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Liebe geht durch den Magen

... oder etwa doch nicht?
von

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Irrungen und Wirrungen

Langsam stand Narcisse auf und zog Noelle dabei vorsichtig mit hoch.

Sein Puls raste und er wusste nicht recht, was er denken sollte. Was er von der ganzen Situation halten sollte.

Drei Tage hatte Noelle in seinem Bett geschlafen, nachdem sie wieder das Bewusstsein verloren hatte.

Drei Tage hatte er stumm auf einem Hocker neben ihr gesessen und sich immer wieder gefragt, warum er sie mitgenommen hatte, warum er sie nicht einfach hatte liegen lassen. Warum das Schicksal gewollt hatte, das er sie findet. Ausgerechnet sie. Die Frau, die er neben Pachira am wenigstens mochte. Er verstand es nicht. Es war ihm ein Rätsel.

Er wusste nur, das er in diesen drei Tagen sich kaum vom Fleck bewegt hatte. Höchstens, wenn es wichtig war. Und das er sie die ganze Zeit betrachtet hatte. Und je länger er sie angesehen, hatte, wie sie da bewusstlos gelegen hatte, umso mehr hatte er angefangen, eine Zuneigung für sie zu entwickeln, die er sich nicht erklären konnte.

Keine Frage. Noelle war hübsch. Er fand sie wirklich attraktiv, aber ihren Charakter, zumindest das, was er bisher von ihr kennengelernt hatte, hatte er nie als hübsch empfunden. Eher als überaus abstoßend. Und dennoch...da war nun Etwas.

Sie war erst ein paar Stunden wach, aber diese paar Stunden hatten gereicht, um eine Seite an Noelle zu entdecken, die er noch nicht kannte. Oder die er nie hatte kennenlernen wollen?

Wenn Narcisse ehrlich zu sich wahr, musste er sich eingestehen, das er sie ja nur oberflächlich kannte. Sie hatten einmal gegeneinander gekämpft. Sie hatte verloren, da viele ihrer Pokémon einen klaren Nachteil gegenüber seinen hatten und daraufhin war sie extrem zickig und biestig geworden.

Andererseits, so dachte Narcisse, vielleicht war es auch sein Fehler gewesen. Er erinnerte sich, das er sich während des Kampfes ziemlich über sie amüsiert hatte, wie sie versucht hatte, mit ihrem Fennexis sein Thanathora zu besiegen. Und auch ihr Florges, welches einen blauen Blütenkranz um den Kopf besaß, hatte keine Chance gegen sein Garados. Sie war mit Pauken und Trompeten untergegangen und er hatte darüber gelacht.

Seitdem waren sie sich immer wieder über den Weg gelaufen und Noelle hatte sich nie eine Gelegenheit entgehen lassen, ihn als Strafe für diese Niederlage auf irgendeine Weise bloßzustellen.

Narcisse schüttelte kurz den Kopf und sah Noelle an, die sich das Handtuch eng um ihren Körper geschlungen hatte und noch immer leicht verstört wirkte.

„Alles in Ordnung?“, fragte er vorsichtig und Noelle nickte langsam. „Geht schon wieder.“, nuschelte sie.

„Gut..“, antwortete Narcisse und ging vorsichtig mit Noelle zurück auf sein Zimmer. „Ähm... ich hol eben die Klamotten für dich...“, sagte er, als Noelle sich wieder auf die Couch gesetzt hatte und lief zurück ins Bad, wohin Noelle die geliehenen Klamotten mitgenommen hatte und brachte sie Noelle. „Ich geh dann eben kurz raus.“, nuschelte er verlegen und verließ das Zimmer.
 

Draußen im Flur, lehnte er sich an die Wand und atmete ein paar Mal tief ein und aus.

Kurz griff sich der blonde Koch an die Brust und starrte auf die Wand gegenüber. Sein Herz schlug schnell und er schüttelte den Kopf und haute sich leicht gegen die Schläfe.

Du kennst sie ja nicht mal richtig! Und du magst sie nicht!, rief die Stimme in seinem Kopf. Aber sie braucht dich gerade.. du weißt ja immerhin nicht wo sie wohnt und auch nicht ob sie irgendwo Familie hat und sie selbst erinnert sich ja an nichts, sagte eine andere.

