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Ein Leben in London

Fortsetzung von "Eine Nacht in Bangkok" (ABGESCHLOSSEN!)
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Das Ganze wird immer ernster ... na ja, es war von Anfang an auf Realismus geschneidert. Es war wohl unumgänglich, dass wir in die "dunklen Gefilde" abdriften. Andererseits kann ich ein paar schöne Themen anschneiden, die nicht in DS passten ^.^ Komplett anzeigen

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Das erste Gewitter

Severus Lebensphilosophie hatte ihn weit gebracht. Schamgefühl war für ihn eine angelernte Reaktion, die Menschen geschaffen hatten, um emotionale Strafen geben zu können. Schamgefühl war demnach gegen ihn nutzlos, auch wenn er es als eine Waffe gegen andere benutzte.

Das hatte er sich stets gesagt. Seit sein Vater sturzbetrunken beim Elternbesuchstag in der fünften Klasse aufgetaucht war, hatte er es sich selbst vorgebetet. Scham war etwas für schwache Menschen, die keine Kontrolle über ihre Gefühle hatten.

Nur was machte das aus ihm? Einen alten Sack, der einem Jungen hinterher hechelte und seine Lüsternheit nicht unter Kontrolle halten konnte? Machte ihn das zu einem schwachen Menschen? Erklärte das das plötzliche Vorhandensein eines Schamgefühls? Denn er empfand Scham. Auch wenn sein analytisches Hirn ihm genau darlegen konnte, wie unnütz das Gefühl war, er empfand es. Es war ein Gefühl, dass nur auftrat, wenn man nichts an der Situation ändern konnte oder wenn sie schon vergangen war. Es war kein Gefühl, das mahnte, wenn man seinen Fehler noch korrigieren konnte.

Wie den Fehler sich auf Harry einzulassen. Angefangen dabei, ihn mitzunehmen, darüber, ihn bei sich unterzubringen bis zu dem Moment, ihn nicht daran zu hindern, ihm das Hemd zu entreißen. Auch wenn entreißen eine Übertragung war. Er hatte es ganz artig wieder angezogen, nachdem seine Schultern sich wieder beweglich anfühlten. Und doch hinterließ es das Gefühl des Intimen. Harrys wissendes Lächeln sagte ihm, dass er in seinem Gelöbnis der Keuschheit im Bezug auf den Jungen bereits versagt hatte. Das leichte selbstzufriedene Lächeln, dass er den ganzen Abend getragen hatte, sprach mehr als jedes nicht gesagte Wort, das zwischen ihnen hätte fallen können.

Sie schwiegen in Einverständnis.

Und Severus empfand Scham.
 

„Sie haben einen ganz wunderbaren Sohn, Mister Snape“ Lydia lächelte ihn breit an.

„Wenn Sie meinen“ Severus sah erst gar nicht auf. Weiber. „Was liegt für heute an?“

„Das mit dem Stolz sollten Sie noch üben“ Sie verzog den Mund zu einer Schnute, aber sprach weiter, bevor er sie ermahnen konnte. „Sie haben um zehn Uhr einen Termin mit Derwin, um zwölf einen mit Garwidoff und ab vierzehn Uhr dreißig das Meeting in der Danske Bank London.“

„Heute ist mein sozialer Tag?“ Seine Mundwinkel sackten hinab.

„Ein Tag die Woche muss sein“ Sie legte den Kopf zur Seite und lächelte mit einem Hauch von Schadenfreude. „Soll ich Ihren Sohn abholen?“

„Ich schreibe Ihnen die Adresse auf. Schauen Sie, dass er den Nachmittag über seinen Büchern verbringt“ Er musterte sie einen Moment. „Ich werde Ihnen Geld für sein Mittagessen geben. Ich muss Sie vorwarnen, dass er noch nicht weiß, wie man Messer und Gabel benutzt.“

„Isst man in Thailand mit Stäbchen?“ In ihren Augen leuchtete erneut Neugier auf. Im Gegensatz zu ihm schien sie nicht sehr viel zu reisen.

„Mit Händen. Stäbchen sind teuer. Nur in den großen Städten benutzt man Stäbchen.“

„Mit Händen?“ Sie blinzelte. „Isst man da nicht meist Reis?“

„Und?“ Er hob eine Augenbraue.

„Wie spannend. Ich würde mir die Finger verbrennen. Ich tue mir immer weh, wenn ich meine Reisbeutel aufschneide.“ Sie betrachtete seinen Gesichtsausdruck kurz und senkte die Stimme. „Weniger reden, mehr arbeiten?“ Er nickte. „Sofort, Chef.“
 

Es gab diese Tage, wo man sich am liebsten ein Maschinengewehr nehmen und alles durchlöchern würde, was man sah. Für ihn war jeder Tag so ein Tag. Heute war es nur besonders schlimm. Heute hatte er drei Treffen mit alten Männern – nicht, dass er sich selbst nicht in die Kategorie zählen konnte – in kreativ dekorativ optimierten Räumen, um sich ein Ohr abkauen zu lassen. Gefolgt davon, dass seine Sekretärin meinte, ihm das zweite mit Erzählungen über Harry zu vernichten. Was hatte es ihn zu interessieren, dass der Junge das Besteck nicht gegen die nächste Wand geschmissen hatte? Natürlich war es irgendwo wichtig, aber Umgang mit Besteck könnten ihm auch Pflegeeltern beibringen. Was ihn erinnerte – er wollte das Jugendamt anrufen. Harry war lang genug bei ihm. Niemand konnte erwarten, dass er das Kind eine ganze Woche behielt.

„Lass uns fahren“, knurrte er Harry an.

Der Junge, der über einem Buch gebeugt saß, schreckte auf und sah ihm kurz mit weiten Lidern hinterher, bevor er aufsprang und seine Sachen zusammen räumte. Severus schmiss nur die Mappe mit seinen Unterlagen auf den Schreibtisch, nahm seinen Mantel und machte wieder kehrt Richtung Tür. Harry stolperte ihm mehr schlecht als recht hinterher, zwei Bücher im einen Arm, einen Block unter dem anderen, Stifte in seiner Hand und in die Turnschuhe nur getreten.

