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Maybe

Geschichte einer Ersten Liebe
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Trommelwirbel bitte... *drrrrrr* Nun kommt es endlich zur ersten Begegnung zwischen Yun und Robin. "Maybe" macht damit einen großen Schritt nach vorn. Ich war beim schreiben selbst schon ganz ungeduldig, weil ich mich auf diverse Szenen gefreut hatte.
Ich bin gespannt, was Robin für einen Eindruck auf euch macht. Lasst es mich wissen ^^ Komplett anzeigen

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Begegnung

Kapitel 4 Begegnung
 

Zu meiner Überraschung war Satoshi nicht allein aus Amerika zurückgekehrt, sondern hatte einen Kommilitonen im Gepäck, der sich während der Familienvereinigung dezent im Hintergrund gehalten hatte.

Satoshi stellte ihn uns als Robin Clark vor.

Erstaunlicherweise schienen meine Eltern über Robin bescheid zu wissen, was mich verwunderte, denn ich hatte noch nie etwas von ihm gehört.

Sie grüßten Robin herzlich, hießen ihn willkommen und begegneten ihm mit äußerster Höflichkeit und er tat es ihnen gleich. Zu meiner Verwunderung in fast akzentfreiem Deutsch.

„Hey“, wurde nun auch ich flüchtig von Robin begrüßt. Er reichte mir nicht die Hand, was mich etwas irritierte, aber nicht sonderlich störte.

„Hallo“, erwiderte ich und suchte verzweifelt in meinem Kopf nach einem Hinweis auf ihn. Hätte ich schon von ihm gehört, oder ihn schon mal gesehen, würde ich mich sicher daran erinnern, denn jemanden wie Robin konnte man schwer vergessen, wenn man in einer Stadt wie Stralsund lebte.

Er war groß und athletisch, hatte sonnengegerbte Haut und der Schwall braunen Haares, der sein, zugegeben hübsches, Gesicht umspielte, schien verwegen und etwas zu lang geraten. Nein. So jemanden vergaß man nicht.

Satoshi trat an mich heran und stupste mir in die Seite. „Warum so einsilbig?“, fragte er mich leise. „Ich hab dir doch in den E-Mails geschrieben, dass Robin ein Semester lang hier bleibt und wir versuchen wollen, es ihm so angenehm wie möglich zu machen. Er kennt hier doch niemanden. Also sei etwas freundlicher, okay?“

E-Mails?! Ich hatte aus Trotz nicht eine von ihnen gelesen, seit Satoshi nach Amerika gegangen war. Jetzt bereute ich es.

Automatisch hatte ich auf Satoshis Ermahnung genickt. Freundlich, na klar. Das hab ich drauf, dachte ich.

Ich nahm mir vor, zu Hause sofort sämtlich Mails zu checken, die Satoshi mir in den letzten sechs Monaten geschickt hatte. Doch das musste noch etwas warten.

Wir machten uns langsam auf den Heimweg. Mein Vater und meine Mutter gingen mit Satoshis Gepäck voran und banden diesen in ein Gespräch, das den Anschein machte, als würde es keine weiteren Personen dulden.

Robin und ich blieben zurück, denn er hatte noch etwas gebraucht, um sein Gepäck zu schultern.

Ich beobachte ihn dabei und rief mir in den Sinn, worum Satoshi mich gebeten hatte. Freundlichkeit.

„Soll ich dir helfen?“, fragte ich ohne Umschweife und schenkte ihm ein hilfsbereites Lächeln.

Er blickte mich an, musterte mich und fing an zu grinsen als wolle er sagen >Sieh dich an. Die Taschen sind schwerer als du<.

Und dann sagte er das, was mein Leben auf den Kopf stellte. Was mich differenzieren ließ, zwischen Ja und Nein, zwischen wollen und nicht wollen, zwischen Zurückweisung und Zuneigung.

„Maybe Vielleicht.“

„Maybe?“, fragte ich verdutzt. „Maybe what?“ In meiner Irritation sprach ich sogar Englisch mit ihm.

