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Utopian dream

Eine OneShot-Sammlung zu KNB-Pairs
von

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Vor Neugierde platzen

I. Vor Neugierde platzen
 

“First love is only a little foolishness and a lot of curiosity.”
 

— George Bernard Shaw
 


 

Kise wusste, dass Neugierde nicht immer ein Segen des menschlichen Wesens war.
 

Neugierde konnte hin und wieder zu schmerzhaften Lebenserfahrungen führen, die einen hinterfragen ließen, was für ein schlechtes Los man gezogen hatte – und für weniger philosophisch Begnadete, warum bestimmte Fäkalien nicht nur in dem dafür vorgesehenen Porzellantopf Einzug erhielten.

Dennoch, und das war auch eine Tatsache, waren solche bei Weitem unbeliebte Erfahrungen, mit unter Anderem, die Wichtigsten im Leben. Sie ließen einen lernen und im besten Falle wachsen.

Natürlich hatte jede Münze zwei Seiten und dementsprechend verhalf Neugierde auch zu lebensbereichernden Momenten.
 

In Kises Situation war genau diese Seite der Münze das Problem.
 

Generell und im Allgemeinen zum Leidwesen seiner Umgebung, ging er seiner unendlichen Neugierde, die an manchen Tagen Überstunden schob, ohne Umschweife nach. Zwar endete es oftmals mit einigen blauen Flecken und seltsamen Momenten, die auf einer Skala von leicht peinlich bis hin zu katastrophal eingestuft werden konnten, dennoch hinderte es ihn nie daran, sie zu sättigen. Daher verunsicherte ihn sein momentanes Zögern und der Drang davonzulaufen umso mehr.
 

Moriyama erzählte mit eindeutigen Handbewegungen ein der wohl unlustigsten Witze, seitdem die Menschheit sich Scherze vortrug. Dennoch verfiel Hayakawa in schallendes Gelächter und sogar Kobori ließ sich zu einem leichten Kichern hinreißen.

Jedoch lag Kises Aufmerksamkeit auf Kasamatsu, der von Kobori bestimmend festgehalten wurde und sich ein Lachen verkniff.
 

Es war eine idiotische Idee gewesen. Ein Impuls, der aus ihm hinausgeschossen war, bevor er überhaupt realisiert hatte, welche Folgen es mit sich bringen könnte. Es war nicht so, als wollte Kise es nicht unbedingt wissen, aber gleichzeitig fürchtete er sich auch ein wenig davor, seine Neugierde zu befriedigen. Dabei war ihm noch nicht einmal genau bewusst, wovor er sich wirklich fürchtete.
 

Hayakawa hatte jetzt zu einem wahrem Schenkelklopfer ausgeholt, der so einen langen Bart hatte, dass man ihn schon wieder urkomisch empfand, was durch das folgende Gelächter aller Beteiligten deutlich wurde. Nur Kasamatsu hielt noch eisern an sich, presste eine Hand vor den Mund, als ob er fürchtete, dass sonst die Lachlaute nur aus ihm heraus purzeln würden.
 

Kise war neugierig, wie Kasamatsus Lachen sich anhörte.
 

Kein leichtes Kichern, kein gehässiger Schnaufer, kein Prustlaut. Sondern ein Gelächter voller Imbrunst, tief aus der Lunge heraus, welches einem Tränen in die Augen trieb, was vom Herz mitgetragen wurde. Kise wollte es sehen, hören und jede einzelne Sekunden wie ein Schwamm aufsaugen.
 

Daher hatte er die Anderen gefragt, die ihn zuerst verwirrt angesehen hatte und dann in einstimmiges schallendes Gelächter ausgebrochen waren. Sie hatte ihm versprochen, dass es sich lohnte, einmal in den Genuss von Kasamatsus Lachen zu kommen und erzählten deshalb ihrem Kapitän seit geraumer Zeit ein schlechten Witz nach dem Nächsten. Doch mit jeder verstreichenden Minute wurde das Model unruhiger, ungewisser, ob er es überhaupt hören sollte – und dann sagte Kobori etwas und Kasamatsu konnte nicht mehr an sich halten.
 

