Am liebsten hier bei dir
If you gave me a chance I would take it
It's a shot in the dark but I'll make it
Loaded gun at her heart, you can't shame me
When I am with you, there's no place I rather be
Sung by Clean Bandit feat Jess Glynne
13.Juni, 11:11 Uhr. Odiaba. Wohnung Fukanaga/Takaishi, Gästezimmer.
Sie konnte es nicht fassen. Wenn Yolei wirklich Recht hatte, war dieses blonde Püppchen gerissener als beide eigentlich dachten.
Gestern erzählte sie ihr vollkommen hysterisch, was sie mit angehört hatte.
Shiori stand mit offenem Mund vor ihr und schüttelte sich vor Unverständnis. Auch wenn TK im Moment ganz sicher nicht ihr Liebling war, sollte er die Wahrheit erfahren.
Doch die Wahrheit war wohl immer so eine Sache.
Kari hatte Yolei abends noch angerufen und ihr mitgeteilt, dass sie nicht mehr zum Helfen kommen würde. Wallace hatte sie aus der Wohnung geschmissen. Eben weil sie ihm die Wahrheit gesagt hatte.
Notgedrungen schlief sie auf der Couch ihres Bruders, der sich mit Matt und neuerdings auch mit Mimi die Wohnung teilte.
Eine Wohnung, die eigentlich nur für zwei Mann ausgestattet war, würde somit zum reinsten Kuschel-Paradise.
„Und was wenn wir etwas finden?“ Yolei durchsuchte ihre Tasche, in der sie lediglich ihren Mutterpass und einige Ultraschallbilder fand.
„Dann sagen wir es ihm! Die blöde Schlange soll ihm ja kein Kind anhängen. Außerdem wäre das Grund genug, wieder zurück nach Japan zu ziehen!“
„Und was wenn wir nichts finden? Ich bin mir nicht mal sicher ob ich alles richtig verstanden habe!“
„Wir werden schon was finden. Sie hat was zu verbergen, das habe ich schon immer gespürt!“, giftete sie und der Laptop der ungewollten Freundin ihres Stiefbruders fiel ihr ohne weiteres in die Hände.
„Klasse! Vielleicht können wir ihren Facebook-Account oder ihr E-Mailpostfach knacken“, sagte Yolei und klatschte vor Freude in die Hände.
Shiori öffnete und startet ihn.
„Spar dir die Energie. Sie wird wohl ihr Passwort gespeichert haben!“
Ja, besonders viel hielt sie wirklich nicht von Catherine.
Sie war intrigant, hinterhältig und definitiv bösartig. Jedenfalls stellte Shiori sie sich immer so vor.
Sie war sauer, da sie Takeru so verändert hatte. Ihr bedeutete ihre neue Familie so viel und sie hatte ihr sozusagen den Bruder weggenommen. Das konnte und wollte sie ihr nicht verzeihen.
„Scheiße. Sie hat den PC mit einem Passwort gesichert“, murrte die 23-Jährige und reichte ihn an Yolei weiter, die sich aufs Bett gesetzt hatte. „Mhm sie ist wohl doch nicht so dumm. Aber wenn sie ein Passwort hat, hat sie bestimmt auf etwas zu verbergen!“
„Wir haben aber nicht viel Zeit! TK und sie werden bestimmt in der nächsten Stunde zurückkommen!“, hetzte Shiori, die einen kleinen Hauch ihres schlechten Gewissens verspürte. „Beeil dich Yolei, sonst erw…“.
„Bin drin!“, unterbrach sie sie und öffnete den Browser.
„Wie hast du, dass so schnell geschafft?“, wollte die Jüngere von ihr wissen und setzte sich neben sie.
„Ihr Passwort war 1-2-3-4! Ich bitte dich!“
Okay, Intelligenz wohl eher fehl am Platz.
„Sie hat ihre Passwörter gespeichert“, sang Yolei schrill daher und loggte sich in ihrem Account ein.
Nachdem die beiden jungen Frauen auf Facebook nichts gefunden hatten, durchstöberten sie ihren E-Mail-Account und hofften auf irgendwelche Hinweise.
„Bingo! Ich habe was!“, kläffte die Lilahaarige und zeigte ihr eine Mail.
Sie war von einem Arbeitskollegen, der ihr schrieb, dass er die Nacht mit ihr einfach nicht vergessen konnte. Das war vor über zwei Monaten gewesen.
