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Was die Zeit bringt

von

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One-Shot (zensiert)

Die Sonnenstrahlen scheinen erbarmungslos auf mich nieder. Die glühende Hitze treibt mir den Schweiß auf die Stirn und es ist mehr als unangenehm im Bett zu liegen, wenn man sich wie ein Steak auf dem Grill fühlt.

Ich öffne verschlafen die Augen, strecke mich ausgiebig und gähne herzhaft. Als ich zur Seite blicke verziehe ich meinen Mund zu einer Grimasse und grummele. War ja klar, dass er sich mal wieder als erster aus dem Staub macht.

Mit den Händen stütze ich mich von der Matratze ab und schwinge die Beine unter der Decke hervor auf den kühlenden Laminatboden. Ich bleibe noch einen Moment auf der Bettkante sitzen und versuche wach zu werden. Mein Kreislauf ist jedenfalls nicht begeistert, dass ich so schnell aufgestanden bin.

Ich gähne erneut, zerre die Decke von meinem Schoß und erhebe mich vom Bett, ziehe die Vorhänge auf und öffne das Schlafzimmerfenster zum Lüften.

Mein Handy spielt eine kurze Melodie ab. Ich kehre zurück zum Nachttisch und greife nach dem Handy. Das Display leuchtet auf. Eine neue Mitteilung.

Komme heute Abend später. Warte nicht auf mich. Sven

Grummelnd werfe ich mein Handy auf das Bett und gehe missmutig ins Badezimmer. Seit Sven diese dämliche Beförderung angenommen hat, haben wir überhaupt keine Zeit mehr für uns. Er merkt nicht mal wie sehr unsere Beziehung darunter leidet, wie ich darunter leide. Vorher, da haben wir ständig etwas zusammen unternommen, zumindest an den Wochenenden und unter der Woche haben wir die Abende miteinander verbracht und sei es nur um einen Film vor dem Schlafengehen zu gucken, aber wir waren zusammen.

Ich habe Sven mittlerweile praktisch seit einer Woche nicht mehr gesehen!

Nachts ist er auch noch so erschöpft, dass er nicht mal Lust auf Sex hat und dass wo er sonst immer unersättlich ist. Mir fehlen unsere nächtlichen Abenteuer und seine Anwesenheit.

Manchmal kommt es mir vor als wäre ich wieder Single und Sven lediglich mein Mitbewohner. Wenn es so weitergeht wird dieser abstruse Gedanke irgendwann noch mal zur Realität.

Ich ziehe mir die Boxershorts aus, werfe sie zu Boden und steige in die Dusche. Griesgrämig drehe ich den Hahn auf und dusche mir den Schweiß der Nacht ab, seife mich ein und lasse alles abwaschen. Ich starre in den Ausguss und sehe zu wie das mit Seife vermischte Wasser abfließt.

Seufzend gehe ich in die Hocke und vergrabe mein Gesicht in meinen auf den Knien verschränkten Armen.

„Ich brauche Sex...“, jammere ich. Und ich will meinen Freund zurück haben, der in den Fängen seines teuflischen Chefs gefangen ist!

Ich seufze kellertief.

Ich sollte in Betracht ziehen, weniger Konsolenspiele zu zocken. Meine Gedanken driften in andere Gefilde ab.

Ich verlasse die Dusche, greife nach einem Handtuch, trockne mich ab und kehre zurück ins Schlafzimmer um mir meine Uniform anzuziehen. Flüchtig style ich meine Haare im Badezimmer und schaue prüfend mein Spiegelbild an. Zufrieden nickend schlendere ich in die Küche, mache mir kurz ein Käsetoast und stürze ein Glas kühler Apfelschorle herunter, ehe ich nach den Schlüsseln greife und mich auf den Weg zur Arbeit begebe.

Der Weg dorthin ist mal wieder ein schwieriges Unterfangen. Ich befinde mich nach nur kurzer Zeit im Stau und der zieht sich zäh wie Kaugummi dahin.

Ich arbeite als Portier in einem gut besuchten Hotel. Entgegen der üblichen Arbeit an der Tür, verbringe ich doch mittlerweile die meiste Zeit am Empfang, kümmere mich um die Post, nehme Telefonate an, kümmere mich um Besucher, verwalte die Schlüssel und Bücher und habe vor einem Jahr meine Ausbildung als Hotelfachmann abgeschlossen. Irgendwann möchte ich schließlich mein eigenes Hotel führen.

Wenn es doch auch so gut in meiner Beziehung laufen könnte.

Ich starre auf die nicht enden wollende Autoschlange vor mir, schwelge in Gedanken und erinnere mich an meine erste Begegnung mit Sven.

Er war damals Gast in meinem Hotel, hatte ein Weihnachtsfest mit seiner Firma dort und hat mich kurzerhand abgefüllt. Ich kann von Glück sagen, dass mein Chef niemals etwas davon mitbekommen hat. Irgendwie sind wir dann in einem Hotelzimmer gelandet und haben die Nacht durchgevögelt wie pubertäre Teenager. Von da an haben wir uns öfter mal ein heimliches Stelldichein in einem der freien Zimmer gegönnt. Danach haben wir uns ziemlich oft bei mir getroffen. Anfangs wirklich nur um Sex zu haben, aber dann wurde irgendwie mehr draus, bis Sven schließlich beschlossen hat bei mir einzuziehen.

Es war eine tolle Zeit. Freunde mit gewissen Vorzügen sozusagen, bis diese blöde Beförderung ins Haus eintrudelte. Wir sind begeistert gewesen, immerhin heißt das ja auch automatisch mehr Gehalt, aber mit den Konsequenzen hat wohl keiner von uns beiden gerechnet.

Die langen Arbeitszeiten, weitere Überstunden, unsere Beziehung die darunter leidet...

Ich biege auf den Parkplatz des Hotels ab und suche mir einen freien Platz weiter hinten im Schatten unter einem großen Baum. Ich steige aus und laufe quer über den Parkplatz zum Hotel, nehme den Hintereingang und laufe durch einen schmalen lange Flur, vorbei an verschlossenen Türen und gelange schließlich durch eine weitere Tür direkt zum Empfang.

