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Utopian dream

Eine OneShot-Sammlung zu KNB-Pairs
von

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Verschlossene Lippen

IV. Verschlossene Lippen
 

“Don’t you think there is always something unspoken between two people?”
 

— Tennessee Williams.
 


 

Eines der am bestgehüteten Geheimnisse des Universums war jenes, dass Haizaki Shougo kein schlechter Mensch war.
 

Er war bei Leibe kein Heiliger und die meiste Zeit über nicht einmal auch nur ansatzweise ein netter Kerl von nebenan. Es fehlte ihm an Taktgefühl, Mitgefühl und vor allem an Selbstlosigkeit. In ihm loderte eine beständige Wut, seine Fäuste sprachen schneller als sein Mund und sein Ego machte täglich Überstunden.
 

Trotzdem war er kein schlechter Mensch.
 

Schlechte Menschen halfen keinen Großmüttern über den Zebrastreifen oder holten eine Packung Gummibären vom obersten Regal für die Kinder, die selbst zu klein dafür waren. Schlechte Menschen retteten auch keine Katzen aus Bäumen oder reparierten Fahrräder am Wegesrand. Schlechte Menschen lebten nur in ihrer eigenen Welt, in der sie die von anderen Menschen vernichten wollten.
 

Nijimura wurde in dieses Geheimnis an einem grauen Mittwochnachmittag eingeweiht, als ihn ein Haufen Halbstarke beleidigte und auf die Pelle rückte. Haizaki hätte keinerlei Grund gehabt ihm zu helfen. Dennoch schoss er wie aus dem Nichts hervor und Rücken an Rücken fochten sie den Kampf aus.
 

„Schuhe aus“, blaffte er Haizaki an, als dieser schon auf halbem Wege über der Hausschwelle der Nijimuras war. Mit der Zunge schnalzend hielt der Jüngere inne, jedoch gehorchte er und zog sich die Schuhe aus. Derweil lief Nijimura ins Bad um einen Verbandskasten zu besorgen. Zwar hatte keiner von ihnen wirkliche Verletzungen erlitten, aber etwas Kühlspray schadete nie.
 

Als er zurückkam, stand Haizaki noch immer im Hausflur, die Hände in den Hosentaschen und die Schultern hochgezogen. Verloren und verteidigenden, so als ob er sich nicht sicher war, was ihn in dem fremden Haus erwarten würde. Seufzend gab er ihn mit einem Nicken zu verstehen, dass er ihm ins Wohnzimmer folgen sollte.
 

Schweigend setzten sie sich dort aufs Sofa und ebenso still begann er sich um die einzelnen Schwellungen des Jüngeren zu kümmern. Ungewohnt ruhig beobachtete ihn Haizaki dabei, was bei ihm ein unangenehmes Prickeln im Nacken auslöste. Die Stelle mit seiner freien Hand kratzend, versuchte er es loszuwerden, worauf es seinen Gegenüber animierte endlich das Schweigen zu durchbrechen.
 

„Ist es wahr, was die Kerle gelabert haben?“

Nijimura hielt inne in seinen Bewegungen. Dann rümpfte er die Nase und verzog die Lippen zu einer Schnute. Das Prickeln in seinem Nacken wurde nur noch heftiger und er gab es auf, es loszuwerden, da es ohnehin hoffnungslos war.

„Wenn du nach Hause kommst, solltest du die Hand noch weiter kühlen“, wich er aus. Darauf zog der Jüngere die Hand weg. Nur um sie im nächsten Moment grob gegen seine Schulter kollidieren zu lassen. Überrascht über die handgreifliche Geste schaute Nijimura auf – und das erste Mal seit der Schlägerei in der Gasse in das Gesicht von Haizaki.
 

Dieser schaute unüblicher Weise ernst aus und seine Augen schienen rastlos nach etwas Bestimmten bei Nijimura zu suchen. Das Prickeln im Nacken wurde unausstehlich. Rasch wandte er den Kopf vom Jüngeren ab und erhob sich. Doch bevor er auch nur einen Schritt weiterkam, hielt ihn Haizaki am Arm fest.

„Hey! Ich hab' was gefragt! Krieg' ich 'ne beschissene Antwort?!“

„Ah? Spricht man so mit älteren Mitschülern in ihrem eigenem Haus?“

Fast wie ein wild gewordener Hund ließ ihn Haizaki knurrend los und lehnte sich Arme verschränkend in die weichen Polsterung zurück. Kurz musterte Nijimura ihn noch, bevor er sich in Richtung Küche begab. Kaum einige Sekunden später hörte er, wie schwere Schritte ihm folgten.
 

Bedacht darauf nicht zum Türrahmen zu schauen, konzentrierte sich Nijimura auf den Inhalt des Kühlschrankes. Gerade als er dabei war sich ein Glas Apfelsaft einzuschenken und überlegte, ob er noch ein zweites Glas füllen sollte, schien dem Jüngeren endgültig der Geduldsfaden zu reißen.

„Also ist es wahr? Du bist 'ne Schwuchtel.“

Keine Frage, eine feste Aussage. Nijimura stockte im Greifen nach dem zweiten Glas. Entschied sich nach einem weiteren Wimpernschlag dagegen, danach zu greifen. Sein Gast würde eh nicht mehr lange bleiben.

„Ja“, war seine feste Antwort, während seine Hand krampfhaft die Apfelsaftverpackung zerdrückte. Das Prickeln in seinem Nacken breitete sich aus, wanderte sein Rückgrat entlang, als er aufblickte und zu Haizaki hinüber sah.