Kasamatsus Lachen war eine Mischung aus kläffendem Hund und lauter Krähe. Es war rau, grob, laut und unstimmig. Es war so ein furchtbarer, schräger Laut, dass man nicht anders konnte, als über das Lachen selbst zu lachen.
 

Während die Anderen in Kasamatsus Lachen einstimmten und Kasamatsu selbst über sein eigenes Gelächter lachte, wurde Kise ganz warm ums Herz und er verstand, warum er so besorgt gewesen war, seine Neugierde zu stillen.

Kise wurde bewusst, dass er Kasamatsus Lachen für immer kennen würde und in all seiner unperfekten Art, nie wieder missen wollte.
 

Neugierde war eine gefährliche Sache, wenn sie einem das Herz raubte.

Lange Rede, kurzer Sinn

II. Lange Rede, kurzer Sinn
 

“Maybe the truth is, there’s a little bit of loser in all of us. Being happy isn’t having everything in your life be perfect. Maybe it’s about stringing together all the little things.”
 

— Ann Brashares
 


 

„Du könntest helfen.“

„Sei nicht albern, Takao.“

Der Kleinere drehte sich energisch um, wobei von der Rolle einige Spritzer und Schaumkronen davon flogen. Missbilligend hob Midorima eloquent eine Augenbraue.

„Du schmierst.“

„Ich bin ja so untröstlich, Shin-chan.“

„Das solltest du in der Tat.“

„...“

„...“

„Habe ich dich wenigstens erwischt?“

„Nein.“

Leise einen Fluch ausstoßend, drehte sich Takao wieder der Wand und der damit verhassten Tätigkeit zu. Einige Minuten verstrichen in denen die Rolle geräuschvoll die Tapete befeuchtete und sie somit zum Abreißen präparierte. Schließlich hielt der Schwarzhaarige inne und wandte sich erneut zu den Anderen um.

„Ich meinte das ernst mit dem Helfen.“

„Das habe ich mitbekommen.“

Sie starrten sich mehrere Sekunden an, bis Takao das sinnlose Augenduell aufgab und nur genervt seufzte.

„Wie wäre es dann, wenn du dir einen Spachtel greifst und mir hilfst?“

„Nein danke.“

„Das war keine Bitte!“

Midorima jedoch musterte nur seine Fingerspitzen.

„Tapete abreißen ist schlecht für die Fingernägel.“

„Deswegen der Spachtel, Shin-chan.“

„Man muss dennoch die Finger belasten.“

„Sie werden es überleben.“

„Ich könnte sie mir verspannen.“

„Du bist von Natur aus verspannt, da kann sich nichts mehr verspannen.“

Daraufhin runzelte Midorima nur die Stirn und sah Takao fragend an.

„Bitte?“

Abweisend winkte der Kleinere nur ab, nicht gewillt dem Größeren dessen Zugeknöpftheit zu erklären. Es gab Dinge, die waren einfach hoffnungslos. Stattdessen griff er jetzt nach dem Spachtel und hackte auf die widerspenstige Tapete ein. Mehr schlecht als recht, schaffte er es nach mehreren Anläufen und Flüchen, ein großes Stück ab zu reißen, nur um von Staub und Putz eingeschneit zu werden.

„Wir sollten ein Fenster aufmachen. Durch den ganzen Staub wird es stickig hier drinnen“, schlug Midorima vor, nachdem Takao sich das Gröbste vom Kopf gestrichen hatte.

„Eine gute Idee.“

Niemand rührte sich. Der Kleinere schaute zum Anderen hinüber, der mit verschränkten Armen dastand und ihn abwartend musterte.

„Wie wäre es, wenn du das tun würdest, Shin-chan? Wo du doch so viel weniger beschäftigt bist als ich.“

Kurz schien der Größere es abzuwägen, ob sich die Mühe lohnte oder nicht.

„Ausnahmsweise.“

„Verspann dir nicht die Finger beim Öffnen“, erwiderte Takao nur säuerlich.

„Das ist doch wohl sehr lächerlich“, wobei Midorima ungläubig den Kopf schüttelte.

Frische Herbstluft begrüßte Takaos Gesicht und er schloss genießerisch die Augen. Für einen Herzschlag lang wünschte er sich, er können einen angenehmen Waldspaziergang unternehmen, anstatt in einem muffigen Keller zu hocken und Tapete abzureißen.