„Moin!“, grüße ich meinen Kollegen, der bereits den Computer hochfährt. Er nickt mir zu und widmet sich wieder dem Gerät. Eigentlich sieht er sogar ziemlich attraktiv aus, aber er ist so scheußlich wortkarg. Es ist einfach kaum etwas aus ihm herauszukriegen. Mehr als seinen Namen kenne ich im Grunde genommen gar nicht.

Ich seufze innerlich und werfe einen Blick in das Buch auf dem Tisch. Zwei Leute checken heute aus und wir haben fünf neue Zimmerreservierungen. Wird wohl ein ruhiger Tag heute. Dafür gibt es hier nächstes Wochenende ein großes Event. Ich schätze mal, dann werde ich ziemlich viel zu tun haben. Auch gut, dann bin ich wenigstens von meinen Sorgen rund um Sven abgelenkt.

Mein Blick fällt auf Yasin. Er hat dunkle, kurze schwarze Haare, einen dunklen Teint und einen Dreitagebart, der ihm ziemlich gut steht. Er scheint auch ins Fitnesscenter zu gehen, was ich anerkennend an seinen muskulösen Armen bemerke. Kein Vergleich zu Sven, der eher schlank ist und nicht mal die Ansätze eines Sixpacks aufweisen kann. Dabei ist mein Freund durchaus ein Hingucker, wenn er nur mehr aus sich machen würde.

Ich seufze und schaue gelangweilt zum Eingang. Draußen vor der Glastür laufen Passanten vorbei.

„Kann ich mal?“, fragt Yasin unerwartet. Ich blicke auf und rutsche ein Stück zur Seite, damit er an die kleine Tür unter dem Tisch kann. Er holt einen neuen Kugelschreiber aus einer Schachtel heraus. Ich schaue zu ihm herunter und seufze erneut. Die Arme strecke ich lang aus und hänge wie ein nasser Sack auf dem Tisch.

Unsere Blicke treffen sich kurz und würde mir Yasin die Hose runter reißen und mich von hinten nehmen, hätte ich im Augenblick nichts dagegen. Ich bin zurzeit ohnehin wie auf heißen Kohlen und brauche eindeutig wieder Sex. Wenn nur Sven mal etwas dagegen tun könnte. Stattdessen arten meine Gedanken am Arbeitsplatz immer wieder zu abstrusen Fantasien mit meinem türkischen Kollegen aus. Wenn Yasin davon hören würde, würde er mich höchstwahrscheinlich einen Kopf kürzer machen. Erneut seufze ich. „Ich gehe mal kurz auf Toilette.“

Yasin nickt unbeteiligt. Schmollend ziehe ich eine Schnute. Er könnte ja gerne mitkommen, aber ich habe mich wohl nicht klar genug ausgedrückt.

Ich verziehe mich im Badezimmer und lehne meine Stirn an die kühle Kabinentür. Der Tag fängt ja mal richtig gut an. Leicht hämmere ich meinen Kopf an die Tür. „Komm wieder runter. Du hast einen Freund. Denk nicht an Sex mit anderen...“ Das macht es allerdings auch nicht unbedingt besser. Ich atme tief durch und gehe ans Waschbecken um mein Gesicht etwas mit kaltem Wasser zu bespritzen. Ich trockne mich ab und verlasse das Bad um zurück an meinen Platz zu gehen. Yasin steht am Empfang und nimmt soeben die Zimmerschlüssel eines älteren Mannes in Anzug ab. Er sieht aus wie ein Geschäftsmann.

„Guten Tag.“

Der Mann nickt mir zu und sieht noch ziemlich verschlafen aus. Nachdem alles geregelt wurde, verabschiedet er sich und geht.

„Nicht viel los heute, 'ne?“, frage ich und geselle mich zu meinem Kollegen. Yasin brummt nur und deutet zur Tür. Eine Familie kommt hinein im Schlepptau einen kleinen Sohn und eine Tochter im Teenageralter, deren Blick von mir zu Yasin wandert. Kokett streicht sie sich ihre braunen Haare aus dem Gesicht und lächelt. Genervt wende ich den Blick ab und schaue ins Buch. Die Zimmerreservierung überlasse ich Yasin. Ich linse zu dem Mädchen, die mit ihrem Blick den Mann neben mir geradezu zu verschlingen droht, während er sie keines Blickes würdigt. Was soll auch ein Kerl wie Yasin mit so einer halben Portion anfangen? Innerlich lache ich mich zu Tode. Dummes Mädchen, werde erst mal erwachsen.

„Malte, das funktioniert nicht.“ Yasin sieht zu mir. Ich gehe zu ihm und schaue auf den Computer. Wie es aussieht ist der Bildschirm eingefroren. „Passiert manchmal. In ein paar Sekunden macht er's wieder.“ Ich sehe Yasin an und gehe hastig auf Abstand als er mir auf einmal so nahe ist. Yasin übergibt die Zimmerschlüssel an die Familie. Sie ziehen von dannen und grinsend rutsche ich wieder zu ihm herüber. „Hast du die Kleine gesehen? Die hat dich mit ihren Augen praktisch ausgezogen!“, erzähle ich ihm.

„Aha...“, meint er ungerührt.

„Hübsch ist sie, aber...“ Ich halte inne, als er mir direkt in die Augen sieht und schlucke heftig. „Äh, was wollte ich sagen?“, frage ich ihn, weil mir auf einmal meine Gedanken abhanden gekommen sind.

„Woher soll ich das wissen?“ Yasin tippt auf dem Computer herum und atmet erleichtert auf, als die Maus sich wieder bewegen lässt.

Ich beiße mir auf die Unterlippe und lasse mich wieder auf dem Tisch hängen. Das muss alles an dem heißen Wetter liegen. Mir schmoren die Gehirnzellen durch.

Mein Handy vibriert, also nehme ich es heraus und schaue auf das Display. Eine neue Mitteilung von Sven. Neugierig öffne ich sie und würde am liebsten schon im nächsten Moment das Handy gegen die nächste Wand knallen.

Wir müssen unser Wochenende am See verschieben. Fliege mit meinem Chef zu einem Firmentreffen in die Schweiz. Sven

Und wieder ein Wochenende, das ich alleine verbringen muss. Mir entgleisen die Geschichtszüge. Wird er überhaupt mal wieder Zeit für mich haben? Oder ist er inzwischen mit seinem Job verheiratet?
 

