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Mesh Of Lies

DoflamingoxCrocodile (AU)
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Hallo, ich begrüße auch meine minderjährigen Leser herzlich zum zweiten Kapitel von MoL! ;)
Genauso wie beim ersten Kapitel erkennt ihr am [zensiert]-Einschub, wo etwas weggeschnitten wurde. Macht euch bitte nichts draus, die Sexszenen bringen die Handlung sowieso kaum voran und sind bloß als kleines Extra gedacht ;)

bye
sb Komplett anzeigen

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Kapitel 2 (zensiert)

Zu Crocodiles Überraschung wurden die nächsten Tage sehr schön. Allem Anschein nach tat es ihm tatsächlich gut, aus der Großstadt herauszukommen und für eine Weile keinen Gedanken an seine Kündigung und seine Schulden zu verschwenden. Er ließ entspannt die Seele baumeln und fühlte sich in der Nähe seines Freundes einfach nur pudelwohl. Befände er sich nicht in so großer finanzieller Not, würde er vielleicht tatsächlich darüber nachdenken, dauerhaft hierherzuziehen.

Wobei man Doflamingo allerdings durchaus vorwerfen konnte mit falschen Karten zu spielen; denn er bemühte sich mit allen Mitteln darum, den Aufenthalt seines Partners so angenehm wie möglich zu gestalten. Es handelte sich zumeist nur um Kleinigkeiten, doch Crocodile fielen sie sofort auf: Ihm wurde der Nacken massiert, ohne dass er auch nur darum bitten musste; beim gemeinsamen Fernsehabend wurde ihm freiwillig die Fernbedienung überlassen; in der Süßigkeitenschublade tauchten plötzlich seine Lieblingscracker auf und eines morgens wurde er sogar mit einem Frühstück im Bett inklusive Blumenstrauß überrascht.

Doflamingo gab sich so große Mühe dabei sich gut zu verhalten, dass Crocodile fast schon ein schlechtes Gewissen bekam. Schließlich war er sich ja von Anfang an absolut sicher gewesen, dass es für ihn nicht infrage käme mit seinem Freund zusammenzuziehen. Jedes Mal also, wenn Doflamingo ihm besondere Aufmerksamkeit zukommen ließ, spürte Crocodile einen schmerzhaften Knoten im Magen. In diesem Fall versuchte er sich zu beruhigen und redete sich selbst gut zu; sagte dann zum Beispiel, dass er Doflamingo niemals irgendwelche Versprechungen gemacht hatte und es sich bei bei seinem derzeitigen Aufenthalt bloß um einen unverbindlichen Testlauf handelte. Doch manchmal verschwand trotz aller stichhaltigen Argumente der Knoten in seinem Magen nicht und er musste ein Glas Wein trinken, um sich wieder besser zu fühlen.
 

*
 

Es war ihr fünfter gemeinsamer Tag und ein Dienstag, als Crocodile einen Anruf von seinem Bruder Mihawk bekam. Er befand sich gerade mit Doflamingo im Wohnzimmer (er las ein Buch, während Doflamingo irgendwelchen Dokumente durchsah; insgesamt herrschte eine friedlichere Atmosphäre als er es je für möglich gehalten hätte) und um diesen nicht bei seiner Arbeit zu stören, verließ er den Raum, ehe er abnahm.

"Hallo?"

"Hallo, Crocodile", begrüßte ihn sofort die angenehm klingende Stimme seines Bruders.

Obwohl Crocodile seine Eltern schon seit vielen Jahren nicht mehr zu Gesicht bekommen hatte, hielt er den Kontakt zu seinen beiden Geschwistern regelmäßig aufrecht. Leider wohnte er in einer anderen Stadt als Mihawk und Hancock, weswegen sie sich nicht so häufig sehen konnten wie sie es gerne würden. Dieses Problem lösten sie, indem sie möglichst oft miteinander telefonierten; außerdem besuchten ihn seine Geschwister alle vier oder fünf Wochen für ein paar Tage. Seine Wohnung bot sich für diese Treffen besonders an, weil er allein wohnte und außerdem als einziger von ihnen ein sehr geräumiges Gästezimmer besaß.

Crocodile vermutete, dass Mihawk anrief, um einen Termin für einen erneuten Besuch auszumachen. Sie hatten sich das letzte Mal vor etwa sechs oder sieben Wochen gesehen.

"Wie geht es dir?", fragte Mihawk ihn. Sein Bruder war nur selten schlecht gelaunt, doch wirkte meistens recht kühl und sehr besonnen. Er stellte in dieser Hinsicht einen starken Kontrast zu Crocodile dar, der schnell aufbrausend wurde.

"Um ehrlich zu sein nicht so gut", antwortete Crocodile wahrheitsgemäß. "In letzter Zeit mir sind ein paar echt blöde Sachen passiert. Das Schicksal meint es nicht gut mit mir."

"Das tut mir leid. Möchtest du darüber reden?"

"Lieber nicht. Zumindest nicht am Handy." Crocodile hatte zwar absichtlich leise gesprochen, doch er konnte sich nicht sicher sein, dass sein Freund nicht vielleicht doch das eine oder andere Wort mitbekam; und das wollte er natürlich unter allen Umständen vermeiden. Vor allen Dingen, wenn er mit seinem Bruder über ein so heikles Thema wie seine Kündigung sprach.

"Das ließe sich einrichten", meinte Mihawk. "Ich rufe sowieso an, weil Hancock und ich gerne wissen wollen, wann du wieder ein wenig Zeit für uns hättest. Wie wäre es am Wochenende? Dann können wir auch gerne über alles reden, was dich belastet."

"Prinzipiell ginge das", erwiderte Crocodile, "das Problem ist nur, dass ich derzeit bei Doflamingo wohne." Er hatte seinen Geschwistern bereits häufiger von seinem Freund berichtet; getroffen hatten sie ihn allerdings noch nicht. "Weißt du, er hat sich in den Kopf gesetzt, dass er gerne mit mir zusammenwohnen würde und mich dazu überredet für ein paar Wochen bei ihm zu einzuziehen. Sozusagen als kleiner Testlauf."

"Das ist doch kein Problem", sagte Mihawk. "Wenn es dir nichts ausmacht, kannst du mir deinen Schlüssel geben. Dann übernachten Hancock und ich in deiner Wohnung und du bleibst bei Doflamingo. Treffen können wir uns schließlich trotzdem, oder nicht?"

"Klar. Dann wie immer Freitag um acht in Spider's Cafe?"

"Ja. Und wieso bringst du nicht auch Doflamingo mit?"

Crocodile ließ vor Schreck fast sein Handy fallen. "W-was? Wieso denn?" Er schluckte und bemühte sich darum, seine Stimme weniger nervös klingen zu lassen. Wenn Doflamingo mit zu ihrem Treffen kam, dann würde er nicht mit seinen Geschwistern über seine Kündigung sprechen können. Und wenn er ehrlich war, dann würde er sich sehr gerne endlich jemandem anvertrauen. Des Weiteren war er sich nicht sicher, ob sein Freund mit Mihawk und Hancock zurechtkäme. Er war schließlich ein sehr exzentrischer Typ, während sein Bruder und seine Schwester ein relativ durchschnittliches Leben in der Vorstadt führten.

"Hancock und ich möchten ihn endlich mal kennenlernen. Du hast schon so viel von ihm erzählt und wir würden uns gerne ein eigenes Bild von deinem Freund machen. Es scheint ja so, als würde aus eurer Beziehung etwas wirklich Festes werden."

"Naja gut, von mir aus", gab Crocodile sich geschlagen. Er gehörte zu seinen größten Schwächen, dass er seinen Geschwistern einfach nichts abschlagen konnte. "Aber dann erwähn bitte nichts von meinen Problemen, in Ordnung?"

Crocodile kannte seinen Bruder gut genug, um zu wissen, dass dieser gerade die Augenbrauen zusammenzog, auch wenn er ihn nicht vor sich sehen konnte. "In Ordnung. Aber wieso? Ist er der Grund dafür, dass es dir derzeit nicht gut geht?"

"Nein, auf keinen Fall", antwortete Crocodile sofort. "Es ist nur so, dass ich ihm bisher noch nichts davon erzählt habe. Es geht nämlich um eine wirklich ernste Sache und ich möchte unsere Beziehung damit nicht belasten, wenn es sich irgendwie vermeiden lässt. Wir sind ja noch nicht allzu lange ein Paar."

"Du weißt, dass ich mich normalerweise nicht in die Beziehungen anderer Menschen einmische", meinte Mihawk, "aber wenn du mich fragst, dann solltest du deinem Partner alles erzählen können, was dich belastet, ganz egal worum es geht. Und wenn du das nicht kannst, dann läuft irgendetwas falsch."

"Das stimmt schon, aber trotzdem möchte ich es ihm nicht sagen. Respektier das bitte, ja?"

"Natürlich", sagte sein Bruder sofort und Crocodile wusste, dass er sich auf sein Wort verlassen konnte. Er war wirklich froh, so wunderbare Geschwister wie Mihawk und Hancock zu haben. Er konnte sich immer sicher sein, dass sie ihm zuhören und beistehen würden, ganz gleich worum es ging; doch zugleich respektierten sie seinen Wunsch, seine Angelegenheiten selbst zu regeln. Sie mischten sich niemals ungefragt in sein Leben ein oder trafen über seinen Kopf hinweg irgendwelche wichtigen Entscheidungen.

"Wir werden am Wochenende sicher auch eine Möglichkeit finden, um nur zu dritt über diese Dinge zu reden, ja? Doflamingo wird dich schon für ein paar Stunden entbehren können. Schließlich muss er lernen, dass -auch wenn ihr zusammenwohnt- du dich mit anderen Menschen triffst und nicht bloß immer für ihn da bist. Und du weißt ja hoffentlich, dass du Hancock und mir alles erzählen kannst."

"Klar weiß ich das", erwiderte Crocodile und pustete sich eine Haarsträhne aus der Stirn. "Mit euch habe ich damals doch auch mein größtes Geheimnis geteilt, oder nicht? Wenn man jemanden anvertrauen kann, dass man eine Schwuchtel ist, dann kann man dieser Person alles anvertrauen."

"Sag nicht Schwuchtel", wies Mihawk ihn zurecht, "du weißt, dass ich dieses Wort nicht leiden kann."

Crocodile lachte leise. Wenn er mit seinem Bruder sprach, fühlte er sich seltsamerweise immer frei und federleicht, so als wären alle Sorgen von seinen Schultern genommen worden. "Sollte ich nicht eigentlich derjenige von uns beiden sein, der sich über so etwas beschwert?", fragte er scherzhaft.

"Auch wenn ich selber nicht homosexuell bin, kann ich durchaus abschätzen, ob ein Ausdruck abwertend ist oder nicht", erklärte Mihawk. "Und das ist dieses Wort meiner Meinung nach definitiv. Also betitel dich bitte nicht selber so. Es gibt nämlich keinen Grund, wieso du dich wegen deiner Sexualität herabgesetzt fühlen solltest."

"Ist ja schon gut", erwiderte Crocodile augenrollend.

Manchmal hatte er das Gefühl, dass sein Bruder noch eher für die Rechte Homosexueller einstand als er selbst. Als er ihm damals seine homosexuellen Neigungen gebeichtet hatte, hatte er diese sofort akzeptiert und ihn vollkommen unterstützt. Seine Schwester Hancock war zwar geschockt gewesen und hatte zu Beginn ihre Schwierigkeiten mit der Vorstellung gehabt, dass einer ihrer Brüder andere Männer mochte, doch gewöhnte sich relativ schnell daran. Inzwischen standen beide voll auf seiner Seite und hielten den Kontakt zu ihm aufrecht, auch wenn ihre Eltern strikt dagegen waren.

"Fragst du denn nun Doflamingo wegen Freitag?", erinnerte Mihawk ihn.

Crocodile nickte, ehe ihm einfiel, dass sein Bruder diese Geste nicht sehen konnte und meinte dann: "Ja, ich frage ihn eben. Bleibst du dran? Aber sei bitte nicht enttäuscht, wenn er keine Zeit haben sollte, ja? Er ist sehr beschäftigt."

Das stimmte sogar. Es war nicht nur Crocodile, der viel arbeitete; auch sein Partner hatte als Besitzer mehrerer Firmen und Betriebe eine große Verantwortung inne. Sogar jetzt gerade im Augenblick sah er der Arbeit wegen irgendwelche Dokumente durch, während er kaffeetrinkend (Doflamingo liebte Kaffee) im Wohnzimmer saß.

Crocodile kehrte in eben jenen Raum zurück und räusperte sich leise, um auf sich aufmerksam zu machen. Er wusste selber genau, wie sehr es nervte, wenn man tief in seine Arbeit versunken war und dann wegen irgendeiner unwichtigen Kleinigkeit aus seinem Gedankenstrom gerissen wurde; darum würde er eben später nachfragen, sollte sein Partner im Augenblick zu beschäftigt sein.

Zu seiner Verwunderung jedoch sah Doflamingo sofort von seinen Papieren auf, kaum dass er auch nur Luft geholt hatte: "Doflamingo?"

"Ja?" Er klang nicht genervt oder verärgert, sondern unbefangen und neugierig, so wie immer eben.

"Ähm, hast du Freitagabend vielleicht Zeit? So ab acht Uhr?"

"Klar, worum geht es denn?" Er legte die Dokumente auf den Couchtisch ab und Crocodile spürte den intensiven Blick seines Partners sogar durch die getönten Gläser dessen Sonnenbrille hindurch.

"Meine Geschwister sind am Wochenende in der Stadt und wollen dich gerne kennenlernen. Wenn es dir nichts ausmacht. Wir treffen uns in Spider's Cafe. Hast du Lust zu kommen? Aber bitte fühl dich nicht wegen mir verpflichtet dahinzugehen, ja? Wenn du nicht mitkommen möchtest, dann kann ich das auch völlig verstehen."

"Natürlich komme ich!", erwiderte Doflamingo sofort und ein breites Grinsen legte sich auf seine Lippen. "Ich freue mich unglaublich, dass du mich endlich deiner Familie vorstellen möchtest."

Crocodile legte sein Handy wieder ans Ohr und sprach zu Mihawk: "Er hat zugesagt. ... Ja. .... Okay. .... Dann bis Freitag. ... Ja. ... Tschüss!" Dann legte er auf und setzte sich neben seinen Freund auf die Couch.

Wenn er ehrlich war, dann konnte er sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass ihr gemeinsames Treffen sonderlich erfolgreich verlaufen würde. Crocodile warf Doflamingo einen leicht abschätzenden Blick zu. Sein Partner gehörte einfach zu einer völlig anderen Sorte Mensch als seine beiden Geschwister. Mihawk arbeitete als Fechtlehrer, während Hancock ein kleines Nagelstudio betrieb; er hatte als einziger unter seinen Geschwistern studiert und es beruflich sehr weit gebracht.

Bei dem Gedanken an seine Arbeitsstelle legte sich sofort ein dunkler Schatten auf Crocodiles Gesicht. Seine Kündigungsfrist neigte sich langsam dem Ende zu. Das bedeutete, dass er in ein paar Wochen arbeitslos sein würde. Und bisher hatte er nur ein einziges Vorstellungsgespräch in Aussicht. Er schluckte.

Auch wenn seine Geschwister niemals so reich gewesen waren und so luxuriös gelebt hatten wie er, dachte Crocodile, ging es ihnen derzeit finanziell deutlich besser als ihm. Zumindest hatte keiner von ihnen einen Schuldenberg in Höhe von über einer halben Millionen Berry. Sie wohnten beide in abbezahlten Häusern in der Vorstadt und hatten solide Arbeitsstellen. Da könnte er ja fast schon neidisch werden, dachte Crocodile mit einem bitteren Geschmack im Mund.

"Ist etwas nicht in Ordnung, Wani?", riss ihn die besorgt und misstrauisch klingende Stimme seines Freundes aus den Gedanken.

Überrascht schreckte er auf. "Hm? Nein, alles in Ordnung bei mir. Ich habe mir nur gerade ausgemalt, wie das Treffen wohl verlaufen wird."

Doflamingo gluckste. Im Gegensatz zu Crocodile schien er dem bevorstehenden Freitagabend relativ gelassen entgegenzusehen. Tatsächlich war er ein Mensch, den man nicht so leicht aus der Fassung bringen konnte. Wenn dann allerdings der eine Tropfen kam, der das Fass zum Überlaufen brachte, dann gab es für ihn kein Halten mehr. Zum Glück jedoch hatte Crocodile noch nicht allzu viele Erfahrungen mit dieser exzentrischen Charaktereigenschaft seines Partners gemacht.

"Wie sind dein Bruder und deine Schwester denn so drauf?", fragte Doflamingo.

Crocodile zuckte mit den Schultern. "Ach, sie sind ganz normale Leute. Nichts im Vergleich zu dir."

Doflamingo zog eine Augenbraue hoch und meinte gespielt beleidigt: "Was soll das denn heißen? Bin ich etwa nicht normal?"

"Definitiv nicht", bestätigte Crocodile und wendete sich wieder dem Buch zu, das er wegen Mihawks Anruf zur Seite gelegt hatte. "Du bist nicht bloß abnormal, sondern sogar ziemlich verrückt. Vielleicht der verrückteste Typ, den ich je kennengelernt habe."

"Stört es dich denn, dass ich ein so verrückter Typ bin?"

Crocodile machte sich nicht die Mühe von seinem Buch aufzublicken, als er sagte: "Wenn das der Fall wäre, dann wäre ich wohl kaum mit dir in einer Beziehung, oder?"

Mit dieser Antwort war sein Freund allem Anschein nach sehr zufrieden, denn er bohrte nicht weiter nach, sondern lächelte leicht und wendete sich wieder seiner Arbeit zu.
 

*
 

"Sehe ich in Ordnung aus? Kann ich so gehen?", fragte Doflamingo ihn und drehte sich einmal um die eigene Achse, damit sein Freund ihn aus allen Blickwinkeln begutachten konnte.

Crocodile zuckte mit den Schultern, ehe er nach seinem Mantel griff. "Du musst selber wissen, ob du in den Klamotten rausgehen möchtest oder nicht", erwiderte er schließlich. "Ich jedenfalls würde es nicht tun. Aber wir haben ja auch unterschiedliche Geschmäcker, was Kleidung angeht. Seit wann interessierst du dich überhaupt dafür, was andere Menschen von deinem Äußeren halten?"

"Naja, es geht ja nicht um irgendwen, sondern um deine Familie", erklärte Doflamingo sein sonderbares Verhalten, ehe auch er in seinen Mantel schlüpfte. "Da will ich eben einen guten Eindruck machen. Ist doch verständlich, oder nicht?"

