Zum Inhalt der Seite

Abbygails Abenteuer

Road to Lavandia
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Schlechte Etikette (Pressefreiheit)

„Was meinst du, Priss“, frage ich und schiele nach oben, wo ihre Schnauze unter meiner Kapuze hervorlugt. „Ist der hier schön?“ Ich halte den Feuerstein in die Höhe. Er funkelt leicht und bricht das Licht, wenn es in einem bestimmten Winkel auf seine geschliffene Oberfläche trifft.

Priss schüttelt vehement den Kopf.

Louis, der mich zu meinem letzten Einkauf in Prismania begleitet, gluckst und bemüht sich, nicht allzu breit zu grinsen. Er scheitert kläglich.

„Dann eben nicht“, murmele ich, lege den Stein unter strenger Aufsicht einer Mitarbeiterin zurück in die Auslage und greife nach dem nächsten, einem kleineren und etwas ovaleren Exemplar, das rot in meinen Fingern schimmert. Priss gibt ein abfälliges Geräusch von sich und Louis bricht neben mir in einen heiseren Lachanfall aus.

„Freut mich, dass wenigstens du dich amüsierst“, stelle ich säuerlich fest und trete leicht nach seinem Schienbein. Er weicht schnell aus und wischt sich eine Träne aus dem Augenwinkel.

„T-tut mir leid“, presst er hervor. „Aber es ist göttlich, wie du dich von ihr herumkommandieren lässt.“

„Ja, ich glaube, das werde ich jetzt lassen“, sage ich und hebe den kleinen Stein in die Höhe. „Siehst du ihn, Priss? Dieser Stein und kein anderer wird deine Entwicklung zu einem Flamara ermöglichen.“

Sie beißt empört in mein Ohr.

„Was, bist du unzufrieden, Prinzessin?“, frage ich grinsend. „Zu schade, dass du mich nicht aufhalten kannst.“

„Nicht, Abby“, protestiert Louis und folgt mir zur Kasse. „Es war so lustig.“

Schweren Herzens trenne ich mich von den 2100 PD, die meine Unterstützung in Priss´ Liebesangelegenheiten mich kosten und verstaue den Feuerstein in der linken Seitentasche meines Rucksacks. Der Wasserstein, den ich Valentin für sein Quaputzi geben möchte, wenn wir ihn in Saffronia City wiedersehen, steckt in der rechen.

„Brauchst du sonst noch was?“, fragt Louis, als wir uns gemeinsam Richtung Ausgang aufmachen. Priss hat sich beleidigt tiefer unter meiner Kapuze verkrochen und rächt sich nun, indem sie mein Haar mit ihren Krallen schmerzlich verknotet.

„Nicht wirklich“, meine ich und hake mich bei Louis unter. Es ist nur vier Tage her, seit wir unseren ersten Valentinstag zusammen verbracht haben und trotzdem habe ich schon wieder das Gefühl, nie von ihm getrennt gewesen zu sein. So gerne ich reise und neuen Menschen begegne, ein paar Konstanten in meinem Leben sind gar nicht mal so schlecht.

Am Ausgang werden uns eine Handvoll der Pokémonmasken in die Hände gedrückt, die inzwischen von allen Team Shadow Mitgliedern in einem Spint im Gemeinschaftsraum gelagert werden und jeden unter sich begraben, der das Fach ohne zuvor getroffene Sicherheitsvorkehrungen öffnet.

Ich habe zwar keine Ahnung, wann wir die ganzen Masken jemals benutzen sollen, aber drollig sind sie schon irgendwie.

„Dann sind wir so weit“, sagt Louis, als die automatischen Türen sich sirrend schließen und wir uns im nasskalten Februarwetter wiederfinden. „Hast du dich verabschiedet?“

„Schon geschehen.“ Ich denke an meine Verabschiedung von Cornelia und Günther zurück, den ich inzwischen verdächtig oft in ihrer Teestube antreffe. Jayden und Chris sind weiterhin auf ihrer Trainingsreise, auch wenn ich via S-Com einige Nachrichten mit ihnen ausgetauscht habe. Bis die Polizei offiziell mit uns zusammenarbeitet, bestehen ihre wöchentlichen Aufgaben aus kurzen Rundflügen, um eventuelle Team Rocket Mitglieder ausfindig zu machen, aber Ryan scheint verbissen an einem Weg zu arbeiten, sich zukünftig in die Datenbanken der Polizei einzuschleusen.

Manchmal frage ich, ob er wirklich daran interessiert ist, Team Shadow zu unterstützen oder ob er einfach nur alle Netzwerke knacken will, die ihm zwischen die Finger kommen.