Am Abend bin ich allein in der Wohnung. Ich hänge lustlos auf dem Sofa und zappe durch durch die Kanäle, aber die Filme, welche zurzeit laufen sprechen mich so gar nicht an. Mit den Gedanken hänge ich bei Sven. Frustriert schiebe ich mir Pringles in den Mund und trinke direkt aus der Colaflasche.

Mein Handy vibriert neben mir auf dem Sofa. Schlaf gut. Liebe dich, Sven

„Steck dir deine Liebe sonst wohin...“, brumme ich gereizt und lasse das Handy achtlos wieder auf das Sofa fallen.

Ich zappe weiter durch die Kanäle und nach kurzer Zeit fliegt auch die Fernbedienung auf das dunkelbraune Polster. Ich lasse mich seitlich fallen, stütze meinen Kopf auf die Armlehne und schaue mir die Werbung an, die gerade läuft. Gähnend schließe ich die Augen und schon nach kurzer Zeit döse ich weg.
 

Ein neuer Morgen. Da ich vergessen habe die Vorhänge zuzuziehen knallt die Sonne regelrecht ins Wohnzimmer. Mein Körper trieft vor Schweiß und meine Kehle ist trocken. Ich setze mich auf dem Sofa auf und trete mitten auf die Chips, die wohl in der Nacht aus der Dose gefallen sind. Ich seufze und reibe mir mit den Händen über das Gesicht.

Mein erster Weg führt mich ins Schlafzimmer. Das Bett ist noch gemacht, als hätte nie jemand darin geschlafen. Er ist also gar nicht erst nach Hause gekommen. Ich beiße mir auf die Unterlippe und schlucke meine Enttäuschung herunter. Kann er nicht wenigstens heimkommen? Wir müssen ja nicht miteinander schlafen, wenn er so fertig ist, aber wenn er wenigstens einfach nur da wäre...

Ich hocke mich im Türrahmen hin und lehne meinen Kopf dagegen. Kann man das noch Beziehung nennen, wenn wir nebeneinander her leben? Was ist das eigentlich was wir hier machen?

Ich trotte in die Küche und gieße mir ein Glas Milch ein. Die kühle Flüssigkeit tut gut. Danach zieht es mich ins Badezimmer in dem ich mir ein ausgiebiges Schaumbad gönne.

Heute ist auch noch mein freier Tag. Ich lehne mich an den Wannenrand und schließe meine Augen. Ganz wach bin ich noch nicht und die zunehmende Hitze macht mich auch nicht gerade wacher.

Es klingelt auf einmal an der Tür. Seufzend erhebe ich mich und laufe vom Bad aus durch den Flur zur Haustür. Als ich sie öffne kippt mir glatt die Kinnlade herunter.

„Yasin?“, frage ich verwirrt. „Was willst du hier? Um diese Uhrzeit?“

Sein Blick gleitet erstaunt über meinen Körper. „Läufst du immer nackt durch die Wohnung?“

„Äh...?“ Ich schaue an mir herunter und mit einem Mal wird mir ziemlich heiß im Gesicht. Beschämt weiß ich im ersten Moment gar nicht was ich tun soll. „Ich gehe mal kurz...“ Hastig drehe ich mich um und dann wird mir plötzlich schwarz vor Augen. Ich sacke zu Boden und halte mir den Kopf.

„Alles okay?“, fragt Yasin.

„Geht gleich wieder...“, murmele ich und versuche den aufkeimenden Schwindel zu ertragen. „Kannst du mir ein Handtuch aus dem Bad bringen?“, bitte ich ihn. Yasin geht an mir vorbei und läuft suchend durch die Wohnung. Nach kurzer Zeit drückt er mir ein Tuch in die Hand. Ich binde es mir um den Körper und stehe mit etwas wackeligen Beinen auf, während mein Kollege die Haustür schließt. Ich schleppe mich zum Sofa und lege mich ächzend darauf.

Yasin setzt sich auf den Holztisch davor und schaut auf mich herunter.

„Was wolltest du denn?“, frage ich ihn.

„Ach ja.“ Er kramt in seiner Hosentasche herum. „Du hast dein Portemonnaie gestern einfach auf dem Empfangstisch liegen lassen.“ Er drückt es mir in die Hand.

„Oh, danke.“ Ich kann mich gar nicht daran erinnern. Bin ich so abgelenkt gewesen? Ich lasse das Portemonnaie auf meinem Bauch liegen und halte mir den Arm über die Augen.

„Geht's?“, fragt Yasin.

„Ja, ich habe nur morgens einen niedrigen Blutdruck oder so was. Mein Kreislauf braucht ein wenig bis er in die Gänge kommt.“ Ich setze mich mühsam auf und lege das Portemonnaie neben mich auf die Armlehne.

„Du hättest es mir auch bei der Arbeit morgen geben können.“

„Schon, aber es hätte ja sein können, dass du es heute brauchst.“

„Danke, dass du dir die Mühe gemacht hast.“

„Kein Ding.“

Wir schweigen und so alleine hier im Haus mit Yasin zu sein ist schon ein merkwürdiges Gefühl. Ich habe einen Freund, versuche ich mir einzureden. Das verdrängt nur leider nicht die Tatsache, dass ich mich zu meinem Kollegen sexuell hingezogen fühle.

„Yasin?“

„Hm?“

„Bist du mal fremdgegangen?“

Er sieht mich stirnrunzelnd an. „Nein.“

„Würdest du es tun, wenn du eine Freundin hättest, die kaum noch Zeit mit dir verbringt und ständig eure Verabredungen absagt?“, frage ich ihn zögernd.

„Hm, ich würde Schluss machen.“

„Ist das der einzige Ausweg?“

Yasin zuckt mit den Schultern. „Kommt drauf an, aus welchen Gründen sie es tut. Wenn man sich anstrengt ist die Beziehung vielleicht noch zu retten.“

„Und wenn sich nur einer von beiden Mühe gibt die Beziehung noch aufrecht zu erhalten?“

„Was hat es dann noch für einen Sinn zusammen zu bleiben?“

„Na ja, man liebt einander doch...“

„Was ist das für eine Liebe? Die geht doch vor die Hunde! Außerdem, die Person die sich die Mühe gibt und nichts dafür zurück bekommt geht innerlich kaputt. Ist es das echt wert?“

Ich schüttele den Kopf und presse meine Lippen zusammen. Tränen steigen mir in die Augen, weil er genau meine Gefühlslage beschrieben hat. Ich lege den Kopf in den Nacken, lehne mich gegen die Rückenlehne damit er mich so nicht sieht und seufze.

