1. Dezember: Die erste Tür
1. Dezember : Die erste Tür
Da stand er also.
Das Gebäude vor ihm war nicht besonders groß, doch er wusste, dass dies nichts über seinen Inhalt verriet. Magische Räumlichkeiten hatten schließlich die Angewohnheit, anders zu sein, als sie schienen. Dass im Inneren durchaus mehr zu erwarten war, deutete zudem bereits die Tür an, die mit verschiedenen, typischen Zauberelementen verziert war.
Vorsichtig glitten seine Finger über den schlangenförmigen Türgriff, bevor er seine Hand darum legte. Aber schon im nächsten Augenblick entspannte er seine Muskeln und ließ sie wieder sinken, ehe er sich umwandte und in den Himmel blickte.
Ron Weasley fuhr sich durch das rote Haar, während er ausgiebig einatmete. Dann glitt ein tiefer Seufzer über seine Lippen.
Es hatte einfach nicht funktioniert. Einige Jahre war es gut gelaufen, aufregend gewesen. Hermine und er waren zusammengezogen, hatten kurz darauf geheiratet, so, wie von ihren Familien und Freunden erwartet. Sie hätten glücklich sein sollen, was sicherlich eine Zeit lang der Fall gewesen war, doch sie mussten früh feststellen, dass es nicht klappte, nicht wirklich. Es fing damit an, dass sie keine Lust mehr füreinander empfanden, jeder sich immer mehr in seine Arbeit stürzte, andere Ausreden erfand, länger nicht nach Hause kommen zu müssen.
Sie hatten es versucht. Versucht, die Fassade aufrecht zu erhalten, alles wieder hinzubiegen, darüber zu reden, nur um letztendlich einzusehen, dass sie beinahe das gesamte letzte Jahr ihrer Ehe nichts anderes als Freunde gewesen waren. Gute Freunde selbstverständlich, Vertraute, und natürlich liebten sie einander, aber dennoch war es nicht genug, was es auch niemals sein würde. Deshalb hatten sie sich schließlich zur Trennung entschieden. Einvernehmlich.
Im Guten.
Und trotzdem fühlte er sich elend.
Und nun stand er hier vor der nächst besten Unterkunft, an der er vorbeigekommen war, nachdem er vor weniger als einer Stunde die Scheidungspapiere unterzeichnet und seine Sachen gepackt hatte – 22 Jahre alt, wieder allein und keinen Deut klüger.
Natürlich hätte er auch zu seiner Familie oder zu Harry und Ginny gehen können, doch das Letzte, was er jetzt wollte, waren kluge Sprüche und mitleidige Blicke.
Er seufzte erneut tief, bevor er sich wieder der Tür zuwandte und abermals seine Finger um die Klinke legte. Das war sie, die erste Tür in sein neues Leben. Es war Zeit herauszufinden, was sich dahinter befand. Doch ehe er sie selbst öffnen konnte, nahm ihm jemand von innen die Arbeit ab, indem er sie so abrupt aufzog, dass Ron ins Wanken geriet und seinem Gegenüber direkt entgegen fiel. Reflexartig suchte er Halt an den Schultern des anderen, der sein plötzliches Gewicht jedoch nicht halten konnte, weshalb sie schließlich gemeinsam die Balance verloren und langsam zu Boden glitten.
Als der ehemalige Griffindor den ersten Schock überwunden hatte, hob er seinen Blick und schaute direkt in tiefgraue Seelenspiegel. Einen Moment lang verlor er jegliches Gefühl für das Denken, bevor er begriff, dass er den Ausdruck in diesen Augen irgendwoher kannte. Sie wirkten…belustigt.
Dann traf ihn die Erkenntnis.
„Malfoy?“, entglitt ihm der Name des Mannes unter ihm atemlos.
Dieser grinste amüsiert. „Ich weiß ja, dass ich hinreißend bin, Weasley, aber das bedeutet nicht, dass du mich einfach anspringen darfst, weißt du?“
Als die Worte in seinem Gedächtnis ankamen, setzte Ron sich fluchtartig auf und brachte Abstand zwischen sie. Dann seufzte er.
Toll. So begann also der Rest seines Lebens.
Ausgerechnet mit Draco Malfoy…
