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Mesh Of Lies

DoflamingoxCrocodile (AU)
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Hallo Leute :)
Wie immer stelle ich das neueste Kapitel in zensierter Form auch meinen minderjährigen Lesern zur Verfügung. Die herausgeschnittenen Stellen erkennt ihr am [zensiert]-Einschub.

bye
sb Komplett anzeigen

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Kapitel 8 (zensiert)

Crocodile wachte früh am Morgen auf. Ihn hatte die Übelkeit geweckt, die versuchte sich ihren Weg seine Speiseröhre hinauf zu bahnen. Rasch wollte er hinüber ins angrenzende Badezimmer stürmen, doch er schaffte es nicht rechtzeitig: Ein übelriechender Schwall Erbrochenes landete auf dem Teppichboden neben dem Bett. Crocodile fühlte sich furchtbar. Er wollte sich nicht übergeben, hatte sich sogar die rechte Hand auf den Mund gepresst, doch er konnte einfach nichts dagegen tun. Kaum hatte er zweimal tief ein- und ausgeatmet, übermannte ihn abermals der Brechreiz. Völlig hilflos musste er mitansehen, wie er sich erneut in mehreren Schüben erbrach.

Als er hörte, wie neben ihm im Bett die Decke raschelte, erhob Crocodile sich hastig. Auf leisen Sohlen huschte er hinüber ins Bad und verschloss die Türe hinter sich. Er war eine sehr stolze Person und wollte nicht, dass Doflamingo ihn in diesem Zustand sah. Außerdem schämte er sich, weil er sicher war, dass sein Atem bitter nach Erbrochenem stank.

Kraftlos schleppte Crocodile sich zur Toilette hinüber. Er übergab sich mehrere Male, ehe er sich endlich ein wenig besser fühlte. Anschließend gönnte er sich selbst fünf tiefe Atemzüge, um wieder zu sich zu finden. Der schicken Designeruhr an der Wand entnahm er, dass es gerade einmal fünf Uhr fünfundzwanzig war. Nicht gerade die schönste Art, um in einen neuen Tag zu starten.

Es klopfte laut an der Türe. "Crocodile?" Die Stimme seines Partners klang besorgt. "Geht es dir gut? Bitte mach auf!"

Verdrossen zog Crocodile die Augenbrauen zusammen. Es war nicht seine Absicht gewesen, Doflamingo zu wecken. Dieser hatte gestern Abend einen wichtigen Geschäftstermin gehabt und war erst sehr spät ins Bett gekommen.

"Ich bin okay", sagte er so laut, dass man ihn mit Sicherheit auch durch die geschlossene Türe hindurch verstehen konnte. Glücklicherweise klang seine Stimme recht überzeugend. So sehr Crocodile es auch verabscheute, sich zu erbrechen, so war er den Hergang doch gewöhnt: Sein empfindlicher Magen reagierte auf viele Speisen, indem er sie wieder von sich stieß. Nicht selten litt Crocodile entweder unter heftiger Übelkeit oder Durchfall, wenn er irgendein neues Gericht ausprobierte.

"Sicher? Musst du dich nicht mehr übergeben? Und jetzt öffne bitte endlich die verdammte Tür!"

"Du kannst dich ruhig wieder ins Bett legen", erwiderte Crocodile und fuhr sich mit der rechten Hand durch sein ungekämmtes Haar. "Ich putze mir nur eben die Zähne und komme danach zu dir."

"Warum machst du nicht einfach die Tür auf?" Inzwischen klang Doflamingos Stimme nicht bloß besorgt, sondern auch ungeduldig. "Ich will mich davon überzeugen, dass es dir gut geht."

"Du bist heute erst so spät nach Hause gekommen", wandte Crocodile ein. "Bestimmt bist du müde. Ich möchte dich nicht vom Schlafen abhalten. Leg dich einfach wieder hin. Es ist alles in Ordnung. Versprochen."

"Du hast doch wohl nicht mehr alle Tassen im Schrank!", war jedoch zu seiner Verwunderung die empört klingende Erwiderung, die er seitens Doflamingo erhielt. "Ich geh doch nicht schlafen, wenn mein Verlobter sich im Bad einsperrt und sich die Seele aus dem Leib kotzt! Für wie rücksichtslos hältst du mich denn eigentlich? Und jetzt öffne endlich die Türe oder ich breche sie auf!"

"Ist ja schon gut", meinte Crocodile, der, um ehrlich zu sein, ein wenig erschrocken war angesichts dieser unerwartet heftigen Reaktion. Er nahm sich einen kurzen Moment Zeit, um sein unordentliches Haar glattzustreichen und um seinen nach Erbrochenem schmeckenden Rachen rasch mit einem Schluck Mundwasser auszuspülen. Anschließend drehte er den Schlüssel im Schloss herum, sodass Doflamingo die Badezimmertüre öffnen konnte.

Wie immer, wenn dieser seine Brille nicht trug, fühlte Crocodile sich, als würde er geröntgt werden. Doflamingos grüne Augen drückten Besorgnis und Beunruhigung aus. Crocodile, der es überhaupt nicht leiden konnte, wenn man sich um ihn sorgte, begann sofort sich unwohl zu fühlen.

"Mir geht es gut", meinte er rasch und wich dem penetranten Blick seines Partner aus. "Ich habe mich eben übergeben, aber jetzt ist alles wieder in Ordnung. Tut mir leid, dass ich dich aufgeweckt habe."

"Du musst dich nicht entschuldigen", erwiderte Doflamingo und zog ihn in eine Umarmung, die Crocodile zu seiner eigenen Überraschung zuließ. Er legte sogar den Kopf an die Schulter seines Verlobten und schloss für einen Moment die Augen. Es war ein unwahrscheinlich angenehmes Gefühl.

"Aber wieso ist dir denn schlecht geworden?", fuhr Doflamingo fort. "Bist du krank?" Ungefragt legte er seine Hand auf Crocodiles Stirn. "Oder hast du gestern Abend vielleicht ein Glas Wein zu viel getrunken?"

"Es hat wahrscheinlich bloß an meinem Magen gelegen", erwiderte Crocodile und brachte ein wenig Distanz zwischen sich und seinen Partner. Dass dieser ihn so einfach betastete, gefiel ihm überhaupt nicht. "Ich habe gestern Abend vermutlich irgendetwas gegessen, was mir nicht gut bekommen ist. So etwas passiert häufiger."

"Bist du dir da sicher?", hakte Doflamingo nach. "Deine Temperatur ist leicht erhöht. Vielleicht sollte ich lieber einen Arzt rufen?"

"Unsinn!", warf Crocodile energisch ein. Er hielt den Vorschlag seines Partners für völlig überzogen. Immerhin hatte er sich bloß übergeben; er war nicht sterbenskrank. "Alles was ich jetzt brauche, ist ein wenig Ruhe. Wir sollten uns wieder ins Bett legen und versuchen zu schlafen. Morgen wird es mir ganz bestimmt wieder besser gehen."

"Okay, gut", sagte Doflamingo, obwohl Crocodile sicher war, dass er seinen Verlobten noch nicht vollständig überzeugt hatte. "Ich lasse nur schnell einen Angestellten das Erbrochene im Schlafzimmer wegmachen. Dann können wir weiterschlafen."

Crocodile nickte. "Es tut mir wirklich leid", meinte er noch einmal mit ehrlich schuldbewusster Stimme. "Es ist nicht meine Absicht gewesen, den Teppich zu versauen. Ich wollte sofort hinüber ins Badezimmer gehen, aber habe es nicht mehr geschafft."

"Ach, vergiss doch den blöden Teppich", erwiderte Doflamingo und winkte ab. "Ich hoffe bloß, dass du Recht hast und es dir morgen wirklich besser geht; nicht dass du dir womöglich irgendeine Art von Magen-Darm-Grippe eingefangen hast."

"Wir können getrennt schlafen, wenn du möchtest", bot Crocodile hilfsbereit an. "Dann riskierst du keine Ansteckung. Allerdings glaube ich nicht, dass es eine Grippe oder Ähnliches ist; nur mein blöder Magen, der mal wieder Ärger macht. Zwischenfälle wie diesen hier habe ich schon ziemlich häufig erlebt."

Doflamingo schüttelte den Kopf. "Natürlich schlafen wir nicht getrennt", meinte er sofort. "Wo denkst du nur hin? Putz dir deine Zähne und dann legen wir uns wieder ins Bett. Du solltest dich ausruhen. Morgen sehen wir dann weiter."

"In Ordnung", stimmte Crocodile seinem Verlobten zu und griff nach seiner Zahnbürste. Er selbst war sich sehr sicher, dass er bloß an einer Magenverstimmung litt. Crocodile konnte seinen eigenen Körper ziemlich gut einschätzen. Wenn er sich erbrach oder Durchfall hatte, lag dies in den meisten Fällen einfach bloß daran, dass er irgendetwas gegessen hatte, was sein überaus empfindlicher Magen nicht vertrug.

Nichtsdestotrotz war er doch recht froh darüber, dass es sich beim heutigen Tag um einen Samstag handelte und er aus diesem Grund ausschlafen durfte. Erst jetzt spürte Crocodile, wie schrecklich müde und erschöpft er eigentlich war. Ein paar Stunden erholsamen Schlaf würden ihm auf jeden Fall guttun.
 

Als er das nächste Mal aufwachte, war es dreizehn Uhr dreißig. Zu seinen Ungunsten fühlte Crocodile sich keineswegs besser als zuvor, vielleicht sogar ein wenig schlechter. Wieder war ihm speiübel, außerdem hatte er Kopfschmerzen. Schlaftrunken griff er nach der Flasche Wasser, die immer auf seinem Nachttisch stand, und nahm einige Schlücke. Er wusste, dass man durch Erbrechen und Durchfall viel Flüssigkeit verlor, und auch Kopfschmerzen konnten ein Zeichen von Dehydration sein. Nachdem er die halbe Flasche leer getrunken hatte, ging es ihm ein klein wenig besser.

Crocodile fand die andere Seite des Bettes verwaist vor; Doflamingo war bereits aufgestanden. Er fuhr sich durch sein ungekämmtes und verknotetes Haar, ehe er sich zum zweiten Mal an diesem Tag im Badezimmer einschloss, um sich zu übergeben.

Gerade verließ er (frisch geduscht und vernünftig eingekleidet) das Bad, als Doflamingo ihr gemeinsames Schlafzimmer betrat. Wie es nicht anders zu erwarten gewesen war, hatte auch sein Partner sich bereits für den Tag fertig gemacht. Sein Blick blieb unter den getönten Gläsern seiner Sonnenbrille verborgen.

"Oh, du bist endlich aufgewacht", meinte er in einem freundlich und erleichtert klingenden Tonfall. "Ich habe immer mal wieder nach dir gesehen. Geht es dir besser?"

Crocodile nickte und bemühte sich darum, so wenig wie möglich zu lügen, als er seine Worte wählte: "Es geht mir besser als heute Nacht. Dass ich mich erbrochen habe, lag vermutlich wirklich bloß an meinem empfindlichen Magen."

"Das ist schön zu hören", erwiderte Doflamingo und kam ein wenig näher.

Erneut legte er ungefragt seine Hand auf die Stirn seines Partners. Sofort wich Crocodile ein Stück zurück. "Lass das!", meinte er scharf. "Ich kann es nicht leiden, wenn du das tust!"

"Deine Temperatur ist immer noch leicht erhöht", erwiderte Doflamingo, ohne auf seinen Einwand einzugehen.

"Ach, das kannst du doch gar nicht wissen", widersprach Crocodile. "Es ist unmöglich, zuverlässig die Temperatur zu messen, indem man die Hand auf die Stirn legt. Man spürt ja bloß das Verhältnis zur eigenen Körpertemperatur. Vielleicht hast du heute also einfach nur ziemlich kalte Hände. Mir ist jedenfalls nicht besonders warm."

"Ich habe im Badezimmer ein Fieberthermometer da", meinte Doflamingo daraufhin. "Das misst deine Körpertempreratur exakt."

Crocodile rollte mit den Augen. "Du übertreibst maßlos, Doflamingo", sagte er und warf seinem Verlobten einen ernsthaften Blick zu. "Mir geht es gut. Jeder übergibt sich ab und an mal. Es ist alles in Ordnung. Hör bitte auf, dir Sorgen um mich zu machen."

Sein Verlobter biss sich auf die Unterlippe und schwieg für einen Moment. Schließlich sagte er: "Bitte, Crocodile. Seine Gesundheit sollte man nicht auf die leichte Schulter nehmen. Als du dich heute Nacht übergeben hast, musste ich sofort wieder an diesen schrecklichen Vorfall im Skypia zurückdenken. Danach hast du tagelang im Krankenhaus gelegen. Du kannst dir nicht vorstellen, wie besorgt ich um dich war und was für schlimme Vorwürfe ich mir selbst gemacht habe. Ich würde mich wirklich besser fühlen, wenn ich genau wüsste, ob du krank bist oder nicht."

"Das kann man doch überhaupt nicht miteinander vergleichen", wandte Crocodile ein. "Im Skypia wurden meine Drinks vergiftet. Deswegen habe ich mich übergeben. Aber das kann ja dieses Mal überhaupt nicht der Fall gewesen sein. Wahrscheinlich hätte ich einfach bloß lieber die Finger von den Würstchen lassen sollen, die ich gestern Abend gegessen habe. Die waren wohl doch ein bisschen zu fettig für meinen empfindlichen Magen."

Auch wenn er mit diesen Worten seinen besorgten Verlobten ein Stück weit beruhigen zu können schien, wirkte Doflamingo noch immer nicht vollständig überzeugt. "Bitte", meinte er. "Es stellt doch wirklich keinen Umstand dar, eben deine Temperatur zu messen."

Crocodile seufzte leise und gab schließlich klein bei. Er kannte Doflamingo gut genug, um zu wissen, dass dieser ansonsten den ganzen Tag lang keine Ruhe geben würde. Sein Partner konnte manchmal nämlich fast schon beeindruckend penetrant und hartnäckig sein. Crocodile war sich sicher, dass Doflamingo als Kind schrecklich verzogen worden war und ausnahmslos immer bekommen hatte, was er wollte.

"Also gut", sagte er schließlich seufzend. "Dann hol eben dieses blöde Fieberthermometer her. Aber ich bin mir sicher, dass du völlig umsonst ein solches Theater veranstaltest."

Doflamingo hastete sofort hinüber ins angrenzende Badezimmer, um besagtes Thermometer hervorzukramen. Es dauerte nicht lange, bis er es gefunden hatte und ins Schlafzimmer zurückgekehrt war. Crocodile hatte sich inzwischen aufs Bett gesetzt. Er war sich sicher, dass er kein Fieber hatte. Doflamingo übertrieb bloß (wie so oft) völlig maßlos.

"Mund auf", wies ihn sein Verlobter an.

Crocodile rollte genervt mit den Augen, doch tat wie ihm geheißen und ließ zu, dass Doflamingo das digitale Fieberthermometer unter seine Zunge schob.

"Wir müssen eine Minute warten", erklärte sein Partner ihm und Crocodile musste sich ernsthaft zusammenreißen, um Doflamingo nicht darauf hinzuweisen, dass er durchaus wusste, wie ein Fieberthermometer funktionierte. Je nach Art des Geräts wartete man zwischen einigen Sekunden und mehreren Minuten, ehe ein Piepton zu hören war. Dann konnte die Temperatur abgelesen werden.

"38, 1 Grad", meinte Doflamingo. "Ich hatte also doch recht: Du hast Fieber!"

"Bloß leichtes Fieber", lenkte Crocodile ein, der (ob er es zugeben wollte oder nicht) doch recht überrascht war angesichts des Messergebnisses. Damit hatte er nicht gerechnet gehabt. Trotzdem war er der Ansicht, dass noch lange kein Grund zur Beunruhigung bestand. "Das geht von selbst wieder vorüber. Ich bin mir sicher, wenn ich mich heute schone, wird es mir morgen wieder gutgehen."

Doflamingo zog skeptisch eine Augenbraue hoch. "Ich weiß ja nicht", meinte er unschlüssig. "Soll ich nicht doch lieber einen Arzt für dich rufen?"

Crocodile schüttelte den Kopf. "Was würde der denn schon tun? Mir wahrscheinlich bloß ein fiebersenkendes Mittel verschreiben. Und was das Einnehmen von Medikamenten angeht, bin ich prinzipiell sowieso ziemlich misstrauisch eingestellt. Ich möchte lieber versuchen, das Fieber auf anderem Wege zu senken. Du hast doch bestimmt ein paar Wadenwickel da, oder nicht?"

Sein Verlobter nickte. "Wir können es zuerst mit den Wadenwickeln versuchen", meinte er. "Aber wenn sie nicht helfen, sollten wir auf jeden Fall einen Arzt rufen."

"Ich denke nicht, dass das nötig sein wird", entgegnete Crocodile. "Wadenwickel haben bei mir bisher immer sehr gut funktioniert."

"Warum wehrst du dich so vehement dagegen, von einem Arzt untersucht zu werden?", fragte ihn Doflamingo plötzlich. "Man könnte meinen, du hättest Angst davor."

"Ich habe keine Angst vor Ärzten", meinte Crocodile wahrheitsgemäß. "Nun ja, vielleicht vor dem Zahnarzt, wenn er bohren muss, aber ansonsten nicht. Ich kann Ärzte bloß einfach nicht leiden."

"Wieso nicht? Ärzte tun Gutes; sie retten Leben. Ich verstehe nicht, wie man sie deshalb verachten kann."

"Ich verachte sie nicht", lenkte Crocodile rasch ein. "Ich weiß ja, dass der Arztberuf sehr ehrenhaft ist. Aber ich verbinde mit Ärzten nun einmal nicht unbedingt Positives. Ich meine, das letzte Mal, als ich im Krankenhaus lag, bin ich von meinem psychopathischen Exfreund vergiftet worden. Und davor gab es auch noch andere schlimme Vorfälle: die Verletzung in meinem Gesicht, der Verlust meiner linken Hand und so weiter. Als ich zwölf Jahre alt war, musste ich wegen eines schwierig gebrochenen Beins sogar volle drei Monate im Krankenhaus verbringen. All meine Erinnerungen an Ärzte und Krankenhäuser sind an schreckliche Ereignisse gebunden. Deswegen versuche ich meistens zuerst, mir selbst zu helfen."

"Das kann ich natürlich nachvollziehen", meinte Doflamingo. "Trotzdem bekomme ich zunehmend das Gefühl, dass du in letzter Zeit sehr fahrlässig mit deinem Körper umgehst. Da muss ich nur an den starken Gewichtsverlust denken, den du vor kurzem erlitten hast. Und du bist noch immer nicht bei einem gesunden Körpergewicht angelangt."

"Es fehlen bloß noch drei oder vier Kilogramm", wandte Crocodile ein. "Außerdem bemühe ich mich doch darum, genug zu essen. Mehr kann ich nicht tun. Es ist nicht meine Schuld, wenn ich krank werde."

"Das habe ich auch nicht behauptet", entgegnete sein Verlobter. "Ich meine bloß, dass du ein bisschen besser auf die Signale achten solltest, die dein Körper dir gibt. Deinen Gewichtsverlust wolltest du dir überhaupt nicht eingestehen, ehe ich dich dazu gezwungen habe, dich zu wiegen. Und genauso war es gerade eben mit dem Fieber. Du ignorierst es meisten einfach, wenn es dir schlecht geht. Du spielst deine Symptome solange herunter, bis man dir bewiesen hat, dass du krank bist. Erst dann reagierst du darauf. Das ist keine vernünftige Art und Weise, um mit seinem Körper umzugehen."

"Ich bin bloß niemand, der wegen jeder Kleinigkeit sofort den Arzt ruft", wandte Crocodile ein, der sich durch die harsche Kritik seitens Doflamingo ernsthaft verletzt fühlte. "Für mich kommt es nicht infrage, ständig irgendwelche Medikamente und Schmerzmittel einzunehmen, die gar nicht notwendig sein. Das ist nämlich mindestens genauso schlecht!"

