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Yajuu 2

-beyond redemption-
von

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das falsche Lächeln

Es war ein schöner Tag gewesen, sonnig und relativ warm, doch die Stimmung daheim war einfach getrübt. Luca war nicht wiederzuerkennen, nachdem nun auch Pik nicht mehr da war. Kyria tat zwar ihr bestes, ihn aufzuheitern, aber es gelang ihr kaum. Yara und Seth hatten neben der Sache mit Luca ihre eigenen Probleme und so blieb Tiara immer öfter auf der Strecke. Früher hatte sie Luca noch zum Lachen bringen können, selbst wenn er schlecht drauf war, aber heute funktionierte es gar nicht mehr.
 

Da sie die anderen nicht auch noch belasten wollte, versteckte sie ihre wahren Gefühle und überspielte sie stets mit Heiterkeit und Ausgelassenheit. Kyria hatte neben Luca ja auch noch alle Hände voll zu tun, sich um die andere Exile zu kümmern, die in Luas Zimmer einquartiert war und nun schon seit Wochen ohnmächtig dalag.

Tatsächlich hatte Tiara vor zwei Tagen ihren 12. Geburtstag gehabt, doch eine Feier hatte es nicht gegeben. Die Umstände erlaubten es einfach nicht. Zwar hatten Yara, Seth und Kyria ihr bestes versucht, den Geburtstag so schön wie möglich zu gestalten, aber ein Blick auf Luca hatte gereicht, um die Stimmung zu kippen. Sicher hatte er sich bemüht, den Tag nicht zu ruinieren, aber im Moment war er einfach ein seelisches Wrack. Also hatte Tiara es vorgezogen auf Geschenke und einen Kuchen zu verzichten. Ein kleiner Muffin mit Kerze war alles, was sie zugelassen hatte.

Seit einiger Zeit hatte sie daher angefangen, allein zum Tiergarten zu fahren, wenn mal wieder ein besonders schlimmer Tag gewesen war. Auch sie vermisste Lua sehr und sie trauerte ebenfalls um Pik, der sich bei seinen Besuchen oft stundenlang mit ihr beschäftigt hatte. Bei Yara und Seth stand der Abschluss vor der Tür und sie waren im Prüfungsstress, sodass sie kaum Zeit für Tiara hatten. Wann immer sie sich also traurig und einsam fühlte, kam sie hierher und beobachtete die Eulen in ihren Gehegen. Sie mochte diesen Platz am liebsten, denn direkt dahinter lag ein großer Wald, der Naturschutzgebiet war und da dieses Areal etwas abgelegener lag, hatte sie hier ihre Ruhe vor anderen Leuten.
 

Es war schwer immer die Naive zu mimen, die nicht mitbekam, was daheim ablief. Sie wusste, dass Lua damals gegangen war, weil sie selbst krank gewesen war und die Pillen für alle nicht hatte bezahlen können. Heute war Geld kein Problem mehr, denn seit Kyria da war, bezahlte sie alles. Tiara fragte sich daher öfter, ob sie reich war.

Es war klar, dass Lua eine Exile sein musste, aber das hatte Tiara nicht gestört. Sie war einfach nur froh gewesen. Doch dann war da auch die Sache mit Luca und seinem dubiosen Job. Noch lange vor den Zwillingen hatte sie geahnt, was für eine Art Arbeit er nachgegangen war und ihr war auch früh bewusst geworden, dass Luca kein Mensch mehr sein konnte. Sie wusste zwar nicht, was er war, aber auch das war für sie nebenrangig. Hauptsache er ging nicht auch noch, aber genau das befürchtete sie nun. Ihre Familie brach langsam auseinander und als ein Waisenkind, das das erste Mal in ihrem Leben eine gehabt hatte, war das eine Katastrophe.
 

Tiara hatte ihre Eltern durch die Yajuu verloren, woran sie sich aber nicht erinnerte, weil sie damals noch zu jung gewesen war. Danach kam sie in ein Waisenhaus und galt schon sehr bald als schwer vermittelbar, denn sie war infiziert.

Mit vier Jahren galt sie schließlich als hoffnungsloser Fall und sie rannte davon. Da war sie Lua begegnet, die bereits einen Jungen bei sich aufgenommen hatte und nahm sich auch ihrer an. Einige Monate später waren auch die Zwillinge hinzugekommen und ab da war Tiara wirklich glücklich gewesen, wenn auch nur für relativ kurze Zeit.