Jedoch im nächsten Moment verschwand der Wunsch.

Als er die Augen wieder öffnete, stand Midorima neben ihm, misstrauisch einen der Spachtel in der Hand drehend.

„Du weißt, wo vorne und hinten bei dem Ding ist?“

Der Größere warf ihn einen vernichtenden Blick zu, worauf er nur mit einem schelmischen Grinsen antwortete.

„Wenn ich dich das alleine machen lassen, werden wir noch übermorgen hier stehen.“

„Warum plötzlich so eilig, Shin-chan? Ruft die Freiheit der Natur nach dir?“

„Ja.“

Blinzelnd schaute Takao den Anderen verdutzt an. Dieser fing jetzt an äußerst bedacht an der Tapete zu schaben.

„Mein Horoskop empfiehlt mir heute einen Spaziergang in der Natur, um Geist und Seele zu stärken .“

„Und hier dachte ich schon, du würdest gerne einen romantischen Spaziergang mit mir machen wollen, so als Belohnung für meine Opferbereitschaft.“

„Sei nicht albern, Takao“, und obwohl er den selben, tadelnden Ton bei diesem bestimmten Satz benutzte, entging der Schwarzhaarigen der leichte Rotschimmer nicht, was völlig genug für ihn war. Grinsend und mit mehr Enthusiasmus als vorher, wandte er sich dem Tapetenabreißen wieder zu.

„Es ist ja auch immerhin dein Keller.“

„Takao?“

„Ja?“

„Halt endlich den Mund und arbeite, sonst läuft uns der Herbst davon.“

Darauf konnte Takao nur lachen und auch Midorima musste leicht lächeln, bevor einer der noch vielen kommenden Wellen aus Staub, Putz, Tapetenlöser und Liebe sie traf.

Mucksmäuschenstill

III. Mucksmäuschenstill
 

“You have to love. You have to feel. It is the reason you are here on earth. You are here to risk your heart.”

— Louise Erdrich
 


 

Da ist dieses traurige Ding, welches wir besitzen.

Wir nennen es Herz.
 

Es pocht stetig in uns, wohnt tief in unserem Körper verankert. Lässt uns leben oder sterben. Lenkt und entscheidet unaufhörlich über uns. Ist der Mittelpunkt unseres biologischen Systems. Und von Zeit zu Zeit erinnert es uns daran, dass es nicht nur ein Organ ist, sondern so viel mehr im weitem Spektrum unseres Daseins. Eine selbst aufgestellte Erklärung dessen, was wir uns sonst nicht zu begreifen wüssten. Ein Versuch einen Namen für all die Gefühle in uns zu finden.
 

Herz, das Label für Liebe.

Ein Label, welches in Mayuzumi das Verlangen nach einem No-Name-Produkt auslöst.
 

Es war nicht so, als hätte er nicht geahnt, dass es ihm eines Tages passieren würde. Dieses ganze 'sich in jemanden verlieben', war nur niemals sein Lieblingsgericht auf der Speisekarte gewesen. Aber bei dem Menü 'Leben' hatte man selten eine freie Auswahl und er hatte das seltene Pech, dass die Überraschungsbeilage äußerst bitter und sauer war. Fast ungenießbar, wenn man ihn fragte, aber es tat niemand und so schluckte er den Frust darüber hinunter.
 

Was nur noch bittere war als das Gericht und die Beilage an sich, war sein verräterisches Herz.
 

Albern an sich, zu denken, dass das Herz als simples Organ mit dem Wort Verrat in Verbindung gebracht werden konnte, da es dazu eine Art Bewusstsein benötigte. Aber dennoch war es so und wer konnte schon wirklich behaupten, dass es unmöglich war? Manchmal erschien alles möglich, auch wenn die Wissenschaft einem diese Freiheit versuchte zu nehmen.
 

Mayuzumi entdeckte rotes Haar in der Menge der Studenten, sein Herz verkrampfte sich.

Das rote Haar schlängelte sich wie ein dünner Faden durch die Massen des grauen Meeres, sein Herz fing an zu rasen.

Ein Mädchen lief lachend mit ihrer Freundin dicht an ihm vorbei und spielte mit einer Strähne ihres roten Haares, sein Herz wurde schwer wie Blei.
 