Er konnte es drehen und wenden, wie er wollte. Es brachte nichts. Er musste Noelle noch bei sich behalten und einfach versuchen, diese Gefühle zu ignorieren, die in ihm hoch kamen. Letztendlich war es doch gewiss eh nur Mitleid, mit dieser hilflosen Frau, die nichts mehr wusste. Zumindest konnte sich Narcisse nicht daran erinnern jemals wirklich verliebt gewesen zu sein. Gefühlsduseleien hatten bisher nicht wirklich Platz in seinem Leben gehabt. Es war nicht so, dass er keine Gefühle hatte. Die hatte er schon. Natürlich hatte er Gefühle, kannte Freude, Glück, Leid, Schmerz, Trauer; gerade letztere drei waren Gefühle, die er nur zu gut kannte, und auch Freundschaft war ihm kein Fremdwort, auch wenn er eher als Einzelgänger galt. Aber Liebe... Liebe war etwas, mit dem er nicht wirklich etwas anfangen konnte. Natürlich liebte er: Er liebte das Kochen über alles, er liebte allgemein gutes Essen mit einem guten Wein dazu, er liebte seine Pokémon, seinen Job und auch seine Kollegen, Pachira mal außen vorgelassen, hatte er auf eine gewisse Art lieb. Und auch seine zwei ältesten Freunde aus seiner Schulzeit, Lino und Valerie, hatte er lieb. Aber die Liebe zu einer Frau... das war etwas, was er nicht wirklich kannte. Es war ja nicht so, als wäre er noch nie verliebt gewesen oder als hätte er noch nie eine Beziehung gehabt, aber.. das war nie etwas ernstes gewesen. Nur Schwärmereien die schnell verflogen und Beziehungen, die nie lange hielten, weil seine Leidenschaft und Liebe zum Kochen einfach viel stärker war, als die Liebe zu seinen jeweiligen Freundinnen. Seine letzte Beziehung, war schon über ein Jahr her und hatte zwei Monate gehalten. Für ihn eine ungewöhnlich lange Zeit. Er wunderte sich selbst immer wieder, dass diese Frau es so lange mit ihm ausgehalten hatte.

Narcisse hatte einfach nicht viel für Beziehungen übrig. Sie kosteten zu viel Zeit, waren nervig, weil die Damen der Schöpfung immer so viel Aufmerksamkeit brauchten und man ihnen ständig sagen musste, wie sehr man sie liebte und wie sehr man sie anbetete. Ständig sollte man Zeit für sie haben. Wie in Arceus Namen sollte man da Zeit finden, sich auf seinen Traum, der beste Koch von allen werden zu wollen, konzentrieren? Wie?

Nein. So etwas brauchte Narcisse nicht. Nicht jetzt. Er kam auch gut ohne nerviges Anhängsel klar und wenn er mal Lust auf Sex hatte; er war schließlich auch nur ein Mann; dann gab es ja immer noch genug Frauen, die sich mal auf ein One-Night-Stand einließen.

Es mangelte ihm also im Grunde an Nichts. Er hatte Freunde, er lebte seinen Traum und er fühlte sich gewiss nicht einsam. Garantiert nicht!

Wovor hatte er also Angst? Er würde sich nicht in Noelle verlieben. Nein. Er mochte sie nicht. Er würde ihr nur helfen, ihre Erinnerungen wieder zu finden und sie dann wieder ziehen lassen und sein Leben weiter leben, so wie sie ihres weiterleben würde. Das war der Plan. Und genau so würde er ihn auch befolgen. Dieser plötzliche Anflug von Sympathie und die aufkommenden Gefühle würde er ignorieren, denn es war gewiss nur Einbildung. Mehr nicht. Sie war eine Fremde für ihn und er für sie.
 

Kurz seufzte Narcisse und strich sich fahrig durch sein hellblondes Haupt; dann ging er wieder in sein Zimmer zurück und schloss die Tür.