„Beziehungen sind scheiße. Vielleicht sollte ich einfach nur Leute für Sex suchen?“

„Wenn es dich glücklich macht...“, erwidert Yasin und als ich zu ihm schaue, begegnen sich unsere Blicke.

Ich seufze. „Wahrscheinlich nicht. Ich bin ein totaler Romantiker.“ Ein schwaches Lächeln schleicht sich auf meine Lippen. Yasin grinst. Verdammt, selbst dabei werde ich schwach oder liegt das immer noch an meinem Kreislauf?

Wenn ich ihn jetzt küssen würde, könnte ich es auf meinen momentanen Zustand schieben. Irgendwie traue ich mich dann aber doch nicht. Ich will nichts kaputt machen. Es hat lange gedauert, bis wir mal mehr als nur Hallo und Auf Wiedersehen ausgetauscht haben.

„Musst du nicht zur Arbeit?“, frage ich ihn. Erschrocken schaut Yasin mich an. „Verdammt! Habe ich total vergessen!“, meint er entsetzt und steht auf. „Bleib liegen, ich finde schon raus.“

Ich nicke lächelnd und hebe kurz die Hand als er Richtung Haustür läuft. Sie knallt hinter ihm ins Schloss und dann bin ich wieder allein in der Wohnung. Allein mit meinen Zweifeln, unerwiderten Gefühlen, unterdrückten Gelüsten und einer Beziehung die höchstwahrscheinlich am Ende ist.
 

Yasin finde ich am nächsten Tag am Hinterausgang beim Rauchen vor. Er lehnt an der Wand und beobachtet ein paar Tauben die sich um ein halbes Brötchen zanken.

„Auch schon da?“, frage ich und geselle mich zu ihm, schüttele jedoch mit dem Kopf als er mir seine Kippe anbietet.

„Romantiker und Nichtraucher.“ Es klingt wie eine Feststellung, als er das sagt.

Ich betrachte ihn von der Seite wie lässig er da steht und an seinem Glimmstängel zieht, den Rauch ausbläst und mit seinen Gedanken schon wieder ganz woanders ist.

„Wie hast du herausgefunden, dass du schwul bist?“, fragt er mich völlig unerwartet. Für einen Moment bin ich wie vor den Kopf gestoßen und antworte nicht sofort.

„Wie hast du herausgefunden, dass ich es bin?“, stelle ich ihm die verblüffte Gegenfrage.

Yasin wendet sich mir zu. „In deinem Portemonnaie war ein Foto.“

Ach ja, so ein Mist aber auch. Sven hat ein dummes nach dem Sex-Selfie gemacht, das ich in meinem Portemonnaie mit mir herum trage. Ich bin nun mal nicht davon ausgegangen, dass jemand anderes außer mir einen Blick darauf wirft. Ich nehme mein Portemonnaie heraus, klappe es auf und schaue mir das Bild an. Sven grinst frech in die Kamera und hat natürlich die Decke über den Beinen. Bei mir hingegen kann man die Kehrseite, sogar den halben Arsch sehen und ich bin tief und fest am Schlafen. Irgendwie peinlich, dass Yasin es gesehen hat. Hastig klappe ich das Portemonnaie zu und stecke es zurück in die Tasche.

„Ich habe es mit 16 herausgefunden. Ich hatte einen neuen Mitschüler, der mich irgendwie fasziniert hat. Ist natürlich nichts draus geworden, weil ich mir nicht mal eingestehen wollte, dass ich Kerle mag, aber irgendwie hat es sich so ergeben.“

„Frauen magst du gar nicht?“

„Abgeneigt bin ich nicht, aber ich bevorzuge nun mal Männer.“

„Stehst du auf mich?“

Ich presse die Lippen fest aufeinander und starre stur geradeaus.

„Hast du deswegen gestern übers Fremdgehen gesprochen?“, hakt Yasin weiter. „Ich habe drüber nachgedacht und deine Blicke sind mir auch nicht entgangen.“ Er nimmt einen Zug und so stehen wir schweigend eine Weile nebeneinander.

„Ich habe einen festen Freund. Er hat eine Beförderung erhalten, aber seitdem hat er überhaupt keine Zeit mehr. Er macht Überstunden, sagt ständig unsere Dates ab und verbringt manchmal sogar die Nacht in der Firma. Es ist frustrierend...“, gestehe ich niedergeschlagen. Ich greife nach meinem Handy und halte es Yasin vor die Nase. „Wir kommunizieren nur noch da durch.“

Er zieht die Augenbrauen hoch. „Was erwartest du jetzt von mir?“, fragt er verständnislos.

„Keine Ahnung. Gar nichts.“ Ich zucke mit den Schultern und sinke in die Hocke, meine Hände in den Haaren vergrabend. „Ich hasse es, dass wir nicht mal Zeit finden um darüber zu sprechen. Er ist ja nie da...“

„Und deswegen willst du ihn betrügen?“, fragt Yasin und hockt sich neben mich. „Wenn du das wirklich vor hast, dann sei so fair und mache vorher mit ihm Schluss. Das hat er verdient und so machst du es nicht noch schlimmer.“

Ich schaue zu Yasin und nicke seufzend. Er hat schon Recht. „Eigentlich will ich mich gar nicht von ihm trennen. Ich mag ihn ja. Es ist nur momentan so eine scheiß Situation!“

Yasin klopft mir auf die Schulter und irgendwie tut es gut, dass er mich nicht verachtet, weil ich auf Männer stehe.

„Deine Frage...“, beginne ich zögernd. Yasin runzelt die Stirn. „Ob ich auf dich stehe...“ Ich wende den Blick ab und schaue auf den grauen Asphalt. Eine Ameise läuft geschäftig an meinem Schuh vorbei. „Ich fühle mich zu dir hingezogen.“ So jetzt ist es raus. Ich wage es gar nicht den Blick zu heben und Yasin antwortet mir nicht einmal.

