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Karina und die Baumgeister

von

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Libelle

„Schrei so laut du kannst, niemand wird dich hören. Weine bis zum umfallen, keiner wird es merken.“ sprach die Stimme mit einem Klang aus Schnee und Eis, schneidend in die Dunkelheit. Sie hatte gerade noch den Drang gehabt zu schreien und zu weinen, aber nun war sie von Angst umfasst, weswegen sie nur stumm zittern konnte.

Die Stille die folgte wurde nur vom ewigen Tropfen des süßen roten Lebenssaft zerrissen. Sie spürte wie es an ihren Armen entlang lief, bis runter in die Fingerspitzen und mit einem leisen 'Plitsch' auf den kalten Steinboden aufkam. Heißer Atem streichelte ihre Wangen und ihren Hals, bis sie in tiefer Schwärze verfiel.
 

Der 12. August in diesem Jahr war besonders heiß. Im Wetterbericht hieß es das es der heißeste Tag im Sommer sei und in der Tat war er das. Egal wo man hin schaute über all standen und saßen schwitzende Menschen, die sich lieber einen Tag am See erwünschten. Auch Karina wäre gerade lieber wo anders, aber da ihre Schwester ausgerechnet heute ihre Hochzeit abhielt, musste sie wie all die anderen 113 Gästen in der Hitze ausharren. Wenn wenigstens die Bäume näher an die Feier ran rücken könnten so das sie alle Schatten hätten, dann wäre das alles wesentlich erträglicher. Aber Bäume konnten nicht laufen, zumindest bis jetzt noch nicht. Also litten sie alle weiter, während Karinas Schwester überglücklich sich das Ja-Wort mit ihrem neuen Gatten gab.

Ihre Schwester war eine wunderschöne junge Braut, mitte zwanzig, mit langen schokoladen-braunen Haaren, dunkelblauen klaren Augen und ein perfekt geschnitztes Gesicht. Oft hatte sich Karina vorgestellt das ihre Schwester von Engel erschaffen wurde, aber immer wenn sie diesen Gedanken ihr gegenüber äußerte lachte sie und sagte das sie gerne aus dem Himmel stammen würde. Ihre Schwester war viel zu schön für den Mann den sie heiratete, denn der sah einfach aus wie jeder durchschnitts Kerl in der Gegend. In ihren Augen hatte dieser Mann, dessen Namen sie nicht mal aussprechen vermochte, ihre Schwester gar nicht verdient.

Als der Kuss des Brautpaars die Hochzeit besiegelte, konnte man unter dem ganzen jubeln und klatschen deutlich die Erleichterung spüren, dass es endlich vorbei war mit dem in der strengen Hitze sitzen. Sofort eilten alle wie eine Meute Hunde nach vorne zu dem frisch vermählten Paar und gaben ihre besten Glückwünsche ab. Karina wusste nicht welcher von allen der schnulzigste und schleimigste Glückwunsch war, aber irgendwie übertraf jeder jeden. Sie selbst begab sich erst zu ihrer Schwester und dessen Mann als die Meute abgezogen war, um über das Essen herzufallen was unter schattigen Pavillons stand.

„Mein Glückwunsch zur Trauung. Ich wünsche euch beiden alles Glück der Welt.“ sagte Karina zu den beiden Glücklichen. Für diese beiden Sätze hatte sie eine Woche lang geübt, denn es fiel ihr schwer das ihre Schwester ab heute ihr Schicksal in die Hände dieses einen Mannes legte. Vorher gab es immer nur sie und ihre Schwester und der Schwur das nichts sie beide trennen vermag. Tja und nun war da dieser Mann, neustes Mitglied der Familie und nur eine Frage der Zeit bis ihre Schwester mit einer Kugel vor sich ankam.

Das Leben war hart, wie Karina heute feststellte. Der wichtigste Mensch in ihrem Leben wird ab Morgen in eine andere Stadt leben, gute zwei Stunden Fahrzeit entfernt. Morgen wird sie sich alleine mit ihrer strengen Mutter rum schlagen müssen, die dann noch mehr auf Karina achten wird als schon zuvor. Ja Morgen wird alles anders werden, schlimmer, unschöner und nerviger. Dem Ganzen kann sie erst in einem Jahr entkommen, dann wäre sie endlich achtzehn und könnte ausziehen. Am besten auch weit weg.

