Zum Inhalt der Seite

Behind the Wall

Vergangenheit-Gegenwart-Zukunft
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Die Fähigkeit zur Integration

Kapitel 5 Die Fähigkeit zur Integration
 

Noch im Flur ziehe ich mir die Kleidungsstücke über den Kopf, lasse sie achtlos fallen und stelle mich unter die Dusche. Das zunächst kühle Wasser trifft fast warnend auf meinen Körper. Ich spüre es kaum. Ich stemme meine Hände gegen die ebenso kalten Kacheln und lehne meinen Kopf in den eisigen Strahl des Wassers. Ein Keuchen entflieht meinen Lippen und nach und nach merke ich, wie das Wasser wärmer wird. Erst als es heiß über meinen Nacken läuft, blicke ich auf und drehe am Regulierer. Ich lasse mir etwas Flüssigkeit in den Mund fließen, merke, wie es über meine Lippen und über meinen Hals läuft. Die Härte des Wassers kitzelt auf meiner Zunge. Es ist kalkhaltig und schwer. Die Rohrleitungen der Wohnung sind nicht mehr die Neusten.

Ich neige meinen Kopf wieder nach unten, halte meine Augen geschlossen und genieße die Wärme auf meiner Haut. Das Wasser perlt meinem Rücken und meine Beine hinab. Ich spüre, wie es meine Oberschenkel entlang fließt. Stellenweise fein kitzelt. Ich mag das Gefühl.

Eine ganze Weile stehe ich einfach nur da, lausche dem Geräusch des fließenden Wassers, fühle die Wärme.

Nur mit dem Handtuch um der Hüfte lasse ich mich auf das Sofa nieder, schließe die Augen und sehe Richards Gesichtszüge. So wie oft in der letzten Zeit. Sein Kinn und die Wangen sind bedeckt mit leichten Stoppeln. Die Farbe seiner Lippen. Ich erinnere mich nicht an ihren Geschmack. Süß? Herb? Vielleicht eine Mischung aus beidem? Die Vorstellung schickt ein erregtes Kribbeln durch meinen Leib. Die Erinnerungen an unsere intimen Momente blitzen auf. Unschuldig und ohne Erwartungen. Wir haben es einfach nur gewollt, ohne über Konsequenzen und Normen nachzudenken. Ein Keuchen flieht von meinen Lippen, das in der Stille des Zimmers verhallt. Als wäre es nie da gewesen.

Ich öffne meine Augen, lasse meinen Blick wandern und sie haften sich an das rote Blinken am Telefon. Ich spüre, wie mein Puls beschleunigt. Doch es ist nicht das Pulsieren voller Aufregung und positiver Erregung. Es ist allein der Unruhe geschuldet, die sich in mir ausbreitet. Nicht schon wieder. Was soll das?

Ich setze mich aufrecht und starre einen Moment auf das rote Licht. Was werde ich diesmal hören? Zurückhaltend robbe ich über die Couch zum Telefon und nehme den Hörer ab. Noch während ich den Knopf drücke, schlucke ich. Die Ansage über eine nicht abgehörte Nachricht dringt an mein Ohr. Das Piepen und ich spüre, wie sich mein gesamter Körper anspannt. Ich halte die Luft an. Wieder ein Rauschen. Für mich fühlt sich Stille, wie eine unendliche Ewigkeit an, auch wenn es in Wirklichkeit nur einige Sekunden sind.

„Eleen? Hier ist Ewan." Erleichtert atme ich aus und lasse mich in die gemütlichen Kissen meiner Couch zurückfallen.

„Ich habe dich nicht erreicht. Ich wollte nur wissen, wie es dir geht und dir Bescheid sagen, dass ich mit deinem Bewährungshelfer gesprochen habe. Er hat mich angerufen. Er war besorgt, weil du beim letzten Termin etwas abwesend gewirkt warst. Melde dich bitte bei mir. Wir müssen darüber reden." Ewans Stimme beruhigte mich zu Anfang, doch als er meinen Bewährungshelfer erwähnt, merke ich erneut, wie sich meine Muskeln anspannen. Das kann doch nicht wahr sein. Reden bedeutet bei ihm nichts Gutes. Ich schalte das Telefon aus und lasse es zu Boden gleiten.