"Natürlich", stimmte Crocodile seinem Freund zu, auch wenn er sich nicht sicher war, ob eine Dreiviertel-Jeans und ein hellrosafarbenes T-Shirt diesem Zweck besonders dienlich waren. Auf der anderen Seite allerdings musste Crocodile -der sich in Doflamingos Kleiderschrank recht gut auskannte- auch zugeben, dass sein Partner schon deutlich schlimmer ausgesehen hatte. Bei dem Geschäftsessen, an dem sie sich kennengelernt hatten, hatte er eine orangefarbene Dreiviertelhose mit schwarzem Tigermuster und ein pinkfarbenes, bis zum Nabel geöffnetes Hemd mit Schlangenprint getragen.

Tatsächlich wirkte der überaus exzentrische Kleidungsstil Doflamingos auf viele Leute zuerst ein wenig abschreckend. Zum Glück allerdings handelte es sich bei Crocodiles Geschwistern um zwei Menschen, die Andere nicht allein nach ihrem Äußeren beurteilten und sich auch nicht von einem nicht ganz so positiven ersten Eindruck abschrecken ließen. (Wofür er überaus dankbar war. Ansonsten hätte er nämlich gar nicht erst zugelassen, dass die Drei sich jemals kennenlernten.)

Nichtsdestotrotz war Crocodile ein wenig nervös. Er fragte sich, was Mihawk und Hancock wohl von seinen neuen Freund halten und wie das gemeinsame Treffen verlaufen würde. Er hoffte von ganzem Herzen, dass alles gut ging.

"Wir müssen jetzt los", meinte Doflamingo und nahm ihn an die Hand, um mit ihm gemeinsam die Villa zu verlassen.

Crocodile hob verwundert eine Augenbraue. Als er auf die Uhr schaute, stellte er fest, dass diese gerade einmal kurz nach sieben Uhr anzeigte. Da die Villa sich im eher äußeren Teil der Stadt befand, brauchten sie mit dem Auto etwa fünfundvierzig, vielleicht fünfzig Minuten bis zu Spider's Cafe, das in einer kleinen Nebenstraße im Stadtkern lag. (Von Crocodiles Wohnung aus gerechnet, war das kleine Cafe bloß etwa fünfzehn Minuten zu Fuß entfernt.)

"Ich kann es kaum glauben", sagte Crocodile, als sie auf die Rückbank des Autos glitten, mit dem sie heute fahren würden. (Es handelte sich um einen dunkelblauen Jaguar XK Coupè; nur einer der vielen verschiedenen Wagen, die Doflamingo besaß.) "Du entwickelst dich langsam wirklich zu einem pünktlichen Menschen. Ich erkenne dich kaum wieder."

"Du tust so, als würde ich ständig bloß zu spät kommen", erwiderte Doflamingo grinsend, nachdem der Fahrer das Auto gestartet hatte und losgefahren war, "dabei stimmt das doch gar nicht. Zu wichtigen Verabredungen komme ich fast immer pünktlich."

Crocodile rollte mit den Augen. "Diese Diskussion führen wir zum einhundertsten Mal", sagte er. "In meinen Augen bist und bleibst du eben ein notorischer Zuspätkommer!" Er zögerte für einen Moment und fügte dann hinzu: "Ist dir das Treffen mit meinen Geschwistern wirklich so unglaublich wichtig?"

"Na klar", antwortete Doflamingo sofort. "Deine Familie ist ein wichtiger Teil deines Lebens, oder nicht? (Genauso wie ich es hoffentlich bin.) Und indem ich sie kennenlerne, bringe ich gleichzeitig auch mehr über dich in Erfahrung. Ich möchte alles über dich wissen, Crocodile. Ich möchte, dass wir beide einander genau kennen, jedes noch so winzige Detail; und dass wir keine Geheimnisse voreinander haben. Du sollst ein fester Bestandteil meines Lebens werden und zwar mit allem, was zu dir dazu gehört. Denn darum geht es doch schließlich in einer Liebesbeziehung, findest du nicht auch?"

Crocodile spürte, dass sich seine Kehle plötzlich sehr trocken anfühlte und sich auf seine Lippen ein bitterer Geschmack legte. Er hustete kurz und wollte schlucken, doch musste feststellen, dass sich in seinem Mundraum kein einziger Tropfen Speichel mehr befand.

Die Worte seines Partners rührten ihn zutiefst. Doflamingo war normalerweise niemand, der solche Dinge sagte; tatsächlich war er nur sehr selten dazu in der Lage, seine Gefühle wirklich ernst auszudrücken, so völlig ohne jedes Grinsen und Lachen.

Dennoch konnte Crocodile sich über dieses Geständnis seines Partners nicht so recht freuen. Als dieser darauf zu sprechen kam, dass sie keine Geheimnisse voreinander haben sollte, wurde Crocodile für einen kurzen Augenblick sogar schlecht. Schließlich hielt er nun schon seit Wochen eine so wichtige Angelegenheit wie seine Kündigung und die daraus resultierenden Schulden vor seinem Freund geheim. Und er hatte vor, dies weiterhin zu tun.

Crocodile strich sich mit der rechten Hand gedankenverloren über den Mund und fragte sich unweigerlich, ob Doflamingo ihm dieses Geheimnis verzeihen könnte, sollte es jemals ans Tageslicht kommen.

Um sich selbst ein wenig zu beruhigen und das Thema zu wechseln, sagte er: "Du wirst niemals meine ganze Familie kennenlernen. Meine Geschwister sind das Äußerste, was ich dir anbieten kann. Damit wirst du dich zufrieden geben müssen."

Doflamingo zog die Augenbrauen zusammen und sah irritiert zu ihm hinüber. "Warum darf ich denn deine Eltern nicht kennenlernen?"

Crocodile seufzte. Normalerweise sprachen sie nicht oft über ihre Familien. Er hatte seinem Freund bereits bei der einen oder anderen Gelegenheit von Mihawk und Hancock erzählt, jedoch noch niemals seine Eltern erwähnt. Er sprach nicht gerne über diese beiden Menschen und verschwendete gemeinhin nur wenig Gedanken an sie.

Er stockte für einen kurzen Moment und erwiderte dann mit fester Stimme: "Weil ich keinen Kontakt mehr zu ihnen haben. Ich habe sie schon seit fast zwanzig Jahren nicht mehr zu Gesicht bekommen. Und ich habe auch nicht vor, das zu ändern."

Er spürte, dass Doflamingo bestürzt war anbetracht dieser Tatsache. "Oh Mann", sagte er, "das tut mir wirklich leid für dich. Gibt es dafür einen besonderen Grund?"

"Dreimal darfst du raten!", antwortete Crocodile in einer patzigeren Stimmlage als beabsichtigt. "Als ich achtzehn Jahre alt war, habe ich mich vor ihnen als homosexuell geoutet. Sie haben mich rausgeschmissen und gesagt, dass ich eine Schande für die Familie bin und nie wieder kommen soll. Ende der Geschichte."

Doflamingo legte einen Arm um seine Schulter und Crocodile lehnte sich instinktiv in die Umarmung hinein. Der Geruch seines Freundes, der so nah bei ihm war, und die Berührungen seiner Hand, die sanft durch sein Haar strich, beruhigten ihn ein wenig.

"Es tut mir wirklich leid, dass dir so etwas passieren musste, Wani", wiederholte Doflamingo. "Das hast du nicht verdient. Deine Eltern scheinen ja echt Idioten zu sein. Aber zumindest hast du einen Bruder und eine Schwester, die dich so akzeptieren wie du bist."

"Stimmt", pflichtete Crocodile ihm bei und vergrub sein Gesicht in Doflamingos Halsbeuge. "Ich habe ihnen wirklich viel zu verdanken."

Doflamingo küsste ihn auf sein Haar und schien dieses unangenehme Thema hinter sich lassen zu wollen. Er sagte: "Ich wusste gar nicht, dass du schwul bist."

"Ähm, was?" Verwirrt richtete Crocodile sich auf. "Was redest du da?"

"Naja", meinte Doflamingo und zuckte mit den Schultern, "wir haben da nie so deutlich wie eben drüber gesprochen."

Crocodile war sich nicht sicher, ob er wirklich verstand, was sein Freund da sagte. In seinen Ohren ergaben dessen Worte nämlich überhaupt keinen Sinn. "Wir sind seit sieben Monaten in einer Liebesbeziehung", sagte er schließlich und kam sich ziemlich dämlich vor, während er das sagte. "Wenn ich nicht homosexuell wäre, dann wäre das wohl kaum der Fall, oder?"

Doflamingo fuhr sich mit der Hand durch sein blondes Haar. "Das muss doch nicht unbedingt heißen, dass du homosexuell bist", räumte er ein. "Ich bin es ja auch nicht. Ich bin bi."

"D-du bist bisexuell?"

Doflamingo nickte.

Das hatte Crocodile gar nicht gewusst. Bisher war eigentlich immer davon ausgegangen, dass sein Freund (so wie er selbst) ausschließlich Männer mochte. Allerdings musste er zugeben, dass Doflamingo das niemals behauptet hatte. Um ehrlich zu sein, sprachen sie heute zum ersten Mal über dieses Thema. Es hatte sich nie zuvor ergeben.

"Ist das ein Problem für dich?", fragte sein Partner, der allem Anschein nach spürte, dass er diese Nachricht mit gemischten Gefühlen aufnahm. "Ich weiß, dass dieses Klischee vom untreuen Bisexuellen existiert. Aber ich versichere dir, dass es auf mich nicht zutrifft. Ich würde dich niemals betrügen. Weder mit einem anderen Mann noch mit einer anderen Frau. Ich verspreche es dir."

Crocodile nickte matt. "Warum hast du mir das denn nicht früher erzählt?"

"Keine Ahnung", gestand Doflamingo. "Ich wusste ja aber auch gar nicht, dass dir dieses Thema so wichtig ist. Wie kommt das überhaupt? Hast du schlechte Erfahrungen in dieser Hinsicht gemacht? Du kannst dir wirklich sicher sein: Ich interessiere mich nur für dich. Und ich möchte nur mit dir zusammen sein. Mit niemandem sonst, weder Männlein noch Weiblein."

Crocodile rieb sich mit der rechten Hand die Schläfe. Dieses neue Wissen über die Sexualität seines Freundes warf ihre Pläne für heute Abend durcheinander. "Hättest du mir vorher gesagt, dass du bisexuell bist, dann hätte ich das Treffen mit meinen Geschwistern abgesagt", meinte er.

Doflamingo schien ihm nicht ganz folgen zu können. "Hm? Wieso das denn? Was hat das eine mit dem anderen zu tun?"

Crocodile seufzte. "Es ist wegen meiner Schwester."

Sein Partner gab einen verärgerten Brummlaut von sich. "Worauf willst du hinaus?", fragte er und klang ernsthaft beleidigt und vielleicht auch ein wenig verletzt. "Dass ich deine Schwester nicht kennenlernen darf, weil du befürchtest, dass ich gleich mit ihr in die Kiste springe? Unglaublich, dass du mir so etwas unterstellst! Nur weil ich bi bin, heißt das nämlich nicht, dass ich mit jeder Frau, die mir über den Weg läuft, etwas anfangen will!"

"So war das nicht gemeint", erwiderte Crocodile. Ihn strengte diese Diskussion furchtbar an. "Es ist nur so, dass sie keine normale Frau ist. Sie ist eine Bombe! Einfach wunderschön! Jeder Mann, der nicht homosexuell ist, verfällt ihr sofort!"

"Wenn sie eine weibliche Variante von dir ist, dann bin ich mir sicher, dass sie wunderschön aussieht. Davon musst du mich nicht erst überzeugen. Aber das bedeutet trotzdem nicht, dass ich mit ihr anbändeln will." Er hielt für einen kurzen Moment inne und sagte dann: "Eigentlich dachte ich immer, dass ich derjenige von uns beiden bin, der ständig eifersüchtig ist."

"Du verstehst das nicht!" Crocodile warf einen Blick aus dem Autofenster und erkannte die Gegend, in der sie sich befanden, sofort wieder. In etwa fünf oder sechs Minuten würden sie schon an Spider's Cafe sein. Jetzt war es zu spät, um umzukehren. "Ich... als ich noch jünger war, da bin ich mal mit ein paar Typen ausgegangen, die nicht homo-, sondern bisexuell waren. Jeder einzelne von ihnen hat mich verlassen, weil sie sich in meine Schwester verliebt hatten. Sie ist nämlich nicht einfach bloß hübsch, sondern die wunderschönste Frau, die du jemals gesehen hast. Kein Mann, der Frauen mag, kann ihr widerstehen..."

Doflamingo seufzte und griff nach seiner Hand. "Vielleicht hast du Recht", sagte er, während der Jaguar in die kleine Nebenstraße fuhr, in der das Cafe lag. "Vielleicht ist sie die wunderschönste Frau auf der Welt. Aber das ist mir egal. Denn ich bin in den wunderschönsten Mann auf der Welt verliebt. Bitte vertrau mir doch, Crocodile! Du musst keine Angst haben, ich verspreche es dir!"

Crocodile seufzte unwillig und resignierte schließlich. "Na gut", sagte er, "wir haben sowieso keine andere Wahl."

Der Jaguar war in einer Parklücke gegenüber von Spider's Cafe zum stehen gekommen und der Fahrer stieg aus, um ihnen die hintere Wagentüre zu öffnen. Es war fünf Minuten vor acht Uhr abends.
 

Mihawk und Hancock saßen bereits an einem Tisch, als sie das kleine Cafe betraten. Sie winkten ihnen freundlich zu und deuteten an, dass er und Doflamingo sich zu ihnen setzen sollten. Crocodile schluckte. Für einen Moment versuchte er seine Schwester durch die Augen eines Mannes zu sehen, der nicht mir ihr verwandt war. Leider musste er zugeben, dass sie unglaublich schön aussah: mit ihrem dunkles Haar, das ihr bis zur Hüfte reichte, der makellose Haut, den strahlend blaue Augen; außerdem war sie groß und schlank. Der Traum aller Männer!

Als sie den Tisch erreicht hatten, standen seine Geschwister auf, um sie zu begrüßen und um sich Doflamingo vorzustellen, der wiederum seinen eigenen Namen nannte. Crocodile fiel auf, dass sein Freund seine Schwester keine Sekunde länger als nötig berührte. Er schüttelte ihre Hand gerade lange genug, um nicht unhöflich zu erscheinen. Überdies setzte er sich auf den freien Stuhl gegenüber Mihawk.

Augenblicklich fühlte Crocodile sich erleichtert. Er war sich sicher, dass Doflamingo ihn nicht täuschte. Er war kein Mensch, der sich verstellte oder für andere verbog. Stattdessen handelte er immer nach seinen Gefühlen und jagte dem nach, was er wollte. Er war absolut authentisch. Crocodile wusste, dass Doflamingo sich nicht genieren würde, Hancock vor seinen Augen den Hof zu machen, falls er Interesse an ihr haben sollte. Da er das allerdings nicht tat, ging Crocodile beruhigt davon aus, dass sein Partner die Worte, die er vorhin im Auto zu ihm gesagt hatte, tatsächlich ernst meinte.

Paula, die Besitzerin des kleinen Cafes, kam zu ihnen hinüber, um ihre Bestellungen aufzunehmen. Hancock nahm einen heißen Kakao mit Sahne, Mihawk und Doflamingo beide Kaffee und Crocodile ein stilles Wasser. Er vertrug weder Kaffee noch Kakao; das eine wegen dem Koffein und das andere wegen dem Zucker.

"Wie war eure Fahrt hierhin?", fragte Hancock, die anscheinend ein wenig Small-Talk betreiben wollte. "Mihawk hat mir erzählt, dass du ja jetzt bei Doflamingo wohnst. Ist das weit weg von hier?"

"Ich wohne nicht richtig bei ihm", warf Crocodile sofort ein und ignorierte den unwilligen Blick seines Partners, den dieser ihm durch die getönten Gläser seiner Sonnenbrille hindurch zuwarf. "Nur zur Probe. Wir wollen schauen, ob wir es dauerhaft miteinander aushalten, bevor wir eventuell zusammenziehen. Sind ja erst seit sieben Monaten ein Paar."

"Aber bisher läuft es wunderbar", warf Doflamingo ein, "nicht wahr, Wani?"

"Wani?", wiederholte Hancock glucksend und selbst Mihawk, der ansonsten sehr zurückhaltend war, konnte sich ein leichtes Grinsen nicht ganz verkneifen.

Crocodile wurde ein wenig rot im Gesicht angesichts dieser Reaktionen. "Er gibt mir immer blöde Spitznamen", erklärte er.

Doflamingo schien sich derweilen überhaupt nicht zu schämen, sondern zuckte bloß mit den Schultern. "Na und? Du hast mir doch auch einen Spitznamen gegeben."

Der rote Schimmer auf Crocodiles Wangen verdunkelte sich. "Aber ich rufe dich nicht ständig so, sondern sage ihn nur, wenn wir beide allein sind."

"Könntest du aber", hielt Doflamingo dagegen und schien sich bestens darüber zu amüsieren, dass seinem Freund dieses Thema peinlich war, "ich hätte da nichts gegen."

"Ach, halt bloß die Klappe!", knurrte Crocodile verärgert und verschränkte die Arme vor der Brust.

"Ihr seid aber Streithähne", kommentierte seine Schwester munter ihren kleinen Schlagabtausch.

"Wir streiten nicht", machte Doflamingo deutlich, "wir ärgern uns nur ein bisschen gegenseitig. Stimmt doch, Crocobaby, oder?"

"Du bist ein blöder Idiot!", gab dieser zurück, ohne die Verschränkung seiner Arme aufzulösen.

Doflamingo lachte leise und Crocodiles Geschwister stimmten mit ein.

Überraschenderweise verlief der gemeinsame Cafebesuch deutlich besser als befürchtet. Doflamingo machte zwar gelegentlich ein paar unpassende Bemerkungen und riss ein paar schlechte Witze (Crocodile war fest davon überzeugt, dass sein Freund das nur tat, um ihn in Verlegenheit zu bringen), doch verhielt sich insgesamt ganz in Ordnung. Mihawk und Hancock jedenfalls schienen ihn sympathisch zu finden.

