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Mesh Of Lies

DoflamingoxCrocodile (AU)
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Hallo Leute! :)
Wie versprochen gibt es hier Kapitel 9 ;)
Ich hoffe sehr, dass ihr Spaß beim Lesen habt und vielleicht den einen oder anderen Kommentar dalasst ^^

bye
sb Komplett anzeigen

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Kapitel 9 (zensiert)

Crocodile hielt sich gerade in seinem Lesezimmer auf und verfasste eine Antwort auf die Email, die sein Chef Franky ihm gesendet hatte, als es an der Tür klopfte. Rasch schloss er alle verdächtigen Fenster, ehe er mit möglichst unbefangen klingender Stimme "Herein!" rief.

"Hey, Wani", meinte sein Verlobter, der breit grinste und in seinem typisch o-beinigen Gang auf ihn zukam. "Hast du ein bisschen Zeit?"

"Klar", gab Crocodile zurück. "Worum geht es denn?"

"Nun ja, da wir letztes Wochenende nicht dazu gekommen sind", sagte Doflamingo, "dachte ich mir, dass wir heute endlich mit den Hochzeitsvorbereitungen beginnen könnten."

"Ähm", erwiderte Crocodile recht unbeholfen. Eigentlich hatte er überhaupt keine Lust, mit seinem Verlobten nach einem passenden Ort für ihre Hochzeit zu suchen und die Frage zu diskutieren, ob sie lieber eine Band oder einen DJ engagieren sollten. Trotzdem fing er sich recht schnell wieder und fügte hinzu: "Okay, sehr gerne. Gibst du mir fünf Minuten? Ich muss eben noch ein, zwei Mails schreiben, dann bin ich sofort bei dir."

"In Ordnung", meinte Doflamingo mit unbekümmerter Stimme. Er beugte sich zu ihm hinunter und küsste ihn zärtlich auf den Mund. Crocodile erwiderte den Kuss. "Ich warte im Wohnzimmer auf dich."

Crocodile nickte. Als sein Verlobter den Raum verlassen hatte, seufzte er leise und fuhr sich mit der Hand durch sein dunkles Haar. Auch wenn er die Hochzeit am liebsten um ein oder zwei Jahre nach hinten verschieben würde, war er sich doch dessen bewusst, dass er sich nicht ewig vor den Vorbereitungen drücken konnte. Doflamingo freute sich schon sehr auf den großen Tag und drängte ihn immer weiter in die Ecke.

Hastig antwortete er Frankys auf die Email. Anschließend fuhr er seinen Laptop herunter und erhob sich von dem gemütlichen Lesesessel, auf dem er gesessen hatte. Obwohl sein Verlobter ihm dieses Zimmer geschenkt hatte, um hier Ruhe und Entspannung zu finden, nutzte er es meistens, um heimlich Dinge zu erledigen, die mit seiner Arbeit zu tun hatten und von denen Doflamingo nichts erfahren sollte. Glücklicherweise hatte sein Partner es sich wenigstens endlich angewöhnt zu klopfen, ehe er eintrat.

Crocodile atmetete dreimal tief ein uns aus, ehe er das Lesezimmer verließ und sich auf den Weg hinunter ins Wohnzimmer machte. Hoffentlich würde es ihm gelingen, seinem Verlobten klar zu machen, dass sie beide nicht in naher Zukunft heiraten könnten. Er verfügte nicht über genug Geld, um eine Hochzeit zu bezahlen. Zumindest keine Hochzeit, die für einen Multimillionär wie Donquixote Doflamingo infrage kam.
 

Sein Verlobter saß im Wohnzimmer auf der Couch und spielte mit dem Kugelschreiber, den er in der Hand hielt. In seinem Schoß lag ein dicker Schreibblock. Er lächelte breit, als Crocodile sich neben ihn setzte. Dieser erwiderte das Lächeln schwach.

"Ich denke, dass wir als allererstes mit der Ausarbeitung der Gästeliste beginnen sollten", sagte Doflamingo. Er schlug den Block auf, schrieb oben auf die Seite Gäste und unterstrich das Wort doppelt. "Denn erst wenn wir wissen, mit wie vielen Gästen zu rechnen ist, macht es Sinn nach einer passenden Location Ausschau zu halten."

"Klingt logisch", gab Crocodile zu. Dann fügte er rasch an: "Wir hatten uns schon darauf geeinigt, dass wir lieber im kleinen Kreis heiraten wollen, nicht wahr? Nur Familie und enge Freunde. Ich möchte keine Paparazzi oder irgendwelche Leute, die ich nicht leiden kann oder kaum kenne, dabei haben."

Doflamingo nickte. "Sehe ich genauso", meinte er. "Ich möchte diesen Anlass nicht ausnutzen, um mit meinem Geld zu protzen. Wir genießen einfach gemeinsam mit unseren Freunden und unserer Familie eine schöne Feier."

Das klang gut, dachte Crocodile erleichtert. "Auf jeden Fall sollen meine Geschwister kommen", sagte er sogleich. "Und Daz natürlich auch. Das sind die allerwichtigsten Leute von meiner Seite."

Doflamingo nickte und notierte die entsprechenden Namen. "Haben Mihawk und Hancock eigentlich denselben Familiennamen wie du?", fragte er nach.

"Klar", antwortete Crocodile. Irritiert zog er die Augenbrauen zusammen. "Wie kommst du denn darauf?"

"Es hätte ja sein können, dass einer von ihnen schon einmal verheiratet gewesen ist und daher einen anderen Namen hat", gab Doflamingo zurück. "Und natürlich möchte ich mich nicht blamieren, indem ich meinem Schwager oder meiner Schwägerin falsch adressierte Einladungskarten zuschicke."

"Nein, keine Sorge", erwiderte Crocodile. "Keiner von ihnen war jemals verheiratet. Alle beiden tragen denselben Namen wie ich." Anbetracht der Tatsache, dass sein Bruder letztens schon seinen vierzigsten Geburtstag gefeiert hatte und es sich bei seiner Schwester Hancock um eine absolute Schönheit handelte, war die Frage wohl nicht ganz unberechtigt, musste Crocodile zugeben.

"Das ist gut", ließ Doflamingo verlauten. "Dann gibt es auch keinen allzu schlimmen Konkurrenzdruck."

"Konkurrenzdruck? Was meinst du denn damit?", hakte er verwundert nach.

"Nun ja..." Doflamingo druckste einen Moment lang herum, ehe er erklärte: "Jedes Paar möchte eine absolut perfekte Hochzeit feiern und neigt schnell dazu, einen gewissen Ehrgeiz zu entwickeln. Man fängt an, die eigenen Wünsche umzugestalten, bloß weil man die Hochzeiten der Anderen um jeden Preis übertrumpfen möchte. Aber da du der Erste in deinem Familenkreis bist, der heiratet, haben wir dieses Problem zum Glück nicht. Worüber ich übrigens sehr, sehr froh bin. Ich möchte nämlich den schönsten Tag in meinem Leben verbringen und nicht an einem Wettbewerb teilnehmen."

"Ach, darum musst du dir keine Sorgen machen", meinte Crocodile und machte eine wegwerfende Handbewegung. "Ich bin niemand, der sich mit anderen Leuten vergleicht. Zumindest nicht in dieser Hinsicht. Das habe ich überhaupt nicht nötig. Man muss wohl ein sehr oberflächlicher Mensch sein, wenn man den Tag seiner Hochzeit nutzen möchte, um zu prahlen und die Feste der Anderen niederzumachen."

"Das stimmt", sagte Doflamingo mit relativ leiser Stimme. "Allerdings würdest du dich wundern, bei wie vielen Menschen ich dieses Verhalten schon beobachtet habe."

"Tatsächlich?" Crocodile zog eine Augenbraue hoch. "Auf wie vielen Hochzeitsfeiern bist du denn schon gewesen? Ist denn überhaupt schon jemand aus deinem engeren Bekanntenkreis verheiratet? Du hast doch viele Freunde, die noch ziemlich jung sind, oder nicht?"

Doflamingo nickte. "Meine Freunde meine ich nicht", sagte er. "Aber ich habe bereits viele Hochzeitsfeiern von Bekannten meiner Eltern besucht. Wenn man so reich ist wie meine Familie, wird man ständig zu irgendwelchen Feierlichkeiten eingeladen. Hochzeiten, runde Geburtstage, Taufen und so weiter. Meistens geht es allerdings bloß darum, mit seinem Geld zu prahlen. Die Leute versuchen die Anderen zu übertrumpfen, indem sie mehr Gäste einladen, eine größere Location mieten oder exoterisches Essen auftischen. Der ursprüngliche Sinn dieser Feste geht dabei meistens völlig verloren."

"Das klingt ja absolut grauenhaft", meinte Crocodile kopfschüttelnd.

"Genau so sehe ich das auch", stimmte Doflamingo ihm zu. "Und aus diesem Grund möchte ich mich von diesen Leuten absetzen. Unsere Feier soll absolut perfekt werden; aber eben perfekt für uns. Verstehst du, wie ich das meine?"

"Klar", antwortete Crocodile. Um ehrlich zu sein, erleichterte ihn die Sichtweise seines Verlobten ungemein. Je geringer ihre Ansprüche waren, desto kostengünstiger würde die Hochzeit werden. Und Crocodile konnte es sich derzeit wirklich nicht leisten, mehr Geld als unbedingt notwendig auszugeben. Am besten bemühte er sich darum, ihre Feier so klein und und wenig extravagant wie möglich zu gestalten. Es galt: Je schlichter, desto besser.

"Wen möchtest du denn unbedingt einladen?", fragte Crocodile. "Doch bestimmt Law, Monet, Bellamy, Dellinger und Kuma, nicht wahr?"

"Klar", gab Doflamingo zurück. "Law, Monet, Bellamy, Cirkies, Dellinger, Kuma, Vergo, Gladius, Diamante, Violet und Pica." Hastig notierte er sich alle Namen. "Das sind die allerwichtigsten Leute. Dazu kommen dann noch ein paar Andere."

"Noch ein paar Andere?", hakte Crocodile skeptisch nach. "Wen hattest du denn noch im Sinn?"

"Ich habe noch einige Verwandte, die ich gerne einladen möchte", erklärte Doflamingo ihm. "Dazu zählen zum Beispiel die Eltern von Bellamy und Dellinger. Aber auch andere Tanten, Onkels, Cousinen und Cousins."

"Bis auf Bellamy und Dellinger kenne ich aber gar keinen von ihnen", wandte er ein. "Ich bin mir nicht sicher, ob mir der Gedanke gefällt, Menschen zu meiner Hochzeit einzuladen, die ich noch nie zuvor gesehen habe."

Und was noch viel wichtiger war: Crocodile wusste überhaupt nicht, wie groß die Verwandtschaft seines Verlobten war. Er hatte keine Lust, womöglich zu Dutzenden für irgendwelchen Verwandten aufzukommen, die er nicht einmal kannte. Dafür war sein Budget definitiv zu knapp.

"Sie gehören zu meiner Familie!", entgegnete Doflamingo mit überraschend energischer Stimme. "Das sind die Schwester und Brüder meines Vaters und meiner Mutter. Natürlich werde ich sie einladen!"

"Also feiern wir doch nicht in einem kleinem Kreis?", hielt Crocodile dagegen und verschränkte die Arme vor der Brust.

"Doch, tun wir", meinte Doflamingo. "Es handelt sich um meine Familie. Sie gehören zum kleinen Kreis dazu!"

"Für dich vielleicht", meinte Crocodile, "aber nicht für mich. Ich kenne diese Leute gar nicht; ich weiß nicht einmal ihre Namen. Und die soll ich zu meiner Hochzeit einladen?"

"Sie sind auch deine Familie", entgegnete Doflamingo. "Ich sehe Mihawk und Hancock längst als meinen Schwager und meine Schwägerin an. Und genauso wie die beiden Teil meiner Familie geworden sind, werden meine Verwandten teil deiner Familie werden."

"Das klingt ziemlich idealistisch", meinte Crocodile und rollte mit den Augen. "Meine Geschwister kennst du wenigstens. Ihr habt euch schon mehrmals getroffen. Deine Verwandten hingegen habe ich noch nie zu Gesicht bekommen." Er schwieg einen kurzen Moment lang, ehe er anfügte: "Vielleicht mögen sie mich ja gar nicht. Vielleicht denken sie, dass ich keine gute Partie bin und du dir lieber jemand Anderen suchen sollst. Am besten eine hübsche Frau, die aus ebenso gutem Haus kommt wie du selbst."

"Du redest totalen Unsinn!", hielt Doflamingo dagegen. "So denken meine Verwandten nicht; keiner von ihnen ist homophob. Schließlich haben sie vier homo- beziehungsweise bisexuelle Kinder in ihrer Familie."

"Aber sie alle sind reiche Geschäftsleute, oder nicht?" Crocodile verzog den Mund. "Und ich stamme bloß aus der Mittelschicht. Bestimmt denken sie, dass ich dich deines Geldes wegen heiraten möchte."

"Ich habe ihnen schon sehr häufig von dir erzählt", entgegnete Doflamingo. "Sie haben sich nie negativ zu dir geäußert. Ganz im Gegenteil: Sie bewundern es sehr, dass du es wider aller Umstände geschafft hast, so weit aufzusteigen. Immerhin bist du inzwischen ein sehr erfolgreicher Bankmanager."

Crocodile senkte den Blick. Dass Doflamingo so unverblümt von seiner Arbeit sprach, versetzte ihm einen schmerzhaften Stich ins Herz. Er diskutierte mit Doflamingo die Details ihrer Hochzeit, doch dabei wusste sein Verlobter nicht einmal, dass er längst schon kein Bankmanager mehr war. Vermutlich dachten Doflamingos Verwandten absolut zu recht schlecht von ihm. Crocodile seufzte und strich eine Haarsträhne zurück, die ihm ins Gesicht gefallen war.

"Wie wäre es mit einem Kompromiss?", schlug er schließlich vor. "Wir laden deine Familie zu unserer Hochzeit ein, sobald ich sie kennengelernt habe, in Ordnung?"

Dieser Vorschlag würde seinen Partner hoffentlich zufriedenstellen. Außerdem war Crocodile sich sicher, dass er auf diese Weise ein wenig mehr Zeit für sich herausschlagen könnte. Wenn Doflamingos Verwandtschaft tatsächlich größtenteils aus erfolgreichen Geschäftsleuten bestand, würde es mit Sicherheit schwer werden, zeitnah ein gemeinsames Treffen auszumachen. Bestenfalls dauerte es Monate, bis Crocodile alle Tanten und Onkels, Cousinen und Cousins kennengelernt hatte.
 

Doflamingo nickte. "Gut, in Ordnung", sagte er. "Damit kann ich leben. Aber wie sieht es denn mit weiteren Hochzeitsgästen aus? Du möchtest doch sicher mehr als nur drei Leute einladen, nicht wahr?"

"Ich habe keinen so großen Freundeskreis wie du", erwiderte Crocodile. "Von meiner Familie ganz zu schweigen. Hm. Du könntest Shanks noch auf die Gästeliste setzen. Mit ihm verstehst du dich auch ganz gut, oder nicht?"

"Shanks ist ein klasse Typ", meinte Doflamingo und fügte seinen Namen zur Gästeliste hinzu. "Bei Mihawks Geburtstagsparty habe ich mich viel mit ihm unterhalten."

"Mach mich nicht eifersüchtig", warf Crocodile grinsend ein.

"Er hat mich sehr stark an dich erinnert", meinte Doflamingo und legte einen Arm um ihn.

Crocodile zog die Augenbrauen hoch. "Inwiefern?" Seiner Ansicht nach war Shanks ihm ungefähr so ähnlich wie ein Hund einem Pferd. Sie hatten nicht einmal dieselbe Haar- oder Augenfarbe. Erst als sein Partner ihre Gemeinsamkeiten laut aussprach, wurde Crocodile klar, worauf dieser hinauswollte.

"Euch fehlt beiden ein Arm", sagte Doflamingo. "Und ihr habt beide eine Narbe im Gesicht. Das ist ein ziemlich seltsamer Zufall, findest du nicht auch?"

"Es ist kein Zufall", erwiderte Crocodile und schloss seine Augen. "Du weißt, dass ich für etwa sechs Monate bei Mihawk gewohnt habe, nachdem ich meine linke Hand verloren hatte. Ich verfiel in eine schlimme Depression und zog mich immer weiter zurück. Wollte niemanden mehr sehen. Selbst meine Freunde und Geschwister gingen mir auf die Nerven. Obwohl mich alle bemitleideten, hatte ich das Gefühl, dass keiner von ihnen meine Situation wirklich nachvollziehen konnte. Niemand hat mich verstanden.

Also machte Mihawk sich auf die Suche nach einem Menschen, dem es genauso ergangen war wie mir. Und nach ein paar Wochen fand er dann Shanks. Mihawk hat mich dazu überredet, mich mit ihm zu treffen. Zuerst weigerte ich mich; ich habe nämlich einen Verkupplungsversuch gewittert und hatte überhaupt keine Lust, mich darauf einzulassen. Aber die Gespräche mit Shanks haben mir wirklich weitergeholfen. Er war einer der wenigen Leute, die mich nicht bemitleidet haben. Stattdessen motivierte er mich und zwang mich, immer mal wieder das Haus zu verlassen. Wir sind essen gegangen, ins Kino oder in einen Club. Einmal waren wir sogar Schlittschuhlaufen. Shanks ist schon immer eine sehr lebensfrohe Person gewesen und mit ihm machte mir jeder Ausflug Spaß. Er hat sich nie unterkriegen lassen und bald färbte seine positive Lebenseinstellung auch auf mich ab. Ich verdanke ihm sehr viel."

"Wow", meinte Doflamingo und wirkte sehr erstaunt. Mit einem solchen Geständnis schien er nicht gerechnet zu haben. Er fing sich jedoch rasch wieder. "Es ist eine gute Sache, dass ihr beide euch kennengelernt habt", sagte er. "Dir hat Shanks dabei geholfen, wieder auf die Beine zu kommen, und Mihawk hat in ihm einen guten Freund gefunden. Manchmal hält das Leben wohl doch nicht immer nur böse Überraschungen bereit."