„Okay...“, meint er nach einer Weile. „Hab ich mir schon gedacht.“

Ich nicke zögernd. „Keine Sorge, ich falle schon nicht über dich her.“ Grinsend sehe ich zu ihm, woraufhin Yasin nickt.

„Ich stehe nicht auf Männer.“ Er schaut mich ernst an. Es versetzt mir schon einen winzigen Stich ins Herz, aber ich habe schon geahnt, dass ich mir keine Hoffnungen machen sollte. Nicht bei Yasin. „Versuch mit deinem Freund ins Reine zu kommen.“

Ich nicke und blicke geradeaus zu den parkenden Autos. „Ich werde es versuchen.“
 

Das Wochenende ist wirklich turbulent und ich bin froh, dass die vielen Besucher beim Check-In meine Gedanken von meinen Zweifeln fernhalten. Rund um die Uhr gibt es etwas zu tun und ständig kommen neue Hotelgäste. Unser Chef ist äußerst zufrieden und versorgt uns mit kühlen Getränken. Die Hitze erreicht langsam ihren Zenit. Das Thermometer steigt immer weiter in die Höhe. In der Pause verziehen ich und Yasin uns in den Keller des Hotels.

„Boah, hier sollten wir die Anmeldung im Sommer hin verlegen!“, entfährt es mir begeistert. Der kühle Raum tut wirklich gut, auch wenn hier nicht allzu viel Platz ist. Ich stemme mich probehalber auf einer Kiste ab und da sie nicht nachgibt, setze ich mich darauf. Mein Kollege lehnt sich neben mich gegen einen Kistenstapel und reißt sich kurzerhand die Klamotten vom Leib. Zumindest oberhalb. Lechzend sehe ich ihm dabei zu.

„Legst du es doch darauf an, dass ich über dich herfalle?“, frage ich ihn neckend.

Yasin verzieht seinen Mund. „Das klebt alles!“, meckert er und fährt sich mit den Händen über sein verschwitztes Gesicht.

Mein Handy vibriert und so hole ich es hervor und öffne die neue Nachricht. Sie ist nicht von Sven, lediglich von meiner Mutter die wissen möchte, ob ich mal wieder vorbeikomme. Sie hat zu viel Obst geschenkt bekommen und möchte mir etwas davon abgeben. Ich antworte ihr und als ich aufblicke muss ich hart schlucken. Yasin hat seine Arme auf die Kisten hinter sich gelehnt, den Kopf in den Nacken gelegt und gibt mir so freie Aussicht auf seinen geilen Oberkörper. Ich knabbere auf meiner Unterlippe und in meiner Hose beginnt sich unweigerlich mein Glied zu regen. So ein Mist aber auch!

Trotzdem kann ich es nicht lassen und halte mein Handy hoch. Ohne, dass er es mitbekommt mache ich ein Foto und betrachte es. Tut mir leid, Yasin. Wahrscheinlich musst du heute Nacht als Wichsvorlage herhalten. Ich sehe ihn bedauernd an. Keine Sorge, danach lösche ich es wieder. Sven würde mich killen, wenn er das Foto sieht.

Yasin dreht mir den Rücken zu und beugt sich über die Kisten. Ich runzele die Stirn und schaue zu was er da komisches treibt. Kurz darauf dreht er sich triumphierend um und wirft mir etwas zu. Hastig versuche ich es aufzufangen und als der Gegenstand mit meinem Handy in Berührung kommt gibt es ein klackendes Geräusch. Red Bull. Gar nicht mal so übel.

„Wenn der Chef das mitkriegt sind wir dran.“

„Keine Sorge, ich bezahle dafür.“

„Okay.“ Ich öffne die Lasche der Dose, bis es einen zischenden Laut von sich gibt und halte mir sie mir an den Mund. Das kalte Nass rauscht mir durch die Kehle und gierig trinke ich mehrere lange Züge.

Als ich Yasins Blick bemerke, schaue ich ihn irritiert an. „Was ist?“

Er sagt nichts sondern deutet nur auf meine untere Körperregion. Ich schlucke. In meiner Hose zeichnet sich eindeutig eine pralle Beule ab. Das hat mir gerade noch gefehlt...

Ich lasse den Kopf hängen und fühle mich von meinem Körper verraten. Ja, ich weiß, dass mein Kollege scharf aussieht, aber deswegen darf mein Penis noch lange kein Eigenleben führen!

Zumal ich jetzt keinen blassen Schimmer habe was ich tun soll. Ich kann ja schlecht vor Yasin onanieren. Klar, mich würde es anturnen, aber mein Kollege würde das Weite suchen.

Betretenes Schweigen herrscht im Keller, bis Yasin sich wieder anzieht. „Ich gehe schon mal wieder zum Empfang.“ Ich sehe ihm nach und bin froh, dass er so diskret ist. Die Tür schließt sich hinter ihm und so atme ich tief durch. Mir bleibt nichts anderes übrig. Wer weiß wie lange es dauern wird und wenn ich dauernd an Yasin denken muss wird es ganz sicher nicht besser, eher schlimmer.

Ich öffne also kurzerhand meine Hose und greife hinein.
 

Die nächste Woche zieht sich eher zäh dahin. Am Sonntag habe ich nur faul im Wohnzimmer vor mich hin vegetiert. Montag kann man ohnehin vergessen und die restlichen Tage verlaufen auch nicht besser. Sven kommt immer erst nach Hause, wenn ich längst schlafe und sobald ich morgens aufwache ist er bereits außer Haus. Lediglich sein ungemachtes Bett ist ein Hinweis darauf, dass er kurze Zeit dagewesen ist.
 

Das Wochenende, welches wir in einem Ferienhaus am See verbringen wollten ist mehr als langweilig. Mein Freund ist in der Schweiz und lässt es sich gut gehen. Er hat mich nicht mal gefragt, ob ich ihn begleiten möchte. Nicht zum Firmenmeeting, aber ich hätte wenigstens mit ins Hotel kommen können und wenn er zu tun hat, wäre ich zumindest mal auf Erkundungstour gegangen.