„Weit weg also und wohin möchte das junge Fräulein genau?“

Oh mist, sie hatte letzteres wohl laut gesagt. Etwas überrascht sah sie neben sich zu dem Herrn auf, der es irgendwie geschafft hatte unbemerkt neben ihr aufzutauchen. Er wirkte wie um die dreißig Jahre rum, hatte schwarzes, dickes Haar und tief braune Augen. Wer war er nochmal? Sie konnte sich nicht erinnern. Wahrscheinlich irgendein Freund vom Bräutigam.

„Das ist egal, einfach weit weg von Zuhause.“ gab sie zur Antwort und ließ den Blick über die Gäste schweifen. Da sie befürchtete das der Mann noch mehr Fragen stellen könnte, sprach sie rasch „Ich hol mir auch was zu Essen ehe alles weg ist.“

Schnellen Schrittes ging sie zu einem der Pavillons wo sich die Salatbar befand. Eigentlich hatte sie keinen wirklichen Hunger, weswegen sie sich auf einen Teller nur wenig drauf packte.

Während sie das bisschen zu sich nahm, wurde sie ab und an von den verschiedensten Leuten angesprochen. Arbeitskollegen ihrer Schwester, Verwandte, Freunde, alles war vertreten nur ihre Mutter nicht. Karina fand das nicht weiter schlimm, sie kam immerhin nicht gut klar mit ihrer Mutter. Aber normalerweise sollte eine Mutter an der Hochzeit ihrer Tochter teilnehmen. Doch diese Frau war einfach eine schwierige Person.

Ihr Pappteller war leer, daher ging sie diesen in einen der Mülltonnen weg werfen. Da sie keinen große Lust hatte zu den vielen Menschen zurück zu kehren, beschloss Karina zu den Bäumen am Rand der Feier zu gehen. Da hinter erstreckte sich ein weitläufiger Laubwald, der in seiner voller Pracht seit Jahrtausende dort stand. Soweit sie sehen konnte, sah sie viele verschiedene Grüntöne die den Himmel verdeckten. Karina liebte Wälder, das war schon so seid sie ein kleines Kind war. Allerdings gefiel es ihrer Mutter nie wenn sie in den Wald ging. Diese war nun aber nicht da, deswegen beschloss sie den Wald zu betreten. Kaum waren die ersten Bäume hinter ihr, folgten immer mehr. Umso weiter sie rein ging, umso weniger hörte sie die Hochzeitsmusik, das Gelächter und die Stimmen der Gäste. Es wurde immer ruhiger. Nur Vögel hörte sie, aber auch den ein oder anderen Ast, der knackte, wenn sie darauf trat. Diese Ruhe mochte sie besonders gern. Hier fühlte sie sich in eine andere Welt versetzt.

Kurz sah sie sich in alle Himmelsrichtungen um. Als sie sicher war, dass sie wirklich alleine war, klopfte sie gegen das Holz einer alten Eiche. „Erwache kleiner Baumgeist und lass mich deine Stimme hören.“

Kaum waren die Worte ausgesprochen, leuchtete die Stelle gegen die Karina geklopft hatte silberfarbend auf. Ein kleines Wesen tauchte auf. Es war wie das Licht silbern, hatte lange weiße, fast durchsichtige Haare und die Augen wirkten wie flüssiges Metall. Eine Pupille konnte man in den Augen nicht erkennen. Das Wesen war ein Baumgeist, ein Geschöpf, dass wie der Name schon sagte in Bäumen lebte. Es gab viele von ihnen, jeder einzigartiger als der Andere. Dieser kleine Baumgeist den Karina rief hieß Libelle. Zum einen weil der wahre Name des Baumgeistes viel zu lang und unaussprechlich für Karina war und zum anderem wegen den vier libellenartigen Flügeln die das Wesen besaß.

„Was ist denn los? Hab ich was verpasst?“ fragte das kleine Geschöpf, das noch sehr müde wirkte.