"Sieht so aus", erwiderte Crocodile. Inzwischen war er müde und hungrig geworden. Gemeinsam mit seinem Verlobten eine Gästeliste für ihre Hochzeit zu erstellen, war deutlich anstrengender, als er angenommen hatte. Am liebsten würde er für heute Schluss machen, eine heiße Tomatensuppe essen und sich eine Stunde früher ins Bett legen.

"Aber, ähm..." Doflamingo spielte eine Weile mit dem Kugelschreiber, den er in seiner Hand hielt, eher er mit der Sprache herausrückte: "Aber zwischen euch beiden... also dir uns Shanks... ist nie wirklich etwas gelaufen, oder? Restaurant, Kino, Nachtclub und Eishalle... Das klingt ziemlich stark nach Orten, an denen man sich für ein Date trifft. Warst du, nun ja, mit ihm zusammen oder so etwas in der Art?"

Crocodile brach unweigerlich in lautes Gelächter aus. Es war sehr selten, dass er seinen Verlobten verunsichert erlebte. "Nein, keine Sorge", antwortete er prustend und ignorierte den fiesen Blick, den Doflamingo ihm durch die getönten Gläser seiner Sonnenbrille hindurch zuwarf. "Zwischen uns beiden lief nie etwas. Unsere Beziehung ist rein freundschaftlich. Shanks ist sowieso hetero."

"Meine Frage war nicht unberechtigt", warf Doflamingo ein und verzog den Mund. Er konnte es überhaupt nicht leiden, ausgelacht zu werden. "Immerhin hattest du schon so einige Beziehungen!"

Sofort hörte Crocodile zu lachen auf; stattdessen setzte er eine finstere Miene auf. "Was willst du damit sagen?", fragte er und verschränkte die Arme vor der Brust.

"Nichts weiter", gab Doflamingo zurück. Er schien nicht auf Streit aus zu sein, doch erweckte auch keinen sonderlich beschwichtigenden Eindruck. "Nur dass du eben eine nicht gerade geringe Anzahl an Exfreunden hast. Woher soll ich wissen, dass Shanks nicht dazu gehört? Es hätte schließlich durchaus sein können."

"Eine nicht gerade geringe Anzahl an Exfreunden?", wiederholte Crocodile ungläubig. "Jetzt tu doch nicht so unschuldig, Doflamingo! Ich bin mir sicher, dass du in deinem Leben deutlich mehr Menschen deinen Freund oder deine Freundin genannt hast, als ich. Von deinen vielen One-Night-Stands ganz zu schweigen!"

"Ich bin in keinen von ihnen jemals verliebt gewesen", erwiderte Doflamingo ungerührt. "Und keine meiner Beziehungen hielt länger als sechs Wochen!"

"Na und? Ist das meine Schuld?" Crocodile verstand überhaupt nicht, worauf sein Verlobter hinauswollte. "Wie oft sollen wir diese Diskussion denn noch führen? Wir sind beide in unseren Dreißigern, Doflamingo. Wir haben beide Erfahrungen unterschiedlicher Art gemacht. Was willst du mir sagen?"

"Ich will überhaupt nichts sagen", meinte sein Partner. "Es stört mich bloß eben, dass du schon so viele feste Beziehungen geführt hast. Manchmal, wenn ich höre, dass du mit einem anderen Mann schon deutlich länger zusammengewesen bist als mit mir, werde ich furchtbar eifersüchtig. Dann komme ich mir vor wie einer von vielen. Als würde ich nur darauf warten, von deinem nächsten Liebhaber abgelöst zu werden. Ich wünsche mir, dass dich vor mir noch niemals jemand angefasst hätte. Dass du, nun ja, sozusagen unschuldig wärst."

Crocodile glaubte, sich verhört zu haben. Er konnte überhaupt nicht fassen, was sein Verlobter ihm an den Kopf warf. Wollte Doflamingo ihm ehrlich vorwerfen, dass er mit anderen Männern zusammengewesen war, bevor er ihn kennengelernt hatte? Er war fünfunddreißig Jahre alt, verdammt nochmal! Und sie lebten im einundzwanzigsten Jahrhundert. Was erwartete sein Verlobter von ihm? Dass er bis zur Ehe enthaltsam blieb? Er hätte niemals gedacht, dass Doflamingo so furchtbar altmodisch und konservativ eingestellt war.

Crocodile war absolut entsetzt. Er war zu überhaupt keiner Antwort fähig. Sein Verlobter hatte ihn praktisch als Schlampe bezeichnet. Als jemand, der leicht zu haben war. Der seine Partner tauschte wie seine Kleidung. Anstatt zu einer Erwiderung anzusetzen, erhob Crocodile sich von seinem Platz. Er ging hinüber zur Tür und verließ das Wohnzimmer. So schnell er nur konnte hastete er die Treppe in den ersten Stock hinauf. Als er in seinem Lesezimmer angekommen war, verschloss er die Tür hinter sich und ließ sich daran herab auf den Boden gleiten. Noch niemals zuvor hatte Doflamingo ihn so furchtbar beleidigt wie gerade eben.
 

Es dauerte nicht lange, bis Crocodile hörte, wie jemand laut an die Zimmertüre klopfte. Natürlich wusste er sofort, um wen es sich handelte. "Crocodile?", rief Doflamingo und hämmerte erneut gegen die Türe. "Komm schon! Lass diesen Blödsinn! Mach auf!"

"Wozu?", entgegnete Crocodile. Er sprach laut genug, sodass auch sein Verlobter auf der anderen Seite ihn deutlich verstehen konnte. "Damit ich mich noch einmal von dir als Schlampe bezeichnen lassen kann? Garantiert nicht!"

"Ich habe dich nie eine Schlampe genannt!"

"Du hast gesagt, dass ich eine große Anzahl an Exfreunden hätte!", hielt Crocodile wütend dagegen. "Dass du dir vorkommst wie einer von vielen und nur darauf wartest, ausgewechselt zu werden! Denkst du tatsächlich so schlecht von mir?"

"So... so habe ich es nicht gemeint", stammelte Doflamingo. "Mach die Tür auf und lass uns in Ruhe darüber reden!"

"Ich öffne die Türe erst dann, wenn du dich bei mir entschuldigt hast", forderte Crocodile und verschränkte die Arme vor der Brust. Noch immer war er stocksauer.

"Wofür soll ich mich entschuldigen?", erwiderte Doflamingo, der nicht minder wütend wirkte. "Dafür, dass ich dich angeblich eine Schlampe genannt hätte? Das habe ich aber gar nicht getan!"

"Nicht direkt", gab Crocodile zurück. "Aber die Dinge, die du eben gesagt hast, laufen auf dasselbe hinaus!"

"Du drehst mir mal wieder die Worte im Mund herum!", schimpfte sein Verlobter. "Alles, was ich sage, verdrehst du, um eine Entschuldigung von mir zu erzwingen!"

Crocodile konnte den Unsinn, den Doflamingo von sich gab, kaum fassen. "Was?!", meinte er. "Ich drehe dir die Worte im Mund herum? Hast du noch alle Tassen im Schrank? Ich habe es überhaupt nicht nötig, dir die Worte im Mund herumzudrehen. Was du eben gesagt hast, war nämlich mehr als eindeutig!"

"Ich habe bloß meine Gefühlslage deutlich gemacht", hielt Doflamingo mit leiser Stimme dagegen. "Willst du mir vorhalten, dass ich meine Gefühle und Gedanken mit dir geteilt habe?"

"Deine Gefühle und Gedanken?!", wiederholte Crocodile zornig. "Wenn deine Gefühle und Gedanken beinhalten, dass ich bloß ein billiges Flittchen bin und auf die nächste Gelegenheit warte, um dich gegen einen anderen Mann einzutauschen, dann kann ich sie dir definitiv vorhalten! Warum sagst du so etwas, Doflamingo? Glaubst du etwa, dass ich unsere Beziehung nicht ernst nehme? Oder du mir nicht wichtig bist?"

"Doch, natürlich", erwiderte Doflamingo, der inzwischen beinahe schon verzweifelt klang. "Aber, nun ja.... Du hast schon ziemlich viele Beziehungen ernst genommen, oder nicht? Und so einige Männer sind dir in deinem Leben schon wichtig gewesen. Ich habe das Gefühl, dass ich aus dieser Menge nicht wirklich heraussteche. Ich möchte etwas Besonderes für dich sein, aber manchmal denke ich, dass ich bloß einer von vielen bin."

"Soll ich mich etwa bei dir entschuldigen, weil ich keine unberührte Jungfrau war, als ich dich kennengelernt habe?" Für Crocodile ergaben die Worte seine Verlobten nur wenig Sinn. "Verdammt, wir leben doch nicht im Mittelalter, Doflamingo! Es ist nicht meine heilige Pflicht, bis zur Ehe enthaltsam zu bleiben! Du kannst mir nicht vorwerfen, bereits mit anderen Männern zusammengewesen zu sein! Damals wusste ich noch nicht einmal, dass du überhaupt existierst!"

"Dessen bin ich mir bewusst", meinte Doflamingo schwach.

"Und warum machst du mir dann Vorwürfe?!"

"Ich mache dir keine Vorwürfe", erwiderte sein Verlobter. "Aber ich kann auch nicht verleugnen, dass ich manchmal Zweifel hege und mir wünsche, ich wäre der einzige Mann, mit dem du jemals eine wirklich ernsthafte Beziehung eingegangen bist. Wenn du mir sagst, dass du mich liebst, muss ich immer wieder an die vielen anderen Menschen denken, zu denen du diese Worte auch schon gesagt hast."

Er hielt einen kurzen Moment lang inne, ehe er fortfuhr: "Du hast mein Leben völlig auf den Kopf gestellt, Crocodile. Als ich dich bei dem Geschäftsessen mit Sengoku kennengelernt habe, ist es sofort um mich geschehen gewesen. Es war Liebe auf den ersten Blick! Nun, zumindest auf meiner Seite. Es hat wochenlang gedauert, bis es mir endlich gelungen war, dich zu einem Date zu überreden. Aber schon von der allerersten Sekunde an wusste ich, dass du der Mann meines Lebens bist.

Früher bin ich jedes Wochenende feiern gegangen, habe mich mit unzähligen Männern und Frauen vergnügt und einfach bloß in den Tag hinein gelebt. Aber du hast meine Denkweise völlig verändert. Seitdem ich dich kenne, interessiere ich mich für keinen anderen Mann und keine andere Frau mehr. Ich möchte nur dich. Ich genieße es, jeden Morgen neben dir aufzuwachen. Ich möchte dich heiraten und ich möchte Kinder mit dir haben, Crocodile! Du hast meinem Leben eine ganz neue Bedeutung verliehen.

Und... und es quält mich, dass ich anscheinend nicht dieselbe Wirkung bei dir erzielt habe. Ich habe dein Leben nicht stärker beeinflusst als irgendeiner deiner anderen Freunde. Du hast gezögert, als ich dir angeboten habe, zu mir zu ziehen. Und nahezu jedes Mal, wenn ich von der bevorstehenden Hochzeit spreche, machst du einen ausweichenden Eindruck. Ich weiß, dass du mich liebst, aber manchmal komme ich gegen diese Gefühle einfach nicht an. Verstehst du das, Crocodile?"

Crocodile seufzte laut und bedeckte sein Gesicht mit der rechten Hand. Sein Verlobter und er hatten bereits vor einigen Wochen über dieses Thema gesprochen gehabt, doch ihm war nicht klar gewesen, dass Doflamingo so stark litt. Eigentlich hatte er geglaubt, dass es ihm gelungen wäre, die Zweifel seines Partners zu zerstreuen. Aber in diesem Punkt hatte er sich wohl geirrt.

"Machst du bitte die Türe auf?"

Crocodile erhob sich und fuhr sich durch sein dunkles Haar, ehe er den Schlüssel im Schloss umdrehte. Sofort kam Doflamingo ins Zimmer gestürmt, legte seine Arme um ihn und zog ihn so nah zu sich, dass Crocodile den Herzschlag seines Verlobten hören konnte. Er war sich nicht sicher, ob ihn dieses Geräusch beruhigte oder aufwühlte.

"Es tut mir leid, dass du meine Worte als Vorwurf verstanden hast", sagte Doflamingo. "So habe ich es nicht gemeint. Meine Zweifel sind nicht deine Schuld."

"Ist schon gut", meinte Crocodile in Ermangelung einer besseren Erwiderung. Er hatte nicht damit gerechnet gehabt, dass sein Verlobter ein solches Geständnis ablegen würde, und fühlte sich völlig überfordert. Wie hatte die Erstellung der Gästeliste für ihre Hochzeit bloß zu diesem Streit führen können?

Nach einer Weile fügte er hinzu: "Es gibt keinen Grund, um zu zweifeln. Ich liebe dich, Doffy. Mit keinem anderen Menschen genieße ich meine Zeit so sehr wie mit dir. Du hast recht, wenn du sagst, dass ich schon einige Beziehungen geführt habe, ehe ich auf dich getroffen aber. Aber du solltest nicht vergessen, dass, ganz egal wie viele Freunde ich schon gehabt habe, es in meinem Leben nur einen einzigen Verlobten gibt. Und auch nur einen einzigen Ehemann."

Doflamingo nickte und intensivierte ihre Umarmung. Er wirkte längst nicht mehr so angespannt und aufgewühlt wie gerade eben noch. Crocodile beschloss, es ihm gleichzutun und bemühte sich darum, ein wenig lockerer zu werden. Er war sehr froh darüber, dass sie diesen Streit endlich geklärt hatten. Oder eher: fast geklärt hatten. Es gab da nämlich noch eine Sache, die Crocodile noch auf dem Herzen lag.

Er löste sich von seinem Partner, sah diesem ins Gesicht und meinte: "Ich hoffe, dass ich dir nicht zu nahe trete, Doffy, aber darf ich dir eine Frage stellen?"

Doflamingo nickte. Auch wenn sie nun nicht mehr eng aneinander gepresst dastanden, hatte er noch immer die Arme um seine Hüfte geschlungen. Crocodile störte dieser Kontakt nicht.

"Hetzt du aus diesem Grund so sehr mit den Hochzeitsvorbereitungen? Weil du denkst, dass du aus der Masse herausstichst und nicht mehr bloß einer von vielen bist, wenn du erst einmal mein Ehemann bist?"

"Ja und nein", gab Doflamingo zu. "Du hast recht, wenn du sagst, dass ich dich möglichst bald heiraten möchte. Ich möchte unsere Beziehung auf eine neue Stufe stellen. Vermutlich auch, damit ich dein Leben auf ganz besondere und absolut einzigartige Weise beeinflusse. Aber hauptsächlich einfach bloß, weil ich dich liebe und mir kein Grund einfällt, wieso wir länger warten sollten." Er hielt kurz inne, ehe er hinzufügte: "Hast du wirklich das Gefühl, dass ich dich hetze, was die Vorbereitungen für die Hochzeit angeht?"

"Ein wenig", erwiderte Crocodile zögerlich. Er war sich dessen bewusst, dass er sich momentan auf sehr dünnem Eis bewegte. Auf der einen Seite wollte er seinem Partner klarmachen, dass sie sich mit ihrer Hochzeit gerne noch ein wenig Zeit lassen konnten, doch auf der anderen Seite durfte er Doflamingo nicht verletzen. Schließlich bedeutete diesem ihre Vermählung sehr viel.

"Ich habe keine Lust, mich hetzen und drängen zu lassen", sagte Crocodile und bemühte sich darum, den richtigen Tonfall zu treffen. "Unsere Hochzeit soll wundervoll werden. Aber für mich gehört nicht bloß dieser eine Tag dazu, an dem wir uns das Ja-Wort geben und mit unseren Freunden und Verwandten feiern. Ich habe es dir schon einmal gesagt: Auch die Vorbereitungen für die Hochzeit möchte ich in guter Erinnerung behalten." Zur Bekräftigung fügte er noch hinzu: "Auch wenn es mir in letzter Zeit psychisch wieder besser geht, bin ich immer noch nicht vollständig wieder gesund. Und ich möchte kurz vor unserem großen Tag keinen Nervenzusammenbruch erleiden, bloß weil wir unbedingt so früh wie möglich heiraten wollten. Stress und Hektik kann ich derzeit wirklich überhaupt nicht gebrauchen. Ich spreche sehr gern mit dir über unsere Hochzeit, Doflamingo, aber bitte lass uns die Sache ein bisschen langsamer angehen. In Ordnung?"

"Klar, das verstehe ich", sagte sein Verlobter und Crocodile stellte erleichter fest, dass dieser seine Worte tatsächlich ernst zu meinen schien.

"Gut." Crocodile atmete auf. "Ich denke, dass es uns beiden guttun wird, wenn wir uns nicht so sehr in diese Sache hineinsteigern. Du weißt doch hoffentlich, dass du der Mann meines Lebens bist, auch ohne dass wir beide im Rathaus einen Vertrag unterschreiben und gegenseitig die Ringe austauschen?"

"Natürlich." Doflamingo lächelte und beugte sich zu ihm hinunter, um ihn auf den Mund zu küssen. Crocodile schloss seine Augen und erwiderte den Kuss. Da er nun einige gute Gründe hatte, um die Vorbereitungen für ihre Hochzeit weiter nach hinten zu verschieben, fiel ihm ein großer Stein vom Herzen. Je später sie beide heirateten, desto besser.

"Aber, nur um es klarzustellen, du willst doch nicht bloß standesamtlich heiraten, nicht wahr?"

Crocodile zog die Augenbrauen zusammen. "Wieso nicht?", fragte er schulterzuckend. "Ich bin nicht sonderlich religiös. Ich hätte kein Problem damit, die Kirche außenvorzulassen."

Doflamingo wirkte absolut entsetzt. "Du willst nicht kirchlich heiraten?", wiederholte und klang, als hätte Crocodile ihm gerade verkündet, dass er kleinen Hundewelpen gerne den Hals umdrehte.

"Nun ja, nicht unbedingt", gab er zu. "Bist du denn sonderlich religiös?"