Ja oder Nein. Entweder wollte man, das einem geholfen wird oder nicht. Vielleicht war da doch keine Option. Es gibt Fragen, auf die kann man nicht mit vielleicht antworten.

„So… can I help you? Or not? Kann ich dir helfen, oder nicht“, fragte ich abermals, woraufhin er mir nur zuzwinkerte und antwortete: „Maybe yes, maybe no. Who knows. Vielleicht ja, vielleicht nein. Wer weiß.”

Mehr sagte er nicht, rückte sein Gepäck nochmals zurecht und trottete meinen Eltern und Satoshi hinterher um sie kurz darauf einzuholen.

Das war sie also, meiner erste Begegnung mit Robin Clark. Ein mir völlig fremder Mensch, der nichts von sich preisgab, mich aber schon in den ersten Sekunden in seinen Bann gezogen hatte.
 

Nur wenige Augenblicke später erreichte ich den Parkplatz, wo mein Vater schon Satoshis und Robins Gepäck im Kofferraum unseres Audis verstaute.

„Alles einsteigen“, flötete meine Mutter und begab sich auf den Beifahrersitz. „Zu Hause gibt’s Kaffee und Kuchen.“

„Schon gut Mama“, entgegnete Satoshi und öffnete eine der hinteren Türen. Er sah zu mir und bedeutete, dass ich einsteigen sollte. „Der Kleine in die Mitte“, frotzelte er und grinste Robin zu, der mir auch mit einem Kopfnicken signalisierte, dass ich einsteigen sollte. Da gab es nur ein Problem und meine Mutter brachte es auf ihre Weise auf den Punkt.

„Yun ist doch mit dem Rad da. Außerdem ist mit euch zwei großen Kerls hinten sowieso schon so wenig Platz“, sagte sie und warf mir einen vielsagenden Blick zu. Wir fuhren einen A8 und ich hätte mein Rad auch später holen können, aber ich verstand schon. Bloß Abstand halten, damit ich ihr und ihrem Satoshi nicht in die Quere kam.

„Sie hat Recht“, gab ich zurück und versuchte so neutral wie möglich zu klingen. „Ich komm dann nach.“

„Ganz genau“, flötete meine Mutter zufrieden, setzte dem ganzen aber noch die Krone auf. „Oder du fährst noch mal bei der Di… ich meine bei Raik vorbei. Es war ja Schulbeginn und ihr wollt euch bestimmt noch etwas austauschen.“

Das hatte gesessen. So viel Zurückweisung hatte ich von meiner Mutter lange nicht erfahren. Jedenfalls nicht so lange, wie Satoshi in Amerika gewesen war.

„Na klar“, knurrte ich und gab mir keine Mühe mehr, meinen Zorn zu unterdrücken.

Ich konnte Satoshi ansehen, das er am liebsten etwas gesagt hätte, vor Robin aber keinen Zwist verursachen wollte, genau wie ich. Und, wenn ich es mir nicht nur einbildete, meine ich von Robin einen angewiderten Blick in Richtung meiner Mutter erhascht zu haben.

Was sollte er nur von uns denken?

Ohne ein weiteres Wort kramte ich mein Schlüsselbund aus der Hosentasche und ging in Richtung Fahrradständer, der in unmittelbarer Nähe stand, um das Schloss zu entriegeln, als ich Robins Stimme hörte, die mich Innehalten ließ. „Ich geh´ zu Fuß.“

Wie bitte?

Im nächsten Augenblick hörte ich eine Autotür, die zuschlug.

Ich blickte mich um, sah das bittende Gesicht meiner Mutter, das sagen sollte, Robin möge doch bitte einsteigen, meinen Vater der sich zwischen Unverständnis und Wut nicht entscheiden zu können schien und Satoshi der schmunzelnd den Kopf schüttelte, ein >bis gleich< von sich gab und dann ins Auto stieg.

Robin nahm ich erst einen Bruchteil von Sekunden später wahr. Er winkte, um meiner Familie die Abfahrt zu bereiten und kam dann, die Hände in den Hosentaschen vergraben, zu mir hinüber.