Noelle saß frisch umgezogen auf der Couch und zappte im Fernsehen umher, die Beine dicht an ihren Körper gezogen. Dracenas Klamotten waren ihr etwas zu weit, aber passten ihr immerhin von der Länge her.

Sie sah auf, als er reinkam und ein Lächeln umspielte zaghaft ihre Lippen.

Narcisse versuchte nicht direkt hinzusehen und setzte sich neben sie. „Läuft etwas Interessantes?“, fragte er und Noelle schüttelte kurz den Kopf. „Bei den Programmen, wo ich bisher war, noch nicht.“ Sie zappte weiter und Narcisse beobachtete das kurz, bis Noelle beim Nachrichtensender hängen blieb.

Cromlexia war gerade zu sehen. Der Krater, wo er Noelle gefunden hatte und wo nun eine Nachrichtensprecherin mit ihrem Mikrofon davor stand.
 

„Noch immer ist nicht ganz klar, was sich vor einigen Tagen hier ereignete. Laut Augenzeugen soll sich an dieser Stelle, vor der ich gerade stehe, der Boden aufgetan haben und eine riesige Maschine in Form einer kristallenen Lilie daraus erschienen sein, die einen gewaltigen Energiestrahl in den Himmel feuerte und kurz darauf explodierte. Trotz des massiven Schadens sind die meisten Einwohner Cromlexias unverletzt und mit einem Schock davongekommen. Die Einsatzkräfte suchen auch fünf Tage nach diesem verstörenden Ereignis immer noch in dem Krater nach eventuell Verschütteten. Bisher jedoch ohne Erfolg. Ob in den Trümmern Menschen begraben wurden, ist also noch unsicher. Wir halten Sie aber dennoch auf dem Laufenden.“
 

Noelle saß starr vor dem Fernseher. Narcisse betrachtete sie. Ihre Augen waren weit aufgerissen und ihr Mund stand leicht offen, ihre Lippen zitterten. Auch ihre Hände zitterten und gruben sich in ihren Schoß. Ob sie sich an etwas erinnern konnte?

Vorsichtig nahm Narcisse die Fernbedienung von Noelles Oberschenkel weg und schaltete den Fernseher aus. „Du warst bei der Explosion dabei oder? Ich habe dich ja immerhin dort gefunden...“, sagte er langsam.

Noelle sah ihn nicht an. „I-Ich weiß nicht... Ich weiß nicht was.. Ich kann mich.. kann mich nicht erinnern!“, sagte sie und Narcisse sah, dass Tränen aus ihren entsetzen Augen ihre Wangen hinab liefen. „Weiß nicht... es.. es tut weh.... das zu sehen? Aber warum? Warum tut es weh? Warum?!“

Narcisse wusste nicht recht, was er antworten sollte. Wie auch? Er hatte selbst keine Ahnung was passiert war. Zaghaft nahm er Noelle in den Arm und strich ihr über den Rücken. Wie eben schon, machte sich dieses befremdliche Gefühl in ihm breit, aber er wollte sie nicht loslassen... Sie wirkte so verstört, so verletzt, so unendlich traurig... als hätte sie Jemanden bei dieser Explosion verloren. Aber bisher hatten die Einsatzkräfte weder Verletzte noch Tote in den Trümmern gefunden.

„Vielleicht... ist da noch Jemand... begraben.. sie.. sie müssen weiter suchen...“, hörte er Noelle murmeln und streichelte kurz über ihren Rücken.

„Wenn da Jemand ist und sie ihn finden... dann werden sie es sicher in den Nachrichten sagen.“, flüsterte er ihr beruhigend zu und sagte dann eine Weile nichts mehr. Noelle sollte ruhig erst mal weinen und das verarbeiten, was sie eben gesehen und gehört hatte. Vielleicht kamen auch bald ihre Erinnerungen zurück.

Er konnte spüren, wie sie ihren Kopf auf seinen Schoß legte und errötete leicht. Wenn er ehrlich zu sich selbst war, konnte er sie gar nicht hassen. Nicht so, wie er sie jetzt kennengelernt hatte.