"Nicht so richtig", lenkte Doflamingo ein. "Aber es ist doch total unromantisch, nur standesamtlich zu heiraten! Hast du denn nicht schon immer davon geträumt, anmutig nach vorne zum Altar zu schreiten, wo dein zukünftiger Ehemann auf dich wartet?"

"Nein, habe ich nicht", gab Crocodile schnippisch zurück. "Und wieso bin überhaupt ich derjenige, der nach vorne zum Altar schreitet? Ich bin doch nicht deine Braut! Soll ich etwa ein weißes Kleid und einen Schleier tragen? Du spinnst doch."

"Kein weißes Kleid, schließlich bist du keine Frau", erwiderte Doflamingo, "aber was hältst du von einem weißen Anzug? Ich trage schwarz und du weiß. Das würde doch passen, oder nicht?"

"Garantiert nicht!" Crocodile verschränkte pikiert die Arme vor der Brust. "Warum trägst du keinen weißen Anzug? Wieso sollte ausgerechnet ich die Braut sein und nicht du?"

"Na, du bist deutlich kleiner als ich", erklärte Doflamingo neckisch grinsend. "Es macht viel mehr Sinn, wenn du die Braut bist und ich der Bräutigam. Wenn du möchtest, dann darfst du auch den Brautstrauß werfen. Und ich trage dich über die Türschwelle."

"Ph!" Crocodile streckte seinem Verlobten die Zunge heraus. "Träum weiter, Doffy!"
 

*
 

Crocodile saß im Wohnzimmer auf der Couch und blätterte relativ gedankenlos durch eine Zeitschrift, die sein Verlobter irgendwann einmal abonniert hatte. Auf dem Beistelltisch standen eine nur noch halb volle Flasche Wein und ein Glas, aus dem Crocodile immer mal wieder einen Schluck nahm.

Auch wenn die Arbeit heute sehr anstrengend gewesen war (es gab viel zu tun und er war von einem wichtigen Meeting zum nächsten gehetzt), fühlte er sich insgesamt ziemlich wohl. Crocodile empfand Erschöpfung nicht zwingend als negativ. Dass er erschöpft war, bedeutete, dass er heute viel geleistet hatte, und darauf konnte er stolz sein. Tatsächlich schien Franky mit seiner Arbeit sehr zufrieden zu sein. Gestern erst hatte er ein großes Lob von Seiten seines Chefs bekommen.

Crocodile nippte gerade an seinem Weinglas, als unerwarteterweise die Türe zum Wohnzimmer aufging. Verwundert hob er den Kopf und sah zu seinem Verlobten hinüber, der breit grinsend den Raum betrat.

"Was machst du denn schon hier?", fragte er irritiert, denn Doflamingo hatte ihm gesagt gehabt, dass er den Nachmittag bei einem Freund verbringen wollte. Er hatte ihm auch den Namen genannt, doch daran erinnerte Crocodile sich nicht mehr so ganz. Er tippte auf Vergo oder Diamante.

"Ich habe eine Überraschung für dich!", erklärte Doflamingo mit aufgeregter Stimme und kam hastig auf ihn zu.

Skeptisch zog Crocodile die Augenbrauen zusammen und legte seine Zeitschrift zur Seite. (Erst jetzt fiel ihm auf, dass es sich um irgendein Brautmagazin handelte, doch diesen Umstand schien sein Verlobter zum Glück nicht zu bemerken). "Eine Überraschung? Was denn für eine Überraschung?"

"Wenn ich es dir verraten würde, wäre es keine Überraschung mehr, oder nicht?", erwiderte Doflamingo, der von Ohr zu Ohr grinste. "Komm schon, steh auf!" Er griff nach seinem Handgelenk und zog ihn mit sanfter Gewalt auf die Füße.

"Wohin gehen wir denn?", fragte Crocodile. Er fühlte sich überfordert; damit, dass sein Partner so plötzlich auftauchte und ihn entführte, hatte er beim besten Willen nicht gerechnet gehabt. "In ein Restaurant oder so etwas? Wenn ja, muss ich mich vorher umziehen." Da er eigentlich vorgehabt hatte, einen entspannten Nachmittag Zuhause zu verbringen, trug er gemütliche Kleidung, die für ein auswärtiges Essen definitiv nicht angemessen war.

Doch Doflamingo schüttelte sowieso den Kopf. "Wir müssen nicht einmal die Villa verlassen", meinte er und lozte ihn die Treppe hoch. "Die Überraschung wartet in deinem Lesezimmer auf dich!"

"In meinem Lesezimmer?"

Crocodile überlegte, was sein Partner für ihn besorgt haben könnte. Ein neues Bücherregal vielleicht? Nein, das war zu langweilig für einen Mann wie Doflamingo. So wie Crocodile seinen Verlobten kannte, hatte dieser eher etwas vorbereitet, was mit Sex zu tun hatte. Hoffentlich erwartete ihn gleich keine bereits installierte Sexschaukel, Strip-Stange oder Ähnliches in seinem hübschen Lesezimmer. Zum Einen kannte Crocodile sich mit solchen Geräten überhaupt nicht aus und zum Anderen vertrat er die Ansicht, dass, wenn man sich so etwas besorgte, diese Dinge ins Schlafzimmer gehörte und nirgendwo anders hin. Immerhin handelte es sich um absolute Privatsache.

"Ich bin mir sicher, dass du begeistert sein wirst!", verkündete Doflamingo mit freudestrahlender Stimme. Er holte einen schwarzen Seidenschal aus seiner Hosentasche hervor und verband ihm damit die Augen.

Crocodile schluckte, doch ließ sich diese Behandlung gefallen. Inzwischen war er sich sehr sicher, dass sein Verlobter irgendeine absolut perverse Überraschung für ihn geplant hatte. Dieser ließ bei solchen Gelegenheiten nämlich sehr gerne Seidenschals zum Einsatz kommen.

Noch gut erinnerte sich Crocodile daran, wie Doflamingo ihn vor ein paar Wochen erst mit zwei schwarzen Schals gefesselt und anschließend auf absolut agonische Art und Weise verwöhnt hatte. Zuerst massierte ihn sein Partner mit Wildrosenöl, dann fingerte er ihn und schlussendlich kam sogar (zum ersten Mal in ihrer Beziehung) ein Vibrator zum Einsatz. Auch wenn er es nur ungern zugab, hätte Crocodile gegen eine Wiederholung nichts einzuwenden. Den Vibrator hatten sie zwar ein oder zwei weitere Male benutzt gehabt, doch in letzter Zeit war er zu seinem Unmut ein wenig in Vergessenheit geraten.

"Überraschung!", rief Doflamingo mit heiterer Stimme und nahm ihm den Schal wieder ab.

Neugierig öffnete Crocodile seine Augen. Als er sah, was sich in seinem Lesezimmer befand, stockte ihm der Atem. Das kann doch nicht wahr sein, schoss es ihm durch den Kopf. Zu einem anderen Gedanken war er momentan nicht fähig. Es dauerte etwa eine halbe Minute, bis er sich wieder gesammelt hatte.

Vor seinen Füßen auf dem Teppichboden stand ein großer, mit weichen Kissen ausgelegter Weidenkorb. Darin befanden sich zwei kleine Kätzchen. Beide hatten silber-graues Fell und trugen jeweils eine Schleife um den Hals.

"Gefallen sie dir?", fragte sein Verlobter ihn in einem gespannt klingenden Tonfall.

Crocodile wusste nicht, was er auf diese Frage antworten sollte. Einerseits wollte er seinen Partner nicht verletzen (dieser hatte es bestimmt bloß gut gemeint), doch auf der anderen Seite war er absolut entsetzt und geschockt. Wie zur Hölle kam Doflamingo bloß auf die Idee, ihm zwei Katzen zu schenken? Crocodile konnte sich nicht daran erinnern, ihm gegenüber jemals erwähnt zu haben, dass er sich ein Haustier wünschte.

Aus seinem Schweigen schien sein Verlobter eigene Schlüsse zu ziehen. "Sie gefallen dir nicht", stellte er mit niedergeschlagener Stimme fest und verzog den Mund.

"Sie sehen niedlich aus", erwiderte Crocodile schwach. Er wandte den Blick von den beiden Kätzchen ab und fuhr sich mit der rechten Hand durch sein Haar. Als er sich einigermaßen wieder gefasst hatte, meinte er schließlich: "Um ehrlich zu sein, bin ich ziemlich geschockt. Warum schenkst du mir denn auf einmal zwei Katzen? Wie bist du nur auf diesen verrückten Gedanken gekommen, Doflamingo?"

"Wieso verrückt?", gab dieser zurück. Er erweckte einen furchtbar enttäuschten Eindruck. "Ich wollte dir mit den Kleinen eine Freude machen!"

"Dessen bin ich mir bewusst", lenkte Crocodile beschwichtigend ein. "Aber ich frage mich, weshalb es ausgerechnet zwei Katzen sein müssen."

"Bist du allergisch?", hakte Doflamingo nach.

Crocodile schüttelte den Kopf. "Darum geht es nicht", erklärte er. "Aber es bedeutet eine ganze Menge Verantwortung, sich um Haustiere zu kümmern. Und wir beide sind viel beschäftigte Männer. Jeder von uns arbeitet mindestens acht Stunden pro Tag. Wann sollen wir uns denn um die Kleinen kümmern? Hast du dir das mal überlegt?"

"Du übertreibst", warf sein Verlobter ein. "Mann muss sie jeden Tag füttern und gelegentlich die Katzentoilette sauber machen. Das ist überhaupt nicht viel Arbeit. Und weil wir beide so oft unterwegs sind, habe ich auch gleich zwei von ihnen besorgt. Dann sind sie nie alleine und vereinsamen nicht. Es gibt also überhaupt kein Problem."

"Doch, das gibt es", erwiderte Crocodile. Er konnte die grenzenlose Naivität seines Partners überhaupt nicht nachvollziehen. "Verdammt, Doflamingo! Sich Haustiere zuzulegen, ist eine echt große Sache. Du hättest mit mir sprechen müssen, bevor du die Katzen besorgst."

"Aber dann wäre es doch keine Überraschung mehr gewesen", hielt Doflamingo dagegen und verschränkte die Arme vor der Brust. "Du tust so, als hätte ich ohne deine Einwilligung ein Kind adoptiert. Es sind doch bloß zwei Kätzchen."

"Ob es nun ein Kind oder ein Tier ist!", meinte Crocodile zornig. "Du lädst mir einfach eine riesige Verantwortung auf die Schultern, ohne mich vorher danach zu fragen! Ich bin doch in letzter Zeit sowieso ständig im Stress und muss oft Überstunden machen. Wie soll ich mich denn da gleichzeitig noch um zwei Tiere kümmern? Aber daran hast du natürlich keinen einzigen Gedanken verschwendet!"

"Tiere helfen gegen Stress", wandte Doflamingo ein. "Es gibt doch sogar Therapien, bei denen Tiere mitwirken, oder nicht? Bestimmt können dir die beiden Kätzchen dabei helfen, dich zu entspannen. Warum nimmst du nicht einfach eines von ihnen hoch? Schau doch nur, wie süß die beiden sind!"

"Ich will keines von ihnen hochnehmen", erwiderte er schroff. "Bring die Katzen wieder dahin zurück, wo du sie her hast, ja? Ich bin nicht bereit für eine solche Verantwortung, Doflamingo!"

"Aber wenn du es dir nicht einmal zutraust, für ein Tier zu sorgen, wie willst du es denn dann schaffen, dich um ein kleines Kind zu kümmern?"

"Was redest du da für einen Unsinn?" Crocodile verstand überhaupt nicht, worauf sein Partner hinauswollte. "Wir reden hier doch gerade über die beiden Katzen. Wie kommst du da plötzlich auf Kinder?"

"Na, wir wollen doch später Kinder haben", meinte Doflamingo. "Aber wie soll das gehen, wenn du es nicht einmal schaffst, dich um ein Haustier zu kümmern?"

Nun endlich erkannte Crocodile die Absicht, die hinter diesem Geschenk stand. "Willst du etwa mithilfe dieser beiden Kätzchen meinen Kinderwunsch wecken?", fragte er mit entsetzter und zorniger Stimme. "Soll das irgendeine Art Vater-Training werden? Doflamingo!"

"Wieso denn nicht?", meinte sein Verlobter. "Es wäre eine gute Übung, oder nicht?"

"Bist du eigentlich komplett bescheuert?!" Crocodile gelang es nicht länger, seine Wut in Zaum zu halten. "Ich fasse es nicht! Ich fasse es einfach nicht! Du versuchst mir diese beiden Katzen unterzujubeln, um deine eigenen Wünsche durchzusetzen! Ich hätte nie gedacht, dass du so furchtbar egoistisch sein kannst!"

"Wieso denn egoistisch?" Nun ging auch Doflamingo in Angriffsposition über. "Kinder zu wollen ist praktisch das absolute Gegenteil! Schließlich geht es darum, sein Leben zu teilen. Seine Zeit zu opfern, um sich um andere Menschen zu kümmern und sie zu erziehen. Es handelt sich um eine große Verantwortung. Und daran ist überhaupt nichts egoistisch!"

"Es ist egoistisch, seinem Partner einen Kinderwunsch aufdrängen zu wollen!", entgegnete Crocodile scharf. "Ich habe dir gesagt, dass ich mir nicht sicher bin, ob ich jemals Vater werden möchte. Aber darüber setzt du dich einfach hinweg! Für dich zählen bloß deine eigenen Wünsche und Bedürfnisse. Du willst Kinder, also kriegst du Kinder. Und es ist dir vollkommen egal, wie ich dazu stehe!"

"Das ist mir nicht egal!", meinte Doflamingo in einem energisch klingenden Tonfall. "Ich würde nie ohne dein Einverständnis ein Kind adoptieren. Genau darum versuche ich doch, dir klar zu machen, wie schön es ist, Kinder zu haben. Und es ist mein gutes Recht, den Versuch zu starten, dich zu überzeugen, oder nicht?"

"Mich überzeugen zu wollen und mir zwei Katzen anzudrehen, sind zwei grundverschiedene Dinge!", warf Crocodile seinem Verlobten vor. "Du versuchst, mich zu manipulieren!"

"Ich manipuliere dich nicht", meinte Doflamingo, "ich versuche nur dein Interesse zu wecken. Du sollst merken, dass es eine wunderbare Sache sein kann, Verantwortung für Andere zu tragen. Wenn man seine Haustiere gut behandelt, kriegt man sehr viel Zuneigung von ihnen zurück. Und bei Kindern ist es genauso."

"Aber warum ausgerechnet jetzt?!" Crocodile sah hinüber zu den beiden Kätzchen mit dem grau-silbernen Fell, die in dem großen Weidenkorb lagen. Er schüttelte den Kopf und warf dann seinem Verlobten einen verständnislosen Blick zu. "Selbst wenn wir davon ausgehen, dass ich grundsätzlich nichts dagegen hätte, mal Vater zu werden, ist dieses Thema doch trotzdem derzeit überhaupt nicht interessant für uns. Momentan ist nicht einmal für ein Haustier Platz in meinem Leben; geschweige denn für ein Kind. Wir würden uns also sowieso frühestens in ein paar Jahren ernsthaft mit Adoption beschäftigen. Warum willst du mir dann jetzt schon diese beiden Katzen aufdrängen?"

"Wieso denn erst in ein paar Jahren?", erwiderte Doflamingo und wischte sich über den Mund. "Wir lieben uns und verstehen uns hervorragend. Geld und Platz haben wir mehr als genug. Und reif für Kinder sind wir auch; immerhin sind wir beide in unseren Dreißigern. Grundsätzlich würde also nichts dagegen sprechen, oder?"

Crocodile glaubte, sich verhört zu haben. Doflamingo konnte seine Worte unmöglich ernst meinen! "Wir sind erst seit zehn Monaten ein Paar!", hielt Crocodile mit lauter Stimme dagegen. "Außerdem bist du Geschäftsmann und ich bin Manager. Keiner von uns beiden kann so einfach aus seinem Job aussteigen. Ganz abgesehen mal davon, dass ich absolut nicht der Meinung bin, wir beide wären reif für Kinder. Verdammt nochmal! Bist du denn blind, Doflamingo? Ich hatte erst vor ein paar Wochen einen Nervenzusammenbruch! Ich stehe wegen meiner Arbeit und unseren Hochzeitsvorbereitungen ständig unter Strom. Wie soll ich mich denn in dieser Situation um ein Kind kümmern? Das geht nicht!"

"Nun ja", gab sein Verlobter zögernd zurück. "Ein Kind würde dir vielleicht dabei helfen, Stress abzubauen. Du könntest dir eine Auszeit nehmen von deiner Arbeit. Ein paar Jahre lang für die Kinder Zuhause bleiben. Und wenn es dir besser geht, wieder in den Beruf zurückkehren. Das wäre die ideale Lösung für unsere Probleme!"

"Du willst, dass ich meine Arbeit aufgebe!? Dass ich wie eine brave Hausfrau Zuhause bleibe und die Windeln unserer Kindern wechsle? Während du deine Geschäfte weiterführst und eine Millionen nach der anderen verdienst?"

Für Crocodile war diese Diskussion beendet. Er warf Doflamingo einen völlig entgeisterten Blick zu, ehe er aus dem Raum stürmte. Sein Partner lief ihm hinterher, doch Crocodile schenkte ihm keine Beachtung. Er war schrecklich wütend. Am liebsten würde er jetzt irgendjemanden verprügeln. Idealerweise seinen Verlobten.

"Crocodile? Hey, jetzt warte doch mal!"

Doflamingo hatte ihn eingeholt. Er hielt ihn am Handgelenk fest, doch Crocodile riss sich sofort los. "Lass mich in Ruhe!", zischte er. Es erschreckte ihn selbst, wie zornig und verletzt seine Stimme klang.

"Wo willst du denn hin?"

"Irgendwohin, wo du nicht bist!", erwiderte Crocodile schroff. Erst jetzt fiel ihm auf, dass seine Füße ihn hinüber zu dem Fahrstuhl, der unter Anderem in die weitläufige Tiefgarage der Villa führte, trugen. Die Vorstellung, sich in seinen Mercedes C 216 zu setzen und ein paar Kilometer über eine verlassene Landstraße zu fahren, sagte ihm zu. Er brauchte jetzt dringend ein wenig Abstand von seinem Partner.