Abwesend. Habe ich wirklich abwesend gewirkt? Ich lasse das Gespräch Revue passieren. Doch ich weiß nicht, was ihm schlecht aufgestoßen sein kann. Ungläubig sehe ich zur Decke und fahre mir durch die Haare. Ich dachte immer, dass ich meine Mimik und die Art und Weise, wie ich nach außen hin wirke, im Griff habe. Anscheinend nicht. Das ist gefährlich. Ich darf auf keinen Fall zu lassen, dass er von Richards Anwesenheit in dieser Stadt erfährt.
 

Auf dem Weg zum Schlafzimmer komme ich an der Kommode vorbei, auf der der Ring liegt, den mir Richard gegeben hat. Ich taste danach, spüre das kühle Metall an meinen Fingerspitzen und betrachte wiederholt die gravierten Runen. Fünf Zeichen. Drei davon sehen völlig identisch. Es dauert einen Moment, doch dann verstehe ich, dass tatsächlich mein Name in keltischen Runen darauf steht. Richard trug all die Jahre einen Ring mit meinem Namen bei sich. Augenblicklich erfasst mich tief dringende Hitze. Ich denke an sein flehendes Gesicht zurück, welches mit jeder Minute meiner Anwesenheit weicher und glücklicher wurde.

Mit dem Ring in der Hand gehe ich in mein Schlafzimmer und krame in meiner Sockenschublade nach einer alten Kette, die ich damals von meiner Mutter geschenkt bekommen habe. Ich finde sie in einer kleinen schwarzen Samtschachtel und lasse den Ring über die schmalen Kettenglieder gleiten. Einen Augenblick betrachte ich die Kombination und bin mir nicht sicher, ob es eine gute Idee ist den Ring bei mir zu tragen. Doch das Bedürfnis etwas von Richard an mir zu wissen ist in diesem Moment so dringend, dass ich nicht widerstehen kann. Ein weiteres Mal betrachte ich das Schmuckstück bis mir etwas Anderes auffällt. Ich schalte meine Nachttischlampe an und beschaue das Innere des Ringes. Eine Gravur aus Zahlen. Ich drehe den Ring ein paar Mal im Kreis. Es ist eine Telefonnummer. Mein Herz macht einen Satz. Meine Finger beginnen zu Kribbeln. Ist es wirklich das, wofür ich es halte?

Ich atme tief ein, schließe die Augen und ziehe mir die Kette über den Kopf. Meine Hand drückt den Ring gegen meine Brust und ich lasse mich rückwärts aufs Bett fallen. Ricks Telefonnummer. Meine Finger streichen über das kühle Metall. Deshalb hat er gewollt, dass ich ihn nehme. Ein Zeichen seiner fortwährenden Zuneigung und die Möglichkeit der Kontaktaufnahme. Ich lausche dem Hämmern meines Herzens, welches durch die Stille des Raumes bellt. Werde ich den Mut haben? Mein Verlangen schreit bereits jetzt danach. Das Bedürfnis ihn zu spüren, brennt heiß. Ich lausche dem Geräusch meines Herzens. Es dauert lange bis ich eingeschlafen bin.
 

Meine Träume sind wild und unglaublich lebhaft. Ich erwache hektisch atmend und mit dem Bedürfnis kalt zu duschen. Ich setze mich auf und fahre mir über den schweißnassen Hals. Es ist eine Weile her, dass ich derartige Träume gehabt habe und ich kann mir ein Lächeln nicht verkneifen. Ich lasse mich wieder ins Kissen fallen und blicke einen Augenblick an die Decke. Als ich meine Augen schließe, sehe ich wieder Ricks Gesicht. Ich atme tief und habe das Gefühl, seine Hände wieder auf meiner Haut zu spüren. Warm und liebevoll streicheln sie über meine Wangen. Seine Berührungen waren die Erfüllung eines lange in mir brodelnden Wunsches. Ich sehne mich nach dem Geschmack seiner Lippen, auch wenn ich mich nicht mehr an sein Aroma erinnern kann. Zu lang ist es her. Der flüchtige Kuss in der U-Bahn hat nicht gereicht.

Ich lecke über das zarte Fleisch meiner eigenen Lippen und genau in diesem Moment, beginnt mein Wecker zu piepen. Ich schwinge die Beine aus dem Bett.
 

