"Nachdem sie sich beruhigt hatte sammelte sie die Glasscherben ein und brachte sie weg. Dann legte sie sich in ihr Bett und starrte die Decke an. Was machte dieser Mann nur mit ihr? Wieso brachte er sie in solche Verzweiflung? Wie brachte er sie dazu, dass sie ihn so sehr lieben musste?
Er war nicht einmal etwas besonderes. Zugegeben, er sah gut aus, aber das war es dann auch schon. Vom Charakter her wäre er keiner der Männer, in die sich jede Frau verlieben würde. Zumindest sie nicht. Er verstand sie nicht, nahm keine Rücksicht auf ihre Gefühle. Er verletzte sie, nicht nur mit Worten sondern auch mit Taten. Selbst handgreiflich war er einmal geworden. Doch sie hatte ihm alles verziehen. Warum? Sie konnte es selbst nicht sagen. Immerzu versuchte sie alles zu verdrängen, all die Versprechungen, die er ihr gemacht und nicht eingehalten hatte, all die Lügen die er ihr erzählt hatte. Er hasste ihren Charakter, er hasste wie sie sich verändert hatte, doch er verstand nicht, dass allein ER der Grund war. Dass ER sie zu dem Monster gemacht hatte, das sie nun geworden war. Er hatte ihr alles genommen. Ihren letzten Funken Hoffnung, ihre letzte Priese Selbstwertgefühl, ihr letztes quentchen Stolz hatte er ihr geraubt. Und natürlich ihr Herz. Zurückgeblieben war ein misstrauisches Mädchen, das sich selbst mehr hasste als sonst wen, das sich für ein Stück Dreck hielt, welches nichteinmal verdient hatte zu leben. Ein Mädchen, das er geschafft hatte von sich abhängig zu machen. Dann hatte er sie fallen gelassen, immer wieder aufgefangen, nur um sie später wieder loszulassen. Allein. In der Dunkelheit inmitten ihrer Ängste und Sorgen, die versuchten sie zu ertränken. Sie verrückt zu machen...
Doch es klappte nicht. Sie stand auf und schaute in den Spiegel. Sie war stark! Und sie war nicht allein. Egal was er auch getan hatte, sie würde es schaffen von ihm loszukommen. Er war lange nicht mehr der Mann in den sie sich verliebt hatte. Er war nicht mehr derjenige, der ihr all die lieben Worte, all die Dinge und all seine Liebe geschenkt hatte. Er war nicht mehr der, für den es nur sie in seinem Leben gab, er war nicht mehr der Mann, der sich für keine andere Frau außer ihr interessierte. Ja. Er hatte sich verändert und eines wurde ihr schlagartig bewusst.
Er war nicht mehr der, den sie liebte. Nein. Der Mensch von damals.. er existierte nicht mehr!
Sie hielt die Luft an, als sie alle Erinnerungen an ihn verschloss und alle seine Geschenke entfernte. Sie wusste es würde ein neuer Anfang werden. Sie hoffte, dass es da draußen irgendwo jemanden gab, der sie zu schätzen wusste. Der sie liebte, mit all ihren Fehlern. Der ihre Stimmungsschwankungen und Wutanfälle ertrug und einsah, dass kein Mädchen einfach ist. Einer, der ihr jeden Tag bewies, dass er sie liebt und es nicht nur so daher sagte. Ein Mann, der ihr die Erde zu Füßen legen würde und sie nie belügen, beleidigen oder hintergehen würde.
Jemand, der ihr das Gefühl gab etwas einzigartiges und besonderes zu sein. Sie dachte Liebe sei bedingungslos, doch da hatte sie sich getäuscht. Sie musste einen Menschen finden, der das genauso sah.
Sie betrachtete ihr Spiegelbild. Manchmal fand sie es okay und an manchen Tagen einfach nur grauenhaft. Doch irgendwo gab es einen Mann auf dieser Welt, dem egal war welche Makel ihr Aussehen hatte. Dem auch egal war, welche Makel ihre Seele hatte.
Es gab einen Mann, der sie bedingungslos liebte und nie alleine stehen lassen würde. Sie sah aus dem Fenster. Vielleicht war er näher als sie dachte."