"Lauf nicht schon wieder weg!", sagte Doflamingo. "Bitte, Wani! Wir können doch über alles reden!"

"Fick dich!", erwiderte Crocodile und drückte den Knopf, um den Fahrstuhl zu rufen. Er konnte nicht in Worte fassen, wie wütend er im Moment war. Er fühlte sich herabgesetzt. Was erlaubte sein Verlobter sich eigentlich?

"Jetzt sei doch nicht so bockig!" Doflamingo stieg zu ihm in den Fahrstuhl und Crocodile musste sich ernsthaft zusammenreißen, um nicht komplett auszurasten. "Komm schon! Wir setzen uns ins Wohnzimmer, beruhigen uns wieder und sprechen wie erwachsene Menschen miteinander. Ich möchte nicht, dass wir im Streit auseinandergehen."

"Lass mich einfach in Ruhe!"

Die Türen des Fahrstuhls öffneten sich. Crocodile stürmte hinaus und ging schnurstracks zu seinem Mercedes C 216 hinüber. Doflamingo folgte ihm auf dem Fuße.

"Du solltest jetzt nicht Auto fahren", sagte er und schien sich um eine ruhige Stimmlage zu bemühen.

"Deine Meinung ist mir scheißegal", erwiderte Crocodile und stieg in den Wagen ein. "Das ist mein Auto und ich bin nicht dein Eigentum. Du hast mir überhaupt nichts zu sagen!" Er schloss laut knallend die Fahrertüre und schaltete in den Rückwärtsgang. Seine rechte Hand zitterte vor Wut.
 

*
 

Etwa eine Stunde lang fuhr Crocodile ziellos durch die Gegend. Er fühlte sich schrecklich. Schrecklich wütend, schrecklich aufgebracht, schrecklich verletzt. Wie konnte sein Verlobter es bloß wagen, ihn in die Rolle der passiven Hausfrau drängen zu wollen?! Bloß weil womöglich alle anderen Männer und Frauen, mit denen Doflamingo jemals in einer Beziehung war, zu gerne ein Kind mit diesem gehabt hätten, galt dies nicht automatisch auch für ihn. Er war viel zu stolz, um sich von seinem Partner versorgen zu lassen und seine Tage damit zuzubringen, sich von Babies bespucken zu lassen.

Crocodile presste die Zähne aufeinander. Zu gerne würde er jetzt mit dem Fuß auf das Gaspedal drücken, doch momentan schlängelte er sich durch eine Reihe von Dreißigerzonen. Ohne es selbst zu bemerken, war er in die Vorstadt gelangt. Hübsche Einfamilienhäuser mit gut gepflegten Vorgärten standen am Straßenrand. Fast erwartete Crocodile, auf das Haus von Daz zu stoßen. Seine alter Studienfreund lebten in einer Gegend, die dieser hier zum Verwechseln ähnlich sah.

Irgendwann endete der nette Vorort und Crocodile fand sich auf einer gut ausgebauten und glücklicherweise beinahe leeren Landstraße wieder. Rechts und links wurde die Fahrbahn von Feldern und größeren Baumgruppen gesäumt.

Ein Grinsen schlich sich auf Crocodiles Gesicht, als er auf das Gaspedal drückte. Die etwa 100.000 Berry, die der Mercedes C 216 kostete, lohnten sich in Momenten wie diesem ganz besonders: Die mehr als 400 PS sorgten für eine wahnsinnige Beschleunigung. Crocodile lachte laut und erhöhte die Geschwindigkeit auf mehr als 170 Stundenkilometer.

Auf der Landstraße, die er gerade entlangfuhr, galt zwar eine offizielle Höchstgeschwindigkeit von 120 Stundenkilometern, doch die Fahrbahn war fast leer und außerdem hatte Crocodile den Kick, den die Geschwindigkeit ihm gab, dringend nötig. Für ein paar Minuten vergaß er den schlimmen Streit, den er mit seinem Verlobten gehabt hatte, und genoss stattdessen die atemberaubende Leistungsfähigkeit seines Wagens.

Ein paar Dutzend Kilometer später hatte Crocodile sich beinahe schon wieder eingekriegt. Inzwischen befand er sich in der Nähe der Nachbarstadt; in einem der Vororte lebte Daz und Crocodile spielte mit dem Gedanken, ihn anzurufen und zu fragen, ob er bei ihm übernachten könnte. Auch wenn er sich einigermaßen beruhigt hatte, würde er gerne darauf verzichten, sich heute Abend mit Doflamingo auseinanderzusetzen. Er wollte nicht über Adoption reden oder darüber, wie schön es war, Vater zu sein. Die Aussicht, gemeinsam mit Daz einen Film anzuschauen und ein paar Cracker zu verdrücken, erschien ihm deutlich verlockender.

Crocodile verließ die Landstraße.

Hoffentlich war Daz Zuhause. Er hätte seinen alten Freund gerne angerufen, aber Crocodile war nicht verantwortungslos genug, um während des Fahrens mit dem Handy zu telefonieren. Eigentlich passte es auch gar nicht zum ihm, mit dem Auto zu fahren, um sich abzuregen. Seit dem Verkehrsunfall, bei dem er seine linke Hand verloren hatte, war Crocodile insgesamt zu einem sehr vorsichtigen und besonnenen Fahrer geworden. Es geschah selten, dass er die Höchstgeschwindigkeit überschritt. Wäre die Straße eben nicht beinahe leer gewesen, hätte er mit Sicherheit auch keine Ausnahme gemacht.

Crocodile folgte einer Haupstraße, von der er wusste, dass sie in den Stadtteil führte, in dem sein bester Freund lebte. Genauso wie Mihawk und Hancock hatte dieser sich ein hübsches Einfamilienhaus in der Vorstadt zugelegt. Auch Daz war unverheiratet und kinderlos; es kam selten vor, dass man ihn öfter als ein halbes Dutzend Mal mit derselben Frau sah.

Er war kein Mann, der mit den Gefühlen anderer Menschen spielte, doch es fiel ihm schwer, enge Beziehungen einzugehen. Wenn er allerdings jemanden in sein Herz schloss, entwickelte er sich zu einer sehr fürsorglichen Person. Diese Erfahrung hatte Crocodile schließlich selbst gemacht. Zu dem kleinen Kreis Auserwählter, die in den Genuss von Daz' Freundschaft kamen, zählten zum Beispiel seine Cousine Paula und auch sein Hund Fiffie. Daz hatte sich den Golden Retriver vor etwa vier Jahren zugelegt.

Zu seiner Rechten konnte Crocodile eine hübsche Kirche ausmachen. Es handelte sich um ein sehr altes Gebäude, das über einen hohen Glockenturm verfügte und dessen breite Flügeltüre mit aufwändigen Schnitzereien geschmückt worden war. (Auch wenn Crocodile kein sonderlich religiöser Mensch war, konnte er durchaus entscheiden, ob ein Haus ästhetisch ansprechend wirkte oder nicht.) Hier musste er links abbiegen.

Weniger als zwei Sekunden später war ein furchtbar lautes Krachen zu hören und ein heftiger Ruck durchfuhr Crocodiles gesamten Körper. Der Seitenairbag wurde ausgelöst und verhinderte, dass er mit seinem Kopf oder seiner Schulter gegen die linke Türe des Mercedes C 216 prallte, während dieser über die Kreuzung geschleudert wurde. Ohne dass Crocodile etwas dagegen hätte tun können, brach er in völlige Panik aus. Laut schreiend klammerte er sich an sein Lenkrad und bat Gott darum, ihn noch ein wenig länger leben zu lassen.

Irgendwann kam der Mercedes C 216 zum stehen. Crocodile konnte überhaupt nicht einschätzen, ob es sich um Sekunden, Minuten oder Stunden gehandelt hatte. Um ehrlich zu sein, verstand er nicht einmal, was überhaupt passiert war. Er ließ das Lenkrad los, blickte auf seine zitternde Hand und brach unvermittelt in Tränen aus. Es gab bloß eine einzige Sache, der Crocodile sich bewusst war: Er stand unter Schock. Ob er verletzt war oder nicht, konnte er nicht beurteilen.

Die Fahrertüre wurde geöffnet und ein dunkelhaariger Mann, dessen Gesicht stark geschminkt war, lugte in das Wageninnere hinein. Er wirkte mindestens ebenso durch den Wind wie Crocodile sich fühlte. "Geht es Ihnen gut?", fragte er. Crocodile fiel sofort der leichte französische Akzent auf. "Sind Sie unverletzt? Oder soll ich lieber einen Krankenwagen rufen?"

Crocodile atmete zweimal tief ein und aus. Er wischte sich mit dem rechten Hemdsärmel über die Augen und löste anschließend den Sicherheitsgurt. "Mir fehlt nichts, denke ich", meinte er mit schwacher Stimme und stieg aus dem Mercedes C 216. Seine Knie fühlten sich an wie Wackeludding.

"Sicher?", hakte der fremde Mann nach. "Sie sehen (verständlicherweise) völlig fertig aus. Vielleicht haben sie eine Gehirnerschütterung, ein Schleudertrauma oder so etwas in der Art."

Crocodile schüttelte den Kopf und fuhr sich mit der rechten Hand durch sein Haar. "Mir geht es gut", wiederholte er. Allmählich spürte er, wie er wieder zu sich fand.

"Sie können von Glück sprechen, dass Sie so glimpflich davon gekommen sind", meinte der dunkelhaarige Mann. "Dieser Unfall sah wirklich schlimm aus. Ich kam von rechts und habe alles genau gesehen. Die Beifahrertür ist vollkommen demoliert; von der Motorhaube des anderen Wagens ganz zu schweigen."

Crocodile umrundete langsamen Schrittes seinen Mercedes C 216 und sah sich die Unfallstelle selbst an. Der Mann mit dem stark geschminkten Gesicht hatte nicht untertrieben: Beinahe die komplette rechte Seite seines Autos war zerstört. Grund dafür war die Motorhaube eines dunkelblauen Citroen C6, die sich tief in die Beifahrertüre grub.

"Wie geht es den Insassen des Citroen?", fragte Crocodile, als er feststellte, dass der Wagen leer war.

"Der Fahrer hat eine gebrochene Nase", erwiderte der Mann mit dem dunklen, kurzen Haar. "Wegen des Frontairbags. Ansonsten scheint er nichts abbekommen zu haben. Über sie beide hat heute wohl ein Schutzengel gewacht. Als ich gesehen habe, wie der Citroen Ihren Mercedes quer über die Kreuzung geschoben hat, war ich mir sicher, dass es Schwerverletzte, wenn nicht sogar Tote geben würde. Glück im Unglück, nenne ich so etwas. Die Polizei habe ich übrigens bereits alarmiert. Und einen Krankenwagen hat der Fahrer des Citroen sich selbst gerufen."

Crocodile nickte. Noch immer konnte er nicht so recht fassen, was geschehen war. Seit dem Motorradunfall, bei dem er seine linke Hand verloren hatte, war er nicht mehr in einen schweren Unfall verwickelt gewesen. Als er sah, wie sowohl ein Kranken- und Streifenwagen als auch der Abschleppdienst in die Kreuzung einbogen, wurde ihm plötzlich furchtbar schlecht. Mit seiner rechten Hand stützte Crocodile sich am Heck des Mercedes C 216 ab, während er sich in mehreren Schüben mitten auf der Straße übergab. Er war mit den Nerven völlig am Ende.
 

Diesen Umstand schien auch der Polizist, der mit ihm sprach, zu bemerken. Genauso wie der Mann mit dem französischen Akzent fragte der Beamte mehrmals, ob er einen Krankenwagen für ihn rufen sollten, doch Crocodile lehnte jedes Mal ab. Da ihm nichts fehlte und er sich in Krankenhäusern zumeist unwohl fühlte, sah er keine Notwendigkeit für eine solche Maßnahme.

Man befragte ihn bezüglich des Unfallhergangs. Crocodile erklärte wahrheitsgemäß, dass er links abbiegen wollte, während des Vorgangs jedoch vom dunkelblauen Citroen gerammt und über die Kreuzung geschoben worden war.

"Der Fehler lag eindeutig bei Ihnen", meinte der Polizist. Es handelte sich um einen pflichtbewusst wirkenden Mann mit schwarzem Haar, der sich unter dem Namen Chaka vorgestellt hatte. "Sie hätten vor dem Abbiegen den Gegenverkehr durchlassen müssen. Wie kommt es, dass Sie das versäumt haben?"

Crocodile zuckte mit den Schultern. "Ich war in Gedanken", sagte er schließlich. Den heftigen Streit, den er mit seinem Verlobten gehabt hatte, ließ er außen vor.

Um ehrlich zu sein, hatte er keine sonderlich große Lust, mit dem Polizeibeamten zu sprechen. Er stand noch immer unter Schock. Am liebsten hätte er sich einfach ein Taxi gerufen, um zu Daz zu fahren und sich von diesem umsorgen zu lassen. Eine kuschelige Decke um die Schultern und einen heißen Tee in der Hand könnte er nun wirklich gut gebrauchen.

Chaka warf ihm einen skeptischen Blick zu. "Sie erwecken einen stark aufgewühlten Eindruck", sagte er. "Außerdem haben Sie sich übergeben, als mein Kollege und ich die Unfallstelle erreichten."

Crocodile zog die Augenbrauen zusammen. "Worauf wollen Sie hinaus?", fragte er.

"Sie werden sich einem Bluttest unterziehen", gab Chaka zurück.

"Und wozu?"

"Um herauszufinden, ob Sie momentan unter dem Einfluss von Rauschmitteln stehen", erklärte ihm der Polizeibeamte, während er sich ein paar Notizen machte.

Crocodile konnte überhaupt nicht fassen, was man ihm da vorwarf. "Ist das Ihr Ernst?", wollte er mit wütender Stimme wissen. "Sie glauben, dass ich unter Alkohol- oder Drogeneinfluss stehe? Bloß weil ich aufgewühlt bin und mich erbrochen habe? Sind Sie denn komplett verrückt?! Ich weiß nicht, ob es Ihnen aufgefallen ist, aber ich hatte eben einen schweren Autounfall und bin in meinem Wagen über die komplette Kreuzung geschleudert worden!"

"Bitte mäßigen Sie sich", erwiderte Chaka, der von seinem Notizblock aufsah und ihm einen ernsten Blick zuwarf. "Ich kann nachvollziehen, dass Sie unter Schock stehen, aber das gibt Ihnen nicht das Recht, mir gegenüber ausfallend zu werden."

"Tut mir wirklich sehr leid", gab Crocodile mit giftiger Stimme zurück. "Bei meinem nächsten Verkehrsunfall bemühe ich mich darum, nicht Ihre Schicht zu treffen. Ich kann nachvollziehen, dass es Sie nervt, sich mit Menschen herumzuschlagen, die womöglich nur um Haaresbreite dem Tod entkommen sind. Sorry!"

"Bitte beruhigen Sie sich", meinte der Polizist. "Es nützt weder Ihnen noch mir etwas, wenn Sie jetzt ausrasten. Sie werden sich einem Bluttest unterziehen müssen, ob es Ihnen gefällt oder nicht. Die Polizei hat das Recht, zu prüfen, ob der Verursacher eines Autounfalls unter dem Einfluss von Rauschmitteln steht oder nicht."

"Leck mich doch am Arsch, du Wichser!" Bei Crocodile brannten die Sicherungen durch. Ihm war überhaupt nicht bewusst, was er tat, während er brüllte: "Ich habe nichts getrunken und auch kein Gras geraucht, verdammt nochmal! Ich bin absolut dagegen, betrunken Auto zu fahren! Würden sich alle Menschen an diese Regel halten, dann hätte ich vielleicht noch meine linke Hand! Also wirf mir nicht vor, ich hätte mich unter Drogeneinfluss hinters Steuer gesetzt!"

"Ganz ruhig!" Chaka hob in einer teils beschwichtigend, teils alarmiert wirkenden Geste seine beiden Hände. Sein Kollege, der sich im Augenblick mit dem geschminkten Mann unterhielt, der den Unfall beobachtet hatte, sah sofort zu ihnen hinüber.

Crocodile schloss seine Augen und atmete zweimal tief ein und aus. Schließlich sagte er mit leiser Stimme: "Entschuldigung. Es war nicht meine Absicht, Sie zu beleidigen. Ich habe meine Hand vor zehn Jahren bei einem Verkehrsunfall verloren. Der Unfallverursacher stand unter starkem Alkoholeinfluss. Seitdem bin ich sehr empfindlich, was dieses Thema angeht. Um ehrlich zu sein, weiß ich gerade gar nicht, wo mir der Kopf steht. Bitte verzeihen Sie."

"Ist in Ordnung", meinte Chaka. Crocodile konnte überhaupt nicht einschätzen, ob der Polizist seine Worte ernst meinte oder nicht. "Aber bitte bemühen Sie sich darum, Ruhe zu bewahren. Sobald wir mit der Befragung und dem Bluttest fertig sind, können Sie jemanden anrufen, der Sie abholt und sich um Sie kümmert."

Crocodile nickte und versuchte, der Anweisung des Beamten folge zu leisten. Der Autounfall, den er verursacht hatte, nahm ihn bereits sehr mit; er hatte keine Lust darauf, sich nun auch noch Ärger mit der Polizei einzuhandeln. Anstatt also erneut aufbrausend zu werden, fügte er sich seinem Schicksal und folgte Chaka hinüber zum Streifenwagen, um sich dort dem angeordneten Bluttest zu unterziehen.

Crocodile fuhr sich mit der rechten Hand durch sein dunkles Haar und seufzte leise. Er fühlte sich absolut miserabel und sehnte sich nach jemandem, der ihm über den Rücken streichte und ein paar beruhigende Worte zuflüsterte. Ihm kamen Daz oder Doflamingo in den Sinn. Den Streit, den er mit seinem Partner gehabt hatte, hatte Crocodile beinahe schon wieder vergessen. Er erschien ihm absolut nebensächlich im Gegensatz zu dem, was gerade eben geschehen war. Herrgott, er hatte einen schlimmen Verkehrsunfall herbeigeführt!