„Guten Abend“, brachte er noch hastig hervor, während er versuchte, beim Gehen nicht die Schuhe zu verlieren.

Severus quittierte das nicht einmal mit einem Schnauben. Er hatte auf der Arbeit sozial sein müssen, jetzt war es genug damit. Er ließ sich auf den Autositz sinken und zog die Tür mit jedem Quäntchen Aggression zu, das in ihm war. Harry schaffte es gerade noch ins Auto, als er zurück setzte. Eines der Bücher rutschte unter seine Handbremse.

„Pass auf deinen Kram auf!“, heischte er den Jungen an.

Harry griff sofort danach und zog es auf seinen Schoß. Im Augenwinkel bemerkte er die ängstlichen Blicke, die Harry ihm zuwarf, doch er entschied sie zu ignorieren. So musste er sich wenigstens nicht noch damit rum schlagen, dass der Junge einen Terz bei der Übergabe machte. Vielleicht könnte er ihn noch vor dem Wochenende rauswerfen. Welcher Tag war heute? Er sah auf seine Uhr.

Verdammt, 17:23 Uhr an einem Freitag. Kein Amt dieser Welt hatte um diese Zeit noch auf.

Er seufzte tief. Dann eben Montag. Behielt er den Jungen halt für das Wochenende. Es waren nur zwei Tage. Drei Morgen. Drei Abende. So viel würde er schon noch aushalten. Er könnte ja- nein, er würde sich nicht mehr massieren lassen.

„Habe ich etwas getan?“, fragte Harry vorsichtig.

Severus sah sich nicht genötigt zu antworten.

„Hattest … du einen schlechten Tag?“

„Sehe ich aus, als wäre ich mit Feen durch den Wald gesprungen?“ Severus verzog das Gesicht und seine Stimme verbitterte. „Jeder Tag ist ein schlechter Tag, solange ich Menschen sehen muss.“

„Alle Menschen?“ Ein wenig Spannung wich aus Harrys Schultern. Was auch immer ihn an der Aussage entspannt hatte.

„Alle“, bestätigte Severus nur.

„Das klingt einsam.“

Severus versuchte zu schlucken, doch es blieb ihm im Hals stecken. Da schien eine schwere Last auf seiner Brust, die ihn nicht atmen ließ. Er wollte etwas erwidern, doch auch das blieb ihm im Hals stecken. Im Endeffekt entschied er sich zu schweigen.
 

„Guten Morgen!“, grüßte Harry ihn fröhlich. Was machte die kleine Bazille so früh am Morgen außerhalb seines Bettes?

Severus wandte angewidert den Kopf ab und drehte sich in Richtung Kaffeemaschine. Harry öffnete den Mund, um etwas zu sagen, doch Severus hob nur die Hand. Die Geste schien der Junge zu verstehen. Zum Glück hatte er sich vor ein paar Jahren selbst überwunden und Geld für einen Kaffeeautomaten ausgegeben, sodass Kaffee nun keine Minuten sondern nur Sekunden brauchte. Und seine Zunge war schon so tief abgestorben, dass glühend heißer Kaffee ihm nichts ausmachte. Mehr als ein kurzes Brennen blieb nicht zurück.

„Was ist das?“, flüsterte Harry vorsichtig.

„Kaffee“ Severus setzte sich an den Tisch in der Küche. „Rede nicht mit mir, bevor ich keinen Kaffee habe“ Er hielt einen Moment inne. „Rede nicht mit mir, bevor er nicht wirkt.“

Der Junge legte die Arme auf dem Tisch übereinander und seinen Kopf darauf, um Severus zu beobachten. Severus schüttelte innerlich den Kopf. Das Kind wusste doch nicht einmal, auf was es achten musste. Na ja, wenigstens störte es weniger als das sinnlose Geplapper.

„Wirkt es?“, fragte der Junge nach ein paar Minuten.

„Ja“ Severus Stimme war glatt ruhig. „Ich bin wach.“

„Gut“ Der andere setzte sich auf. „Die Uhr sagt acht Uhr sechzehn“ Er trug ein stolzes Lächeln. „Fahren wir heute nicht in die große Stadt?“

„London. Sie heißt London“ Severus atmete tief durch. „Und nein. Es ist Samstag. Ich habe gestern alles abarbeiten können, ich muss heute nicht hin“ Harry sah ihn mit erwartungsvollem Blick an. „Wir werden später hinfahren und ich erkläre dir, wie man Busse und Bahnen benutzt. Dann kannst du ab Montag selbst zur Schule und zurück fahren.“

„Dann … sehen wir uns dann nicht mehr?“ Das Lächeln wich von Harrys Lippen.

„Du siehst mich, wenn ich von der Arbeit komme“ Montag zumindest. Dienstag wäre der Junge hoffentlich schon woanders. Warum brachte er ihm überhaupt den Weg bei? Nun ja, vielleicht würde es Mittwoch werden. Ämter arbeiteten langsam.

„Bin ich anstrengend?“ Es war kaum mehr als ein Flüstern. Der Junge schien in sich zusammen zu sinken.

„Natürlich bist du das“ Severus knirschte mit den Zähnen. „Du belagerst mein Haus und stiehlst meine Zeit.“

Harry wandte den Blick ab. Seine Augen glänzten verdächtig. Immer diese Kinder mit ihren Tränen. Als würden Tränen ihnen helfen. Was erwarteten die Biester denn? Wenn man heulte, kam auch keiner und half. Das hier war kein Märchen.

Er trank den Rest seines Kaffees mit einem Schluck, bevor er aufstand und zur Tür ging.

„Wohin gehst du?“ In Harrys Stimme lag Panik.