Deprimiert und heulend wie ein Kleinkind sitze ich also am Samstag alleine im Bett. Die Sonne scheint heiß ins Zimmer, aber das ist mir im Moment einfach egal. Ich vermisse meinen Freund und er hat sich nicht mal von mir verabschiedet.

Schluchzend schniefe ich in ein Taschentuch und reiße noch eines aus einer Schachtel um die Tränen abzuwischen.

In einer Stunde wollte ich bei meinen Eltern sein, aber irgendwie bin ich so gar nicht in Stimmung. Trotzdem raffe ich mich nach einer Viertelstunde auf und schlurfe ins Badezimmer. Ich genehmige mir eine kurze Dusche und ziehe mir anschließend frische Kleidung an. Ein blaues Shirt mit weißem Schriftzug und schwarze Shorts müssen reichen, dazu meine schwarz-weißen Sneakers von Nike und ein geflochtenes Lederarmband, das Sven mir das erste Mal zum Valentinstag geschenkt hat. Ich stecke mein Handy in die Hosentasche, auch wenn ich nicht glaube, dass Sven sich dieses Wochenende noch mal bei mir melden wird.
 

Als ich nach einer gefühlten Ewigkeit und meterlangen Staus in der Wohngegend meiner Eltern ankomme, bin ich nassgeschwitzt und habe eine trockene Kehle. Mir ist ein wenig flau und schwindlig. Ich parke den Wagen auf der Auffahrt und lehne meine Stirn gegen das Lenkrad. Mit geschlossenen Augen versuche ich mich ein wenig zu entspannen.

Ein Klopfen an der Scheibe lässt mich nach kurzer Zeit zusammen zucken. Ich schaue auf und direkt in das besorgte Gesicht meiner Mutter. Sie öffnet die Tür und so steige ich aus und lasse mich von ihr umarmen. Ich schlinge meine Arme um sie und vergrabe mein Gesicht an ihrem Hals.

„Schön, dass du vorbei gekommen bist.“ Meine Mutter streicht mir über den Rücken und zieht mich mit ins Haus. Vielleicht war es doch eine ganz gute Idee zu ihr zu fahren.

In der Küche ist es angenehm kühl. Der Ventilator nimmt ein wenig die Hitze und dankbar trinke ich aus dem Glas als meine Mutter es mir mit frischem Mineralwasser aus dem Kühlschrank füllt.

„Trink langsam!“, ermahnt sie mich. Ich lächele und fühle mich augenblicklich wieder wie ein kleines Kind. Es stört mich allerdings auch nicht weiter. Bei meinen Eltern fühle ich mich wohl.

„Sven hatte keine Zeit?“, fragt meine Mutter und setzt sich zu mir an den Tisch. Ich schüttele betrübt den Kopf.

„Er hat ein Firmentreffen in der Schweiz.“ Den Blick senkend nippe ich an dem Wasser.

„Oh wie schade.“ Meine Mutter macht ein geknicktes Gesicht, dann erhellt es sich aber gleich wieder. „Ich habe Apfelkuchen gebacken. Magst du ein Stück?“

Ich nicke und schaue aus dem Fenster, während meine Mutter einen Teller aus dem Schrank holt und den Kuchen darauf legt.

„Wo ist Pa?“, frage ich nach einer Weile beim vertilgen des Kuchens.

„Er hängt in der Garage und schraubt am Auto herum.“ Meine Mutter lächelt. „Du kennst ihn ja. Er ist immer noch ein bisschen...“ Sie bricht den Satz ab und seufzt. „Irgendwann wird er es schon verstehen.“

Ich stochere lustlos im Apfelkuchen herum. Mein Vater hat es nie akzeptiert, dass ich schwul bin. Seitdem geht er mir aus dem Weg und wenn wir aufeinander treffen reden wir kaum miteinander. Er versteht es nicht. Warum sein Sohn nicht normal ist, eine Freundin hat mit ihr eine Familie gründet und ihm Enkelkinder schenkt. So wie es sich eben gehört in seinen Augen. Mein Vater ist vom alten Schlag. Für ihn ist es abartig. Er sieht das Ganze als einen Trend an, der schon noch vorbei geht. Weil es alle anderen tun, muss sein Sohn es wohl auch mal ausprobieren, aber irgendwann kommt er schon noch mit einer Frau an. Gut möglich, dass es vielleicht in naher Zukunft der Fall sein wird, aber ich liebe Sven nun mal, dass lässt sich nicht verleugnen. Wenn mein Vater mich dafür verachtet, dann tut es mir leid, denn er verbockt sich alles was wir bisher hatten. Es schmerzt, dass sich mein eigener geliebter Vater von mir abwendet, mir aus dem Weg geht und kein nettes Wort mehr für mich übrig hat. Ich vermisse es Zeit mit ihm zu verbringen. Ich habe mich doch nicht verändert. Ich bin immer noch derselbe. Ich bin sein Sohn. Ich habe ihn lieb und will nicht, dass meine Familie wegen meiner sexuellen Neigung zerbricht.

Aber momentan scheint alles kaputt zu gehen. Meine Beziehung, meine Familie, einfach alles.

„Wie läuft es in der Arbeit?“

„Ganz gut, kann mich nicht beklagen.“

Meine Mutter nickt zufrieden. „Gehen wir in den Garten?“ Ich nicke, lasse den Kuchen stehen und folge ihr hinaus. Im Garten steht ein großer gelber Sonnenschirm über den Gartenstühlen auf die wir uns nieder lassen. Der Besuch bei meinen Eltern schafft es nicht meine Laune zu heben. Ich fühle mich schlecht und ständig driften meine Gedanken zu meinem Vater und zu Sven ab.

Am Abend verabschiede ich mich von meiner Mutter. Meinen Vater habe ich nur kurz gegrüßt. Er hat mir die kalte Schulter gezeigt wie so oft.

Statt jedoch heimzufahren wo mich ohnehin niemand erwartet, treibt es mich mal wieder zu Yasin. Durch Zufall habe ich mal herausgefunden wo er lebt und bin froh, dass ich mir seine Adresse bis heute gemerkt habe. Ich parke an der Straße vor dem Haus und steige aus. Ein ganz normales Wohnhaus mit mehreren Appartements. Es sieht ein wenig heruntergekommen aus, aber immer noch besser als gar nichts.