Plötzlich wurde Crocodile die gesamte Brandbeite seines Handelns klar. Verunsichert blickte er zu seinem Mercedes C 216 hinüber, dessen rechte Türe vollständig demoliert war. Der dunkelblaue Citroen C6, der gerade abgeschleppt wurde, hatte eine komplett zerstörte Motorhaube. Und bei den Schäden an den beiden Wagen handelte es sich um wohl um das geringere Übel.

Weil er unaufmerksam gewesen war, wurde ein anderer Mensch in genau diesem Augenblick wegen einer gebrochenen Nase im Krankenhaus behandelt. Genausogut hätte der Fahrer des Citroen tot sein können. So wie er selbst auch. Crocodile wusste nicht, ob er von Glück oder Unglück sprechen sollte.

Gerade als Chaka die Spritze zückte und ihm versicherte, es würde nicht wehtun, sondern bloß einmal kurz pieksen, wurde Crocodile bewusst, dass er tatsächlich unter Alkoholeinfluss stand. Bevor Doflamingo das Wohnzimmer betrat, um ihn wegen der beiden Kätzchen ins Lesezimmer zu führen, hatte er bereits eine halbe Flasche Wein getrunken gehabt. Daran hatte Crocodile gar nicht mehr gedacht. In seinem Kopf war bloß Platz für Wut auf seinen Verlobten gewesen.

Für einen kurzen Moment wurde ihm schwarz vor Augen. Crocodile drehte sich von Chaka weg und übergab sich ein weiteres Mal auf der asphaltierten Fahrbahn. Er war betrunken Auto gefahren. Er hatte einen Unfall verursacht, bei dem ein anderer Mensch verletzt worden war. Crocodile ekelte sich vor sich selbst.
 

*

"Beruhige dich", sagte Daz in einem Tonfall, der so unfassbar gelassen klang, dass Crocodile sich nicht sicher war, ob seine Worte ernst oder ironisch gemeint waren. "Es hätte schlimmer kommen können. Niemand ist gestorben, niemand ist schwer verletzt worden."

"Zwei Autos haben praktisch einen Totalschaden", erwiderte er und vergrub sein Gesicht in einem weichen Couchkissen. "Ein Mann hat sich die Nase gebrochen. Und es ist alles nur meine Schuld."

"In einen Verkehrsunfall zu geraten, kann jedem passieren", meinte sein bester Freund. Er setzte sich neben ihn und stellte auf den Couchtisch zwei dampfende Tassen ab, die vermutlich Kamillentee enthielten.

"Ich bin nicht hineingeraten, ich habe ihn verursacht", korrigierte Crocodile ihn und beobachtete den Dampf, der von den beiden Teetassen aufstieg. Er fühlte sich gleichzeitig aufgewühlt und ausgelaugt. Am liebsten hätte er sich für ein paar Stunden schlafen gelegt, doch er wusste, dass er die Augen nicht zubekäme, wenn er es versuchen würde. "Weil ich mich betrunken hinters Steuer gesetzt habe, musste jemand ins Krankenhaus. Ich verabscheue mich selbst! Ich bin nicht besser als der Fahrer des Volvos, wegen dem ich meine Hand verloren habe. Ich sollte eine gebrochene Nase haben und nicht der Fahrer des Citroen!"

"Dieser Fehler hätte dir auch nüchtern passieren können." Daz nahm einen Schluck Tee. "Du warst einfach in Gedanken. Ab und an ist jeder mal beim Auto fahren geistig abwesend. Du hattest einfach bloß Pech."

"Dieser Unfall ist vermeidbar gewesen", hielt Crocodile energisch dagegen. "Wenn ich nüchtern gewesen wäre, hätte ich daran gedacht, den Gegenverkehr durchzulassen, bevor ich links abbiege."

"Das kannst du überhaupt nicht wissen." Daz seufzte leise und meinte schließlich: "Es ist falsch gewesen, dass du unter Einfluss von Alkohol Auto gefahren bist. In dieser Hinsicht hast du absolut recht, Crocodile. Aber es nützt nichts, wenn du dich deswegen selbst quälst. Was passiert ist, ist passiert und lässt sich nicht mehr ändern. Außerdem darfst du nicht vergessen, dass du völlig kopflos warst wegen dem Streit, den du mit Doflamingo gehabt hast. Dieser Verkehrsunfall hätte dir genausogut auch stocknüchtern passieren können. Du warst einfach nicht ganz bei dir."

"Ob der Grund für den Unfall der Alkohol in meinem Blut oder meine Wut auf Doflamingo gewesen ist", erwiderte Crocodile, "macht für den Fahrer des Citroen doch überhaupt keinen Unterschied. Sein Wagen ist demoliert und seine Nase auch. Meinetwegen."

"Und was möchtest du deswegen jetzt tun?" Daz sah mit einem ernsten Gesichtsausdruck zu ihm hinüber. "Soll ich dir der Gerechtigkeit halber ebenfalls die Nase brechen? Glaubst du, das hilft dem Fahrer des Citroen in irgendeiner Art und Weise?"

Crocodile zuckte mit den Schultern und schloss seine Augen. Er konnte Daz seufzen hören.

"Wahrscheinlich brauchst du ein wenig mehr Zeit, um über deinen Schock hinwegzukommen", meinte er mit leiser Stimme. "Ich werde Doflamingo Bescheid geben, dass du bei mir bist. Er hat bereits bei mir angerufen, kurz nachdem du abgehauen bist, und nachgefragt, ob ich ich wüsste, wo du bist. Er macht sich große Sorgen um dich."

Crocodile erwiderte auf diese Aussage nichts. Er verstärkte seinen Griff um das weiche und große Couchkissen, das er fest umkrallt hielt, und fragte sich, wie sein Verlobter wohl reagieren würde, wenn er von dem Unfall erfuhr, den er fahrlässigerweise verursacht hatte. Plötzlich erinnerte Crocodile sich daran, dass Doflamingos jüngerer Bruder gerade erst vor zwei Jahren bei einem Autounfall ums Leben gekommen war. Sein Partner hatte psychatrische Hilfe in Ansprech nehmen müssen, um diesen Verlust zu verarbeiten. Der Unfallverursacher war ein anderer Fahrer gewesen, der ebenfalls Alkohol im Blut gehabt hatte. Crocodile schluckte und versuchte mit aller Kraft die aufkommenden Tränen zu unterdrücken. Er war völlig verzweifelt.
 

Etwa eine dreiviertel Stunde später tauchte Doflamingo auf. Er wirkte sehr erleichtert; anscheinend war er froh darüber, ihn endlich gefunden zu haben. Bestimmt hat er sich furchtbare Sorgen gemacht, als ich verschwunden bin, schoss es Crocodile durch den Kopf. Trotzdem machte er keine Anstalten, seinen Partner zu begrüßen. Stattdessen vermied Crocodile den Blickkontakt und vergrub sein Gesicht erneut in dem weichen und großen Couchkissen, das er fest umkrallt hielt.

Doflamingo lächelte zaghaft, als er sich neben seinen Verlobten auf die Couch setzte. Er schwieg für einen Moment. Vielleicht wollte er Crocodile die Möglichkeit geben, zuerst zu sprechen, doch als dieser auch nach mehr als einer halben Minute keinen Ton von sich gegeben hatte, ergriff er schließlich selbst das Wort: "Ich hoffe, dass du nicht allzu wütend auf mich bist, Crocodile. Du musst wissen, dass mir nichts auf der Welt wichtiger ist als unsere Beziehung und ich dich auf keinen Fall verlieren möchte. Ich liebe dich und würde am liebsten gleich sofort eine Familie mit dir gründen. Trotzdem war es falsch, die beiden Katzen zu besorgen, ohne diese Sache vorher mit dir abzusprechen. Das war ein hinterhältiger Schachzug von mir und ich verspreche dir, dass..."

"Verdammt nochmal, Doflamingo, halt die Klappe!"

Eigentlich hatte Crocodile überhaupt nicht vorgehabt, seinen Partner anzubrüllen, doch, um ehrlich zu sein, wusste er sich einfach nicht anders zu helfen. Zwei kleine Katzen stellten zurzeit wohl sein allergeringsten Problem dar. Was ihn um einiges stärker belastete, war der schlimme Autounfall, den er vor kaum eineinhalb Stunden verursacht hatte. Crocodile war definitiv nicht in der richtigen Verfassung, um sich mit Doflamingo über den Streit zu unterhalten, den sie beide zuvor gehabt hatten. Er fühlte sich nichtsnutzig, kraftlos und schrecklich erschöpft.

Obwohl die Augen seines Verlobten wie üblich durch die getönten Gläser einer Sonnenbrille verdeckt wurden, wusste Crocodile ganz genau, dass Doflamingo ihm einen verwunderten und verunsicherten Blick zuwarf. Es dauerte nicht lange, bis er sich wieder gefangen hatte. "Ich kann verstehen, dass du wütend bist", sagte er und schien sich um einen sachlichen Tonfall zu bemühen, "aber ich bin mir sicher, dass wir ganz in Ruhe über die Dinge reden können, die vorgefallen sind. Schließlich sehe ich meinen Fehler ja auch ein."

"Halt die Klappe", wiederholte Crocodile; dieses Mal klangen seine Worte jedoch deutlich schwächer. Sein Gesicht hatte er noch immer fest in einem der Couchkissen vergraben. Er spürte sehr deutlich, dass ihn die Verzweilfung überkam. Ohne dass Crocodile etwas dagegen hätte tun können, begann er zu zittern. Außerdem spürte er überdeutlich, dass er zum zweiten Mal an diesem Tag kurz davor stand, in Tränen auszubrechen.

Aus dem Augenwinkel heraus konnte er beobachten, wie sein Verlobter fragend zu Daz hinübersah, der eben mit einer weiteren Tasse Tee aus der Küche zurückgekehrt war. Er stellte die Tasse vor Doflamingo auf den Couchtisch ab und ließ sich anschließend neben diesem nieder.

"Nimm es ihm nicht übel", sagte er und seufzte leise. "Crocodile ist mit den Nerven vollkommen am Ende. Er steht unter Schock."

"Schock?", hakte Doflamingo besorgt nach und ließ seinen Blick zwischen Crocodile und Daz hin- und herschweifen.

"Er hatte einen Autounfall."

"Was?" Doflamingo schien kaum fassen zu können, was sein Gastgeber da erzählte. "Ich.... ich... wow... ich meine... Wann? Wo?"

Crocodile schloss die Augen. Es gefiel ihm nicht, dass Daz seinem Verlobten erzählte, was geschehen war, was er getan hatte, doch er fühlte sich zu schwach, um dem Einhalt zu gebieten. Außerdem war er froh darüber, dass Doflamingo von ihm abgelassen hatte und sich nun stattdessen Daz zuwandte. Er hätte nicht die Kraft dazu aufbringen können, seinen häufig doch so furchtbar sturen und hartnäckigen Partner abzuwimmeln.

"Der Unfall ist vor etwas mehr als einer Stunde passiert", erklärte Daz. "Crocodile wollte wohl zu mir fahren, nachdem ihr beide euch gestritten hattet. Hast du auf dem Weg hierher die katholische Kirche gesehen, die ein paar Blocks entfernt steht? Dort wollte er links abbiegen, war allerdings so durcheinander, dass er nicht daran gedacht hat, vorher den Gegenverkehr durchzulassen. Ein anderer Wagen hat seinen Mercedes gerammt und ihn quer über die gesamte Kreuzung geschleudert. Es ist ein Wunder, dass niemand schwer verletzt wurde. Ich habe die beiden Autos gesehen, als ich Crocodile abgeholt habe: Die komplette rechte Seite seines Mercedes ist demoliert, genauso wie die Motorhaube des anderen Wagens. Es sah wirklich sehr schlimm ist. Und, nun ja, auch wenn Crocodile (dem Himmel sei Dank) unverletzt geblieben ist, steht er immer noch unter Schock. Er braucht sehr viel Ruhe."

Doflamingo schluckte sichtbar, ehe er nickte. Er wirkte beinahe so aufgelöst wie Crocodile sich fühlte.

"Ich würde vorschlagen, dass ihr beide heute bei mir übernachtet. Eine lange Autofahrt ist wohl das Letzte, was Crocodile jetzt gebrauchen kann. Außerdem ist morgen ja sowieso Samstag."

"Das hört sich gut an", meinte Doflamingo. "Vielen Dank."

Daz winkte ab. "Wenn es euch nichts ausmacht, werde ich jetzt das Abendessen vorbereiten", sagte er und erhob sich. Crocodile war sofort klar, dass es sich nur um einen Vorwand handelte, um Doflamingo und ihm die Möglichkeit zu geben, ein wenig unter sich zu sein. Daz aß nämlich normalerweise bereits gegen neunzehn Uhr zu Abend; und der große Zeiger der Uhr, die an der Querwand des Wohnzimmers hing, lief bereits auf die Neun zu.

Kaum hatte Daz den Raum verlassen, spürte Crocodile die Hand seines Partners an seiner Schulter. Fast erwartete er, dass Doflamingo ihn schüttelte und ihm wütend vorwarf, der Unfall wäre allein seine Schuld gewesen, doch zu seiner Verwunderung handelte es sich um eine sehr zärtliche und liebevolle Berührung. Crocodile schämte sich dafür, dass er die Nähe seines Verlobten genoss. Schließlich hatte er gerade eben erst einen schlimmen Autounfall verursacht; Mitleid und Rücksichtnahme waren da das Letzte, was er verdient hatte.

"Du musst jetzt nichts sagen", meinte Doflamingo in einem Tonfall, der ebenso sanft klang wie seine Berührung sich anfühlte. "Ich verstehe, dass du nervlich total fertig bist und jetzt keine Lust hast, mit mir über unseren Streit oder irgendetwas Anderes zu sprechen. Das ist in Ordnung."

Crocodile nickte und löste sich endlich von seinem Couchkissen. Damit, dass sein Verlobter so unfassbar verständnisvoll reagieren würde, hatte er beim besten Willen nicht gerechnet gehabt. Immerhin wusste Doflamingo doch, dass er ein paar Gläser Wein getrunken hatte, ehe er losgefahren war.

Crocodile setzte sich auf und fuhr sich leise seufzend mit der rechten Hand durch sein dunkles Haar. Er spürte, dass er seinen Schock allmählich überwand. Was allerdings nicht bedeutete, dass er sich in irgendeiner Art und Weise besser fühlte. Noch immer vertrat er die Ansicht, dass er etwas absolut Furchtbares getan hatte. Unweigerlich fragte er sich, ob der Fahrer des Citroen das Krankenhaus inzwischen bereits wieder verlassen hatte. Crocodile wusste nicht, wie lange es dauerte, eine gebrochene Nase zu behandeln.

Doflamingo legte die Arme um seinen Körper; wie von selbst schloss Crocodile seine Augen und lehnte sich in die Umarmung hinein. Es tat ihm unwahrscheinlich gut, den Herzschlag und die Körperwärme seines Partners zu spüren. Sofort fühlte er sich ein klein wenig besser.
 

Zu Abend gab es eine Tomatensuppe, die Daz selbst gemacht hatte. Doch obwohl sie wirklich ausgezeichnet schmeckte, verspürte Crocodile überhaupt keinen Appetit. Er zwang lediglich ein paar Löffel der Flüssigkeit hinunter, um seinen Gastgeber nicht zu beleidigen.

Anschließend führte Daz sie ins Gästezimmer, das im ersten Stock seines Hauses lag. Es war zwar gerade einmal zehn Uhr abends, doch Daz schien genug Menschenkenntnis zu besitzen, um zu verstehen, dass sie beide ein wenig Ruhe brauchten und lieber unter sich sein wollten. Doflamingo und Crocodile bedankten sich beide überschwänglich für die Möglichkeit, hier übernachten zu dürfen, doch ihr Gastgeber erwiderte lediglich, dass es sich um eine Selbstverständlichkeit handelte und sie beide gerne so lange bleiben dürften, wie sie wollten.

Um ehrlich zu sein, täte Crocodile nichts lieber, als sich einfach ins Bett zu legen und darauf zu warten, dass ihn irgendwann der Schlaf einholte. Er hoffte, dass es ihm morgen womöglich ein klein wenig besser ging und er eine andere Sicht auf die Dinge bekam. Das einzige Problem, das es gab, war Doflamingo: Denn obwohl Crocodile die Nähe seines Verlobten sehr genoss, war er sich ziemlich sicher, dass er heute Abend keine Lust auf Sex bekommen würde. Er fragte sich, ob Doflamingo trotz der schlechten seelischen Verfassung, in der er sich momentan befand, den Versuch wagen würde ihn zu verführen.

Schweigend und ohne den Blick mit seinem Partner zu kreuzen, entkleidete Crocodile sich bis auf die Boxershorts, ehe er unter die Decke schlüpfte. Daz schien die Bettwäsche erst vor kurzem gewechselt zu haben: Sie roch sehr angenehm nach Waschpulver und verleitete Crocodile dazu, tief ein- und auszuatmen.

Doflamingo rückte nah an ihn heran, legte den Arm um seine Hüfte und vergrub das Gesicht in seinem Haar. Crocodile schob seinen Verlobten mit der Hand von sich und meinte mit leiser, aber energischer Stimme: "Ich habe keine Lust auf Sex, Doffy."

Es war das erste Mal in ihrer Beziehung, dass er Doflamingo absolut eindeutig den Sex verweigerte. Fast erhoffte Crocodile sich, einen Streit vom Zaun zu brechen. Er wollte seinen Partner wütend machen; er wollte, dass er ihn anschrie. Ihm sagte, er wäre nichtsnutzig und verantwortungslos. Denn genau so fühlte Crocodile sich im Augenblick. Es kam ihm so vor, als verdiente er das Mitgefühl und den Trost seines Verlobten nicht. Immerhin hatte wegen seines rücksichtslosen Verhaltens jemand anders eine gebrochene Nase davongetragen. Der Fahrer des Citroen hätte genausogut auch tot sein können. Er wünschte sich, dass Doflamingo ihn mit Wut und Verachtung strafte. Gerade weil dieser seinen jüngeren Bruder bei einem Unfall verloren hatte, der ebenfalls durch einen betrunkenen Autofahrer verursacht worden war, hatte er jedes Recht dazu.