Während wir uns auf den Weg zum Pokécenter gegen den Wind stemmen, um dort Louis´ Kramurx Joey für den Flug nach Saffronia abzuholen, denke ich an meine Verabschiedung von Dark zurück.

 

"Dark?"

Ich stand in der Tür zu seinem Zimmer im HQ und klopfte an den Türrahmen. Hundemon, das auf dem Bett gedöst hatte, hob müde den Kopf und begann zu hecheln, als es mich entdeckte. Hinter ihm tauchte in den Decken Priss auf, die ich seit Stunden gesucht hatte. Ich schüttelte fassungslos den Kopf.

"Was ist?", erklang Darks Stimme von weiter hinter im Raum. Vorsichtig trat ich ein und erkannte Dark, der über einen großen Bottich gebeugt seine Haare wusch und bis auf seine schwarze Hose unbekleidet war.

"Was machst du da?", fragte ich und blieb argwöhnisch neben ihm stehen. Er tauchte seinen Kopf ein letztes Mal unter Wasser und schaute mit triefenden Haaren zu mir auf.

Sein ehemals pechschwarzes Haar besaß nun die Farbe eines blassen Frühlingshimmels, ein mattes Hellblau, das seine Augen umso stärker in seinem Gesicht hervorstechen ließ. "Warum färbst du deine Haare?"

"Wenn ich dich zu der Übergabe begleite, werde ich unweigerlich mit Team Rocket in Berührung kommen", erklärte er, stand auf und schnappte ein Handtuch vom Boden, mit dem er seine Haare trocken rubbelte. "Sobald sie erkennen, dass ich mich gegen sie gewendet habe, werden sie versuchen, mich zu enttarnen." Er ließ das Handtuch sinken und zog sich einen schwarzen Rollkragenpullover über. "Was kann ich für dich tun?"

"Louis und ich wollen heute nach Saffronia aufbrechen", erklärte ich. Er nickte.

"Und?"

"Ich habe… ein kleines Problem."

Darks Miene verfinsterte sich. "Hat es etwas damit zu tun, dass du seit einigen Tagen das ganze Hauptquartier absuchst?"

Ich verzog das Gesicht. "War das so offensichtlich?"

"Hast du etwas verloren?"

Ich zögerte. Ich wollte ihm keine Sorgen bereiten, aber die Vertrauensbasis, die wir aufgebaut hatten, hing an seidenem Faden und ich glaubte nicht, dass weitere Lügen helfen würden. Ich holte tief Luft und sah ihm in die Augen.

"Ich habe seit einiger Zeit eine Art Notizbuch geführt, in dem meine Entdeckungen über Team Rocket und über… dich stehen." Seine Miene verdüsterte sich schlagartig und Hundemon sprang knurrend vom Bett, um neben ihm Platz zu nehmen.

"Das ist nicht dein Ernst."

"Es tut mir leid!", rief ich, als Dark mich wütend zur Seite stieß und ans andere Ende des Zimmers stapfte. Er fuhr herum.

"Es tut dir leid?!", fragte er und ich zuckte zusammen. "Was steht in diesem Notizbuch, dass du verloren hast? Meine Identität? Unsere Adresse mitsamt Passwörtern? Vielleicht auch unsere Verbindung mit der Polizei?"

"Jetzt hör mir doch einfach zu", fluchte ich. "Ich habe seit Ewigkeiten nicht mehr hinein geschrieben. Du kommst darin vor, aber Team Shadow wird mit keinem Wort erwähnt. Im Grunde ist es bloß eine Ansammlung von Theorien, die ich während meiner Reisen hatte. Ich wollte dir nur Bescheid sagen, damit du nicht denkst, ich verheimliche dir etwas."

"Ich fühle mich gleich viel aufgeklärter ", erwiderte Dark trocken.

"Wenn überhaupt jemand unter dem Verlust zu leiden hat, dann bin ich das!", fuhr ich ihn an. "Das Notizheft war Basis meiner gesamten Story, die ich seit Monaten zusammentrage und mit der ich an die Öffentlichkeit gehen wollte und jetzt ist es weg!"

"Du hättest besser darauf aufpassen sollen, wenn es dir so wichtig war", sagte Dark. "Wie hast du es einfach verlieren können?"

"Ich habe es nicht verloren", sagte ich leise und dachte an den Sonntagabend zurück, als mir die fünf Trainer gefolgt waren. Mein linker Arm, der immer noch in einem Gips steckte, pochte bei dem Gedanken an das schroffe Eis und meinen zerrissenen Rucksack.

"Es wurde gestohlen."

 

Ich presse meine Lippen fest aufeinander und starre stur gerade aus.

Julius. Er muss es gewesen sein.