„Die Zeitung holen“ Severus wandte sich um und durchbohrte den Jungen mit einem der Blicke, die Menschen stets vor ihm zurückschrecken ließen. „Fall mir nicht mehr auf die Nerven als sowieso schon.“

Harry zuckte zusammen. Sein Blick fiel in seinen Schoß, der Kopf sank hinterher. Wie einer dieser Käfer, die sich in sich selbst zusammen rollten, weil sie nur auf der einen Seite einen Panzer hatten. Severus hatte als Kind gern auf sie eingepiekst mit einem Stock.

Diesmal atmete er nur tief durch und ging zur Tür, um die Zeitung zu holen.
 

Severus spülte die zwei Aspirin mit einem Glas Wasser herunter. Er kämpfte erfolgreich gegen den Würgereiz an, da der Rand des Glases noch Reste der Zahnpasta trug, mit der er sich zuvor die Zähne geputzt hatte.

Was für ein bescheidener Tag. Zum Glück war das kleine Biest endlich im Bett.

Nicht, dass er irgendetwas angestellt hätte. Er war einfach nur da. Es war genug, um Severus eine der schlimmsten Migräneattacken seit Jahren zu bescheren. Er machte das Licht im Flur und Schlafzimmer erst gar nicht an, als er sich Richtung Bett kämpfte. Licht tat weh. Geräusche taten weh. Alles tat weh.

Er hob die Decke und sank mit einem Seufzen der Erleichterung darunter. Schlaf würde ihm die Schmerzen nehmen. Er müsste nur bis zum Einschlafen durchhalten. Nur noch ein kleines bisschen. Er legte seinen Kopf ganz, ganz vorsichtig auf dem Kissen ab und seufzte erleichtert, als kein Schmerz durch ihn zuckte. Jetzt musste er nur durchhalten, bis die süße Dunkelheit der Bewusstlosigkeit von ihm Besitz ergriff.

Was nicht ganz in dieses Szenario passte, war der warme, nackte Körper, der sich plötzlich gegen ihn drückte. Da die Schmerzen noch da waren, war Severus sich allerdings sehr sicher, dass er nicht schlief.

„Raus aus meinem Bett, du verdammte Bazille!“ Er stieß den anderen von sich, bevor er realisierte, dass er Englisch sprach. Er wiederholte die Worte etwas ruhiger auf Thai, da sein Kopf von seinem eigenen Geschrei schier zu explodieren schien. „Verschwinde aus meinem Bett.“

Harry legte nur den Kopf zur Seite und leckte über die Hand, mit der Severus ihn an der Schulter von sich hielt.

„Geh“ Severus konnte fast das Wimmern nicht unterdrücken. Er zog seine Hand zurück, nahm ein zweites Kissen und drückte es sich auf den Kopf. Alles, um diesen grässlichen Schmerz von sich zu halten.

Natürlich rückte Harry einfach nur näher und drückte sich wieder an ihn. Die Erschütterung zog an seinen Hirnhäuten und ließ sein überpralles Hirn nur noch schmerzhafter gegen die Innenseite seines Schädels drücken. Zumindest fühlte es sich so an.

„Verschwinde. Ich kann dich nicht ertragen. Geh einfach“, flüsterte er.

Der warme Körper zuckte und zog sich in sich selbst zusammen. Severus fühlte sich für einen kurzen Moment schlecht, doch der Schmerz ließ das Gefühl schnell wieder versinken. Er hatte keine Kapazitäten, um sich um das Wohlergehen der kleinen Kröte zu sorgen.

Nach einem schier ewiglich wirkenden Moment zog Harry sich wirklich zurück. Er schlüpfte aus dem Bett und tappste Richtung Flur. Zum Glück schloss er die Tür leise. Severus konnte in aller Ruhe in sich selbst versinken.
 

Severus schluckte und betrachtete seinen noch von Tau getränkten Garten mit einem Entsetzen, das selbst das Ausreißen all seiner Pflanzen nicht hätte rechtfertigen können.

Er war weg.

Harry war weg.

Er war nicht in seinem Zimmer, er war nicht im Bad, er war nicht in der Küche. Er war nirgendwo. Sein Bett war gemacht als hätte er nicht einmal darin geschlafen. Seine Schuhe waren weg und seine Kleidung auch.

Severus trat in seine Schuhe, warf seinen Mantel über und griff nach Schlüssel und Handy. Ganz ruhig. Wo könnte der Junge hingegangen sein? Er ließ den Wagen an. Die Volkshochschule? Er wusste, wie man da hin kommen könnte. Er könnte den Bus genommen haben. Severus stoppte das Ausparken und griff in seine Hintertasche, um das Portmonee hervor zu ziehen. Hm … der Junge hatte kein Geld genommen. Er musste zu Fuß unterwegs sein. Was gab es hier in der Nähe?

Severus seufzte. Keine Ahnung. Er war kein Mensch für Spaziergänge, er hatte seine Nachbarschaft nie erkundet. Er würde einfach jede Straße abfahren und sehen, ob Harry irgendwo gelandet war. Vielleicht beim Supermarkt. Er hatte Harry gezeigt, wo der war. Vielleicht hatte der Junge Hunger bekommen und gestohlen.

Selbst dann hätte er keinen Ausweis.

Und konnte kein Englisch.

Severus Finger verkrampften sich am Lenkrad. Das konnte doch alles nicht wahr sein. Warum war der Junge abgehauen? Weil Severus ihn aus dem Bett geschickt hatte? Was hatte er überhaupt dort gesucht? Er konnte sich nicht erinnern, gewalttätig gewesen zu sein. Hatte der Junge trotzdem Angst vor ihm bekommen? Sein Ton war schlimm gewesen, ja, aber das war doch kein Grund abzuhauen. Hatte er ihn an seine Verwandten erinnert, die ihn verkauft hatten?

Severus biss sich auf die Unterlippe. Es war niemand hier, um ihn zu sehen. Kein Mensch war Sonntags Morgens im Dämmerlicht unterwegs. Wenn Harry irgendwo war, würde er schlafen. Gab es hier Parks? Unterstände? Verlassene Häuser? Der Junge wusste doch nicht einmal, was man durfte und was nicht. Was, wenn er an Türen anderer Leute geklopft hatte? Was, wenn er bei jemandem war, der ihn jetzt verletzte?