"Darum geht es doch auch gar nicht", meinte sein Partner. "Natürlich ist es nicht gut, wenn man wegen jedem kleinen Wehwehchen wie verrückt Tabletten schluckt. Aber ernsthafte Krankheitssymptome einfach zu missachten, kann sehr gefährlich werden! Ich liebe dich, Wani, und ich möchte einfach nicht riskieren, dass du unnötig leidest. Je früher man zum Arzt geht, desto höher ist die Chance, dass man schnell wieder vollständig gesund wird."

"Du tust so, als wäre ich sterbenskrank", warf Crocodile verärgert seinem Partner vor. "Ich habe mich bloß übergeben und meine Temperatur ist leicht erhöht. Unter diesen Symptomen leidet doch jeder manchmal. Es gibt keinen Grund, um in Panik auszubrechen, Doflamingo. Du machst mich noch ganz verrückt mit deinen Paranoia!"

"Es sind keine Paranoia", wandte Doflamingo in einem unerwartet energisch klingenden Tonfall ein. Er zögerte einen Augenblick, ehe er mit leiser Stimme anfügte: "Die Krankheit, an der meine Mutter gestorben ist, hat auch mit harmlosen Symptomen begonnen. Sie hat angefangen ständig zu husten, litt unter Kopfschmerzen und Fieber, doch wollte nicht zum Arzt gehen. Erst als es ihr deutlich schlechter ging, haben wir sie dazu überreden können, sich untersuchen zu lassen. Der Arzt stellte eine schwere Grippe fest; er hat versucht ihr zu helfen, doch er konnte nichts mehr für sie tun. Ich bin mir sicher, dass man meine Mutter hätte retten können, wenn sie nur früher beim Arzt gewesen wäre. Seitdem bin ich vielleicht ein wenig überempfindlich, was dieses Thema angeht, aber ich möchte einfach verhindern, dass sich ein solcher Vorfall wiederholt."

Crocodile wusste nicht, wie er auf dieses überraschende Geständnis reagieren sollte; er hatte überhaupt nicht gewusst gehabt, dass Doflamingos Mutter an einer Grippe gestorben war. Schließlich räusperte er sich und meinte: "Das, ähm, tut mir leid. Warum versuchen wir es nicht mit einem Kompromiss: Heute benutze ich die Wadenwickel, um mein Fieber zu senken. Und sollte es mir bis morgen nicht besser gehen, dann rufen wir einen Arzt. In Ordnung?"

"In Ordnung", erwiderte Doflamingo und nickte. Wahrscheinlich wäre es ihm lieber gewesen, wenn er wieder einmal seinen Willen hätte durchsetzen zu können, doch mit der Lösung, die Crocodile ihm vorgeschlagen hatte, schien er auch leben zu können.
 

Den restlichen Samstag verbrachte Crocodile damit, im Bett zu liegen, Bücher zu lesen und den Tee zu trinken, den sein Verlobter ihm in regelmäßigen Abständen brachte. Und obwohl das Fieber und die Kopfschmerzen ihm zu schaffen machten, musste Crocodile sich eingestehen, dass seine Situation deutlich schlechter sein könnte. Auch wenn er es nur ungern zugab, genoss er es sehr, von Doflamingo umsorgt zu werden, ohne dass er ihn belästigte oder nervte. (Vermutlich war dieser der Ansicht, dass er jetzt besonders viel Ruhe brauchte).

Es tat Crocodile gut, eine Pause einzulegen und sich für ein paar Stunden um nichts kümmern zu müssen. Selbst seine Arbeit schob er ausnahmsweise einmal beiseite: Er checkte nicht seine Emails, rief niemanden an und durchsah nicht noch einmal seine Pläne für die nächste Arbeitswoche.

"Wie geht es dir, Wani?"

Doflamingo legte wieder einmal ungefragt seine Hand auf die Stirn seines Partners; Crocodile hatte sich an diese aufdringliche Geste inzwischen gewohnt und es aufgegeben, Doflamingo zurechtzuweisen. Immerhin meinte es sein Verlobter nur gut.

"Schon viel besser", antwortete Crocodile wahrheitsgemäß. "Ich habe mich seit heute Mittag nicht mehr übergeben. Und ich habe das Gefühl, dass auch das Fieber gesunken ist. Was meinst du?"

"Deine Stirn ist tatsächlich nicht mehr so heiß wie heute Morgen", sagte Doflamingo. Er klang erleichtert, wenn auch nicht hundertprozentig zufrieden. "Trotzdem wäre es mir lieber, wenn ich deine exakte Körpertemperatur wüsste. Ich hole eben das Fieberthermometer, ja?"

Crocodile nickte. Er war sehr froh darüber, dass er sich auf dem Weg der Besserung befand. Nur ungern hätte er am Montag bei der Arbeit gefehlt. Es gab unheimlich viel zu tun und er trug schließlich große Verantwortung. Wenn jemand, der eine so hohe Stelle bekleidete wie er, fehlte, dann wurde der gesamte Betriebsablauf gestört oder zumindest stark verlangsamt. Aus diesem Grund ließ Crocodile sich nur sehr selten krankschreiben, selbst wenn ihn ein paar Symptome plagten. Er hatte sich nun einmal für eine Arbeitsstelle mit Führungsposition entschieden und musste damit Leben, dass viel von ihm gefordert wurde. Es hatte ihm nie etwas ausgemacht; am Ende war er eben doch ein echter Workaholic.

Ehe Doflamingo ihn erneut dazu anweisen konnte, seinen Mund zu öffnen, hatte Crocodile diesem das Fieberthermometer längst weggenommen und es sich selbst unter die Zunge gelegt. Er genoss es, von seinem Partner bedient und verwöhnt zu werden, doch er konnte es nicht leiden, wenn dieser so tat, als handelte es sich bei ihm um ein kleines Kind. Crocodile war der Ansicht, dass er durchaus dazu in der Lage, bei sich selbst Fieber zu messen.

Doflamingo ließ es sich natürlich trotzdem nicht nehmen, das Thermometer wieder an sich zu nehmen, als es piepte. "37,7 Grad", las dieser ab.

"Das ist doch gut", merkte Crocodile an. "Fast schon Normaltemperatur. Morgen bin ich sicher wieder fit."

"Hoffentlich", erwiderte Doflamingo. "Aber vielleicht solltest du dich für Montag lieber krankschreiben lassen. Nur zur Sicherheit."

"Unsinn", meinte Crocodile kopfschüttelnd. "Ich werde garantiert nicht Zuhause bleiben, wenn es mir gut geht. Sonst bleibt bloß eine Menge Arbeit liegen, die ich dann zu einem anderen Zeitpunkt erledigen muss. Im Endeffekt hätte ich also nichts gewonnen. Außerdem ist morgen erst Sonntag. Das heißt, dass ich noch einen ganzen Tag lang Zeit habe, um mich vollständig auszukurieren."

"Okay, gut", sagte Doflamingo widerstrebend und legte das Fieberthermometer zur Seite. "Aber dann solltest du dich wenigstens morgen auch noch schonen und im Bett liegen bleiben. Ich kann zwar verstehen, dass es sehr ärgerlich für dich ist, wenn du das Wochenende auf diese Weise verbringen musst, aber deine Gesundheit geht selbstverständlich vor. Ich möchte lieber kein Risiko eingehen!"

"In Ordnung." Um ehrlich zu sein, hatte Crocodile überhaupt kein Problem damit, auch den folgenden Tag im Bett zu verbringen. Er hatte gerade begonnen einen sehr spannenden Roman zu lesen, den er morgen gerne beenden würde.

Noch während er über die Handlung des Romans nachdachte, kam ihm plötzlich ein ganz anderer Gedanke: Würde sein Verlobter mit ihm schlafen wollen, auch wenn er krank war? Geistesabwesend zog Crocodile die Augenbrauen zusammen. Doflamingo und er hatte im Regelfall an jedem Tag, den sie gemeinsam verbrachten, miteinander Sex; mindestens einmal, manchmal auch mehrmals. Er hatte nichts dagegen. Sein Verlobter war ein guter Liebhaber und Crocodile kam immer auf seine Kosten.

Gleichzeitig war er sich jedoch auch dessen bewusst, dass Doflamingo dem Geschlechtsverkehr eine größere Bedeutung zuwies als er. Crocodile verfügte über ein schwächeres Libido als sein Partner. Ihm machte es nichts aus, mal einen oder auch mehrere Tage lang auf Sex zu verzichten.

Er konnte jedoch nur schwer einschätzen, wie Doflamingo die Sache sah. Natürlich hatte dieser zuvor auch schon des Öfteren zurücktreten müssen. Schließlich hatten sie bis vor kurzem noch gar nicht zusammen gewohnt und sich nicht unbedingt jeden Tag getroffen. Doch wenn sie sich sahen, dann hatten sie Sex miteinander. Für Crocodile handelte es sich hierbei um eine Art unausgesprochene Regel.

Unweigerlich überlegte er sich, ob er körperlich wohl dazu in der Lage sein würde, heute mit seinem Verlobten zu schlafen. Da inzwischen seine Kopfschmerzen abgeflaut waren und auch sein Fieber deutlich gesunken war, ging Crocodile davon aus, dass dem Sex nichts im Wege stand. Er nahm sich vor, heute Abend, wenn Doflamingo sich zu ihm ins Bett legte, den Versuch zu wagen. Schlussendlich hatte er ja nichts zu verlieren.

"Warum verziehst du dein Gesicht?", riss ihn plötzlich sein Partner mit besorgter Stimme aus seinen Gedanken. "Hast du etwa Schmerzen? Macht dir wieder dein Magen zu schaffen?"

Rasch schüttelte Crocodile den Kopf. "Nein, nein", meinte er und bemühte sich um einen glaubwürdig klingenden Tonfall. "Es ist alles in Ordnung; ich habe keine Magenschmerzen."

"Sicher?", hakte Doflamingo nach; er wirkte nicht hundertprozentig überzeugt. "Leidest du denn noch unter anderen Beschwerden als Übelkeit und Fieber? Kopfschmerzen? Schüttelfrost? Blut im Urin oder Durchfall?"

"Darüber werde ich garantiert nicht mit dir reden!", erwiderte Crocodile aufgebracht und spürte sofort, wie sein Gesicht und seine Ohren rot wurden. Er war eine schrecklich schamhafte Person. "Wie kannst du mich nur solche Dinge fragen! Das ist ja widerlich!"

Doflamingo wirkte sehr verdutzt angesichts des plötzlichen Wutanfalls seines Verlobten; er schien dessen Empörung überhaupt nicht nachvollziehen zu können.

"Was ist denn nur los mit dir?", fragte er und zog eine Augenbraue hoch. "Du musst dich doch nicht schämen. Es ist überhaupt nicht schlimm, mit seinem Verlobten über solche Dinge zu sprechen. Immerhin geht es um deine Gesundheit."

"Über so etwas redet man mit überhaupt niemandem", wandte Crocodile (noch immer knallrot im Gesicht) ein. "Höchstens mit einem Arzt. Es ist nämlich widerlich und unangebracht!"

Auch wenn Doflamingo wie üblich seine Sonnenbrille trug, konnte Crocodile genau sehen, dass sein Partner mit den Augen rollte. Im Gegensatz zu ihm selbst machte dieser überhaupt keinen peinlich berührten Eindruck. Es schien ihm überhaupt keine Probleme zu bereiten, über solch ekelhafte Themen zu sprechen.

"Wie kann man nur so fürchterlich verklemmt sein?", hörte er Doflamingo leise murmeln, ehe dieser mit lauterer Stimme meinte: "Also, was ist nun? Blut im Urin? Durchfall? Oder vielleicht Verstopfung? Jetzt stell dich nicht an, Wani, sondern sag mir einfach, was los ist. Sonst mache ich mir nur unnötig Sorgen um dich."

Crocodile zögerte für eine Weile, ehe er schließlich äußerst widerwillig erklärte: "Es ist alles in Ordnung. Keine Verstopfung, kein Durchfall, kein Blut im Urin. Können wir dieses Thema jetzt bitte beenden? Ich würde am liebsten im Boden versinken."

Doflamingo kicherte. Wie üblich amüsierte ihn die Schamhaftigkeit seines Partners über alle Maßen. "Ist ja gut", meinte er schließlich in einem recht versöhnlich klingenden Tonfall. "Reden wir über etwas Anderes: Du hast heute noch nichts gegessen, nicht wahr? Ich habe in der Küche Bescheid gegeben, dass man für uns beide eine leckere Hühnersuppe kochen soll. Die ist in etwa einer halben Stunde fertig. Möchtest du im Speisesaal essen oder doch lieber im Bett?"

"Ist das dein Ernst?", fragte Crocodile seinen Verlobten ungläubig und warf diesem eines seiner Kissen gegen den Kopf. "Du kommst von Durchfall und blutigem Urin auf Hühnersuppe zu sprechen? Kennst du denn überhaupt keinen Anstand, du Ekel?"

Anstatt zu einer Erwiderung anzusetzen, brach Doflamingo bloß in lautes Gelächter aus und warf das Kissen zurück.
 

Es war gegen dreiundzwanzig Uhr und Crocodile war der Grenze zum Einschlafen bereits sehr nahe, als Doflamingo zu ihm ins Bett kam. Sofort war Crocodile wieder hellwach. Er lauschte dem leisen Rascheln der Decke und spürte, wie sich die Matratze ein Stück weit absenkte, als Doflamingo sich neben ihn legte.

Sein Verlobter machte keine Anstalten, den Sex mit ihm einzuleiten. Er berührte ihn nicht, weder direkt an seinen Geschlechtsteilen noch an irgendeiner anderen Körperstelle, und er flüsterte ihm auch keine schmutzigen Worte ins Ohr. Vermutlich, dachte Crocodile, ging Doflamingo davon aus, dass er längst tief und fest schlief, und wollte ihn nicht aufwecken.

Crocodile war hin- und hergerissen. Obwohl er heute einen recht entspannten Tag verlebt hatte, fühlte er sich sehr erschöpft; das Fieber war eben doch nicht spurlos an ihm vorbeigegangen. Am liebsten hätte er seinen Partner also in dem Glauben gelassen, er wäre längst eingeschlafen, und würde in aller Ruhe abwarten, bis er tatsächlich im Schlaf versank.

Auf der anderen Seite fühlte Crocodile sich nicht wohl dabei, Doflamingo auf diese Weise zu hintergehen. Da sie beide ein Paar waren, vertrat er irgendwo die Ansicht, dass sein Partner ein Anrecht auf Geschlechtsverkehr mit ihm hatte. Auch wenn Doflamingo ihm bereits mehrmals deutlich gemacht hatte, das er den Sex nicht als Verpflichtung ansehen sollte, konnte Crocodile sich von dieser Sichtweise nicht ganz frei machen. In seinen früheren Beziehungen war Sex zumeist kein Privileg, sondern eine absolute Selbstverständlichkeit gewesen.

Schlussendlich obsiegte Crocodiles schlechtes Gewissen. Obwohl er keine echte Lust auf Sex hatte, rückte er nah an Doflamingo heran und ließ seine Finger unter das Shirt, das dieser zum Schlafen trug, gleiten. Die Berührung war federleicht, doch reichte aus, um Doflamingo aufzuschrecken.

"Was machst du da?", fragte er und klang zu Crocodiles Überraschung nicht halb so begeistert wie erwartet.

Weil ihm auf die Schnelle keine bessere Antwort einfiel, erwiderte Crocodile: "Na, ich verführe dich natürlich." Auch wenn er seinem Partner bloß den Sex anbot, weil er sich dazu verpflichtet fühlte, verspürte Crocodile einen Hauch von Enttäuschung angesichts Doflamingos nur mäßig enthusiastischer Reaktion. Damit hatte er überhaupt nicht gerechnet gehabt. Normalerweise konnte Doflamingo gar nicht genug von ihm bekommen.

"Das sollten wir heute Abend lieber bleiben lassen", meinte jedoch ebenjener. Er drehte sich zu Crocodile um und warf ihm einen unerwartet ernsten Blick zu. "Du bist immer noch krank."

"Aber das hat dich bisher doch überhaupt nicht gestört gehabt", wandte Crocodile irritiert ein. Es war unsinnig, dass er Doflamingo unbedingt dazu überreden wollte, Sex mit ihm zu haben (immerhin wollte er selbst ja gar nicht so wirklich), doch um ehrlich zu sein, fühlte Crocodile sich schrecklich gekränkt. Er war Zurückweisung seitens seines Verlobten nicht gewohnt. "Wir haben uns doch ständig geküsst und so weiter. Du hättest dich auch vorher schon anstecken können."

"Darum geht es doch überhaupt gar nicht", erwiderte Doflamingo und verzog das Gesicht. "Du brauchst viel Energie, um wieder gesund zu werden. Und ich möchte nicht, dass du dich auspowerst. Anstatt Sex mit mir zu haben, solltest du dich lieber ausruhen und am besten versuchen zu schlafen."

"Was?" Crocodile konnte überhaupt nicht fassen, was sein Verlobter da von sich gab.

"Ich kann verstehen, dass du Lust auf Sex hast", fuhr Doflamingo fort. "Ich hätte auch nichts dagegen, wenn du nicht krank wärst. Aber leider bist du es nun einmal. Und deswegen sollten wir heute lieber zurücktreten. Von mir aus können wir es morgen Abend versuchen, falls es dir dann besser geht."

Crocodile senkte den Blick und schwieg für eine Weile. Plötzlich fühlte er sich unwahrscheinlich schlecht. Wie konnte er es bloß wagen, so schlecht von seinem Partner zu denken? Doflamingo verlangte überhaupt keinen Sex von ihm. Er lehnte ihn sogar ab. Aus Rücksicht auf ihn. Wieder einmal hatte Crocodile seinen Verlobten für egoistischer gehalten als dieser eigentlich war. Hatte Doflamingo nicht sogar schon mit ihm darüber gesprochen gehabt, dass er bitte mit weniger Stress an ihr Sexleben herangehen sollte? Wieder hatte Crocodile es vermasselt. Wieso nur musste er alles komplizierter machen als es war?

"Ich hoffe, dass du jetzt nicht enttäuscht bist", warf Doflamingo hektisch ein, als er die niedergeschlagene Miene seines Partners bemerkte. "Es ist wirklich bloß, weil du krank bist! Du solltest dich schonen! Aber, ähm, wenn du unbedingt möchtest, dann kann ich dir trotzdem einen Blowjob geben oder so. Ich will dich natürlich zufriedenstellen und deinen Bedürfnissen gerecht werden, aber auf der anderen Seite... naja... shit... Wie kann ich es dir nur erklären, ohne dass du wütend auf mich wirst?"

"Ist schon gut", lenkte Crocodile ein und brachte sogar ein wackeres Lächeln zustande. Er wollte nicht, dass Doflamingo sich seinetwegen schlecht fühlte. Dazu bestand überhaupt kein Anlass. "Ich verstehe, was du mir sagen möchtest."

"Wirklich?"

"Klar. Und du musst mir auch keinen Blowjob geben. Du sollst nichts tun, worauf du eigentlich gar keine Lust hast. Von mir aus können wir den Sex auf morgen Abend verschieben. Es macht mir nichts aus."

"Dann ist ja gut." Doflamingo atmete erleichtert auf. "Ich bin froh, dass wir diese Sache geklärt haben. Und du bist ganz sicher nicht wütend auf mich?"

"Wieso sollte ich das sein?", erwiderte Crocodile. Er beugte sich zu seinem Verlobten hinüber und küsste diesen sanft auf den Mund. Doflamingo erwiderte den Kuss bereitwillig.
 

*
 

Zum Abendessen hatte Doflamingo ein paar Freunde eingeladen. Crocodile war, um ganz ehrlich zu sein, nicht sonderlich begeistert davon. Seine Arbeit und seine psychischen Probleme verursachten seiner Ansicht nach bereits Stress genug; da wollte er wenigstens seine karge Freizeit so ruhig und entspannt wie nur möglich zubringen. Er hatte bereits darüber nachgedacht, sich einfach unter irgendeinem Vorwand zu entschuldigen, doch Doflamingo schien sich so sehr auf den gemeinsamen Abend zu freuen, dass Crocodile es schlussendlich doch nichts übers Herz brachte. Ihm blieb also nichts Anderes übrig, als seine Lustlosigkeit so gut wie nur möglich zu verbergen und darauf zu hoffen, dass die Zeit rasch herum ging.