Ich trete an die Haustür und drücke auf die Klingel. Es summt und so betrete ich das Haus. Innen drinnen ist es angenehm kühl. Ich laufe die Treppe hinauf statt mit dem Fahrstuhl zu fahren, da ich nicht weiß wo genau Yasin wohnt.

Er steht an der Tür als ich in seiner Etage ankomme. Verlegen lächele ich, doch er sagt nichts und tritt nur einen Schritt beiseite. Dankbar gehe ich in seine Wohnung.

„Ich hatte einen scheußlichen Tag und zuhause halte ich es momentan einfach nicht aus.“

„Schon gut.“ Yasin läuft voraus. Er trägt ein weißes Unterhemd und graue Boxershorts. Barfuß läuft er über den Flur ins angrenzende Wohnzimmer. Ich schmunzele, denn die Form der Wohnung erinnert schon ein klein wenig an meine.

Ich höre eine Kühlschranktür als ich mich im Wohnzimmer umsehe. Yasin kommt zurück und reicht mir eine geöffnete Bierflasche. Ich trinke einen Schluck und seufze. Das tut gut. Wir setzen uns auf das graue Sofa und schauen uns ein Fußballspiel an, welches Yasin wohl schon vor meiner Ankunft geguckt hat.

Immer mal wieder fällt mein Blick auf Yasin, der sich davon nicht ablenken lässt. Er trinkt lässig von dem Bier und sieht ziemlich entspannt aus. Mein Blick fällt auf seinen Schritt, dann wieder in sein Gesicht. Ich stelle die Bierflasche auf dem Tisch ab und setze mich seitlich auf dem Sofa hin.

„Wenn ich dich schon nicht im Gesicht küssen darf, dann da unten?“, frage ich ihn unvermittelt.

Yasin schaut mich entgeistert an. „Hä?“

„Das ist kein Sex. Ich gebe dir nur einen Blowjob. Ich bin ganz gut darin, glaube ich.“ Ich presse meine Lippen fest aufeinander und warte angespannt was er mir antwortet. Yasin denkt sicher, dass ich einen Vogel habe. Gleich wirft er mich aus der Wohnung und will nie wieder etwas mit mir zu tun haben. Das würde den Tag wirklich abrunden. Ich würde es ihm auch nicht übel nehmen. Im Moment kann ich mich ja nicht mal selbst leiden. Ich bin ein seelisches Wrack und wahrscheinlich sieht man mir das sogar an.

Yasin tut nichts und sagt auch nichts. Er starrt mich an als hätte er einen Geist gesehen. Ich nehme all meinen Mut zusammen und fahre mit meiner Hand über sein Bein. Er zuckt nur leicht zusammen, hindert mich aber nicht daran weiterzumachen. Ermutigt greife ich ihm in den Schritt, massiere seinen Penis und schaue ihm dabei in die Augen, warte auf ein Zeichen, wann es ihm endgültig genug ist. Yasin trinkt aus der Flasche und schaut mir tief in die Augen, während meine Hand in seiner Boxershorts verschwindet. Yasin schaut auf seine Bierflasche und hält die Augen halb geschlossen. Er scheint es zumindest ein klein wenig zu genießen und so senke ich meinen Kopf und beginne ihn zu verwöhnen.
 

Yasin atmet heftig und verharrt in seiner Position. Ich bleibe hocken und warte bis er sich wieder aufrichtet. Er zieht sich die Hose hastig hoch, packt mich grob am Arm und zerrt mich vom Wohnzimmer in den Flur. Er öffnet die Haustür und schubst mich hinaus. Als ich zu ihm zurück schaue, sehe ich nur noch wie die Tür ins Schloss fällt.

Ich bleibe ein wenig atemlos im Hausflur stehen und wische mir über die Lippen. An meinen Mundwinkeln klebt noch etwas Sperma. Ich lecke es ab und laufe langsam zum Fahrstuhl mit dem ich herunter fahre, das Haus verlasse und den Heimweg antrete.
 

Den Sonntag bleibe ich im Bett liegen. Ich starre auf das Bild, das ich von Yasin gemacht habe. Gelöscht wurde es noch nicht. Irgendwie bringe ich es nicht über mich. Ich halte mir das Handy ans Gesicht und schließe die Augen.

Was ist da bloß gestern über mich gekommen? Ich habe Yasin, den ich kaum kenne mit einem Blowjob verwöhnt. Selbst bei Sven mache ich es eher selten.

Ich vergrabe mein Gesicht im Kissen und zerknülle es mit den Armen. Soweit ist es schon, dass ich mein Kopfkissen umarme. Mein Blick fällt aus dem Fenster. Ich sehe wie ein Flugzeug scheinbar in Zeitlupe vorbeifliegt und im Rahmen verschwindet.

„Wann kommt er denn endlich wieder heim?“, murre ich und verstecke mein Gesicht im Kissen.

Was soll ich bloß einen ganzen Tag lang machen? Es ist Sonntag und nichts ist los. Vielleicht sollte ich den Tag einfach nur im Bett verbringen?

Als es an der Tür klingelt erhebe ich mich widerwillig. Wer klingelt denn an einem Sonntag? Die Post kommt nicht und Sven hat einen Schlüssel. Meine Eltern fallen ebenfalls aus, die habe ich schließlich erst gestern besucht.

Ich trotte in den Flur, öffne den Haustür und halte überrascht den Atem an. Yasin? Der Yasin, der mich gestern noch aus seiner Bude geworfen hat?

„Hi...“, grüße ich ihn und räuspere mich hastig, weil mir einfach so bei seinem Anblick die Stimme versagt und ich wie ein Mädchen klinge.

Yasin nickt, versteckt die Hände in den Hosentaschen und scheint nicht so recht zu wissen was er sagen soll.

„Möchtest du reinkommen?“, komme ich ihm entgegen und trete einladend zur Seite. Skeptisch blickt Yasin mich an, betritt jedoch nach kurzen zögern meine Wohnung und bleibt im Flur stehen. Was soll das werden? Soll ich ihm ein Leckerli hinhalten, damit er reinkommt? Ich schmunzele über diesen Gedanken und gehe voran ins Wohnzimmer.