Er ließ das Auto laufend mitten auf dem Parkplatz des Supermarktes stehen. Er schloss nicht mal die Tür. Er lief zum Unterstand der Wagen und sah hinein und unter die Metallvehikel. Er suchte die überdachte Wand ab. Er ging selbst die Büsche, die den Parkplatz umrankten, ab. Hier war er nicht. Er ließ sich wieder ins Auto fallen und fuhr weiter.

Am Park der Nachbarschaft – er erinnerte sich an einen auf der Google Map, die er sich angesehen hatte, als er das Haus damals kaufte – parkte er den Wagen, schaltete ihn ab und verschloss ihn, bevor er den Park durchsuchte. Auf den Hauptwegen und den Bänken war niemand, sodass er auch zwischen den Bäumen suchte. Leider Fehlanzeige.

Mit einem tiefen Seufzen setzte er sich zurück ins Auto. Wo könnte der Junge noch sein? Am Friedhof? An der Kirche? An einer überdachten Bushaltestelle? Innerlich schlug er sich selbst vor den Kopf, bevor er sein Handy zückte und die Google Map der Gegend aufrief. Es gab einen Friedhof am Stadtrand und mehrere Haltestellen. Außerdem gab es drei U-Bahn-Stationen, die in Frage kamen. Er würde eines nach dem anderen absuchen. Er würde diesen Jungen finden und dann würde es Zeter und Mordio für den Bengel heißen.
 

Zweieinhalb weitere Stunden des Suchens brachten Verzweiflung mit sich. Er war nach Hause zurückgekehrt in der Hoffnung, Harry könnte aufgetaucht sein, aber natürlich war er das nicht. Severus fiel nichts mehr ein, wo er noch suchen könnte. Wenn ein Busfahrer ihn ohne Karte hatte einsteigen lassen oder wenn er über das Ticketrad der U-Bahn gesprungen war … die Möglichkeiten waren schier endlos. Er wohnte am Rande von London. Der Junge könnte überall sein.

Was, wenn ihm etwas zugestoßen war? Was, wenn er auf irgendwelche betrunkenen Jugendlichen gestoßen war? Oder auf Kriminelle? Oder wenn ihn jemand für einen Prostituierten gehalten und mitgenommen hatte? Zu viele wenns.

Er griff den Telefonhörer und wählte die Nummer der Auskunft, um sich mit dem nächsten offenen Polizeirevier verbinden zu lassen. Was sollte er schon sonst tun? Vielleicht war Harry dort.

„Wachtmann Rogers, wann kann ich für Sie tun?“, fragte eine gelangweilte Stimme.

„Wurde irgendwann zwischen gestern Abend und heute ein junger Thailänder aufgefunden, der kein Englisch spricht? Mein … Sohn ist ausgerissen“ Er schluckte. Er musste lernen, das flüssiger auszusprechen.

„Ich schau mal“ Der Polizist schien nicht weniger gut gelaunt. Man konnte das Geräusch von Tippen auf einer Tastatur im Hintergrund hören. „Wo wohnen Sie?“ Er gab seine Adresse durch. „Das Revier bei Ihnen ist nachts nicht besetzt. Wir hatten eine Streife da … ne, nix von 'nem Jungen. Wenn er bis morgen nicht wieder auftaucht, melden Sie sich nochmal.“

„Ich mache mir Sorgen“ Severus versuchte ruhig zu bleiben. Seine Stimme war trotzdem pures Gift. „Können Sie eine Vermisstenmeldung aufgegeben?“

„Vierundzwanzig Stunden nach Verschwinden, vorher nicht“ Der Mann klang, als spule er eine auswendig gelernte Rede ab, während er sprach. „Rufen Sie morgen wieder an. Wenn dem Jungen zu kalt wird, kommt er schon zurück.“

„Der Junge ist erst seit einer halben Woche in diesem Land und kann nicht mal den Weg zur nächsten Mülltone finden! Er wird sich irgendwo verlaufen haben und könnte erfrieren. Ich suche seit vier Stunden nach ihm!“ Severus schaffte es nicht, seinen Ton unter Kontrolle zu halten. Warum brachte ihn das Blag so durcheinander?

„Beruhigen Sie sich. Entweder der Junge kommt zurück oder wir finden ihn morgen. Ein, zwei Nächte draußen überlebt jeder. Es ist erst September. Fahren Sie wieder runter und melden Sie sich morgen.“

Er sollte sich abregen. Er sollte auflegen. Der Mann konnte nichts für ihn tun. Auflegen.

„Ihnen ist völlig egal, was die Leute durchmachen, denen Sie das erzählen, oder? Was soll der Mist, dass man zwei Tage draußen überleben kann? Der Junge kommt aus Thailand, er ist weder Kälte noch Engländer noch unsere Infrastruktur gewohnt. Er kann keine zwei Tage draußen überleben!“

„Dann hätten Sie ihn wohl nicht dazu bringen sollen, dass er vor ihnen wegrennt. Arbeiten Sie mal an Ihren Aggressionen, Mann. Ich würde auch abhauen, wenn ich ein Kind wäre. Denken Sie mal darüber nach, warum ihr Junge abgehauen ist, während Sie warten. Schönen Tag noch.“

Tut. Tut. Tut.

Severus schmiss den Hörer an die nächste Wand. Verdammt. Verdammt noch mal. Sowas musste er sich nicht sagen lassen von irgendeinem daher gelaufenen Idioten. Darum wollte er den Bengel doch in eine Pflegefamilie stecken. Er war nicht geeignet für diesen Mist.

Warum war Harry weggelaufen?

Warum?

Er ließ seinen Kopf gegen den Türrahmen der Küche sacken und lehnte sich dagegen. Tief durchatmen. Von vorne. Er war mit den Nerven am Ende. Ein Kaffee würde helfen. Er würde jetzt einen Kaffee trinken und dann nochmal in Ruhe nachdenken.