Es regnet im Herzen. Der Herzschmerz. Die Sehnsucht im Herzen. Das Herz zerbricht in tausende Stücke. Der selbe Herzschlag zweier Personen. Die Stimme des Herzen. Mit dem Herzen fühlen. Die Gewalt über das Herz. Die Kraft des Herzen. Mit dem Herzen sehen. Herzensangelegenheit.

Herz hier, Herz dort.

Herz. Herz. Herz.
 

Herz.
 

Es gibt Tage und sogar Wochen, in denen Mayuzumi komplett vergisst, dass er überhaupt ein Herz besitzt. Zu gestresst und eingenommen von der Welt um ihn herum und der Welt in seinem Kopf. Hält es für eine Selbstverständlichkeit, wie so viele andere Funktionen seines Körpers. Würdigt es keiner besonderen Beachtung.

Bis es sich aufmerksam macht.

Ein Stechen, dort wo es sitzt. Ein Rasen, weil er sich körperlich angestrengt hat. In stillen Momenten, wo er alles um sich herum ausblendet und nur noch den Rhythmus seines eigenen Lebens wahrnimmt. Das Beben unter der Hand, weil er sich selbst lauschen möchte, wie er noch immer da ist, sich noch nicht selbst aufgegeben hat.

Ein Herzschlag zu viel und zu kräftig, wenn er an Akashi Seijuurou denkt.
 

Eine Bedienungsanleitung samt Fernbedienung für das Herz wäre eine optimale Lösung. Man könnte nachlesen, was mit dem Ding in der Brust nicht stimmt. Warum es handelt wie es handelt. Entscheiden wie es handeln soll. Am besten wie ein Receiver. Aufnehmen, anschauen, löschen.

Wollen Sie wirklich diese Einstellung ändern?

Ja.

Wenn Sie das tun, werden alle gespeicherten Gefühle gelöscht. Sind Sie sich wirklich sicher?

Ja.

Wirklich?

...Vielleicht?
 

„Mayuzumi.“

Eine bekannte Stimme, ein unwillkommenes Ziehen in seinem Herzen. Die Stirn in Unmut runzelnd, dreht er sich um. Erblickt rotes Haar, starrt es an und sein Herz signalisiert in ihm eine seltsame Wärme.

Rotes Haar, rotes Herz.

„Ich bin froh, dass du gekommen bist“, sagt der Junge vor ihm.

'Ich auch' antworte Mayuzumis Herz erleichtert. „Hatte nichts Besseres vor, Akashi“, erwidert er nüchtern.

Akashi lächelte nur leicht, die Lüge mit Leichtigkeit durchschauend.

„Wir haben uns lange nicht gesehen, nicht wahr?“

„Möglich, wen kümmert es“, entgegnet Mayuzumi abwertend, während sein Herz 'Ich habe dich vermisst' flüstert.

Der Jüngere schüttelt auf die abwehrende Reaktion nur leicht den Kopf. Einen Ausdruck von Zuneigung und Verständnis in den Augen, welcher den Älteren binnen weniger Sekunden komplett aus der Bahn werfen lässt.

„Bevor wir gehen, wollte ich dir das hier noch überreichen.“

Kurz kramt Akashi in seiner Tasche herum, bevor er ein schlicht eingepacktes Geburtstagsgeschenk hervorzieht und es Mayuzumi entgegenhält.

„Alle Gute zum Geburtstag.“
 

In diesem Augenblick hasst Mayuzumi sein eigenes Herz für alles was es ist und für alles was es nicht ist.
 

Zögerlich greift er nach dem Päckchen, wobei seine Fingerspitzen leicht Akashi seine berühren. Die Berührung lässt beinahe sein Herz kollabieren und daher fährt er unsicher mit seinen Fingern über das Geschenkband, versuchend die Erinnerung mit einer Neuen zu ersetzen. Es gelingt ihm nicht und als eine fremde, trotzdem so bekannte Hand sich auf seine Hand legt, ist es auch egal.
 

Da ist dieses traurige Ding, welches wir besitzen.

Wir nennen es Herz.
 

Und wenn wir Glück haben, singt es das stillste 'Ich liebe dich'-Duett.