„Nein nur die Hochzeit meiner Schwester. Aber die Hitze hätte dich wahrscheinlich umgebracht.“ gab Karina zur Antwort und hielt dabei die Handfläche auf, auf der sich Libelle nieder ließ.

„Oh! Dabei wollte ich immer schon eine Menschenhochzeit sehen.“

„Das wirst du, irgendwann mal. Aber dafür müssen die Tage kühler sein. Ich möchte nicht das du austrocknest.“ Baumgeister konnten genauso vertrocknen wie Pflanzen wenn sie zu wenig Wasser bekamen und zu sehr der Hitze ausgesetzt waren. Diese Erfahrung hatte Karina gesammelt als sie Libelle letztes Jahr im Hochsommer mit in die Stadt nahm und sie zu viel Sonne ab bekam. Retten konnte sie ihre kleine Freundin nur indem sie sie in einen der Stadtbrunnen warf.

Karina erinnerte sich noch gut daran wie erschrocken sie war, als Libelle so ausgetrocknet wie eine Wüste aussah und die Haut des Baumgeistes schon Risse bekam. Seit dem achtete sie besser auf das kleine Wesen und hatte sich viel anderes Wissen angeeignet. Wie zum Beispiel das Baumgeister reine Vegetarier waren oder das sie mit dem Wald reden konnten. Umso mehr sie über diese Wesen lernte, umso interessanter und fantastischer fand sie sie.

Mit Libelle ging Karina nun noch tiefer in den Wald. Die versteckten Pfade die sich durch den Wald schlängelten kannte Karina sehr gut, weswegen Libelle sie nicht mehr führen brauchte. Das Ziel war ebenfalls für beide klar. Es sollte zum See gehen, der sich tief im Wald befand und weshalb kaum ein Mensch bisher dorthin gelangte. Dort würde sich Karina ans Ufer setzen und den Glühwürmchen beim tanzen zusehen. Das war für sie immer noch die beste Art um abschalten zu können und zu vergessen was sich ab Morgen alles ändern wird.

Kastanien-, Eichen- und Ahornbäume drängten sich immer dichter zusammen, umso näher die beiden dem See kamen. Die Bäume wirkten als würden sie alle dem Wasser nah sein wollen. Libelle hatte ihr einmal erklärt, dass der See das Zentrum des Waldes war und äußerst wichtig für jede Lebensform die hier hauste. Karina konnte sich das anfangs nicht richtig vorstellen wie wichtig der See sei, aber mit der Zeit entdeckte sie neben den Tieren des Waldes und den Bäumen und Pflanzen viele andere Wesen die von dem Wasser lebten. Sie hoffte heute neben den Glühwürmchen noch andere Lebewesen zu sehen.

Der See erschien in Sichtweite und sein schimmerndes Wasser funkelte wie ein Kristall durch die letzten Bäume. Karina wollte gerade das letzte Stück hinrennen, als sie die Totenstille im Wald bemerkte. Kein Vogel war zu hören, kein keckerndes Eichhörnchen, kein Rascheln und Flüstern der Blätter. Alles schwieg, selbst der Wind. Diese Stille war unheimlich, so sehr das Libelle sich mehr an Karina drängte und fast auf der Schulter in ihrem Haar verschwand.

„Was ist hier los?“ flüsterte Karina zu ihrer Freundin, die nur ein leises Zitternd von sich gab. Nervös sah sich Karina um. Nichts war zwischen den Bäumen zu sehen. Sie beschloss vorsichtig weiter in Richtung See zu gehen, dort war es zumindest sicherer als hier zwischen den eng beieinander stehenden Bäume. Schritt für Schritt ging sie weiter, schaute sich immer wieder mal um damit nichts sie überraschend angreifen konnte. Auch Libelle sah sich zwischen Karinas Haaren ängstlich um. Sie spürte Gefahr, konnte aber genauso wenig wie ihre Freundin was entdecken.