Er hatte den Jungen angeschrien. Das hatte ihn nicht sehr beeindruckt. Er hatte ihm gesagt, er solle gehen. Das hatte auch nichts bewirkt. Er hatte gesagt, er könne Harry nicht ertragen. Dabei war er zusammen gezuckt. Aber das hatte er nur gesagt, weil er Migräne hatte … was Harry natürlich nicht wusste. Irgendetwas musste er dabei in Harry angesprochen haben, sodass dieser weglief.

Hatte der Junge Angst vor ihm? Wahrscheinlich. Vielleicht hatte einer seiner Verwandten so etwas gesagt. Und ihn verkauft. Und ihn wahrscheinlich geschlagen. Vielleicht hatte Harry Angst, er würde dasselbe mit ihm tun. Wo würde er hinrennen, wenn er solche Angst hatte? In einem Land, wo er niemanden kannte?

Obwohl, er kannte Menschen. Er kannte diese Englischlehrerin. Und Lydia, seine Sekretärin. Natürlich wäre keine von ihnen gerade am Arbeitsplatz, aber vielleicht war Harry dorthin? Severus hatte ihm erklärt, wie er zur Volkshochschule kam. Und von da aus zur Kanzlei. Und von dort nach Hause.

Er stand auf und schnappte sich seinen Mantel. Er würde diese Orte abfahren. Irgendwo musste Harry sein. Irgendwo würde er ihn finden.
 

Von einem Augenblick auf den nächsten schienen Zentner von Last von Severus abzufallen.

Harry war hier. Harry saß auf der Treppe des Hintereingangs der Kanzlei. Er war okay.

Severus parkte den Wagen nicht einmal, er blieb einfach mitten auf dem Parkplatz stehen, stieg aus, ohne den Wagen auszumachen und schritt auf Harry zu. Dieser zog nur den Kopf ein und hob die Arme darüber. Severus kannte die Pose. So hatte sich seine Mutter in Ecken verkrochen, um den Schlägen und Tritten seines Vaters so wenig Angriffsfläche wie möglich zu geben.

Er schüttelte den Kopf, um die Gedanken zu verbannen und packte Harrys Arm.

„Komm mit“ Er wusste, dass seine Stimme nicht einen Hauch Nettigkeit enthielt. Obwohl er an Harrys Arm zog, verkrampfte dieser sich nur und stemmte die Füße in den Boden. Aber er wehrte sich nicht per se. Er schlug nicht. Er versuchte nicht, sich loszureißen.

Severus schlug die Erinnerung in den Kopf, wie sein Vater ihn an den Haaren durchs Haus geschleift hatte. Er hatte sich auch nicht mehr gewehrt. Er wusste, es würde nur schlimmer kommen, wenn er das tat. Wie von selbst ließ sie Hand Harry los, sodass dieser auf die Erde zurück fiel. Sein Blick schnellte sofort zu ihm hoch, suchte Severus Gesicht ab.

Der obligatorische Check, wie viel Wut da war. Ob es besser war still zu halten oder zu rennen. Ob es vielleicht half, sich zu entschuldigen. Oder ob schweigen und hoffen, dass nur Beleidigungen und Anschuldigungen zu durchstehen reichen würde.

Severus schloss seine Lider, wandte den Kopf ab und atmete tief durch. So wollte er nie enden. Er wollte niemals zu seinem Vater mutieren. Er wollte niemals in die angsterfüllten Augen eines Kindes blicken.

„Ich möchte nur, dass du dich ins Auto setzt. Es ist kalt und du warst bestimmt die Nacht draußen. Im Auto kann ich die Klimaanlage anschalten. Dann wird es dort warm. Ich möchte nur … ich will nicht, dass du krank wirst. Bitte setze dich hinein“ Er sprach zwar nur in Richtung eines gelben Fiat auf dem letzten Parkplatz, aber zumindest ließ ihn das ruhig sprechen.

Im Augenwinkel sah er, dass Harry den Kopf zur Seite legte. Er ließ ihn zurück blicken. Harry schien ein gutes Stück weniger angespannt. Was immer er sah, es ließ ihn vorsichtig nicken und aufstehen. Im Arm hielt er ein Bündel Klamotten. Seine Kleidung. Wenn man es so betrachtete, war es traurig wenig. Gerade genug, dass er Unterwäsche für ein paar Tage und einen Satz Wechselkleidung hatte. Es waren die Sachen, die sie in Thailand gekauft hatte. Severus war nicht einmal dazu gekommen, dem Jungen eine Winterjacke zu kaufen. Er musste schrecklich gefroren haben.

„Ich fahre uns erstmal nach Hause, ja? Dann nimmst du ein Bad, um wieder warm zu werden. Und dann besprechen wir in Ruhe, was das hier sollte“ Harry zuckte. Falsche Wortwahl. „Ich meine … was dir Angst gemacht hat. Ich will dir keine Angst machen. Ich bin nur nicht … gut mit Menschen.“

Der Junge betrachtete ihn erneut. Nach einem Moment der Stille nickte er und stieg ein.
 

Severus kochte dem Jungen heiße Schokolade, während er im Bad war. Nicht heiße Milch mit Kakao, er nahm echte Schokolade und mischte sie mit Milch und Butter. Das hatte seine Mutter gemacht, wenn die Prügel richtig schlimm geworden waren. Zumindest, wenn nicht einer von ihnen beiden zu verletzt war, um sich bewegen zu können. Da es meist sie war, hatte er irgendwann gelernt, selbst heiße Schokolade zu kochen. Es heilte zwar keine Wunden, aber es ließ sie zumindest lächeln.

Zumindest, wenn sein Vater sie nach den Prügeln nicht ins Schlafzimmer gezerrt hatte. Dann hatte er sich unter dem Bett versteckt. Selbst noch mit sechzehn, kurz bevor er auszog. Er hatte nie Schokolade für sich selbst gemacht. Es war kein Trost darin, wenn er die Schreie seiner Mutter hinter geschlossener Tür hören konnte.