Es ist kühler geworden und als ich die U-Bahn verlasse, bereue ich es keinen Schal zu besitzen. Ich ziehe den Kragen meiner Jacke höher und betrete das Firmengebäude. Noch ist es ruhig. Ich sehe mich in der großen Eingangshalle um und höre das schallende Umblättern einer Zeitung. Ich schaue zum Pförtner und hebe meine Hand zum Gruß.

„Hey, de Faro, komm mal rüber." Verwundert bleibe ich stehen und sehe zu Micha dem Pförtner. Ein normalerweise sehr stiller Mann, der nur schwach winkt und dann wieder seiner Zeitung frönt. Er legt genau diese beiseite und blickt mich aufmerksam an.

„Kann ich was für dich tun?", frage ich verwundert und er schüttelt seinen mit grauen Haaren bedecktes Haupt.

„Nee, nee. Allet jut", antwortet er mir in seiner ungewöhnlichen Mundart.

„Ich wollte nur Bescheid jeben, dass jestern jemand nach dir gefragt hat." Ich stocke und hebe eine Augenbraue nach oben, während er einen Block durchblättert.

„Nach mir? Mit Namen und allem?", frage ich wieder ungläubig.

„Ja, jestern jegen 18 Uhr. Ziemlich spät. Es war nen junger, blonder Mann", fährt er fort. Meine Stirn legt sich in Falten und ein unangenehmes Kribbeln beginnt in meiner Magengegend.

„Was hat er gewollt?", frage ich, merke, wie mich mehr und mehr Verunsicherung erfasst. Ich fahre mir nervös mit den Fingern über die Arbeitshose.

„Hat er nich jesagt. Hat nur nach nem Eleen de Faro gefragt und ob der hier arbeitet." Ich erwidere nichts, doch er mustert mein Gesicht und hebt abwehrend die Hände. „Ich hab ihm nix gesagt."

„Danke", murmele ich leise und in meinem Kopf beginnt es zu arbeiten. Ich kenne eigentlich niemand in der Stadt. Ein junger Mann. Blond. Im ersten Moment denke ich an Richard. Im falschen Licht könnte er als blond durchgehen. Doch zu diesem Zeitpunkt hat er bereits am Bahnhof auf mich gewartet. Mir fällt die seltsame Situation mit dem plötzlich wegfahrenden Auto wieder ein. Doch in meiner Erinnerung war der Typ in dem Wagen nicht jung gewesen. Michas Stimme holt mich aus meinen Gedanken.

„Haste irgendwelche Probleme?", fragt er mich neugierig. Ich schüttele mit dem Kopf.

„Nur die Üblichen", gebe ich scherzend von mir und ernte tatsächlich ein amüsiertes Gelächter vom Pförtner.

„Gibst du mir bitte Bescheid, wenn das noch mal passiert?"

„Klar!" Damit hebt er nur noch kurz seine Hand und widmet sich wieder seiner Zeitung. Ich sehe zum Ausgang und schaue mir einen Moment die vorbeiziehenden Menschen an. Wer kann das gewesen sein? In meinen Magen breitet sich das seltsame Gefühl weiter aus und mit jedem Schritt zum Umkleideraum wird es intensiver.
 

Als ich gedankenversunken die Tür öffne, stehe ich direkt vor Steven. Erschrocken hebe ich meine Hand auf die Höhe seiner Brust und rechne damit, dass er mich umrennt, doch er greift nach meinem Handgelenk und bleibt vor mir stehen. Ich spüre, wie die zurückfallende Tür gegen meine rechte Schulter schlägt.

„Na, na. Du solltest vielleicht vorher die Augen aufmachen bevor du durch die Tür rennst", sagt er mit diesem grässlichen Unterton und ich entreiße ihm meine Hand.

„Du solltest aufhören im Weg rumzustehen", kontere ich und sehe, wie sich seine Augen zusammenziehen, bis sie nur noch enge Schlitze sind.

„Du solltest freundlicher zu mir sein." Wieder leicht drohend.

„Würdest du mir BITTE endlich aus dem Weg gehen" Ich betone das Bitte besonders abfällig und sehe ihn unabsichtlich provozierend an. Sofort ärgere ich mich, aber nicht über Steven, sondern über mich selbst. Ich sollte ihn und seine Provokationen einfach ignorieren, doch ich reagiere allergisch auf die Art und Weise, wie er mit mir umgeht.