Verschlossene Lippen

IV. Verschlossene Lippen
 

“Don’t you think there is always something unspoken between two people?”
 

— Tennessee Williams.
 


 

Eines der am bestgehüteten Geheimnisse des Universums war jenes, dass Haizaki Shougo kein schlechter Mensch war.
 

Er war bei Leibe kein Heiliger und die meiste Zeit über nicht einmal auch nur ansatzweise ein netter Kerl von nebenan. Es fehlte ihm an Taktgefühl, Mitgefühl und vor allem an Selbstlosigkeit. In ihm loderte eine beständige Wut, seine Fäuste sprachen schneller als sein Mund und sein Ego machte täglich Überstunden.
 

Trotzdem war er kein schlechter Mensch.
 

Schlechte Menschen halfen keinen Großmüttern über den Zebrastreifen oder holten eine Packung Gummibären vom obersten Regal für die Kinder, die selbst zu klein dafür waren. Schlechte Menschen retteten auch keine Katzen aus Bäumen oder reparierten Fahrräder am Wegesrand. Schlechte Menschen lebten nur in ihrer eigenen Welt, in der sie die von anderen Menschen vernichten wollten.
 

Nijimura wurde in dieses Geheimnis an einem grauen Mittwochnachmittag eingeweiht, als ihn ein Haufen Halbstarke beleidigte und auf die Pelle rückte. Haizaki hätte keinerlei Grund gehabt ihm zu helfen. Dennoch schoss er wie aus dem Nichts hervor und Rücken an Rücken fochten sie den Kampf aus.
 

„Schuhe aus“, blaffte er Haizaki an, als dieser schon auf halbem Wege über der Hausschwelle der Nijimuras war. Mit der Zunge schnalzend hielt der Jüngere inne, jedoch gehorchte er und zog sich die Schuhe aus. Derweil lief Nijimura ins Bad um einen Verbandskasten zu besorgen. Zwar hatte keiner von ihnen wirkliche Verletzungen erlitten, aber etwas Kühlspray schadete nie.
 

Als er zurückkam, stand Haizaki noch immer im Hausflur, die Hände in den Hosentaschen und die Schultern hochgezogen. Verloren und verteidigenden, so als ob er sich nicht sicher war, was ihn in dem fremden Haus erwarten würde. Seufzend gab er ihn mit einem Nicken zu verstehen, dass er ihm ins Wohnzimmer folgen sollte.
 

Schweigend setzten sie sich dort aufs Sofa und ebenso still begann er sich um die einzelnen Schwellungen des Jüngeren zu kümmern. Ungewohnt ruhig beobachtete ihn Haizaki dabei, was bei ihm ein unangenehmes Prickeln im Nacken auslöste. Die Stelle mit seiner freien Hand kratzend, versuchte er es loszuwerden, worauf es seinen Gegenüber animierte endlich das Schweigen zu durchbrechen.
 

„Ist es wahr, was die Kerle gelabert haben?“

Nijimura hielt inne in seinen Bewegungen. Dann rümpfte er die Nase und verzog die Lippen zu einer Schnute. Das Prickeln in seinem Nacken wurde nur noch heftiger und er gab es auf, es loszuwerden, da es ohnehin hoffnungslos war.

„Wenn du nach Hause kommst, solltest du die Hand noch weiter kühlen“, wich er aus. Darauf zog der Jüngere die Hand weg. Nur um sie im nächsten Moment grob gegen seine Schulter kollidieren zu lassen. Überrascht über die handgreifliche Geste schaute Nijimura auf – und das erste Mal seit der Schlägerei in der Gasse in das Gesicht von Haizaki.
 

Dieser schaute unüblicher Weise ernst aus und seine Augen schienen rastlos nach etwas Bestimmten bei Nijimura zu suchen. Das Prickeln im Nacken wurde unausstehlich. Rasch wandte er den Kopf vom Jüngeren ab und erhob sich. Doch bevor er auch nur einen Schritt weiterkam, hielt ihn Haizaki am Arm fest.