Da musste Tiara husten, was sie aus den Gedanken riss. Achja, sie hatte ganz vergessen heute die Tabletten gegen den Virus zu nehmen. Sie kramte die kleine Dose, die sie immer dabei hatte, heraus und drehte sie zwischen den Fingern hin und her. Warum nahm sie die Dinger überhaupt noch? Ihr war, als würde nach und nach sowieso jeder zur Bestie mutieren, warum also nicht auch sie? Doch sie verwarf den Gedanken wieder. Sie wollte ein Mensch bleiben, denn sie wusste, dass es die anderen sehr enttäuschen würde, wenn sie das einfach wegwarf, nachdem sowohl Lua, als auch Luca so hart dafür gearbeitet hatten, damit sie und die Zwillinge immer die Tabletten bekamen. Immerhin waren die Dinger ja nicht gerade billig.
 

Da landeten die ersten Tropfen auf der Pillendose. Es hatte zu regnen begonnen, doch Tiara machte das nichts aus. Das Wetter unterstrich ihre Stimmung nur noch und so war sie binnen Minuten vollkommen durchnässt.

Plötzlich hörte sie Schritte, die sich ihr langsam näherten. Als sie aufschaute, sah sie einen der ehrenamtlichen Mitarbeiter des Tiergartens, der mit einigen Eimern mit Tierfutter unterwegs war. Sie hatte ihn hier schon oft gesehen, seit sie regelmäßig herkam. Er kümmerte sie um die Eulen. So spät war es schon? Sie hatte ganz die Zeit aus den Augen verloren. Es dämmerte ja auch schon.
 

„Nanu? Was machst du denn hier so ganz allein?“, fragte er und stellte die Eimer, die er vor dem Regen abgedeckt hatte, auf den Boden.
 

Sofort setzte Tiara wieder ihre heitere Miene auf und lächelte: „Hab einfach die Zeit vergessen fürchte ich.“ Ihr Gegenüber hob skeptisch eine Augenbraue. Kei, so war der Name auf seinem Namensschild, musste Mitte bis Ende 20 sein und hatte ein recht auffälliges Aussehen. Jedes Mal wenn sie ihn sah, trug er Kontaktlinsen in anderer Farbe, manchmal waren die Augen auch unterschiedlich. Seine strubbeligen Haare waren immer nach hinten gekämmt und wurden von einem schlichten, schwarzen Haarreif gehalten. Aber auf der linken Seite hatte er eine ziemlich lange Strähne, die er immer geflochten trug und außerdem waren seine Haare blaugrün gefärbt. Mehrere Tattoos und Piercings hatte er auch, sodass er immer etwas einschüchternd wirkte. Tiara ließ das aber immer kalt. Sie war einfach schon schlimmeres gewohnt.
 

Dazu stand seine typische grüne Arbeiterkleidung im krassen Gegensatz zum Rest des Aussehens. Kei war von recht schmaler Statur und so wirkte die Kleidung an ihm ein bisschen zu weit.

Tiara fiel auf, dass seine Kontaktlinsen heute mal blau waren. Aber die linke Seite hatte ein viel helleres Blau, als die andere Seite. Sie fragte sich ja, was wohl seine originale Augenfarbe war.

„Soso, Zeit vergessen also.“, riss Kei sie nun wieder aus den Gedanken, „Passiert dir in letzter Zeit öfter, huh? Ich sehe dich hier regelmäßig sitzen. Du wirkst immer ziemlich depri, wenn du mich fragst.“

Tiara wollte es gerade herunterspielen, als er sagte: „Mach dir nicht die Mühe mir was vorzuspielen, Kleine. Hab dich längst durchschaut. Also, wie wär´s wenn wir stattdessen versuchen, dich etwas aufzumuntern?“ Irgendwie war Tiara richtig erleichtert darüber, dass er wusste, wie sie wirklich drauf war. So zwang sie sich nicht mehr zu lächeln und steckte dafür die Tablettendose weg, die sie noch immer in den Fingern hielt.

„Mein Name ist Tiara.“, stellte sie sich nun vor.
 

„Ok. Ich bin Kei.“, lachte er nur belustigt und nahm einen Deckel von den Eimern. Es regnete nur noch schwach und sobald die Eulen das Futter sahen, wurden sie gleich ganz aufgeregt.

„Kümmerst du dich nur um die Eulen?“, fragte Tiara neugierig und sah dabei zu wie Kei ein paar tote Mäuse in den Volieren verteilte.
 