„In wievielten Monat ist sie?“
„Ich glaube, dass kommt hin“, bestätigte Shiori, als sie auf das Datum sah. „Guck mal ob du von dem Kerl noch weitere Mail findest, ich hole schon mal meinen USB-Stick!“
Yolei musste nicht lange suchen, bis sie auch wirklich fündig wurde.
Der Kerl hatte ihr wirklich dutzende Mails geschrieben, die sich in den letzten Wochen immer mehr häuften.
In einer Mail schrieb er sogar über das gemeinsame Baby.
Anfangs hatte sie Angst gehabt, sich verhört zu haben, doch nun war es war eindeutig.
TK war nicht der Vater. Sie hatte ihn verarscht.
Sie saßen auf einer Parkbank und schauten sich die Passanten an, die an ihren vorbei liefen. Sie trug ein leichtes türkisfarbenes Sommerkleid, während er eine Jeans und ein dunkelblaues T-Shirt trug.
Es war das erste Mal seit langem, dass sie wieder Zeit miteinander verbrachten.
Sie waren so viele Jahre getrennt, sodass er recht froh war, sie endlich wiederzusehen.
Auch wenn er wusste, dass sie eigentlich nicht wegen ihm hier war.
„Wieso hast du es mir nicht erzählt? Ich hätte es niemandem weitergesagt!“, versicherte ihr der Rotschopf und blickte in ihr angestrengtes Gesicht.
„Ich dachte es wäre besser, wenn möglichst wenige davon wissen!“
„Aber wann hast du entschieden sie wegzugeben? Das musst du doch schon länger geplant haben“, stellte er fest und bemerkte ihr unsicheres Lächeln.
Die gleiche Frage hatte ihr Tai auch vor wenigen Wochen gestellt.
„Ich war im fünften Monat, als meine Oma gestorben ist. Ich wusste, dass ich es ohne sie erst recht nicht schaffe und da habe ich einfach meinen Vater angerufen und um Hilfe gebeten“, erklärte die Brünette fast schon nüchtern. „Er kannte ein Paar, das sich schon lange Kinder wünschte und dann ging es eigentlich alles sehr schnell“.
Izzy schluckte.
Er hatte überhaupt keine Ahnung gehabt. All das spielte sich damals hinter seinem Rücken ab, genauso wie die Sache mit Thomas. Mimi hatte sich nie in irgendeiner Weise beschwert oder es sich sonst wie anmerken lassen.
Alles versteckte sie hinter einem gut funktionierenden Pokerface. Er konnte sie immer mehr verstehen, warum sie zu ihrer Mutter keinen Kontakt mehr haben wollte.
Sie hatte einfach daneben gestanden und nichts gemacht – so wie Herr Tachikawa es ihr damals vorgeworfen hatte. Liebe schien wirklich blind zu machen.
„Und warum bist du eigentlich hier?“
Mimi presste die Lippen fest aufeinander und verzog sie zu einem geraden Strich. Ihr tat es wirklich weh, ihm sagen zu müssen, dass seine Hochzeit eher zweitrangig für sie war.
Eigentlich wollte sie gar nicht hingehen. Sie wollte es einfach hinter sich bringen und dann wieder klamm und heimlich aus Japan verschwinden.
Zum Glück war alles jedoch ganz anders gelaufen.
Sie erzählte ihm alles. Über Hotarus Krankheit. Warum sie Tais Hilfe brauchte. Und sogar, was in den letzten Tagen alles passiert war und das ihr Gefühlschaos ins Unermessliche wuchs.
„Wirst du hier bleiben? Also ich meine bei Tai?“
Mimi schüttelte kaum merklich den Kopf und schaute traurig zu dem Brunnen, der sich vor ihnen befand. „Ich kann das nicht. Ich ertrage es nicht, zu wissen, dass mein Kind keine zwei Stunden von mir entfernt wohnt. Obwohl mein Kind ist sie genaugenommen gar nicht mehr“.
Sie atmete unruhig und krampfte die Hände zusammen. „Außerdem möchte ich nicht Gefahr laufen, auf meine Mutter zu treffen. Sie scheint sich ja in Japan wieder wohlzufühlen.“
Izzy nickte verständlich und fragte sich, wie Tai damit umging. Beide kamen sich erst vor kurzem wieder richtig näher und dann hieß es schon wieder Abschied nehmen.