Und was am allerwichtigsten war: Doflamingo zeigte lediglich das Maß an Interesse an Hancock, das ihr als Schwester seines festen Partners zustand. Er machte ihr keine Komplimente, griff nicht über den Tisch hinweg nach ihrer Hand oder tat irgendetwas anderes Verdächtiges. Stattdessen verhielt er sich ihr gegenüber in etwa so, als hätte er gar nicht mitbekommen, dass es sich bei ihr um eine Frau handelte. Allem Anschein nach schien er Crocodile tatsächlich beweisen zu wollen, dass er seine Worte ernst meinte.

Sie saßen bis etwa viertel vor zehn Uhr abends beisammen, ehe sie sich voneinander trennten. Schließlich hatten sie heute alle einen schweren Arbeitstag hinter sich und sehnten sich nach einem weichen Bett, ganz gleich wie nett die Gesellschaft auch sein mochte. Crocodile übergab Mihawk -wie telefonisch besprochen- seinen Wohnungsschlüssel und machte sich danach gemeinsam mit seinem Partner auf den Weg zurück zu dessen Jaguar.
 

"Wie findest du meine Geschwister?", fragte Crocodile, nachdem sie auf die Rückbank des Wagens geglitten waren.

"Sehr nett", antwortete Doflamingo und schien ehrlich zu meinen, was er sagte. "Sie sind dir beide ziemlich ähnlich, finde ich."

"Tatsächlich?" Crocodile zog eine Augenbraue hoch. "Das hat mir noch nie jemand gesagt. Die meisten Leute sagen, dass wir drei völlig unterschiedlich sind. Sie sagen, Hancock ist die Schöne, Mihawk der Stille und ich der Stolze."

Bei dieser Beschreibung lachte Doflamingo. "Das stimmt nicht ganz", meinte er schließlich. "Ich finde nämlich, dass du nicht bloß stolz bist, sondern auch schön und still." Er zögerte kurz und korrigierte dann: "Nun gut, still bist du vielleicht nicht sonderlich oft. Aber stolz und schön bist du immer!"

Crocodile spürte, dass sich erneut ein Rotschimmer auf seine Wangen legte. Er war es nicht gewöhnt, Komplimente zu bekommen. Zumindest keine Komplimente dieser Art. "Sag doch so etwas nicht", meinte er leise und sah aus dem Fenster, damit Doflamingo die Röte in seinem Gesicht nicht bemerkte. Inzwischen war es draußen bereits dunkel geworden.

"Aber wieso denn nicht?", fragte Doflamingo und rückte nah an ihn heran. "Du bist doch schön und stolz. Oder nicht?" Er schob mit einer Hand den Schal seines Freundes zur Seite und küsste sanft dessen Hals. Augenblicklich spürte Crocodile, wie sich die feinen Haare auf seinen Armen aufstellten. "Klug bist du auch. Und elegant. Stilvoll."

Als Doflamingo an seiner Haut zu saugen begann, drückte Crocodile ihn halbherzig zurück. "Wir sind gerade im Auto, Doffy", flüsterte er, damit der Fahrer, der nur durch eine dünne Zwischenwand von ihnen getrennt war, seine Worte nicht bekam. Doflamingo zuckte allerdings bloß mit den Schultern und näherte sich erneut seinem Hals. "Na und?", meinte er. "Sitzt doch keiner von uns hinter'm Steuer. Also was soll's."

"Du machst mir einen Knutschfleck!"

"Trägst doch sowieso immer einen Schal."

Schlussendlich gab Crocodile -wie so oft ins letzter Zeit- kleinbei und ließ seinen Freund gewähren. Doflamingo saugte, küsste und leckte die empfindlichen Haut an seinem Hals. Als er allerdings spielerisch zu knabbern und zu beißen begann, konnte Crocodile ein leises Stöhnen nicht ganz unterdrücken. Er spürte, wie das Blut aus seinem Gesicht in weiter unten liegende Regionen wanderte.

Wenn er dieser Sache jetzt nicht Einhalt gebot, dachte er, dann würde sie außer Kontrolle geraten. Und das wollte er auf keinen Fall riskieren! (Zumindest nicht, während sie sich noch immer auf dem Rücksitz des Jaguars befanden und der Fahrer, der vorne saß und nur durch eine dünne Wand von ihnen getrennt war, alles mitanhörte.) Als er jedoch mit seiner rechten Hand den Körper seines Partners von sich fort schieben wollte, langte diese daneben und landete irgendwie in dessen blondem Haar. Crocodile fühlte die weichen Strähnen zwischen seinen Fingern und spürte, dass der Widerstand in seinem Inneren immer kleiner wurde.

"Nicht im Auto", sagte er, doch die Worte klangen sogar in seinen eigenen Ohren furchtbar halbherzig. Doflamingo wiederum schien seinen fehlenden Widerstand als Einladung zu betrachten. Er löste Crocodiles Sicherheitsgurt und knöpfte ihm das Hemd auf.
 

[zensiert]
 

Doflamingo bemerkte seinen verwunderten Blick und grinste. "Ich glaube, Sex im Auto gefällt mir besser, wenn es nicht fährt", räumte er ein. "Lass uns das lieber im Schlafzimmer weiterführen, ja? Für mich ist es kein Problem zu warten. Und außerdem musst du dann nicht ständig Angst davor haben, dass dir jemand beim Stöhnen zuhören könnte. Es ist nämlich viel heißer, wenn du laut bist."

Crocodile folgte dem Beispiel seines Partners und zog sich ebenfalls wieder vernünftig an. "Von mir aus", stimmte er Doflamingo zu, während er sein Hemd zuknöpfte, "dann machen wir eben im Bett weiter. Das ist sowieso viel bequemer, finde ich. So schick der Jaguar auch sein mag, für solche Aktivitäten ist dieser Wagen definitiv nicht geeignet."
 

*
 

Am Mittag des nächsten Tages fand Crocodile endlich die Zeit dazu, sich ohne seinen Partner mit seinen Geschwistern zu treffen. Sie hatten als Ort für ihr Gespräch seine Loft-Wohnung ausgemacht, was Crocodile nur recht war, weil er auf diese Weise Doflamingo gegenüber behaupten konnte, er müsste zu sich nach Hause fahren, um seine Post abzuholen. Das war zwar gelogen, doch sein Partner nahm diese einleuchtend klingende Erklärung ohne weitere Nachfragen hin und bot ihm sogar an, mit einem seiner Autos zu fahren.

„Mein Fahrer könnte dich zu deiner alten Wohnung fahren", meinte er. „Der setzt dich dort ab und du könntest mit deinem Mercedes C 216 hierhin zurückfahren. Dann hast du dein eigenes Auto dauerhaft hier stehen. Das ist doch sicher praktisch, während du bei mir wohnst. Ich weiß ja, dass du gerne selber fährst."

„Gute Idee!", erwiderte er, ohne sich weitere Gedanken über diesen Vorschlag zu machen. Er war bloß froh, dass Doflamingo ihm seine Lüge abkaufte und nicht etwa vorhatte ihn zu begleiten. „Es kann allerdings sein, dass ich ein wenig länger bleibe. Bestimmt wollen Mihawk und Hancock noch ein bisschen plaudern. Ich hoffe, das ist kein Problem für dich. Du weißt ja, dass ich meine Geschwister leider nicht so häufig sehen kann wie ich es gerne würde."

„Natürlich ist das kein Problem für mich", erklärte Doflamingo, während sein Freund sich auf den Weg zur geräumigen Garage der Villa machte. „Und vergiss nicht, den Autoschlüssel für deinen Mercedes mitzunehmen, ja?"

„Klar", erwiderte Crocodile und war froh, als Doflamingo außer Sichtweite war. Denn auch wenn er ihm in letzter Zeit oft nicht die Wahrheit sagen wollte, belastete ihn doch jede einzelne Lüge. Crocodile war ein Mensch, der es hasste angelogen zu werden und auch selber nicht gerne log. Er konnte bloß hoffen, dass Doflamingo in dieser Hinsicht nicht so streng war wie er selbst, sollte dieses Lügennetz jemals ans Tageslicht kommen.

Seine Geschwister erwarteten ihn bereits gespannt, als er seine Loft-Wohnung betrat. Es war ein seltsames Gefühl, die Türe der eigenen Wohnung geöffnet zu bekommen, fand Crocodile, der die letzten vierzehn Jahre fast ausschließlich alleine gewohnt hatte.

Er hatte -nachdem ihn seine Eltern auf die Straße gesetzt hatten- für drei Jahre bei seinem älteren Bruder gewohnt, war jedoch in ein eigenes Apartment gezogen, als er sein Studium begonnen hatte.

Dieses hatte er für ein Semester unterbrechen müssen, als er seine Hand verlor; er war wieder zurück zu Mihawk gezogen, der sich solange um ihn gekümmert hatte, bis er dazu in der Lage war, trotz der fehlenden Hand seinen eigenen Haushalt zu führen.

Gegen Ende seines Studiums hatte er dann Enel kennengelernt und war nach vier Jahren Beziehung mit diesem in eine gemeinsame Wohnung gezogen. Ein weiteres Jahr hatten sie zusammengewohnt, ehe sie sich trennten.

Abgesehen von diesen immer nur relativ kurz andauernden Wohngemeinschaften hatte Crocodile allerdings stets allein gewohnt.

„Mihawk hat mir erzählt, dass dir ein paar schlechte Dinge widerfahren sind", sagte Hancock sofort, kaum hatte er den Flur betreten. Er nahm sich die Zeit, um seinen Mantel abzulegen und sich die Schuhe auszuziehen.

Danach ging er zusammen mit seinen Geschwistern ins Wohnzimmer hinüber, wo sie sich auf der Ledercouch niederließen. Hancock setzte sich genau auf den Platz, an dem Doflamingo und er vor kurzem Sex miteinander gehabt hatte und wo nach dem Akt das Sperma seines Partners aus ihm herausgelaufen und auf der Sitzfläche der Couch gelandet war; doch nicht einmal diese peinliche Tatsache entlockte Crocodile ein Schmunzeln. Die Stimmung war sehr ernst und seine beiden Geschwister sahen ihm besorgt in die Augen. Er hätte gerne den Fernseher eingeschaltet, um die Situation ein wenig aufzulockern, doch aus irgendeinem Grund traute er sich das nicht.

„Ja, das stimmt", sagte Crocodile und zögerte dann für einen Moment. Auf der einen Seite wollte er Hancock und Mihawk nicht mit seinen Sorgen belasten, doch auf der anderen Seite brannte er förmlich darauf, sein Geheimnis endlich jemandem mitzuteilen. Die Geheimnistuerei in letzter Zeit belastete ihn furchtbar.

„Ist es wegen deinem Freund?", wollte sie sofort wissen. „Diesem Doflamingo? Er tut dir doch nichts an, oder? Gestern hat er sich eigentlich ganz nett benommen, aber er schien mit auch ein sehr merkwürdiger Typ zu sein."

„Nein, Doflamingo ist nicht der Grund", stellte Crocodile sofort klar. Er wollte auf keinen Fall den guten Eindruck, den sein Freund bei ihrem gestrigen Treffen gemacht hatte, ruinieren. Und außerdem war er ja tatsächlich nicht die Ursache der Probleme, mit denen er derzeit zu kämpfen hatte, sondern stellte nur einen Teil davon dar.

„Es geht um etwas ganz Anderes." Crocodile holte tief Luft und sagte dann: „Ich habe meinen Job verloren."

Für einen Moment herrschte absolute Stille im Raum.

Hancock war die erste, die wieder das Wort ergriff: „Oh je, Crocodile, das tut mir furchtbar leid für dich. Dabei hast du doch so lange studiert und so hart gearbeitet, um diesen Job zu bekommen. Das hast du wirklich nicht verdient!"

„Was ist denn der Grund für deine Kündigung?", fragte Mihawk.

Crocodile seufzte. „Ich habe einen Riesenfehler gemacht", erklärte er schließlich. „Dieser Fehler hat die Bank Millionen gekostet. Und eine Menge Leute mussten entlassen werden. Aber das ist nicht der einzige Grund. Denke ich jedenfalls. Fehler passieren jedem einmal, auch Fehler mit solcher Reichweite. Man hat mir nicht einmal die Chance gegeben, die Sache wiedergutzumachen. Ich vermute, dass Sengoku -er ist sozusagen der oberste Chef der Bank und mein direkter Vorgesetzter- schon länger geplant hat mich rauszuwerfen und nur nach einem Grund gesucht hat. Den er schließlich gefunden hat."

„Das ist hart", sagte Mihawk. „Hast du denn eine Vermutung, wieso Sengoku dich loswerden wollte?"

Crocodile zuckte mit den Schultern. Da er die Entlassung sowieso nicht verhindern konnte, hatte er sich gar nicht erst die Mühe gemacht, allzu viele Gedanken an diese Frage zu verschwenden. Er war viel zu sehr mit den Folgen seiner Kündigung beschäftigt, um nach allen Gründen zu fragen.

„Ich weiß es nicht. Aber wir konnten uns von Anfang an nicht leiden. Dafür sind wir einfach zu unterschiedliche Menschen. Und mit den anderen hohen Tieren der Bank habe ich auch so meine Probleme gehabt. Vor allen Dingen mit Akainu, diesem Misthund. Vielleicht hängt es damit zusammen."

„Könnte es sein, dass man in der Bank von deiner sexuellen Ausrichtung erfahren hat?", vermutete Mihawk. „Ich weiß ja, dass du damit nicht allzu offen umgehst. Vielleicht handelt es sich ja um homophobe Leute, die dich aus diesem Grund loswerden wollten."

„Vielleicht", erwiderte Crocodile halbherzig. „Bevor ich Doflamingo kennengelernt habe, war ich ja sehr lange single. Und Sengoku hat sicherlich mitgekriegt, dass wir jetzt ein Paar sind. Schließlich haben wir uns bei einem gemeinsamen Geschäftsessen kennengelernt. Aber schlussendlich können wir sowieso bloß Vermutungen anstellen."

„Das stimmt natürlich", gab sein Bruder ihm Recht. „Und ganz gleich was die Ursache ist, es ändert ja nichts an der Situation, in der du dich jetzt befindest."

„Du hast uns gar nicht erzählt, dass du Doflamingo bei einem Geschäftsessen kennengelernt hast", warf Hancock ein. Sie schien die negative Stimmung, die sich wie zu dicke Luft im Raum verbreitete, ein wenig auflösen zu wollen.

„Tatsächlich nicht? Naja, er ist einer der wichtigsten Kunden der Bank, hat den Großteil seines Geldes dort angelegt. Ich darf natürlich keine genauen Zahlen nennen, aber es handelt sich um eine riesige Menge Geld. Er ist sehr reich. Jedenfalls hatte Sengoku ein Geschäftsessen mit ihm vereinbart und ich habe ihn begleitet. Ursprünglich sollte Aokiji mitgehen, aber der hatte sich am Bein verletzt und lag im Krankenhaus. Deswegen musste ich kurzfristig einspringen, obwohl ich eigentlich gar keine Lust hatte."

„Eure Begegnung ist mit Sicherheit Schicksal gewesen", meinte Hancock und Crocodile musste sofort daran denken, dass seine Schwester gerne die Horoskope in Frauenzeitschriften lag. "War es Liebe auf den ersten Blick?"

Crocodile schmunzelte. „Nicht ganz", gestand er schließlich. „Bei mir nicht, aber bei Doflamingo vielleicht. Er hat mich gesehen und schien sofort begeistert von mir zu sein. Hat mich zuerst begrüßt und sich mir gegenüber an den Tisch gesetzt, obwohl er ja eigentlich mit Sengoku verabredet war; schließlich ist der ja der oberste Chef der Bank und nicht ich. Aber er hat ihn kaum eines Blickes gewürdigt und ihm gar nicht zugehört."

Als er an diese Situation zurückdachte, konnte Crocodile ein selbstgefälliges Grinsen nicht ganz unterdrücken.

„Das hat Sengoku total geärgert, das weiß ich noch genau", sagte er. „Eigentlich wollten sie über irgendwelche Zinssätze oder so etwas sprechen, aber dazu sind sie überhaupt nicht gekommen. Weil Doflamingo sich nämlich die ganze Zeit bloß mit mir unterhalten hatte. Seine erste Frage war, wie ich denn heiße und die zweite, ob ich single wäre. Er hat den ganzen Abend lang nicht von mir abgelassen. Und Sengoku konnte natürlich nichts dagegen sagen. Schließlich ist ja Doflamingo einer seiner allerwichtigsten Kunden. Aber ich habe gemerkt, wie er innerlich immer wütender und ungehaltener geworden ist."

Bei dem Gedanken an Sengoku, der so still brodelnd neben ihm gesessen hatte, lachte Crocodile leise. Er erinnerte sich daran, dass er ihm sogar unter dem Tisch hinweg einen Tritt gegen das Schienbein gegeben hatte.

„Nach diesem Geschäftsessen hat Doflamingo mich auch sofort nach einem Date gefragt. Man kann also vielleicht wirklich sagen, dass es bei ihm Liebe auf den ersten Blick gewesen ist."

„Und was hast du gesagt?", hakte Hancock nach. „Als er dich um das Date gebeten hat. Hast du sofort zugesagt? Und wo hat es stattgefunden?"

Crocodile war es gewöhnt, dass seine Schwester sich für solche Details interessierte und er wusste genau, dass sie keine Ruhe geben würde, ehe er nicht alle Fragen beantwortet hatte. Hancock war wirklich eine typisches Frauenzimmer, was das anging. Sein Bruder Mihawk wiederum war eher ein bodenständiger Typ, der sich weder für das Liebesleben anderer Menschen interessierte noch sich darin einmischte. Dennoch schwieg er geduldig, während Crocodile fortfuhr:

„Naja, ich habe mich nicht sofort auf dieses Date eingelassen. Ich weiß auch nicht genau warum. Schließlich war ich ja zu dem Zeitpunkt schon seit drei Jahren von Smoker getrennt gewesen. Ich denke, er hat mich mit seinem offenkundigen Interesse einfach ein wenig überrannt. Außerdem kannte ich ihn ja auch gar nicht.

Und seine äußere Erscheinung hat auf mich auch sehr komisch gewirkt. Ihr müsst nämlich wissen, dass er einen sehr exzentrischen Kleidungsstil an den Tag legt. Gestern Abend, als ihr ihn kennengelernt habt, sah er noch verhältnismäßig normal aus. Bei dem Geschäftsessen mit Sengoku und mir hatte er ein rosafarbenes Hemd mit Schlangenprint getragen. Und zwar offen bis zum Bauchnabel! Und dazu eine schwarze Hose mit Tigermuster, die ihm kaum über die Knie ging. Es sah wirklich furchtbar aus. Das könnt ihr euch gar nicht vorstellen."