Es geschah sehr oft, dass Doflamingo jemanden einlud. Im Gegensatz zu Crocodile hatte er ziemlich viele Freunde und traf sich regelmäßig ihnen. Ständig gingen sie gemeinsam in einen Nachtclub, ins Kino, ins Restaurant und so weiter. Crocodile störte es nicht, dass sein Verlobter ein so geselliger Mensch war; es machte ihm nichts aus, wenn Doflamingo mit seinen Freunden etwas unternahm. Er konnte es bloß nicht leiden, wenn dieser ihn dazu drängte, ebenfalls teilzunehmen.

Crocodile war kein allzu kontaktfreudiger Typ. Er verbrachte sehr gerne Zeit mit seinem Partner und hielt engen Kontakt zu seinen beiden Geschwistern und zu Daz, doch um ehrlich zu sein, reichte ihm dieses Personenumfeld bereits aus. Anstatt sich die Nächte in irgendwelchen Clubs und Diskotheken um die Ohren zu schlagen, las er lieber ein gutes Buch oder nahm ein entspannendes Schaumbad.

Insgeheim war Crocodile sich dessen bewusst, dass es ihm durchaus guttun würde, sich öfter mit anderen Menschen zu treffen. Er konnte gastfreundlich, unterhaltsam, ja sogar charmant sein, wenn er wollte. Vielleicht sollte er die Gelegenheit nutzen, um sich einfach mal wieder in Gesellschaft zu begeben. Schaden würde es ihm sicherlich nicht. Außerdem bereitete Crocodile seinem Verlobten gerne eine Freude, indem er sich darum bemühte, Spaß zu haben und das gemeinsame Abendessen zu genießen.

Das Bankett fand im Speisesaal im Erdgeschoss der Villa statt; dieser Raum war größer als das Esszimmer, das Doflamingo und er zumeist nutzten, wenn sie bloß zu zweit aßen, doch nicht weniger gemütlich und komfortabel eingerichtet. Eine lange Tafel bot ausreichend Platz für das Dutzend Gäste, das sein Verlobter eingeladen hatte.

Crocodile und Doflamingo begrüßten den Besuch, der überraschenderweise pünktlich um acht Uhr abends erschienen war, bereits an der Tür. Die meisten Gäste kannte Crocodile zumindest flüchtig: Law, Bellamy und dessen Partner Cirkies, Dellinger und Kuma gehörten zum engeren Freundeskreis seines Partners. Dazu erschienen Vergo, Gladius, Diamante, Buffalo und Violet. Bloß zwei Gäste waren Crocodile bisher noch unbekannt: eine hübsche Frau mit langem Haar namens Monet und ein bulliger Mann, den man ihm unter dem Namen Pica vorstellte. (Es war allein Crocodiles Selbstdisziplin und Professionalität geschuldet, dass er nicht in lautes Gelächter ausbrach, als er die piepsige Stimme des Mannes hörte, die überhaupt nicht zu dessen kräftiger Statur passen wollte. Aus dem Augenwinkel heraus bekam Crocodile mit, dass sein Verlobter erleichtert aufatmete, als er Pica begrüßte. Er hatte wohl vergessen, ihn vorzuwarnen.)

Obwohl die einzelnen Mitglieder der bunten Truppe sehr unterschiedlich waren, herrschte insgesamt eine gute Stimmung. Man unterhielt sich bereits unbefangen über dieses und jenes, noch ehe man den Speisesaal überhaupt erst erreicht hatte.
 

Crocodile wusste, dass Doflamingo alles andere als geizig war und seine Freunde sehr gerne verwöhnte, doch das riesige Aufgebot an Speisen, das mehrere Angestellte auftrugen, erstaunte ihn nichtsdestotrotz: Du konntest wählen zwischen Suppe, Salat, Backwerk, Fleisch, Fisch, Garnelen, Kaviar, eingelegtes oder gefülltes Gemüse, Antipasti und vielem weiteren. Als Vorspeise selbstverständlich. Auch wenn Crocodile es sich kaum vorstellen konnte, war der zweite Gang sogar noch um einiges pompöser als der erste. Von dem Geld, dass all diese delikaten und hübsch drappierten Gerichte gekostet haben mussten, hätte Doflamingo sie alle mit Sicherheit auch in das teuerste Restaurant der Stadt, das Baratie, einladen können, dessen war Crocodile sich sicher. Plötzlich begann er sich wieder schrecklich zu fühlen, weil er monatlich bloß ein paar hundert Berry an Doflamingo zahlte, um in diesen Genuss zu kommen; dabei war bestimmt allein dieses Abendessen mehrere tausend Berry wert. Wieder einmal kam Crocodile sich vor wie ein Schmarotzer, der sich am Reichtum seines wohlhabenden Verlobten ergötzte. Er war sehr froh darüber, dass Doflamingos Freunde nicht darüber Bescheid wussten, dass er nur so wenig Miete zahlte.

Crocodile nahm ein wenig Bruschetta zu sich und hielt sich aus den Konversationen, die überaus rege betrieben wurden, weitesgehend heraus, auch wenn er den einen oder anderen Gesprächsverlauf sporadisch verfolgte. Dellinger, Bellamy und Cirkies unterhielten sich über Mode und debattierten heiß die neu erschienene Kollektion irgendeines namenhaften Designers; Diamante, Buffalo, Gladius und Pika sprachen über ein Fußballspiel, das letztes Wochenende stattgefunden hatte; Vergo, Monet und Violet erinnerten sich an ihren letzten Besuch in der Oper (Crocodile konnte heraushören, dass Violet als Tänzerin und Sängerin arbeitete); und Law und Kuma unterhielten sich zuerst über Politik, dann über seinen Bruder Mihawk. Crocodile wurde unweigerlich hellhörig.

"Mihawk und ich haben letztes Wochenende einen sehr hübschen Mittelalter-Markt besucht", schilderte Kuma. Wie üblich erweckte er einen sehr besonnenen Eindruck, doch man merkte dennoch, dass er sich in der Gesellschaft seiner Freunde nicht unwohl fühlte. Er war eben einfach bloß ein eher ruhiger und zurückhaltender Mensch. "Wirklich schade, dass du nicht dabei sein konntest, Law. Der Markt hätte dir bestimmt auch gefallen. Ein Stand verkaufte sogar mittelalterliches Operationswerkzeug. Sägen, Schädelbohrer und so weiter. Meistens handelte es sich um Nachbildungen, doch es wurden auch einige echte Relikte angeboten."

Law zuckte mit den Schultern. "Ich wäre gern mitgekommen", meinte er, "aber leider musste die Hirnoperation, die eigentlich für Mittwoch vorgesehen gewesen war, vorgezogen worden. Das Mädchen hätte ansonsten nicht überlebt. Aber es freut mich, dass ihr beide einen schönen Tag hattet. Hatte Mihawk denn gute Laune?"

"Ja, auf jeden Fall", antwortete Kuma. "Er ist eher der zurückhaltende Typ, so wie ich eben, aber man hat trotzdem deutlich gemerkt, dass er sehr ausgelassen war. Das liegt vermutlich mitunter daran, dass seine Schwester schwanger ist. Er freut sich sehr darauf, Onkel zu werden."

"Tatsächlich?" Law zog eine Augenbraue hoch. "Hm, versteh mich bitte nicht falsch, aber er hat auf mich nie den Eindruck eines Menschen gemacht, der gerne mit Kindern zu tun hat. Ich meine, du weißt doch, wie er ist: Still, besonnen, ein bisschen sonderbar. Er ist auch kinderlos, nicht wahr?"

"Das bedeutet ja nicht zwangsweise, dass er Kinder nicht leiden kann", warf Kuma kopfschüttelnd ein. "Womöglich wäre er gerne Vater, doch hat bisher bloß noch nicht den richtigen Partner gefunden? Denk doch nur mal an Doflamingo: Er hat selbst hat keine Kinder, doch geht unfassbar liebevoll mit jedem Kind um, das ihm über den Weg läuft. Ich erinnere mich noch gut daran, wie er einmal Sugar im Arm gehalten hat, als sie noch ein kleines Baby gewesen ist: Er wirkte wie der glücklichste Mensch auf der Welt."

"Hast vermutlich Recht", stimmte ihm Law zu. "Doflamingo ist da ein echtes Paradebeispiel. Als ich ihn das erste Mal getroffen habe, hielt ihn bloß für einen idiotischen Draufgänger, der alles auf die leichte Schulter nimmt und sich nicht einmal um einen Hund kümmern könnte. Aber er hat auch andere Seiten; er kann auch verantwortungsbewusst und fürsorglich sein. Vielleicht ist es bei Mihawk genauso. Vielleicht ist er ja gar nicht immer der nüchterne Langeweiler, für den ihn alle halten." Er lachte leise, ehe er wieder auf das ursprüngliche Thema zurückkam: "Bist du dir sicher, dass die ausgestellten Operationswerkzeuge echt waren? Manche Verkäufer besitzen Fälschungen, die täuschend echt wirken."

"Sie waren definitiv echt", erwiderte Kuma. "Ich kenne mich in dieser Hinsicht sehr gut aus. Da fällt mir ein: Hast du eigentlich schon das Schwert gesehen, das Mihawk von Doflamingo und Crocodile zum Geburtstag geschenkt bekommen hat? Es ist ein echtes Ritterschwert aus dem 14. Jahrhundert. Absolut atemberaubend!"
 

Kuma und Law unterhielten sich noch weiter miteinander, sowohl über Mihawks Ritterschwert als auch über andere Themen, doch Crocodile hatte genug gehört. Weil seine Kehle sich plötzlich unangenehm trocken anfühlte, nahm er einen großen Schluck Wasser. Er hatte nicht damit gerechnet, schon wieder unter die Nase gerieben zu bekommen, wie sehr sein Partner sich Kinder wünschte und was für einen tollen Vater dieser abgeben würde. Noch immer war Crocodile sich nicht sicher, ob er selbst jemals Kinder haben wollte.

"Hast du keinen Hunger?", riss ihn plötzlich Doflamingos Stimme aus den Gedanken. "Du hast deine Bruschetta kaum angerührt. Oder schmeckt sie dir einfach nicht?"

"Die Bruschetta schmeckt ausgezeichnet", erwiderte Crocodile rasch. "Aber ich möchte bei der Vorspeise nicht allzu stark zulangen, sonst habe ich keinen Appetit mehr, wenn das Hauptgericht serviert wird."

Doflamingo gluckste. "Du kannst ruhig bei beidem gut zulangen", meinte er und kniff ihn spaßhaft in die Seite. "Schließlich fehlen dir immer noch ein paar Kilogramm, um dein Mindestgewicht zu erreichen."

"Na und? Du willst doch nicht, dass ich dick werde, nicht wahr?", gab er neckisch zurück.

Sein Verlobter zuckte mit den Schultern. "Lieber fünf Kilogramm zu viel als zu wenig", meinte er schließlich. "Ich mag ausgemergelte Hüften und Bäuche nicht. Ich habe nie verstanden, wieso manche Leute sich halbtot hungern, nur um möglichst schlank zu sein. Vor allem Frauen machen sich in dieser Hinsicht ja völlig verrückt. Mir jedenfalls wird fast schon schlecht, wenn man jede Rippe ganz genau sehen kann. Das ist doch ekelhaft!"

"Also stehst du auf dicke Frauen und Männer?" Verwundert zog Crocodile die Augenbrauen zusammen.

Doflamingo schüttelte den Kopf. "Adipositas ist das andere Extrem", lenkte er ein. "Aber es gibt doch nicht bloß entweder übergewichtige oder magersüchtige Menschen. Dazwischen liegt ein gesundes Normalgewicht. Und das finde ich persönlich auch am attraktivsten. Nicht zu dick, nicht zu dünn, sondern einfach bloß fit und gesund. Deswegen versuche ich ja auch immer, dich dazu bewegen mehr zu essen. Du bist ja noch nicht einmal bei deinem Mindestgewicht angekommen, geschweige denn bei deinem Normalgewicht."

"Können wir bitte das Thema wechseln?" Um ehrlich zu sein, nervte es Crocodile, dass bei diesem Abendessen bisher bloß wunde Punkte von ihm angesprochen worden waren. Er wollte keine Kinder, er war zu dünn... Konnten die Leute denn nicht einfach über Dinge sprechen, die nichts mit ihm zu tun hatten? Soweit er sich erinnerte, sollte heute Abend ein Bankett stattfinden und kein verdammtes Kreuzverhör!

Doflamingo setzte einen skeptischen Gesichtsausdruck auf. "Was ist denn nur los mit dir?", fragte er ihn im Flüsterton.

"Nichts ist mit mir los", entgegnete Crocodile, doch konnte nicht verhindern, dass sein Tonfall schrecklich gereizt klang. "Mich nervt es bloß, dass du bei jeder Gelegenheit auf mein Gewicht zu sprechen kommst. Ich kann nicht zu einem gesunden und normalen Umgang mit Essen zurückzufinden, wenn ich ständig daran erinnert werde, dass ich zu dünn bin und möglichst viel zu mir nehmen soll. Wie soll ich mich denn dabei entspannen und lernen mit Freude zu essen?"

Diese Aussage schien Doflamingo den Wind aus den Segeln zu nehmen. Er schwieg für einen Augenblick, ehe er zu Crocodiles Überraschung meinte: "Du hast vermutlich Recht. Ich sollte dich nicht unter Druck setzen. Es tut mir leid. Ich mache mir bloß Sorgen um dich. Ich liebe dich und wünsche mir, dass du schnell wieder gesund wirst."

Crocodile musste sich ernsthaft zusammenreißen, um zu verhindern, dass ihm die Kinnlade herunterfiel. Es kam nur sehr, sehr selten vor, dass sein Partner sich entschuldigte. Normalerweise hasste Doflamingo es abgrundtief, Fehler zuzugeben. Er entschuldigte sich bloß dann, wenn Crocodile absolut unnachgiebig darauf bestand, und selbst in diesen Fällen tat er es nur äußerst widerwillig. Dass Doflamingo also so einfach eine Verfehlung einräumte, stellte eine echte Sensation dar.

"Ist schon gut", meinte Crocodile rasch, der sich ein wenig überfordert mit dieser unerwarteten Situation fühlte. "Ich weiß ja, dass du es nicht böse meinst. Vergessen wir die Sache einfach, ja?"

Doflamingo nickte und lächelte zaghaft. Crocodile erwiderte das Lächeln und beugte sich zu seinem Verlobten hinüber, um diesen auf den Mund zu küssen, obwohl er normalerweise den offensichtlichen Austausch von Zärtlichkeiten verabscheute, wenn Gäste anwesend waren.
 

Ihr Kuss sorgte für neuen Gesprächsstoff am Tisch.

"Crocodile", meinte Dellinger breit grinsend und warf ihm einen vielsagenden Blick zu, "du hast uns noch gar nicht deinen Verlobungsring präsentiert. Bisher hat ihn nur Law gesehen gehabt, weil er beim Kauf mit dabei gewesen ist. Zeig doch mal her!"

Eigentlich war Crocodile kein Mensch, der gerne mit seinen Schmuck protzte, doch weil es sich bei dem Verlobungsring um ein ganz besonderes Stück handelte und außerdem ein Dutzend Augenpaare erwartungsvoll auf ihn gerichtet waren, streckte er schließlich seine Hand aus und präsentierte den goldenen Ring mit dem grünen Edelstein.

Teils begeistertes, teils neidisches Raunen ging durch den Saal. "Wunderschön!", hauchte Violet, die einen besonders genauen Blick auf das wertvolle Schmuckstück warf. Monet, die die einzige andere Dame am Tisch war, nickte zustimmend.

Crocodile, der sich allmählich unwohl zu fühlen begann angesichts der vielen Aufmerksamkeit, senkte seine Hand rasch wieder. Leider war damit der Trubel um die Verlobung längst nicht vorbei. Noch immer grinsend fragte Dellinger: "Wisst ihr schon, wann ihr heiraten möchtet? Doflamingo ist sicher schon ganz ungeduldig, so wie ich ihn kenne!" Die anderen Gäste zu Tisch lachten und glucksten leise.

"Wir haben uns noch nicht auf ein Datum geeinigt", warf Crocodile ein, ehe sein Verlobter zu Wort kam. Er wollte nicht so tun, als stünde die Planung ihrer Hochzeit bereits fest. Schlimmstenfalls drängten ihn die Freunde seines Partners noch zu irgendwelchen voreiligen Versprechungen, was er unter allen Umständen vermeiden wollte.

"Und wie sieht es mit einem Ort aus?", hakte Cirkies nach. "Ich persönlich könnte mir gut eine Hochzeit am Strand vorstellen." (Sofort warf Bellamy seinem Partner einen skeptischen Blick zu, den allerdings bloß Crocodile zu bemerken schien.) "Ihr habt euch doch auch am Strand verlobt, nicht wahr?"

"Über den richtigen Ort haben wir uns auch noch keine Gedanken gemacht", erwiderte Crocodile, dem es ganz und gar nicht gefiel, dass sich plötzlich alle Gäste über die Hochzeit von Doflamingo und ihm unterhielten. Konnte man denn nicht über etwas Anderes sprechen?

"Ich könnte es mir gut vorstellen in dem Schloss in Frankreich zu heiraten, in dem meine Familie und ich vor einigen Jahren Urlaub gemacht haben", meldete sich nun auch Doflamingo selbst zu Wort. Anschließend wandte er sich direkt an seinen Partner: "Es würde dir gefallen, Wani! Das Schloss wurde im 17. Jahrhundert fertiggestellt und sieht absolut traumhaft aus! Als würde es direkt aus einem Märchen stammen."

"Ich weiß ja nicht", entgegnete Crocodile stammelnd. Über ein Schloss in Frankreich hatte Doflamingo nie zuvor ein Wort verloren. "Im Ausland?"

"Warum denn nicht?", meinte dieser unbekümmert.

"Ich bin noch nie in Frankreich gewesen", erwiderte Crocodile. Er wollte verhindern, dass sein Verlobter auf irgendwelche fixe Ideen kam. Für ihn selbst war ihre Hochzeit ein sehr abstraktes Ereignis, über dessen Details er sich bisher noch keine ernsthaften Gedanken gemacht hatte. Crocodile hatte eigentlich gar nicht damit gerechnet gehabt, dass er jemals heiraten würde. Er war kein sonderlich romantischer Mensch. "Ich bin mir nicht sicher, ob mir der Gedanke gefällt, in einem Land zu heiraten, das ich überhaupt nicht kenne."

"Du könntest es doch kennenlernen", schlug Monet freundlich lächelnd vor. "Warum verbringen du und Doflamingo nicht einfach ein Wochenende in Frankreich? Paris ist eine wunderschöne Stadt! Ich bin selbst schon mehrmals dort gewesen. Auch kulturell hat Frankreich viel zu bieten. Interessierst du dich für Kunst, Crocodile?"

"Nun, ähm, das kommt ganz darauf an", meinte er recht unbeholfen.

"Es war bloß ein Vorschlag", lenkte Doflamingo ein, der zu bemerken schien, dass sein Partner sich unwohl fühlte. "Es bringt nichts, Crocodile dazu zu drängen, unbedingt in Frankreich zu heiraten, wenn er es nicht möchte. Immerhin sollte der Ort uns beiden gefallen."

"Da hast du natürlich Recht", gab Monet zu. "Außerdem gibt es ja auch noch viele andere schöne Orte. Die Idee, am Strand zu heiraten, finde ich sehr schön. Oder wie wäre es an Bord eines Schiffes? Käme da nicht eine deiner Yachten infrage, Doflamingo?"

"Eine deiner Yachten?", wiederholte Crocodile verblüfft. Er warf seinem Verlobten einen ungläubigen Blick zu. Besaß Doflamingo tatsächlich nicht bloß einen Privatjet, sondern dazu auch noch mehrere Schiffe? "Davon hast du mir nie erzählt!"

"Nun ja, es hat sich bisher noch nicht die Möglichkeit dazu ergeben", erwiderte Doflamingo, den das offensichtliche Erstaunen seines Partners wohl ein wenig in Verlegenheit brachte.

