenkliche Nuance des Farbspektrums zusammen lief und sich zu einem tristen Grauschwarz verband, „wirklich... wirklich-“ Er war deutlich darum bemüht die richtigen Worte zu finden.

„Hässlich?“, half ihm der Jüngere auf die Sprünge.

„Oh Gott, ja.“

Das sanfte Lachen Katsumis hallte angenehm in den hohen Raum wider. Auch wenn Kakashi es eigentlich nicht sollte, er hatte diesen Ton vermisst. Aber er war anders, ungezwungener und das lag ganz sicher nicht an dem Ambiente.

Katsumi hatte frei.

Das erste Mal seit ihrer Bekanntschaft, war er nicht gezwungen eine Rolle aufrecht zu halten. Er war nur ein siebzehnjähriger Junge in einer Galerie, ein Minderjähriger. Das durfte er nicht vergessen, ganz egal wie angenehm sich sein Lachen auch anhörte und unabhängig davon, wie reif er für sein Alter wirkte. Der Schwarzhaarige hatte ein Leben, fernab von Katsumi und dessen Verpflichtungen. Ein Leben, in dem der Hatake nichts verloren hatte.
 

„Du hast recht. Genieße deinen freien Tag.“ Damit ging er, setzte fein säuberlich einen Fuß vor den anderen und ließ mit jedem Bild, das er passierte, den Jungen weiter zurück.

Pain hatte ihn gefragt, ob er bereit wäre zu investieren. Und genau jetzt in diesem Moment verstand er, was der Rothaarige gemeint hatte.

Es war nicht beruflich.

Es ging um ihn.

Das erste Mal hatte sein Chef Berufs- und Privatleben vermischt. Er wollte nicht, dass Kakashi sich für oder gegen Katsumi entschied. Die Wahlmöglichkeiten bezogen sich auf den Jungen, nicht auf den Prostituierten. Aber von diesem Blickwinkel aus erschien es ihm falsch. Der Polizist war gut darin die Menschen so weit zu manipulieren, bis sie ihm verrieten, was er wissen wollte. Er hatte diese Fähigkeit über die Jahre hinweg schon beinahe perfektioniert. Und ja, er wollte mehr über den Jüngeren erfahren. Aber nicht so.
 

Ein beklemmendes Gefühl breitete sich in seinem Brustkorb aus, als er den kühlen Griff des Ausganges umfasste und ins Freie trat. Kakashi wollte Ehrlichkeit und das bedeutete, dass er mit seiner üblichen Methode nicht weiter kam. Er würde auf unbekanntes Terrain vordringen müssen. Das erste Mal würde er mit teilweise offenen Karten spielen und auch wenn es lächerlich klang, das verunsicherte ihn am meisten.

Tief sog er die Luft in seine Lungen, schloss sie kurz ein und atmete geräuschvoll wieder aus. In der Tat, Investitionen waren ein zweischneidiges Schwert.
 

„Kakashi? Warte.“
 

Aber das Lächeln, welches sich bei der Stimme des Schwarzhaarigen auf seinem Gesicht ausbreitete, schien ihm Grund genug es zumindest zu versuchen. Das Lächeln und vielleicht auch das angenehme Kribbeln in seinen Fingerspitzen, das er vehement zu ignorieren versuchte.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Das war es auch schon wieder. Auch dieses Mal möchte ich Danke sagen und zwar zu:

OrangeneMimi
Marylina
Rizumu

Für eure Kommetare zum letzten Kapitel. Vielen lieben Dank, ich habe mich wirklich darüber gefreut. :) Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von: abgemeldet
2014-12-09T17:17:59+00:00 09.12.2014 18:17
Ich weiß nicht was du machst, aber du raubst mir jedes Mal die Worte xD
Das Kapitel ist dir wirklich wieder sehr gut gelungen. Und um ehrlich zu sein weiß ich auch nicht was ich schreiben soll ://3
Also hast du alles richtig gemacht C:
Von: abgemeldet
2014-08-24T11:55:34+00:00 24.08.2014 13:55
Hei :D
 
Also das Kapitel ist dir wieder wirklich gut gelungen! Es gab keine Stelle, die irgendwie langweilig oder verwirrend war, sondern wie immer alles schön fließend und genau so detailliert, dass es nicht zu viel ist, aber man sich alles super vorstellen kann. :)
 
Das einzige, was mich gestört hat, war... es war... so... kurz *sniff* und dann der kleine "Cliffhanger" dazu... willst du mich umbringen? :O Oh Gott, die Szene mit Kakashi und Katsumi hast du wieder sooooo schön geschrieben und so... mah. :3 Ich kanns gar nicht erwarten, wenn es endlich weitergeht, ich will mehr von den beiden, sie sind SO verdammt niedlich zusammen und argh >_< Du bist einfach so eine super Autorin mit einer super FF und einem megagenialen Pair *-* Ich hätte nichts dagegen, wenn deine Kapitel 1.000.000 Wörter lang wären :D Ich würds lesen :D Jedes einzelne Wort! :D Weil du so unglaublich schön und fesselnd schreibst und weil Katsumi und Kakashi sich endlich viel viel näher kommen und zwar jetzt schon privat wuhu ♥
 
Ich bin schon soooooo sehr gespannt wies weitergeht und freu mich wahnsinnig auf das nächste Kapitel! :D
Ganz, ganz liebe Grüße! :)
Antwort von:  Lilithen
31.08.2014 12:30
Halli Hallo Hallöle,
vielen lieben Dank für deinen Kommentar. Es freut mich, dass dir auch dieses Kapitel gefallen hat. Ich möchte dich keineswegs umbringen! Aber ich mag Cliffhanger irgendwie, nicht auf die zwanghafte Art und Weise, aber in diesem Kapitel schien er mir plausibel. Und ja, endlich kommen Kakashi und Sasuke sich etwas näher. ;)
Das Ausmaß von diesem Trefffen... Mein Kopf ist schon voller Ideen. Hoffentlich wirst du (und natürlich auch meine anderen lieben Leser) das nächste Kapitel ebenso mögen. Es ist schon in Arbeit.

Ganz liebe Grüße,
Fumiko


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