Die anderen Trainer hatten keine Zeit, vor ihrer Flucht meine Habseligkeiten zu durchsuchen, aber Julius… Er will freiberuflicher Reporter werden, genau wie ich. Auf der Suche nach einer Story stößt er auf mein Notizbuch, blättert es flüchtig durch und stiehlt es. Und dann tut er so, als wäre er mein Retter in der Not.

Wütend beschleunige ich meine Schritte, was Louis unsanft mit mir zieht. Ich bin nicht allzu besorgt wegen der Informationen über Team Rocket, die in dem Notizbuch stehen. Dass sie zurückgekehrt sind und dass Atlas ihr Anführer ist, sind für die Polizei keine Neuigkeiten. Aber wenn Julius um die Ecke denkt, wenn er die Verbindung zwischen dem plötzlichen Auftauchen von Team Shadow in Prismania City, meiner Anwesenheit dort und dem mysteriösen Dark aus dem Buch zieht…

Ich will nicht daran denken, wie er mit meiner Story in Lavandia auftaucht und all meine sorgsam gehüteten Geheimnisse ausplaudert.

Und dann ist da natürlich noch die Sache mit Zach, die ich wie ein Volldepp lang und breit in dem Heft ausgeführt habe. Im Nachhinein könnte ich mich selbst ohrfeigen. Wenn Julius seine wahren Absichten an die Medien weitergibt, dann ist Zach in großer Gefahr. Ich bezweifle nicht, dass Team Rocket ihn vor Ort umbringen wird, sollte er sich als Verräter herausstellen.

Seufzend lehne ich mich etwas enger an Louis. Ich habe eine ganze Menge Fehler auszubügeln, wenn wir in Saffronia City ankommen.

Im Pokécenter ist es warm und Schwester Joy verwickelt mich in ein Gespräch über meinen gebrochenen Arm, während Louis sich an dem Computer zu schaffen macht und sein störrisches Girafarig Gina gegen Kramurx austauscht. Bevor wir uns auf den Weg machen, schreibe ich Erhard meinen letzten Check über 20.000 PD aus, den Joy an das lokale Pokécenter überweist.

Und wieder pleite. Langsam glaube ich, das Universum möchte mir etwas sagen.

 

"Du siehst… sehr süß aus", stelle ich breit grinsend fest, als wir etwas später auf der kleinen Hügelkuppe vor Prismania City stehen. Louis errötet und kratzt sich verlegen an der Nase.

"Ich kann nichts dafür", sagt er. Gemeinsam senken wir den Blick auf den Klettergurt, der Louis´ Hüfte und Oberschenkel umschließt und mit Seilen an den Füßen des verdrießlich dreinschauenden Kramurx befestigt ist, das auf seiner Schulter sitzt.

"Er ist zu klein, um auf ihm zu reiten, deswegen habe ich mir in der Safari-Zone eine Kletterausrüstung ausgeliehen."

"Wenn es dich tröstet, Raphael sah mit Skallyk noch bescheuerter aus", meine ich.

"Ich dachte, ich sehe süß aus?", fragt Louis mit hochgezogenen Augenbrauen.

"Süß", stimme ich zu. "Und bescheuert."

"Warte, bis wir in der Luft sind", sagt er und schnürt seinen Rucksack fester. "Es kann nicht jeder so ein cooles Ibitak wie du haben."

Hunter krächzt zustimmend und reibt seinen fedrigen Kopf liebevoll an meine Wange. Mit den milderen Temperaturen ist meine Abneigung vor weiteren Flügen gewichen, auch wenn Louis allen Schneestürmen getrotzt hat, um mich wiederzusehen.

Der Gedanke lässt mein Herz ein bisschen schneller schlagen und ich wende mich rasch ab, damit er nichts bemerkt und tue so, als würde ich meinen Rucksack überprüfen.

"Bist du sicher, dass du mit deinem Arm schon fliegen kannst?", fragt Louis nach einer Weile.

"Es wird schon gehen", sage ich achselzuckend. "Bis nach Saffronia ist es nicht weit, und Hunter fliegt vorsichtig. Nicht wahr?"

Er nickt einmal energisch und senkt seine Brust zu Boden, damit ich besser aufsteigen kann.

Ich schwinge mich auf seinen Rücken und schaue Louis belustigt dabei zu, wie er Joey von seiner Schulter hebt und zum Anflug anspornt. Das schwarze Vogelpokémon gackert einige Male genervt, schlägt dann aber mit den Flügeln und steigt in die Höhe, erst schnell, dann langsam, als die Seile sich straffen und Louis´ ganzes Gewicht samt Rucksack an seinen Füßen hängt.