"Ist schon gut", sagte Doflamingo in einem ruhig und sanft klingenden Tonfall. Er rückte erneut nah ihn heran, während er fortfuhr: "Ich habe überhaupt nichts vor. Ich möchte einfach nur eine Weile neben dir liegen. Versuch jetzt am besten einzuschlafen, Baby, ja?"

Crocodile windete sich aus der Umarmung seines Partners, setzte sich im Bett auf und bedeckte seine Augen mit der Innenfläche der rechten Hand. Er konnte es kaum fassen, dass Doflamingo seine Ablehnung so einfach akzeptierte. Anscheinend brachte er ja sogar Verständnis dafür auf. Dabei war Crocodile doch gar nicht das Opfer in dieser Situation. Ganz im Gegenteil: Er war der Täter. Dieses Mal war er der betrunkene Autofahrer gewesen, der einen schlimmen Unfall verursacht hatte.

"Was hast du?", fragte Doflamingo, der sich ebenfalls aufgesetzt hatte. Er legte ihm eine Hand auf die Schulter. "Was ist los mit dir?"

Crocodile schüttelte die Hand seines Verlobten ab, stieg aus dem Bett und schlüpfte in seine Kleidung, die auf dem Teppichboden verstreut lag. Wieso konnte sein Partner, der ihn schon wegen viel geringerer Dinge angeschrien hatte, nicht auch jetzt wütend werden? Warum tat er so, als hätte er überhaupt nichts falsch gemacht?

"Hey! Wohin willst du denn?" Geistesgegenwärtig sprang Doflamingo aus dem Bett, hastete zur Zimmertüre hinüber, drehte den Schlüssel im Schloss herum und nahm diesen anschließend an sich.

"Schließ gefälligst wieder auf!", verlangte Crocodile, als er (bis auf seine Schuhe, die unten im Flur standen) vollständig angekleidet war.

"Du solltest jetzt nicht allein irgendwo hingehen", erwiderte Doflamingo, ohne seinem Wunsch nachzukommen. "Du bist immer noch viel zu durcheinander. Leg dich am besten wieder ins Bett und versuch einzuschlafen. Morgen wird es dir mit Sicherheit gleich viel besser gehen."

"Du hast kein Recht dazu, mich hier einzusperren!", hielt Crocodile zornig dagegen. "Ich bin kein kleines Kind, verdammt nochmal!"

"Wohin willst du überhaupt? Es ist zweiundzwanzig Uhr dreißig", erwiderte Doflamingo, der die Einwände seines Verlobten erneut einfach überging.

Crocodile zuckte mit den Schultern. Er hatte daran gedacht, eine Bar aufzusuchen und solange zu trinken, bis er nicht mehr wusste, wer er überhaupt war, doch wahrscheinlich wäre es nicht allzu klug, diesen Plan seinem Partner mitzuteilen. Außerdem stand er überhaupt nicht in der Pflicht, Doflamingo gegenüber Rechenschaft abzulegen. Schließlich war dieser nicht sein Vater.

"Möchtest du einen Spaziergang machen, um auf andere Gedanken zu kommen?", mutmaßte Doflamingo. "Damit bin ich einverstanden, aber lass mich wenigstens mitkommen. Wir müssen nicht miteinander reden, wenn du das nicht willst, aber ich möchte sichergehen, dass dir nichts zustößt."

"Lass diesen Unsinn!", knurrte Crocodile, während Doflamingo seine Kleidung zusammensuchte. Es ärgerte ihn, dass sein Verlobter sich erneut so furchtbar fürsorglich verhielt, wo er doch eigentlich das genaue Gegenteil provozieren wollte. "Was soll mir denn schon passieren?"

"Ich kenne mich in dieser Gegend nicht aus", erwiderte Doflamingo ungerührt. "Ich weiß nicht, wer sich nachts hier herumtreibt. Ein paar Jugendliche, die dich überfallen, sind das Letzte, was du jetzt gebrauchen kannst."

"Wir befinden uns in einem Vorort", hielt Crocodile dagegen. "Hier treiben sich keine Diebesbanden herum. Außerdem sollte ich im schlimmsten Fall selbst mit ein paar Halbwüchsigen klarkommen. Ich bin kein wehrloses Mädchen, Doflamingo."

"Du bist schon einmal überfallen worden! Und ich möchte unter allen Umständen vermeiden, dass sich ein solcher Vorfall wiederholt!"

Verwundert legte Crocodile den Kopf schief. Er war in seinem ganzen Leben noch nie überfallen worden. (Seine imposante Körpergröße und seine im Regelfall recht autoritäre Ausstrahlung hatten ihn bisher vor Übergriffen dieser Art ganz gut schützen können.) Es dauerte eine Weile, bis ihm klar wurde, worauf Doflamingo hinaus wollte:

Vor etwa fünf Jahren, kurz nach der Trennung von seinem gewalttätigen Exfreund Enel, hatte dieser ihm im Dunkeln aufgelauert und mit einem Messer das Gesicht aufgeschlitzt. Teils aus Scham und teils, weil er seine Geschwister und Freunde nicht zusätzlich in Angst versetzen wollte, hatte Crocodile diesen gegenüber angegeben, er wäre von einer Gruppe Jugendlicher überfallen worden. Er erinnerte sich daran, dass er sogar seinen teuren Mantel und seine Geldbörse in die nächste Mülltonne geworfen hatte, um die Geschichte glaubwürdiger erscheinen zu lassen. Weil er Mihawk, Hancock und Daz erklärt hatte, die jungen Delinquenten hätten angedroht, ihm erneut Gewalt anzudrohen, wenn er sich an die Polizei wandte, hatte er wegen dieser Gewalttat niemals Anzeige erstattet. Anschließend hatte er auch die Anzeige wegen des gebrochenen Arms, der gebrochenen Rippe und der Gehirnerschütterung, die er bei der Trennung von Enel davongetragen hatte, zurückgezogen.

Unweigerlich fragte Crocodile sich, woher Doflamingo Wind von dieser Lügengeschichte bekommen hatte. "Wer hat dir davon erzählt?", fragte er darum mit ernster Stimme. Der Gesichtsausdruck, den sein Partner aufsetzte, bestätigte ihm, dass dieser ganz genau wusste, wovon er sprach.

"Shanks", gab Doflamingo schließlich zu. "Wir sind bei Hancocks Schwangerschaftsparty irgendwie auf dieses Thema gekommen. Er hat mir erzählt, dass du abends von einer Bande Jugendlicher überfallen worden bist und sie dir dein Gesicht aufgeschlitzt haben. Und, nun ja, seit ich von dieser Sache erfahren habe, mache ich mir in dieser Hinsicht eben besonders große Sorgen um dich. Mir wäre es wirklich lieber, wenn ich dich begleiten würde."

Crocodile zögerte für einen Moment, ehe er erwiderte: "Die Geschichte ist erlogen." Er hoffte, dass Doflamingo endlich wütend werden und ihn anbrüllen würde, wenn er ihm offenbarte, dass er sich diesen Vorfall bloß ausgedacht hatte. "Es gab nie irgendwelche Jugendlichen, die mich bestohlen haben."

"Was?" Verwundert zog sein Verlobter die Augenbrauen zusammen.

Crocodile nickte eifrig. "Du hast richtig gehört", sagte er. "Ich habe meine Geschwister und meine Freunde angelogen."

"Dein Mantel und deine Geldbörse waren verschwunden", hielt Doflamingo dagegen. "Und du hattest eine schwere Wunde im Gesicht. Das sind Fakten, die nicht erfunden sein können."

"Es stimmt, dass mir das Gesicht mit einem Messer aufgeschlitzt wurde, als ich abends allein unterwegs war", gab Crocodile zu. "Aber ich bin nicht überfallen worden. Meinen Mantel und meine Geldbörse habe ich anschließend selbst entsorgt, um meiner Geschichte Glaubwürdigkeit zu verleihen. Ich habe keine Angst davor, abends allein nach draußen zu gehen. Und ich fürchte mich auch nicht vor irgendwelchen halbwüchsigen Rowdies. Also schließ jetzt gefälligst endlich wieder die Türe auf!"

"Aber warum?" Doflamingo schien nicht so recht fassen zu können, was sein Partner ihm auftischte. "Warum hast du alle angelogen? Wer hat dir in Wirklichkeit diese Verletzung zugefügt?"

"Das spielt keine Rolle" entgegnete Crocodile, der überhaupt keine Lust verspürte, mit seinem Verlobten über Enel zu sprechen. "Mach die Türe auf, Doflamingo! So langsam verliere ich die Geduld!"

"Ich schließe auf, sobald ich mich angezogen habe", entgegnete dieser mit ernster Stimme.

"Du brauchst mich nicht zu begleiten", erwiderte Crocodile, dem sofort klar war, worauf sein Partner hinaus wollte. "Ich bin mir sicher, dass ich nicht überfallen werde. Also hör auf, dir Sorgen um mich zu machen!"

"Dir geht es nicht gut", hielt Doflamingo dagegen, während er in seine Hose schlüpfte. "Du stehst immer noch unter Schock, du bist vollkommen durcheinander. In diesem Zustand werde ich dich nicht allein auf die Straße lassen."

"Und wieso nicht?" Crocodile zog eine Augenbraue hoch und verschränkte die Arme vor der Brust. "Hast du Angst, ich könnte mich vor einen Zug werfen oder von einer Brücke stürzen?"

"Ich dachte eigentlich daran, dass du dich womöglich verläufst oder einen Nervenzusammenbruch erleidest, so etwas in der Art", meinte Doflamingo und presste seine Lippen fest aufeinander. "Aber vielen Dank für diese neuen Ängste, die du in mir geschürt hast!"

Crocodile rollte mit den Augen. "Du übertreibst. Mir geht es gut. Ich bin nicht einmal verletzt worden."

"Nicht körperlich", korrigierte sein Verlobter spitzfindig. "Verdammt, Crocodile: Warum musst du immer so furchtbar stolz sein? Warum kannst du dir nicht einmal eingestehen, dass es dir schlecht geht und du Hilfe brauchst? Nur ein einziges Mal?"

Crocodile seufzte leise auf und senkte den Blick. Er kannte den Grund ganz genau. Crocodile zögerte einen Moment lang, ehe die Worte geradezu aus ihm herausbrachen: "Weil ich es nicht verdiene."

"Was?" Doflamingo hielt in seiner Bewegung inne und sah verdutzt zu ihm hinüber. "Was hast du da gesagt?"

Anstatt seine Aussage zu wiederholen, zuckte Crocodile bloß mit den Schultern. Er war sich ziemlich sicher, dass sein Partner seine Worte verstanden hatte.

Doflamingo kam auf ihn zu und legte die Arme um seinen Körper. Crocodile wehrte sich nicht gegen die Umarmung; er lehnte sich sogar in sie hinein und schloss seine Augen. Er konnte das Herz seines Verlobten laut schlagen hören.

"Schlag dir diesen verfluchten Gedanken gleich wieder aus dem Kopf", flüsterte Doflamingo. Seine Stimme war leise, doch klang so unfassbar energisch und durchdringend, dass Crocodile nicht den geringsten Zweifel an der Ernsthaftigkeit seiner Worte hegte. "Du darfst dich nicht schuldig fühlen! Es war ein Unfall!"

Crocodile schüttelte den Kopf, doch löste die Umarmung nicht auf. Dazu fühlte er sich im Augenblick nicht imstande, auch wenn er sich selbst für seine Schwäche hasste. "Ich war betrunken", erwiderte er. "Eigentlich hatte ich geplant, den Abend Zuhause zu verbringen. Ich saß auf der Couch, habe eine Zeitschrift gelesen und ein paar Gläser Wein getrunken. Erinnerst du dich noch? Deswegen habe ich vergessen, den Gegenverkehr durchzulassen, bevor ich links abbiege. Nicht wegen unseres Streits, sondern weil ich Alkohol getrunken hatte. Es ist alles meine Schuld, Doflamingo!"

Doflamingo schüttelte den Kopf und intensivierte ihre Umarmung. "Ich weiß", sagte er. "Aber du hast den Autounfall doch nicht absichtlich herbeigeführt, oder? Und wenn du es nicht absichtlich getan hast, ist es auch nicht deine Schuld. Du hast nicht vorsätzlich gehandelt, Crocodile!"

"Aber fahrlässig", wandte dieser ein. "Ich bin noch nie mit Alkohol im Blut Auto gefahren. Selbst wenn ich bloß ein Glas Wein getrunken habe, habe ich mir immer lieber ein Taxi gerufen, anstatt selbst zu fahren. Gerade ich weiß doch, welche verheerenden Folgen es haben kann, wenn man betrunken Auto fährt. Der Fahrer des Citroen ist dieses Mal zwar mit einer gebrochenen Nase davon gekommen, aber er hätte genausogut auch tot sein können. Oder schwer verletzt. Und ich hätte für den Rest meines Lebens einen unschuldigen Menschen auf dem Gewissen!"

"Es ist aber niemand gestorben und auch nicht schwer verletzt worden", wandte Doflamingo ein. "Du musst aufhören, dich ständig zu fragen, was hätte passieren können. Konzentrier dich stattdessen auf die Fakten: Ja, du bist betrunken Auto gefahren. Ja, das war ein riesiger Fehler. Und ja, du hast einen Unfall herbeigeführt, bei dem zwei Wagen und eine Nase zu Schaden gekommen sind. Mehr musst du dir nicht vorwerfen, denn mehr ist nicht geschehen. Also hör bitte auf, dir Vorwürfe zu machen wegen Dingen, die überhaupt nicht passiert sind. Und auch nie passieren werden, denn ich bin mir sicher, dass du niemals wieder Auto fahren wirst, wenn du etwas getrunken hast."

"Als ich mich ins Auto gesetzt habe, habe ich gar nicht mehr daran gedacht, dass ich Wein getrunken hatte", sagte Crocodile mit leiser Stimme. "Ich war so wütend wegen der beiden kleinen Katzen, dass ich völlig vergessen habe, was vorher gewesen ist. Selbst als ich mit der Polizei gesprochen habe, war ich mir noch absolut sicher, völlig nüchtern gewesen zu sein. Erst als mir Blut abgenommen wurde, ist mir wirklich klar geworden, dass ich zuvor ein paar Gläser Wein getrunken habe."

"Du hattest nichts Anderes im Kopf als unseren Streit", bestätigte Doflamingo seine Worte. "Wenn du daran gedacht hättest, dass du Alkohol getrunken hast, wärst du niemals auch nur auf die Idee gekommen, Auto zu fahren. Da bin ich mir hundertprozentig sicher. Du bist keine verantwortungslose Person, Crocodile, du warst einfach bloß durcheinander."

Was Doflamingo sagte, klang in Crocodiles Ohren äußerst verführerisch. Es schien gar keine so schwere Sache zu sein, die Schuld einfach von sich zu schieben. Also erwiderte er: "Vielleicht war der Fahrer des Volvos auch einfach bloß durcheinander. Genauso wie der Fahrer, der Corazon auf dem Gewissen hat. Vielleicht hätte ich noch meine linke Hand und du deinen Bruder, wenn sie nicht durcheinander gewesen wären."

"Das kannst du nicht miteinander vergleichen", erwiderte Doflamingo in einem überraschend gefassten Tonfall. Eigentlich war Crocodile davon ausgegangen, dass es sich bei Corazon um den wunden Punkt seines Verlobten handelte, dass dieser endlich ausrasten und ihn wütend anschreien würde, doch anscheinend hatten die vielen Treffen mit seinem Psychater Wirkung gezeigt. Doflamingo ließ sich überhaupt nicht aus der Ruhe bringen. Anstatt ihn von sich zu stoßen und wild zu toben, meinte er: "Der Fahrer des Volvos, der für den Verlust deiner Hand verantwortlich ist, hatte 1, 2 Promille. Der Autofahrer, der meinen Bruder auf dem Gewissen hat, hatte 2, 4 Promille. Wie viel Promille hattest du laut Bluttest, Crocodile?"

"0, 3", antwortete er wahrheitsgemäß.

Doflamingo zog verwundert eine Augenbraue hoch. "Damit befindest du dich sogar noch im legalen Bereich", sagte er schließlich. "Man darf mit bis zu 0, 5 Promille Alkohol im Blut noch Auto fahren, solange der Fahrer dadurch nicht beeinträchtigt wird. Hast du dich durch in irgendeiner Form beeinträchtigt gefühlt? Hast du doppelt gewesen? War dir schwindelig? Irgendetwas in der Art?"

Crocodile schüttelte den Kopf. "Wie gesagt", meinte er. "Ich habe ja völlig vergessen gehabt, dass ich Wein getrunken hatte. Wenn es mir klar gewesen wäre, hätte ich mich ja niemals hinters Steuer gesetzt." Dann fügte er rasch hinzu: "Aber ich war in meiner Fahrtüchtigkeit beeinträchtigt! Sonst wäre es doch gar nicht erst zu diesem Unfall gekommen!"

"Das kannst du gar nicht wissen", wandte Doflamingo ein. "Vielleicht ist dieser Unfall passiert, weil du wütend und durcheinander warst, und hat überhaupt nichts mit deinen 0, 3 Promille zu tun gehabt. Das wissen wir nicht und werden wir auch niemals erfahren. Also hör auf, dich deswegen selbst fertig zu machen. Du hast einen Fehler gemacht, Crocodile. Jeder macht ab und an mal einen Fehler. Lern daraus und nimm dir vor, diesen Fehler nie zu wiederholen. Aber es nützt nichts, wenn du dich deswegen geißelst. Haben wir uns verstanden?"

Crocodile nickte zaghaft.