Ausdruckslos starrte dieser zurück.
 

„...ich mag dich, Shougo.“

Geflüsterte Worte, die halb im Halse stecken bleiben und wie Donner in der Luft widerhallen.

„Widerlich.“

Giftige Worte, die wie aus der Pistole gefeuert kommen und die Luft zerreißen.
 

Haizaki wandte sich ab. Nijimura lauscht den Geräuschen, bis er die Haustür laut ins Schloss fallen hört. Danach nimmt er einen tiefen Schluck vom Apfelsaft. Und noch einen und noch einen, bis der Geschmack in seinen Mund salzig wird.
 

Haizaki Shougo war kein schlechter Mensch. Ein schlechter Mensch hätte Nijimuras Geheimnis verraten. Doch es bleibt begraben, genauso wie jener Nachmittag. Schließlich trennen sich ihre Wege und keiner von ihnen schaut zurück. Zumindest nicht, während der jeweils Andere darauf achtet.
 

Es ist purer Zufall, dass sich sich an einem tristen Mittwochnachmittag, genau an der selben Gasse wie vor vielen Jahren, wieder über den Weg laufen. Nijimura muss zwei Mal hinschauen, bevor er Haizaki wiedererkennt, dessen Erscheinungsbild sich fast komplett verändert hat. Haizaki dagegen schien ihn sofort erkannt zu haben, da er beim ersten Anblick augenblicklich stehen geblieben ist.
 

Nijimura ist sich im Nachhinein nicht mehr sicher, wie sie vom verdutzten Anstarren, zum Pizza essen und viel zu viel Alkohol trinken, in Haizakis Wohnung gelandet sind. Aber als dieser ihn ohne Vorwarnung harsch gegen die Wand drückt und ihn hart küsst, ist es Nijimura nicht weiter wichtig. Der Rest des Abends geht unter in einem Wirrwarr aus Berührungen, Küssen, Körperteilen und als Haizaki in ihm eindringt, glaubt Nijimura sich in einem bittersüßen Traum aus seiner Jugendzeit.
 

Am nächsten Morgen wird er mit einem Glas Apfelsaft begrüßt. Dumpf starrt er das Getränk in den Händen des Jüngeren an.

„Du trinkst das Zeug doch noch, oder?“, fragt Haizaki, wobei der Satz so viel mehr trägt, als er eigentlich sollte.

Ein schwaches Lächeln huscht über Nijimuras Lippen.

„Ich dachte du findest das Zeug widerlich?“, erwidert er, wobei er nach dem Glas greift. Doch kurz bevor seine Hände es umschließen können, hält der Andere es aus seiner Reichweite. Verärgert verzieht Nijimura abermals den Mund, wobei er aus Angewohnheit seine Oberlippe vorschiebt. Bevor er seinen Unmut laut werden lassen kann, hebt Haizaki das Glas zu seinem eigenen Mund. Gierig trinkt er es in wenigen Schlücken aus, wobei seine Augen Nijimura fixieren. Dieser spürt das längst vergessene Prickeln im Nacken.

„Nah, ich fand' es schon immer schmackhaft. Aber ich bin halt 'n sturer Kerl.“

Nijimuras Augen weiteten sich, Haizaki leckte sich über die Lippen, bevor er sich mit einem wölfischem Grinsen vorbeugte.
 

Eines der am bestgehüteten Geheimnisse des Universums war jenes, dass Haizaki Shougo kein schlechter Mensch war. Doch Nijimura würde ein Teufel tun und es jemanden verraten.

Denn das Privileg als Einziger über ein Geheimnis Bescheid zu wissen, war süß wie Apfelsaft.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Ai_Mikaze
2015-08-03T20:40:27+00:00 03.08.2015 22:40
Hab das Kapitel empfohlen bekommen, gelesen und befinde es als gut! >D

Ich bin zwar noch nicht 100% mit den Charas vertraut, aber wie es hier beschrieben ist mag ich es. Auch die "nette" Seite von Haizaki <3

Was ich allerdings etwas verwirrend fand war, dass du relativ oft zwischen Gegenwart und Vergangenheit hin und hergesprungen bist. @_@ aber an und für sich hat es nicht allzu sehr gestört.
Antwort von:  Rix
09.09.2015 02:03
Hehe, freut mich zu hören, dass es dir gefallen hat. Auch wenn du noch nicht so sehr vertraut mit den Charas bist =) Hoffe ich konnte sie dir hiermit dann immerhin etwas näher bringen xD

Und ja, passiert mir sehr oft, dass ich zwischen Vergangenheit und Gegenwart hin und her hüpfe. Bräuchte echt einmal einen ordentlichen Betaleser, der mir da auf die Finger klopft xD
Von:  Haizaki
2015-05-21T22:39:54+00:00 22.05.2015 00:39
Eigentlich wollte ich längst im Bett sein, aber das Kapitel noch zu lesen, hat sich definitiv gelohnt ♥
Schade, dass es so kurz ist, aber wirklich toll geschrieben und nichts an der Story war vorhersehbar, das mag ich~
 
Haizaki ist echt gut getroffen, es passt total zu ihm, Nijimura erst als widerlich zu bezeichnen und nicht auf einmal mit sowas wie "ich mag dich auch" anzukommen. Und danke, es ist mal keine FF, in der er wie ein totales Arschloch dargestellt wird...ahh, und das Ende ♥
Langsam fange ich wirklich an, das Pairing zu mögen >D


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