Hancock kicherte leise. „Er hat also zuerst sehr abschreckend auf dich gewirkt", fasste sie zusammen. „Was hat dich schlussendlich dazu bewegt, doch mit ihm auszugehen?"

Crocodile zuckte mit den Schultern. „Das lässt sich gar nicht so genau sagen. Er hat mich einfach so lange bedrängt, bis ich irgendwann die Nase voll hatte und mich auf ein Date mit ihm eingelassen habe. Und naja, auf dieses erste Date ist dann sehr schnell ein zweites gefolgt, darauf ein drittes und so weiter. Ehe ich mich versehen hatte, waren wir ineinander verliebt und in einer Beziehung. Ich kann gar nicht genau sagen, was ausschlaggebend gewesen ist."

„Das ist eine so schöne Liebesgeschichte!", meinte Hancock und wirkte sehr begeistert. „Und ich finde es toll, dass du endlich wieder jemanden gefunden hast! Mihawk und ich haben uns schon Gedanken um dich gemacht, nachdem du so lange single geblieben bist. Dachten schon, du würdest zum Eigenbrötler werden. Du weißt ja selber, dass du viel zu viel arbeitest und dich zu wenig um soziale Kontakte kümmerst!" Ihre Stimme klang ungemein vorwurfsvoll. „Aber zum Glück bist du ja jetzt auf Doflamingo getroffen. Ich denke, die Beziehung zu ihm tut dir gut. Er scheint ja ein sehr lebensfroher Mensch zu sein. Hoffentlich färbt das ein wenig auf dich ab!"

„Ich bin wirklich sehr glücklich mit ihm", gestand Crocodile.

Mihawk räusperte sich. „Ich möchte eure gute Laune nur ungern trüben", sagte er, "aber ich denke, wir sollten wieder zum eigentlichen Thema zurückkehren, so unangenehm es auch sein mag." Er wendete sich direkt an ihn: „Crocodile, du hast uns erzählt, dass dir bereits vor ein paar Wochen gekündigt worden ist. Wie sieht deine jetzige Jobsituation aus? Hast du bereits Bewerbungen geschrieben?"

„Natürlich", erwiderte Crocodile, der sich sehr abrupt wieder auf den Boden der Tatsache zurückgeholt fühlte. Es war nett gewesen, mit Hancock über Doflamingo zu plaudern. Für einen kurzen Moment hatte er all seine Probleme völlig vergessen können. Was allerdings nicht bedeutete, dass sie sich dadurch in Luft auflösten, wie Mihawk ihm deutlich machte.

„Ich habe sogar schon eine Einladung für ein Vorstellungsgespräch erhalten; für nächste Woche Montag bei einem Bauunternehmen. Darüber bin ich unglaublich glücklich, denn im Managment-Bereich ist es sehr schwierig, kurzfristig eine dauerhafte Anstellung zu finden. Ich hoffe, dass ich so schnell wie möglich neue Arbeit finden werde. Wenn es nicht anders geht, würde ich natürlich auch einen zeitlich befristeten Job annehmen. Zum Beispiel Festivals, Konzerte, Messen und so weiter organisieren. Da sind die Chancen etwas zu finden ein wenig höher. Aber am liebsten hätte ich eben doch eine feste Arbeitsstelle."

„Es ist schön zu hören, dass du die Situation ernst nimmst und sofort nach neuer Arbeit Ausschau hältst", sagte Mihawk.

„Vielleicht läuft dein Vorstellungsgespräch bei dieser Baufirma ja super und du wirst schnell eingestellt", warf Hancock mit munterer Stimme ein, doch weder Mihawk noch Crocodile ließen sich so leicht von ihrem Optimismus überzeugen.

„Wenn ich ehrlich bin, dann habe ich noch ein sehr großes Problem", sagte Crocodile. "Es hängt auch mit meiner Kündigung zusammen."

„Und worum handelt es sich bei diesem Problem?"

Crocodile seufzte. „Um Schulden. Und zwar nicht gerade wenig. Wie ihr wisst, bin ich ja erst vor etwa zwei Jahren in meine jetzige Wohnung eingezogen. Bei dieser Gelegenheit habe ich mir eine sehr teure Einrichtung inklusive hochwertiger Küche zugelegt. Und vor kurzem habe ich mir dann auch noch den Mercedes C 216 gekauft."

„Aber nichts davon bezahlt?", mutmaßte Mihawk.

„Nicht vollständig", gab Crocodile zu. „Ich bin nicht davon ausgegangen, dass ich meine Arbeit als Bankmanager schon nach zwei Jahren wieder verliere. Ich dachte, ich würde noch mindestens zehn oder fünfzehn Jahre dort arbeiten. Deswegen habe ich vieles auf Raten gekauft oder Kredite aufgenommen, um für diese Sachen aufkommen zu können. Würde ich noch weiter bei der Bank arbeiten, wäre das auch gar kein Problem. Das habe ich mir nämlich alles vorher genau ausgerechnet. Aber jetzt habe ich meine Anstellung dort so plötzlich verloren", er schluckte, „und die Kredite und Raten muss ich trotzdem bezahlen."

Mihawk schwieg für einen Moment, ehe er schließlich mit ruhiger Stimme sagte: „Das sind wirklich riesige Schwierigkeiten, in denen du da steckst. Hast du schon eine Idee, wie du eine Lösung finden könntest?"

„Naja, ich hoffe, dass ich schnell neue Arbeit finde", erwiderte er. „Dann könnte ich meine Schulden begleichen und alles wäre in Ordnung. Da dies allerdings in absehbarer Zeit wohl kaum der Fall sein wird, musste ich mir anders helfen. Ich habe meine Loft-Wohnung gekündigt und dem Vermieter angeboten, gegen eine Entschädigung die neue Küche zu behalten, damit der Nachmieter sie nutzen kann. Gemeldet hat der sich bisher allerdings nicht. Ich werde mir eine andere Bleibe suchen müssen. Außerdem werde ich einen Teil meiner Möbel verkaufen. Und wenn es nicht anders geht, auch meinen Mercedes C 216. Mit diesem Geld werde ich dann zumindest die dringendsten Schulden begleichen können. Dann werde ich weitersehen müssen."

Mihawk und Hancock sahen einander an und schauten dann zu ihm hinüber. Crocodile seufzte. „Ich weiß, dass sich das furchtbar anhört", meinte er.

„Mehr als furchtbar", erwiderte Hancock.

„Aber du weißt natürlich, dass du dich immer auf uns verlassen kannst", fügte Mihawk hinzu. „Wenn du möchtest, könntest du zum Beispiel bei mir einziehen, bis du eine neue Arbeit gefunden hast; ich wohne ja sowieso allein und mein Haus ist längst abbezahlt. Und, ähm, ich kann dir auch Geld leihen, wenn es hart auf hart kommt und du selbst die schlimmsten Schulden nicht mehr bezahlen kannst. Ich habe Ersparnisse von einigen Jahren auf der Bank."

Crocodile schüttelte hektisch den Kopf. „Nein, auf gar keinen Fall!", meinte er mit energischer Stimme. „Ich möchte nicht auch noch meinen eigenen Geschwistern zur Last fallen. Lieber schulde ich einer Bank Geld als euch. Hinterher bin ich im schlimmsten Fall völlig bankrott und nicht dazu in der Lage, euch euer Erspartes zurückzuzahlen! Das kommt für mich unter keinen Umständen infrage!"

„Aber irgendwie müssen wir dir doch helfen können!", sagte Hancock. „Wir können doch nicht tatenlos dabei zusehen, wie du vor die Hunde gehst. Irgendetwas können wir doch sicher tun!"

„Ihr beide habt mir schon geholfen, indem ihr mir zugehört habt", antwortete Crocodile. „Ich mache aus meiner Kündigung schon seit Wochen ein Geheimnis und das belastet mich sehr. Es hat unendlich gutgetan, endlich jemanden davon erzählen zu können. Jetzt fühle ich mich schon viel besser."

Hancock zog eine Augenbraue hoch. "Aber was ist denn mit Doflamingo?", fragte sie verwundert. "Hast du ihm noch nichts davon erzählt? Wenn er wirklich so reich ist, wie du sagst, könnte er dir in deiner Situation doch sicher helfen, oder nicht? Bestimmt hat er auch eine Menge Kontakte und könnte dir schnell eine neue Anstellung als Manager besorgen. Oder dir Geld leihen, damit du deine Schulden bezahlen kannst!"

Crocodile schüttelte den Kopf. „Ich möchte mir von niemandem Geld leihen", sagte er. „Darin liegt schließlich die Wurzel all meiner Probleme, nicht wahr? Dass ich mir Geld geliehen habe, das ich nicht zurückzahlen kann. Wenn ich mir Geld von Doflamingo leihe, dann setzt sich dieser Kreislauf doch bloß weiter fort. Und was passiert, wenn wir beide uns trennen sollten? Dann wird er das geliehene Geld sicherlich sofort zurückverlangen, auch wenn es sich für ihn dabei bloß um Peanuts handelt. Und ich sitze noch mehr in der Klemme als sowieso schon. Nein danke, darauf möchte ich lieber verzichten."

Er zögerte für einen Augenblick, sah seinen Geschwistern in die Augen und fügte dann hinzu: „Außerdem möchte ich überhaupt nicht, dass er von meiner derzeitigen Situation erfährt. Ich befürchte, das könnte ein Schlag sein, den unsere Beziehung nicht aushält. Und das möchte ich nicht riskieren. Er bedeutet mir nämlich unglaublich viel."

„Bist du dir sicher, dass das die richtige Entscheidung ist?", hakte Mihawk nach. „Du weißt genau, dass ich mich normalerweise nicht in das Leben anderer Menschen einmische oder ihnen meine Meinung aufzwängen möchte, aber ich denke, dass du dich in dieser Sache irrst. Doflamingo scheint mir niemand zu sein, der sich wegen deinen Schulden von dir abwenden würde. Als wir ihn gestern Abend kennengelernt haben, machte er auf uns einen sehr verliebten Eindruck."

Crocodile seufzte und schüttelte den Kopf. „Trotzdem! Ich möchte nicht, dass er von meiner finanziellen Situation erfährt. Ich bin mir sicher, dass ich meine Probleme alleine lösen kann. Bisher bin ich doch mit allen Herausforderungen fertig geworden. Dann werde ich auch sicher mit dieser fertig."

Seine Stimme klang deutlich optimistischer als Crocodile sich fühlte, doch zum Glück ließen seine beiden Geschwister die Sache nun auf sich beruhen. Sie wiederholten ein weiteres Mal, dass er sich immer auf sie verlassen konnte, und wechselten dann das Thema, worüber Crocodile sehr dankbar war.

Obwohl es ihm gutgetan hatte sich endlich jemandem anzuvertrauen, war er sich dessen bewusst, dass sich dadurch nichts an seinen eigentlichen Problemen änderte. Es lag allein an ihm, eine Lösung zu finden. Er durfte weder seine Geschwister noch seinen Partner damit belasten.

Sie sprachen noch für eine Weile über andere Dinge, ehe Crocodile sich schließlich von Mihawk und Hancock verabschiedete. Als er einen Blick auf die Uhr über der Tür warf, stellte er fest, dass sie sich deutlich mehr als drei Stunden miteinander unterhalten hatten. Doflamingo wartete mit Sicherheit bereits ungeduldig auf ihn. Crocodile dachte daran, seine Post mitzunehmen (schließlich hatte er dies Doflamingo gegenüber als Grund für den Besuch seiner Wohnung genannt) und machte sich dann auf den Weg zu seinen Mercedes C 216, der in der Garage stand, die mit zu der teuren Loft-Wohnung gehörte.
 

*
 

Es war früher Abend am Samstag der darauf folgenden Woche und Crocodile lag in der Badewanne. Doch obwohl das Wasser eine sehr angenehme Temperatur hatte und die Wanne so geräumig war, dass er seine Beine vollständig ausstrecken konnte (bei seiner Körpergröße keine Selbstverständlichkeit!), war er einfach nicht dazu in der Lage, sich zu entspannen. In zwei Tagen stand ihm das Vorstellungsgespräch bei diesem Bauunternehmen bevor und der Gedanke daran machte ihn nervös.

Vor allen Dingen, weil es sich dabei um die einzige Einladung für ein Gespräch handelte, die er bisher erhalten hatte. Crocodile hatte zwar -seit er von seiner Kündigung vor ein paar Wochen erfahren hatte- bereits gut zwei Dutzend vielversprechender Bewerbungen abgeschickt, doch bisher nur wenig positive Rückmeldungen erhalten. Als Manager war es sehr schwierig so kurzfristig eine neue Arbeitsstelle zu finden; Crocodiles Hoffnung, schnell eine neue Anstellung ausfindig zu machen und auf keinen Fall arbeitslos zu werden, schien mit jeder Absage in weitere Ferne zu rücken.

Während der Tag seiner endgültigen Entlassung immer näher kam.

Crocodile schluckte und ließ sich ein Stück tiefer ins warme Badewasser gleiten. Doflamingo telefonierte gerade mit irgendwelchen Freunden und er hatte diese Gelegenheit genutzt, um sich ein wenig zurückzuziehen. Dass sein Partner ihn nervte, war nicht der Fall, doch Crocodile fiel es sehr schwer über seine Zukunft nachzudenken und Vorkehrungen zu treffen, während sich Doflamingo in seiner unmittelbaren Nähe befand.

Zum Glück hatte er jedoch daran gedacht, von Zuhause seinen Laptop mitzunehmen und war darum auch hier dazu in der Lage, im Internet nach Stellenausschreibungen zu suchen, per Email Bewerbungen abzuschicken und die Absagen, die er erhielt, so schnell wie möglich zu löschen.

Tatsächlich stammte die einzige gute Nachricht, die er in letzter Zeit erhalten hatte, von seinem Vermieter, der inzwischen auf seine Email reagiert hatte: Er durfte zum nächsten Monat hin ohne Kündigungsfrist ausziehen, während seine neue und überaus hochwertige Küche in der Loft-Wohnung verblieb. Als Entschädigung erhielt er Dreiviertel des ursprünglichen Kaufpreises.

Dabei handelte es sich um knapp 23.000 Berry; Geld, das Crocodile gut gebrauchen konnte und bereits investiert hatte, um den Teil seiner vielen Schulden auszugleichen, den er nicht mehr länger aufschieben konnte.

Crocodile seufzte. Er ließ ein wenig Wasser aus der Wanne ablaufen und schüttete dann heißes Wasser neu nach.

Bisher hatte er nur einen sehr kleinen Teil seiner Schulden tilgen können. Dabei hatte er sich in letzter Zeit mit allen Mitteln darum bemüht, möglichst sparsam zu leben, damit er mehr Geld für für die Bezahlung seiner Gläubiger übrig hatte. Doch im Endeffekt hatte auch das nicht geholfen. Inzwischen war er -unter Anderem durch den Verkauf seiner Küche- etwa ein Fünftel seiner Schulden losgeworden. Was Crocodile allerdings kaum trösten konnte: Ob es sich nun um 550.550 Berry oder 450.000 Berry handelte, war ihm beinahe gleichgültig. Die neue Zahl klang in seinen Ohren fast genauso wie die alte und änderte an seiner Gesamtsituation rein gar nichts.

Außerdem würde er zum nächsten Monat hin obdachlos sein -und das war schon in einer Woche-, wenn er nicht geschwind eine neue und vor allem preisgünstige Wohnung fand. Oder tatsächlich dauerhaft hier einzog.

Crocodile schloss für einen Moment die Augen und versuchte sich das Gesicht seines Partners vorzustellen.

Doflamingo hatte ihn seit ihrem Essen im Flying Lamb kein weiteres Mal auf das Thema Zusammenziehen angesprochen. Diese Tatsache stimmte Crocodile nachdenklich. Er konnte nur schwer einschätzen, ob Doflamingo seinen Vorschlag inzwischen selbst wieder verworfen hatte oder er seinen Partner einfach bloß nicht bedrängen wollte.

Nachdem Crocodile eine Weile darüber nachgedacht und verschiedene Argumente gegeneinander abgewogen hatte, kam er zu dem Schluss, dass wahrscheinlich letztere Möglichkeit der Fall war. Doflamingo hatte zwar keine direkten Andeutungen zu diesem Thema gemacht, doch er schien sich über Crocodiles dauerhafte Anwesenheit in seiner Villa sehr zu freuen. Anstatt sich zurückzuziehen oder unterschwellig aggressiv zu reagieren, wenn sein Freund in der Nähe war, verbrachte er so viel Zeit wie nur möglich mit ihm und war meistens sehr gut gelaunt.

Eigentlich hatte er gar keine andere Wahl als bei Doflamingo einzuziehen, dachte Crocodile und ließ seine Hand in kreisenden Bewegungen durch das warme Badewasser gleiten. Innerhalb einer Woche würde er mit Sicherheit keine vernünftige Wohnung finden. Außerdem war es sowieso ausgeschlossen, dass er in eine Wohnung ziehen würde, die seinem derzeitigen Lebensstil entsprach. Das ließ seine finanzielle Situation nicht zu.

Und genau das war der springende Punkt. Crocodile seufzte. Wenn er in eine günstigere Wohnung zog, dann würde sein Partner merken, dass er gekündigt worden war. Und das wollte Crocodile noch immer unter allen Umständen vermeiden. Lieber zog er da mit ihm zusammen, auch wenn er das eigentlich noch gar nicht wollte und dadurch vor allen Dingen noch weitere Kosten auf ihn zukommen würden.

Jedenfalls ging Crocodile davon aus, dass eine Menge weiterer Schulden durch ihren Zusammenzug entstehen würden. Sie hatten zwar bisher noch nicht über die Finanzierung dieser Sache gesprochen, doch für Crocodile käme es auf gar keinen Fall infrage, kostenfrei bei seinem Freund zu wohnen. Das ließ sein Stolz einfach nicht zu. Und die Villa, in der Doflamingo hauste, hatte 20.000.000 Berry gekostet. Zwanzig Millionen Berry, dachte Crocodile und ließ sich diese Zahl auf der Zunge zergehen. Sein Partner glaubte doch nicht allen Ernstes, dass er innerhalb kurzer Zeit die Hälfte dieses Betrags aufbringen konnte, oder?

Doflamingo überschätzte seine finanzielle Situation, schoss es Crocodile da durch den Kopf. Er dachte, er würde als Bankmanager viele Millionen verdienen; und zwar nicht im Jahr, sondern im Monat. Deswegen hatte er ihm dieses Angebot gemacht. Weil er davon ausging, dass er eine Summe von 10.000.000 Berry leicht aufbringen konnte.