"Ich erinnere mich noch gut an die vielen Parties, die Doflamingo auf seinen Yachten geschmissen hat", warf Dellinger fröhlich ein. Die meisten der anderen Gäste nickten zustimmend.

"Vor allem seine Geburtstagsparty war absolut einmalig", fügte Gladius an. "Es ist doch dein 28. Geburtstag gewesen, den du damals auf der Pink Flamingo gefeiert hast, nicht wahr, Doflamingo? Ich kann mich noch ganz genau an das tolle Feuerwerk erinnern! Es ist wirklich eine unvergessliche Nacht gewesen!" Die anderen Gäste bestätigten Gladius' Eindruck und nutzten die Gelegenheit, um über weitere Details der tollen Feier zu sprechen.

Crocodile konnte nicht mitreden; damals hatte er Doflamingo noch gar nicht gekannt. Plötzlich wurde ihm wieder überdeutlich bewusst, dass sie beide seit noch nicht einmal einem Jahr ein Paar waren. Und schon hatten sie sich verlobt und planten ihre Hochzeit. Crocodile liebte Doflamingo, doch er musste zugeben, dass alles sehr schnell ging.

Als der Großteil der Gäste damit beschäftigt war, sich an Doflamingos legendären 28. Geburtstags zurückzuerinnern, wandte sich ebenjener an seinen Partner. "Bitte nimm das Gerede der Leute nicht zu ernst", meinte er und lächelte nervös. "Wir sollten uns nicht beeinflussen lassen. Ich möchte unsere Hochzeit nicht als Vorwand nutzen, um mit meinem Reichtum zu protzen. Mir reicht eine kleine, schöne Feier mit unseren engsten Freunden. Und natürlich müssen wir auch nicht in Frankreich heiraten, wenn du nicht möchtest."

Crocodile nickte zaghaft. Noch immer war nicht ganz bis zu ihm durchgedrungen, dass sein Partner mehrere Yachten besaß. Unweigerlich fragte er sich, wie viele Dinge es noch gab, von denen dieser ihm nie erzählt hatte. Doch welches Recht nahm er sich heraus, über Doflamingo zu urteilen? Schließlich war er selbst doch der größte Geheimniskrämer.

"Wir werden schon einen passenden Ort für unsere Hochzeit finden", sagte Crocodile und drückte die Hand seines Verlobten. "Da mache ich mir keine Sorgen. Ich bin mir sicher, dass es ein wundervolles Fest wird. Ganz gleich, in welchem Land es stattfindet und an welchem Tag."
 

*
 

Es war Mittwoch und Crocodile hatte unfassbar gute Laune. Heute war sein erster Monatslohn angekommen und er freute sich sehr über das dringend benötigte Geld. Sofort beglich er diejenigen Schulden, die ihm derzeit am schlimmsten im Nacken saßen; außerdem hob er 4.000 Berry in bar ab, die er später Doflamingo geben wollte. Es nagte an Crocodile, dass er seinem Verlobten noch immer nicht das Geld für die Geschenke seiner beiden Geschwister zurückgegeben hatte. Und auch wenn er die nicht gerade kleine Summe eigentlich viel besser investieren könnte, hielt er es doch für die richtige Entscheidung, zuerst die Schulden, die er bei seinem Verlobten hatte, zu bezahlen. Der Gedanke, dass dieser ihn für einen Schmarotzer halten könnte, war für Crocodile absolut unerträglich. Immerhin war er eine schrecklich stolze Person. Und er wollte Doflamingo nicht das Gefühl geben, dass er ihn ausnutzte.

Außerdem war er zuversichtlich, dass nun, da er wieder über ein festes Einkommen verfügte, bald all seine Schulden endgültig getilgt sein würde. Crocodile hatte sich ausgerechnet, dass er in weniger als einem Jahr schuldenfrei wäre, wenn er jeden Monat mindestens 85 Prozent seines Gehalts einzahlte. Bereits jetzt wartete er sehnsüchtig auf den Moment, da sein Kontoauszug endlich wieder eine Zahl zeigen würde, bei der ihm nicht nach Heulen zumute war.

Die Arbeit lief gut. Crocodile fühlte sich sehr wohl bei Tom's Workers. Kiwi und Moz schauten immer mal wieder in seinem Büro vorbei, um ihm einen Kaffee zu bringen und ein wenig zu plaudern, doch trotzdem kam er gut voran, was die Planung der in wenigen Monaten stattfindenden Elektronikmesse anging. Schon zwei Wochen nach seiner Einstellung hatte er Franky vernünftige Ergebnisse vorweisen können. Crocodile überzeugte durch seine hohe Kompetenz, seine Zuverlässigkeit und seinen Fleiß. Er war unfassbar froh darüber, endlich wieder mit verantwortungsvollen Aufgaben betraut zu werden, anstatt bloß stupide Praktikantenarbeiten erledigen zu müssen, und stürzte sich in geradezu die Arbeit. Im Büro blühte er regelrecht auf.

Diese Veränderung hatte auch positive Auswirkungen auf die Zeit, die Crocodile gemeinsam mit Doflamingo verbrachte. Er fühlte sich insgesamt deutlich glücklicher, lachte öfter und war nicht mehr ständig angespannt.

Selbst wenn er nachmittags erschöpft nach Hause kam, ließ er sich nicht die Laune verderben. Er tröstete sich mit dem Gedanken, dass er heute viel geleistet hatte und stolz auf seine Arbeit sein konnte. Dass er bis spätabends im Büro blieb, stellte inzwischen außerdem bloß noch eine absolute Ausnahme dar; normalerweise machte er pünktlich um achtzehn Uhr Arbeitsschluss. Und da sich sein Arbeitsweg um die Hälfte verkürzt hatte, sparte er sich überdies insgesamt eine Stunde Autofahrt pro Tag.
 

Um achtzehn Uhr dreißig abends betrat Crocodile das Wohnzimmer. Sein Partner saß auf der Couch und sah sich irgendeinen Film an. Doflamingo begann wochentags üblicherweise später mit der Arbeit als er, doch kam trotzdem etwa eine Stunde früher nach Hause. Obwohl er mehrere Unternehmen zu führen hatte, arbeitete er im Gegensatz zu Crocodile nur acht Stunden am Tag (Pausenzeiten inklusive).

Als Doflamingo ihn bemerkte, lächelte er und schaltete den Fernseher stumm. "Da bist du ja endlich, Wani", begrüßte er ihn mit freundlicher Stimme und bedeutete ihm, sich dazu zu setzen. "Wie war die Arbeit heute?"

"Gut", antwortete Crocodile, während er neben seinem Verlobten Platz nahm. Er ließ zu, dass Doflamingo einen Arm um ihn legte; lehnte sich sogar in die Umarmung hinein. "Und bei dir? Du hattest heute doch das Geschäftsessen mit... ähm, wie hieß noch gleich der Geschäftsführer des Pharmaunternehmens... Caesar Clown, nicht wahr? Ist alles gut gegangen?"

Doflamingo nickte breit grinsend. "Es lief wunderbar", erklärte er enthusiastisch. "Caesar Clown war unfassbar leicht um den Finger zu wickeln. Ich war dazu in der Lage, sehr rentable Verträge für die Miracle-Sakura-Klinik abzuschließen. Dieses Geschäftsessen hat sich auf jeden Fall bezahlt gemacht!"

"Das freut mich zu hören", sagte Crocodile. Er zögerte für einen kurzen Moment, ehe er anfügte: "Apropos bezahlen. Du bekommt doch noch Geld von mir." Er kramte die 4.000 Berry aus seinem Portemone hervor und hielt sie Doflamingo hin. "Für Mihawks Ritterschwert und den Kinderwagen für Hancocks Baby. Du bist beide Male für mich in Vorkasse gegangen, weißt du nicht mehr? Ich habe es zwischenzeitlich ganz vergessen gehabt, aber heute ist es mir wieder eingefallen. Hier, nimm!"

Doflamingo verzog ungläubig das Gesicht. "Ich will dein Geld nicht", erwiderte schließlich in einem beinahe schon beleidigt klingenden Tonfall.

"Aber es ist doch gar nicht mein Geld", wandte Crocodile ein, "sondern deins. Du hast es mir sozusagen geliehen. Und jetzt möchte ich es dir zurückgeben."

Sein Verlobter fuhr sich mit der rechten Hand durch sein kurzes, blondes Haar. Er atmete tief ein und aus, ehe er meinte: "Wie oft muss ich dir das noch erklären, Croco? Ich bestehe nicht auf getrennte Kassen. Ich habe absolut kein Problem damit, dich ab und an einzuladen. Und bitte komm nicht wieder mit dem Argument an, dass du dich nicht wie ein Schmarotzer fühlen möchtest. Denn das bist du ganz sicher nicht. Ganz im Gegenteil: Du bist der einzige Mensch, der nicht bloß wegen meines Geldes eine Beziehung mit mir eingegangen ist. Also hör bitte endlich damit auf, ständig jeden Berry aufzurechnen, ja? Dieses Verhalten geht mir nämlich allmählich tierisch auf die Nerven, weißt du?"

"Ähm", erwiderte Crocodile recht unbeholfen. "O-okay, gut, wenn du das Geld nicht annehmen möchtest, dann behalte ich es eben. Ich habe es nicht böse gemeint."

Crocodile musste zugeben, dass er sich insgeheim über die Weigerung seines Verlobten freute. Für ihn waren 4.000 Berry sehr viel Geld. Geld, das er momentan verdammt gut gebrauchen könnte. Es würde ihm bei seinem Vorhaben, in zwölf Monaten wieder schuldenfrei zu sein, einen großen Schritt nach vorne bringen. Crocodile fragte sich unweigerlich, ob es armselig war, so zu denken. Er war eine sehr stolze Person und hatte (ehe sein Leben in die Binsen gegangen war) niemals damit gerechnet, sich jemals in einem solchen Dilemma wiederzufinden.

"Ich weiß doch, dass du es nur gut meinst", lenkte Doflamingo rasch in einem beschwichtigenden Tonfall ein. "Du bist ein stolzer Mann und möchtest nicht den Eindruck erwecken, du würdest mir auf der Tasche liegen. Aber wir beide sind inzwischen verlobt und deswegen solltest du dich endlich umgewöhnen. Wenn wir erst einmal verheiratet sind, wird es ja sowieso keine getrennten Kassen mehr geben. Dann löst sich dieses Problem hoffentlich von selbst. Bitte versteh mich nicht falsch, aber mich nerven diese Diskussion wirklich enorm. Es geht immer wieder um dasselbe Thema und was die Lösung angeht, drehen wir uns nur im Kreis herum."

Crocodile wurde hellhörig; nervös betastete er das Bündel Geldscheine in seiner Hand. "Wenn wir verheiratet sind, wird es keine getrennten Kassen mehr geben?", hakte er nach. "Wie meinst du das?"

"Nun ja, was mir gehört, gehört dann auch dir, und andersherum", erwiderte Doflamingo unbekümmert. "Ich meine, darum geht es doch in einer Ehe, nicht wahr? Dass man alles miteinander teilt und gemeinsam an einem Strang zieht. Wir werden nicht mehr zwei einzelne Menschen sein, sondern die beiden Hälften einer Gemeinschaft bilden."

Crocodile schluckte. Auch wenn die Worte seines Verlobten mit Sicherheit positiv gemeint waren, musste er zugeben, dass er diese eher als bedrohlich empfand. Er fühlte sich in die Ecke gedrängt. Im Gegensatz zu Doflamingo, der unvorstellbar reich war, brachte er überhaupt kein Kapital mit in ihre Ehe hinein. Schlimmer noch: Durch ihre Heirat würde er seinen Partner mit Schulden in Höhe von beinahe 300.000 Berry belasten. Das war kein sonderlich guter Deal; zumindest für Doflamingo nicht.

"Ist die Vorstellung von einer gemeinsamen Kasse denn überhaupt realistisch?", fragte Crocodile ausweichend. "Genauso wie ich verfügst du doch mit Sicherheit über mehrere Bankkonten. Immerhin beziehst du Geld aus vielen verschiedenen Quellen. Keiner von uns beiden entspricht dem Bild des mittelständischen Bürgers, der sein Leben über bloß ein einziges Konto abwickelt. Wie sollen wir eine gemeinsam Kasse einrichten, wenn wir nicht einmal selbst bloß über eine einzige verfügen? Ich denke nicht, dass wir unsere Finanzen so einfach zusammenlegen können. Dafür ist unser Vermögen viel zu vielschichtig organisiert."

"Dessen bin ich mir bewusst", räumte Doflamingo ein. "Das meinte ich ja auch überhaupt nicht. Bloß, dass wir im Alltag nicht mehr zwischen meinem und deinem Besitz werden unterscheiden müssen. Dann spielt es keine Rolle mehr, wer von uns nun die Rechnung im Restaurant, den Ausbau des Wintergartens oder das neue Auto bezahlt. Denn das Geld, das wir privat ausgeben, gehört uns beiden. Es macht einfach keinen Unterschied mehr." Doflamingo lächelte, ehe er anfügte: "Die Miete, die du mir monatlich zahlst, können wir uns außerdem auch sparen. Denn selbstverständlich wird die Villa nicht nur mir, sondern auch dir gehören. Und genau dasselbe gilt für meine Wagen, meinen Privatjets, meine Yachten und so weiter. Alles, was mir gehört, möchte ich mit dir teilen, Wani. Sobald wir verheiratet sind, hat jeder ein Anrecht auf den Besitz des Anderen."

Crocodile schluckte. Doflamingo wollte seinen unfassbaren Reichtum mit ihm teilen und sollte im Gegenzug Schulden in Höhe von 300.000 Berry zurückbekommen? Das klang in Crocodiles Ohren nicht sonderlich fair. Hektisch suchte er nach einer Möglichkeit, um seinem Verlobten diese Idee rasch wieder aus dem Kopf zu schlagen. Er konnte einfach nicht zulassen, dass seine Schulden auf Doflamingo abgewälzt wurden. Sie waren Crocodiles Last allein. Sein Partner sollte nicht darunter leiden.

"Hälst du das wirklich für eine gute Idee?", fragte er schließlich mit zögerlicher Stimme. "Ich bin nicht so reich wie du. Im Gegensatz zu dir besitze ich keine Privatjets, keine Luxusyachten, nicht einmal Wohneigentum; und auch bloß ein einziges Auto." Kündigung hin oder her: Dies waren simple Tatsachen, über die auch Doflamingo Bescheid wusste. Selbst zu seinen besten Zeiten hatte Crocodile niemals mit seinem Partner mithalten können. "Stell dir nur einmal vor, wir würden uns irgendwann scheiden lassen. Dann würde mir praktisch die Hälfte deines Vermögens zustehen. Ich würde aus dieser Ehe mit mehr Geld austreten, als ich eingetreten bin. Ich bin mir nicht sicher, ob ich mich wohl fühle bei diesem Gedanken. Vielleicht sollten wir lieber einen Ehevertrag aufsetzen. Und auch während unserer Ehe getrennte Kassen führen. Ich möchte dich nicht ausbeuten."

Doflamingo verzog das Gesicht. "Wie kannst du so etwas nur sagen?", meinte er. Er erhob seine Stimme nicht, doch klang schrecklich wütend und auch verletzt, während er sprach. "Für mich kommt eine Ehevertrag überhaupt nicht infrage. Wieso sollte man denn überhaupt heiraten, wenn man am Ende doch von einer Scheidung ausgeht? Ich vertraue darauf, dass unsere Ehe nicht scheitern wird. Warum sollte sie das auch? Wir lieben einander und begegnen uns mit gegenseitigem Respekt. Niemals würde ich dich betrügen oder hintergehen."

"Das weiß ich doch", lenkte Crocodile ein und überlegte hastig, was er als nächstes sagen sollte. "So habe ich es auch überhaupt nicht gemeint. Aber vielleicht sollten wir doch lieber auf Nummer sicher gehen. Eine Scheidung kann immerhin viele verschiedene Gründe haben. Vielleicht leben wir uns einfach auseinander. Oder einer von uns beiden wir schwerkrank. Heutzutage halten nicht einmal mehr die Hälfte aller geschlossenen Ehen. Und ich möchte nicht, dass mir in einem solchen Fall nachgesagt wird, ich hätte dich bloß geheiratet, um an dein Geld zu kommen..."

"Halt! Stopp! Verdammt noch mal!"

Crocodile hielt inne und warf Doflamingo einen verwunderten Blick zu. Sein Partner hatte die Arme vor dem Oberkörper gekreuzt und an seiner Stirn pochte wütend eine rote Ader. Crocodile schluckte. Er konnte überhaupt nicht nachvollziehen, wieso Doflamingo plötzlich so wütend wurde.

"Du redest absoluten Unsinn!", warf dieser ihm vor. "Wie kommst du nur auf diese bescheuerten Ideen? Glaubst du etwa ernsthaft, dass wir uns jemals auseinander leben würden? Habe ich dir in unserer gesamten Beziehung auch nur eine Minute lang das Gefühl gegeben, ich hätte genug von dir? Und wieso denkst du, dass ich dich verlassen würde, falls du schwerkrank werden solltest? Ich bete zu Gott, dass dieser Fall niemals eintreten wird, doch sollte es geschehen, wäre eine Trennung das allerletzte, woran ich denken würde. Natürlich würde ich dich unterstützen, wo ich nur könnte. Genauso wie mein Vater meine Mutter unterstützt hat, als sie krank wurde. Ich fasse es einfach nicht, dass du solch eine schlechte Meinung von mir hast! Deine Worte sind verletzend, Crocodile! Für wie egoistisch und rücksichtslos hältst du mich eigentlich?"

Doflamingo atmete hörbar ein und aus. Sein Gesicht war inzwischen knallrot angelaufen. Er wirkte unfassbar wütend und aufgebracht. Man könnte meinen, Crocodile hätte ihn aufs Übelste beleidigt. Doflamingo zögerte noch einen kurzen Moment lang, ehe er abschließend feststellte: "Wenn du tatsächlich der Ansicht bist, dass ein Ehevertrag notwendig ist, dann können wir uns diese Hochzeit auch gleich sparen. Mein Heiratsantrag sollte einen Liebes- und Vertrauensbeweis darstellen. Und indem du auf einen Ehevertrag bestehst, machst du deutlich, dass du mir leider nicht dasselbe Maß an Liebe und Vertrauen entgegenbringst. Ich bekomme allmählich das Gefühl, dass du mich überhaupt nicht heiraten möchtest, Crocodile..."

Crocodile musste schlucken. Er hatte nicht damit gerechnet, dass dieses Gespräch dermaßen eskalieren würde. Doch anscheinend vertrat sein Partner eine ganz andere Einstellung als er, was das Aufsetzen eines Ehevertrags anging. Crocodile war sich dessen bewusst, dass er seine nächsten Worte sehr sorgsam wählen sollte. Er bewegte sich auf äußerst dünnem Eis. Doflamingo schien dieses Thema sehr ernst zu sein und er wollte seinen Verlobten nicht enttäuschen.

Um ehrlich zu sein, hatte Crocodile kein großes Problem damit, Regelungen für den Fall einer Scheidung festzuhalten. Er war kein naiver Romantiker, sondern ein rational denkender Mensch. In der Gesellschaft, in der sie lebten, gab es nun einmal eben eine hohe Scheidungsrate. Dabei handelte es sich um einen simplen Fakt. Sollte ihre Ehe also ebenfalls in die Brüche gehen, konnten sie sich an ihrem gemeinsam ausgearbeiteten Vertrag orientieren, anstatt heftige Gerichtsverfahren zu durchschreiten, in denen geklärt wurde, wem von ihnen was zustand. Und wenn ihre Ehe tatsächlich bis zu ihrem Tod halten sollte, erledigte sich die Sache doch sowieso von selbst. Dieses Prinzip beinhaltete also ausschließlich Vorteile, fand Crocodile.

Und vor allem in seiner derzeitigen Lebenssituation käme ihm ein Ehevertrag zugute. Dann müsste er sich nämlich keine Gedanken darüber machen, dass Doflamingo womöglich für seine Schulden in Höhe von beinahe 300.000 Berry aufkommen müsste. Alles würde sich viel einfacher gestalten.

Leider hielt sein Verlobter von diesem Vorschlag ganz offensichtlich überhaupt nichts. Die manchmal doch furchtbar traditonellen und altmodischen Einstellungen Doflamingos überraschten ihn immer wieder. Dabei hatte Crocodile eigentlich gedacht, dass eher er der Konservative und Konventionelle von ihnen beiden war.

"Sag doch bitte so etwas nicht", meinte Crocodile; es fiel ihm nicht allzu schwer, nun seinerseits beleidigt und verletzt zu klingen. "Natürlich möchte ich dich heiraten. Und wenn es dir wirklich so viel bedeutet, dann können wir auch auf den Ehevertrag verzichten. Es ist ja bloß ein Vorschlag gewesen. Und es war auch nicht meine Absicht, dich an meiner Liebe oder meinem Vertrauen in unsere Beziehung zweifeln zu lassen."

Erleichtert stellte Crocodile fest, dass sein Partner sich wieder zu entspannen begann. Die Ader an seiner Stirn verschwand und seine Körperhaltung lockerte sich auf.

"Mir geht es nur darum, keinen falschen Eindruck zu erwecken", fuhr Crocodile fort. "Ich kann mir gut vorstellen, dass es sehr viele Menschen gibt, die der Ansicht sind, ich würde dich bloß deines Geldes wegen heiraten. Die mir vorwerfen, ich würde deine Liebe zu mir schamlos ausnutzen und gleich nach unserer Hochzeit die Scheidung einreichen, um an die Hälfte deines Vermögens zu kommen. Und, nun ja, ich dachte eben, indem wir einen Ehevertrag aufsetzen, könnte ich diesen Gerüchten bestimmt entgehen."

Glücklicherweise schienen seine Worte Doflamingo zu besänftigen. "Das kann ich verstehen", meinte dieser mit gesenktem Blick. "Aber ein Ehevertrag kommt für mich trotzdem unter keinen Umständen infrage. Mir ist es egal, was irgendwelche Menschen vielleicht über dich oder unsere Hochzeit denken werden. Sollen sie sich doch ihre blöden Mäuler zerreißen! Ich weiß, dass du mich nicht ausnutzt und nicht um meines Geldes willen heiratet. Und das ist alles, was für mich zählt."

Crocodile seufzte innerlich enttäuscht auf. Er hatte gehofft, seinen Partner doch noch überreden zu können, aber anscheinend biss er sich an diesem die Zähne aus. Offenbar war es absolut unmöglich, Doflamingo vom Aufsetzen eines Ehevertrags zu überzeugen. Damit würde Crocodile sich wohl oder übel abfinden müssen. Er kannte seinen Verlobten und dessen unsägliche Hartnäckigkeit einfach viel zu gut. Dieser Lösungsweg kam für ihn also nicht infrage.
 

"Ich bin froh, dass wir diese Sache geklärt haben", sagte Doflamingo und lächelte. Nun, da sie ihre Diskussion beendet hatten, machte sein Partner einen solch fröhlichen und unbekümmerten Eindruck wie eh und je. Doflamingo war keine nachtragende Person. "Allerdings gibt es noch genug andere Punkte, über die wir uns endlich einig werden sollten. Schließlich haben wir immer noch nicht damit begonnen, unsere Hochzeit wirklich ernsthaft zu planen. Wir wissen nicht einmal, wann und wo die Feier stattfinden soll. Und du hast ja unbedingt darauf bestanden, unsere Hochzeit selbst auszurichten, anstatt einen Wedding Planer zu engagieren. Wir sollten also endlich mit der Planung beginnen! Ich möchte dir nämlich am liebsten so bald wie möglich das Ja-Wort geben!"

"Ich weiß gar nicht, wo wir anfangen sollen", murmelte Crocodile ausweichend. "Wir müssen einen geeigneten Ort und ein passendes Datum finden, die Gästeliste erstellen, Einladungskarten gestalten und verschicken, Dekoration aussuchen, uns um die Musik kümmern und noch vieles mehr. Außerdem haben wir beide sehr unterschiedliche Geschmäcker. Wir werden uns nicht sonderlich oft einig sein, da bin ich mir sicher. Es wird lange dauern, bis alles wirklich absolut perfekt ist."

Erstaunlicherweise konnte Crocodile Doflamingo leise glucksen hören. "Ich freue mich schon sehr darauf, unsere Hochzeit vorzubereiten", verriet dieser ihm. "Aber gerade weil die Planung vermutlich ein ziemlich langwieriger Prozess sein wird, sollten wir endlich damit beginnen. Warum setzen wir uns nicht einfach dieses Wochenende zusammen und fangen damit an, eine Gästeliste auszuarbeiten?"

"Dieses Wochenende?", wiederholte Crocodile und biss sich auf die Unterlippe. Er hatte nicht damit gerechnet, dass sein Partner schon in so naher Zukunft die Planung ihrer Hochzeit in Angriff nehmen wollte. Er musste sich schleunigst irgendetwas einfallen lassen, um diesen Termin weiter hinauszuschieben.

Doflamingo nickte. "Ist das ein Problem für dich?", fragte er ihn.

"Nun ja, nicht direkt", lenkte Crocodile ein. "Es ist nur, na ja..." Verzweifelt suchte er nach einer glaubwürdigen Ausrede, doch musste leider feststellen, dass sein Kopf wie leergefegt war. Schließlich blieb ihm nichts Anderes übrig als aufzugeben. "Ach, was soll's...", meinte er schließlich unbeholfen und lächelte nervös. "Es ist nichts weiter. Gut, von mir aus können wir am Wochenende damit beginnen, die Gästeliste zu erstellen."

"Du wolltest doch eigentlich etwas Anderes sagen", entgegnete Doflamingo mit zusammengezogenen Augenbrauen. "Passt dir dieses Wochenende nicht?"

"Ähm..." Crocodile senkte den Blick. Er atmetete einmal tief ein und aus. Und gerade, als er den Blick auf seine schwarzen Lederschuhe warf, kam ihm die rettende Idee: "Eigentlich hatte ich etwas Anderes für uns beide geplant. Aber wenn du lieber mit den Hochzeitsvorbereitungen beginnen möchtest, ist das auch in Ordnung für mich."

Er hatte gar nicht mehr daran gedacht gehabt, doch Franky hatte ihm vor zwei Wochen Karten für ein Konzert des berühmten Musikers Brook, das am Samstag in der Nachbarstadt stattfinden sollte, geschenkt gehabt. Die beiden VIP-Karten waren als eine Belohnung für seine gute Arbeit gedacht gewesen; Franky war nämlich absolut begeistert von den schnellen Fortschritten, die sie durch ihn bei der Arbeit machten. Crocodile hatte sich höflich bedankt und sich, um ehrlich zu sein, auch sehr über die nette Geste gefreut, doch niemals ernsthaft in Erwägung gezogen, das Konzert tatsächlich zu besuchen. Nun allerdings kam ihm dieses Geschenk sehr entgegen.

"Was hast du denn geplant gehabt?", hakte Doflamingo neugierig nach und rückte näher an ihn heran.

"Nun ja, du hörst doch gerne die Musik von Brook", erklärte Crocodile. "Und dieses Wochenende findet ganz in der Nähe ein Konzert von ihm statt. Ich habe zwei Karten für uns besorgt und wollte dich damit überraschen. Aber wenn du nicht hingehen möchtest, dann verstehe ich das und..."

Doflamingo biss sofort an. "Natürlich möchte ich hingehen!", warf er rasch mit enthusiastischer Stimme ein.

Crocodile grinste. Er hatte geahnt, dass sein Partner mit Begeisterung auf diesen Vorschlag reagieren würde. Eigentlich war Crocodile kein Mensch, der oft oder sonderlich gerne ausging. Aus diesem Grund quittierte Doflamingo üblicherweise jedes Angebot, einen gemeinsamen Ausflug zu unternehmen, mit Zustimmung.

Unabhängig davon freute er sich bestimmt auch darüber, dass sein Verlobter sich eine nette Überraschung für ihn ausgedacht hatte. Da Crocodile im Gegensatz zu Doflamingo einfach kein Romantiker war und und es ihm außerdem an Kreativität mangelte, was solche Dinge anging, hoffte sein Partner zumeist vergebens auf Gesten dieser Art. Dass er Konzertkarten für sie beide besorgt hatte, freute Doflamingo also verständlicherweise außerordentlich.

"Oh nein, jetzt habe ich die ganze Überraschung verdorben", jammerte er in einem entschuldigend klingenden Tonfall. "Aber du kannst dir sicher sein, dass ich mich wirklich sehr freue! Es ist sehr lieb von dir, dass du dir so etwas Nettes für mich überlegt hast. Ich möchte auf jeden Fall gemeinsam mit dir zu dem Konzert gehen. Dann verschieben wir das Erstellen der Gästeliste eben um eine Woche; das macht ja nichts."

Crocodile atmete erleichtert auf und nickte zustimmend. "Dass die Überraschung ruiniert worden ist, ist nicht weiter schlimm", tröstete er seinen Partner. "Es hat sogar einen Vorteil: Ich war mir nämlich nicht sicher, ob du nach Ende des Konzerts direkt wieder nach Hause fahren möchtest oder ob wir uns für die Nacht ein Hotel suchen sollen. Also: Was ist dir lieber? Dann kann ich gegebenenfalls auch gleich ein Hotelzimmer reservieren."

"Ich fände es besser, wenn wir in einem Hotel absteigen würden", antwortete Doflamingo ihm. "Bei Nacht und wenn man erschöpft ist, sollte man keine weiten Strecken mit dem Auto zurücklegen."

"Okay, gut." Crocodile zögerte einen kurzen Moment lang, ehe er anfügte: "Hoffentlich finden wir so kurfristig ein Zimmer, das unseren Ansprüchen gerecht wird. Ich sollte am besten sofort mal im Internet nachsehen."

Unweigerlich bereutete Crocodile es, seinem Verlobten eine Hotelübernachtung angeboten zu haben. Sicherlich war dieser bloß absolut luxuriöse Zimmer in exklusiven Hotels gewohnt. Leider hatten solche Unterkünfte im Regelfall auch einen entsprechenden Preis.

Vielleicht könnte er Doflamingo vorgaukeln, dass alle oberklassigen Hotels bereits ausgebucht worden waren und sie darum in einem weniger luxuriösen Haus würden übernachten müssen? Crocodile war nicht geizig; er hatte nicht vor, seinem Verlobten eine furchtbare Absteige anzubieten, doch auf der anderen Seite vertrat er durchaus die Ansicht, dass man für eine Nacht auch mit einem mittelpreisigen Hotelzimmer Vorlieb nehmen konnte.

"Es macht mir nichts aus, in einem weniger hochwertigen Hotel abzusteigen, wenn alle besseren komplett ausgebucht sein sollten", warf Doflamingo ein, als hätte er seine Gedanken gelesen. "Allerdings denke ich nicht, dass das nötig sein wird. Bestimmt finden wir auch kurzfristig noch ein Zimmer in einem Fünf-Sterne-Hotel; das dürfte eigentlich kein Problem sein. Es kommt selten vor, dass in einem Haus wirklich jedes einzelne Zimmer belegt ist."

"Ich weiß nicht, wie die Situation wegen des Konzerts aussieht", wandte Crocodile ein. "Aber was nützt es uns zu spekulieren? Wie wäre es, wenn du in der Küche Bescheid gibst, dass man das Abendessen für uns beide vorbereiten soll, während ich in der Zwischenzeit im Internet nach einem passenden Hotel suche? Dann werden wir ja sehen, womit wir rechnen müssen."

Doflamingo nickte. "Okay, gut", meinte er mit fröhlicher Stimme.
 

*
 

Die Nachbarstadt, in der das Konzert des Musikers Brook stattfinden würde, war nicht allzu groß. Es gab bloß zwei Fünf-Sterne-Hotels. Eines der beiden Häuser war tatsächlich bereits vollständig ausgebucht worden; das andere bot noch acht freie Zimmer an. Die Hotelzimmer kosteten je nach Größe und Ausstattung zwischen 400 und 600 Berry pro Nacht. Privat hatte Crocodile noch niemals so viel Geld für eine Übernachtung ausgegeben, doch er hatte manchmal auf Geschäftsreisen in Zimmern dieser Preisklasse genächtigt, wenn die Bank die Kosten übernahm.

"Insgesamt sieht es eher schlecht aus", erklärte Crocodile seinem Partner, als sie beide gemeinsam zu Abend essen. Es gab Crocodiles Leibgericht: Spaghetti mit Oliven und Tomaten. "Ich habe bloß ein einziges Fünf-Sterne-Hotel finden können, das noch ein paar Zimmer frei hat: Das Hotel Moby Dick. Ein Doppelzimmer kostet etwa 400 Berry pro Nacht. Wäre das in Ordnung für dich?"

"Klar, wieso nicht?", erwiderte Doflamingo mit unbekümmert klingender Stimme.

"Okay, gut." Crocodile freute sich darüber, dass sein Partner sich mit einem der günstigeren freien Zimmer zufriedengab. Er wollte sich gar nicht vorstellen, welche Hotel-Standards sein unvorstellbar reicher Verlobter normalerweise gewohnt war. Aber jedenfalls war er höflich genug, um sich angesichts der Tatsache, dass es sich bei der Übernachtung um ein Geschenk handelte, nicht zu beschweren. "Dann buche ich gleich sofort, wenn wir mit dem Abendessen fertig sind. Es gab nicht einmal mehr zehn freie Zimmer und wenn wir noch länger warten, sind die schlimmstenfalls auch bald weg. Wir haben wirklich Glück gehabt."

Doflamingo nickte und stopfte sich eine weitere Portion Nudeln in den Mund. Als er hinuntergschluckt hatte, erklärte er: "Ich bin vor ein paar Jahren schon einmal im Moby Dick abgestiegen. Es ist ein wirklich sehr schönes Hotel. Mit dem Besitzer Whitebeard habe ich sogar schon mal Geschäfte gemacht."

"Oh, tatsächlich?", warf Crocodile ein und stocherte nervös in seinem Schafskäse herum. "Ein komischer Zufall. Nun ja, die Welt ist klein."

Er hoffte von ganzem Herzen, dass diese Bekanntschaft nicht zu Problemen führen würde. Schlimmstenfalls bot Whitebeard seinem alten Geschäftspartner freundlicherweise ein hochwertigeres Zimmer an und dann fände Crocodile sich in schlimmer Erklärungsnot wieder. Welchen Grund könnte er anführen, der erklärte, wieso er nicht von Anfang an das bessere Zimmer reserviert hatte? Hoffentlich flog seine Lüge darüber, dass bloß noch Zimmer für 400 Berry pro Nacht frei waren, nicht auf. Sein Verlobter wäre sicherlich furchtbar wütend und enttäuscht.

"Ich freue mich schon auf das Konzert", meinte Doflamingo und trank einen großes Schluck Cola. Im Gegensatz zu seinem Partner liebte er süße Getränke wie Limonade oder Fruchtsäfte. "Brook ist wirklich ein begnadeter Musiker! Ich hörte, dass die Karten unheimlich schnell weggingen; schon einen Tag später war der Konzertsaal vollständig ausgebucht. Es ist wirklich klasse, dass du noch zwei Karten für uns bekommen hast."

Crocodile bemühte sich um ein freundliches Lächeln. Er war sich dessen bewusst, dass Doflamingo dies nur sagte, um seine Wertschätzung für die nette Überraschung, die sein Partner ihm gemacht hatte, auszudrücken. Natürlich wäre er selbst zu jeder Zeit kinderleicht an Karten gekommen, wenn er das Konzert unbedingt hätte besuchen wollen. Viele Grenzen und Hindernisse lösten sich ganz einfach von selbst auf, wenn man Multimillionär war.

Trotzdem sprang Crocodile auf den Zug auf. "Es sind VIP-Karten", erklärte er seinem Verlobten. "Unsere Plätze sind ganz vorne."
 

Es war Samstagmittag. Crocodile warf einen undefinierbaren Blick auf die beiden Konzertkarten, die er in der Hand hielt und anschließend in seinem Portemone verstaute. Er wusste nicht so recht, wie er sich angesichts des bevorstehenden Abends fühlen sollte.

Auf der einen Seite ärgerte er sich über sich selbst, weil er so bald schon wieder 400 Berry weniger in der Tasche haben würde, doch auf der anderen Seite musste er zugeben, dass es alles in allem auch deutlich schlimmer sein könnte. Da Doflamingo die 4.000 Berry, die ihm wegen der Geschenke für Mihawk und Hancock eigentlich zustanden, abgelehnt hatte, kam Crocodile immerhin immer noch auf ein Plus von 3.600 Berry. Außerdem machte es ihn glücklich zu sehen, dass sein Partner sich ehrlich über die geplante Überraschung zu freuen schien; schon den ganzen Tag lang sprach er von dem Konzert.

Auch wenn erst um einundzwanzig Uhr Einlass war und die Autofahrt in die Nachbarstadt bloß eine, allerhöchstens eineinhalb Stunden dauern würde, bestand Doflamingo darauf, dass sie sich schon gegen sechzehn Uhr auf den Weg machten. Crocodile ahnte, dass sein Partner sich gerne noch mit ihm im Hotelzimmer vergnügen wollte, ehe es los zum Konzert ging. Crocodile, der beschlossen hatte sich nicht zu ärgern, sondern dem Abend eine faire Chance zu geben, störte diese Aussicht nicht.

Als er gegen fünfzehn Uhr fünfundvierzig das Wohnzimmer betrat, hatte Doflamingo allerdings seine Unterhaltung mit Law noch immer nicht beendet. Der dunkelhaarige Mann mit den mysteriösen Tatoos war ein sehr guter Freund seines Verlobten und kam oft zu Besuch. Er grüßte Crocodile, als er den Raum betrat, und wandte sich dann wieder Doflamingo zu.

Überhaupt lud sein Verlobter sehr gerne Besuch ein; er war ein sehr geselliger Mensch und genoss die Rolle des großzügigen Gastgebers regelrecht. Crocodile allerdings fühlte sich manchmal gestört durch die vielen verrückten und oftmals auch sehr lauten Freunde seines Partners. Im Gegensatz zu Doflamingo war er kein allzu kontaktfreudiger Mensch und legte vor allem großen Wert auf seine Privatsphäre. Da die Villa jedoch Doflamingo gehörte, vertrat er die Ansicht, dass er kein Recht dazu hatte, diesen darum zu bitten seine Freunde weniger häufig einzuladen. Sein Haus, seine Regeln.

"Einen Moment, Croco", zwitscherte sein Verlobter fröhlich, während er Law einen schwarzen Motorradhelm reichte, der bis eben noch auf dem Couchtisch gelegen hatte. "Wir können gleich sofort los. Ich bringe Law nur eben zur Tür, ja?"

Crocodile, der nicht dazu in der Lage war seinen Blick von dem schicken Racinghelm abzuwenden, nickte geistesabwesend. Auch wenn er selbst über einen entsprechenden Führerschein verfügte und früher einmal stolzer Besitzer zweier Motorräder gewesen war, hatte er sich schon seit vielen Jahren auf keines mehr gewagt gehabt.

Trotzdem konnte Crocodile sich nicht zurückhalten und fragte unvermittelt: "Was für ein Motorrad fährst du, Law?"

Angesprochener warf ihm einen überraschten Blick zu; anscheinend hatte Law nicht damit gerechnet, dass der so konservative und langweilige Partner seines verrückten Freundes etwas von motorisierten Zweirädern verstand. "Eine Honda VFR 1200F", antwortete er.

"Darf ich sie mal sehen?", fragte Crocodile neugierig nach. Auch wenn es für ihn nicht infrage kam, jemals wieder Motorrad zu fahren, hatte er das Interesse an den schönen Zweirädern nie ganz verloren. Ab und an erwischte er sich selbst dabei, wie er einige Modelle bewunderte, wenn er zufällig die Gelegenheit dazu bekam.

"Klar", meinte Law. Er zögerte einen Moment lang, ehe er mit schief gelegtem Kopf anfügte: "Versteh mich bitte nicht falsch, Crocodile, aber um ehrlich zu sein, wundert mich dein Interesse. Doflamingo hat mir gegenüber nie erwähnt, dass du Motorrad fährst, und normalerweise erzählt er alles mögliche von dir."