Oder ihre Stille.

Severus Hand zitterte, als er die Schokolade eingoss. Doch er war geübt genug, um nichts zu verschütten. Er würde Harry erklären, dass er keine Angst haben brauchte. Severus würde morgen das Jugendamt anrufen, um eine gute Familie für ihn zu finden. Harry würde ihn und seine Launen nicht weiter aushalten müssen.

Er brachte die Becher ins Wohnzimmer, ging zum Bad, klopfte und sagte: „Harry? Bist du wieder warm? Wenn ja, komm raus … bitte.“

Was eine Minute später aus dem Bad kam, lächelte, hatte dicke Wasserperlen auf der Haut und trug Severus Bademantel.

„Erstens, das ist meiner“ Durch den eher amüsierenden Anblick war zum Glück nicht allzu viel Gift in Severus Stimme. „Zweitens, du musst dich ordentlich abtrocknen, bevor du aus dem Bad gehst. Durch das Wasser gehen das Parkett und die Teppiche kaputt“ Er griff schnell das Handtuch aus dem Gästebad rubbelte damit Harrys Kopf. Dieser ließ das völlig angstbefreit über sich ergehen. „Und kann nicht einmal Wasser diesen Mop bändigen?“

„Nein“ Das kleine Biest lächelte ihn an.

„Füße“ Severus reichte ihm nur das Handtuch. „Und dann setz dich.“

Harry tat wie ihm geheißen und ließ sich dann seitlich auf die Couch fallen. Wäre ja auch zu viel verlangt, dass er saß wie ein normaler Menschen. Nein, er hatte sich einmal quer zu strecken und … Severus wandte den Blick ab. Und natürlich verrutschte so der zu große Bademantel und gab ein gelbweißes, verführerisches Bein frei.

„Bedeck dich“, forderte Severus.

„Huh?“ Harry sah an sich hinunter. „Was denn?“

„Deine Beine“, knirschte der Ältere hervor.

„Die findest du … hübsch?“ Harry setzte sich trotzdem auf und bedeckte sich. „Ich dachte, das sei nur … mein Gesicht oder mein Hintern oder so“ Ein gutes Stück Röte schlich sich auf seine Wangen.

„Trink“ Severus wies auf die heiße Schokolade. „Hör zu … ich finde dich … erotisch ist wohl das passende Wort. Aber das ist falsch. Du bist zu jung. In diesem Land muss man achtzehn sein, bevor man … du weißt schon.“

„In welchem Land ist denn fünfzehn erlaubt?“ Harrys Augen blitzten ihn über den Becherrand an.

„Harry, lass es. Du willst nicht mit mir schlafen. Du hast Angst und bist unsicher und bist schier allein in einem völlig fremden Land, aber das macht dich nicht älter und nicht williger. Nur verzweifelt“ Wow. Er konnte stolz auf sich sein. Das enthielt fast so etwas wie Empathie.

„Und was muss ich dann tun, damit du mich nicht wegschickst?“ Der Junge hatte die Tasse weggestellt und schloss die Arme um sich selbst.

„Ich schicke dich nicht weg“ Nun … im engeren Sinne. „Ich bin einfach … ich bin nicht geeignet für Kinder. Ich bin bösartig und … ich könnte gewalttätig werden“ Es ging nur schwer über seine Lippen, aber es war die Wahrheit. „Ich möchte dir eine Familie suchen, in der du aufwachsen kannst. Leute, die dich lieben und sich um dich kümmern. Die von … dieser Kinder-Sache mehr verstehen als ich“ Es klang, als würde er sich die Zunge brechen, während er sprach. Es war grässlich schwer. Und es tat weh. Aus irgendeinem Grund tat es weh. Wahrscheinlich war es das Eingeständnis, dass er überfordert war. Er hasste es, etwas nicht zu können.

„Du gibst mich weg?“ In Harrys Gesicht mischten sich Entsetzen und Unglauben. „Ich will nicht weg!“

„Das hast nicht du zu entscheiden!“ Severus wäre fast aufgesprungen, aber er hielt seine Kontrolle, indem er seine Finger in die Couchlehne klammerte. „Ich will dich hier nicht haben. Ich will dich nicht verletzen.“

Harry wandte nur den Blick ab. Da waren keine Tränen auf seinen Wangen, aber das Zucken seiner Schultern sagte Severus klar, dass diese nicht allzu weit entfernt waren. Hatte er ihn geängstigt? Oder waren es seine Worte, die weh taten?

„Ich will dir hier nicht haben, weil ich dich nicht verletzen will“, sagte er etwas ruhiger.

„Und das soll nicht weh tun?“ Harry sah auf, Tränen auf den Wangen, doch das Gesicht in Rebellion und Wut verzogen.

„Ich ...“ Severus wandte den Kopf ab. Das war ja nicht mitanzusehen. „Kannst du nicht verstehen, dass das für dein Bestes ist?“

„Kann ich nicht selbst entscheiden, was das Beste für mich ist?“ Aus Harrys Stimme floss Spott.

„Nein“ Severus verschränkte die Arme. „Nicht, wenn du ernsthaft lieber hier bleiben willst als Teil einer Familie zu werden.“

Harry schnaubte und ließ den Blick zu Boden fallen. Von seinen Lippen kam das resignierte Murmeln: „Familie ...“

„Es gibt auch gute Familien. Liebende Familien. Du verdienst eine“ Er verdiente auf jeden Fall etwas Besseres als einen potthässlichen, griesgrämigen, alten Mann. „Das ist das einzig Richtige in dieser Situation“ Er wusste, was seine Pflicht war. Bei aller Verschrobenheit wusste er zumindest, was richtig und was falsch war.

„Und was bringt mir eine liebende Familie, wenn ich sie nicht haben will?“ Auch Harry hatte die Arme verschränkt.