Dieser Gedanke versetzte Crocodile einen Stich in sein Herz. Wenn sein Partner davon ausging, dass er nicht nur wohlhabend, sondern schwer reich war, schlussfolgerte Crocodile, dann würde er umso enttäuschter sein, sollte er jemals herausfinden, dass er seine Arbeit verloren hatte und überschuldet war.

Crocodile schloss die Augen und legte den Kopf in den Nacken. Der angenehme Duft der teuren Badeöle, die er ins Wasser gegossen hatten, stiegen ihm in die Nase. Für ihn war es ganz klar, was er tun musste: Weiterhin den Schein wahren! Doflamingo durfte niemals von seiner derzeitigen Situation erfahren! Crocodile schluckte. Sogar, wenn er dafür weitere Schulden in Kauf nehmen musste. Er liebte Doflamingo mehr als er in seinem Leben jemals irgendeinen Mann geliebt hatte. Und er wollte ihn nicht verlieren!

Vielleicht würde sich ja doch noch alles zum Guten wenden, dachte Crocodile. Vielleicht lief sein Vorstellungsgespräch am Montag ja unglaublich gut. Vielleicht wurde er gleich übernächsten Monat als neuer Manager dieser Baufirma eingestellt. Vielleicht bekam er ja gleich von Anfang an eine so wunderbare Bezahlung, dass er innerhalb kürzester Zeit all seine Schulden begleichen konnte!

Es legte sich ein verzweifeltes Grinsen auf Crocodiles Lippen.
 

Crocodile beschloss gerade in dem Augenblick sein Bad zu beenden und aus der Wanne zu steigen, als sich plötzlich unangemeldet die Türe zum Badezimmer öffnete und Doflamingo eintrat. Mit einem verärgerten Brummlaut glitt Crocodile zurück ins das lauwarme Badewasser und warf seinem Freund einen vorwurfsvollen Blick zu. „Wenn du wirklich möchtest, dass ich bei dir einziehe, dann solltest du dir angewöhnen anzuklopfen, bevor du ein Badezimmer betrittst", rutschte es ihm heraus, ehe er die Chance hatte, über diese unglückliche Wortwahl nachzudenken.

Doflamingo allerdings schien sich gar nicht weiter daran zu stören und nahm die Sache mit Humor. „Stell dich doch nicht so an", meinte er und winkte ab, während er näherkam, „ich habe dich schon hundertmal nackt gesehen."

„Trotzdem!", erwiderte Crocodile mürrisch. „Ich lege viel Wert auf meine Privatsphäre. Das solltest du respektieren!" Es ärgerte ihn, dass sein Freund es wieder einmal nicht über sich brachte, sich bei ihm zu entschuldigen, sondern stattdessen bloß sein Fehlverhalten herunterspielte. "Was machst du überhaupt hier? Wolltest du nicht mit irgendeinem Freund telefonieren?"

Erst jetzt bemerkte er, dass Doflamingo sein Handy in der Hand hielt. „Stimmt", antwortete dieser. Inzwischen war er an dem Rand der Badewanne angelangt und ließ sich auf den Fußboden sinken. Da die Wanne allerdings im Boden eingelassen war, überragte er Crocodile auch im Sitzen noch um einiges. „Und genau deswegen bin ich hier. Ein paar meiner Freunde wollen heute Abend ausgehen. Du weißt schon, in einen Club. Und sie fragen, ob du und ich uns ihnen anschließen wollen."

„Du willst, dass ich mit dir und deinen Freunden in einen Nachtclub gehe?" Mit einem solchen Angebot hatte Crocodile überhaupt nicht gerechnet. Er hatte den Großteil von Doflamingos Freunden zwar schon bei der einen oder anderen Gelegenheit gesehen gehabt, doch hatte eigentlich nur recht wenig mit diesen Leuten zu tun.

„Klar", bestätigte sein Partner. „Wieso denn nicht? Ich dachte mir, da wir letztes Wochenende deine Geschwister getroffen haben, könnten wir dieses Wochenende etwas mit meinen Freunden unternehmen."

„Ich kenne deine Freunde doch schon", hielt Crocodile dagegen, obwohl diese Aussage so nicht ganz stimmte. Er wusste zwar ihre Namen und konnte sie den entsprechenden Gesichtern zuordnen, doch wirklich kennen tat er eigentlich keinen von ihnen.

Dies war allerdings nicht der einzige Grund, wieso er heute Abend nicht ausgehen wollte. Viel eher lag es daran, dass, wenn jemand wie Donquixote Doflamingo mit seinen Freunden ausging, der Abend meistens sehr teuer wurde. Denn natürlich kamen nur die allerbesten und teuersten Clubs für einen Besuch infrage. Und Crocodile hatte nicht vor, ungeheuer viel Geld für eine Nacht in einem blöden Club auszugeben. Er tanzte sowieso nicht gerne und allzu viel Alkohol vertrug sein empfindlicher Magen auch nicht.

Auf der anderen Seite wäre es jetzt sicher nicht ratsam, Doflamingo zu enttäuschen oder sogar einen Streit heraufzubeschwören. Nicht, wenn vorhatte, in einer Woche bei diesem einzuziehen und außerdem den Schein des neureichen Bankmanagers zu wahren. Also seufzte Crocodile leise auf und beschloss erneut, kleinbei zu geben.

„Ja, aber ich möchte gerne, dass du sie besser kennenlernst“, fuhr Doflamingo fort. „Sie sind nämlich oft bei mir zu Besuch und ich möchte, dass du sie kennst, wenn du demnächst hier einziehst. Vielleicht findest du sie ja sympathisch und dann könnte man öfter mal etwas zusammen unternehmen. Ich fände es super klasse, wenn ihr euch gut verstehen würdet."

„Eigentlich bin ich davon ausgegangen, dass wir uns einen schönen Abend zu zweit machen wollten", sagte Crocodile, "aber na gut, dann gehen wir eben in den Club. Wann soll es denn los gehen? Ich brauche ja auch noch Zeit, um mich fertig zu machen; sitze immerhin gerade noch in der Badewanne."

„Klasse!", jubelte Doflamingo. „Und keine Sorge, du hast mehr als genug Zeit, um dich fertig zu machen. Wir wollen erst so gegen Mitternacht los." Er zögerte für einen kurzen Moment und fügte dann hinzu: „Als Entschädigung machen wir beide uns einfach morgen einen schönen Tag zu zweit, in Ordnung? Ich verspreche es dir."

„In Ordnung", erwiderte Crocodile.

„Sag mal, ist das Badewasser eigentlich noch warm?"

„Nur noch lauwarm, ich wollte das Bad gerade beenden“, antwortete Crocodile, der bereits eine üble Vermutung hatte, worauf sein Freund hinaus wollte.

„Dann gieß heißes Wasser nach“, meinte dieser, während er sein Hemd aufknöpfte und den Gürtel seiner Hose öffnete. Zuletzt legte er seine Sonnenbrille ab. „Ich muss nämlich auch noch baden.“

Crocodile unterdrückte ein Seufzen und tat stattdessen wie ihm geheißen. Außerdem goss er noch ein paar weitere Badeöle in das Wasser. Eigentlich hatte er überhaupt keine Lust auf ein gemeinsames Bad mit Doflamingo (schließlich war er hierher gekommen, um sich ein wenig zurückzuziehen), doch allem Anschein nach hatte er keine Wahl, was das anging. Zumindest nicht, wenn er nächste Woche mit seinem Partner zusammenziehen wollte und darum jede aufkommende Streitigkeit verhindern musste; koste es, was es wolle.

Doflamingo ließ sich ihm gegenüber in die geräumige Badewanne gleiten und seufzte wohlig auf. „Das Wasser hat genau die richtige Temperatur“, meinte er, während er ihm unverwandt ins Gesicht sah. „Wir sollten öfter zusammen ein Bad nehmen.“

„Wenn du meinst“, erwiderte Crocodile und wich dem Blick dem Blick seines Freundes aus. Wie immer, wenn dessen Augen nicht durch die getönten Gläser der Sonnenbrille verdeckt waren, hatte er das seltsame Gefühl geröntgt zu werden.

„Ist etwas nicht in Ordnung?“, fragte Doflamingo verwundert und misstrauisch. „Du wirkst so komisch.“

„Nein, mit mir ist alles okay“, antwortete Crocodile, während er seine Augen schloss und sich ein wenig tiefer in das warme Badewasser gleiten ließ. Dabei berührten seine Füße die Beine seines Partners, doch keiner von ihnen beiden schenkte diesem Kontakt besondere Aufmerksamkeit.

„Bist du dir da sicher?“, hakte Doflamingo nach, den er mit seinen Worten allem Anschein nach nicht so recht hatte überzeugen können. „Wenn du... Also, wenn du keine Lust hast, heute Abend auszugehen, dann können wir auch Zuhause bleiben. Dann sage ich meinen Freunden ab und wir machen das eben ein anderes Mal. Ich möchte nicht, dass du dich wegen mir dazu verpflichtet fühlst, mitzukommen.“

„Nein, es ist schon gut“, erwiderte Crocodile. Und als er bemerkte, dass seine Worte noch immer bloß recht halbherzig klangen, fügte er hinzu: „Ich fühle mich heute ein bisschen unwohl. Du weißt schon, mein Magen macht mir etwas zu schaffen. Aber das vergeht bis heute Abend sicher wieder.“

„Oh, okay.“ Diese Erklärung schien Doflamingo glücklicherweise zu glauben.

Crocodile schob es in letzter Zeit häufig auf irgendwelche Probleme mit seinem Magen, wenn er seine schlechte Laune vertuschen wollte, und bisher hatte Doflamingo ihm diese Lüge jedes Mal vorbehaltlos abgekauft.

Jedenfalls entspannte sich seine Körperhaltung und er begann damit, unter Wasser mit seiner Hand über Crocodiles Fuß und Unterschenkel zu streicheln. Crocodile ließ sich dieses Verhalten gefallen, obwohl er im Augenblick nicht in der Stimmung für Sex war. Denn dass sein Partner darauf hinauswollte, war für ihn absolut eindeutig. Doflamingo wollte einfach immer Sex haben, zu jeder Tages- und Nachtzeit. Und Crocodile befand sich derzeit absolut nicht in der Position, um ihm diesen Wunsch verwehren zu können.

„Mir fällt da eine Möglichkeit ein, wie ich dich von deinen Magenschmerzen ablenken könnte“, raunte Doflamingo und ließ seine Hand das Bein seines Partners hoch wandern.

Crocodile legte den Kopf in den Nacken und bemühte sich darum, seine Muskeln zu entspannen. Da er den Geschlechtsverkehr jetzt sowieso nicht mehr verhindern konnte, machte es keinen Sinn, schlecht gelaunt und verkrampft dazuliegen. Das würde nur zu vermeidbaren Schmerzen führen.

„Ach ja?“, erwiderte Crocodile, weil er seinem Freund das Gefühl geben wollte, dass er mitspielte. „Worum handelt es sich denn genau bei dieser Möglichkeit?“

Doflamingo grinste und streichelte mit seinen Fingerspitzen sanft über die Innenflächen der Oberschenkel seines Partners. Crocodile stöhnte leise und genießerisch. Zumindest schien Doflamingo heute Lust auf sanften und gefühlvollen Sex zu haben, dachte sich Crocodile, das würde es ihm leichter machen und weniger Schmerzen bereiten. Er hatte seine Augen noch immer geschlossen, wodurch ihm das warme Badewasser und die sanften Berührungen noch angenehmer erschienen.

„Das wirst du noch sehen“, sagte Doflamingo. „Ich bin mir sicher, dass es dir gefallen wird, also lehn dich einfach entspannt zurück und lass mich mal machen.“

Damit konnte er sich durchaus arrangieren, dachte Crocodile, und folgte der Aufforderung seines Partners.
 

[zensiert]
 

„Hmmm, das war gut“, sagte sein Partner mit matter Stimme, als er sich wieder gesammelt hatte.

„Stimmt“, gab Crocodile ihm Recht und steuerte die Dusche an. Obwohl er ein Bad genommen hatte, fühlte er sich nicht sauber - nicht nachdem, was sie beide gerade eben getan hatten.
 

„Ich könnte auch eine Dusche vertragen“, meinte Doflamingo und folgte ihm in die Duschkabine, die beinahe ebenso geräumig wie die Badewanne war. Crocodile machte es nichts aus, dass sich sein Freund selber einlud. Da dieser bereits zum Orgasmus gekommen war, musste er nicht fürchten, in der Dusche begrabscht zu werden.

Doflamingo war zwar ein großer Fan von Sex in der Dusche (vor allen Dingen morgens, wie Crocodile bereits festgestellt hatte) doch er selbst konnte dem nichts allzu viel abgewinnen. Er fand ein weiches Bett oder eine gemütliche Couch angebrachter. Aber da gingen die Geschmäcker eben auseinander.

„Warum wolltest du eigentlich keinen Sex haben?“, fragte Crocodile, während sie zu zweit unter der Dusche standen. „Gibt es dafür einen besonderen Grund?“ Er wusste zwar selbst nicht genau wieso, doch seltsamerweise ließ ihn diese Frage nicht los. Vielleicht lag es daran, dass sein Partner sich schrecklich untypisch verhielt, indem er ihn ablehnte. Und das verunsicherte ihn.

„Wir hatten doch Sex“, erwiderte Doflamingo unbekümmert und seifte sein Haar mit Shampoo ein.

„Du weißt, was ich meine“, erwiderte Crocodile spitz. Es ärgerte ihn, dass sein Freund so tat, als wüsste er nicht, worauf er hinauswollte. „Richtigen Sex. Penetration.“

„Du bist also der Meinung, dass es sich nur dann wirklich um Sex handelt, wenn ich meinen Schwanz in deinen Arsch hineinstecke?“

„Sag das nicht so ungeniert!“, wies Crocodile ihn zurecht. Er spürte, dass er rot im Gesicht wurde und drehte sich von Doflamingo weg, der die Röte allerdings bereits gesehen hatte und leise kicherte. Er könnte sich nie so ungehemmt über Geschlechtsverkehr unterhalten. „Aber wie auch immer. Ja. Es war kein richtiger Sex. Wieso wolltest du nicht?“

Doflamingo stieg aus der Duschkabine und trocknete sich ab; Crocodile folgte ihm. „Das heißt also“, sagte er, „auch wenn ich dir einen Blowjob gebe oder dich fingere oder dir sogar Sextoys in den Arsch schieben würde, dann würdest du sagen, dass wir keinen Sex gehabt hätten? Einfach bloß, weil mein Schwanz nicht in dir drin gewesen ist? Findest du das nicht ein bisschen kleinkariert?“

„Ich habe dir gesagt, dass du dich nicht so ausdrücken sollst!“, meinte Crocodile und schlüpfte in seinen Bademantel (Doflamingo hatte ihm einen besorgt, als er einmal angemerkt hatte, dass ihm seiner fehlte, den er leider bei sich Zuhause vergessen hatte). „Und wechsle nicht das Thema! Wenn es irgendeinen Grund dafür gibt, dass du keinen Lust auf Sex hattest, dann will ich den wissen.“

Doflamingo grinste und sah ihm dabei zu, wie er sich die Haare trocknete.

„Eigentlich hatte ich schon Lust darauf“, antwortete er schließlich, „aber ich habe mich aus Rücksicht auf dich zurückgehalten.“

„Aus Rücksicht auf mich?“ Crocodile verengte die Augen zu schmalen Schlitzen. „Was meinst du denn damit?“

„Naja, wenn wir jetzt Sex gehabt hätten, dann hätte dir sicher den ganzen Abend lang dein Arsch wehgetan“, erklärte Doflamingo. „Vor allen Dingen, wenn wir es ohne richtiges Gleitgel getan hätten. Und außerdem hattest du ja sowieso schon Magenschmerzen. Darum wollte ich dir das nicht zumuten; nicht, wenn wir heute Abend in einen Club gehen. Das hätte dir doch den ganzen Spaß verdorben.“

„Wirklich?“, fragte Crocodile nach. Er war sich nicht sicher, ob er dieser Erklärung Glauben schenken wollte oder nicht. „Und wann bist du zum rücksichtsvollen Menschen geworden? So kenne ich dich ja gar nicht.“

Doflamingo zuckte mit den Schultern. „Naja, du hast doch gesagt, ich soll nicht immer nur an mich denken, oder? Du weißt schon, als wir diesen Streit wegen dieser blöden Schnepfe in deinem Büro hatten. Du hast gesagt, dass ich zu wenig an deine Bedürfnisse denke, sei das größte Problem in unserer Beziehung. Deswegen versuche ich mich in dieser Hinsicht zu ändern. Und auch öfter mal an dich zu denken.“

„Sie ist keine blöde Schnepfe, sondern heißt Tashigi und ist ein sehr liebes Mädchen“, meinte Crocodile, „aber was das Andere angeht, bin ich wirklich positiv überrascht.“

Das war er tatsächlich. Sein Freund verhielt sich ihm gegenüber zwar meistens liebevoll und fürsorglich, dennoch hatte Crocodile stets das Gefühl, dass immer Doflamingo selbst im Zentrum seiner Gedanken und Entscheidungen stand und alle anderen -inklusive seinem Partner- bloß zweitrangig waren. Damit, dass Doflamingo sich aus Rücksicht auf ihn zurückhielt, hätte Crocodile niemals gerechnet.

Vor allen Dingen nicht, was den Sex anging. Auch wenn ihm natürlich bereits aufgefallen war, dass sein Freund sich in dieser Hinsicht in letzter Zeit ein wenig verändert hatte: Inzwischen ging er den Sex weniger ungeduldig und auch weniger egozentrisch an. Crocodile fragte sich, was dieser Sinneswandel wohl zu bedeuten hatte.

Vielleicht wollte Doflamingo ihm beweisen, dass er ihre Beziehung wirklich ernst meinte, schoss es ihm durch den Kopf. Er wusste nicht so recht, was er davon halten sollte (wenn seine Vermutung tatsächlich zutraf.) Auf der einen Seite freute er sich darüber, dass er für Doflamingo nicht bloß irgendein Spielzeug oder einen netten Zeitvertreib darstellte und er ihre Beziehung nicht auf die leichte Schulter nahm, doch auf der anderen Seite verunsicherte und verängstigte ihn diese Vorstellung auch.