"Er fährt kein Motorrad!", warf plötzlich Doflamingo unerwartet energisch ein. "Ich wüsste es, wenn er Motorrad fahren würde! Er fährt nur Auto, einen Mercedes C 216; er besitzt keine weiteren Fahrzeuge."

"Ich bin früher mal Motorrad gefahren", erklärte Crocodile. "Aber das ist lange her. Trotzdem sehe ich sie mir manchmal gerne an."

Law führte ihn zu seinem Fahrzeug, das draußen vor der Villa geparkt stand; er war nur eben zu einem kurzen Plausch mit Doflamingo vorbei gekommen, ansonsten hätte dieser veranlasst, dass das Motorrad in der Garage untergebracht wurde.

"Ein wirklich sehr schönes Modell", kommentierte Crocodile, während er um die schwarze Honda herumschlich und sie sich ganz genau ansah. "Darf ich fragen, wann du sie gekauft hast?"

"Erst vor etwa einem Jahr", antwortete Law ihm. "Vorher besaß ich das Vorgängermodell, die Honda VFR 800 FI, aber die 1200 F gefällt mir besser. Sie hat außerdem deutlich mehr PS."

Crocodile nickte. "Du scheinst sie gut zu pflegen."

"Natürlich." Law strich mit einer Hand über die Sitzfläche des Motorrads. Anschließend setzte er sich seinen schwarzen Racinghelm auf. Er passte gut zum sportlichen Design der Honda VFR 1200 F. "Aber ich möchte euch nicht länger aufhalten. Doflamingo wird bereits ungeduldig, sehe ich. Dann bis nächste Woche!"

Law gab ihnen beiden die Hand, ehe er auf sein Motorrad stieg. Crocodile wich unweigerlich einen großen Schritt zurück. "Fahr vorsichtig", meinte er. Law nickte unter dem schweren Motorradhelm. Einen Moment später hatte er bereits den Motor gestartet und brauste davon.

"Du hast mir nie erzählt, dass du Motorrad fährst!", warf Doflamingo ihm in einem ungemein vorwurfsvoll klingenden Tonfall vor, kaum war ihr Gast verschwunden. "Wie kommt es, dass ich so etwas nicht weiß?"

Crocodile zuckte mit den Schultern. "Ich fahre doch gar kein Motorrad mehr", erwiderte er gelassen. Er verstand überhaupt nicht, wieso Doflamingo so schrecklich empört war angesichts der Tatsache, dass ihm dieses Detail bisher noch unbekannt gewesen ist. "Also spielt es sowieso keine Rolle."

Doflamingo verschränkte die Oberarme vor der Brust und schob die Unterlippe vor. Crocodile musste unweigerlich lachen. Sein Verlobter wirkte wie ein frustriertes Kleinkind, dem man den Lutscher weggenommen hatte.

"Lach mich nicht aus", meinte Doflamingo und schob seine Unterlippe noch ein Stück weiter nach vorne. "Mir gefällt der Gedanke nicht, dass es Dinge von dir gibt, die ich nicht weiß. Immerhin heiraten wir bald. Da sollte man einander doch kennen!"

"Ärgere dich nicht", sagte Crocodile und küsste seinen Verlobten auf den Mund. "Du hast noch dein ganzes Leben lang Zeit, um alles von mir zu erfahren, was dich interessiert. Es gibt keinen Grund zur Eile."

Seine Worte schienen Doflamingo zu besänftigen. "Du hast Recht", meinte er und erwiderte den Kuss überaus leidenschaftlich. "Wir haben viele Jahrzehnte miteinander. Du bist der Mann meines Lebens. Aber ich kann einfach nicht anders als mich zu fragen, wie viele Geheimnisse es noch zu lüften gibt."

Crocodile löste ihren Kuss und zuckte mit den Schultern. Plötzlich begann er sich sehr unwohl zu fühlen. "Jeder Mensch hat seine Geheimnisse", meinte er schließlich ausweichend. "Ich bin mir sicher, dass ich auch noch nicht alles über dich weiß. Aber beenden wir dieses Thema jetzt lieber. Stattdessen sollten wir uns endlich auf den Weg machen. Das Konzert beginnt um neun Uhr und ich hätte nichts dagegen, vorher noch ein paar schöne Stunden gemeinsam mit dir in unserem Hotelzimmer zu verbringen."

Sofort grinste Doflamingo breit. "Stimmt, wir sind spät dran", meinte er. "Ich sage eben dem Fahrer Bescheid, dann können wir sofort los."
 

Das Fünf-Sterne-Hotel Moby Dick war ein wunderschöne Anlage, die sich auf einem großen und gut gepflegten Grundstück befand. Obwohl das Haus sehr zentral in der Innenstadt lag, war die Umgebung insgesamt ruhig und wirkte ebenso vornehm wie das luxuriöse Hotel. Crocodile musste wohl oder übel zugeben, dass die 400 Berry, die man hier allermindestens pro Nacht für ein Zimmer bezahlte, vermutlich durchaus gerechtfertigt waren.

Sie wurden persönlich von Whitebeard begrüßt, kaum hatten sie das große Foyer des Hotels betreten. (Unnötig zu erwähnen, dass ihrem Fahrer, der das Gepäck aus dem Kofferraum des Aston Martin DBS V12 lud, dieses sofort von ein paar Angestellten des Moby Dick abgenommen wurde.) Crocodile schluckte nervös und scharrte mit den Füßen, ehe er dem Inhaber des Fünf-Sterne-Hotels die Hand gab. Er hoffte von ganzem Herzen, dass dieser ihn nicht vor seinem Partner blamieren würde.

Angespannt lauschte Crocodile dem Small-Talk, den die beiden ehemaligen Geschäftspartner rege betrieben. Doch zum Glück sprachen sie bloß über alte Zeiten und irgendwelche Personen, von denen Crocodile noch nie zuvor gehört hatte. Gerade wollte er erleichtert aufatmen, als er Whitebeard jedoch völlig unvermittelt sagen hörte: "Ich habe mitbekommen, Doflamingo, dass du zusammen mit deinem Partner in einem unserer preisgünstigeren Zimmer nächtigen möchtest. Das kann ich unmöglich zulassen."

Crocodile biss sich auf die Unterlippe und senkte den Blick. Wieso nur, dachte er verzweifelt, musste Whitebeard unbedingt auf dieses Thema zu sprechen kommen? Ihr Gespräch war doch beinahe schon beendet gewesen! Crocodile hatte darauf gehofft, dieser Blöße entgehen zu können, doch anscheinend war er in dieser Hinsicht zu naiv gewesen. Nun würde er sich also doch vor seinem Verlobten verantworten und diesem erklären müssen, wieso er keines der teureren Zimmer für sie beide reserviert hatte. Sicherlich würde Doflamingo wütend werden und ihm an den Kopf werfen, er wäre ein schrecklicher Geizhals und seiner nicht würdig.

"Leider ist das Moby Dick absolut ausgebucht. Wegen des Konzerts, das heute Abend stattfindet, hat es einen sehr großen Andrang gegeben", fuhr Whitebeard fort. "Eines der anderen Zimmer kann ich euch beiden also nicht anbieten. Dafür allerdings die Präsidentensuite."

Nur mit viel Mühe gelang es Crocodile, einen erleichterten Seufzer zu unterdrücken. Glücklicherweise war das Horrorszenario, das er sich ausgemalt hatte, nicht eingetreten. Dafür stand er nun allerdings vor einem ganz anderen Problem: Wie nur sollte er eine Präsidentensuite bezahlen?

"Nein danke, das ist nicht nötig", meinte jedoch zu Crocodiles Überraschung sein Verlobter.

Er warf Doflamingo einen verwunderten Blick zu. Um ehrlich zu sein, hatte er fest damit gerechnet, dass sein reicher Partner bei diesem tollen Angebot sofort zugreifen würde. Bestimmt war er es gewohnt, in der Präsidentensuite, die zumeist die teuerste und größte Suite in einem Haus darstellte, zu übernachten.

Auch Whitebeard wirkte überrascht. "Bist du dir sicher?", hakte er nach. "Sehr gerne würde ich dir die Präsidentensuite überlassen. Selbstverständlich kostenfrei; immerhin sind wir doch alte Geschäftspartner."

Doflamingo schüttelte den Kopf. "Wir bleiben lieber bei dem Zimmer, das wir ursprünglich gebucht haben", meinte er in einem freundlich klingenden Tonfall.

Sowohl Whitebeard als auch Crocodile gab die plötzliche Bescheidenheit Doflamingos Rätsel auf, doch ihnen blieb wohl nichts Anderes übrig, als sich dessen Wunsch zu fügen. Ihnen wurden zwei Karten für das Zimmer Nummer 324, das im dritten Stock lag, überreicht und sie wurden darauf hingewiesen, dass sie das Frühstück am nächsten Morgen zwischen fünf und vierzehn Uhr wahrnehmen konnten.

"Ähm, sag mal", begann Crocodile, als sie ihr Hotelzimmer betreten hatten. "Wieso wolltest du denn nicht lieber in der Präsidentensuite übernachten? Die wird doch sicher eher deinen Ansprüchen gerecht als ein reguläres Hotelzimmer, oder nicht?" Um ehrlich zu sein, hätte er nichts dagegen gehabt, die Präsidentensuite zu beziehen, sofern diese für sie beide kostenlos war. Er hatte noch niemals zuvor in einer solchen Suite genächtigt.

"Es wäre furchtbar unhöflich gewesen", erklärte Doflamingo ihm und ließ sich auf dem gemütlichen Kingsize-Bett nieder. "Immerhin handelt es sich bei dieser Hotelübernachtung um ein Geschenk von dir. Bestimmt hätte es dich verletzt, wenn ich mit einem besseren Zimmer vorlieb genommen hätte."

"Oh", sagte Crocodile und fuhr sich mit der rechten Hand durch sein Haar. Dass sein Partner die Prasidentsuite aus Rücksicht auf ihn abgelehnt haben könnte, war ihm gar nicht in den Sinn gekommen. Wieder einmal dachte er deutlich schlechter von Doflamingo, als dieser es verdiente.

"Darum musst du dich nicht sorgen", erwiderte Crocodile. "Von mir aus können wir gerne auch die Präsidentensuite nehmen. Es würde mich nicht verletzen, ehrlich."

"Das sagst du nur, um mich nicht vor den Kopf zu stoßen " Doflamingo schwieg für einen Moment, ehe er mit unerwartet ernster Stimme meinte: "Ich bin mir dessen bewusst, dass du über weniger Geld verfügst als ich, Crocodile. Und dass es dir manchmal schwerfällt, mit mir mitzuhalten. Deswegen ist es mir wichtig, dir zu zeigen, dass es mir bei deinen Geschenken nicht um den Geldwert geht. Ich freue mich sehr darüber, dass du mich zu dem Konzert von Brook eingeladen hast. Und ob wir in einem Zimmer für 400 Berry oder in der Präsidentensuite für 2.000 Berry pro Nacht schlafen, ist mir dabei völlig egal. Darum geht es schließlich gar nicht. Sondern um den Gedanken, der dahinter steht. Also fühl dich bitte nicht schlecht, ja? Ich schätze dein Geschenk wirklich wert, Crocodile, das musst du mir glauben."

Crocodile nickte. Ob er es zugeben wollte oder nicht: Die Worte seines Verlobten rührten ihn sehr. Nun allerdings fühlte er sich umso schlechter, weil ihn die Konzertkarten nichts gekostet hatten und er sich noch dazu das günstigste freie Zimmer im Hotel ausgesucht hatte. Würde Doflamingo sich noch immer so sehr freuen, wenn er herausfand, um was für einen Rappenspotter es sich bei seinem Verlobten handelte?

"Bitte schau nicht so missmutig drein", bat Doflamingo ihn und stand vom Bett auf. Er ging hinüber zu seinem Partner und legte seine Arme um diesen. "Es gibt wirklich keinen Grund, wieso du dich schlecht fühlen solltest. Dieses Zimmer ist auch sehr schön. Was hältst du davon, wenn wir beide uns einfach ins Bett legen und ein paar schöne Stunden miteinander verbringen, ehe wir zum Konzert gehen? Würde dich das aufheitern?"

"Okay", sagte Crocodile und bemühte sich darum zu lächeln, wenn auch bloß um seines Partners willen. Rasch schälten sie sich aus ihrer Kleidung und legten sich nebeneinander in das große und gemütliche Bett. Crocodile schmiegte sich eng an Doflamingos warmen Körper und atmetete tief dessen betörenden Geruch ein. Sofort entspannte er sich. Ihnen blieben noch etwa drei Stunden, bis sie sich auf den Weg zum Konzert machen sollten.

Zärtlich begann Crocodile den Körper seines Verlobten zu streicheln und zu liebkosen. Die Haut, die Doflamingos Muskeln überspannte, war weich und warm. Und auch wenn er schon Dutzende Male mit seinem Partner intim geworden war, entdeckte Crocodile doch jedes Mal ein Detail an dessen Körper, das ihm zuvor noch nicht aufgefallen war: ein Muttermal, ein dünner Pflaum blonder Haare oder sogar eine kleine Narbe.

Gerade fuhr er mit den Fingern die imposanten Bauch
 

[zensiert]
 

Als Crocodile wieder erwachte, blinzelte er mehrmals. Denn obwohl er seine Augen öffnete, wurde es seltsamerweise nicht heller. Erst nach einigen Minuten, in denen er schlaftrunken vor sich hin döste, wurde ihm klar, was passiert sein musste: Doflamingo und er waren nach dem Sex eingeschlafen und nun war die Nacht über sie hereingebrochen. Brooks Konzert, schlussfolgerte Crocodile, hatten sie beide demnach verpasst.

Er spürte, dass sein Verlobter sich neben ihm im Bett bewegte; auch Doflamingo schien allmählich aufzuwachen. Crocodile seufzte leise und rieb sich mit seiner rechten Hand über die müden Augen. Wenn er ehrlich war, dann hatte er momentan eigentlich keine allzu große Lust, sich mit seinem Partner auseinanderzusetzen. Sicherlich war Doflamingo wütend, weil sie das Konzert, auf das er sich so sehr gefreut hatte, einfach verschlafen hatten. Wieso hatte Crocodile auch nicht daran gedacht, einen Wecker zu stellen? Schließlich hatte er doch gewusst, dass sie sich in ihrem Hotelzimmer vorher ein paar schöne Stunden gönnen wollten. Und damit, dass man nach dem Sex einschlief, musste man ja wohl definitiv rechnen. Furchtbare Gewissensbisse plagten Crocodile. Er hoffte, dass sein Verlobter nicht allzu sauer auf ihn sein würde. Er hatte sich doch so sehr auf Brooks Konzert gefreut gehabt.

Doflamingo fuhr aufgeregt hoch. "Oh shit!", hörte Crocodile ihn verärgert flüstern. "So eine verdammte Scheiße!" Dann sagte er ein wenig lauter: "Croco?"

"Ich bin wach", antwortete Crocodile und setzte sich ebenfalls auf. Je früher er die Standpauke seitens seines Partners hinter sich brachte, desto besser. Müde strich er ein paar Haarsträhnen zurück, die ihm ins Gesicht gefallen waren. Er musste furchtbar aussehen mit seinem unordentlichen Haar und dem getrockneten Sperma, das sowohl an seiner Brust als auch seinen Oberschenkeln klebte.

"Wie spät ist es?", fragte Doflamingo ihn.

Crocodile zuckte mit den Schultern und beugte sich zur Seite, um die Nachttischlampe anzuschalten. Das grelle Licht stach ihm einen kurzen Moment lang in die Augen; dann jedoch war er dazu in der Lage die Uhrzeit an der schicken Designeruhr, die über der Zimmertüre hing, abzulesen. "Dreiundzwanzig Uhr dreißig." Einlass war vor zweieinhalb Stunden gewesen; Brooks Konzert hatten sie also definitiv verschlafen.

Doflamingo schwieg für einen Weile und Crocodile macht sich mental bereits auf das Schlimmste gefasst, als sein Partner plötzlich sagte: "Verdammt, es tut mir unendlich leid, Wani. Das musst du mir glauben! Bitte sei nicht wütend auf mich, ja? Es war wirklich keine Absicht."

"Wieso sollte ich wütend auf dich sein?", gab Crocodile mit zusammengezogenen Augenbrauen zurück.

"Na, weil wir Brooks Konzert verpasst haben", meinte Doflamingo mit schuldbewusster Stimme. "Selbst wenn wir jetzt sofort losfahren würden, wären wir nicht vor Ende dort. Immerhin ist es fast schon Mitternacht. Das schaffen wir auf keinen Fall mehr. Warum nur bin ich gleich nach dem Sex eingeschlafen? Das passiert mir so gut wie nie."

"Es ist nicht deine Schuld", versuchte Crocodile seinen Verlobten zu trösten und fuhr diesem zärtlich über den Rücken. Er sah tatsächlich keinen Grund, wieso Doflamingo sich schlecht fühlen sollte. Der Fehler lag bei ihm und nicht bei seinem Partner. Schließlich hatte er vorgeschlagen gehabt, das Konzert zu besuchen.

"Ich fühle mich total beschissen", meinte Doflamingo trotz der Aufmunterungsversuche seitens seines Verlobten. Er klang schrecklich betrübt. "Du hast diese schöne Überraschung für mich geplant und ich habe alles kaputt gemacht! Und die teuren Konzertkarten hast du auch völlig umsonst bezahlt. Von unserem Hotelzimmer ganz zu schweigen. Wir hätten es uns also auch einfach sparen können, hierher zu fahren! Oh, Crocodile! Es tut mir so leid!"

"Ist schon gut", redete Crocodile auf seinen Partner ein. Er konnte überhaupt nicht nachvollziehen, wieso Doflamingo ein solch schlechtes Gewissen hatte. Eigentlich war doch Crocodile derjenige, der die Schuld an dieser Situation trug. Eher sollte er sich bei Doflamingo entschuldigen, anstatt umgekehrt. Und für die Konzertkarten hatte er ja sowieso überhaupt nichts bezahlt gehabt. "Bitte mach dir keine Vorwürfe. So schlimm ist es nun auch wieder nicht."

"Das sagst du nur, damit ich mich nicht schlecht fühle", gab Doflamingo zurück, doch zu Crocodile Erleichterung klang er bereits deutlich weniger niedergeschlagen.

"Was passiert ist, ist passiert", meinte er und bemühte sich um einen zuversichtlich klingenden Tonfall. "Es ist nicht deine Schuld. Im Gegensatz zu dir schlafe ich ja öfter nach dem Sex ein; ich hätte also daran denken können, einen Wecker zu stellen. Aber was soll's. Die Situation ist nicht mehr zu ändern. Also hören wir auf uns zu ärgern, ja? Wir beide."

"Naja", lenkte Doflamingo ein und grinste fast schon wieder, "du hast ja nicht damit rechnen können, dass unser Sex so unfassbar gut werden würde! Von der Feder habe ich dir schließlich vorher nichts erzählt gehabt."

"Das stimmt", erwiderte Crocodile, der froh darüber war, dass sich die negative Stimmung allmählich wieder auflöste. Er konnte es absolut nicht leiden, wenn sein Partner niedergeschlagen war. Dass Doflamingo schlechte Laune hatte, kam nur sehr selten vor. "Da hast du mich wirklich unvorbereitet erwischt."

Sein Verlobter gluckste. "Aber es hat dir doch gefallen, nicht wahr?"

Crocodile rollte mit den Augen. "Hat es sich denn so angehört?", gab er zurück und spürte, dass sich Röte in seinem Gesicht ausbreitete.

Doflamingo beugte sich zu ihm hinüber und küsste ihn sanft auf den Mund. Crocodile schloss die Augen und genoss das Gefühl von süßen Lippen auf den eigenen. Als sie den Kuss beendet hatten, meinte sein Partner: "Warum machen wir nicht einfach das Beste aus der Nacht? Du hast bestimmt Hunger, nicht wahr? Wir können uns ein paar leckere Snacks auf unser Zimmer bestellen; eine Art Mitternachts-Imbiss sozusagen. Und dazu hören wir ein bisschen Musik."