Es klang so absurd. Doch er konnte sie verstehen.
Hotaru ging es zwar allmählich besser, aber mit den Adoptiveltern wurde ausgemacht, sie erst mit achtzehn richtig kennen zu lernen. Für ein 7-Jähriges Mädchen war all das zu verwirrend.
Selbst er hatte Schwierigkeiten, alle Hintergründe nachvollziehen zu können und er war bereits fünfundzwanzig.
Wahrscheinlich war es vorerst das Beste, wenn Mimi wieder zurück in die USA ging. Dort hatte sie immerhin ihren Vater als Stütze und einen festen Job, der ihr Spaß machte. Wenn Tai und Mimi wirklich füreinander bestimmt wären, würden sie auch diese Probe mit Leichtigkeit überstehen.
Izzy drückte bereits beide Daumen.
„Wie geht’s dir?“, fragte Tai und reichte seine Schwester eine Tasse Tee.
„Beschissen“, antwortete sie knapp und beobachtete ihr Spiegelbild, das sich in der Tasse abbildete. Sie hoffte, dass sie nicht wirklich so aussah. Wenn ja, wäre es wirklich zum Weglaufen.
„Wo sind Matt und Mimi?“
„Matt ist arbeiten und Mimi ist mit Izzy unterwegs“, erwiderte er und setzte sich neben sie.
Kari hingegen war froh, dass sie heute einen Tag krankfeiern konnte. Am liebsten würde sie für immer auf der Couch liegen bleiben und ihren Bruder dazu nötigen sie mit Nahrung zu versorgen.
Sie wusste selbst, dass dies kein Dauerzustand werden sollte.
„Wie geht es eigentlich mit dir und Mimi weiter?“
„Du stellst heute ganz schön viele Fragen“, stellte er fest und fuhr sich durch seine wallende Haarpracht. „Um ehrlich zu sein, weiß ich es nicht. Sie wird am Montag jedenfalls zurückfliegen“.
„Im Ernst? Eine Fernbeziehung? Das geht nicht gut. Siehst du doch bei TK“, sie nippte an ihrer Tasse und verbrühte sich selbstverständlich die Zunge. „Er hat sich auch eine andere angelacht und sie geschwängert“.
Tai verzog sein Gesicht.
Er wollte sich ganz ehrlich damit noch nicht auseinander setzen. Er wollte nicht ohne Mimi leben. Wenn es sein müsste, würde er sogar mit ihr auswandern.
Aber vielleicht eröffneten sich ihnen auch noch ganz andere Lösungen, die sie bisher noch nicht in Betracht gezogen hatten.
Bei seiner Schwester sah es hingehen sehr wüst aus. Wallace hatte sie rausgeschmissen und würde sie sicher in nächster Zeit mehr meiden, als sich mit ihr auseinander zu setzen.
TK war auch kein Hauptgewinn gewesen. Er hatte bereits eine Freundin, die zumal noch ein Kind von ihm erwartete. Alleine stand mal wieder seine Schwester. Bei Wallace machte er sich keine Gedanken. Er war bevor er mit seiner Schwester zusammen gekommen war, ein kleiner Aufreißer gewesen, dem es auch nicht sonderlich schwer fiel, neue Kontakte zu knüpfen.
Aber Kari war offensichtlich noch immer hoffnungslos in ihren Ex verschossen, der bald Vater wurde.
In der Haut seiner Schwester wollte er im Moment sicher nicht stecken.
Er wusste nur, dass sie loslassen musste, um nicht noch mehr in ihr Unglück zu rennen.
„Wieso hast du es mir nie erzählt?“, fragte sie ihren Mann und fuhr sich unbewusst über ihren Bauch. „Ich konnte es nicht. Ich habe es ihr versprochen“.
„Aber überleg doch mal was du getan hast! Du hast deine Freunde angelogen!“, konterte sie und setzte sich auf einen Stuhl.
Der junge Arzt hatte ein schlechtes Gewissen, das er eigentlich durch die Wahrheit erleichtern wollte. Seine Frau hingegen fühlte sich von ihm hintergangen.
Erst jetzt verstand sie, warum er einen solchen Affentanz rund um die Geburt ihrer Tochter schob.
Er hatte Angst.
Angst, dass die Lüge von damals Wirklichkeit für ihn werden könnte.