Er dreht sich auf die Seite und als ich mich seitlich an ihn vorbeischiebe, drückt er mich fest mit dem Rücken gegen den Türrahmen. Seine Hand greift nach dem Kragen meiner Jacke. Ein erschrockener Laut rinnt über meine Lippen, aber ich fasse mich schnell und funkele ihn wütend an. In seinem Gesicht bildet sich ein überlegendes Grinsen.

„Du kannst mich nicht einschüchtern oder bedrohen, Eleen." Erneut spricht er meinen Namen richtig aus, aber zieht die Vokale abwertend in die Länge. Ich gebe ein amüsiertes Geräusch von mir und beuge meinen Kopf nach vorn.

„Ach wirklich, mir kommt es aber so vor als würdest du dich bedroht fühlen." Warum sonst sollte er mich derartig angehen? Ein Ruck und er drückt mich wieder heftig gegen den Metallrahmen der Tür.

„Lass mich los", sage ich mit zusammengebissenen Zähnen und sehe ihn unverwandt an. Er weicht meinem Blick nicht aus.

„Hast du Angst?", fragt er mich provozierend und ich nutze nun meine Position aus, in dem ich mein Bein hochziehe. Mein Knie befindet sich nun zwischen seinen Beinen. Noch berühre ich ihn nicht.

„Wohl kaum. Ich möchte nur verhindern, dass du dich gleich vor Schmerzen auf dem Boden krümmst." In diesem Moment ziehe ich das Knie hoch und stoppe kurz vor seinem Intimbereich. Steven zuckt, aber auch ich stocke, als ich plötzlich seine eindeutige Härte spüre. Sofort lässt er mich los und zieht sich zurück. Ich bleibe überrumpelt stehen und sehe erst auf als ich eine Tür zuschlagen höre. Kai steht im Flur und sieht mich an. Ich warte bis er zu mir aufgeschlossen ist und halte ihm die Tür auf. Als er an mir vorbeigeht, murmelt er ein 'Guten Morgen'.

„Morgen." Erwidere ich. Auch ich folge ihm in den Umkleideraum und stelle mich zu meinem Schrank. Ich öffne ihn nicht, sondern lehne meine Stirn gegen das kühle Metall. Mehr und mehr schießt die Hitze in meinen Kopf. Ich kann Steven noch immer an meinem Bein spüren und ein unangenehmes Gefühl breitete sich in mir aus.

„Alles okay bei dir?", flüstert mir Kai vom anderen Ende der Spintreihe fragend entgegen und ich wende ihm mein Gesicht zu.

Ich versuche zu lächeln und frage mich, wie viel er eigentlich gesehen hat.

„Ja, alles okay." Nun einmal habe ich die Tür gehört und das, als Steven rausgestürmt ist. Ich sehe den jungen Mann an und beobachte, wie er es nicht schafft mich durchweg anzusehen.

„In welchem Ausbildungsjahr bist du eigentlich?", frage ich ablenkend und stelle mich wieder aufrecht hin. Er kommt schüchtern auf mich zu und ich öffne meinen Schrank.

„Im zweiten", antwortet er und schiebt seine Hände ganz charakteristisch in die Seitentaschen seiner Latzhose. Seine Schultern ziehen sich dabei nach oben.

„Macht es dir Spaß?" Ich ziehe mir das T-Shirt über den Kopf und mein Arbeitsshirt über. Kai beobachtet mich. Sein Blick wandert an meinem sehnigen Körper entlang. Ich sehe, wie er nur kurz als Antwort zuckt und komme nicht umher darüber zu schmunzeln.

„Na, das nenne ich Begeisterung.", kommentiere ich zusätzlich und sehe, wie sich der Azubi zu winden beginnt.

„Ja, doch schon, aber manchmal ist es mir zu langweilig. Ich meine, wir machen bloß sauber und reparieren Kram. Da ist ja nichts bei", sagt er leise und in seinen Worten steckt ein Stück Kindlichkeit. Ich lächele und wechsele nebenbei die Hose.

„Ich kann dir gern auch mal ein paar Sachen bei mir zeigen, aber dann siehst du nur rostige Heizungsrohre und ständig defekte Thermostate", erkläre ich und sehe ihn an. Noch immer richtet sich sein Blick direkt auf mich. Er starrt fast und scheint irgendwas loswerden zu wollen.