Einen Moment lang sah Severus sich selbst dort sitzen. Sechzehn Jahre, sein Aufnahmegespräch an der Uni. Warum er so weit von seiner Familie weg gezogen wäre? Weil Familien Zweckgemeinschaften seien, deren Sinn und Nutzen die Aufzucht von Kindern sei. Ab dem Eintritt ins Erwachsenenalter verliere diese Zweckgemeinschaft ihre Notwendigkeit. Als Kind hatte er gerne bereits im Wortlaut des Gesetzestextes gesprochen. Wahrscheinlich hatte ihm das trotz seiner miserablen sozialen Ader sein Stipendium eingebracht. Er erwiderte: „Dir macht der Gedanke Angst, dass jemand dich lieben könnte. Du hast den Glauben daran schon aufgegeben.“

„Du doch auch“, erwiderte der Junge mit Gift und Wut in der Stimme.

Diesmal erwischte das Blag die Ohrfeige nicht nur in Severus Vorstellungen.



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Kommentare zu diesem Kapitel (5)

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Von:  Omama63
2015-09-05T15:33:22+00:00 05.09.2015 17:33
Severus ist ganz schön gemein zu Harry und denkt, dass er so wird, wie sein Vater. Gerade jetzt, könnte er beweisen, dass er nicht so ist.
Harry wird Angst haben, dass er wieder in eine so schreckliche Familie kommt, die ihn nur schlägt und ihn dann wieder verkauft.
Mir kommt Harry so vor, als wenn er sich in Severus verliebt hätte und um keinen Preis von ihm weg will.
Bin schon gespannt, ob Severus in weg gibt.

Lg
Omama63
Von:  Lunatik
2015-04-29T20:47:08+00:00 29.04.2015 22:47
Hach...
Letztes Kapitel hatte Severus Selbstzweifel und nannte Harry in Gedanken 'Junge'. Dieses Kapitel nennt er ihn Kröte, Biest oder Balg. Er hat zu Wut umgeschlagen. Auch ein verarbeitungsprozess, aber in den Ausnahmen nicht zwangsläufig gesund, würde ich sagen. Severus reagiert auf Verletzungen mit Aggressionen. Bis jetzt war es verbale und psychische Gewalt, die er nutzte und nun mit der Ohrfeige auch physische Gewalt. Das zeigt dieses Kapitel sehr, sehr deutlich. (Hat in mir eine Mischung aus genervt sein und Resignationen ausgelöst xD)
Gleichzeitig möchte er so schnell wie möglich beim Jugendamt anrufen (er müsste doch wissen, dass das nie im Leben so schnell gehen würde lol) und Harry loswerden. Ich denke seine Unfähigkeit mit Harry richtig umzugehen, auf der Grundlage seines mangelnden Selbstwertgefühls, bereitet ihm Stress gepaart mit Angst - was dann in Migräne, Wut und Aggressionen endet. Und weil er sich nicht selbst traut bezieht er sich auf "richtig" und "falsch". Inzwischen ist er dabei angekommen zu denken, Harry wegzugeben wäre richtig. Ich denke, das zeigt auch, dass er es nicht zwangsläufig will. Es ist eine Rechtfertigung - nicht nur vor Harry, auch vor sich selbst. Er könnte auch mal auf seine eigenen Wünsche hören...
Severus Vergangenheit erzeugt Mitgefühl - fand ich sehr gut rübergebracht! Zeigt auch sehr deutlich woher sein Verhalten kommt und warum er solche Schwierigkeiten mit sich selbst und seinr Umgebung hat. Da kann ich nicht viel dazu schreiben, da es sehr offen gelegt wurde :)
Ich habe übrigens sehr viel Respekt, dass Severus endlich sich mit Harry 'ausgesprochen' hat. Endlich sind die wichtigen Fragen gefallen! Severus macht auch große Fortschritte, in dem er erkennt, dass er verletzt ist und die Ähnlichkeit mit seinem Vater sieht. (Wobei ich nicht denke, dass seine Schlussfolgerung warum er verletzt ist, korrekt ist)
Ich sehe dieses Kapitel als einen brichpunkt oder auch Anfangspunkt - ab jetzt werden sich Dinge ändern. Ab jetzt kann es Entwicklung geben. Denn zum ersten Mal kam es zu einer ehrlichen interaktion zwischen Severus und Harry. Severus, der sich sowohl räumlich als auch gedanklich von Harry distanziert hat, hat auch endlich einen Schritt auf Harry zu gemacht. Ich vermute Severus hat auch seit längerem wieder mal bewusst an seine Eltern und den Missbrauch gedacht.
Wie gesagt, das Kapitel ist sehr nachvollziehbar, offen und gut zu lesen - da kann ich wenig was dazu schreiben :)
Hier noch paar Tippfehler:
"Bevor ich keinen Kaffee habe" einen statt keinen
Mist, ich sagte ein paar, aber ich find die anderen zwei gerade nicht. Irgendwo stand da statt "seine Hand" "sie Hand" und irgendwas noch in der Art.