Ich wusste nicht, was ich denken sollte. Wie ein kleiner Junge stand ich da, den Schlüssel noch immer unverrichteter Dinge im Fahrradschloss, ahnungslos ob ich dankbar oder eingeschüchtert sein sollte. Irgendwie war ich beides.

„Ist ziemlich weit“, war das erste, was mir einfiel und richtete mich auf. „Du hättest mitfahren sollen.“

„Hab im Zug genug gesessen“, gab er zurück.

Ob das wirklich sein Beweggrund war, oder er einfach nur Mitleid mit mir hatte konnte ich nicht sagen. Aber irgendwie war es mir auch egal. Robin war bei mir geblieben, warum auch immer, und dafür empfand ich tiefe Dankbarkeit.
 

Wir machten uns also auf den Heimweg. Es war ein merkwürdiges Gefühl. Wir kannten uns nicht, hatten uns nichts zu sagen und trotzdem fühlte es sich vertraut an.

Robin war kein großer Redner, genauso wenig wie ich, aber das war auch nicht nötig.

Ab und zu erklärte ich ihm einige Gebäude. Erzählte, als wir den Neuen Markt überquerten, dass das Kino gleich in der Nebenstraße war und es direkt daneben eine mexikanisch angehauchte Bar gab, die in der ganzen Stadt sehr beliebt war.

Robin hörte mir schweigend zu. Hin und wieder gab er einen nichtssagenden Kommentar von sich, aber darauf beschränkte sich dann auch schon unsere Konversation.

Kurz bevor wir unseren Zielort erreichen, blieb Robin plötzlich stehen. Er blickte hinauf zum Himmel, wo Möwen ihre Kreise zogen und mir schien, als würde er ihren Schreien lauschen.

„Ich will das Meer sehen“, sagte er unvermittelt, ohne seinen Bick von den Möwen abzuwenden.

„Was?“, fragte ich halb lachend. „Ist das dein Ernst?“

Nun sah er mich direkt an und ich nahm zum ersten Mal wahr, dass seine Augen die Farbe von sehr altem Cognac hatten. Dunkles Gold mit Reflektionen von Bernstein.

Offenbar war es Robin tatsächlich ernst.

„Du… Wir werden doch erwartet“, setzte ich an, doch Robin unterbrach mich.

„Wo geht’s lang?“, fragte er ohne Umschweife und noch immer ruhte sein Blick auf mir.

„Wir müssten den ganzen Weg zurück“, antwortete ich. Sein Blick machte mich nervös. Wollte er wirklich zum Hafen, oder testete er nur aus, wie lange ich mit ihm durch die Stadt dackelte? „Außerdem ist das dann nicht das Meer, sondern nur der Bodden. Um wirklich das Meer zu sehen, müssten wir nach Rügen rauf, an die Küste, und bei aller Liebe, heute nicht mehr.“

Ich hatte das wohl etwas zu impulsiv gesagt, denn Robin wirkte verschreckt.

„Schon gut“, sagte er und ging weiter. „Irgendwann. Maybe.“ Diesmal allerdings klang sein >maybe< nicht so souverän.

„Nein!“, ich hatte das Wort schneller ausgesprochen, als gedacht. Etwas in mir wollte nicht, dass unser gemeinsamer Heimweg jetzt schon endete.

Robin wandte sich augenblicklich zu mir um. Ich wich seinem Blick aus, denn es war mir etwas peinlich ihn so energisch aufgehalten zu haben.

„Ich zeig dir den Bodden“, sagte ich schnell. „Wir rufen Satoshi an und sagen, dass wir etwas später kommen.“

Robin grinste, als er die paar Schritte zu mir zurückkam. „Nicht nötig“, sagte er fast beiläufig. „Hab ihm schon ne SMS geschrieben.“

Wann hatte er das denn gemacht?

„Du wusstest, dass ich nachgeben würde?“

„Maybe.“

Das war das dritte Maybe gewesen, das er mir geschenkt hatte. Ein gutes Maybe. Ein Maybe, das man nicht falsch deuten konnte.