"Auf", flüstere ich Hunter zu, der freudig krächzt und sich mit einem kräftigen Flügelschlag in die Lüfte katapultiert.

Die Grasflächen und angrenzenden Wälder von Route 7 rasen unter uns dahin. Hunter nutzt die Gelegenheit, die Tatenlosigkeit der letzten Wochen mit halsbrecherischer Geschwindigkeit abzuschütteln und Joey legt trotz geringer Größe und einem heftig schaukelnden Louis ein ordentliches Tempo vor. Kantos Hauptstadt erreichen wir in einer knappen halben Stunde.

Wir landen etwas abseits des Durchgangshäuschens hinter einem kleinen Hügel, damit Louis sich ungeniert von seinem Fluggerät trennen kann. Ich rufe Hunter zurück und warte geduldig an einen Baum gelehnt, bis Louis sich von den zahlreichen Gurten, Haken und Seilen befreit hat und gemeinsam machen wir uns auf den Weg in Richtung Saffronia City.

Während der Jahre, in denen ich regelmäßig mit Tarik zu Agnes in die Vorlesungen gefahren bin, ist Saffronia mir sehr vertraut geworden, aber Louis, der in Johto aufgewachsen ist, kann sich nicht satt sehen.

"Schon eine Idee, wo wir unterkommen?", fragt er schließlich, als ein Schild für das Pokécenter an der nächsten Kreuzung in Sicht kommt. "Das war ziemlich viel Geld, was du überwiesen hast."

"Ein bisschen habe ich noch", beruhige ich ihn. "Wenn wir uns ein Doppelzimmer teilen, sollte ich ein paar Tage durchhalten, bis dahin habe ich hoffentlich etwas Neues gefunden."

Louis öffnet den Mund, um etwas zu sagen, schließt ihn dann wieder und schaut verlegen zur Seite. Meine eigenen Wangen färben sich unterdessen knallrot. Ich räuspere mich, packe seine Hand und ziehe ihn wortlos mit mir zum Pokécenter.

 

"Mann, war das peinlich", murmelt Louis und lässt sich rückwärts auf unser frisch gemietetes Bett fallen. "Und sie schien dich sogar zu kennen! In Azalea war das noch nicht so unangenehm."

"Vielleicht für dich nicht", erwidere ich grinsend und stelle meinen Rucksack neben dem Schrank ab. "Ich fand es verdammt peinlich."

"Gut, okay, ich gebe zu, ich habe die Gelegenheit damals nicht direkt abgewiesen", sagt Louis. Lachend lasse ich mich neben ihm ins Bett fallen.

"Machst du Witze? Du hast dich regelrecht darauf gestürzt."

Er grinst.

"Aber dieses Mal ist es anders", fahre ich fort.

"Was meinst du?" Er stützt sich auf seinen Ellenbogen und schaut mich mit unschuldigen Augen an.

"Na ja, erstmal sind wir inzwischen… zusammen." Louis Grinsen wird breiter, als er die Worte aus meinem Mund hört.

"Und weiter?"

"Du siehst älter aus. Finde ich. Größer. Und muskulöser?"

Seine Augen leuchten auf. "Meinst du? Mir ist keine große Veränderung aufgefallen, aber ich habe schließlich ziemlich viel bei Hartwig trainiert."

"Ich habe es bemerkt, als ich dich umarmt habe", erkläre ich. "Aber wer weiß, wahrscheinlich habe ich mich getäuscht."

Er streckt mir die Zunge raus. "Du bist gemein." Dann schleicht sich ein breites Lächeln auf seine Lippen, er rollt blitzschnell über mich und grinst mich von oben herab an. "Könnte ich das hier, wenn ich nicht trainiert hätte?"

"Ich weiß ja nicht, was du trainiert hast", sage ich atemlos. Louis schmunzelt, dann gibt er mir einen schnellen Kuss auf die Nase und steht auf.

"Ich gehe jetzt duschen", sagt er und wirft mir einen letzten glücklichen Blick zu, bevor er im Bad verschwindet.

Seufzend lasse ich mich tiefer in die Kissen sinken, einen Arm über meine Augen gelegt.

Was passiert mit mir?

 

Den gesamten nächsten Tag über klappere ich alle Geschäfte in Saffronia City ab, werde aber zu meinem großen Bedauern nicht fündig. Es war wohl zu viel verlangt, nach dem Job bei Cornelia, der mir quasi in den Schoß gefallen ist, jetzt sofort eine andere Anstellung zu finden, aber ich hatte auf das zusätzliche Geld gehofft. Wie die Dinge stehen, werden Louis und ich Ende der Woche unsere Zimmer räumen müssen, denn obwohl er während seiner Protrainerkarriere sein Geldpolster aufgestockt hat, ist er seit Monaten in keinen richtigen Pokémonkampf mehr verwickelt gewesen und wird bald genauso pleite sein, wie ich.

