Zum Inhalt der Seite

Stummer Schrei

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Kapitel 4

Um 20:00 Uhr saßen die beiden Brüder im Wohnzimmer. Gilbert hatte vor wenigen Sekunden den Film eingesehen und nun lief der Vorspann der DVD. Ludwig saß neben Gilbert auf der Couch und es herrschte Stille zwischen ihnen. Das Film-Menü erschien und Gilbert drückte auf Play. Der Film startete und Gilbert lehnte sich zurück. Wie oft saßen sie schon früher mit ihrer Mutter zusammen und haben den Film zusammen gesehen. Gilbert legte sich quer auf die Couch und bettet seinen Kopf auf Ludwigs Schoß. Ludwigs Hände fanden ihren Weg zu seinem Haar. Es war so vertraut zwischen den Beiden, dass sie niemand stören konnte. Ludwigs Finger fuhren durch sein weißes Haar, spielten mit einzelnen Strähnen. Stille sahen die Brüder den Film und als Gilbert zwischendrin hoch sah, erblickte er die Tränen in Ludwigs Augen. Der ernste Ausdruck war einem traurigen gewichen und Gilbert hatte den Eindruck, dass Ludwig ganz in seinen Gedanken versunken war.
 

Gilbert widerstand dem Drang, Ludwigs Tränen fort zu wischen. Er wollte ihn nicht aus seinen Gedanken reißen. Ludwigs Finger ruhten in seinem Haar und Gilbert drehte den Kopf wieder zum Fernseher. Die Finger krallten sich in sein Haar und er hörte ein leises schniefen. Die Filmmusik schallte durch die Wohnung, doch niemand war da den es stören konnte. Plötzlich stand Ludwig auf, und Gilbert zuckte zusammen als dieser aus dem Raum ging. Gilbert stoppte den Film und sah seinem kleinen Bruder nach. Erst dachte er Ludwig war zur Toilette gegangen, doch als er nach 10min immer noch fort war, stand er auf um nach ihm zusehen.
 

Er fand Ludwig in seinem Zimmer auf dem Bett sitzend. Die Tränen die ihm über die Wange liefen waren nicht zu übersehen. Gilbert klopfte leise und trat dann zu seinem Bruder. Die leicht geröteten Augen Ludwigs blickten zu ihm und ein gequältes Lächeln trat auf seine Lippen. „Es tut mir Leid… Ich..“, Ludwigs Stimme brach. Gilbert setzte sich neben ihn und zog ihn in eine Umarmung. „Schon gut Lud“, murmelte er leise, strich ihm beruhigend über den Rücken. „Ich vermisse sie.“ „Schh schon Okay“, hauchte Gilbert an sein Haar, „Das tue ich auch.“ So saßen sie eine Weile, Gilbert die Arme um Ludwig geschlungen, beruhigend über seinen Rücken streichend. Ludwig barg sein Gesicht an Gilberts Brust und stumm fielen seine Tränen auf dessen T-Shirt.
 

Es tat Gilbert jedes Mal weh, seinen sonst ruhigen und disziplinierten kleinen Bruder so aus der hilflos und verletzt zu sehen. Doch Ludwig setzte noch etwas ganz anderes zu. Die Distanz die ihr Vater seit dem Tod ihrer Mutter zwischen seinen Söhnen und sich aufgebaut hatte. Ludwig hatte schon immer mehr Bezug zu ihrem Vater gehab, als Gilbert. Und das dieser kaum zu Hause war, nicht mit ihnen zusammen trauerte, verletzte Ludwig noch zusätzlich. Während Gilbert in der Schule schlechter wurde, wurde Ludwig immer besser, hing sich in alles was er tat voll rein. Gilbert wusste, er versuchte so die Aufmerksamkeit ihres Vaters zu bekommen, doch dieser war kaum da, um es zu bemerken. Deshalb versuchte Gilbert alles damit es seinem Bruder besser ging, denn er war der letzte den Gilbert noch hatte. Für ihn war sein Vater mit ihrer Mutter in dem Auto gestorben.
 