„Ich weiß. Ich habe schon mit Izzy darüber gesprochen. Er ist zwar noch sauer, aber ich denke er wird mir verzeihen!“
„Das hoffe ich doch. Du bist sein Trauzeuge und seine Hochzeit ist morgen. Außerdem wollten wir die beiden zu den Paten unserer Tochter machen!“, erinnerte sie ihn vorwurfsvoll daran.
„Ich weiß“. Er rückte seine Brille zurecht und setzte sich ihr gegenüber. „Aber ich konnte damals nicht anders. Ich war noch so jung und Mimi brauchte meine Hilfe!“
Er ergriff ihre Hand und küsste ihren Handrücken.
Sie schmunzelte leicht über seine Geste. Ami wusste, dass Joe ganz sicher nicht böswillig gehandelt hatte. Er wollte ihr nur helfen. Auch wenn die Hilfe sich in einer großen Lüge verlief.
Er war doch einer der liebenswürdigsten Menschen, die sie je kennen lernen durfte.
Und nur weil er einen Fehler begangen hatte, sollte sie ihn dafür bestrafen?
Das war wirklich nicht ihre Intension.
Sie wollte es nur verstehen. Ihm zuhören und die Geschichte aus einer anderen Sicht sehen, als der Rest der Beteiligten. Sie kannten sich schließlich damals noch nicht und vielleicht war genau das ausschlaggeben, weswegen sie ihn nicht verurteilte.
Er stand mitten im Raum und betrachtete die Bilder aus glücklicheren Zeiten. Waren sie überhaupt echt? War sie wirklich glücklich gewesen und spielte sie all das nur vor?
Liebte sie ihn überhaupt? Wohl nicht genug, wenn sie mit ihrem Ex ins Bett sprang, während er seinen Großvater beerdigte.
Er wusste wirklich nicht, was er noch tun oder denken sollte. Es fühlte sich fast so an, als würde er den Verstand verlieren…
Wallace nahm ein Bild von der Kommode und starrte in die zufriedenen Gesichter des Paares, die ihn anlachten. Wahrscheinlich lachten sie ihn aus, da er dumm genug war, ihr zu glauben. Ihren Gefühlen für ihn zu glauben.
Die Wut stieg in ihm hoch. Hatte er denn nicht schon alles verloren, was ihm lieb und heilig war? Seine Mutter. Sein Großvater. Und jetzt auch noch Kari.
War es wirklich so schwer jemanden zu finden, der ihn aufrichtig liebte, so wie es seine Mutter einst tat? Hatte er es nicht verdient geliebt zu werden?
Er presste die Lippen aufeinander und biss sich auf die Unterlippe, um den Schmerz seines Herzens zu unterdrückten. Er schüttelte den Kopf als er erneut auf das Foto blickte.
Es war alles eine Lüge. Sie war eine Heuchlerin! Sie hatte die ganzen Jahre mit ihm gespielt – da war er sich sicher. Nur so konnte er sich erklären, warum sie einfach so mir nichts dir nichts mit TK ins Bett sprang.
Auch ihm würde er am liebsten die Fresse polieren und sagen, was er davon hielt.
Anfangs dachte er wirklich sie könnten Freunde werden.
Sein Griff verfestigte sich um den Randen des Bildes und eine Träne fiel auf das Glas.
Ein Mix aus Wut, Hass und Enttäuschung durchströmten seinen Körper, als er auf einmal das Bild auf den Boden warf. Das Glas zersprang in tausend Einzelteile und sah wahrscheinlich genauso wie sein Herz im Innersten aus.
Er hasste diese Verletzlichkeit. Er hasste diese Hinterhältigkeit. Er hasste sie.
Wütend hetzte er ins Wohnzimmer und fühlte sich fast schon wie ein Bulldozer, der alles was ihm in die Quere kam, ohne Rücksicht auf Verluste niederwalzte.
Er nahm eine Vase, die er und Hikari in einem Töpferkurs gebrannt und bemalt hatten und schleuderte sie zu Boden.
Der Hass machte ihn blind. Jedes Foto und jedes Andenken, das er mit ihr verband, existierte für ihn nicht länger. Er war mit ihr fertig. Er war mit allem fertig.
Nervös tippte die junge Französin mit dem Finger auf den Tisch. Einerseits würde sie sich freuen, weil sie es sich so sehr wünschte. Anderseits wusste sie, dass wenn sie schwanger wäre, es kaum von Takeru sein könnte.