Seufzend lasse ich mich auf einer Parkbank nieder und schaue in den langsam dunkler werdenden Himmel. Louis wollte sich in Ruhe die Stadt ansehen und die Pokémonpsychatrie besuchen, um sich dort Tipps für seinen Umgang mit Gina zu holen.

Morgen werden wir Valentin wiedersehen. Er war eine ganze Weile auf den Eilanden. Ob er Bruno gefunden und mit ihm trainiert hat?

„Abby?“

Erschrocken drehe ich den Kopf und entdecke Julius, der auf der anderen Straßenseite stehen geblieben ist und jetzt lächelnd in meine Richtung kommt. Sein aschblondes Haar ist windzerzaust. Alles in mir versteift sich.

„Julius“, begrüße ich ihn knapp.

Er bleibt unschlüssig vor mir stehen. „Wie geht es deinem Arm?“

„Ich werde es überleben“, sage ich, während ich mich erhebe. „Sag mal, hast du vielleicht vergessen, mir etwas zurückzugeben?“

Er stutzt. „Wovon redest du?“

„Als ich von den Trainern angegriffen wurde und du meinen Rucksack zusammengesucht hast. Gibt es da etwas, das du behalten hast?“

„Warum hätte ich das tun sollen?“, fragt Julius, sichtlich verwirrt. „Hast du etwas verloren?“ Seine Augen weiten sich. „Denkst du, ich hätte dich bestohlen? Als du mit gebrochenem Arm und halb bewusstlos auf der Straße lagst? Wofür hältst du mich?“

Verunsichert denke ich zurück an den Tag. Hatte er genug Zeit, das Notizbuch einzustecken, vorher vielleicht durchzublättern? Ich bin plötzlich nicht mehr sicher. Meine Zeitwahrnehmung war damals ziemlich im Eimer. Aber ich habe das Buch nicht einfach verloren, da bin ich sicher.

„Du bist der einzige, der die Möglichkeit hatte, es zu stehlen und der etwas damit anfangen kann“, sage ich leise. Ein Wind kommt auf und fährt mir durch die Haare. „Mein Notizbuch. Du hast es gestohlen, oder nicht?

Julius schaut mich einen Moment länger verwirrt an, dann legen sich seine Gesichtszüge und er legt den Kopf schief.

„Hah, du hast mich erwischt“, sagt er dann und mir stellen sich die Nackenhaare auf. „Wenn ich gewusst hätte, dass du es erst jetzt bemerkst, hätte ich mich mit der Kopie nicht so beeilt.“

„Du Bastard!“, schreie ich und mache einen Schritt auf ihn zu, was die Passanten um uns herum stehen bleiben und zu uns schauen lässt. „Das sind geheime Informationen, die nicht an die Öffentlichkeit gelangen dürfen!“

„Umso besser, dass ich sie gefunden habe“, erwidert Julius und packt mein Handgelenk, als ich nach ihm schlage. Sein Griff ist wie ein Schraubstock. „Wenn du mit dieser Einstellung Reporterin werden möchtest, hast du noch einen weiten Weg vor dir. Die Wahrheit gehört an die Öffentlichkeit, wie schmerzlich sie auch ist.“

„Es geht um Menschenleben!“, erwidere ich hitzig. „Du kennst den Kontext nicht, also tu nicht so, als wüsstest du, was du da öffentlich machen willst!“

„Ich glaube, ich habe ein ziemlich gutes Bild darüber, was genau los ist“, sagt Julius lächelnd, unbeeindruckt von meinem Versuch, seinem Griff zu entkommen. „Du hast die ganze Geschichte ja ziemlich ausführlich niedergeschrieben. Ein wenig durcheinander für meinen Geschmack, aber deine Diagramme haben sehr geholfen. Du solltest vielleicht eine Karriere als Zeichnerin in Erwägung ziehen.“

„Lass mich-“ Er lässt meine Hand abrupt los und ich stolpere einige Schritte zurück, bevor ich meine Balance wiederfinde.

„Wir sind doch Rivalen, Abby“, sagt Julius, etwas leiser, bis die Menschen um uns herum sich langsam wieder in Bewegung setzen. „Warum regeln wir das nicht wie Erwachsene. Derjenige, der die Story zuerst verkauft, gewinnt den Ruhm.“

„Ich will die Story nicht verkaufen!“, sage ich wütend. „Du hast keine Ahnung, wie viel Schaden du anrichten wirst, wenn du die Informationen unzensiert an die Presse weitergibst.“

„Zensur ist der Feind der Pressefreiheit“, entgegnet Julius eisern. „Es ist traurig, dass du anderer Meinung bist. Gerade du solltest das verstehen.“

„Es gibt Ausnahmen“, verteidige ich mich. Julius Gedankengang ist nicht weit von meinem entfernt, als ich gerade erst von zu Hause ausgerissen bin. Aber in der Zwischenzeit habe ich gelernt, wie zerstörerisch Informationen in den falschen Händen sein können. Wie furchtbar sich ein enthülltest Geheimnis auswirken kann.

Julius fährt sich durch sein Haar. „Es tut mir leid, dass ich deine Geschichte geklaut habe. Wirklich, ich habe mich ziemlich schlecht gefühlt. Aber so wie die Dinge stehen, bin ich froh, es getan zu haben. Einer von uns muss die Wahrheit ans Licht bringen. Zacharias Stray… Das ist wirklich mal eine Enthüllung wert.“

„Ich will es zurück“, sage ich zwischen zusammengebissenen Zähnen.

„Was?“ Julius schaut mich verwirrt an. „Ach, dein Notizbuch? Was, wenn ich mich weigere?“

Ich greife nach meinen Pokébällen. Kämpfe sind in der Stadt verboten, aber Regeln sind mir in diesem Moment herzlich egal.

„Zwing mich nicht, es dir gewaltsam abzunehmen“, flüstere ich drohend. Meine Finger schweben über Gotts Finsterball.

Julius lacht, dann greift er in seinen Rucksack und zieht das Notizbuch hervor. Provozierend wedelt er damit vor meinem Gesicht herum und ich widerstehe dem Drang, danach zu greifen.

„Gib. Es. Mir.“

„Warum?“

Rotes Licht explodiert von meiner Hüfte und im nächsten Moment steht ein geifernder Gott vor mir, Zähne gefletscht, die Lefzen zurückgezogen und das Rückenfeuer voll aufgedreht. Julius macht einen Schritt zurück.

„Ich habe deine Pokémon ja schon in Aktion gesehen, aber selbst Ziel zu sein, ist nochmal etwas anderes“, stellt er schluckend fest. Er wirft mir das Notizbuch zu und ich fange es ungeschickt mit meinem gesunden Arm auf. „Du kannst es haben. Ich hatte ohnehin nicht vor, es zu behalten. In einem Pokémonkampf bist du mir weit überlegen, Abbygail. Aber denk dran, ich habe schon längst eine Kopie angefertigt. Ich werde vor dir Lavandia erreichen und dann werden all deine wohl gehüteten -“

Gott hechtet in die Höhe und vergräbt seine Fänge tief in Julius´ Schulter, der aufschreit und nach Gott schlägt, sich dabei seine Hand verbrennt, zurück taumelt und ungelenk zu Boden fällt. Gott, der auf seiner Brust sitzt, löst seinen Biss und knurrt einmal direkt in sein Gesicht, dann spuckt er eine Stichflamme direkt neben Julius´ Kopf, wendet sich feixend ab und trottet zurück an meine Seite.

Julius packt seine verwundete Schulter, stöhnt, rollt sich zur Seite und läuft dann zwischen den angesammelten Menschenmassen davon. Ich gehe in die Hocke und kraule Gotts Kopf.

„Ich hätte dich wahrscheinlich davon abhalten sollen“, meine ich und werfe ihm einen schrägen Blick zu, den er mit glühenden Augen erwidert. „Aber ganz ehrlich… mir war nicht danach.“



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (9)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Kerstin-san
2017-04-17T13:41:19+00:00 17.04.2017 15:41
Hallo,
 
hihi, Priss auf der Suche nach dem perfekten Feuerstein. Tja, beim Itemshoppen gilt das gleiche wie im normalen Leben: Vergleichen, vergleichen und nochmal vergleichen. Höhöhö, ich wusste, dass Ryan nach einem Weg sucht, um nicht auf offizielle Infos der Polizei angewiesen zu sein. Praktisch so jemanden in seinem Team zu haben.
 
Blaue Haare sind also jetzt ne super Tarnung? Ich finde, er sollte sich eher farbenfrohere Klamotten zulegen, das würde Wunder wirken. Okay, Dark ist wütend wegen dem verschwundenen Notizbuch - nachvollziehbar. Positiv gesehen redet er noch mit Abby und reagiert sarkastisch und mauert nicht völlig. Und er hat ihr nicht Hundemon auf den Hals gehetzt. Könnte also schlimmer sein. Im ernst, sie sollte Dark sagen, dass es Julius war und Dark würde sicherlich mit Freude die Verfolgung von ihm aufnehmen und das Buch zurückbringen.
 
Bäm und dann stolpert sie tatsächlich zufällig über den angehenden Reporter. Und der hat echt die Nerven ihr mitten ins Gesicht zu lügen und so zu tun, als würde er niemals irgendwas stehlen. Blöder Idiot! Immerhin war er clever genug ne Kopie zu machen, oh weia :( Trotzdem, Abby hätte Gott zurückhalten sollen. Dadurch stellt sie sich auf eine Stufe mit den Trainern, die sie feige angegriffen haben, denn Julius hatte auch gerade kein Pokémon parat um sich zu verteidigen. Ich bin ja immer noch dafür, dass sie Dark Bescheid sagt und ihn das regeln lässt.
 
Liebe Grüße
Kerstin
Von:  _Risa_
2015-09-06T13:46:55+00:00 06.09.2015 15:46
>„T-tut mir leid“, presst er hervor. „Aber es ist göttlich, wie du dich von ihr herumkommandieren lässt.“
Ich liebe mein Katerli auch so sehr, er darf mich immer rumkommandieren, weil er so süß mauzt und guckt. *~* und zwickt…

>chweren Herzens trenne ich mich von den 2100 PD, die meine Unterstützung in Priss´ Liebesangelegenheiten mich kosten und verstaue den Feuerstein in der linken Seitentasche meines Rucksacks.<
Ich stell mir grad Hundusterhybride mit Wuschelkragen und Wuschelschwanz vor xD

>So gerne ich reise und neuen Menschen begegne, ein paar Konstanten in meinem Leben sind gar nicht mal so schlecht.
Das hoff ich für dich!

>Hundemon, das auf dem Bett gedöst hatte, hob müde den Kopf und begann zu hecheln, als es mich entdeckte. Hinter ihm tauchte in den Decken Priss auf, die ich seit Stunden gesucht hatte. Ich schüttelte fassungslos den Kopf.<
Priss, du Bitchi ;o

>Sein ehemals pechschwarzes Haar besaß nun die Farbe eines blassen Frühlingshimmels, ein mattes Hellblau, das seine Augen umso stärker in seinem Gesicht hervorstechen ließ. "Warum färbst du deine Haare?"
Und da ist hellblau die beste Wahl? XD
Und eine andere Haarfarbe reicht also aus?

>"Ich habe seit einiger Zeit eine Art Notizbuch geführt, in dem meine Entdeckungen über Team Rocket und über… dich stehen." Seine Miene verdüsterte sich schlagartig und Hundemon sprang knurrend vom Bett, um neben ihm Platz zu nehmen.
"Das ist nicht dein Ernst."
"Es tut mir leid!", rief ich, als Dark mich wütend zur Seite stieß und ans andere Ende des Zimmers stapfte. Er fuhr herum.
"Es tut dir leid?!", fragte er und ich zuckte zusammen. "Was steht in diesem Notizbuch, dass du verloren hast? Meine Identität? Unsere Adresse mitsamt Passwörtern? Vielleicht auch unsere Verbindung mit der Polizei?"
"Jetzt hör mir doch einfach zu", fluchte ich. "Ich habe seit Ewigkeiten nicht mehr hinein geschrieben. Du kommst darin vor, aber Team Shadow wird mit keinem Wort erwähnt. Im Grunde ist es bloß eine Ansammlung von Theorien, die ich während meiner Reisen hatte. Ich wollte dir nur Bescheid sagen, damit du nicht denkst, ich verheimliche dir etwas."
"Ich fühle mich gleich viel aufgeklärter ", erwiderte Dark trocken.<
Darks Gedanken: *aus FSK-Gründen wurde diese Zeile hier zensiert* piiiiiep, piiiieeep! XD

>"Es wurde gestohlen."<
Sinan wars nicht, ich sags dir gleich :(

>Julius. Er muss es gewesen sein.
Die anderen Trainer hatten keine Zeit, vor ihrer Flucht meine Habseligkeiten zu durchsuchen, aber Julius… Er will freiberuflicher Reporter werden, genau wie ich. Auf der Suche nach einer Story stößt er auf mein Notizbuch, blättert es flüchtig durch und stiehlt es. Und dann tut er so, als wäre er mein Retter in der Not.<
Meine wissen schon, warum sie dem Schlag nicht vertrauen xD

>Und wieder pleite. Langsam glaube ich, das Universum möchte mir etwas sagen.<
XD

>"Wenn es dich tröstet, Raphael sah mit Skallyk noch bescheuerter aus", meine ich.<
Wollte der ihr Kreuz durchbrechen? XD

>"Du siehst älter aus. Finde ich. Größer. Und muskulöser?"<
Abby: RAWR mein Freund :D