Denn wenn Doflamingo es tatsächlich ernst mit ihnen beiden meinte, dann tat er ihm unglaubliches Unrecht an, indem er ihn jeden Tag anlog. Crocodile biss sich auf die Unterlippe. Er war sich dessen bewusst, dass man in einer wirklich ernsten Beziehung immer ehrlich zueinander sein sollte. Und er log seinen Partner wegen so vieler Dinge an: seinem Job, seinen Finanzen, seiner Wohnsituation. Außerdem schob er ständig angebliche Magenschmerzen vor, wenn er wieder einmal schlecht gelaunt war. Ob Doflamingo ihm jemals verzeihen könnte, sollten diese Lügen eines Tages ans Licht kommen? Crocodile schluckte. Er konnte diese Frage nicht unzweifelhaft beantworten. Und darum blieb ihm keine andere Wahl, als zu verhindern, dass diese schreckliche Situation jemals eintreten würde!

„Ist alles in Ordnung mit dir?“, riss ihn die Stimme seines Partners aus seinen Gedanken; Crocodile schreckte auf. „Du wirkst so komisch. Hast du immer noch Probleme mit deinem Magen? Wenn es heute so schlimm ist, dann können wir auch Zuhause bleiben. Ich möchte nicht, dass du dich quälst.“

„Schon gut, mein Magen ist okay“, sagte Crocodile sofort. „Ich bin eben bloß ein bisschen mit meinen Gedanken abgeschweift.“

„Wirklich?“

„Wirklich. Ich verspreche es dir. Es ist alles in Ordnung. Unserem Abend im Club steht nichts im Wege!“

„Gut“, meinte Doflamingo. „Aber wenn dein Magen doch noch Probleme machen sollte, dann sagst du es mir, ja?“ Crocodile nickte und zum Glück schien sich sein Freund damit zufrieden zu geben. Anstatt weiter auf diesem Thema herumzureiten, begann er vom bevorstehenden Abend zu schwärmen: „Ich bin mir sicher, dass es dir Spaß machen wird. Meine Freunde sind coole Leute. Ein bisschen kennst du sie ja schon. Das wird garantiert eine total klasse Nacht! Ich kann es kaum erwarten! Wir gehen viel zu selten zusammen in den Club, findest du nicht, Wani?“

„Naja“, war der einzige Kommentar, den Angesprochener über die Lippen brachte. Er war bisher nur recht selten gemeinsam mit Doflamingo in den Club oder in eine Bar gegangen.

Crocodile wusste zwar, dass sein Freund sehr gerne tanzte und trank, doch für ihn war weder das eine noch das andere etwas. Darum ging Doflamingo zumeist mit seinen Freunden und ohne Crocodile aus. Ihn störte das nicht. Er vertraute darauf, dass sein Partner keine Dummheiten anstellte und verbrachte den Abend stattdessen lieber mit seinen eigenen Freunden (von denen er nicht allzu viele besaß, wenn er ehrlich war), seinen Geschwistern oder in Ruhe ganz allein.

Dennoch oder womöglich genau deswegen hatte Crocodile ein äußerst ungutes Gefühl, was den bevorstehenden Abend anging. Hoffentlich würde er nicht in einem völlig Desaster enden, dachte er, ehe er gemeinsam mit Doflamingo das Badezimmer verließ.
 

*
 

„Möchtest du noch etwas essen, bevor wir losgehen?“, fragte ihn sein Freund. „Es ist nicht gerade vorteilhaft, wenn man auf nüchternen Magen trinkt. Dann schlägt der Alkohol nämlich gleich doppelt so heftig zu. Aber das weißt du ja sicherlich.“

„Ach, ich habe gerade keinen Hunger“, erwiderte Crocodile. „Und außerdem habe ich sowieso nicht vor, viel zu trinken.“

Sie befanden sich gerade beide im begehbaren Kleiderschrank von Doflamingo und suchten sich die Kleidungsstücke heraus, die sie heute Abend tragen wollten.

Da die Villa, in der sein Partner wohnte, groß genug war und dieser eine riesige Menge Kleidung besaß, hatte er sich einen eigenen Raum eingerichtet, der nur für die Unterbringung seiner Garderobe bestimmt war. Und allein dieser begehbare Kleiderschrank war etwa halb so groß wie Crocodiles komplette Loft-Wohnung. Es erstaunte ihn immer wieder, wie viel reicher sein Freund als er doch war und wie viel luxuriöser er lebte. Crocodile besaß zwar selbst ebenfalls einen begehbaren Kleiderschrank (diesen kleinen Luxus gönnten sich inzwischen recht viele Menschen), doch dabei handelte es sich nur um ein relativ kleines Zimmer, das nicht einmal an sein Schlafzimmer angrenzte.

„Wieso denn nicht?“, fragte Doflamingo nach und hielt sich abwechselnd zwei verschiedene Hemden gegen die Brust, die der Ansicht seines Partners nach allerdings beide absolut gleich furchtbar aussahen. Da sie heute Abend in einen Club gehen wollten, schien Doflamingo der Meinung zu sein, er müsste sich ganz besonders exzentrisch kleiden. „Verträgt dein Magen nicht so viel Alkohol?“

„Ähm, das ist nicht so sehr das Problem“, meinte Crocodile ausweichend. Inzwischen fühlte er sich fast jedes Mal schuldig und schlecht, wenn sie über seinen empfindlichen Magen sprachen, selbst wenn es sich diesmal sogar um die Wahrheit handelte: Tatsächlich vertrug er die meisten alkoholischen Getränke nicht gut; vor allen Dingen Bier (wegen der Kohlensäure) oder Getränke mit hohem Zuckeranteil. Häufig wurde ihm schon schlecht dabei, wenn er seinem Partner nur dabei zusah, wie dieser sich einen besonders süßen Cocktail bestellte. Normalerweise trank er bloß gelegentlich mal ein Glas Wein.

Oder Wodka mit Orangensaft, schoss es Crocodile durch den Kopf und sofort spürte er, wie ihn sein schlechtes Gewissen zu beißen begann. Seit er bei Doflamingo eingezogen war, hatte er zwar keinen harten Alkohol mehr angerührt, doch er schämte sich noch immer wegen der vielen Drinks, die er sich damals in seiner Verzweiflung gegönnt hatte. Eigentlich verabscheute er es nämlich abgrundtief, wenn Menschen harten Alkohol tranken. Er hatte dem niemals viel abgewinnen können; zumindest nicht, bis er von seiner Kündigung und seinen Schulden erfahren hatte.

„In welchen Club geht es heute Abend eigentlich?“, fragte Crocodile, um das Thema zu wechseln. „Haben du und deine Freunde sich da schon entschieden? Oder machen wir das ganz spontan?“ Während er sprach, griff er nach einem dunkelgrünen Hemd und schlüpfte hinein. (Doflamingo hatte -gleich nachdem er zugestimmt hatte, für drei Wochen bei ihm einzuziehen- seinen Kleiderschrank ausgemistet und Platz geschaffen für die Kleidungsstücke, die sein Partner mitbrachte.)

„Wir gehen ins Skypia“, antwortete Doflamingo unbekümmert. „Das ist ein exklusiver Club. Ich weiß nicht, ob du ihn kennst. Er liegt nämlich nicht im Stadtkern, sondern etwas weiter außerhalb. Aber ich bin mir sicher, dass es dir dort gefallen wird.“

S-skypia?!“ Crocodile stockte in seiner Bewegung und warf seinem Freund einem völlig entsetzten Blick zu. Er fühlte sich, als hätte ihm jemand unerwartet einen heftigen Schlag in den Magen verpasst. Als er schlucken wollte, musste er feststellen, dass sein Mund staubtrocken war; es gelang ihm nicht, auch nur ein paar Tropfen Speichel unter der Zunge hervorzukramen.

Doflamingo warf ihm einen verwunderten und misstrauischen Blick zu. „Ja. Wieso? Kennst du den Club?“

Crocodile zögerte für einen kurzen Moment, ehe er sagte: „Ähm, um ehrlich zu sein: ja.“

„Du wirkst plötzlich so komisch“, meinte Doflamingo. Er hielt noch immer die beiden furchtbaren Hemden in der Hand. „Ist es ein Problem für dich, dass wir ins Skypia gehen?“

„Nein“, erwiderte Crocodile sofort. „Nein, natürlich nicht.“ Und weil er spürte, dass er seinen Partner mit diesen recht halbherzig gesprochenen Worten nicht überzeugen konnte, fügte er noch hinzu: „Es ist nur so, dass ich schon einmal dort gewesen bin. Der Abend ist, naja, furchtbar gewesen. Und ich musste eben daran zurückdenken. Aber das ist jetzt schon einige Jahre her. Kein Grund, um ein Theater zu veranstalten.“

Er sah, dass Doflamingo eine Augenbraue hochzog. „Was ist denn an diesem Abend passiert?“, wollte er wissen.

„Darüber will ich lieber nicht reden“, entgegnete Crocodile sofort. „Und blick mich nicht so furchtbar misstrauisch an, ja? Ich kann das sehen, auch wenn du deine Sonnenbrille trägt. Es gibt wirklich keinen Grund, um da einen großen Wirbel drum zu machen. Der Abend ist schrecklich gewesen und mehr gibt es dazu nicht zu sagen! Basta!“

Für einen Moment schwieg Doflamingo, ehe er sagte: „Du weißt, dass du mit mir über alles reden kannst. Nicht wahr?“

„Natürlich“, erwiderte Crocodile und senkte den Blick. „Es ist nur so, dass ich nicht darüber reden möchte. Respektier das bitte.“

„In Ordnung. Aber du weißt, dass ich immer bereit bin dir zuzuhören, wenn du mit mir reden möchtest. Ich, ähm, ich bin immer da für dich, wenn du mich brauchst.“

Crocodile nickte und damit beendeten sie beide zum Glück diese überaus unangenehme Diskussion.

Wenn er ehrlich war, dann fühlte er sich schrecklich unwohl bei dem Gedanken, heute Nacht ins Skypia zu gehen. Auch wenn sein Partner und dessen Freunde dabei waren. Crocodile schluckte. Oder vielleicht gerade deswegen? Er sollte nicht mehr daran denken. Doch ganz gleich wie sehr er sich auch darum bemühte, diese Gedanken und Erinnerungen zu verdrängen, es gelang ihm einfach nicht.

Es war nun schon so lange her, redete er sich ein und ließ zu, dass Doflamingo sein dunkelgrünes Hemd knöpfte, obwohl er es eigentlich überhaupt nicht ausstehen konnte, wenn man ihm bei solchen Dingen half. Fünf Jahre war dieser Vorfall im Skypia her, rechnete er sich aus.

Und auch nach fünf Jahren war Crocodile sich nicht sicher, ob er seinem Exfreund gegenübertreten könnte.

Wer wusste denn schon, ob Enel überhaupt dort sein würde, versuchte er sich ein wenig zu beruhigen. Auch wenn er der Besitzer des Clubs Skypia war, bedeutete das noch lange nicht, dass er jede Nacht dort anwesend sein würde. Sengoku war schließlich auch nicht jeden Tag im Hause, obwohl er der oberste Chef in der Bank war. Wahrscheinlich würde er gar nicht erst auf Enel treffen.

Er würde einfach bloß einen nette Nacht im Club zusammen mit seinem Freund und dessen Freunden verbringen. Es gab überhaupt keinen Grund, um beunruhigt zu sein.

Crocodile strich sich nervös eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Er wusste selbst nicht genau wieso, doch aus irgendeinem Grund konnten seine eigenen Argumente ihn nicht so recht überzeugen. Allein Doflamingos Hand, die ihm sanft über den Rücken strich, vermochte ihn ein wenig zu beruhigen.
 

Der Club Skypia sah noch beinahe genauso aus, wie Crocodile ihn in Erinnerung hatte. Es handelte sich um eine Mischung aus Diskothek und Bar, die auf sehr wohlhabende Gäste ausgerichtet war. Die Besucher des Clubs verdienten im Regelfall mindestens ebenso viel wie Crocodile selbst, wenn nicht sogar mehr.

Wobei sich diese Zahl natürlich beinahe ausschließlich auf die männlichen Gäste bezog. Die meisten Frauen, die die Nacht hier verbrachten, waren Freundinnen der reichen Männer; sie besaßen selbst kein oder nur kaum Vermögen und gönnten sich dennoch eine kostspielige Lebensqualität, indem sie sich von ihren Freunden versorgen ließen. Und wenn dieser sich nach ein paar Wochen oder Monaten von ihnen trennten, dann suchten sie sich eben einen neuen Mäzen.

Solche Frauen waren einer der vielen Gründe, warum Crocodile nicht gerne in Clubs ging.

Er selbst ließ sich nur äußerst ungern einladen; vielleicht, weil er als homosexueller Mann mit diesen Frauen (die in seinen Augen nicht besser als Prostituierte waren) nicht auf eine Stufe gestellt werden wollte.

Doflamingos Freunde warteten bereits vor dem Club, als sie beide eintrafen.

Sie fuhren in einem Rolls-Royce Ghost Extended Wheelbase vor; einer schwarzen Limousine, die gut eine Viertel Millionen Berry gekostet hatte (bei weitem nicht der teuerste Wagen in der Sammlung seines Partners); Doflamingo schickte die Limousine fort, nachdem sie ausgestiegen waren.

Crocodile kannte alle Anwesenden mit Namen und wurde von jedem einzelnen mit einem Handschlag begrüßt. Es handelte sich um eine Truppe von vier Menschen, die kurioser nicht hätte aussehen können.

Hyena Bellamy und Donquixote Dellinger waren beide naturblond und ähnelten seinem Partner ein wenig (soweit er wusste, handelte es sich bei beiden um Cousins zweiten Grades von ihm; Doflamingo hatte so etwas mal erwähnt gehabt). Über Bellamy wusste er, dass dieser fünfundzwanzig Jahre alt war; Dellinger schätze er auf vielleicht Anfang zwanzig oder sogar noch jünger. Letzterer fiel vor allem durch die High-Heels auf, die er an den Füßen trug, und Crocodile vermutete unweigerlich, dass er homosexuell war.

Was bei ihm allerdings keine großen Sympathien weckte; Crocodile selbst hatte für solche weiblichen Accessoires nicht viel übrig und war recht froh, dass auch sein Partner sich trotz seines exzentrischen Kleidungsstils zu High-Heels oder dergleichen nicht hingezogen fühlte (oder es sehr gut verbarg, falls es doch der Fall sein sollte). Tatsächlich hatte Crocodile sich in seinem ganzen Leben noch niemals auf einen Mann eingelassen, der sonderlich androgyn wirkte; Doflamingo war da mit seiner Vorliebe für die Farbe rosa und seinem ständigen Gekichere bereits das alleräußerste, was er zu tolerieren bereit war.

Trafalger Law war ein brünetter Mann mit kleinem Kinnbart, etwa in Doflamingos Alter und wirkte neben Bellamy und Dellinger beinahe schon lächerlich normal. Allein die mysteriösen Tätowierungen auf seinen Fingern und Unterarmen ließen darauf schließen, dass er doch nicht so gewöhnlich war, wie man im ersten Augenblick glauben mochte.

Der Vierte im Bunde war Bartholomew Kuma, ein groß gewachsener und sehr stiller Mensch, den man nur schlecht einschätzen konnte.

„Wo ist denn Cirkies?“, fragte Doflamingo fröhlich, um die Stimmung ein wenig aufzulockern. „Wollte er heute nicht auch kommen?“

„Er kommt nach“, antwortete Bellamy. Crocodile wusste, dass die beiden ein Paar waren. „Er hat heute Lilli, Müre und Mani besucht und du weißt ja, wie die Weiber sind. Du sagst ihnen, sie sollen um zwölf Uhr irgendwo sein und dann schicken sie dir um fünf vor zwölf eine SMS, in der steht, dass sie ihr Make-up noch nicht aufgelegt haben und später kommen.“

„Ärgere dich nicht drüber“, meinte Doflamingo und grinste. „So sind Mädchen eben. Wir können ja trotzdem schon mal hineingehen und Cirkies kommt dann mit ihnen nach.“

Bellamy seufzte. „In Ordnung. Ich ärgere mich aber trotzdem über ihn. Wozu bin ich denn mit einem Mann zusammen, wenn ich dann doch ständig wegen so einem Blödsinn wie Make-up oder Schuhen warten muss? Wenn ich Lust auf so etwas hätte, dann würde ich mir ein Weib suchen und keinen Kerl!“

Doflamingo lachte. „Ich denke nicht, dass solche Dinge etwas mit dem Geschlecht zu tun haben“, erklärte er gleichmütig, während sie den Eingang vom Skypia ansteuerten. „Schau dir doch nur mal Dellinger an: Er ist durch und durch ein Kerl und braucht trotzdem immer eine Stunde, bis er die passenden High-Heels für den Abend gefunden hat. Nicht wahr, Dellinger?“

„Stimmt doch gar nicht!“, erwiderte Dellinger trotzig und verschränkte die Arme vor der Brust. Angesichts dieser Reaktion lachte Doflamingo erneut; wahrscheinlich weil er wusste, dass sein Cousin ihm nicht wirklich böse war.

Im Inneren des Clubs war es bereits sehr voll, auch wenn es gerade einmal fünf Minuten nach Mitternacht war. Crocodile fühlte sich sofort unwohl, kaum hatte er den Schritt über die Schwelle getan. Es lag nicht bloß daran, dass er mit großen Menschenmengen und Lärm nicht sonderlich gut zurechtkam, vielmehr war das genaue Gegenteil der Fall: Kaum hatte er das Skypia betreten, fühlte er sich auf eine seltsame Art und Weise entblößt und verletzlich. Umgehend schaute er sich um und prüfte kritisch das Gesicht von jedem einzelnen Mann, der sich in seiner Nähe aufhielt. Die Furcht Enel könnte ihn entdecken, saß ihm im Nacken. Erst als er sich absolut sicher war, dass sein Exfreund sich nicht in seiner näheren Umgebung befand, entspannte er sich ein wenig; er folgte Doflamingo und den Anderen zur Garderobe, um dort seinen Mantel abzugeben.

In der nächsten halben Stunde geschah nichts Beunruhigendes. Sie bestellten sich an der Bar ihre Getränke (Crocodile nahm ein stilles Wasser; er spürte einen unangenehmen Kloß im Magen, der wahrscheinlich von seiner Nervosität herrührte, und hatte darum keine Lust auf Alkohol) und unterhielten sich unbefangen miteinander. Irgendwann tauchte Cirkies gemeinsam mit Lilli, Mani und Müre auf. Man begrüßte sich freundlich und bestellte sich neue Getränke.