Beide waren sich in letzter Zeit nicht sonderlich nah gewesen. Schon lange hatte sie das Gefühl, dass er nur noch aus Mitleid mit ihr zusammen war. Damals hielt sie das Baby zusammen, das sie verloren hatte. Ihr ging es danach wirklich schlecht.
Doch seit zwei Monaten erholte sie sich langsam. Sie ging wieder arbeiten und auch ihr Essverhalten hatte sich wieder normalisiert. Doch seitdem kümmerte sich Takeru nicht mehr so intensiv um sie, wie sie es sich eigentlich erhofft hatte. Er war abweisend und ließ kaum noch irgendwelche Zärtlichkeiten zu. Vor kurzem hatten sie seit langem wieder Sex und ihm schien es absolut keine Freude mehr zu bereiten. Es fühlte sich alles so gezwungen an.
Es war also kein Wunder, dass Catherine sich einsam fühlte und sich den Armen ihres Kollegen Pierres ausweinte. Er war nett zu ihr und schätzte sie. Er war all das, was sie zurzeit bei Takeru vermisste.
Bei einer Firmenfeier schaute sie deutlich zu tief ins Glas. Es war ein Wunder, dass sie noch einigermaßen geradeaus laufen konnte. Pierre war an diesem Abend wieder ihr Retter in goldener Rüstung gewesen – obwohl auch er alles andere als nüchtern war.
Er rief ein Taxi für beide, dass sie sich bis zu seiner Wohnung teilten.
Eigentlich sollte sie noch weiter fahren, doch schon im Taxi, gingen beide auf Tuchfühlung.
Es ging alles so schnell, dass Catherine gar nicht mehr mit ihren Gedanken hinterher kam. Später erwachte sie bei ihm im Bett und konnte nicht fassen, auf was sie sich eingelassen hatte.
Sie liebte Takeru doch. Und dann schlief sie einfach so mit ihrem Kollegen. Dachte sie wirklich so wenig nach?
Anscheinend schon. Besonders was sie Verhütung anbelangte.
Während Takeru beinahe schon penibel auf das Kondom achtete, hatte Pierre es einfach wegen des Rausches, vergessen.
Die Konsequenzen trugen anscheinend bereits Früchte.
Schon länger fühlte sich Catherine morgens unwohl. Die Nacht mit Pierre war knapp drei Wochen her. Mit Takeru hatte sie in der Zwischenzeit zwar auch geschlafen, aber nie ohne Verhütungsmaßnahmen.
Er sagte immer, dass er die Fehlgeburt noch nicht verkraftet habe, obwohl es schon über eineinhalb Jahre her war. Catherine hatte das Gefühl, dass er schon damals das Kind eigentlich nicht haben wollte. Er war nur wegen seines Verantwortungsgefühl bei ihr geblieben.
Sie wusste auch, dass es in Japan eine Frau gab, an der er immer noch hing.
Sein Bildschirmschoner zeigte viele Bilder seiner Freunde, besonders oft die einer brünetten Frau.
Den Namen kannte sie nicht. Genaugenommen wollte sie ihn auch gar nicht wissen.
Doch was sie wusste, war dass ihr Freund zu einer Hochzeit in Japan eingeladen wurde, wo er bestimmt die brünette Japanerin wiedersehen würde.
Was wenn er realisierte, dass er sie immer noch liebte? Er würde sie bestimmt verlassen und wieder nach Japan ziehen. Das durfte sie auf gar keinen Fall zulassen.
Plötzlich schaute sie auf den Schwangerschaftstest, den sie vollkommen vergessen hatte.
Wie sie es erwartet hatte.
Er war positiv. Sie war von Pierre schwanger. Das würde ihr Takeru niemals verzeihen.
Sie ließ den Test auf den Tisch fallen und schlug die Hände vor dem Gesicht zusammen.
Einen Fehler hatte sie begangen und schon trug er Früchte.
Das konnte doch nicht wahr sein. Wieso konnte Takeru nicht einmal auf das Kondom verzichten oder wieso könnte es nicht beschädigt sein?
Beschädigt.
Das war’s. Sie musste ihm einfach glaubhaft versichern, dass das Kondom einen Riss hatte. Er würde es bestimmt nicht nachprüfen.