Es waren noch wenige Schritte bis sie zwischen den Bäumen an den See treten konnten, da knackte es unter Karinas Füßen. Durch die Stille des Waldes hallte das Knacken wie ein Echo aus allen Richtungen wieder. Karina hielt inne, lauschte erschrocken, während Libelle vor Schreck die Luft angehalten hatte. Stille kehrte wieder ein, nichts regte sich, nirgendwo war ein anderer Laut zu vernehmen. Die beiden Freundinnen atmeten erleichtert aus, als plötzlich ein großer Schatten Karina von den Füßen fegte.

Das Mädchen kam hart auf den Boden auf, rappelte sich aber rasch wieder auf. Tiefes knurren hörte sie hinter zwei Bäume direkt vor sich. Als sie genau hinsah erkannte sie zwei große gelb glühende Augen die sie finster fixierten. Ein mächtiger fellbedeckter Kopf, mit gefletschten Zähnen die rasierklingenscharf aussahen, trat ein großer zotteliger schwarzer Hund zwischen den Bäumen hervor.

Karina wich zurück als das Ungetüm mehr auf sie zu kam. Seine Pfoten waren riesige Pranken und doch gaben sie beim auftreten keinen Laut von sich. Wie konnte eine so große Bestie keinen laut von sich geben? „Ka...karina...lauf...“ hörte sie kleinlaut die Stimme ihrer Freundin hinter sich. Der Hund knurrte einmal laut auf und als er nach Karina schnappte rannte sie los, so das die Zähne sie um haaresbreite verfehlten. Sie rannte die paar letzten Schritte zum See in der Hoffnung dort im Wasser ihn abschütteln zu können. Doch der schwarze Hund war schneller. Kaum rannte Karina zwischen den letzten Bäume hinaus zum Uferrand, da preschte das Ungetüm hinter ihr her und krachte mit seiner ganzen Körpermasse von hinten in Karina rein. Erneut fiel sie und stieß mit dem Kopf gegen einen alten Baumstumpf, der für viele als Sitzplatz diente. Sie spürte das massige Gewicht des Hundes auf ihren Rücken, seinen heißen stinkenden Atem und wie ihr Kopf schmerzte.

„Karina!“ hörte sie den Schrei ihrer kleinen Freundin, als sich die Fangzähne des Hundes in die Schulter des Mädchen bohrte. Ihr Schrei erfüllte die Luft über den ganzen See.



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  Trixi-Asmodina
2014-08-01T19:01:54+00:00 01.08.2014 21:01
Hey Mausi wie immer super geschrieben. Klare Details und eine angenehme und spannende Erzählweise lässt alles so lebendig wirken. Schreib schnell weiter, ich freue mich auf das folgende Kapitel.
Von:  kuchengabel
2014-07-18T11:55:53+00:00 18.07.2014 13:55
Ich finde Karina auch sympathisch muss ich sagen, allerdings tut es mir leid, dass sie sich über die Heirat ihrer Schwester nicht freuen kann, weil sie den Mann nicht gut heißen kann. hach traurig sowas~ Ich hoffe das passiert mir nie mit meinem Bruder >.< hihi
Als sie in den Wald ging und ihre Freundin rief, strahlte das eine sehr schöne und angenehme Ruhe aus. Das Lesen hat einen innerlich irgendwie jede Anspannung genommen. Du hast es schön beruhigend geschrieben <3 umso aufregender war es dann, als alles totenstill war >.<
Schlimm das ich alle Tiere mag... kann nicht mal einer auftauchen und das riesige Vieh an die Leine nehmen?! XD Ich hoffe Karina kommt heiler aus der Geschichte raus, als es gerade den Anschein macht.
Ich freue mich auf das nächste Kapitel! <3 und auf noch mehr Baumgeister <3<3<3
Von:  23Katara23
2014-07-18T10:40:16+00:00 18.07.2014 12:40
Mir gefällt der Anfang deiner Fanfiction sehr.
Karina ist mir sehr sympathisch! Sie hat einfach keine Lust auf diese Hochzeit mit den vielen Gästen, das viel zu warme Wetter und möchte lieber ihre Ruhe. Es ist alles sehr schön spannend aufgebaut. Die Umgebung beschreibst du so schön detailliert, dass ich mir alles super gut vorstellen kann.
Ich bin schon gespannt auf dein nächstes Kapitel! Weiter so!


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