„Und?“, raunte Doflamingo ihm zu, als der Rest ihrer Gruppe gerade mit irgendetwas Anderem beschäftigt war. „Wie gefällt es dir bisher?“

„Ganz gut“, antwortete Crocodile wahrheitsgemäß. Tatsächlich fühlte er sich deutlich weniger verkrampft als zuvor. Da er Enel nirgendwo ausgemacht hatte, obwohl sie sich nun bereits seit etwa einer Dreiviertelstunde im Skypia befanden, ging er allmählich davon aus, dass sich sein Exfreund heute Nacht einfach nicht in seinem Club aufhielt. Worüber er unglaublich froh und erleichtert war.

„Deine Freunde scheinen gut drauf und sehr nette Leute zu sein. Ich denke, du hattest Recht damit, dass es ein schöner Abend wird.“ Auch diese Worte waren nicht gelogen. Die Freunde seines Partners wirkten zwar im ersten Moment ein wenig absonderlich, aber waren eigentlich sehr heitere und freundliche Menschen. Sie schlossen Crocodile aus ihrem Kreis nicht aus, zwangen ihn allerdings auch nicht dazu, ihre gute Laune übermäßig zu teilen, und dafür war er sehr dankbar.

Er hatte sowieso nicht vor, allzu lange zu bleiben. Denn auch wenn Enel gerade außer Hause war, bedeutete das noch lange nicht, dass dieser im Verlauf der Nacht seinem Club keinen Besuch abstatten würde. Um ehrlich zu sein, hatte Crocodile bereits beschlossen, dass er so früh wie es möglich war (ohne unhöflich zu erscheinen) gehen würde. Man könnte einen gemeinsamen Abend mit Doflamingo und seinen Freunden ja noch einmal in einem anderen Club als dem Skypia wiederholen, dachte er sich.

„Das freut mich“, sagte Doflamingo. „Ich habe -ehrlich gesagt- zuerst befürchtet, dass dir der Abend nicht gefallen würde. Wegen dem Club oder vielleicht auch wegen meinen Freunden. Aber anscheinend ist das ja nicht der Fall.“

„Es ist wirklich okay hier“, bestätigte Crocodile seinen Freund. „Obwohl ich eigentlich nicht gerne in Nachtclubs gehe.“

„Und mit deinem Magen ist auch alles in Ordnung? Mir ist nämlich aufgefallen, dass du bisher nur stilles Wasser getrunken hast.“

Crocodile nickte. „Mir geht’s gut“, sagte er. „Ehrlich! Vielleicht bestelle ich mir nachher mal einen Wodka-Orange oder so.“

Er bekam mit, dass Doflamingo eine Augenbraue hochzog und ihn misstrauisch musterte. „Wodka-Orange?“, hakte er nach. „Seit wann trinkst du denn so ein Zeug?“

Crocodile zuckte mit den Schultern und bemühte sich um einen unbefangenen Gesichtsausdruck. „Die meisten Getränke, die in Nachtclubs ausgeschenkt werden, vertrage ich nicht“, erklärte er und bemühte sich darum, so wenig wie möglich zu lügen. „Du weißt schon; zum Beispiel wegen der Kohlensäure in Bier oder dem Zucker in Cocktails. Von Cola natürlich ganz zu schweigen. Wodka-Orange gehört zu den wenigen Dingen, die ich hier trinken kann, ohne meinen Magen zu überreizen. Aber das funktioniert wegen dem Orangensaft natürlich auch nur in Maßen.“

„Oh Mann, daran habe ich gar nicht gedacht“, meinte Doflamingo und biss sich auf die Unterlippe. „Dass hier kein Wein verkauft wird, ist natürlich sonnenklar.“

„Das ist doch kein Problem“, erwiderte Crocodile sofort.

Er wollte verhindern, dass sein Partner ein schlechtes Gewissen bekam und sich somit vielleicht noch den ganzen Abend ruinierte. Denn schließlich hatte er dem Besuch dieses Clubs bloß zugestimmt, um zu verhindern, dass Doflamingo schlechte Laune bekam oder sie beide sich im schlimmsten Fall sogar stritten. Eine solche Belastung konnten sie in ihrer Beziehung definitiv nicht gebrauchen; nicht, wenn Crocodiles Mietvertrag in einer Woche auslief und er darauf angewiesen war, bei seinem Freund einzuziehen. Ansonsten hätte er sich auch niemals dazu überreden lassen, mit Doflamingo und dessen Freunden das Skypia zu besuchen.

„Hey, Doflamingo, Crocodile!“ Sie blickten auf und sahen zu Bellamy hinüber, der sie beide angesprochen hatte. „Wir wollen ein bisschen tanzen. Habt ihr Lust mitzukommen?“

„Klar“, antwortete Doflamingo sofort breit grinsend, Crocodile allerdings schüttelte den Kopf.

„Ich tanze überhaupt nicht gerne“, erklärte er auf den enttäuschten Blick seines Partners hin. „Aber du kannst gerne mit den Anderen tanzen. Ohne mich. Da habe ich nichts gegen. Ich hole mir währenddessen meinen Wodka-Orange.“

„Wenn du meinst“, gab Doflamingo deprimiert klingend zurück.

Crocodile hielt ihm am Handgelenk fest, ehe er mit Bellamy, Cirkies, Law und Kuma mitging. „Bist du jetzt sauer auf mich?“

Doflamingo schüttelte den Kopf. „Nein, nicht wirklich. Ich finde es bloß schade, dass du nicht tanzen möchtest. Ich meine, dafür geht man doch in einen Club, oder nicht?“

Crocodile seufzte. „Tut mir leid“, sagte er, „aber ich bin absolut kein Tänzer. Ich kann gar nicht tanzen. Ich würde mich bloß blamieren!“

„Blödsinn! Ich bin mir sicher, dass du toll tanzen kannst! Komm doch bitte mit!“

Crocodile zögerte. Auf der einen Seite hatte er überhaupt keine Lust zu tanzen (dass er es nicht konnte, war auch keine Lüge gewesen), doch auf der anderen Seite durfte er nicht riskieren, dass Doflamingo wütend auf ihn wurde oder enttäuscht von ihm war. Also gab er mal wieder kleinbei und beugte sich dem Willen seines Partners.

„Ich bitte dich nur um ein einziges Lied!“

„Na gut“, sagte Crocodile schließlich und ließ zu, dass Doflamingo ihn hinter sich her und auf die Tanzfläche zog, „aber wirklich nur ein Lied! Und keine Sekunde länger!“

Gerade als sie am Rand der überfüllten Tanzfläche angekommen waren (man konnte über Enel denken, was man wollte, aber zumindest schien er seine Geschäftsidee sehr erfolgreich umgesetzt zu haben), endete der laufende Popsong und es wurde ein ruhigeres und langsameres Lied angestimmt. Doflamingo legte beide Arme um die Hüften seines Partners und zog diesen eng zu sich heran.

„Und was soll ich jetzt machen?“, fragte Crocodile verunsichert und lehnte den Kopf gegen die Brust seines Freundes. „Ich kann ehrlich nicht tanzen.“

„Das wird schon gehen“, versuchte Doflamingo ihn aufzumuntern und vollführte ein paar sehr langsame Bewegungen; Crocodile bemühte sich darum, den einfachen Tanzschritten zu folgen, was ihm überraschenderweise sogar ganz gut gelang.

„Zum Glück ist es ein ruhiger Song“, murmelte er. Die Worte waren eher an ihn selbst gerichtet gewesen, doch Doflamingo, gegen den er eng gepresst wurde, bekam sie natürlich mit.

„Ich glaube, es ist ein Liebeslied“, meinte dieser grinsend. „Passend, oder?“

„Dass die so etwas in einem Nachtclub spielen, hätte ich gar nicht gedacht“, erwiderte Crocodile verwundert und nachdenklich.

Er spürte, dass Doflamingo mit den Schultern zuckte. „Man kann nicht die ganze Zeit nur flippige Popsongs spielen“, erklärte dieser. „Wenn die Tanzflächen zu voll sind und die Bars zu leer, dann werden ruhigere Songs abgespielt, damit die Leute aufhören zu tanzen und sich stattdessen Getränke holen gehen. Jetzt werden erst einmal ein paar Liebeslieder und etwas Hip-Hop laufen. Erst in etwa fünfzehn oder zwanzig Minuten kommen die Songs wieder, zu denen man wirklich gut tanzen kann. Das ist alles Marketing-Strategie. Als Manager solltest du dich mit solchen Dingen doch bestens auskennen, oder nicht?“

„Das musst du gerade sagen!“, entgegnete Crocodile. Da sie beide sich noch immer am Rand der Tanzfläche befanden, war es recht gut möglich, sich miteinander zu unterhalten. „Du scheinst dich ja ebenfalls wirklich gut mit Marketing-Strategien auszukennen; zumindest was Nachtclubs angeht.“

Erneut zuckte Doflamingo leicht mit den Schultern. „Ich besitze selbst drei Clubs, die ziemlich gut laufen“, meinte er.

„Tatsächlich?“ Davon hörte Crocodile heute zum ersten Mal. „Das hast du nie erzählt!“

„Ich habe dir doch gesagt, dass ich der Besitzer von mehreren Betrieben und Firmen bin“, entgegnete Doflamingo ausweichend. „Und dazu gehören unter Anderem eben auch drei Clubs.“

Crocodile zog die Augenbrauen zusammen. „Du hast mir nur von einem Immobilienunternehmen, einer kleinen Privatklinik und drei Baufirmen erzählt.“

Doflamingo seufzte. „Willst du mir jetzt verübeln, dass ich dir nicht sofort bei unserem ersten Date auf die Nase gebunden habe, dass ich drei Nachtclubs besitze? In einem davon kann man nämlich auch mehr tun, als nur mit den Mädchen tanzen; wenn du verstehst, was ich meine. So etwas kommt bei den meisten Leuten nicht sonderlich gut an. Vor allen Dingen dann nicht, wenn man sich gerade erst kennengelernt hat.“

„Du hättest es mir nicht gleich bei unserem ersten Date sagen müssen“, entgegnete Crocodile verärgert. „Aber du hättest es doch zum Beispiel beim dritten Date tun können. Oder beim fünften. Oder beim zehnten. Wenigstens dann hätte man so etwas mal einfließen lassen können, oder nicht? Ich bin jedenfalls nicht davon begeistert, dass ich erst nach über einem halben Jahr Beziehung erfahre, dass mein Freund ein verdammter Zuhälter ist!“

„Ich bin kein Zuhälter!“, zischte Doflamingo und schien mindestens ebenso verärgert zu sein wie sein Partner. „Sondern der Besitzer von drei Nachtclubs. Wüsste nicht, dass das verboten wäre. Und mit deiner Reaktion beweist du mir bloß, dass ich gut daran getan habe, dir diese Tatsache so lange zu verschweigen! Ich wünschte nur, mir wäre das eben nicht herausgerutscht.“

„Es geht nicht darum, dass du drei Nachtclubs besitzt“, entgegnete Crocodile. „Es geht auch nicht darum, dass eines davon allem Anschein nach ein Bordell ist. Sondern darum, dass du mir davon in den letzten sieben oder acht Monaten nicht ein Wort erzählt hast. Ich dachte, wir wollten keine Geheimnisse voreinander haben?!“

Nachdem Crocodile diesen letzten Satz ausgesprochen hatte, stockte er für einen Moment und senkte den Blick. Wenn er ehrlich war, dann hatte er eigentlich überhaupt gar kein Recht dazu, seinem Freund Vorwürfe zu machen, weil dieser ihm irgendetwas verschwieg. Im Grunde genommen verhielt er sich selbst keinen Deut besser. Schließlich verschwieg er seinem Partner, dass er bereits vor einigen Wochen gekündigt worden war und Schulden in Höhe von über einer halben Millionen Berry hatte. Er hatte ein so gewaltiges Lügennetz gesponnen, dass er sogar vorhatte bei ihm einzuziehen, nur um den Schein zu wahren und um zu verhindern, dass die Wahrheit jemals ans Tageslicht kam. Nein, er hatte wohl als allerletzter das Recht dazu, seinem Partner Vorwürfe zu machen, weil dieser ihm irgendwelche Details aus seinem Leben verheimlicht hatte.

„Tut mir leid“, sagte Crocodile und presste seinen Kopf noch ein wenig enger an Doflamingos Brust. Trotz der Musik um sie herum konnte er dessen Herz laut und deutlich schlagen hören. „Ich wollte dir keine Vorwürfe machen. Ein Stück weit verstehe ich es auch, dass du mir nichts von den Nachtclubs und dem Bordell erzählen wolltest. Lass uns nicht unseren Abend verderben, indem wir jetzt deswegen streiten, ja? Wenn du möchtest, dann tanze ich auch noch zu einem zweiten Lied mit dir, wenn es kein blöder Popsong ist. Schließlich sind wir eben kaum zum tanzen gekommen, weil wir bloß geredet haben.“

„In Ordnung“, erwiderte Doflamingo und verstärkte den Griff um die Hüften seines Partners. „Lass uns die Sache vergessen. Du hast Recht: Wir sind hier, um Spaß zu haben und nicht, um uns zu streiten.“
 

„Komm schon! Noch ein Lied!“

Crocodile schüttelte den Kopf und windete sich aus der Umarmung seines Freundes heraus. „Wir haben jetzt schon zu drei Liedern getanzt“, meinte er lächelnd, „obwohl ich dir nur eins versprochen hatte. Außerdem bin ich durstig geworden. Ich hole mir an der Bar einen Wodka-Orange. Möchtest du so lange hier bei den Anderen bleiben?“

Doflamingo zögerte für einen Augenblick, ehe er nickte. „Okay. Aber komm gleich wieder her, wenn du dein Getränk hast, ja? Man weiß nie, was für Leute sich in so einem Club herumtreiben.“

Crocodile rollte mit den Augen. „Du musst dir keine Sorgen um mich machen“, erwiderte er. „Ich bin ein erwachsener Mann und kein aufreizendes Mädchen. Ich kann auf mich selbst aufpassen.“

„Weiß ich doch“, gab Doflamingo mit halbherzig klingender Stimme zurück und winkte ihm hinterher, als er sich allein auf den Weg zurück zur Bar machte.

Tatsächlich fühlte Crocodile sich inzwischen sehr wohl. Bisher war (noch) nichts Unerwartetes oder Beunruhigendes geschehen; und dabei befanden sie sich bereits seit über einer Stunde im Skypia. Er war weder auf seinen Exfreund noch auf einen dessen Freunde gestoßen. Langsam begann er ernsthaft zu glauben, dass es wirklich eine schöne Nacht ohne besondere Zwischenfälle werden würde.

Crocodile war beinahe an der Bar angelangt, die er im Visier hatte, als er plötzlich von der Seite angesprochen wurde. „Crocodile? Bist du es?“ Als Crocodile in die Richtung sah, aus der die tiefe und melodische Stimme kam, sah er einen großgewachsenen und sehr muskulösen Mann mit hellen Haaren. Sofort hielt Crocodile in seiner Bewegung inne. Er traute seinen Augen kaum.

„Daz?“, fragte er verwundert. „Was... was machst du denn hier? Mit jemandem wie dir hätte ich in einem Nachtclub als letztes gerechnet!“

„Das gleiche könnte ich dich fragen“, erwiderte sein alter Freund.

Daz und er hatten damals zusammen studiert und während ihrer Studienzeit sogar in nebeneinanderliegenden Apartments gewohnt. Und auch wenn sie inzwischen in unterschiedlichen Städten arbeiteten und wohnten, und sich leider nur sehr selten treffen konnten, verstanden sie sich noch immer ausgezeichnet.

„Ach, ich bin nur wegen meinem Freund hier“, verteidigte Crocodile sich. Weil Daz ihm daraufhin einen fragenden Blick zuwarf, fügte er noch hinzu: „Er ist gerade auf der Tanzfläche. Wir sind mit ein paar Freunden hierher gekommen. Ich wollte mir eigentlich nur eben einen Drink holen.“

„Das trifft sich gut“, meinte Daz. „Dasselbe hatte ich nämlich auch vor.“

Gemeinsam gingen sie zur Bar hinüber. Crocodile bestellte sich einen Wodka-Orange, Daz ein Bier. Sein ehemaliger Mitstudent und Nachbar warf ihm einen skeptischen Blick zu, als er den ersten Schluck des orangefarbenen Misch-Getränks nahm. „Verträgst du so etwas überhaupt?“, wollte er wissen.

Crocodile rollte mit den Augen. „Klar, ich darf bloß nicht zu viel davon trinken“, erwiderte und trank einen zweiten Schluck. Um von diesem Thema, das ihm immer ein wenig unangenehm war, schnell wieder fortzukommen, fragte er: „Bist du heute Nacht allein hier? Oder hast du auch ein paar Freunde mitgebracht?“

„Ich bin mit Paula hier“, antwortete Daz. Paula war die Besitzern von Spider's Cafe und seine Cousine, erinnerte Crocodile sich. „Aber sie hat eben zwei Freundinnen getroffen und jetzt kommen die Drei nicht mehr aus dem Quatschen raus. Du weißt ja wie die Frauen sind.“ Wenn Daz solche Dinge sagte, dann klang es meistens sehr unfreundlich, doch Crocodile kannte ihn lange genug, um zu wissen, dass er es gar nicht böse meinte. Er war einer dieser Typen mit einer rauen Schale und einem weichen Kern.

„Sie hat mir erzählt, dass du dich letztens wieder mit Mihawk und Hancock in ihrem Cafe getroffen hast“, fuhr Daz fort. „Und mit einem Kerl, den sie allerdings nicht kannte. War das dein Freund?“

Crocodile nickte. „Richtig. Sein Name ist Donquixote Doflamingo. An diesem Abend habe ich ihn meinen Geschwistern vorgestellt gehabt.“

„Paula meinte, dass er ziemlich komisch ausgesehen haben soll. Hätte nicht einmal drinnen seine Sonnenbrille abgelegt.“

„Er wirkt vielleicht tatsächlich ein wenig sonderbar, wenn man ihn das erste Mal sieht“, gab Crocodile zu und nippte an seinem Getränk, „aber er ist ein wirklich toller Mensch. Und sehr verliebt in mich. Wir beide sind auf jeden Fall sehr glücklich miteinander.“

„Das freut mich“, erwiderte Daz und schien beruhigt zu sein. Er hatte schon damals während ihres Studiums immer ein Auge auf seinen vier Jahre jüngeren Nachbarn gehabt und sich sehr um diesen gesorgt. Ihre Beziehung war absolut ohne jede romantische oder sexuelle Komponente, aber trotzdem sehr innig. Crocodile sah Daz fast schon als eine Art zweiten großen Bruder an.