„Jup, sind irgendwie die einzigen Tiere, die mich zu mögen scheinen.“, lachte Kei daraufhin und hielt eine Hand in die Voliere hinein. Ein riesiger Uhu landete auf dem Arm und ließ sich brav mit nach draußen nehmen. Er machte zu Tiaras Erstaunen keine Anstalten wegzufliegen.

„Das ist Lica.“, stellte Kei den Uhu vor, „Er ist sehr zahm. Wenn du möchtest, kannst du ihn gern streicheln.“

Etwas zögerlich streckte Tiara eine Hand aus. Die leuchtenden Augen des Tieres beeindruckten sie, wie sie in der Dämmerung funkelten und alles zu sehen schienen. Vorsichtig strich Tiara über die Federn an der Brust und der Uhu hielt tatsächlich still.
 

„Ist ja richtig weich.“, stellte Tiara beeindruckt fest und begann ohne es zu merken, zu lächeln. Dieses Mal war es endlich mal wieder ein ehrliches Lachen.
 

„Freut mich dich kennenzulernen.“, sprach sie zu dem Vogel, „Du bist wirklich toll.“
 

„Hm, er scheint dich zu mögen.“, stellte Kei fest, „Sonst hätte er sich schon längst von dir abgewandt, weißt du?“

„Cool.“, freute sich Tiara und grinste noch breiter. „Hab noch nie eine Eule gestreichelt.“

„Na dann hast du wohl was verpasst.“, neckte Kei sie. Nach einer Weile ließ er den Uhu wieder in seine Voliere zurück und verstaute die Eimer. Mittlerweile war es dunkel geworden und allmählich begann Tiara zu frieren. Immerhin war sie noch immer durchnässt und auch der Regen wurde langsam wieder stärker. Gepaart mit einem lästigen Wind wurde das langsam unangenehm. Der Tiergarten machte eh gleich zu und so wurde es wohl höchste Zeit zu gehen.

Da spürte sie bereits den Hustenreiz aufkommen und konnte es nur spärlich unterdrücken. Kei fiel das natürlich auf und sagte: „Du hast dich doch wohl nicht erkältet bei dem Wetter? Komm mit, bei uns im Aufenthaltsraum mach ich dir eine Tee oder ´nen Kakao, damit du dich wieder aufwärmen kannst. Natürlich nur, wenn du willst.“

Tiara war perplex. Warum war er denn so nett zu ihr? Eigentlich wollte sie ablehnen, aber nach Hause wollte sie auch noch nicht und so stimmte sie letztlich doch zu.
 

„Ok… dann hätte ich gern einen Kakao.“, sagte sie schüchtern.
 

„Gut, dann folge mir. Ich bringe nur noch schnell die Eimer weg.“, freute sich Kei und setzte sich in Bewegung.

Wenige Minuten später saßen er und Tiara im Aufenthaltsraum. Vor ihr stand wie versprochen eine große Tasse Kakao und sie genoss die Wärme sehr. Gerade kam auch Herr Takato, der Besitzer des Tiergartens, herein.

„So hab abgeschlossen, ihr könnt dann Feierabend machen, wenn ihr noch nicht weg seid.“, verkündete er und bemerkte dann erst Tiara.

„Oh Hallo Tiara. Was machst du denn noch hier?“, fragte der alte Mann freundlich. Er kannte sie ja schon seit Jahren und ließ sie immer kostenlos in den Tiergarten kommen.

„Sie hat wohl im Regen die Zeit vergessen, Chef. Da hab ich sie kurz mit her gebracht. Hoffe das ist ok.“, erklärte Kei schnell.
 

Doch Herr Takato winkte nur lachend ab. „Ach ist doch kein Problem. Sie und ihre Familie sind hier stets willkommen. Aber bist du denn allein hier?“
 

Tiara nickte schüchtern. „Ja, die anderen hatten leider keine Zeit mitzukommen.“

„Das ist schade. Mir scheint, sie haben in letzter Zeit alle viel zu tun, was?“, fragte der alte Mann nach.

„Leider…“, gab Tiara betrübt zurück, aber setzte sogleich wieder ihr überspielendes Lächeln auf und meinte: „Aber ist doch nicht schlimm. Bin ja alt genug, um auch mal was allein zu machen.“ Kei warf ihr seitlich einen Blick zu, den sie zwar bemerkte, aber nicht deuten konnte.
 