"Ich habe auch schon ein paar Unfälle verursacht", versuchte Doflamingo ihn zu trösten. "Einer der Gründe, wieso ich mir einen Chaffeur zugelegt habe, ist der, dass ich selbst furchtbar schlecht Auto fahre. Einmal, ähm, als ich versucht habe auszuparken, bin ich rückwärts gegen ein am Rand stehendes Straßenschild gefahren. Meine Stoßstange ist aus der Verankerung gerissen; ganz zu schweigen von dem Schild, das ich umgenietet habe. Ein anderes Mal habe ich aus Versehen die Rechts-vor-links-Regel nicht beachtet und einem BMW i8 die Vorfahrt genommen. Der Fahrer konnte nicht mehr rechtzeitig bremsen und ist in die rechte Seite meines Cadillacs gedonnert. Du kannst dir nicht vorstellen, wie sehr ich mich geärgert habe, denn den Cadillac hat mein Vater mit zum achtzehnten Geburtstag geschenkt gehabt. Aber dieser Unfall hatte auch etwas Gutes, denn auf diese Weise habe ich Monet kennengelernt."

"Wirklich?"

Doflamingo nickte eifrig. "Klar. Man muss nur für kurze Zeit geistesabwesend sein und schon hat man ein Schild, ein anderes Auto oder was auch immer übersehen. Ich bin sogar einmal schnurstracks gegen eine Betonwand gefahren. Ich hatte in einer Tiefgarage einparken wollen und bin einfach zu weit nach vorne gefahren. Unfassbar, hm? Monet saß auf dem Beifahrersitz und hat sich schlappgelacht. Ich war gedanklich noch bei dem Film gewesen, den wir uns zuvor im Kino angesehen haben. Jeder baut früher oder später mal einen Unfall. Diese Dinge passieren eben. Niemand ist davor sicher. Verstehst du, was ich dir sagen möchte, Crocodile?"

Crocodile löste sich von seinem Verlobten, atmete zweimal tief ein und aus, und nickte schließlich. Doflamingo lächelte breit. "Wunderbar", sagte er und küsste ihn auf die Stirn. "Ich bin froh, dass wir diese Sache geklärt haben."

"Ich auch", gestand Crocodile. Er fühlte sich immer noch schlecht, aber spürte bereits, dass seine Laune allmählich besser wurde. Mit Doflamingo zu sprechen, hatte ihm wirklich gutgetan.

"Wollen wir uns wieder ins Bett legen?", fragte sein Partner.

"Bett klingt gut", antwortete Crocodile mit schwacher Stimme und zog sich sein Hemd kurzerhand über den Kopf. Doflamingo tat es ihm gleich.
 

*
 

Dieses Mal war es Crocodile, der nah an seinen Verlobten heranrückte. Doflamingos Körper war warm und spendete ihm Trost. Er presste seinen Kopf gegen die muskulöse Brust seines Partners, schloss seine Augen und atmete tief durch. Wenige Augenblicke später spürte er eine Hand, die ihm zärtlich über das Haar und den Rücken strich. Es dauerte nicht lange, bis Crocodile vollkommen entspannt war. Er genoss die Nähe zu Doflamingo sehr und merkte, dass die schwere Last, die er den ganzen Tag über mit sich getragen hatten, allmählich von seinen Schultern genommen wurde.

Irgendwann fühlte Crocodile sich so wohl, dass er sich wünschte, Doflamingos Hand würde nicht bloß seinen Rücken, sondern auch Körperregionen, die ein wenig weiter unten lagen, streicheln. Er verspürte keine wilde Lust auf harten Sex, allerdings das starke Bedürfnis, seinem Verlobten nah zu sein. Näher, als sie sich momentan waren. Er sehnte sich danach, dass Doflamingos warme Hände ihn an intimeren Stellen berührten.
 

[zensiert]
 

Schwer atmend brach Doflamingo über ihm zusammen. Crocodile machte das zusätzliche Gewicht, das er auf seinem Körper spürte, nichts aus. Noch immer genoss er die Nähe zu seinem Partner sehr. Das einzige Detail, das ihn ein klein wenig störte, war sein Ejakulat, das ihn nass und warm bedeckte, und auf das Doflamingo sich völlig gleichgültig niedergelassen hatte. Unauffällig sah Crocodile sich im Raum nach einem Paket Taschentücher um; leider war nirgendwo eines zu finden.

"Das war gut", murmelte Doflamingo, als er sich wieder aufrichtete. Ungefähr die Hälfte des Spermas, das Crocodile von sich gegeben hatte, klebte an seinem muskulösen Oberkörper. Er spürte, dass er rot im Gesicht wurde, als er feststellte, um welch große Menge es sich handelte. So viel Ejakulat hatte er das letzte Mal bei einem Samenerguss verloren, als er noch ein Jugendlicher gewesen war.

"Anscheinend hat es dir auch gefallen", grinste Doflamingo, der die Gedanken seines Partners lesen zu können schien. Er warf einen Blick auf das viele Sperma, das seine Brust und seinen Bauch bedeckte, und pfiff anerkennend. Crocodile gab einen verlegenen Brummlaut von sich und bewarf Doflamingo mit einem Kissen. Der brach jedoch bloß in lautes Gelächter aus.

Das Gelächter seines Verlobten erstarb augenblicklich, als Crocodile sich aufrichtete. Da er keine Taschentücher ausfindig machen konnte, wollte er hinüber ins angrenzende Gästebad huschen, um zu duschen. Sein kompletter Oberkörper wurde von seinem eigenen Sperma bedeckt, während Doflamingos Ejakulat warm an seinen beiden Oberschenkel hinunter lief.

"Oh shit", sagte Doflamingo und saugte scharf die Luft zwischen den Zähnen ein. "Croco, du blutest!"

"Hm?" Verwundert wandte Crocodile sich nach unten und erblickte zu seiner Überraschung tatsächlich die rote Flüssigkeit, die gemeinsam mit dem Sperma seines Partners aus ihm heraus tropfte. "Verdammt!"

Rasch hastete er hinüber ins kleine Gästebadezimmer und griff nach dem Toilettenpapier, um sich provisorisch zu säubern. Leider kam diese Maßnahme zu spät: Unglücklicherweise musste Crocodile feststellen, dass er sowohl die Matratze als auch den beigefarbenen Teppichboden bereits mit seinem Blut besudelt hatte. Es handelte sich zwar nicht um sonderlich große Flecken, doch auf dem hellen Untergrund waren sie überdeutlich zu sehen. Wie sollte er dieses Malheur bloß Daz erklären?

"Hast du Schmerzen?", fragte Doflamingo, der ihm auf dem Fuße gefolgt war.

Crocodile schüttelte den Kopf. "Nein, überhaupt nicht", antwortete er wahrheitsgemäß. "Mir ist es gar nicht aufgefallen, bevor du mich darauf hingewiesen hast." Er nahm sich noch mehr Toilettenpapier; die Blutung war zwar nicht stark, doch leider wollte sie sich auch nicht so einfach stoppen lassen. Crocodile fragte sich, was passiert sein mochte.

Als er die Flüssigkeiten von seinen Oberschenkeln entfernt hatte, machte er sich daran, seinen noch immer von Sperma bedeckten Oberkörper zu säubern. Um ehrlich zu sein, fühlte er sich schrecklich schmutzig. Außerdem schämte er sich: Zum Einen, weil er das hübsche Gästezimmer von Daz mit seinem Blut völlig versaut hatte, und zum Anderen, weil sein Partner ihn in dieser äußerst peinlichen Situation sah. Dass er nach dem Sex blutete, war noch nie vorgekommen.

"Ich möchte kurz duschen", sagte Crocodile an seinen Verlobten gewandt; er hoffte, dass Doflamingo die Andeutung verstehen und das kleine Gästebad für ein paar Minuten verlassen würde.

"Zuerst fahre ich dich ins Krankenhaus", erwiderte Doflamingo mit ernster Stimme.

"Was?" Crocodile warf seinem Partner einen verwunderten Blick zu. Anschließend machte er eine wegwerfende Handbewegung. "Ach, Quatsch. So schlimm ist es nicht. Ich glaube, die Blutung hat jetzt sowieso aufgehört."

"Lass uns nicht schon wieder diese Diskussion führen!" Doflamingo verschränkte die Arme vor der Brust. "Wenn man blutet und keine Ahnung hat, woher es kommt, gehört man ins Krankenhaus. Und damit basta! Komm schon; zieh dir ein paar Klamotten über und dann fahren wir los."

"Du übertreibst", erwiderte Crocodile. "Es ist doch bloß ein bisschen Blut. Lass uns nicht mit Kanonen auf Spatzen schießen. Es besteht absolut kein Anlass, um mitten in der Nacht ins Krankenhaus zu fahren."

"Wie viel es ist, tut nicht zur Sache", wandte Doflamingo ein. "Der ausschlaggebende Punkt ist, dass wir nicht wissen, was die Ursache für die Blutung ist."

Crocodile rollte mit den Augen. "Das ist doch wohl offensichtlich", schnaubte er. Für ihn lag die Sache klar auf der Hand: Sie beide waren beim Sex heute sehr ungeduldig gewesen. Die Vorbereitung hatten sie praktisch im Schnelldurchlauf durchgezogen. Außerdem verfügte Doflamingo über ein sehr großes Organ. Da war es wohl nicht ungewöhnlich, dass er als passiver Part hinterher ein bisschen blutete.

Crocodile nahm seinem Verlobten dieses Malheur nicht übel; er spürte überhaupt keine Schmerzen und außerdem war er sich dessen bewusst, dass Doflamingo ihn nicht absichtlich verletzt hatte. Dennoch war Crocodile sehr froh darüber, dass sie beide doch nicht auf die Gleitcreme verzichtet hatten. Er wollte sich nicht vorstellen, wie schlimm er bluten würde, wenn sie tatsächlich bloß ein wenig Spucke als Gleitmittel verwendet hätten. Da hatte er vermutlich noch Glück im Unglück gehabt.

"Dass es beim Sex passiert ist, ist mir schon klar", gab Doflamingo zurück. "Trotzdem kann es viele unterschiedliche Gründe für die Blutung geben. Wir sollten lieber ganz sichergehen und ins Krankenhaus fahren."

"Vermutlich ist es bloß ein kleiner Hautriss", meinte Crocodile. "So etwas kommt beim Analsex schon mal vor. Darum müssen wir uns keine Sorgen machen. Schau, es blutet nicht einmal mehr. Ich möchte einfach bloß duschen und mich danach wieder ins Bett legen."

"Ich weiß ja nicht...." Doflamingo hatte einen zweifelnden Gesichtsausdruck aufgesetzt.

"Du bist viel zu empfindlich", warf Crocodile seinem Partner vor. "Wegen jeder Kleinigkeit verlangst du sofort, dass ich von einem Arzt untersucht werde. Ich kann verstehen, dass du in dieser Hinsicht sehr vorsichtig bist. Vor allen Dingen, wenn man bedenkt, was mit deinen Eltern geschehen ist. Aber du musst auch einfach mal versuchen, auf dem Teppich zu bleiben, Doflamingo. Es ist wirklich nicht nötig, wegen einem kleinen bisschen Blut mitten in der Nacht ins Krankenhaus zu fahren."

"Also gut." Doflamingo wirkte zwar nicht ganz überzeugt, doch schien die Entscheidung seines Partners zu akzeptieren.

Crocodile seufzte erleichtert auf. "Endlich wirst du vernünftig", sagte er. "Anstatt uns die Nacht im Wartezimmer eines Krankenhauses um die Ohren zu schlagen, sollten wir lieber duschen und dann endlich schlafen."

"Wir müssten nicht warten", lenkte Doflamingo sofort ein. "Wenn du nicht ins Krankenhaus möchtest, weil du keine Lust auf lange Wartezeiten hast, ist das absolut kein Problem. Einer der vielen Vorteile, wenn man reich ist, besteht darin, dass man nirgendwo warten muss."

Crocodile fuhr sich genervt mit der rechten Hand durch sein dunkles Haar. "Ich werde garantiert nicht mitten in der Nacht ich-weiß-nicht-wie-lange bis zum nächsten Krankenhaus fahren, damit sich dort irgendein wildfremder Mensch meinen Arsch anschaut", meinte er entschieden. "Für mich ist dieses Thema endgültig erledigt!"

"Also gut." Endlich gab Doflamingo sich geschlagen. "Aber falls du morgen immer noch bluten solltest, dann..."

"... dann gehe ich auf jeden Fall zum Arzt", beendete Crocodile den Satz seines Partners augenrollend. "Ist ja gut, verdammt. Können wir uns jetzt bitte endlich schlafen legen?"

"Erst möchte ich mir deine Verletzung ansehen. Um sicherzugehen, dass es sich tatsächlich nur um einen harmlosen Hautriss handelt."

Crocodile glaubte, sich verhört zu haben. "Was?", brachte er entsetzt hervor. "Du spinnst doch wohl, Doflamingo! Und jetzt lass mich bitte für ein paar Minuten allein, damit ich in Ruhe duschen kann."

"Wieso stellst du dich denn so an?" Sein Verlobter schien seine Reaktion überhaupt nicht nachvollziehen zu können. "Da ist doch nichts dabei."

"Jetzt reicht es aber!" Allmählich spürte Crocodile, wie seine Geduld sich dem Ende zuneigte.

"Du brauchst dich nicht zu schämen", redete Doflamingo auf ihn ein. "Immerhin sind wir beide verlobt. Außerdem mache ich mir Sorgen um dich. Ich könnte viel ruhiger schlafen, wenn ich wüsste, dass die Ursache für das Blut wirklich nur ein kleiner Hautriss ist."

"Nein, nein, nein!" Für Crocodile stand diese Frage überhaupt nicht zur Diskussion. "Ob verlobt oder nicht, Doflamingo: Du wirst dir definitiv nicht... nicht meinen Arsch anschauen und nach einer möglichen Verletzung suchen!" Er war so schrecklich prüde, dass es ihm schwerfiel, diese Worte auch nur über die Lippen zu bringen. Sofort spürte Crocodile, wie sich Schamesröte in seinem Gesicht ausbreitete.

Doflamingo zog eine Augenbraue hoch. "Also, um diese Sache mal klarzustellen", meinte er: "Ich darf meine Finger in dein Arschloch hineinstecken, meinen Schwanz auch, gelegentlich sogar meine Zunge... Aber wenn es um eine so ernste Sache wie eine Verletzung geht, lässt du mich nicht ran? Wo ist denn da die Logik?

Crocodile zuckte mit den Schultern. "Es ist mir egal, was du davon hältst", erwiderte er ausweichend. "Jedenfalls bekommst du meine Erlaubnis nicht."

"Aber es ist doch besser, wenn ich es mir ansehe, als ein Arzt, den du überhaupt nicht kennst", wandte Doflamingo ein.

"Du kennst dich in medizinischer Hinsicht doch gar nicht aus", gab Crocodile zurück. "Du bist überhaupt nicht dazu in der Lage, dir eine Meinung zu bilden, die irgendetwas wert wäre. Also lassen wir diesen Unfug lieber gleich bleiben. Und damit basta!"

Um deutlich zu machen, dass für ihn dieses Gespräch tatsächlich beendet war, drehte Crocodile sich um und stieg in die Duschkabine. Zum Glück war die Verkleidung aus Milchglas, sodass er seinen Partner auf der anderen Seite bloß noch schemenhaft erkennen konnte. Er seufzte leise und genoss das Gefühl von warmen Wasser, das auf ihn herab rieselte.
 

Irgendwann schien selbst Doflamingo einsehen zu müssen, dass er seinen Willen dieses Mal nicht durchsetzen konnte. Crocodile hörte, wie er das kleine Gästebad verließ. Um ehrlich zu sein, war er sehr froh darüber, dass sein Verlobter ihm endlich ein klein wenig Privatsphäre gönnte. Gewissenhaft wischte Crocodile alle Blut- und Spermaspuren von seinem Körper fort. Als er die kleine Duschkabine wieder verließ und sich mit einem weichen, weißen Handtuch abtrocknete, fühlte er sich beinahe schon wieder gut. Auch seine Blutung hatte aufgehört.

Erst als er das Gästebadezimmer verließ und sein Blick auf die roten Flecken fiel, die sowohl auf dem hellen Teppich als auch auf dem Bettlaken überdeutlich zu sehen waren, wurde ihm das volle Ausmaß der Situation wieder bewusst. "Wie soll ich die Sache bloß Daz erklären?", flüsterte er verzweifelt, während er sich neben Doflamingo auf das Bett niederließ.

Sein Verlobter zuckte mit den Schultern. "Ich verstehe dein Problem nicht", meinte er mit ehrlich klingender Stimme. "Wir erklären ihm einfach, was vorgefallen ist und kommen für die Reinigung des Teppichs und des Bettlakens auf. Und damit hat es sich dann."

"Ich werde Daz auf keinen Fall erzählen, woher diese Blutflecken kommen!", wandte Crocodile energisch ein. Er konnte überhaupt nicht verstehen, wie sein Partner auf die verrückte Idee kam, ihrem Gastgeber die Wahrheit zu sagen. "Ich würde vor Scham im Boden versinken!"

"Ach, ich bin mir sicher, dass Daz Verständnis dafür aufbringen wird", erwiderte Doflamingo und machte eine wegwerfende Handbewegung. "Ihr beide kennt euch doch schon sehr lange. Du solltest dir nicht so viele Sorgen machen, Wani. Außerdem wäre es unhöflich, einfach abzuhauen, ohne ihm davon zu erzählen. Mir wäre es sehr unangenehm, ihn auf den Kosten für die Reinigung einfach sitzen zu lassen."

"Wir könnten uns irgendeine Ausrede einfallen lassen", lenkte Crocodile ein. "Wir könnten so tun, als hätte sich einer von uns beiden geschnitten oder so etwas."

"Woran hätten wir uns denn schneiden sollen?", gab Doflamingo zurück. "Hier gibt es überhaupt nichts, woran man sich schneiden kann."

Crocodile zuckte mit den Schultern. Schließlich sagte er: "Ich könnte ihm erzählen, dass ich abends noch einmal hinunter in die Küche gegangen bin, um mir ein Sandwich zu machen. Dabei habe ich mich dann aus Versehen geschnitten. Leider ist mir das erst aufgefallen, als ich schon wieder oben im Gästezimmer war. Das ist eine gute Story, nicht wahr?"

Doflamingo rollte mit den Augen. "Du verhältst dich wie ein Mädchen, das gerade seine erste Periode bekommen hat und verhindern möchte, dass irgendjemand davon Wind bekommt. Warum sagen wir Daz nicht einfach die Wahrheit? Du bist viel zu prüde, Croco."