"Gute Idee", stimmte Crocodile seinem Verlobten zu. Erst jetzt wurde ihm klar, dass Doflamingo mit seiner Vermutung richtig gelegen hatte: Tatsächlich war er sehr hungrig und durstig. "Aber vorher sollten wir duschen. Mir fällt es schwer eine Körperstelle zu finden, an der kein getrocknetes Sperma klebt."

Angesichts dieser (für Crocodiles Verhältnisse sehr unverblümt ausgedrückten) Aussage brach Doflamingo sofort in lautes Gelächter aus. "Einverstanden", meinte er und erhob sich vom Bett. Im Halbdunkeln wirkte sein muskulöser Körper noch hübscher als sowieso schon, fand Crocodile, der sich ernsthaft zusammenreißen musste, um nicht zu starren. Auf dem Weg hinüber zum angrenzenden Badezimmer fügte Doflamingo hinzu: "Es war ein wirklich schöner Abend, auch wenn wir nicht zum Konzert gegangen sind."

"Das freut mich zu hören", meinte Crocodile und wickelte die Bettdecke um seinen Körper, ehe er seinem Verlobten folgte. Inzwischen war es deutlich heruntergekühlt und sie hatten vergessen die Heizung anzuschalten. Er stellte sie auf die höchste Stufe, damit es im Hotelzimmer kuschelig warm sein würde, wenn sie aus der Dusche kamen.

"Tut dein Arsch eigentlich sehr weh?", fragte Doflamingo ihn, als sie zu zweit in die geräumige Duschkabine stiegen.

Crocodile, der sich gerade die Spermareste vom Oberkörper wischte, rollte mit den Augen. "Wenn du Lust auf eine zweite Runde hast", meinte er schnippisch, "dann musst du eine Menge Gleitcreme nehmen. Ich bin total wund. Du bist nicht gerade sanft gewesen." Den letzten Satz sprach er in einem ungemein vorwurfsvoll klingenden Tonfall aus.

Doflamingo gluckste allerdings bloß. "Ich hatte das Gefühl, dass du nach der Sache mit der Feder Lust auf etwas Härteres hättest", meinte er und seifte ihm den Rücken ein. "Aber keine Sorge: Dieses Mal bin ich sanfter, wenn du darauf bestehst. Versprochen."

Crocodile rollte erneut mit den Augen, doch gab keine Erwiderung.
 

*
 

Wieder einmal sah Crocodile sich dazu genötigt, mit ein paar Freunden seines Verlobten zu Abend zu essen. Da es sich um eine deutlich kleinere Runde handelte als beim letzten Mal (sie waren bloß zu fünft), nahmen sie ihre Mahlzeit nicht im großen Speisesaal, sondern im Esszimmer ein. Es war ein sehr gemütlich eingerichteter Raum. Doflamingo und er aßen hier zumeist zu Abend; im Speisesaal wären sie sich zu zweit nämlich ganz verloren vorgekommen.

"Ist die Hirnoperation, die du gestern durchgeführt hast, erfolgreich gewesen, Law?", fragte Doflamingo seinen Gast in einem unbefangen klingenden Tonfall. Es wurden gerade ihre Vorspeisen serviert und Crocodile unterdrückte nur mit viel Mühe ein Seufzen. Konnte sich sein Verlobter denn kein appetitlicheres Thema auswählen, um Small-Talk zu betreiben? Zumindest Crocodile neigt dazu, sich alles, was er hörte, auch bildlich vorzustellen.

Law jedoch schien die Frage seines Gastgebers nichts auszumachen. Wahrscheinlich hatte er inzwischen längst jedes Ekelgefühl abgelegt. Crocodile verwunderte dieser Umstand nicht; man entschied sich wohl nicht dazu Hirnchirug zu werden, wenn einem beim Gedanken an Blut und Gewebe die Übelkeit den Hals hinaufkroch. "Wir haben den Tumor erfolgreich entfernt", antwortete Law also mit völlig ungerührt klingender Stimme, während er nach dem Löffel für seine Gemüsesuppe griff. "Aber der Eingriff war, um ehrlich zu sein, auch nicht sonderlich kompliziert. Die Operation hat insgesamt bloß sechs Stunden gedauert. Es war ein sehr kleiner Tumor."

"Das ist schön zu hören", meinte Doflamingo und griff nach einer kleinen Teigtasche, die mit Kaviar gefüllt war. "Wieder verdankt dir jemand sein Leben." Er verspeiste die Teigtasche in einem einzigen Bissen.

"Du weißt, dass ich meinen Beruf nicht ausübe, damit meine Patienten mir ihr Leben schulden", erwiderte Law mit ruhiger Stimme. "Es gibt nur einen einzigen Grund, wieso ich Operationen durchführe: Weil es mir Spaß macht. Wenn es mir gelingt zum Beispiel einen Tumor zu entfernen, dann freue ich mich in erster Linie über meinen persönlichen Erfolg. Das Leben des Patienten steht für mich bloß an zweiter Stelle. Darum habe ich auch nicht das Gefühl, dass mir irgendjemand sein Leben verdankt."

"Deine Arbeit ist überaus ehrenhaft", warf Monet, die zwei Plätze neben Crocodile saß, mit freundlicher Stimme ein, "aus welchen Beweggründen du sie auch immer tun magst. Ohne deine Hilfe wären viele Menschen inzwischen längst tot."

"Nicht jede Operation, die ich durchgeführt habe, ist gut verlaufen", warf Law ein, dem die vielen Komplimente, die er bekam, unangenehm zu werden schienen. "Manchmal war ich einfach nicht dazu in der Lage, meine Patienten zu retten. Einmal ist ein junges Mädchen sogar wegen eines Fehlers, den ich gemacht habe, verstorben."

"Niemand ist perfekt", meinte Crocodile und tunkte ein Stück geröstetes Brot in seine Tomatensuppe. "Ob man nun Chirug, Geschäftsmann, Pilot oder was auch immer ist: Jeder macht ab und an mal einen Fehler. Davor ist keiner sicher. Außerdem werden deine Patienten doch über das Risiko, das sie bei einer Operation eingehen, informiert, oder etwa nicht?"

"Natürlich", sagte Law, den seine Worte tatsächlich ein wenig aufzumuntern schienen.

Crocodile biss gerade von seinem gerösteten Brot ab, als er ein Zupfen an seinem linken Hemdsärmel spürte. Verwundert sah er sich um. Monet hatte zum Abendessen ihre Schwester Sugar mitgebracht, ein vielleicht drei- oder vierjähriges Mädchen, das ihn mit großen Augen ansah. Die Kleine berührte mit ihren beiden Händchen seinen Ärmel nah beim Armstumpf. Wie so häufig hatte Crocodile den eng anliegenden Hemdsärmel am Ende zugeknotet. Auf genau diesen Knoten deutete das kleine Mädchen nun und fragte ihn mit neugieriger Stimme: "Warum ist denn deine Hand weg?"

"Sugar!", brüllte Doflamingo mit entsetzt klingender Stimme und erhob sich von seinem Stuhl, noch ehe Crocodile dazu kam, sich zu äußern. "So etwas fragt man nicht", wies er sie streng zurecht. "Das ist sehr, sehr unhöflich. Entschuldige dich gefälligst bei Crocodile!"

"Ist schon gut", lenkte Crocodile hastig ein und bedeutete seinem Partner, sich wieder hinzusetzen.

Die kleine Sugar wirkte völlig überfordert. Anscheinend hatte sie nicht damit gerechnet, dass eine (aus ihrer Sicht) völlig harmlose Frage ihr eine solch schlimme Standpauke einbringen würde. Das Mädchen war den Tränen nah und ließ Crocodiles Hemdsärmel rasch wieder los.

"Ihre Frage hat mir nichts ausgemacht. Wirklich nicht", beteuerte Crocodile, der seine Worte tatsächlich ernst meinte. Bei dem Verlust seiner linken Hand handelte es sich um keinen seiner wunden Punkte. Er hatte sich längst schon an diesen Umstand gewöhnt. Natürlich erinnerte er sich nicht allzu gerne daran zurück, wie er seine Hand damals verloren hatte; doch solange sie sich nicht über ihn lustig machten, nahm er es den Leuten nicht übel, wenn sie ihn darauf ansprachen.

Sugars Frage hatte ihn überhaupt nicht verletzt. Das kleine Mädchen war bloß neugierig gewesen. Crocodile war sich sicher, dass ihre Stimme nicht anders geklungen hätte, wenn sie ihn nach seinem langen Haar, seinem Ohrring oder irgendeinem anderen auffälligen Detail gefragt hätte.

"Du musst sie nicht in Schutz nehmen, bloß weil sie noch ein Kind ist", meinte Doflamingo, den seine Worte überhaupt nicht zu überzeugen schienen.

"Sie weiß es doch nicht besser", gab Crocodile schulterzuckend zurück. Er hatte überhaupt nicht damit gerechnet gehabt, dass sein Partner so furchtbar wütend auf Sugars Frage reagieren würde. Doflamingo machte einen sehr entsetzten und betretenen Eindruck. Man könnte meinen, das kleine Mädchen hätte ihm eine schlimme Beleidigung an den Kopf geworfen.

"Dann muss sie es eben lernen!", erwiderte Doflamingo mit zorniger Stimme.

Crocodile zog die Augenbrauen zusammen und wandte sich dann an Sugar, die weinend auf dem Stuhl neben ihm saß. "Ist schon gut", sagte er und bemühte sich um einen freundlich klingenden Tonfall. "Du brauchst nicht zu weinen. Doflamingo meinte bloß, dass man Fragen dieser Art nur dann stellen sollte, wenn man sich ganz sicher ist, dass sie niemanden verletzen. Deine Frage hat mich aber zum Glück nicht verletzt. Also hör bitte auf zu weinen, ja?"

Das kleine Mädchen nickte schluchzend und wischte sich schließlich die Tränen vom Gesicht. Crocodile atmete erleichtert auf. Er war sehr froh darüber, dass sich Sugar allmählich wieder beruhigte. Er wollte bloß dieses Abendessen in Frieden hinter sich bringen und hatte keine Lust auf Ärger.

"Was haltet ihr davon, wenn wir jetzt zum Hauptgang übergehen?", meinte Law wahrscheinlich einfach nur, um das Thema zu wechseln. Ihm und Monet schien diese Situation mindestens ebenso unangenehm wie Crocodile zu sein. Vermutlich, dachte er sich, hatten die beiden genauso wenig wie er damit gerechnet, dass Doflamingo so furchtbar wütend auf Sugars Frage reagieren würde.

"Gute Idee", stimmte Crocodile ihm zu. Er hatte zwar das geröstete Brot, das er sich als Vorspeise bestellt hatte, kaum angerührt, doch ihm war jeder Vorwand recht, um die angespannte Atmosphäre ein wenig aufzulockern.
 

Leider blieb die Stimmung während des gesamten Abendessens schlecht. Crocodile, Law und Monet bemühten sich zwar immer wieder darum, eine nette Konversation zu starten, doch Doflamingo brachte sich überhaupt nicht ein. Anstatt wie üblich gute Laune auszustrahlen und ständig für Lacher zu sorgen, stocherte er bloß die ganze Zeit über lustlos in seinem Essen herum. Bald begann Crocodile sich ernsthaft zu fragen, was mit seinem Verlobten bloß los sein könnte. Die Angelegenheit mit Sugars grenzwertiger Frage hatten sie doch schließlich längst geklärt gehabt.

Law und Monet verabschiedeten sich bereits gegen einundzwanzig Uhr von ihnen; Crocodile konnte es ihnen nicht einmal verübeln. Wäre er an ihrer Stelle gewesen, hätte er ebenfalls versucht, den Abend so schnell wie möglich zu beenden. Er bemühte sich darum sich sein Unwohlsein nicht anmerken zu lassen und verabschiedete vor allem die kleine Sugar besonders herzlich.

Als ihre Gäste endlich verschwunden waren, wandte Crocodile sich mit finsterer Miene an seinen Partner. "Was ist denn bloß los mit dir gewesen?", fragte er ihn und verschränkte die Arme vor der Brust. "Du hast dich Law und Monet gegenüber absolut unhöflich verhalten! So kenne ich dich gar nicht."

Anstatt auf seine Frage zu antworteten, erwiderte Doflamingo ganz unvermittelt: "Hat es dich wirklich nicht gestört, dass Sugar dich nach deiner linken Hand gefragt hat? Oder hast du bloß so getan, damit sie sich nicht schlecht fühlt?"

Verdutzt zog Crocodile eine Augenbraue hoch. "Es hat mich wirklich nicht gestört", sagte er schließlich. "Aber worauf willst du eigentlich hinaus?"

Doflamingo zögerte einen Moment lang. Crocodile konnte genau sehen, wie sein Verlobter mit sich selbst rang, ehe die Worte geradezu aus ihm herausplatzten: "Würde es dich stören, wenn ich dich danach fragen würde, wie du deine Hand verloren hast?"

"Nein", antwortete Crocodile wahrheitsgemäß. Dann fügte er hinzu: "Aber ich verstehe immer noch nicht, was dein Problem ist. Würdest du mir bitte endlich erklären, wieso du dich so komisch aufführst?" Noch immer gab ihm das Verhalten seines Partners Rätsel auf.

"Naja", meinte Doflamingo und scharrte mit den Füßen. Plötzlich erweckte er einen stark verunsicherten Eindruck. Crocodile, der inzwischen überhaupt nicht mehr wusste, wo ihm der Kopf stand, musste etwa eine Minute lang warten, bevor er eine Antwort bekam: "Es ist so, dass... dass ich mich ziemlich oft frage, wie du wohl deine Hand verloren hast. Schon als ich dich das erste Mal gesehen habe, ist mir diese Frage in den Sinn gekommen. Aber ich habe mich nie getraut dich darauf anzusprechen, weil ich befürchtet habe, dass ich dich verletzen könnte. Sicherlich handelt es sich bei dem Verlust deiner Hand um ein sehr traumatisches Ereignis. Ich wollte dich nicht daran zurückerinnern. Und, nun ja, aus diesem Grund habe ich meine Neugierde immer wieder hinuntergeschluckt. Nur um heute zu erfahren, dass es dir überhaupt nichts ausmacht, wenn man dich nach deiner linken Hand fragt."

Crocodile konnte gar nicht anders als zu lächeln. Er schüttelte ungläubig den Kopf und flüsterte leise: "Oh Mann, Doffy." Damit, dass sein häufig doch recht egoistischer Verlobter so fürsorglich und rücksichtsvoll sein konnte, hatte er gar nicht gerechnet gehabt. Normalerweise war Doflamingo eine sehr direkte Person. Da er sich für den Verlust seiner linken Hand nicht zu interessieren schien, war Crocodile auch nie auf den Gedanken gekommen, ihm davon zu erzählen.

"Ich habe immer darauf gewartet, dass du von selbst auf mich zukommst", fuhr Doflamingo fort. "Ich weiß, dass es dir schwerfällt, Vertrauen aufzubauen. Und dass es sich bei deiner linken Hand bestimmt um ein sehr sensibles Thema handelt. Darum dachte ich mir, dass es besser wäre, dich nicht zu drängen. Dir stattdessen so viel Zeit zu lassen, wie du brauchst. Jetzt allerdings stelle ich fest, dass meine Geduld völlig umsonst gewesen ist!"

"Wenigstens hat das Warten nun ein Ende", meinte Crocodile und bemühte sich um einen aufmunternd klingenden Tonfall. "Ich habe kein Problem damit, dir zu erzählen, was passiert ist. Warum machen wir es uns nicht einfach im Wohnzimmer auf der Couch gemütlich? Wir könnten ein bisschen Wein trinken."

Doflamingo nickte. Er wirkte sehr aufgeregt. Es rührte Crocodile, dass seinem Verlobten diese Angelegenheit so wichtig zu sein schien. Er hätte nie damit gerechnet, dass dieser sich so sehr für den Verlust seiner linken Hand interessierte. Ihm selbst machte dieser Umstand inzwischen nichts mehr aus; er hatte sich daran gewöhnt, dass er seinen Alltag mit bloß einer einzigen Hand meistern musste.
 

Crocodile nippte an seinem Wein und überlegte sich, wo er anfangen sollte. Doflamingo saß neben ihm auf der Couch und hatte den Arm um seine Hüfte gelegt. Er spürte sehr deutlich, dass sein Partner neugierig und aufgeregt war, doch trotzdem wagte dieser es nicht, ihn zu drängen. Auch wenn Crocodile ihm das Gegenteil versichert hatte, schien er noch immer davon auszugehen, dass es sich beim Verlust seiner linken Hand um ein sehr sensibles Thema handelte und er sich ihm nicht aufzwingen dürfte.

Crocodile stellte sein Weinglas zur Seite, ehe er meinte: "Nun ja, du weißt ja schon, dass, ähm, die ganze Sache vor etwa zehn Jahren passiert ist. Damals war ich mit meinem Studium beinahe schon fertig; ich stand kurz vor den Abschlussprüfungen. Nebenbei arbeitete ich als Assistent eines Event-Managers. Ich verdiente gut genug, um mir ein gebrauchtes Motorrad leisten zu können. (Den entsprechenden Führerschein hatte Mihawk mir zum Geburtstag geschenkt.) Zum Üben kaufte ich zuerst eine Honda CBR 125 R. Dieses Modell ist ziemlich günstig und für Einsteiger gut geeignet. Als ich mich ein bisschen sicherer fühlte, bin ich auf die teurere und schnellere CBR 650 F umgestiegen. Ich musste ein halbes Jahr lang sparen und habe jeden Berry, den ich zwischen die Finger bekam, zur Seite gelegt, um sie mir leisten zu können."

Crocodile strich unwirsch eine Haarsträhne zurück, die ihm ins Gesicht gefallen war. Er spürte, dass Doflamingos Griff um seine Hüfte fester wurde. Wahrscheinlich konnte sein Verlobter sich inzwischen ausmalen, was geschehen war. Trotzdem gab er keinen Ton von sich; er überließ ihm allein das Wort und unterbrach ihn auch nicht, als er fortfuhr.

"Ich bin gerne im Gebirge gefahren; mich reizten die Steigungen und die schlängelnd verlaufenen Fahrbahnen. Manchmal verbrachte ich sogar meine Wochenenden dort oben. Dann fuhr ich den ganzen Tag lang ohne Unterlass und nahm mir abends ein Hotelzimmer. Ein solcher Ausflug war für mich wie ein entspannender Kurzurlaub. Wegen des Studiums und des Nebenjobs gestaltete sich mein Alltag häufig ziemlich stressig; ich hetzte von einem Termin zum nächsten. Sobald ich allerdings auf mein Motorrad stieg, war es, als hätte man mir eine schwere Last von den Schultern genommen. In meinem Kopf war kein Platz mehr für Gedanken an meine nächste Prüfung, irgendwelche wichtigen Telefonanrufe oder was auch immer. Daz sagte mal zu mir, dass ich wie ausgewechselt wirken würde, wenn ich von einem solchen Wochenende wiederkam."

Crocodile senkte den Blick und griff nach seinem Glas, um einen großen Schluck Wein zu nehmen. Er räusperte sich kurz und meinte dann: "Tja, leider wurde mir mein Hobby zum Verhängnis. Es war das Wochenende vor meiner ersten wichtigen Prüfung. Ich hatte wochenlang gelernt und wollte die letzten Tage vor der Klausur nutzen, um mich ein wenig zu entspannen und den Kopf frei zu kriegen.

In den ersten Stunden gab es auch überhaupt keine Probleme: Das Wetter war gut und nur sehr wenige Fahrzeuge waren auf den Straßen unterwegs. Mein Fehler war jedoch, dass ich einen Gebirgspass entlangfuhr, der auf beiden Seiten von hohen Felswänden eingerahmt wurde. Außerdem war die Fahrbahn alles andere als gerade und übersichtlich: Es folgte praktisch eine Kurve der nächsten. Daher war die Sicht sehr schlecht. Ich bemühte mich darum vorsichtig zu fahren und aufmerksam zu bleiben, doch am Ende nützte mir meine Sorgsamkeit rein gar nichts.