Mal wieder ein großes Lob von mir :)
Von:  brandzess
2014-09-17T16:09:47+00:00 17.09.2014 18:09
Harry kennt ihn gerade Mal eine knappe Woche, so schnell gewöhnt sich niemand and einen anderen Menschen und weiß über ihn bescheid. Wie soll Harry auch wissen wann sich Severus wie genau verhällt? Besonders wenn der ihm das nicht sagt. Er muss ja nicht anfangen sein eigenes Leben zu kommentieren wie einen Film, aber wenn er Migräne hat, dann soll er Harry das sagen, dann kann der sich darauf einstellen. Der Junge ist zwar ein wenig naiv aber nicht dumm.
Natürlich würde Severus früher oder später so etwas bei Harry auslösen. Aber das muss doch auch ziemlich an Harry nagen, wenn jeder bei dem er ist ihn anschreit und meckert und ihn wegschicken will. Seine Verwandten, die Frau von dem Bordell und jetzt Severus.
Severus ist einer der einzige oder einer der wenigen Menschen der jemals nett zu Harry war. Das bedeutet dem sicher viel, dass sich jemand um ihn Sorgen gemacht hat, ihm helfen will und nicht nur profit in ihm sieht und jetzt will auch Severus ihn wieder wegschicken. Ob das wirklich so gut geht.
Außerdem hat er doch jetzt gemerkt wie hibbelig und besorgt er ist, wenn er nicht weiß was Harry macht und wie es ihm geht. Das wird bestimmt nicht aufhören, nur weil der Junge in einer Pflegefamilie untergebracht ist. Severus wird ihn vermissen und zwar sehr. Mal ganz abgesehen davon, dass so eine Unterbringung in einer Pflegefamilie und der dazugehörige Papierkram ein bisschen länger dauert als Severus hier hofft xD Außerdem ist ja gar nicht gesagt, dass es Harry so viel besser gehen wird bei der Pflegefamilie. Natürlich sind nicht alle gleich und böse. aber trotzdem gibt es ja auch unter diesen guten Menschen genug schwarze Schafe die nur das Geld wollen und sich keinen Deut um die Kinder kümmmern.
Mit seiner Vergangenheit und seiner Wesensart kann man verstehen, dass er es gut meint. Es ist nunmal Tatsache, dass er nicht gut mit Menschen, unfreundlich und ein wenig griesgrämig ist oder zumindest scheint. Ich glaube ihm, dass er Angst hat, dass er Harry wehtut oder seine Willensstärke flöten geht und er sich doch noch an ihn ran macht. Und wie sich im letzten Satz zeigt, ist diese Sorge auch berechtigt.
Aber Harry hat da etwas wahres gesagt. Severus hat den Glauben daran aufgegeben, dass jemand ihn lieben oder auch nur mögen könnte. Er selbst mag Harry aber schon, das kann er leugnen wie er will. Etwas in ihm ist Harry ans Herz gewachsen und selbst wenn er das noch nicht realisiert hat, will er Harry nicht gehen lassen, aber gleichzeitig will er dne Jungen vor sich schützen. Ergebnis, miese Laune und "Überforderung"(so nenn ich das jetzt einfach Mal).
Oh, und du hast irgendwo geschrieben, dass Harry kein Deutsch spricht (anstatt Englisch). Leider finde ich die Stelle nicht mehr.
Ich bin auf jedenfall Mal gespannt wie es weiter geht mit Harry und Severus.
Lg brandzess
Von:  SakuraxChazz
2014-09-17T10:15:39+00:00 17.09.2014 12:15
Das Severus Harry wirklich schlagen würde... Damit hab ich nicht gerechnet. Aber irgendwann reißt jeder Geduldsfaden und der von Severus hat schon lange gehalten. Zumindest für seine Verhältnisse.
Ich kann beide Seiten verstehen. Severus will eben das Beste für ihn und bei ihm wäre es sehr schwierig. Mal davon abgesehen, das es eben diese erotische Anziehungskraft gibt. Wenn die nicht wäre, wäre es wohl trozdem noch besser für Harry in eine echte Pflegefamilie zu kommen.
Das Harry das anders sieht ist auch logisch. Er hat sich das alles einfach anders vorgestellt. Für ihn war klar, das er bei Severus bleiben kann. Und bisher lief es ja auch ganz gut. Zumindest die ersten paar Tage. Das er nicht zu einer Pflegefamilie will ist vollkommen logisch. Selbst wenn er nicht schon solche Gruselgeschichten gehört hat über Pflegefamilien, die X-Pflegekinder haben und sich doch nicht wirklich drum kümmern. Gerade so das Mindestmaß an Betreuung und sonst geht man unter, so hat er doch ein gewisses Bild von Familie, was da nicht reinpasst. Bei Severus hat er eine Person auf die er aufpassen muss, bei einer Familie direkt schonmal mindestens zwei. Zudem gibt es noch die Sprachbarriere. Wer weiß ob die Pflegefamilie Thai sprechen könnte? Damit würde er zusätzlichen Halt verlieren.
Oh und als Severus den Polizisten zusammenstaucht, da hast du geschrieben, das der Junge kein Deutsch könnte. Das stimmt wohl auch, aber eigentlich sollte da Englisch stehen oder? "(...)gestern Abend und heute ein junger Thailänder aufgefunden, der kein Deutsch spricht?(...)"
Das Kapitel hat mir sehr gut gefallen. Realismus ist viel besser als heiler Ponyhof. Sonst würde ich die Story wohl auch nicht weiter verfolgen.
Ich freu mich jetzt schon auf das neue Kapitel. Jetzt kann ich gleich entspannt in die Arbeit starten...

LG Saku^^
Von:  demona1984
2014-09-16T20:25:10+00:00 16.09.2014 22:25
Erste. :)

Autsch. Zum letzten Satz.

Verzeih wenn ich das sage aber Severus ist ein Ar****och. Aber so richtig. Und ich kann ihn verstehen. Wenn man sich seine Vergangenheit ansieht, die ja immer wieder durch blitzt, ist es verständlich, dass er nicht daran glaubt, dass er ein guter Mensch sein kann.

Harrys Reaktion könnte man so erklären, dass es wirklich die Worte "Ich kann dich nicht ertragen" waren, die ihn so reagieren haben lassen. Meine Vermutung: kurz darauf ist er verkauft worden und das wollte er verhindern.

Sehr verzwickte Situation aber irgendwo hat Severus Recht, Harry will nicht ihn sondern weiß es einfach nicht besser. SEverus ist der einzige Punkt, den er kennt und den er glaubt einschätzen zu können, alles andere macht ihm Angst. Deswegen will er nicht weg. Aber ich befürchte, wenn sich Severus durch setzt und ihn wirklich in eine Pflegefamilie gibt, wird er dort nicht bleiben sondern weg laufen. Ach, schwierig.

Und ich finde es toll, dass du realistisch bleibst und nicht mit rosa Wattewölkchen um dich wirfst. ;)

Ich freue mich jetzt schon aufs nächste Kapitel.

Lg Demona


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