„Hey! Ich hab' was gefragt! Krieg' ich 'ne beschissene Antwort?!“

„Ah? Spricht man so mit älteren Mitschülern in ihrem eigenem Haus?“

Fast wie ein wild gewordener Hund ließ ihn Haizaki knurrend los und lehnte sich Arme verschränkend in die weichen Polsterung zurück. Kurz musterte Nijimura ihn noch, bevor er sich in Richtung Küche begab. Kaum einige Sekunden später hörte er, wie schwere Schritte ihm folgten.
 

Bedacht darauf nicht zum Türrahmen zu schauen, konzentrierte sich Nijimura auf den Inhalt des Kühlschrankes. Gerade als er dabei war sich ein Glas Apfelsaft einzuschenken und überlegte, ob er noch ein zweites Glas füllen sollte, schien dem Jüngeren endgültig der Geduldsfaden zu reißen.

„Also ist es wahr? Du bist 'ne Schwuchtel.“

Keine Frage, eine feste Aussage. Nijimura stockte im Greifen nach dem zweiten Glas. Entschied sich nach einem weiteren Wimpernschlag dagegen, danach zu greifen. Sein Gast würde eh nicht mehr lange bleiben.

„Ja“, war seine feste Antwort, während seine Hand krampfhaft die Apfelsaftverpackung zerdrückte. Das Prickeln in seinem Nacken breitete sich aus, wanderte sein Rückgrat entlang, als er aufblickte und zu Haizaki hinüber sah.

Ausdruckslos starrte dieser zurück.
 

„...ich mag dich, Shougo.“

Geflüsterte Worte, die halb im Halse stecken bleiben und wie Donner in der Luft widerhallen.

„Widerlich.“

Giftige Worte, die wie aus der Pistole gefeuert kommen und die Luft zerreißen.
 

Haizaki wandte sich ab. Nijimura lauscht den Geräuschen, bis er die Haustür laut ins Schloss fallen hört. Danach nimmt er einen tiefen Schluck vom Apfelsaft. Und noch einen und noch einen, bis der Geschmack in seinen Mund salzig wird.
 

Haizaki Shougo war kein schlechter Mensch. Ein schlechter Mensch hätte Nijimuras Geheimnis verraten. Doch es bleibt begraben, genauso wie jener Nachmittag. Schließlich trennen sich ihre Wege und keiner von ihnen schaut zurück. Zumindest nicht, während der jeweils Andere darauf achtet.
 

Es ist purer Zufall, dass sich sich an einem tristen Mittwochnachmittag, genau an der selben Gasse wie vor vielen Jahren, wieder über den Weg laufen. Nijimura muss zwei Mal hinschauen, bevor er Haizaki wiedererkennt, dessen Erscheinungsbild sich fast komplett verändert hat. Haizaki dagegen schien ihn sofort erkannt zu haben, da er beim ersten Anblick augenblicklich stehen geblieben ist.
 

Nijimura ist sich im Nachhinein nicht mehr sicher, wie sie vom verdutzten Anstarren, zum Pizza essen und viel zu viel Alkohol trinken, in Haizakis Wohnung gelandet sind. Aber als dieser ihn ohne Vorwarnung harsch gegen die Wand drückt und ihn hart küsst, ist es Nijimura nicht weiter wichtig. Der Rest des Abends geht unter in einem Wirrwarr aus Berührungen, Küssen, Körperteilen und als Haizaki in ihm eindringt, glaubt Nijimura sich in einem bittersüßen Traum aus seiner Jugendzeit.
 

Am nächsten Morgen wird er mit einem Glas Apfelsaft begrüßt. Dumpf starrt er das Getränk in den Händen des Jüngeren an.

„Du trinkst das Zeug doch noch, oder?“, fragt Haizaki, wobei der Satz so viel mehr trägt, als er eigentlich sollte.

Ein schwaches Lächeln huscht über Nijimuras Lippen.

„Ich dachte du findest das Zeug widerlich?“, erwidert er, wobei er nach dem Glas greift. Doch kurz bevor seine Hände es umschließen können, hält der Andere es aus seiner Reichweite. Verärgert verzieht Nijimura abermals den Mund, wobei er aus Angewohnheit seine Oberlippe vorschiebt. Bevor er seinen Unmut laut werden lassen kann, hebt Haizaki das Glas zu seinem eigenen Mund. Gierig trinkt er es in wenigen Schlücken aus, wobei seine Augen Nijimura fixieren. Dieser spürt das längst vergessene Prickeln im Nacken.