Nach einer Weile löste sich Ludwig von Gilbert. Seine Tränen waren versiegt und ein dankbares Lächeln legte sich auf seine Lippen. „Schon okay Lud“, sagte Gilbert ehe sein Bruder ansetzen konnte. „Wollen wir weiter gucken, oder es für heute sein lassen?“ Ludwig schüttelte langsam den Kopf. „Nein, schon okay. Lass ihn uns zu Ende sehen.“ Gilbert stand auf und hielt seinem Bruder die Hand hin. Es war als wären sie wieder klein, unschuldige 4 und 7 Jahre und Gilbert zeigte seinem Bruder, dass da kein Monster im Schrank war.
 

Als der Film endete machte Gilbert den Fernseher aus und die Stille legte sich über sie. Einen Moment sagte niemand etwas. „Lass uns Schlafen gehen“, murmelte Ludwig leise und erhob sich um in sein Zimmer zu gehen. Gilbert ging ebenfalls in sein Zimmer um sich umzuziehen. Er zog seine Jogginghose und ein T-Shirt an. Nahm im Bad die Kontaktlinsen heraus und ging dann zu Ludwig. Dieser lag schon in seinem Bett und wartete auf Gilbert. Er rückte stumm bis zur Wand und hob die Decke an. Gilbert legte sich zu ihm und sah zu Decke. „Gute Nacht Gil“, hörte er Ludwig murmeln. Gilbert wandte sich ihm zu. „Nacht Lud“, hauchte er und beobachtete wie Ludwig die Augen schloss. Er beobachtete seinen Bruder noch eine ganze Weile, lauschte seinem immer ruhiger werdenden Atem. Gilbert hatte es seiner Mutter versprochen, er würde auf Ludwig aufpassen. Auch wenn es das letzte war, was er tun sollte. Mit dem Gedanken schloss auch Gilbert die Augen und schlief wenig später ein.
 

Gilbert erwachte am nächsten Morgen, als Ludwig sich neben ihm bewegte. Verschlafen öffnete er die Augen und sah zu seinem Bruder. Dieser hatte sich in der Nacht an ihn gekuschelt und hatte die Augen noch friedlich geschlossen, während er die Hand in das T-Shirt seine Bruders krallte. Gilbert blieb ruhig liegen, wollte seinen Bruder nicht wecken. Seine Brust hob und senkte sich gleichmäßig und er schloss für einen Moment noch mal die Augen. Lauschte Ludwigs Atem, spürte dessen Herzschlag an seiner Seite. Es war so friedlich. Sein Blick viel zu Ludwigs Wecker. Kurz vor 7, in wenigen Minuten würde der Wecker klingeln und sie auffordern aufzustehen. Sie mussten heute nicht zur Schule, Gilbert hatte das geklärt. Er wollte es Ludwig nicht zumuten, nicht an diesem Tag.
 

Der Freitagmorgen war ruhig. Es könnte so friedlich und harmonisch sein, doch Gilbert spürte die gedrückte Stimmung, als er zusammen mit seinem Bruder frühstückte. Sie sprachen nur das nötigste. In wenigen Stunden mussten sie los, um ihren Zug zubekommen. „Hast du schon ein paar Sachen zusammen gepackt?“, fragte Gilbert, nachdem Ludwig die Küche aufgeräumt hatte. Dieser schüttelte leicht den Kopf. „Das wollte ich jetzt machen“, erklärte er leise. Gilbert nickte. Er selbst hatte auch noch nichts zusammen gesucht. Sie würde eh nur bis morgen bleiben und dann zurück fahren. Nach 5 Minuten in denen niemand etwas gesagt hatte, stand Gilbert auf und ging in sein Zimmer.
 

Dort packte er ein paar frische Sachen in seinen Rucksack und stellte ihn neben seine Tür. Er sah zu seinem Wecker. 9:37 Uhr. Er hatte noch knapp eineinhalb Stunden Zeit bis sie los mussten. Den Gedanken nochmal zu Ludwig zu gehen, verwarf er wieder. Sein Bruder sollte sich nicht bedrängt fühlen, sie würden gleich 4 Stunden im Zug sitzen. Nicht wissend was sie erzählen sollten. Seufzend legte Gilbert sich auf sein Bett und sah zur Decke. Ein drückendes Gefühl machte sich in seinem Magen breit. Er wusste nicht woher es kam, doch es war irgendwie vertraut. Das flaue Gefühl nahm nicht ab, es blieb und breitete sich in seinem Körper aus. Seine Hände legten sich auf seinen Bauch und er drehte sich auf die Seite. Die Beine zog er an sich und seine Haltung ähnelte einem Embryo.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück