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Zeitstillstand

[Taoris]
von

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Eins

Seine dunklen Augen waren auf das Flimmern der Hitze gerichtet, das die trockene und dünne Luft sichtbar werden ließ. Irgendwo in der Ferne konnte er ein Geräusch hören, das er nicht so recht zuordnen konnte, das dem trostlosen, öden Anblick des Landes vor ihm wenigstens etwas Leben einhauchte. Der Schatten, der von dem widerspenstigen, zähen Baum gespendet wurde, war bei dem Wetter vielleicht ein kleiner Trost, aber letztendlich machte es eigentlich keinen großen Unterschied. Er spürte die feinen Schweißperlen auf seiner Stirn, schloss die Augen und fuhr sich mit der rechten Hand über die Stirn, sank an dem Stamm des Baumes herunter und drückte seine nackten Füße in die brüchige, fast sandige Erde. Ein lautloses Seufzen drang über seine trockenen Lippen.

Es war so furchtbar heiß.

Erneut hörte er ein tiefes Grollen. Er konnte hören, dass es weit genug weg war, aber dennoch führte es dazu, dass er eines seiner Augen öffnete und in den strahlend blauen Himmel, an dem nicht ansatzweise eine Wolke zu erkennen war, sah. Er konnte dieses heiße Wetter nicht leiden, es machte träge und müde und sorgte dafür, dass er die Lust an jeder Bewegung verlor.

Er schloss das Auge wieder, bewegte seinen rechten Fuß ein wenig und spürte den harten, brüchigen Boden unter seinen nackten Füßen. Es drang viel zu viel Helligkeit durch seine geschlossenen Lider, weswegen er seinen linken Arm hob und die Armbeuge über seine Augen legte. Er rutschte das letzte Stück an der Rinde herunter und schließlich lag auch sein Oberkörper auf dem Boden und dem stellenweise vertrockneten Gras, das sehnsüchtig auf den nächsten Regen wartete.

Seine Brust hob und senkte sich gleichmäßig und ruhig und er war gerade kurz davor in den Halbschlaf zu fallen, als er etwas an seiner Schulter spürte. Er verzog unbewusst die Lippen und tastete mit der Hand des Armes, der über seinem Gesicht lag, zu seiner Schulter. Seine Finger streiften etwas Weiches und im nächsten Moment schreckte er hoch und saß aufrecht auf dem Boden, hatte seine Augen aufgerissen und blickte zur Seite und genau in das Gesicht eines weißen Alpakas. Sein Herzschlag hatte durch den plötzlichen Schock zugenommen und als er das Tier und die Situation erkannte schnaubte er amüsiert. Das Tier, das ihn aus seinem Schlaf gerissen hatte, hatte wohl gerade Gefallen daran gefunden seinen Ärmel zu fressen; oder anzusabbern.

»Phueng«, machte er und seine Stimme war eine Mischung aus Überraschung und Amüsement. Er drehte sich etwas und hob den rechten Arm, legte seine Hand vorsichtig auf die Nüstern des Alpakas und streichelte über das Fell oberhalb der Nase. Er spürte den warmen Atem des Tieres und hörte ein kurzes, typisches Blöken.

»Was machst du denn hier?«, fragte er mit einer sanften Stimme, die er immer hatte, wenn er mit Tieren sprach. Oder mit Kindern.

Schade nur, dass das Tier ihm nicht antwortete, sondern den Kopf hob und Anstalten machte, seine schwarzen Haare anzukauen. Schade für das Alpaka, dass Tao schneller war und seinen Kopf wegzog und schließlich auf seinen Beinen, vor dem noch nicht ganz ausgewachsenen Tier, stand.

Tao streckte seine Hand aus und wollte eigentlich den Kopf des Tieres, das ungefähr auf seiner Brusthöhe war, streicheln, als Phueng sich bewegte und seinen Kopf gegen sein Bauch boxte. Er gab einen erschrockenen Laut von sich, stolperte einen Schritt nach hinten. »Hey«, beschwerte er sich glucksend und schlug dem Tier ohne irgendwelche Gewalt auf die Schnauze. »Außerdem glaube ich nicht, dass du hier sein solltest.«

Phueng betrachtete ihn verständnislos aus den großen, dunklen Augen und machte ein komisches Geräusch und Tao glaubte im nächsten Moment, dass es ihn anspucken wollte. Und genau aus diesem Grund trat er zur Seite, bemerkte dann aber, dass das Tier den Kopf senkte und das verdorrte Gras fraß, auf dem er eben noch gesessen hatte. Er betrachtete es einen Moment etwas skeptisch, lächelte dann flüchtig und legte seine Hand auf den Rücken des Alpakas, das erst vor gut einem Monat geschoren worden war. Was bei der Hitze des Sommers auch dringend notwendig war. Anders würden die Tiere hier elendig eingehen.

Etwas planlos sah er sich um, strich sich kurz durch die Haare, die ihm in die Stirn fielen und fragte sich, ob niemand aufgefallen war, dass Phueng sich von der Herde gelöst hatte. Offensichtlich nicht. Zum Glück war es nicht heute seine Aufgabe sich um die Tiere zu kümmern, er wollte sich gar nicht vorstellen, wie ätzend die Strafpredigt werden würde. Die Tiere waren wichtig, ihre Einnahmequelle, und es wäre schrecklich, wenn sie eines davon verlieren würden. Es reichte schon, dass sie letzten Monat zwei durch einen dieser Savannenschakale verloren hatten.

»Phueng«, fing er dann an und das Tier schien ihn geflissentlich zu ignorieren, »komm, ich bring dich zurück.« Keine Reaktion.

Tao seufzte, verpasste dem Alpaka einen Klaps gegen das Hinterteil und es hob empört den Kopf und sah ihn mit einem vorwurfsvollen und verurteilenden Blick an. »Los, stell dich nicht so an, deine Mutter vermisst dich sicher schon.«

Für einen Moment fragte er sich, wie sich seine Sprache für das Tier wohl anhören musste. So wie es ihn ansah wirkte es immer so, als würde es davon ausgehen, er würde es beleidigen. Nicht, dass er es über das Herz bringen würde Phueng ernsthaft zu beleidigen. Immerhin war es sein Lieblingsalpaka.

Und schließlich, mit etwas liebevoller Gewalt hatte er es geschafft Phueng dazu bringen zu können, ihm zu folgen. Seine Hand lag in dem Nacken des Wesens, das nur widerwillig neben ihm herlief und Tao hob die Hand, legte sie zum Schutz vor dem Sonnenlicht, an seine Augenbrauen, verengte die Augen etwas und betrachtete die karge Landschaft vor ihm.

Ihre Sommer waren heiß und lang und Wasser war in dieser Zeit nicht nur knapp, sondern auch viel zu teuer. Ein Glück, dass sie einen eigenen Brunnen besaßen, denn ihre Tiere mussten ja versorgt werden. Tao fragte sich schon gar nicht mehr, wer seiner Vorfahren auf die Idee gekommen war, sich diese dämliche Farm anzulachen. Aber vielleicht war das der einzige Grund irgendwie in der herrschenden Monarchie zu überleben. Wer sich keine Steuern leisten konnte, musste eben mit etwas anderem bezahlen. Wolle, Fleisch, Milch. Vermutlich war ihr Leben zwar stressig und voller Arbeit geprägt, aber dafür überlebten sie auch und das sogar mit nur wenigen Sorgen. Und das bedeutete hier einiges. Entweder man schwamm im Gold, oder man hatte keins davon. Etwas dazwischen gab es selten und vermutlich würde sich das in naher Zukunft auch nicht ändern. Und kein Gold bedeutete Sorgen, Stress und Ärger.

Das Tier hielt inne, Tao zog etwas am Nackenfell und schließlich lief es wieder mit ihm mit und er näherte sich der teilweise grasenden Herde. Vermutlich hatten sich die Tiere hier einfach schon an die Hitze der Luft gewöhnt und an das trockene Gras. Irgendwie bewundernswert. Tao schwitzte schon in seinen leichten, luftigen Klamotten.

Sie traten den anderen Alpakas langsam näher und Tao fragte sich, wo sein Onkel war, der eigentlich auf sie aufpassen sollte. Was normalerweise gar nicht so wirklich nötig war, weil die Tiere sich eigentlich nur in der Herde bewegten, aber es gab immer so ein paar kleine Ausreißer, wie Phueng, die immer ihren eigenen Auftritt brauchten.

Er gab dem Tier einen sanften Klaps und sah dabei zu wie es ein paar Schritte auf die Herde zu machte, dann jedoch wieder anhielt und ihn aus den großen Augen ansah. Tao beobachtete es aus den Augenwinkeln, während er sich zu dem nächsten, schattigen Platz begab, der aus einer kleinen Holzwand mit einer dürftigen Bedachung bestand und eigentlich für die Tiere gedacht war. Er war nicht irre genug um freiwillig in der Hitze stehen zu bleiben. Und schließlich trat Phueng wieder zu ihm und Tao fragte sich, ob sie vielleicht hoffnungslos in ihn verliebt war.

Er musterte das Tier nur einen kurzen Augenblick, berührte es diesmal nicht, sondern ging in die Hocke und betrachtete die anderen Tiere. Sah so aus als hätte er sich gerade selbst dazu verdonnert zu arbeiten. Wobei man das Aufpassen auf die Alpakas nicht unbedingt als Arbeit bezeichnen konnte. Das einzig Schlimme war der Gestank, der hier doch deutlich zu riechen war. Aber mit der Zeit gewöhnte man sich an solche Dinge, er nahm ihn schon gar nicht mehr bewusst wahr. Mit der Zeit gewöhnte man sich an alles, auch an die Tatsache dass man Durst hatte und vorerst nicht zum Trinken kam. Man gewöhnte seine nackten Füße an die Hitze und Unebenheit des Bodens und man gewöhnte sich daran, dass man sehen konnte, wie andere Menschen in ekligem Reichtum lebten, während man selbst für die eigene Existenz kämpfen musste. Irgendwann fand man sich damit ab. Die Zeit regelte alles.

Und Tao hatte genug Zeit.

»Hier stinkt es«, konnte er sich eine fremde, eindeutig männliche Person, beschweren hören. Und Tao musste die Person nicht sehen um zu wissen, dass sie vermutlich gerade ihre Nase rümpfte. Das war alles reine Routine, das passierte jeder Person, die zum ersten Mal hier war und sich an einem Ort aufhielt, wo die Herde meistens war und eben auch gewisse Ausscheidungen hinterließ.

Jedoch wusste er eigentlich nichts von einem Besuch. Kunden, Steuereintreiber oder was auch immer, kündigten sich eigentlich immer an. Und es wäre neu, wenn er etwas nicht mitbekommen würde; aber auch nicht unmöglich.

Er raffte sich schließlich auf und hörte einem Gespräch zu, das sich offensichtlich hinter der kleinen Holzmauer abspielte. Die Stimmen wurden von Augenblick zu Augenblick lauter und deswegen ging er davon aus, dass er gleich Besuch haben würde.

»Das ist bei solchen Tieren völlig normal, Eure Hoheit«, konnte er die Stimme seines Onkels hören.

»Vielleicht hab ich es mir doch anders überlegt«, hörte er die fremde Stimme sagen und Tao wollte wissen, wer zur Hölle das war. Denn die Bezeichnung ‚Eure Hoheit‘ hatte ihn etwas stutzig gemacht. Er wollte gerade um die Ecke der offenen Holzhütte, oder wie man es auch immer nennen wollte, gehen als er sofort inne hielt, weil er sonst mit einer Person kollidiert wäre, die von der anderen Seite kam.

Taos Reflexe waren gut und er trat sofort einen großen Schritt zurück und betrachtete die Person, deren Stimme er noch nie gehört hatte. Dafür kannte er das Gesicht. Mehr oder weniger. Zumindest gab es hier nicht viele Leute mit so hellen, fast goldenen Haaren. Er betrachtete die Gesichtszüge und die fast schon auffällig makellose Haut und bemerkte dann die zusammengezogenen, hellen Augenbrauen und den verständnislosen Blick, der ihm zugeworfen wurde.

Was machte so eine Person auf ihrer Farm? Er warf einen fragenden Blick in die Richtung seines Onkels und bemerkte noch eine Person, die er nicht kannte und vermutlich zu dem blonden, jungen Mann gehörte.

»Und wer bist du?«, wollte die Person mit einem Ton wissen, dessen Arroganz man förmlich greifen konnte.

Im ersten Moment hätte er am liebsten gesagt, dass er ein besonders attraktives Alpaka war, weil er Lust hatte ihm in sein hübsches Gesicht zu spucken, aber Tao war nicht lebensmüde. »Mein Name ist Tao«, stellte er sich mit gespielter Höflichkeit vor und verbeugte sich sogar. Gute Manieren besaß er durchaus. Und würde er die nun nicht anlegen, wollte er gar nicht wissen, wie sein Vater reagieren würde.

»Aha«, machte der junge Mann nur abwertend, desinteressiert und Tao versuchte ihn mit einem neutralen Gesichtsausdruck anzusehen. Ein herablassender Ton war für ihn nichts Neues und vielleicht war auch nur das der Grund, wieso er sich beherrschen konnte. Denn eigentlich war er eine Person, die auf einen gewissen Respekt bestand. Aber den konnte er hier wohl nicht erwarten.

Denn der Mann vor ihm war niemand anderes als der verwöhnte und offensichtlich arrogante Prinz ihres Königreiches. Tao hatte ihn noch nie persönlich gesehen und eigentlich hätte er nicht damit gerechnet, dass sich so eine feine Persönlichkeit auf ihre stinkende Farm trauen würde. Und seine Anwesenheit machte die Sache nicht besser, denn ihm würden nur negative Gründe einfallen, wieso sich diese Person hier blicken lassen sollte.

Tao verstand nicht, wieso man ihm nachsagte, dass er der geborene Drachenreiter, Drachenbezwinger oder was auch immer war, denn er konnte sich nicht vorstellen, dass diese Person überhaupt in der Lage war sich morgens allein anzuziehen. Wie sollte er dann da mit Wesen wie Drachen umgehen können? Bestimmt war das nur ein Gerücht.

Taos Blick fiel auf den anderen, fremden Mann, der offensichtlich zu dem Prinzen gehörte. Das sah man an der Kleidung und an den Händen. Man brauchte kein geschultes Auge um die Hände eines Arbeiters und die Hände eines wohlhabenden Mannes zu unterscheiden.

Der blonde Mann setzte sich in Bewegung, trat an ihm vorbei und Tao hätte eigentlich damit gerechnet, dass er sich vorstellte, aber das hielt er wohl für überflüssig. Klar. Natürlich. Hier kannte ihn jeder. Aber dennoch hätte er mit dieser lächerlichen Höflichkeit gerechnet; vergebens.

»Seltsame Tiere«, sagte der Mann, der vor Phueng stehen geblieben war und dem Tier einen skeptischen Blick schenkte. Tao war sich nicht sicher, ob er tatsächlich skeptisch war, oder ob das einfach nur an der Form seiner Augenbrauen lag. Zumindest war er sich sicher, dass sein arrogantes Verhalten nicht an selbigen lag, aber dadurch durchaus noch unterstrichen wurde.

Seltsame Tiere. Das sagte ein Prinz, in dessen Schlosskeller Drachen wohnten. Was war an Alpakas bitteschön seltsam, wenn man jeden Tag gewaltige, feuerspeiende Bestien sah? Na, vielleicht war es die Einfältigkeit, die er nicht gewohnt war.

»Pass auf, sie spuckt gern«, warnte er den jungen Prinzen vor, der auf den – mehr oder weniger – klanghaften Namen „Kris“ hörte.

Kris schielte zu ihm und zog eine Augenbraue hoch. »Und aus welchem Grund sollte sie es wagen mich anzuspucken?« Er stellte die Frage so, als wäre es eine vollkommen abwegige Idee überhaupt auf den Gedanken zu kommen, ihn anspucken zu wollen.

»Sie ist ein besonders launiges Tier. Sie spuckt, wenn sie sich bedrängt oder in Gefahr fühlt.« Eigentlich waren Alpakas nicht unbedingt Tiere, die das oft taten – zumindest Menschen gegenüber. Und zum guten Glück bemerkte man sofort, wenn sie kurz davor waren einen anzuspucken, weil sie durchaus seltsame Geräusche machten. Also noch seltsamere Geräusche als ohnehin schon.

»Wenn sie mich anspuckt, wird sie als Drachenfressen enden.«

Tao zog seine Augenbrauen zusammen. »Das glaube ich nicht«, platzte es ihm mit einem kritischen, bestimmenden Ton heraus. Und genau diese Aussage führte dazu, dass Kris sich in seine Richtung drehte und ihm einen hochnäsigen, urteilenden Blick zuwarf und Tao bemerkte erst jetzt, dass der Junge ein paar Zentimeter größer war als er. Nicht, dass ihn irgendwas davon beeindrucken würde.

»Denkst du, es interessiert irgendjemand, was du glaubst oder nicht? Vielleicht weißt du nicht, wer vor dir steht, aber ich bin freundlich genug um dir klar zu machen, dass mein Wort das Gesetz ist und wenn ich möchte, dass sie meinem Drachen zum Fraß vorgeworfen wird, dann wird sie das auch. So einfach ist das.«

Taos Blick verfinsterte sich und er öffnete gerade den Mund, als sein Onkel das Wort ergriff. »Tao«, sagte er mahnend und automatisch schloss er den Mund wieder. Kris schenkte ihm ein schiefes, zynisches Grinsen und drehte sich wieder zu Phueng, die ein warnendes Blöken von sich gab.

»Vorsicht«, hörte Tao seinen Onkel sagen und auch Tao verstand, was hier gleich passieren würde. Und er streckte seine Hand nur aus, griff um den Oberarm des vorlauten Prinzen und zog ihn aus der Schussbahn, weil er nicht wollte, dass seine kleine, geliebte Phueng unter den launischen Urteilen eines Idioten mit zu viel Macht leiden musste.

Das Alpaka spuckte, verfehlte Kris nur durch Taos Einschreiten, dafür blieb der leicht grünliche Speichel jedoch auf der Stirn von Kris‘ Begleitung kleben.

Es war schwer keine Miene zu verziehen. Und zu seiner Überraschung konnte er ein kurzes, amüsiertes und tiefes Lachen von Kris hören, den Tao natürlich sofort wieder los gelassen und genug Abstand zwischen sie gebracht hatte.

Während sein Onkel panisch anfing sich zu entschuldigen und dem Mann den Speichel mit einem Tuch aus dem Gesicht wischte, drückte Tao seine Lippen aufeinander, trat zu Phueng und legte seine rechte Hand auf ihren Rücken.

»Ich will es haben«, sagte Kris dann und auf seinen Lippen lag ein schiefes Grinsen.

»Was?«, fragte Tao und glaubte sich verhört zu haben. »Sie steht nicht zum Verkauf.«

»Glaubst du wirklich ich rede hier vom Kaufen?«

Tao weitete seine Augen ein wenig, wollte gerade etwas sagen, als Kris weiter sprach. »Wie heißt sie?«

»Phueng«, antwortete Tao plump.

»Was für ein dämlicher, unpassender Name. Jetzt heißt sie Ace Junior.«

Tao wusste nicht ob er empört oder entsetzt sein sollte. Oder ob er lachen wollte, weil dieser Mensch einfach unfassbar war. Tao warf einen hilflosen Blick zu seinem Onkel und hoffte, dass ihm irgendjemand sagen würde, dass das hier nur ein dämlicher Scherz war.

»Sie heißt Phueng und sie steht nicht zum Verkauf«, sagte Tao noch einmal mit Nachdruck und so, als hätte Kris ihn missverstanden.

Der Prinz hob die Augenbrauen unbeeindruckt an. »Ich hab nicht vor euch Gold für das durchaus amüsierende Tier zu geben. Es sollte eher ein Geschenk der Dankbarkeit von euch sein.« Er machte eine leichte, wegwerfende Bewegung mit dem Kopf und Tao starrte ihn fassungslos an. Wie kackendreist konnte eine einzige Person sein?

»Natürlich, niemand würde Eure Wünsche in Frage stellen«, kam von seinem Onkel und Tao warf ihm einen unverständlichen, entsetzten Blick zu.

»Na, offensichtlich schon«, sagte er kühl und schenkte Tao einen Seitenblick.

»Sie gehört mir und ich sehe keinen Grund Euch irgendetwas zu schenken«, sagte er dann mit ruhiger Stimme, jedoch konnte man ihm anhören, dass ihn die Situation durchaus entsetzte. Er wollte sein Lieblingsalpaka nicht hergeben. Davon abgesehen waren das eh Herdentiere.

»Es interessiert mich nicht, ob sie dir gehört oder nicht. Jetzt gehört sie mir. Und keine Angst, ich werde sie nicht dem Drachen vorwerfen. Vorerst zumindest.«

Tao öffnete seinen Mund, holte schon Luft für seine zerstörende Antwort und spürte im nächsten Moment die Hand seines Onkels auf seinem Arm. »Lass gut sein«, sagte er mit einer leisen, gedämpften Stimme. »Widersprich ihm nicht.«

Tao blieb stumm, betrachtete das siegessichere Grinsen in dem Gesicht des Prinzen ihres Königreiches, und hatte Lust  es ihm zu zerkratzen. Oder ihm einfach seinen dreckigen Fuß in selbiges zu treten. Verdient hätte dieser arrogante Arsch es durchaus.

Aber er wusste, dass es nur Stress machen würde, wenn er nun widersprechen würde. Und er wollte nicht, dass seine Familie nur wegen seines störrischen Verhaltens Ärger mit dem Königshaus bekommen würde. Das konnten sie nicht gebrauchen.

Und trotzdem war es nicht fair. Weil Phueng ihm gehörte und weil das Tier seine Herde brauchte und nicht einen dämlichen Prinzen, dem man alles in den Arsch schob, wenn er mit etwas liebäugelte. Tao konnte sein perfektes Gesicht und das leichte, schiefe Grinsen auf seinen Lippen nicht leiden.

Aber die Familie ging immer vor dem eigenem Wohl. Und deswegen blieb er still, biss sich fest auf die eigenen Zähne und versuchte Kris mit einem Blick, den man nur schwer deuten konnte, zu erdolchen.

Er war sich nicht sicher, ob er das tat, weil er das Tier tatsächlich wollte – einfach nur um es zu haben, einen anderen Grund gab es sicher nicht – oder ob er es nur tat, weil er wusste, dass es Tao stören würde. Weil er ihm einfach zeigen konnte, dass er bekam was er wollte, ohne dafür irgendetwas zu tun, außer zu reden. Und wären sein Onkel und dieser andere Kerl nicht da, würde er seinen Mund nicht halten. Oh nein. Er würde ihm seine verdammte Meinung geigen und dann wäre ihm auch egal, wie die Situation ausgehen würde.

Zu seinem Glück waren sie nicht allein und Tao sah ein, dass er die Situation wohl nicht ändern konnte. Wenn sein Onkel zusagte, war es sowieso verloren. Und in ihrem Reich gab es wohl niemand, der die Courage hatte dem Prinzen der Drachen zu widersprechen.

Und sein Titel war genau so lächerlich wie sein Auftreten.

Tao wandte den Blick zur Seite und gab ein leises, verächtliches Geräusch von sich, nahm in den Augenwinkeln war, wie Kris näher trat, und im nächsten Moment griff der andere junge Mann um sein Kinn und drückte es nach vorn, sodass er ihn ansehen musste. Er sah in sein Gesicht, bemerkte dieses höhnische Grinsen und Tao starrte einfach nur zurück, versuchte keine Miene zu verziehen und einfach nur seinen abwertenden Blick sprechen zu lassen.

»Wenn du brav bist, dann kannst du Ace Junior vielleicht mal besuchen.« Dass seine Aussage voller Spott war, musste man nicht erwähnen.

Tao antwortete nicht und Kris ließ ihn wieder los, drehte sich dann zu seinem Onkel und sagte ihm, dass sie das Tier in den Palast bringen sollten. Und dann verschwand er mit den Worten, dass er den Gestank nicht länger aushalten konnte.

Tao war froh, dass niemand das Knirschen seiner Zähne hörte.
 

Er hatte den entschuldigenden Blick seines Onkels geflissentlich ignoriert und hatte gewartet, bis er wieder allein bei den Tieren zurückgeblieben war. Er wusste nicht, ob er sauer, enttäuscht oder einfach nur wütend war. Vermutlich war sein Gemütszustand eine Mischung aus all diesen Dingen und keine davon überwog.

Er biss sich auf die Lippen und strich durch das weiche Fell des Tieres, das wohl keine Ahnung hatte, dass man gerade über seine Zukunft entschieden hatte, ohne dass es einen Wunsch hätte äußern können. Aber vermutlich wäre der Wunsch auch egal gewesen. Es war demütigend am eigenen Leib zu spüren, wie egal die eigene Meinung war, wenn das Königshaus eine Entscheidung fällte.

Seine Fingerkuppen strichen gedankenverloren über den Hals des Alpakas, das so wie immer reagierte und seinen Kopf gegen Taos Brust schlug und ihn danach anblökte. Die Tat zauberte ein mildes Lächeln auf seine Lippen, das im nächsten Moment aber traurig wurde.

Er wollte nicht, dass Phueng gehen musste. Er wollte nicht, dass die Zeit weiterlaufen würde. Sie sollte einfach anhalten, nur für ein paar Augenblicke.

Und sie tat es.

Die Zeit hielt einfach an; alles um ihn herum fing an zu erstarren und er betrachtete das Alpaka, das ihn aus seinen dunklen Augen anblickte und ebenfalls wie eine Salzsäule geworden war. Er hob seine Arme, legte sie an den Hals des Tieres und drückte seinen Kopf gegen das Fell und wusste nicht, wie lange er einfach nur da stand und das Tier berührte, während die Welt nur für ihn stillstand.

Er wusste nicht wieso er das konnte, woher diese Kraft stammte und manchmal war er sich nicht sicher, ob das wirklich passierte, oder ob er einfach nur dachte, dass die Zeit stehen bleiben würde. Vielleicht war er auch einfach nur verrückt und bildete sich die Sache nur ein. Vielleicht besaß er aber auch eine unglaublich große Gabe, die ihm, je länger er sich damit beschäftigte, überflüssig vorkam.

Was half es ihm, wenn er die Zeit anhalten konnte und die einzige Person war, die sich bewegen konnte? Was half es ihm, wenn alles erstarrte außer ihm? Nichts. Denn auf die Dauer wirkte es nur so, als würde er in einer toten, trostlosen Welt leben.

Aber so hatte er wenigstens ein paar Minuten länger mit Phueng.