„Das mag ja stimmen, aber es ist schon ziemlich spät.“, mahnte Takato sie, „Soll Kei dich nicht lieber nach Hause fahren? Er ist ein guter Kerl, der macht sicher keinen Blödsinn.“ Takato lachte über seine eigene Aussage und auch Kei konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Was sollte er auch mit einer 12 Jährigen anfangen?

„Aber das kann ich doch nicht annehmen.“, protestierte Tiara., „Ich meine, das ist voll weit weg.“

„Eben deswegen ja. Ich habe ja kein Auto, sonst hätte ich es dir selbst angeboten.“, gab Takato zurück, „Besonders Nachts sind viele Yajuu und Exile unterwegs. Ich denke nicht, dass du da allein herumlaufen solltest.“

Tiara seufzte. „Na gut…“

„Na geht doch. Dann mal noch was anders“, meinte Takato zufrieden und strubbelte ihr im Vorbeigehen durch die dunkelbraunen Haare. „Alles Gute noch nachträglich zum Geburtstag.“, lachte er und stellte ein kleines Päckchen mit Schleife vor ihr auf den Tisch.

„Sie haben wirklich daran gedacht?“, wunderte sich Tiara und ihre Augen begannen zu glänzen.

„Aber sicher doch. Du bist doch schließlich eine unserer besten Stammgäste. Es ist nur eine Kleinigkeit, aber ich hoffe es gefällt dir.“
 

„Danke schön.“, freute sich Tiara und strahlte vor Freude.

Takato lächelte zufrieden und nickte. „Ich werde mich dann auch verabschieden. Ich hoffe man sieht sich bald wieder. Ach und Kei? Schließ dann bitte hier ab, wenn du gehst, ja?“

„Mach ich, Chef.“, gab jener sofort zurück. Mit einem Nicken verließ Herr Takato den Aufenthaltsraum und damit waren Tiara und Kei wieder allein. Tiara hielt das Geschenk, was kleiner als ihre Hände war, wie einen Schatz und wagte nicht, es zu öffnen.
 

„Wollen wir dann?“, fragte Kei nachdem sie mit ihrem Kakao fertig war.
 

„Und das macht dir wirklich nichts aus? Ich meine, Herr Takato hat das ja jetzt irgendwie bestimmt, ohne dich wirklich zu fragen, ob das in Ordnung ist.“, erwiderte Tiara etwas zurückhaltend.

„Ne ist kein Problem.“, winkte Kei ab, „Ich fahr gern Auto.“
 

„Na gut…“, gab sie nach und packte ihre Sachen zusammen. Als sie gerade den Aufenthaltsraum verließ, sah sie, dass es noch stärker regnete als vorhin. Sie war gerade erst wieder halbwegs trocken, aber da musste sie wohl durch. Sie trat gerade unter dem schützenden Dachvorsprung hervor, als ein Schirm aufschnellte. Kei stand neben ihr, in der einen Hand den großen Schirm, in der anderen die Autoschlüssel, die er lässig hin und her schwang.

„Damit du nicht gleich wieder nass wirst.“, verkündete er und machte sich auf den Weg. Tiara folgte ihm langsamen Schrittes, das Geschenk immer noch zwischen den Händen.

„Von mir übrigens auch alles Gute nachträglich.“, sagte Kei, um die Stille zu brechen.

„Oh, danke schön.“, lächelte Tiara ihm zu. Sie erreichten gerade den Parkplatz, welcher bis auf ein Auto leer war. Kurz bevor sie das Auto aber erreichten, hörte Tiara plötzlich ein Knacken, das ganz aus der Nähe kam. Auch Kei hatte es offenbar gehört.
 

„Was war das?“, fragte Tiara leise. Sofort kamen die Erinnerungen vom Exile im Tiergarten wieder hoch, den Luca beinahe getötet hatte. Aber jetzt war gerade niemand da, der es mal eben mit so einem Vieh aufnehmen konnte und ihr wurde mulmig zumute.

Da knackte es erneut und in einiger Entfernung erschien eine Gestalt aus dem Unterholz. Von hier aus sah es auf jeden Fall wie ein Mensch aus.
 

„Halt den mal bitte.“, sagte Kei und reichte Tiara den Schirm. „Warte am Auto, bin gleich wieder da.“

Kei wirkte jetzt nicht sonderlich besorgt, dennoch war Tiara sich unsicher. Sie blieb brav am besagten Auto stehen und sah zu, wie Kei zu der Gestalt herüberging, welche ihm entgegenkam.