"Und was soll ich ihm erzählen? Hey Daz, mein Verlobter und ich haben es gestern so wild getrieben, dass mein Arsch angefangen hat zu bluten. Aber keine Sorge, wir kommen für die Reinigung des Teppichs und der Matratze auf. "

"Das klingt wirklich ziemlich lustig", meinte Doflamingo und brach prompt in schallendes Gelächter aus, für das Crocodile ihn mit einem finsteren Blick strafte.

Crocodile schlüpfte rasch in seine Kleidung, verließ das Gästezimmer und schlich auf leisen Sohlen die Treppe hinunter. Doflamingo folgte ihm auf dem Fuße und bemühte sich ebenfalls darum, keine lauten Geräusche zu verursachen. Erst als sie beide sich in der Küche im Erdgeschoss wiederfanden und die Türe hinter sich geschlossen hatte, fragte Doflamingo mit skeptischer Stimme: "Was hast du vor?"

"Ich verleihe meiner Geschichte Glaubwürdigkeit", gab Crocodile zurück, während er den Kühlschrank öffnete.

"Indem du dir ein Sandwich machst?", gluckste sein Verlobter. "Keine schlechte Idee. Machst du mir auch eins? Ich könnte einen kleinen Snack vertragen."

Crocodile nickte geistesabwesend. Er holte Weißbrot, Butter, Hähnchenbrust, Kopfsalat, Gurken, Tomaten, Mayonnaise und ein scharfes Messer hervor. Schweigend bereitete er zwei Sandwiches zu; eines davon reichte er Doflamingo, der sich mit einem Kuss auf die Wange bedankte.

Kaum hatte dieser jedoch in sein Sandwich hineingebissen, spuckte er den Inhalt seines Mundraumes gleich wieder aus. "Was machst du denn da?!", fragte Doflamingo mit entsetzter Stimme und hielt ihm am Handgelenk fest.

"Das habe ich dir doch schon gesagt", erwiderte Crocodile energisch und befreite sich aus dem Griff seines Partners. "Ich verleihe meiner Geschichte Glaubwürdigkeit!"

"Du hast doch nicht mehr alle Tassen im Schrank!"

"Jetzt reg dich doch nicht so auf", meinte er und versuchte Doflamingo zu beschwichtigen. Crocodile wollte um jeden Preis verhindern, dass sie beide Daz aufweckten. "Es ist doch bloß ein kleiner Schnitt. Im Schrank des Gästebadezimmers befindet sich ein Verbandskasten; dort werden wir Pflaster finden. Alles ist gut."

"Nichts ist gut", hielt Doflamingo dagegen und verschränkte die Arme vor der Brust. Weil er mit der rechten Hand noch immer sein Sandwich festhielt, konnte Crocodile diese Geste nicht wirklich ernst nehmen. Er empfand die Reaktion seines Verlobten als lächerlich und überzogen.

Crocodile rollte mit den Augen und legte das blutverschmierte Messer in die Spüle. "Lass uns wieder nach oben gehen", meinte er an Doflamingo gewandt. "Ich bin müde und möchte endlich schlafen."

"Jetzt tu nicht so als wäre überhaupt nichts geschehen!", gab sein Verlobter wütend zurück und blockierte die Küchentüre. "Was ist denn nur los mit dir? Seit wann verletzt du dich selbst? So kenne ich dich überhaupt nicht. Ist es wegen dem Autounfall? Verhältst du dich deswegen so seltsam? Ich hatte eigentlich geglaubt, dass du den Schock allmählich überwindest."

"Mir geht es gut." Crocodile seufzte leise und warf Doflamingo einen genervten Blick zu. "Ich habe mir doch bloß in den Finger geschnitten, damit ich Daz morgen eine glaubwürdige Geschichte auftischen kann. Ich möchte nicht, dass er die Wahrheit über die Blutflecken auf der Matratze und dem Teppich erfährt. Darüber haben wir doch schon gesprochen. Jetzt hör bitte auf mit diesem Theater, Doflamingo, und lass uns nach oben gehen."

Sein Partner rang mit sich selbst, gab schlussendlich jedoch den Weg nach oben zum Gästezimmer frei. Aber Doflamingo wäre nicht Doflamingo gewesen, wenn er dieses Thema einfach hätte auf sich beruhen lassen. Er folgte ihm hinüber ins Badezimmer und redete weiter auf ihn ein, während Crocodile nach einem Pflaster Ausschau hielt.

"Hast du so etwas vorher schon mal gemacht?", fragte er mit misstrauischer Stimme. "Dich absichtlich selbst verletzt?"

"Ich bin kein von Liebeskummer geplagter Sechzehnjähriger, der sich mit Rasierklingen die Haut aufschlitzt", gab Crocodile zurück. Er hatte überhaupt keine Lust auf diese Diskussion. Worauf wollte Doflamingo überhaupt hinaus?

"Also hast du so etwas vorher noch nie gemacht? Versprochen?"

"Versprochen." Allmählich nervten ihn die Fragen seines Verlobten. "Und es kommt auch nicht wieder vor", fügte Crocodile an, damit Doflamingo ihn endlich in Ruhe ließ. "Das habe ich doch sowieso nur getan, weil momentan ein kleiner Notfall vorliegt. Ich würde in Grund und Boden versinken, wenn Daz erfärt, woher die Blutflecken wirklich stammen. Du weißt doch, dass ich ein sehr schamhafter Mensch bin, Doflamingo. Ich möchte mich bloß einfach nicht blamieren. Also überbewerte diese Sache bitte nicht. In Ordnung?"

Doflamingo zögerte, ehe er schließlich widerwillig nickte. "Gut finde ich es trotzdem nicht", sagte er, als sie beide wieder ins Bett stiegen.
 

*
 

Crocodile saß gemeinsam mit Doflamingo am Frühstückstisch.

Seit dem Autounfall, den er verursacht hatte, waren etwa drei Wochen vergangen. Und auch wenn er es sich nicht verzeihen konnte, was er angerichtet hatte, lernte Crocodile allmählich mit seiner Schuld zu leben. Jeden Tag fühlte er sich ein klein wenig besser; inzwischen war er beinahe schon wieder bei seinem normalen Gemütszustand angekommen.

Momentan jedenfalls fühlte er sich ziemlich wohl: Es war Samstagmorgen, die Sonne schien und die Vögel zwitscherten. Das Wetter war so mild, dass Doflamingo und er beschlossen hatten, draußen auf der Terrasse zu frühstücken. Sie saßen friedlich beieinander. Sein Verlobter schlürfte seinen Kaffee und genoss die warmen Sonnenstrahlen, die ihm ins Gesicht schienen, während Crocodile durch die Zeitung blätterte und hin und wieder an einer Scheibe geröstetem Toastbrot knabberte. Er konnte sich nicht daran erinnern, wann er das letzte Mal so entspannt gewesen war.

"Hast du Lust heute Mittags auswärts zu essen?"

Meistens war es Doflamingo, der solche Fragen stellte, doch heute fühlte Crocodile sich motiviert genug, um selbst einmal eine Aktivität vorzuschlagen. Bei einem Restaurantbesuch sollten auch nicht allzu viele Kosten auf ihn zukommen. Das Gehalt, das er für seine Arbeit bei Tom's Workers erhielt, tilgte seine Schulden nach und nach. Inzwischen war sein Schuldenberg auf 263.000 Berry geschrumpft; das war ein bisschen weniger als die Hälfte des ursprünglichen Betrags. Trotz des Autounfalls sah Crocodile optimistisch in die Zukunft. Gestern erst hatty Franky angedeutet, dass einer dauerhaften Zusammenarbeit nichts im Wege stünde; Crocodile hoffte auf eine Verlängerung seines befristeten Vertrags.

"Klar, sehr gerne", meinte Doflamingo. "Weißt du schon, in welches Restaurant du gehen möchtest?"

Crocodile zuckte mit den Schultern. Schließlich erwiderte er: "Warum machen wir uns nicht einen netten Tag in der Innenstadt? Das Wetter ist ja wirklich schön heute. Wir könnten ein bisschen bummeln und währenddessen nach einem Lokal Ausschau halten, das uns gefällt. Oder hast du schon etwas Anderes vor?"

"Heute Abend gegen zwanzig Uhr kommen Law und Vergo vorbei", antwortete Doflamingo. "Aber ansonsten habe ich nichts geplant. Gegen einen schönen Stadtbummel hätte ich nichts einzuwenden. Aber wie kommt es denn, dass du so plötzlich Lust darauf hast, die sicheren vier Wände zu verlassen, Wani? Normalerweise muss ich dich doch zu solchen Dingen fast schon zwingen." Er lachte leise.

"Stört es dich?", gab Crocodile keck zurück, während sich eine leichte Röte auf seine Wangen legte. Ihm war bewusst, dass sein Verlobter durchaus recht hatte: Um ehrlich zu sein, war er kein sonderlich geselliger oder aktiver Mensch. Während Doflamingo am Wochenende nichts lieber tat als mit seinen Freunden um die Häuser zu ziehen, nahm Crocodile lieber ein entspannendes Schaumbad oder las ein gutes Buch.

"Überhaupt nicht", meinte sein Partner grinsend. "Es würde dir guttun, endlich mal wieder aus dem Haus zu kommen. Warum machen wir uns nicht gleich nach dem Frühstück auf den Weg? Dann haben wir auch noch genug Zeit, um beim Standesamt vorbeizuschauen. Immerhin müssen wir uns darüber informieren, welche Dokumente für unsere Hochzeit erforderlich sind. Ich gehe leider davon aus, dass auch eine Menge Papierkram auf uns zukommen wird. Es ist besser, wenn wir uns frühzeitig darüber im klaren sind, welche Dokumente wir bereithalten oder vielleicht auch noch besorgen müssen."

"Gute Idee", stimmte Crocodile halbherzig zu. Die Vorstellung, gemeinsam mit seinem Verlobten das örtliche Standesamt aufzusuchen, behagte ihm ganz und gar nicht. In letzter Zeit hatte er es sich angewöhnt, so wenig Gedanken wir möglich an ihre bevorstehende Hochzeitsfeier zu verschwenden. Vermutlich aus Rücksicht auf den Autounfall, den er verursacht hatte, und seinen damit verbundenen Schock, hatte Doflamingo in letzter Zeit nur selten von ihrer Hochzeit gesprochen. Es behagte Crocodile nicht, dass dieses Thema nun wieder in den Fokus rückte.

"Wir könnten die Gelegenheit auch nutzen, um uns über freie Termine für die Eheschließung beim Standesamt zu informieren", fügte Doflamingo hinzu. "Mir ist die kirchliche Hochzeit zwar wichtiger, aber letztendlich ist unsere Ehe rechtlich natürlich nur dann gültig, wenn wir den entsprechenden Vertrag beim Standesamt unterschreiben."

"Das wäre praktisch, ja", meinte Crocodile. Er bemühte sich darum, sich sein Unwohlsein nicht anmerken zu lassen, während er sich hastig überlegte, wie er dem Besuch beim Standesamt entgehen könnte. Das Standesamt lag im Osten der Stadt. Ob es ihm gelingen würde, Doflamingo in ein möglich westlich liegendes Restaurant zu lotsen? Er musste auf jeden Fall verhindern, dass sie bereits einen festen Termin für die Hochzeit ausmachten.

Zum Glück betrat ein Dienstmädchen die Terrasse, ehe Doflamingo dazu kam, das Thema weiter aufzuführen. Die junge Frau war für die Post zuständig, wie Crocodile wusste. Sie reichte die Briefe, die sie in der Hand hielt, mit ein paar freundlichen Worten an Doflamingo weiter, der ihr ein Trinkgeld gab und sie dann entließ.

"Ist irgendetwas für mich dabei?", fragte Crocodile möglichst beiläufig. Er hoffte, dass sie beide nicht wiederauf das Thema Standesamt zurückkommen würden.

Doflamingo nickte und reichte ihm über den Tisch hinweg drei große Briefumschläge. "Zwei der Briefe sind von deiner Versicherung", sagte er.

Crocodile zog die Augenbrauen zusammen und nahm die Briefe entgegen. Einer der Briefe war von Tom's Workers; er enthielt vermutlich seine Gehaltsabrechnung. Dass sein Verlobter Post von einer der weltweit größten Elektronik-Messen erhielt, schien Doflamingo zum Glück nicht skeptisch zu stimmen. Crocodile vermutete, dass er diesem Umstand entweder keine große Bedeutung beimaß oder seine Aufmerksamkeit ganz auf die anderen beiden Briefe gerichtet war. Sie stammten tatsächlich von seiner Versicherung. Seiner Autoversicherung. Crocodile schluckte.

"Ich kümmere mich um die Post, sobald ich mit meiner Zeitung fertig bin", sagte er und legte die drei Briefe zur Seite. Stattdessen griff er nach der Tageszeitung; er versuchte den Artikel wiederzufinden, bei dem er stehengeblieben war, doch musste feststellen, dass er sich an die entsprechende Stelle nicht mehr erinnern konnte.

Es dauerte nicht lange, bis Doflamingo sich zu Wort meldete: "Du solltest die beiden Briefe von deiner Versicherung lesen, Crocodile."

Crocodile senkte den Blick. Er zögerte einen Moment lang, ehe er erwiderte: "Heute ist so ein schöner Tag, Doffy. Und um ehrlich zu sein, habe ich keine Ahnung, was in diesen Briefen stehen könnte. Ich möchte mir die Laune nicht von einer bösen Überraschung verderben lassen. Ich lese sie heute Abend."

"Eben hast du noch behauptet, du würdest sie lesen, sobald du mit der Zeitung fertig bist", warf sein Verlobter ein. Er schwieg für einen kurzen Moment, ehe er anfügte: "Ich weiß nicht, ob dich in diesen Briefen irgendeine Art böse Überraschung erwartet oder nicht. Aber es ist besser, wenn man vor solchen Dingen nicht davonläuft. Du solltest Bescheid wissen. Also lies bitte die beiden Briefe, ja?"

"Ich will mich aber nicht an den Unfall zurückerinnern", erwiderte Crocodile hartnäckig. "Nicht heute. Möchtest du, dass ich den ganzen Tag lang an diese furchtbare Sache denke? Auch während wir beim Standesamt sind und uns wegen unserer Hochzeit informieren? Ich werde mich morgen darum kümmern."

"Wir können auch ein anderes Mal zum Standesamt fahren", sagte Doflamingo. "Diese Briefe solltest du heute lesen. Es bringt nichts, wenn man sich ständig vornimmt, etwas erst am nächsten Tag zu erledigen. Morgen wirst du nämlich wieder einen Grund finden, wieso du die Briefe noch nicht lesen kannst. Und bevor du dich versiehst, befindest du dich in einem Teufelskreis. Vielleicht stehen in den Briefen wichtige Informationen."

"Vielleicht steht auch nichts Wichtiges drin. Dann werde ich den ganzen Tag lang völlig umsonst furchtbar schlecht gelaunt sein."

"Welcher Fall eintritt, wissen wir erst, wenn wir den Inhalt der Briefe kennen."

Crocodile seufzte und warf einen unwilligen Blick auf die beiden Briefumschläge, die auf dem Frühstückstisch lagen. Er gab es nur ungern zu, doch er fürchtete sich vor den Dingen, die in diesen Briefen stehen könnten.

Als Doflamingo merkte, mit welchen Schwierigkeiten sein Verlobter zu kämpfen hatte, wurde er sanfter. "Wenn du möchtest, dann kann ich die beiden Briefe zuerst lesen", bot er hilfsbereit an.

Crocodile zögerte. Er ließ den Blick zwischen Doflamingo und den Briefen hin- und herschweifen, ehe er schließlich nickte. "Okay, gut", sagte er mit schwacher Stimme.

Geschwind griff Doflamingo nach den Briefumschlägen, riss sie auf und ließ seinen Blick über die Papierbögen gleiten, die zum Vorschein kamen. Es vergingen ein paar Minuten, in denen keiner von ihnen beiden ein Wort sagte. Crocodile empfand diese Stille als absolut unerträglich. Sein Herz klopfte laut und in seinem Magen hatte sich ein schmerzhafter Knoten gebildet. Er befürchtete das Schlimmste.

Irgendwann sagte Doflamingo: "Sowohl deine Versicherung als auch die Versicherung des anderen Unfallbeteiligten weigern sich, für die verursachten Schäden aufzukommen. Das betrifft die beiden Wagen und auch die Behandlung des Unfallsopfers. Als Grund wird genannt, dass du Alkohol im Blut hattest, während der Unfall geschehen ist. Hier stehst, dass du sämtliche Kosten selbst tragen musst."

Crocodile konnte überhaupt nicht fassen, was sein Verlobter ihm erklärte. Er fühlte sich mindestens genauso geschockt wie damals, als sein Mercedes C 216 urplötzlich über die Kreuzung geschleudert worden war. Der erste klare Gedanke, den Crocodile fasste, war: Bitte, lieber Gott, bitte lass das hier nur einen schlimmen Alptraum sein. Leider erfüllte sich sein verzweifelter Wunsch nicht. Anstatt aufzuwachen und erleichtert festzustellen, dass diese Hiobsbotschaft nicht real war, starrte Crocodile weiterhin völlig fassungslos in das Gesicht seines Partners.

"Steht... steht in den Briefen auch, auf welche Summe sich die Kosten ungefähr belaufen werden?" Crocodile bemühte sich um einen ruhigen Atem, doch fühlte sich trotzdem, als bekäme er nicht genug Luft. Schwarze Punkte tanzten vor seinen Augen. Er stand kurz davor, einfach zusammenzubrechen.

Doflamingo nickte. "Hier steht eine vorläufige Summe", sagte er. "Eine Art Kostenvoranschlag. Er beinhaltet die Reparatur deines Mercedes, die Reperatur des Citroen und die medizinische Behandlung des Fahrers."

"Wie viel?", fragte Crocodile. Es gelang ihm nur mit viel Mühe, das Zittern auf seiner Stimme zu verbannen.

"Einhundertzwanzigtausend Berry", antwortete Doflamingo.
 

bye

sb



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