Vorsichtig schnappte er sich die kleine Decke, die am Ende der Couch lag und legte sie über Noelle. Dann legte er einen Arm auf die Couchlehne, während er ihr mit der anderen Hand weiter über den Kopf streichelte, bis Noelle wieder scheinbar eingeschlafen war.

Scheinbar, so überlegte er, musste er genauere Nachforschungen anstellen. Ob Pachira etwas wusste? Aber sie war immer noch verschwunden.

Er sah wieder zu Noelle, die leise atmete und blinzelte kurz, als er etwas um ihren Hals glitzern sah. Es war eine Kette mit einem Anhänger, der aussah wie eine Fleur-de-lis, die symbolische Schwertlilie, ein Wappen vieler Königshäuser. Vorsichtig nahm er den Anhänger in die Hand und drehte ihn zwischen den Fingern. Ein Anhänger aus massivem Gold, der gewiss Teuer gewesen war. Auf der Rückseite befand sich eine Gravur. „Auf dass deine Schönheit ewig währt, kleine Prinzessin.“, stand darauf.

Narcisse runzelte kurz die Stirn. Von wem Noelle diese Kette wohl hatte? Hatte sie einen Freund? Möglich konnte es ja sein, aber „kleine Prinzessin“, klang ihm für einen Kosenamen von einem Liebhaber oder einem festen Freund irgendwie zu albern. Vielleicht war es ein Geschenk von Noelles Mutter an sie oder ihrem Vater oder irgend einem anderen Verwandten, Großmutter, Großvater oder wer auch immer. Zumindest schien Noelle mit der Person, die ihr die Kette geschenkt hatte, ein enges Verhältnis gehabt zu haben. So viel war sicher.

Narcisse ließ die Kette wieder los und schloss die Augen.

Irgendwie wurde alles immer verwirrender.
 

„Jetzt ist sie schon ganze fünf Tage verschwunden. Sollten wir sie nicht mal als Vermisst melden, Professor?“

Die Frau in dem weißen Kittel sah zu dem Mann der vor seinem Schreibtisch hockte, den Kopf auf eben diesem liegend und die Arme über dem Kopf zusammengeschlagen.

„Ich weiß, verdammt...“, zischte der Mann leise und sah auf. Kurz strich er sich einige Strähnen seines leicht wirr aussehenden schwarzen Haares aus dem Gesicht und stütze dieses wieder in seine Hände. „Aber wir haben nicht mal Anhaltspunkte, wo sie sein könnte... Als ob diese Sache mit Flordelis nicht schlimm genug wäre.. Zumal es meine Schuld ist.. Ich hätte ihm helfen können, wenn er nur mal den Mund aufgemacht hätte.. oder wenn ich mal mehr mit ihm geredet hätte.. Immerhin waren wir Freunde!“

„Professor Platan...“, setzte die Frau wieder an, aber verstummte sofort wieder.

„Jetzt ist sie auch noch verschwunden... Vielleicht sollte ich nach ihr suchen gehen...“

Professor Platan stand von seinem Tisch auf und blickte zu seiner Mitarbeiterin. „Geh jetzt bitte. Ich muss nachdenken.“

Die Frau nickte und verließ mit einer kurzen, höflichen Verbeugung das Arbeitszimmer des noch relativ jungen Professors.

Platan nahm seine Tasse Kaffee vom Schreibtisch und trank einen Schluck. Das braune Getränk war längst kalt geworden, aber das interessierte ihn nicht. Er sah aus dem großen Fenster in die Nacht hinein und seufzte.

„Wo bist du nur, Noelle?“



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Dragonie
2014-04-04T14:23:52+00:00 04.04.2014 16:23
Hui, es wird richtig spannend~ <3
Ich finde Deine Art zu schreiben wirklich sehr angenehm - man kann die Figuren richtig lebhaft vor dem geistigen Auge sehen und die Verwicklungen... der Leser soll wohl mit Noelle, die sich allmählich erinnert, gemeinsam hinter die Geheimnisse kommen, hm? ^-^

Ich hoffe, weitere Kapitel werden folgen und verraten, was passiert ist... wer Noelle denn nun wirklich ist und was Platan und die Explosion und auch die schattenhafte Gestalt damit zutun haben~


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