„Willst du was trinken? Ich habe Mineralwasser und Orangensaft da.“

„Nein.“

Ich drehe mich zu ihm um und erstarre als er plötzlich so dicht bei mir steht. Verdammt, gut riechen tut er auch noch! Ich versuche mich zusammen zu reißen und kratze mich am Nacken.

„Legst du es drauf an, dass ich doch noch über dich herfalle?“, witzele ich.

„Vielleicht...“

Ich sehe Yasin verblüfft an. Was geht bloß in ihm vor?

Lachend sehe ich ihn an. „Hast du nicht gesagt vor einer Affäre soll ich mit meinem Freund Schluss machen?“

„An so etwas hält sich doch sowieso niemand.“

Okay, also so langsam fange ich an mir Sorgen zu machen. Hat ihm mein Blowjob etwa so gut gefallen? Anders kann ich mir das jedenfalls nicht erklären, warum Yasin auf einmal mehr von mir will.

„Yasin, ich dachte du willst nichts von mir? Du stehst nicht auf Männer.“ Zu meinem Ärger starre ich bei diesen Worten auf seine einladenden Lippen.

„Kann schon sein...“, erwidert er mit rauer Stimme. Zögernd hebe ich meinen Kopf an und berühre seine mit meinen Lippen. Erst passiert nichts, doch dann erwidert Yasin meinen Kuss. Anfangs etwas verhalten und scheu, dann wird er mutiger und übernimmt die Führung. Ich schmiege mich an seinen Körper und merke wie er seine Arme um meinen Leib legt. Schleichend ziehe ich ihn mit aufs Sofa, lasse mich darauf niedersinken und bin froh, dass er auf meine Einladung eingeht.

Yasin legt sich zwischen meine Beine und die Beule in seiner Hose spüre ich nur zu gut. Aufreizend reibe ich mich an seinem Schritt und genieße unseren intensiven Kuss.

Seine rauen Hände wandern unter mein Shirt, berühren meine Haut und erforschen sie neugierig. Ich stöhne leise und klammere mich mit den Oberschenkeln fest an seinen Körper. Yasins Zungenkuss bringt mich glatt um den Verstand und es ist eine schöne Abwechslung an so einem öden Tag.

Wir küssen uns eine ganze Weile, lassen uns Zeit und erkunden unsere Körper. Als wir es gar nicht mehr aushalten können, schiebe ich Yasin von mir herunter, greife nach seinem Handgelenk und schleife ihn hinter mir her ins Schlafzimmer.

Wir legen uns ins Bett, küssen einander gierig und entledigen uns hastig unserer Kleidung. Ich merke, dass Yasin etwas unsicher wird und versucht es sich nicht anmerken zu lassen. Ich greife in die Schublade nach Kondom und Gleitgel und werfe Yasin das Kondom zu.
 

Ich schließe meine Augen und gebe ihm einen Kuss auf die Haare als der Mann auf mir sich auf meinem Körper erschöpft nieder lässt. Yasin schlingt seine Arme um meinen Körper und so bleiben wir eine Weile zusammen im Bett liegen. Ich streiche ihm über den Kopf, durch seine Haare und kraule ihn sanft im Nacken.

Yasin knabbert leicht an meiner Brustwarze, leckt darüber und küsst sich zu meinem Hals hinauf. Ich seufze zufrieden als er beginnt mich am Hals zu verwöhnen wo ich besonders empfindlich bin.

Yasins Lippen lösen sich von meinem Hals. Er bleibt einfach so auf mir liegen und hält mich mit seinen Armen unter mir fest umschlungen.

„Ich hätte nicht gedacht, dass du mit einem Mann Sex haben kannst.“

„Ich auch nicht...“, erwidert Yasin und gähnt. Der Sex hat ihn ziemlich geschafft. Ich küsse den Mann am Kopf und lasse meinen zurück ins Kissen sinken.

Nach einiger Zeit merke ich, dass Yasin gleichmäßig atmet und scheinbar schläft. Immer wieder schleicht sich Sven in meine Gedanken. Ein schlechtes Gewissen habe ich schon, aber ein wenig Trotz steigt trotzdem in mir auf. Sven ist nie da, er schreibt mir nur SMS und meldet sich auch in seinen Pausen, wenn er Zeit hat nicht bei mir. Ist es da wirklich so verwerflich, dass ich mich in die Arme eines anderen Mannes flüchte, wenn mein Freund sich nicht mehr blicken lässt und praktisch nie da ist?

Ich greife nach meinem Handy und suche Svens Nummer heraus. Ohne zu zögern tippe ich entschlossen eine Nachricht hinein.

Wenn du zurückkommst, müssen wir reden. Es ist wichtig und betrifft unsere Beziehung. Malte

Ich starre auf die Nachricht, doch als ich auf Absenden klicken will zögere ich. Ich mache mir keine Hoffnungen. Yasin ist neugierig und ich glaube nicht, dass aus uns jemals ein Paar wird, aber ich habe es satt, ständig vergeblich auf jemanden warten zu müssen. Das ist mein Leben und ich will nicht daran zugrunde gehen, dass ich tagtäglich meinen Freund vermisse. Das Leben ist zur kurz für so etwas.

Yasin regt sich, so dass ich aufgeschreckt zu ihm sehe. Lächelnd schaue ich in sein Gesicht, streiche ihm über die Wange und sehe auf mein Handy. Die Nachricht wird gerade abgeschickt. Ich lasse das Handy sinken und schlinge meine Arme um Yasin. Dann soll es eben so sein.

Irgendwie fühle ich mich jetzt schon etwas befreiter und schmiege mich fest an den Mann auf mir. Mir steht noch ein unangenehmes Gespräch bevor, aber das überlebe ich auch noch.

Mein Blick fällt ein zweites Mal heute aus dem Fenster. Niemand hat gesagt, dass ein Neuanfang leicht ist, aber wenigstens ist mir im Herzen etwas leichter zumute. Als hätte jemand einen unsichtbaren Faden durchgeschnitten, der mir all die Zeit die Luft abgeschnürt hat.

Ich betrachte Yasin und schließe die Augen, genieße den Augenblick mit ihm hier im Bett und gebe mich einem wohlverdienten Schlaf hin.



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