Erst als es schon dämmerte kehrten wir vom Bodden zurück. Meine Eltern waren mehr als ungehalten. Sie gaben mir die Schuld daran, unseren Gast quer durch die ganze Stadt geschleppt zu haben und waren der festen Überzeugung, dass ich mich bei Robin entschuldigen sollte.

Was mich betraf, so nahm ich die Vorwürfe hin. Sollten sie doch schimpfen, mir war es egal. Denn dieser Tag war der erfüllteste, den ich seit langem erlebt hatte.

Ich ging in mein Zimmer und ließ die vergangenen Stunden Revue passieren.

Nachdem Robin und ich am Bodden angekommen waren, war die Stimmung zwischen uns wesentlich gelöster gewesen. Wir hatten uns an den Rand des Hafenmauer gesetzt, über Gott und die Welt geredet und ich hatte lachen müssen, als er es tatsächlich gewagt hatte, seine Füße in das noch sehr kalte Wasser zu halten, um sein Tun schon eine Sekunde später zu bereuen.

Ich hatte erfahren, dass Robin in Arizona geboren worden war, seine Mutter eine Deutsche war und er deshalb so gut unsere Sprache beherrschte.

Außerdem hatte Robin erzählt, dass Satoshi und er sich in der Uni kennengelernt und sie irgendwann beschlossen hatten, dass auch Robin an einem Auslandssemester teilnehmen könnte. Robin hatte sich mit nunmehr dreiundzwanzig Jahren definitiv bereit dazu gefühlt und so war er bei uns gelandet.

Robin war erstaunt gewesen, dass ich all diese Dinge nicht schon längst wusste, denn Satoshi hätte mir schließlich fast täglich geschrieben.

Ich hatte keine plausible Erklärung parat und so erriet Robin schließlich, das ich nicht eine von den E-Mails gelesen hatte.

Er hatte mich ertappt und schien es auch noch zu wissen.

Robin erklärte mir, dass Satoshi immer viel von seiner Familie, aber vor allem von mir erzählte und wusste somit um das schwierige Verhältnis zwischen uns, was gar nicht hätte so schwierig sein müssen.

Vielleicht hatte Satoshi Recht damit, aber die Beklemmungen die er in mir verursachte, ließen sich nicht so einfach lösen.

Es lag nahe, dass Robin inzwischen mehr über mich wusste, als ich über ihn.

Die Zeit war wie im Flug vergangen und ich hatte Robin zum Abschluss gefragt, ob ihm der Bodden denn nun reichte, oder er sehr enttäuscht war, dass Rügen noch zwischen ihm und dem großen, weiten Meer lag. Wenn man die Ostsee den als solches bezeichnen konnte.

Robin hatte mir keine Antwort gegeben und in mir war das Gefühl aufgekommen, dass er tatsächlich enttäuscht war.

Ich hatte auf dem Rand der Hafenmauer gesessen, zu ihm aufgesehen und konnte seine Gedanken nicht erraten, so gern ich es gewollt hätte.

Wie er so dagestanden hatte, die Hände in den Taschen vergraben und zum neuen Rügenzubringer hinüber sah, der sich als riesige stählerne Hängebrücke zu unserer Rechten auftat, kam mir das Gefühl ihn schon ewig und doch gar nicht zu kennen. Wer war er? Warum waren wir beide zusammen hier? Hatte es eine tiefere Bedeutung, dass sich unsere Wege gerade jetzt kreuzten? Jetzt, wo mein Leben doch so aus den Fugen geriet und ich dringend jemanden brauchte, der es wieder stabilisierte.

„Robin?“, hatte ich gefragt und es war mir wie das natürlichste von der Welt vorgekommen. „Fährst du mal mit mir nach Rügen an die Küste?“

Robins cognacfarbenen Augen war mir zugewandt mit einem Lächeln, das seine Lippen umspielte.

Seine Antwort war: „Maybe.“



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  tenshi_90
2014-05-19T09:28:53+00:00 19.05.2014 11:28
Auch diese Story finde ich sehr interessant :)


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