„Huh? Ich dachte hier ist niemand mehr?“, wunderte sich sein Gegenüber. Es war ein Jugendlicher, der vermummt und mit Rucksack auf dem Rücken durch die Nacht zog. Bei jedem Schritt klapperte es verdächtig, als hätte er eine Menge Sprühdosen dabei.

„Wir haben geschlossen.“, verkündete Kei gelassen und positionierte sich ihm gegenüber. „Ich an deiner Stelle würde es ohnehin sein lassen.“ Die Drohung war nicht zu überhören. Kei wusste genau, was der Junge hier wollte. Sie hatten schon oft genug Graffiti im Tiergarten gehabt, manchmal auch Randale, die sie dann hinterher immer den halben Tag beseitigen mussten. Kei hatte darauf keinen Bock.

Doch sein Gegenüber sah das ein wenig anders. „Hey man, jetzt sei doch mal locker. Ist schließlich ein freies Land hier.“

„Das schon, aber das schließt nicht mit ein, alles zu verwüsten.“, gab Kei leicht genervt zurück. „Also verschwinde einfach wieder von hier, Junge.“
 

Doch dieser fand das gar nicht komisch. Er begann verärgert zu grinsen uns setzte den Rucksack ab. „Weißt du was, ihr geht mir mit euren Regeln echt auf die Nerven.“, verkündete er und positionierte sich in kämpferischer Haltung. Da veränderte sich sein rechter Arm zu einer Klaue und er drohte. „Du verschwindest jetzt von hier oder du kannst froh sein, wenn du es noch in ein Krankenhaus schaffst, kapiert? Ich kann´s nicht ausstehen, wenn man mir Vorschriften machen will.“
 

Kei schien das aber immer noch nicht zu beeindrucken. Stattdessen seufzte er entnervt aus. „Schon wieder so ein Halbyajuu? Was findet ihr nur so toll daran zu so was zu werden, wenn ihr doch eine ganz andere Wahl habt?“

„Tse, sei still.“, meinte sein Gegenüber und spuckte vor ihm auf den Boden. „Hältst dich wohl für was Besseres, weil du gesund bist, was? Dabei solltest gerade du dich fürchten, Mensch. Schließlich steht ihr in der Nahrungskette weit unter uns.“

Nun verdrehte Kei genervt die Augen. „Kinder heute…“, seufzte er, woraufhin der Junge zum Angriff überging. Zugegeben, er war schon recht schnell, aber ein miserabler Kämpfer. Mit den Händen in den Hosentaschen wich Kei ohne Probleme aus. Der Junge holte mit der Klaue aus, doch Kei lehnte sich einfach ein Stück nach hinten weg. Dann trat er den Halbyajuu, sodass dieser nach hinten taumelte. Wütend fauchend rannte dieser wieder auf Kei zu, doch dieses Mal wich er zur Seite aus. Man sah Kei an, dass er sich nicht sonderlich anstrengen musste, um dem Jungen auszuweichen. Irgendwann zog Kei seinem Gegner die Füße mit einem schnellen Tritt weg und er knallte unsanft zu Boden.

„Na warte!“, schrie der Junge nun zornig, sprang wieder auf und rannte wie ein wilder Stier auf Kei zu. Tiara beobachtete das ganze besorgt. Doch Kei sprang im richtigen Moment ab, auf den Rücken des Jungen und daraufhin weiter hinter ihn. Der Junge war wieder aus dem Gleichgewicht geraten und versuchte sich noch im Rennen wieder umzudrehen. Da zog Kei eine Hand aus der Hosentasche, packte den zur Klaue gewordenen Arm und drehte ihn auf den Rücken. Unter Schmerzen ging sein Gegenüber auf die Knie und steckte in der Falle. Wollte er sich nicht den Arm brechen, dann steckte er fest.
 

Kei hingegen seufzte nur wieder genervt. „Bist du jetzt endlich fertig?“, fragte er ungeduldig. „Ich hab heute noch andere Dinge zu erledigen, als mich mit dir herumschlagen zu müssen. Also wenn du nicht willst, dass ich DICH ins Krankenhaus befördere, dann verschwindest du jetzt lieber ganz schnell und lässt dich hier nicht mehr blicken. Kapiert?“

Tiara musste zugeben, dass Kei in diesem Moment wirklich furchterregend aussah. Eigentlich hatte er ja kaum etwas gemacht, aber trotzdem hinterließ er wirklich Eindruck. Dem Jungen ging es offenbar genauso und er gab nun klein bei.