Natürlich war es kein Weltuntergang, aber er mochte dieses Tier so unglaublich. Weil es so eigenwillig war. Es war stur und launisch und spuckte gern herum. So ein Tier musste man einfach lieben. Und Tao wollte es nicht hergeben. Zumindest nicht in die Hände eines Menschen, der vermutlich nicht einmal wusste, was Alpakas fraßen.

Die Stille war erdrückend. Es wirkte alles so fürchterlich unnatürlich und schließlich ließ Tao wieder von dem Tier ab, betrachtete die starren Augen für einen Moment und senkte seine eigenen Augenlider, atmete ruhig durch und glaubte, dass es nötig war, dass die Zeit wieder weiter lief.

Und ein einfacher Gedankengang reichte, dass das Tier sich wieder bewegte und blökte, als wäre nichts gewesen. Nicht, dass es bemerkt hätte, dass etwas gewesen war.

Er schenkte Phueng ein letztes, trockenes Lächeln und tätschelte ihre Schnauze. Alles was er tun konnte war zu hoffen, dass es ihr gut gehen würde. Er flüsterte ein leises »Pass auf dich auf« und drehte sich dann um. Er wurde viel zu emotional für so eine Situation. Es war ja nur ein Tier, würde sein Vater sagen, aber für Tao war es vielleicht ein wenig mehr als nur ein Tier. Phueng war eine Freundin, die es liebte seine Ärmel oder Haare anzufressen.

Der trockene, unebene Boden knirschte unter seinen nackten Füßen, als er sich durch die Hitze zurück zu ihrem schattigen Haus kämpfte und versuchte über gar nichts nachzudenken.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  nana881
2014-06-30T13:25:08+00:00 30.06.2014 15:25
Oh wie cool du schreiben kannst! Bitte schreib noch was so schoenes :3 haha
Ich haette ne Frage. Darf ich bitte deine Story auf Russisch uebersetzen und in unserem "ficbook" als ne Uebersetzung mit dem Link aufs Original posten? Es waere so schoen, wenn unsere Taoris Fans deine Story auch lesen koennten.:)
Ich bin ja hier eingelogged, um Storys fuer Uebersetzung zu finden.. Und deine passt sehr gut.:) Ich und unsere FanficLeser waeren sehr dankbar.:)
Antwort von:  dumm
30.06.2014 15:59
Hey!
Die Geschichte ist noch gar nicht fertig. Also eigentlich ist sie schon fertig, aber hier noch nicht vollständig hochgeladen. :'D
Und klar, das darfst du sehr gern machen, das würde mich sehr ehren! Wäre toll, wenn du mir den Link dann auch gibst, dann kann ich ihn auch in die Beschreibung packen. :D

Falls ich das hier mit dem Updaten vergesse kannst du die vollständige Fanfiction auch auf meinem Fanfiction.de Account finden. Selber Name, oder du guckst kurz in mein Profil, da ist direkt ein Link zu meinem FF.de-Profil. :)

Liebe Grüße!
Von:  FaerieKanon
2014-06-11T08:42:27+00:00 11.06.2014 10:42
Uiii... EXO und Alpaccas. Was will ich mehr. *-* xD
Ich hab mir den Ort sofort in Lateinamerika vorgestellt... wahrscheinlich, weil es dort Alpakafarmen gibt. :D
Ich mag deinen Schreibstil immer noch und freu mich auf die nächsten Kapitel. *-* Ich hoffe auf eine genauso flauschige Story, wie das Fell des Alpakas. xD
Antwort von:  dumm
30.06.2014 16:00
Nichts. 8D

Lateinamerika könnte stellenweise wohl durchaus passen! :D
Aber Alpakafarmen gibt es hier auch, haha.
Aaah, ja, ich sollte mal weiter hochladen. Die Geschichte ist ja eig. auch schon fertig. Dann mach ich das am besten gleich mal, damit die Leute auf Animexx mehr zum Lesen bekommen, haha. :D


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