Und so könnten sie eine glückliche Familie werden. Und das nächste Kind würde ja dann wieder von ihm sein.
In ihren Augen der perfekte Plan. In vielen Familien gab es bestimmt irgendwelche Kuckkuckskinder. Er müsste es ja nicht herausfinden. Und im Vertuschen war Catherine eben ein Ass auf ihrem Gebiet.
„Warum sollte ich herkommen, Yolei?“, fragte die junge Yagami genervt und ließ sich im Schlapperlook auf der Couch ihrer besten Freundin nieder. Auch Shiori war anwesend und wirkte sehr überdreht. Von Davis und Ken hingegen fehlte jede Spur.
„Wie haben etwas herausgefunden“, sagte sie Lilahaarige und reichte einige Blätter Papier an sie weiter.
„Das ist französisch! Das kann ich nicht lesen“, protestierte sie und legte sie wieder beiseite.
„Wir haben es übersetzt, beziehungsweise konnte Yolei einige Sätze im Stehgreif lesen“, erklärte Shiori und forderte Kari auf, sich die Blätter genauer anzuschauen.
„Sind das Catherines E-Mails? Seid ihr noch ganz dicht?“
„Oh wir sind noch dicht, aber sie anscheinend schon lange nicht mehr“, meinte die Älteste grinsend und deutete auf einen bestimmten Absatz.
Karis Augen weiteten sich, als sie ihn durchlas. Immer wieder blickte sie ungläubig zu ihren beiden Freundinnen, die nur zustimmend nickten.
„Das ist doch nicht wahr. Sie will ihm tatsächlich ein Kind anhängen?“, wollte die Brünette wissen und schüttelte fassungslos den Kopf.
„Ja will sie. Ich habe ausversehen ein Telefonat mitangehört, bei dem sie sich mit dem echten Vater über das Baby gestritten hat“, eröffnete Yolei gestikulierte wild umher.
„Also ich finde wir sollten es ihm sagen!“, meldete sich Shiori zu Wort.
Kari hingegen starrte immer noch ungläubig auf das Stück Papier und kaute auf ihrer Lippe herum.
„Aber bitte nicht morgen! Ich möchte Izzy und Sachi nicht die Hochzeit versauen!“, bat die 24-Jährige.
„Das wird ihm, dass Herz brechen“.
Beide schauten zu Kari.
Sie hatten gar nicht daran gedacht, dass sie TK damit vielleicht sogar schaden könnten. Sie sahen nur die Hexe Catherine, die ihm ein Kind unterjubeln wollte.
„Aber wir müssen es ihm sagen, ansonsten geht er wieder mit ihr zurück nach Frankreich“, drängte Shiori und fasste sich durch ihre langen Haare.
„Ich weiß, aber morgen sollen Izzy und Sachiko im Mittelpunkt stehen!“, bestätigte Kari nochmals Yoleis Aussage. Doch eigentlich hatte sie wirklich mehr Angst wegen der Situation mit Wallace. Sie wusste genau, dass er sich nicht beherrschen konnte…
„Bist du schon nervös?“, fragte ihn seine Verlobte, während sie ihre Tasche packte. Sie hatten sich dazu entschieden, die heutige Nacht getrennt voneinander zu verbringen.
Einer dieser typischen Hochzeitbräuche.
Auch das Izzy, das Brautkleid nicht sehen durfte, war einer dieser vielen.
Morgen hatte Sachiko schon früh einen Termin beim Friseur. Sie hatte sich für eine Hochsteckfrisur entschieden, die ein reinstes Flechtkunstwerk war. Auch ein paar Perlen, würden in ihren Haaren Platz finden – die die Frisur noch edler wirken ließ.
Izzy hatte dieses Problem nicht. Er würde morgen einfach seinen Anzug anziehen und wenn vorher nochmal seine Schuhe putzen.
Er würde gemeinsam mit Joe und Ami fahren, die ihn morgens abholen kommen würden.
Auch wenn Izzy immer noch sauer auf Joe war, konnte er nach dem Gespräch mit Mimi seine Beweggründe besser verstehen. Auf Mimi konnte er sowieso nicht lange sauer sein, auch wenn sie ihm gestanden hatte, dass sie nicht wegen seiner Hochzeit gekommen war.
„Ich denke der Tag wird einfach wunderschön. Warum sollte ich da nervös sein?“, fragte er seine Verlobte und zog sie in eine Umarmung.