„Nah, ich fand' es schon immer schmackhaft. Aber ich bin halt 'n sturer Kerl.“

Nijimuras Augen weiteten sich, Haizaki leckte sich über die Lippen, bevor er sich mit einem wölfischem Grinsen vorbeugte.
 

Eines der am bestgehüteten Geheimnisse des Universums war jenes, dass Haizaki Shougo kein schlechter Mensch war. Doch Nijimura würde ein Teufel tun und es jemanden verraten.

Denn das Privileg als Einziger über ein Geheimnis Bescheid zu wissen, war süß wie Apfelsaft.



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Kommentare zu dieser Fanfic (8)

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Von:  Ai_Mikaze
2015-08-03T20:40:27+00:00 03.08.2015 22:40
Hab das Kapitel empfohlen bekommen, gelesen und befinde es als gut! >D

Ich bin zwar noch nicht 100% mit den Charas vertraut, aber wie es hier beschrieben ist mag ich es. Auch die "nette" Seite von Haizaki <3

Was ich allerdings etwas verwirrend fand war, dass du relativ oft zwischen Gegenwart und Vergangenheit hin und hergesprungen bist. @_@ aber an und für sich hat es nicht allzu sehr gestört.
Antwort von:  Rix
09.09.2015 02:03
Hehe, freut mich zu hören, dass es dir gefallen hat. Auch wenn du noch nicht so sehr vertraut mit den Charas bist =) Hoffe ich konnte sie dir hiermit dann immerhin etwas näher bringen xD

Und ja, passiert mir sehr oft, dass ich zwischen Vergangenheit und Gegenwart hin und her hüpfe. Bräuchte echt einmal einen ordentlichen Betaleser, der mir da auf die Finger klopft xD
Von:  Haizaki
2015-05-21T22:39:54+00:00 22.05.2015 00:39
Eigentlich wollte ich längst im Bett sein, aber das Kapitel noch zu lesen, hat sich definitiv gelohnt ♥
Schade, dass es so kurz ist, aber wirklich toll geschrieben und nichts an der Story war vorhersehbar, das mag ich~
 
Haizaki ist echt gut getroffen, es passt total zu ihm, Nijimura erst als widerlich zu bezeichnen und nicht auf einmal mit sowas wie "ich mag dich auch" anzukommen. Und danke, es ist mal keine FF, in der er wie ein totales Arschloch dargestellt wird...ahh, und das Ende ♥
Langsam fange ich wirklich an, das Pairing zu mögen >D
Von:  Soichiro
2015-04-01T14:58:34+00:00 01.04.2015 16:58
Wirklich sehr schön geschrieben :)
Ich finde die Idee wirklich originell und vor allem sehr gut umgesetzt!
Von:  Soichiro
2015-04-01T14:40:46+00:00 01.04.2015 16:40
Wirklich eine schöne kleine Geschichte für zwischendurch ^-^
Es macht Spaß es zu lesen. Du hast die beiden richtig gut getroffen!
Das hier ist dir wirklich gelungen!

lg Soichiro
Von:  Hatschepueh
2014-07-24T14:34:16+00:00 24.07.2014 16:34
Die beiden hast du gut eingefangen. Besonders Midorima finde ich ist dir sehr gut gelungen. Schade das das Kapitel so kurz ist.
Von: abgemeldet
2013-10-23T21:46:15+00:00 23.10.2013 23:46
Ich liebe diesen OS XDD Ich kann mich selber kaum halten vor lachen...also lach ich mal mit denen um die Wette *heult vor lachen*
Der erste Absatz ist mein absoluter Liebling xD Ich beömmel mich hier und meine Mum klopft gegen die Wand *hust*
Weiter so XDDDD
Von:  Kalahari
2013-10-04T18:53:21+00:00 04.10.2013 20:53
Zwei wirklich süße kleine fluffige OS!
Find die Charakter gut getroffe und auch sonst eine nette Idee^^
Von:  Rinchi
2013-09-19T22:41:10+00:00 20.09.2013 00:41
Uww.. Senpai's Lachen ist bestimmt wunderschön, wovon sprichst du da? ;O;
Nein, ein sehr niedliches Chapter <3


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