>Wenn du mit dieser Einstellung Reporterin werden möchtest, hast du noch einen weiten Weg vor dir. Die Wahrheit gehört an die Öffentlichkeit, wie schmerzlich sie auch ist.“
„Es geht um Menschenleben!“, erwidere ich hitzig. „Du kennst den Kontext nicht, also tu nicht so, als wüsstest du, was du da öffentlich machen willst!“<
Abby ist eine bessere Reporterin als das Arschloch :(

>„Zensur ist der Feind der Pressefreiheit“, entgegnet Julius eisern. „Es ist traurig, dass du anderer Meinung bist. Gerade du solltest das verstehen.“<
Ich will ihm einen High Five geben.
Mit einem Sessel.
In die Fresse. -__-"
Antwort von:  yazumi-chan
06.09.2015 16:06
Meine Katze hat unsere Familie auch seeeehr gut im Griff xD Awww, Hunduster mit Wuschelfell <3 Süß.
Rawr. Auf jeden Fall. Abby is falling in loooove :DDD
Ich kann dich sehr gut verstehen. Julius Hasslevel ist ziemlich rapide gestiegen^^
Von:  Kalliope
2015-05-25T18:12:50+00:00 25.05.2015 20:12
Ah, also wirklich Julius. Ich an Abbys Stelle würde jetzt Dark schreiben, damit der das klären kann, auch wenn sie dann eine Petze ist.
Antwort von:  yazumi-chan
25.05.2015 20:19
Jetzt verlangst du aber sehr viel von Abby :D Anderen Leuten Verantwortung übertragen? Das ist schon ein bisschen gewagt.
Von: abgemeldet
2015-05-12T22:15:44+00:00 13.05.2015 00:15
Endlich habe ich mal wieder richtig gelegen mit meinen Vermutungen x.x Hast mich lange genug an der Nase herumgeführt xD Jetzt bin ich wieder auf Schnüffelkurs!

Irgendwie glaub ich noch nicht ganz so richtig dran, dass Priss ein Flamara wird. Würde Abbys Team einen strategischen Nachteil rauben. 2 Feuer-Pokémon ist vielleicht nicht so schlau.
... Es sei denn, man heißt Aster :x Da sind auch 3 okay XD
Antwort von:  yazumi-chan
13.05.2015 00:16
Ich wollte gerade sagen xD Aster doesn´t care :D
Von:  Hexenhund
2015-03-20T23:19:50+00:00 21.03.2015 00:19
schönes kapitel - julius wid wohl der neue schurke - so ein Bastard!
Freue mich darauf dass PRiss bald ihren Stein benutzt ( aber hoffe immer noch dass hundemon ohr das herz bricht und sie aus Rache doch lieber ein Aquana wird :3 )

Antwort von:  yazumi-chan
21.03.2015 00:22
Arme Priss! Willst du ihr das wirklich antun? D:
Antwort von:  Hexenhund
21.03.2015 09:48
naja - ansonsten könnte es ihn vielleicht noch mehr beeindrucken wenn sie Wassertyp hat - bei einem Paar muss doch die Frau die Oberhand haben :D
Antwort von:  yazumi-chan
21.03.2015 14:02
Hahahaha :D Ich stell mir gerade vor, wie ein Level 5 Evoli Darks überpowertes Hundemon rumkommandiert xD
Antwort von:  Hexenhund
21.03.2015 20:57
XDDD Genau so stell ich mir das vor x)
Antwort von:  yazumi-chan
21.03.2015 21:35
Hab ein bisschen Vertrauen und alles wird sich richten ;)
Von:  Lenny-kun
2015-03-20T21:11:00+00:00 20.03.2015 22:11
Kann gott Gedanken lesen :D?
Ich hätte nie gedacht das er das Notizbuch geklaut hat 😱 , aber naja....Wann setzt abby den Feuerstein ein (oder hat sie schon)?

LG Lenny-kun :D
Antwort von:  yazumi-chan
20.03.2015 22:12
Das darf Priss sich selbst aussuchen, sie weiß schließlich, wo Abby die Steine aufbewahrt :) Aber da sie keine Kämpfernatur ist, wird sie sich wahrscheinlich noch etwas Zeit lassen, so eine komplette Typänderung kann immerhin sehr einschüchternd sein^^
Antwort von:  Lenny-kun
20.03.2015 23:42
Aber sie muss doch den hoch verehrten Herr hundemon beeindrucken XD
Antwort von:  yazumi-chan
20.03.2015 23:58
Das schon, aber derzeit sind sie ja nicht mal im Hauptquartier :D Vielleicht hebt sie sich die Entwicklung für einen Moment auf, wenn er dabei ist ;)


Zurück