Von hinten kam ein Auto, irgendein Volvo, herangerast. Der Fahrer war viel zu schnell unterwegs. (Später fand man auch heraus, dass er Alkohol im Blut hatte; 1, 2 Promille, glaube ich.) Er sah mich nicht rechtzeitig. Ich versuchte dem Wagen auszuweichen, doch die Fahrbahn war an dieser Stelle schrecklich eng. Hätte der Fahrer des Volvos nicht so viel getrunken gehabt, dann wäre es ihm vielleicht gelungen, an mir vorbeizukommen, doch er fuhr praktisch Schlangenlinien. Ich wurde mit meinem Motorrad zwischen der hinteren Autotüre und der steilen Felswand eingequetscht. Der Volvo schleifte mich noch etwa zwanzig Meter mit sich, ehe er zum stehen kam."

Aus dem Augenwinkel heraus sah Crocodile, dass sein Verlobter sich die Innenseite der rechten Hand auf den Mund gepresst hatte. Er war kreidebleich im Gesicht und erweckte den Eindruck, dass er sich jeden Moment übergeben müsste.

"Vielleicht sollten wir das Gespräch an dieser Stelle lieber abbrechen", sagte Crocodile mit sorgenvoller Stimme. "Du siehst total fertig aus."

Er wollte gerade von der Couch aufstehen, als Doflamingo ihn zurückhielt. "Nein!", meinte er in einem überraschend energisch klingenden Tonfall. Als ihm selbst klar wurde, wie laut er geworden war, fügte er mit leiser und sanfter Stimme hinzu: "Bitte, Crocodile. Solange es dir nichts ausmacht, möchte ich, dass du fortfährst. Ich... ich muss einfach wissen, was damals passiert ist. Alles."

Crocodile nickte. "Okay, gut", gab er zurück und versuchte den roten Faden wiederzufinden. "Ich, ähm, ich wurde also zwischen der Felswand und dem Volvo eingequetscht. Und, ob du es glaubst oder nicht, im ersten Moment spürte ich keinen Schmerz. Ich spürte überhaupt nichts. Ich hatte auch keine Angst. Es war, als wäre jegliches Gefühl einfach ausgelöscht worden. Später erklärten die Ärzte mir, dass ich einen schlimmen Schock gehabt hätte. Keine ungewöhnliche Reaktion in solch einer Situation.

Irgendwann fand ich dann wieder zu mir. Und auch der Schmerz setzte ein. Eine Weile lang tat ich gar nichts außer zu schreien wie am Spieß. Erst als mir die Puste ausging, konnte ich wieder einigermaßen klar denken. Es war sozusagen mein Glück gewesen, dass mich nur die Hintertüre des Volvos erwischt hatte. Wäre mein Körper von der gesamten Wagenlänge eingequetscht worden, hätte ich diesen Unfall wohl nicht überlebt.

Es gelang mir nicht, mich aus den vielen Trümmerteilen zu befreien. Mein linkes Bein machte auf den ersten Blick zwar einen einigermaßen unversehrten Eindruck (ich konnte es sogar bewegen), doch mein rechtes Bein war definitiv gebrochen. Es lag ganz verdreht dar, als würden sich überhaupt keine Knochen darin befinden." Crocodile hielt einen kurzen Moment lang inne und schluckte schwer, ehe er fortfuhr: "Meine linke Hand war, nun ja, sie war... ich konnte es nicht direkt sehen... aber ich wusste, dass sie eingeklemmt war. Zerquetscht. Es war mir absolut unmöglich mich zu befreien, ohne..."

Crocodile schloss seine Augen und atmete schwer. Doflamingo verstärkte den Griff um seine Hüfte. "Meine rechte Hand war zum Glück jedoch relativ unverletzt und lag frei. Mir kam der Gedanke, dass ich einen Notarzt rufen musste, wenn ich überleben wollte. Schließlich war ich ja hoch oben im Gebirge. Und wie gesagt, an diesem Tag waren nur wenige Autos auf den Straßen unterwegs. Ich schaffte es, mit der rechten Hand mein Handy hervorzukramen, doch leider hatte es den Unfall nicht heil überstanden Ich versuchte trotzdem, es einzuschalten und einen Notarzt zu kontaktieren. Dieses Handy stellte ja sozusagen meine einzige Hoffnung auf Rettung dar. Als ich mir schließlich eingestehen musste, dass es kaputt gegangen war, schmiss ich es wütend auf die Straße.

Am Ende blieb mir nichts anderes übrig als abzuwarten. Ich lag einfach bloß da. Zwischen all den Trümmerteilen. Mit gebrochenem Bein und eingeklemmter Hand. Ich weiß gar nicht mehr, worauf ich wartete. Meine Hoffnung auf Rettung erschien mir mit jeder Minute, die verging, immer abwegiger. Ich war völlig verzweifelt. Irgendwann kam mir der Gedanke, dass es vielleicht gar nicht so schlimm wäre zu sterben.

Und gerade als ich aufgeben wollte... tja.... in genau diesem Moment geschah ein unfassbares Wunder: Ein schwarzer VW Passat B6 fuhr an der Unfallstelle vorbei. Der Fahrer hielt an, stieg aus seinem Wagen, kotzte sich auf die Füße und kramte dann schnell sein Handy aus dem Handschuhfach hervor, um den Notarzt zu alarmieren. Anschließend kam er mit einem Erste-Hilfe-Kasten und einer halb vollen Flasche Mineralwasser auf mich zu. Es gab nicht viel, was er tun konnte, doch er blieb bei mir, bis der Zivilschutz-Hubschrauber auftauchte und der Notarzt sich um mich kümmerte.

Es dauerte etwa eine Stunde lang, mich aus den Trümmern zu befreien und für den Abtransport fertig zu machen. Was danach passiert ist, weiß ich nur aus den Erzählungen der Ärzte. Man stellte mich nämlich unter Narkose, sodass ich von meinem Flug ins nächstliegende Krankenhaus und meiner Not-Operation überhaupt nichts mitbekam. Meine linke Hand ist nicht zu retten gewesen; den Ärzten blieb nichts anderes übrig, als sie abzunehmen. Wegen der Amputation und der vielen anderen Verletzungen, die ich davon getragen hatte, musste ich insgesamt zwei Monate lang im Krankenhaus bleiben.

Meine Abschlussprüfungen konnte ich in diesem Semester nicht schreiben. Ich unterbrach mein Studium und zog für etwa ein halbes Jahr zu Mihawk. Aber das weißt du ja schon."

"Was ist aus dem Fahrer des Volvos geworden?", fragte Doflamino mit zusammengezogenen Augenbrauen. "Es klingt ja beinahe so, als hätte er sich, nachdem der Unfall passiert ist, einfach in Luft aufgelöst. Ist er gestorben?"

Crocodile schüttelte den Kopf. "Fahrerflucht", erklärte er. "Als der Mann sah, was er angerichtet hatte, ist er aus seinem Volvo ausgestiegen und davongelaufen. Die Polizei fand ihn fünf Kilometer weiter südlich und nahm ihn fest. Er wurde auch vor Gericht gestellt, doch das Urteil kenne ich nicht. Es hat mich nicht interessiert."

"Es hat dich nicht interessiert?", wiederholte Doflamingo mit ungläubiger Stimme.

Doch Crocodile zuckte bloß mit den Schultern. "Was würde es mir nützen, zu wissen, wie lange er im Gefängnis saß? Oder was er zu seiner Rechtfertigung zu sagen hatte? Meine Hand würde ich ja doch nicht zurückbekommen. Also habe ich die Sache auf sich beruhen lassen.

Ich hatte sowieso mit mehr als genug anderen Problemen zu tun: Ich habe dir ja schon einmal erzählt gehabt, dass es mir sehr schwerfiel, mit bloß einer Hand zurechtzukommen. Die einfachsten und älltäglichsten Aufgaben verwandelten sich plötzlich in kaum überwindbare Hürden. Seitdem kann ich es auch überhaupt nicht mehr leiden, Hilfe anzunehmen. Dann werde ich nämlich sofort wieder an die furchtbare Zeit nach dem Unfall zurückerinnert."

"In dieser Hinsicht bist du wirklich ein schrecklicher Sturkopf", sagte Doflamingo halb tadelnd, halb seufzend. "Aber du darfst nicht vergessen, dass Hilfe prinzipiell nichts Schlimmes oder Schlechtes ist. Denk doch nur einmal an den Mann, der angehalten hat, um sich um dich zu kümmern und den Notarzt zu rufen! Wäre er nicht gewesen..."

"Ich weiß", meinte Crocodile. "Er ist zwar kein Hirnchirug so wie Law, doch ich verdanke ihm trotzdem mein Leben. Als ich aus dem Krankenhaus entlassen wurde, habe ich mir seine Adresse geben lassen und bin zu ihm hingefahren, um mich persönlich zu bedanken. Ich erinnere mich noch ganz genau daran, wie er aussah. Ein ziemlich komischer Kerl: Er hatte knallrotes Haar, das in alle Richtungen abstand, und trug dunklen Lippenstift. Eigentlich machte er keinen sonderlich sympathischen Eindruck. Aber er hat mein Leben gerettet und das bedeutet, dass er kein schlechter Mensch sein kann. Es gibt genug Leute, die einfach weitergefahren wären; da bin ich mir sicher."

"Weißt du auch noch, wie er hieß?", fragte Doflamingo ihn neugierig.

Crocodile schwieg für einen Moment, ehe er antwortete: "Eustass Kid. Richtig, das ist sein Name gewesen. Er wohnte damals in der Nähe der Gold-Roger-Brücke. Aber ich habe keine Ahnung, was er derzeit macht. Ich habe mich bei ihm für seine Hilfe bedankt und ihn seitdem nicht mehr wiedergesehen."

Doflamingo nickte und schwieg für eine Weile. Crocodile fragte sich, was seinem Verlobten wohl gerade durch den Kopf ging. Anscheinend hatte er ihn mit seiner Beschreibung des Unfallhergangs heftig geschockt. Plötzlich bereute Crocodile seine Offenheit ein klein wenig. Vielleicht hätte er Doflamingo gegenüber doch lieber das eine oder andere Detail aussparen sollen.

"Warum gehen wir beide nicht zusammen duschen und legen uns dann ins Bett?", schlug Crocodile vor. Eigentlich war er noch nicht sonderlich müde, doch ihm war jede Vorwand recht, um die unangenehme Stille zu unterbrechen.

Doflamingo nickte und erhob sich von der Couch. "Klar", meinte er und Crocodile kam nicht umhin zu bemerken, dass sein Partner noch immer einen sehr geistesabwesenden Eindruck erweckte.
 

Crocodile schlief sehr schlecht. Er wachte immer wieder scheinbar grundlos auf und obwohl Doflamingo (der sich im Bett praktisch in eine übergroße Wärmflasche verwandelte) direkt neben ihm lag, fror er fürchterlich. Bald war sein gesamter Körper von Gänsehaut überzogen.

In den kurzen Phasen der Nacht, in denen er ein wenig Schlaf fand, plagte ihn ein Alptraum nach dem nächsten. Zuerst träumte er, dass Doflamingo von seinen hohen Schulden erfuhr und sich ohne zu zögern von ihm trennte. Dann rief ihn Hancock an, um ihm mitzuteilen, ihr Freund hätte sie und das ungeborene Kind für eine Jüngere verlassen. Und gleich danach sagte Franky zu ihm, dass die Arbeit, die er leistete, furchtbar schlecht wäre und er ihm mit sofortiger Wirkung kündigen würde.

Crocodile war sich nicht dessen bewusst, dass er träumte. Er wälzte sich im Bett unruhig von der einen Seite zur anderen, murmelte unzusammenhängende Sätze vor sich her und bemühte sich verzweifelt darum, sein ruiniertes Leben irgendwie noch zu retten.

Doflamingo, Hancock und Franky verblassten vor seinem inneren Auge. Stattdessen sah Crocodile nun einen engen und kurvenreichen Gebirgspass vor sich, der auf beiden Seiten von hohen Felswänden eingerahmt wurde. Er blickte in den linken Seitenspiegel seiner Honda CBR 650 F und machte einen hellgrauen Volvo aus, der von hinten auf ihn zugerast kam. Der Fahrer fuhr viel zu schnell und in Schlangenlinien. Crocodile versuchte auszuweichen. Er fuhr dicht an der rechten Felswand entlang, um den Volvo die Möglichkeit zu geben, ihn zu überholen. Doch die Straße war zu eng und der Autofahrer war so betrunken, dass er ihn überhaupt nicht bemerkte. Der Volvo kam immer näher. Er drängte ihn immer dichter an den Fahrbahnrand. Zwischen der Hintertüre des Volvos auf der einen und der Felswand auf der anderen Seite befand sich kaum mehr ein Abstand von einem Meter. Und er mit seinem Motorrad genau dazwischen. Der Abstand wurde immer kleiner. Und dann... und dann...

Schweißgebadet und laut schreiend fuhr Crocodile im Bett hoch. Er zitterte wie Espenlaub und seine Augen waren vor Schreck geweitet. Im ersten Moment verstand er gar nicht, wo er sich befand oder wie er hierher gekommen war. Als er begriff, dass alles bloß ein schlimmer Traum gewesen war, presste er die Innenfläche der rechten Hand auf seinen Mund und versuchte, seinen Atem wieder zu normalisieren. Es gelang ihm nur mit sehr viel Mühe.

Sein panischer Schrei hatte auch seinen Partner aufgeweckt. Doflamingo richtete sich schlaftrunken im Bett auf und sah sich nach ihm um. "Crocodile?", fragte er mit müder Stimme.

"Ist schon gut", gab ebenjener zurück und bemühte sich darum, möglichst gefasst zu klingen. Leider scheiterte er kläglich. "Du kannst dich ruhig wieder schlafen legen."

Doch Doflamingo wäre natürlich nicht Doflamingo gewesen, wenn er sich an die Anweisung seines Verlobten gehalten hätte. Stattdessen tat er das Gegenteil: Genau in dem Augenblick, in dem er verstand, was geschehen war, verschwand jegliche Müdigkeit aus seinem Blick. Er legte seine Arme um Crocodiles Oberkörper und streichelte ihm zärtlich über den Rücken, während er ein paar beruhigende Worte flüsterte.

Obwohl Crocodile eigentlich schon viel zu alt war, um wegen eines schlechten Traums getröstet zu werden, setzte er sich nicht zu wehr. Ob er es zugeben wollte oder nicht: Er genoss die Aufmerksamkeit, die sein Partner ihm schenkte. Die Worte, die in einem sehr sanften Tonfall gesprochen wurden, und die warmen Finger, die seinen Rücken berührten, beruhigten ihn über alle Maßen. Schon zwei Minuten später hatte Crocodile wieder einigermaßen zu sich gefunden.

"Danke", sagte er mit leiser Stimme und vermied es, Doflamingo in die Augen zu sehen. Nun, da es ihm wieder besser ging, schämte er sich dafür, dass er seinen Verlobten um dessen Schlaf gebracht hatte. Und dass dieser ihn hatte trösten müssen wie ein ängstliches Kind.

"Du musst dich nicht bedanken", sagte Doflamingo, ohne ihn loszulassen. "Und nein, du musst dich auch nicht bei mir entschuldigen."

"Ich habe dich aufgeweckt", gab Crocodile zurück.

"Du bist mein Verlobter", sagte Doflamingo und es klang beinahe so, als würde diese Aussage allein als Erklärung vollkommen ausreichen. Crocodile lächelte zaghaft.

"Was hast du denn geträumt?", fragte Doflamingo, nachdem sie beide sich wieder hingelegt hatten. Er hielt ihn noch immer fest im Arm; Crocodile schloss seine Augen und genoss den überaus angenehmen Geruch seines Partners.

"So einiges", antwortete er und fuhr mit dem Daumen über Doflamingos weiche Haut.

"Und was genau?"

Crocodile seufzte auf. Er wusste ganz genau, dass sein Verlobter erst dann Ruhe geben würde, wenn er eine zufriedenstellende Antwort erhalten hatte. Darum erbarmte er sich und erklärte schließlich: "Ich habe von meinem Motorrad-Unfall geträumt."

Sofort verstärkte sich Doflamingos Griff um seinen Körper. Er schwieg so lang, dass Crocodile gar nicht mehr mit einer Erwiderung jedweder Art rechnete, als sein Partner plötzlich ganz unvermittelt sagte: "Es tut mir leid."

Crocodile, der beinahe schon wieder eingeschlafen war, zog verwunderte eine Augenbraue hoch. "Was redest du denn da?", fragte er. "Dir muss nichts leid tun. Du hast doch überhaupt gar nichts getan."

"Ich habe dich dazu gedrängt, mir von deinen Unfall zu erzählen", erwiderte Doflamingo in einem überraschend bestimmt klingenden Tonfall. "Ich wollte jedes kleine Detail wissen. Und nur darum hast du diesen furchtbaren Alptraum gehabt. Es tut mir leid, Wani. Das ist nicht meine Absicht gewesen."

"Ist schon gut", sagte Crocodile und er meinte seine Worte tatsächlich ernst. "Es ist nicht deine Schuld. Manchmal holt mich meine Vergangenheit einfach ein. Da kann niemand etwas für. Also mach dir bitte keine Vorwürfe, ja?"

Sein Verlobter wirkte noch immer nicht ganz überzeugt. Crocodile seufzte leise und fragte sich, wie er diese Sache bloß wieder in Ordnung bringen könnte. Inzwischen bereute er es, Doflamingo von den Ereignissen vor zehn Jahren erzählt zu haben. Vielleicht hätte er aus dem Verlust seiner linken Hand doch lieber ein Geheimnis machen sollen; zumindest um seinetwillen. Seinen Partner schien die Geschichte wirklich sehr stark mitgenommen zu haben. Damit hatte Crocodile überhaupt nicht gerechnet gehabt.

"Dich trifft keine Schuld", wiederholte er darum mit fester Stimme. "Und das sage ich nicht einfach nur so, Doffy. Versprochen."

"Ich fühle mich aber schuldig", erwiderte Doflamingo und verzog das Gesicht. "Kann ich irgendetwas tun, um Wiedergutmachung zu leisten?"

"Du könntest mir morgen früh mein Frühstück ans Bett bringen", gab er teils ernst, teils neckisch zurück.

Doflamingo lachte leise. Es war ein unfassbar schönes Geräusch, fand Crocodile.
 

bye

sb


Nachwort zu diesem Kapitel:
Hallo Leute ;)
Es tut mir sehr leid, dass ihr so lange auf ein neues Kapitel warten musstet. Hoffentlich habt ihr Verständnis dafür, dass sich mehr als 20.000 Wörter nicht in zwei Tagen schreiben lassen.^^
Ich hoffe sehr, dass euch Kapitel 8 gefällt. Gerne dürft ihr mir auch in Form eines Kommis oder einer ENS Feedback geben. ;)

bye
sb Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Serafin
2015-02-04T23:20:41+00:00 05.02.2015 00:20
Hallo
Mit Kommentaren bin ich nicht besonders geübt. Aber mir gefällt die Geschichte super. Von warten kann keine Rede sein, da ich die meisten Geschichten eher unregelmässig lese, ich hatte allerdings Glück mit dem Timing. Ich habe in diesem Kapitel immer mal wieder gedacht, dass jetzt alles auffliegt, vor allem nach Crocodiles Alptraum, da er ja im Schlaf gemurmelt hat, ich hatte eine Zeit lang schon befürchtet, dass Doflamingo etwas davon mitbekommen hat. Ich bin jetzt schon gespannt wie es weiter geht und ob die Lüge irgendwann auffliegt. (Bei all den Kontakten Doflamingos könnte dieser es ja jederzeit durch Zufall erfahren.) Also schreib bitte unbedingt weiter, ich freue mich jetzt schon aufs nächste Kapitel. Lg Serafin
Antwort von:  kleines-sama
26.02.2015 18:44
Vielen Dank für deinen lieben Kommentar! :) Es freut mich immer, wenn ich positives Feedback von meinen Lesern erhalte! :)
Und keine Sorge: Ich denke, es dauert nicht mehr allzu lange, bis die Bombe platzen wird! Ich habe da schon die eine oder andere Idee im Kopf ;) Aber das kannst du ja in den folgenden Kapiteln ja dann selbst lesen. Ich hoffe, dass sie dir genauso gut gefallen werden wie Kapitel 8 ^^
Bis zum nächsten Mal!

bye
sb


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