„Ist ja gut, ist ja gut.“, rief er recht wimmernd, „Ich hau ja schon ab. Aber bitte brich mir nicht den Arm, ja?“

Kei ließ ihn nun los und steckte die Hand zurück in die Hosentasche. „Geht doch.“, sagte er und sah zu, wie der Junge seinen Rucksack schnappte und ganz schnell das Weite suchte. Als Kei zu Tiara zurückkam, sagte er: „Tut mir Leid, dass es so lang gedauert hat. Haben hier nur leider öfter mit solchen Typen zu tun. War es ein wenig Leid, ständig hinter denen sauber machen zu müssen. Aber jetzt komm. Du musst bestimmt schon frieren. Ab ins Auto.“

Er öffnete ihr die Tür und nahm den Schirm ab. Tiara war froh ins trockene zu kommen und als Kei Momente später die Heizung anstellte, ging es ihr auch gleich viel besser. Nachdem sie ihre Adresse verraten und er losgefahren war, kamen die beiden wieder ins Gespräch.
 

„Du kannst wohl gut kämpfen, was?“, fragte Tiara neugierig.
 

Kei lachte. „Ach quatsch. Nur ein bisschen, aber für solche Typen reicht es allemal.“
 

„Also ich fand es cool.“, meinte Tiara ehrlich fasziniert.

„Ach hör auf. Du machst mich noch ganz verlegen.“, erwiderte Kei grinsend.

Während der restlichen Fahrt unterhielten sie sich über dieses und jenes. Tiara genoss die Zeit sehr. Es war wirklich mal erfreulich mit jemanden zu reden, der nicht total von Sorgen zerfressen war. Als sie einige Zeit später ihr Haus erreichten, war sie regelrecht traurig darüber. Kei parkte nicht weit entfernt.
 

„So da wären wir.“, verkündete er und streckte sich gähnend.

„Das ging ja echt schnell.“, staunte Tiara und blickte verträumt durch die Frontscheibe auf die Laterne vor ihnen. Sie wollte noch nicht aussteigen und gehen. Noch im selben Moment musste sie wieder husten. Dieses Mal konnte sie es nicht mehr unterdrücken und als sie wieder atmen konnte, sah sie, dass Kei sie kritisch beäugte.

„Du solltest die Tabletten lieber nehmen.“, sagte er ernst, „Halbyajuu braucht die Welt nicht noch mehr.“

Er wusste es? Offenbar durchschaute er ihren geschockten Blick sofort und ergänzte: „Ich hab die Tabletten vorhin gesehen. Aber ist doch nichts dabei. Sei froh, dass du die Chance hast, sie zu nehmen. Früher gab es sowas ja noch nicht. Da war man zum Tode verurteilt, sobald man infiziert war.“

„Ich weiß…“, sagte Tiara kleinlaut, „Ich hab auch nicht vor ein Halbyajuu zu werden, ehrlich.“ Sie kramte die Pillendose aus der Jackentasche und nahm eine der weißen Tabletten heraus. „Ich wünschte nur, dass ich sie gar nicht brauchen würde.“, sagte sie traurig und schluckte sie herunter.

„Kann ich verstehen.“, meinte Kei einfühlsam, „Lass dich davon aber nicht unterkriegen, ja?“

Tiara nickte.
 

„Wenn du mal ein offenes Ohr brauchst, du weißt ja, wo du mich finden kannst.“, sagte er nun und das war zu viel für sie. Es war einfach die Tatsache, dass jemand, den sie kaum kannte, so unheimlich nett zu ihr war. Die Tatsache, dass er es geschafft hatte für kurze Zeit so etwas wie Normalität in ihr Leben zu bringen. Diese Art der Zuneigung vermisste sie sehr und da begann sie zu schluchzen. Sie versuchte verzweifelt die Tränen zurückzuhalten, zumindest bis sie wieder im Haus war, aber es klappte nicht.
 

„Hab ich was Falsches gesagt?“, fragte Kei sie besorgt, woraufhin Tiara energisch den Kopf schüttelte. Kei schien zu verstehen und legte eine Hand auf ihren Rücken. „Das wird schon wieder, ok?“


Nachwort zu diesem Kapitel:
Neuer Charakter, den ich persönlich gern mag und welcher in der zweiten Storyhälfte noch öfter vorkommen wird :3
Mal ein längeres Kapitel, weil es sich nicht zu trennen lohnte.

Hab heute auch erschreckt festgestellt, dass das ganze hier wohl bei 80-90 Kapitel landen wird, da jetzt die Hälfte rum ist o.o Komplett anzeigen

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