„Aber sollte er Ärger machen, dann sagst du mir Bescheid.“ Das war keine Frage oder Bitte, sondern eine Feststellung.

Crocodile nickte zwar, doch rollte unterdessen erneut mit den Augen. „Du musst dir keine Sorgen um mich machen, Daz“, meinte er. „Doflamingo ist nicht wie Enel.“

„Das kann man nie wissen“, erwiderte dieser. „Enel hat sich während der ersten Zeit schließlich auch ganz gut verhalten. Dass er ein riesiges Arschloch ist, kam erst später heraus. Ich will nur, dass du weißt, dass du mich immer anrufen kannst, wenn irgendetwas nicht in Ordnung sein sollte.“

„Das weiß ich zu schätzen“, sagte Crocodile. „Aber Doflamingo gehört wirklich zu einer ganz anderen Sorte Mensch. Glaub mir. Er ist zwar manchmal ein bisschen egoistisch und eifersüchtig, aber diese Eigenschaften hat er nie zu verbergen versucht. Und ansonsten ist er unglaublich lieb und fürsorglich.“

„Wani?“

Crocodile wandte sich um und entdeckte seinen Partner, der anscheinend Ausschau nach ihm hielt; im Schlepptau hatte er Bellamy und Law. Crocodile winkte ihnen rasch zu, damit sie ihn leichter fanden.

Keine halbe Minute später legten sich von hinten zwei kräftige Arme um seinen Oberkörper. „Da bist du ja!“, meinte Doflamingo und bettete seinen Kopf auf die Schulter seines Partners, auch wenn er sich deswegen furchtbar verbiegen musste, weil dieser nämlich deutlich kleiner war als er. „Wir hatten doch vereinbart, dass du dir nur eben ein Getränk holst und dann wiederkommst.“

Crocodile unterdrückte ein Seufzen und warf Daz, der Doflamingo skeptisch musterte, einen entschuldigenden Blick zu. Er schämte sich schrecklich für die eindeutigen Besitzansprüche, die sein Freund deutlich machte. Zum Glück hatte er seinen Studienkollegen bereits darüber informiert, dass Doflamingo schnell eifersüchtig wurde.

„Wenn man vom Teufel spricht“, begrüßte Crocodile seinen Partner und schob dessen Kopf von sich fort.

„Ihr habt über mich gesprochen?“, hakte Doflamingo nach, der sich zwar diese Geste gefallen ließ, dafür allerdings den Griff um den Körper seines Freundes noch weiter verstärkte.

„Das ist Daz“, stellte Crocodile seine ehemaligen Mitstudenten vor. „Wir haben an der selben Universität studiert und während des Studiums nebeneinander gewohnt.“

Für einen Moment musterten Doflamingo und Daz sich gegenseitig, ehe sie beide schließlich stumm nickten. Crocodile seufzte erleichtert auf. Er hoffte, dass es zwischen seinem Partner und seinem Studienfreund zu keinen Problemen kommen würde.

„Kommst du dann jetzt wieder mit?“, drängte Doflamingo und zerrte ihn mit sanfter Gewalt von dem Barhocker, auf dem er saß. „Die Anderen warten schon auf uns. Wir haben uns Sorgen um dich gemacht, weil du so lange weggeblieben bist.“

„Ich habe dir doch gesagt, dass ich auf mich aufpassen kann“, entgegnete Crocodile verärgert, ließ sich das Verhalten seines Freundes allerdings gefallen. Es empörte ihn, dass er in dieser Situation eher wie ein Gegenstand als ein selbstständiger Mensch behandelt wurde, doch er rief sich schnell ins Gedächtnis, dass dies ein schlechter Ort und Zeitpunkt war, um solche Dinge zu diskutieren.

Er wendete sich Daz zu und sagte: „Ich gehe dann jetzt wieder zu meinen Leuten, wenn dich das nicht stört, Daz. Es war sehr nett, mal wieder mit dir zu plaudern. Du kannst mich gerne anrufen, wenn du demnächst mal wieder in der Gegend sein solltest.“

„In Ordnung“, erwiderte Daz, während er leicht lächelte und ihm zum Abschied zuprostete. „Bestimmt hat Paula den Plausch mit ihren Freundinnen inzwischen beendet. Dann auf Wiedersehen.“

Kaum hatte sein ehemaliger Nachbar das letzte Wort zu Ende gesprochen, nahm Doflamingo ihn an die Hand und zog ihn zu dem Platz hinüber, an dem Law und Bellamy warteten. Die beiden Freunde seines Partners hatten die Situation aus sicherer Entfernung heraus beobachtet. Sie sagten nichts, während sie sich auf den Weg zurück zur Tanzfläche machten.

„Du hast also mit diesem Daz zusammen studiert?“, hakte Doflamingo nach, als der Rest ihrer Gruppe wieder in der tanzenden Menge verschwunden war.

„Ja“, antwortete Crocodile mit zusammengezogenen Augenbrauen und nahm einen Schluck seines Mischgetränks. „Das habe ich doch eben schon gesagt. Ist irgendetwas nicht in Ordnung?“

Doflamingo verzog den Mund. Schließlich meinte er: „Ich bin mir nicht sicher, ob ich diesen Typen sonderlich gut leiden kann.“

Crocodile seufzte und rollte mit den Augen. „Dass du immer so furchtbar eifersüchtig sein musst!“

„Ich bin nicht eifersüchtig“, entgegnete sein Freund. „Wenn ich wirklich eifersüchtig gewesen wäre, dann hätte ich mich anders verhalten. Ich möchte nur gerne über die Leute Bescheid wissen, mit denen du zu tun hast. Habt ihr zusammen in einer WG gewohnt?“

„Nein“, erwiderte Crocodile spitz und verschränkte die Arme vor der Brust. „Ich weiß zwar nicht, was dich das angeht, aber unsere Apartments lagen nebeneinander. Ich habe während meines gesamten Studiums allein gewohnt.“

„Ist diese Paula, die er erwähnt hat, seine Freundin? Oder seine Frau?“

„Sie ist seine Cousine. Du kennst sie sogar: Ihr gehört Spider's Cafe. Dort haben wir uns mit meinen Geschwistern getroffen, wenn du dich erinnerst. Aber warum interessieren dich diese Details überhaupt?“

„Ich habe dir doch bereits erklärt, dass ich gerne über die Leute Bescheid wissen möchte, mit denen du zu tun hast.“

„Das habe ich schon verstanden“, entgegnete Crocodile. „Aber wieso?“

Doflamingo zuckte mit den Schultern. „Ich mag das nun einmal nicht, wenn mein Freund mit Männern redet, die ich nicht kenne. Vor allem in einem Nachtclub nicht!“

Crocodile sog scharf die Luft zwischen seinen Zähnen ein. „Was willst du damit sagen?!“, fragte er wütend. „Glaubst du, nur weil ich homosexuell bin, springe ich mit jedem Mann ins Bett, der mir über den Weg läuft?!“

„Ich... Nein, natürlich nicht. So war das nicht gemeint“, versuchte Doflamingo ihn zu beschwichtigen. „Es ist nur so, dass eins schnell zum anderen führt, wenn du verstehst, was ich meine: Ihr seid beides Männer. Ihr habt euch lange nicht mehr gesehen. Ihr trinkt Alkohol. Verdammt, ich weiß doch, wie solche Dinge in einem Club ablaufen.“

Crocodile fühlte sich wie vor den Kopf geschlagen. Er konnte einfach nicht fassen, was sein Freund da gerade sagte. Als er sich schließlich wieder gesammelt hatte, wich die Fassungslosigkeit Wut und Empörung.

„Hast du eigentlich noch alle Latten am Zaun?!“, brüllte er und warf seinem Partner den zornigsten Blick zu, den er im Repertoire hatte. „Ich kann es wirklich nicht glauben, dass du mir so etwas unterstellst! Ich bin in einer Beziehung noch nie fremdgegangen! Kein einziges Mal!“

„Das habe ich doch auch gar nicht behauptet!“, erwiderte Doflamingo verzweifelt. „Aber ich weiß, dass man sich anders verhält, wenn man betrunken ist. Und dass man dazu neigt, falsche Entscheidungen zu treffen. Entscheidungen, die man später bereut.“

„Ich habe heute Nacht bisher nur ein einziges alkoholisches Getränk getrunken!“, sagte Crocodile mit giftiger Stimme. Er war nicht nur schrecklich wütend, sondern fühlte sich durch die Aussagen seines Partners dazu auch noch sehr verletzt. Vor allen Dingen, weil er sich selbst für eine Person hielt, bei der Eifersucht und Misstrauen völlig ungerechtfertigt waren.

„Ich habe Daz nicht einmal berührt. Zwischen uns war und ist überhaupt nichts. Es gab nicht den geringsten Anlass, um eifersüchtig zu reagieren. Und außerdem ist Daz sowieso heterosexuell!“

Crocodile schwieg für einen kurzen Moment. Er nahm den letzten Schluck Wodka-Orange aus seinem Glas und stellte es dann zur Seite. Diese Diskussion mit seinem Partner strengte ihn furchtbar an. Sein Atem ging schneller als üblich und außerdem wurde ihm plötzlich bewusst, wie unangenehm heiß es im Skypia doch war. Er rieb sich mit der rechten Hand über die Stirn und seufzte dann.

Eigentlich war er hierher gekommen, um Streit mit seinem Partner zu verhindern. Aber nun ging sein Plan völlig nach hinten los. Und zwar nur, weil Doflamingo bei jeder Kleinigkeit gleich eifersüchtig und stur reagierte!

„Beenden wir diese Diskussion“, sagte Crocodile schließlich und versuchte sich zu beruhigen. „Wir sind hier, um Spaß zu haben und nicht, um wegen irgendwelcher Lappalien zu streiten. Nicht wahr? Also entschuldige dich einfach bei mir und dann lassen wir diese Sache auf sich beruhen. In Ordnung?“

Doflamingo verschränkte die Arme vor der Brust und verzog den Mund. „Wieso sollte ich mich entschuldigen?“, meinte er in einer patzigen Stimmlage. „Ich habe dir schließlich überhaupt nichts unterstellt! Was du aus meinen Worten heraushörst, ist deine Sache! Ich bin nur verantwortlich für das, was ich sage und nicht für das, was du verstehst!“

„Das ist doch jetzt wohl nicht dein Ernst!“, entgegnete Crocodile. „Du weißt doch ganz genau, was du eben gesagt hast!“

„Natürlich weiß ich, was ich eben gesagt habe“, meinte Doflamingo unerbittlich. „Und ich weiß auch, dass ich nichts gesagt habe, was eine Entschuldigung wert wäre. Ich habe dich weder beleidigt noch dir unterstellt, dass du mich betrügen würdest. Ich kann nichts dafür, wenn du so empfindlich reagierst!“

„Donquixote Doflamingo!“

Als Crocodile wutentbrannt den Namen seines Partners ausspie, zuckte dieser bloß ungerührt mit den Schultern. Und genau diese bodenlose Unverschämtheit war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Crocodile verlor jede Selbstkontrolle. Dass er nächste Woche bei seinem Partner einziehen wollte, interessierte ihn plötzlich nicht mehr. Er war völlig außer sich.

„Weißt du was?!“, meinte er fuchsteufelswild. „Fick dich doch selbst, du verdammtes Arschloch! Deinen beschissenen Stolz kannst du dir sonst wohin stecken! Du kannst dich wieder bei mir melden, wenn du bereit bist dich dafür zu entschuldigen, dass du dich wie ein unreifes Kind benimmst!“

Und mit diesen Worten machte Crocodile kehrt und steuerte den Weg zurück zur Bar an. Er würde sich noch einen letzten Wodka-Orange gönnen, ehe er das Skypia verließ - und zwar für immer. Da der Mietvertrag für seine Loft-Wohnung erst in einer Woche auslief, konnte er sich zum Glück dorthin zurückziehen. Zumindest so lange, bis Doflamingo endlich zur Besinnung kam und sich bei ihm entschuldigte.

„Crocodile! Hey! Warte doch!“ Crocodiles einzige Reaktion auf die Rufe seines Partners war der ausgestreckte Mittelfinger, den er ihm zeigte, ohne stehenzubleiben oder sich umzudrehen.
 

Crocodile ließ sich seufzend auf einen freien Barhocker nieder und strich sich eine verirrte Haarsträhne aus dem Gesicht. Ein kurzer Blick auf sein Handy sagte ihm, dass es inzwischen fast zwei Uhr nachts war. Er hatte gar nicht vorgehabt, so lange im Skypia zu bleiben. Nun ja, er würde ja sowieso gleich gehen, dachte er und wartete darauf, dass der Barkeeper auf ihn aufmerksam wurde, er gönnte sich bloß noch einen allerletzten Drink. Den hatte er nach dem Streit mit seinem Partner dringend nötig.

„Einen Wodka-Orange, bitte“, sagte er, ohne auf das Gesicht des Barkeepers zu achten.

„Wodka-Orange, Alligator?“, erwiderte der Mann hinter der Theke. „Verträgt dein Magen das Zeug überhaupt? Aber gut. Kommt sofort!“

Erschrocken blickte Crocodile auf und sah dem Barkeeper dabei zu, wie er den bestellten Drink mischte. Der Mann war sehr groß, verbarg den Großteil seines hellblonden Haars unter einem weißen Kopftuch und hatte eine überaus markante Nase. Das konnte nicht wahr sein!

„E-enel“, meinte Crocodile mit zittriger Stimme. „Was machst du denn hier?“

Enel grinste schelmisch. „Was ich hier mache? Mir gehört der Laden. Schon vergessen?“ Immer noch grinsend reichte er seinem Exfreund den gewünschten Wodka-Orange hinüber, den dieser zögernd annahm.

Crocodile fühlte sich im Moment völlig überfordert mit der gesamten Situation. Wenn er ehrlich war, dann hatte er nicht mehr damit gerechnet, auf Enel zu treffen. Nicht jetzt, wo er das Skypia sowieso gerade verlassen wollte.

„Natürlich habe ich das nicht vergessen“, sagte Crocodile und nippte an seinem Getränk, damit Enel nichts von seiner Fassungslosigkeit mitbekam. „Ich wundere mich nur, dass du als Besitzer selbst hinter der Theke stehst.“

Enel zuckte mit den Schultern. „Einer der Barkeeper ist kurzfristig erkrankt und heute Nacht ist sehr viel los“, erklärte er, „da musste ich selbst einspringen. Aber mir macht das nicht viel aus. Ich bin ja gerne in meinem Club und habe Kontakt zu meinen Gästen.“

„Das ist schön zu hören“, sagte Crocodile und nahm einen großen Schluck seines Getränks. Sofort spürte er, dass der Alkohol ihn beruhigte. Ein wenig benommen rieb er sich mit der rechten Hand über die Schläfe.

Es kam ihm komisch vor, so ausgesprochen freundlich und höflich mit seinem Exfreund zu reden, auch wenn ihre Trennung nun bereits schon einige Jahre her war. Schließlich hatten sie sich nach einer fast fünfjährigen Liebesbeziehung definitiv nicht im Guten getrennt. Eigentlich hatte Crocodile damit gerechnet, dass es riesigen Streit geben würde, sollten sie beide jemals wieder aufeinander treffen. Nun allerdings verhielt sich Enel völlig ruhig und friedlich - und Crocodile wusste überhaupt nicht, wie er mit dieser unerwarteten Situation umgehen sollte.

„Ich weiß, woran du jetzt denkst“, sagte Enel. „Sicher hast du immer geglaubt, dass wir nie wieder in einem vernünftigen Ton miteinander reden würden. Ich gebe zu, dass diese Vorstellung sicher wahr geworden wäre, wenn unser Wiedersehen ein paar Jahre früher stattgefunden hätte. Aber inzwischen habe ich mich geändert. Ich trauere unserer Beziehung nicht mehr hinterher, Alligator. Und ich würde mich gerne bei dir entschuldigen und dann das Kriegsbeil endlich begraben. Wenn du damit einverstanden bist.“

Wäre doch nur Doflamingo so reif, dachte Crocodile sich und nickte langsam. Er fühlte sich gerade wie im falschen Film. Er stritt mit Doflamingo und versöhnte sich mit Enel. In diesem Film waren die Rollen der beiden Hauptpersonen vertauscht worden. Er nahm einen weiteren Schluck Wodka-Orange. Wahrscheinlich träumte er gerade. Zumindest kam es ihm so vor. Tatsächlich spürte er sogar, wie er müde wurde. Aber das war angesichts der aktuellen Uhrzeit auch kein Wunder.

„Was hältst du davon, wenn wir beide zusammen zwei Shots trinken?“, schlug Enel vor und griff bereits nach den entsprechenden Gläsern. „Um unsere Versöhnung zu besiegeln, sozusagen.“

„Klingt gut“, erwiderte Crocodile. Eigentlich hatte er vorgehabt ein wenig mehr zu sagen, doch plötzlich fühlte er sich so träge, dass er nicht mehr in der Lage dazu war. Seine Zunge lag unbeweglich in seinem Mund und sein Schädel fühlte sich so dumpf an, als wäre er mit Watte ausgestopft worden. Dabei hatte er doch gar nicht so viel getrunken.

„Hier, bitte“, sagte Enel und stellte einen Shot vor seinem Exfreund ab. Das kleine Glas war mit einer durchsichtigen Flüssigkeit gefüllt. Wodka, vermutete Crocodile.

„Es tut mir leid, dass ich dir damals so ein schrecklicher Freund gewesen bin“, meinte Enel und hob sein eigenes Glas an. „Ich habe mich wirklich schlecht verhalten. Dafür möchte ich mich bei dir entschuldigen. Ich bereue meine Taten jeden Tag. Dass wir irgendwann einmal Freunde werden, ist vielleicht zu viel gehofft, aber zumindest hoffe ich, dass du mir verzeihen kannst.“

Nach dieser kleinen Rede prostete er Crocodile zu, der nach seinem eigenen Glas griff. Sie tranken die Shots gleichzeitig und in einem Zug aus.
 

bye

sb


Nachwort zu diesem Kapitel:
Hallo lieber Leser,

ich hoffe, dass euch auch das zweite Kapitel von MoL gefallen hat und würde mich über Feedback jeder Art (gerne auch zu der zensierten Fassung) sehr freuen. :)
Irgendwie lässt MoL mich gar nicht mehr los. Womöglich werden aus den geplanten 4 Kapiteln auch 5, das kann ich jetzt noch nicht sagen. Was ich aber sagen kann: Das dritte Kapitel ist bereits fertig und wird demnächst ebenfalls hochgeladen! :)

bye
sb Komplett anzeigen

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