Sie war froh, dass er sich wieder beruhigt hatte. Er konnte doch nicht am schönsten Tag seines Lebens, auf irgendwen sauer sein.
„Ich bin mal gespannt, was sich Yolei alles einfallen gelassen hat“, sagte sie und küsste ihn sanft auf seine Lippen.
„Sie ist wirklich übermotiviert“, nuschelte er gegen ihre Lippen. Sie ließ von ihm ab und lachte leise. „Du kennst sie doch. Sie will alles richtig machen!“
„Ich hoffe nur, dass sie nicht auf komische Ideen kommt. Wie Partyspiele oder so!“, polterte er und reichte ihr den ihren Schlafanzug.
„Ach vertrau ihr doch einfach. Außerdem hatte Joe bestimmt ein Auge auf sie!“
Wenn Joe nicht von ihr drangsaliert wurde. Er wusste wie Yolei sein konnte, aber dennoch sollte er genug Vertrauen zu ihr haben.
Sachi hatte sie ja nicht umsonst zur Brautjungfer ernannt. Ihr Organisationstalent war wirklich atemberaubend.
„Wir lassen uns einfach überraschen und genießen den Tag“, sagte sie und zog den Reisverschluss ihrer Tasche zu. „Es wird einfach himmlisch werden“.
„Mit dir ganz sicher“, neckte er sie und gab ihr für heuten den vorerst letzten Kuss.
Sie lag neben ihm und kämpfte mit den Tränen. Auch er wirkte niedergeschlagen. Die Brünette schluchzte laut und bemerkte die nasse Flüssigkeit, die ihr die Wangen hinunter lief. Er drückte sie fester an sich und küsste ihre Tränen weg, die jedoch stetig nachflossen.
Er wusste schon gar nicht mehr, wie sie auf das Thema gekommen waren.
Eigentlich hatten sie sich über seine Schwester unterhalten, die sich spontan dazu entschloss, bei Yolei zu übernachten.
Doch dann kam eins zum anderen und sie landeten bei dem wehleidigen Thema „Abschied“, der ihnen bald bevorstand. Sie hatten nur noch das Wochenende.
Dann war alles wieder vorbei.
Jedenfalls vorerst.
Mimi rang mit sich selbst. Eigentlich wollte sie ihn nicht verlassen. Sie hatte schon überlegt, ob sie vielleicht doch wieder nach Japan zurückziehen sollte.
Doch jedes Mal, wenn sie nur im Entferntesten darüber nachdachte, wurde ihr bewusst, dass sie hier nicht mehr leben konnte.
Amerika war ihre Heimat. Mit Japan verband sie nur noch puren Schmerz, der sich mit dem Gedanken an ihre Tochter verschlimmerte.
Sie wusste, dass sie Hotaru nicht einfach so sehen konnte.
Genaugenommen war sie nicht mehr ihr Kind.
Sie sah zu Tai, der sie immer noch fest in den Armen hielt und küsste ihn leidenschaftlich. Fast so wie er, damals im Krankenhaus.
„Ich liebe dich“, hauchte sie ihm ins Ohr und verfestigte ihren Griff hinter seinem Nacken. Er küsste sie wieder und wanderte zu ihrem Hals hinab.
Auch er wollte nicht, dass alles wieder in die Brüche ging. Nicht nachdem er hier mit ihr zusammen war und ihr seine Liebe gestanden hatte.
„Ich liebe dich auch“, sagte er mit einem schmerzenden Unterton in der Stimme.
Er beugte sich über sie, um ihr in die Augen schauen zu können. Eine kleine Haarsträhne klebte an ihren Lippen, die er aus ihrem Gesicht fischte.
Er küsste sie wieder und bemerkte, wie ihn die Leidenschaft übermannte.
Er wollte ihr nah sein. Sie berühren und in seinen Armen halten. Ihr, noch tausend Mal sagen, dass er sie über alles liebte und dass er sie am liebsten nie wieder gehen lassen wollte.
Und auch wenn sie wussten, dass sie nur noch wenig Zeit miteinander hatten, wollten sie besonders die kleinen Momente, gemeinsam auskosten.
Aber vor allem wollten sie sich gegenseitig zeigen, wie sehr sie den jeweils anderen liebten.
Das war das Einzige, was in der heutigen Nacht zählte. Nur sie beide.
Fortsetzung folgt...