„Was ist los?", hake ich nach. Kai atmet tief ein und ich sehe ihn auffordernd an.

„Was war das gerade zwischen dir und Steven?", stottert er mir erstaunlich entschieden entgegen. Seine Wangen färben sich rot. Er hat doch mehr gesehen.

„Er hat versucht mich einzuschüchtern. Das macht er gern, das weißt du ja." Ich schließe meinen Schrank und sehe erst zu dem Auszubildenden als dieser nichts erwidert. Im nächsten Moment geht die Tür auf und Steven brüllt nach Kai. Ich sehe, wie der junge Mann zuckt und dann an mir vorbeitrabt. Ich halte ihn kurz zurück. Er soll mich auf seiner Seite wissen.

„Du bist hier nicht allein. Wenn du mal reden willst." Er sieht mich unsicher an und geht dann ohne etwas zu sagen weiter.
 

Bevor ich zu meinem Freitagsrundgang aufbreche, schnappe ich mir das Telefon und setze mich mit der Heizungsfirma in Verbindung. Natürlich können sie sich nicht erklären, worin das Problem liegt. Ein näselnder Typ versucht mir zu verdeutlichen, wie alt das Modell ist, mit dem unsere Firma arbeitet. Er erklärt mir nichts Neues. Ich verdeutliche ihm, dass bei der Montage Fehler aufgetreten sein müssen. Er wiegelt es ab. Seine nasalen Wörter werden immer länger und teilweise höher, während er versucht, mich davon zu überzeugen, dass bestimmt keine Montagefehler gemacht wurden. Ich verweise ihn auf die mängelbehafteten Blaupausen. Er verspricht mir in der folgenden Woche einen Kollegen vorbeizuschicken und mir vollständige Pläne zukommen zu lassen. Ich bedanke mich freundlich und bin mir sicher, dass ich ihn zum Schwitzen gebracht habe.

Ich schiebe das Telefon in meine Gesäßtasche und sehe auf die Uhr. Es wird Zeit für meinen Rundgang. Ich beginne in der obersten Etage und arbeite mich sorgsam in die unteren Geschosse vor. Keine Auffälligkeiten. Als ich im dritten Stock ankomme, läuft mir Kaley in die Arme.

„Hey, heute Mal nicht im Keller gefangen?", zwitschert sie mir fröhlich zu und ich sehe, wie sich ihre schön geschwungenen Lippen zu einen Lächeln formen.

„Hi. Nein, ich habe heute Freigang." Mein Lächeln ist nur halb so schön, wie ihres. Die Anspielung mit dem Gefängnis bemerke ich erst jetzt und ich schlucke unmerklich.

„Und schon eine Lösung gefunden?", fragt sie mich und kommt weiter auf mich zu. In ihren Händen hält sie einen Stapel Unterlagen.

„Nicht wirklich, aber ich habe der Montagefirma Feuer unterm Hintern gemacht."

„So ist es richtig." Sie lacht und in diesem Moment geht die Tür auf. Ein großer Mann tritt heraus. Sein schwarzgraues Haar harmoniert perfekt mit dem anthrazitfarbenen Anzug, der sich fließend an seinen muskulösen Körper schmiegt. Ich sehe nur sein gigantisches Kreuz. Gerald Barson. Der Chef persönlich. Ich bin ihm noch nie begegnet.

„Sind das die Unterlagen für die Wolff-Immobilie?" Seine weiche Stimme steht im direkten Kontrast zu seiner äußeren Erscheinung.

„Ja, Sir", sagt Kaley freundlich und reicht ihm die Papiere, danach sieht sie kurz zu mir und lächelt. Auch Barson wendet sich mir zu. Sein Blick scheint mich einmal komplett zu mustert.

„Sir", sage ich lapidar. Er nickt und verschwindet wieder in seinem Büro. Als er weg ist, presse ich kurz meine Lippen aufeinander und sehe Kaley erstaunt an. Sie kichert.

„Du hast ihn noch nie gesehen, oder?"

„Hat er jemals den Keller gesehen?", frage ich retour.

„Gute Frage", kichert sie, „Ich sollte wieder zurück." Ich nicke und sehe, wie sie die Tür zum Büro öffnet. Doch anstatt zu verschwinden, bleibt sie stehen und sieht zurück.

„Hey, hast du heute Abend schon was vor?", fragt sie mich und ich bleibe überrascht stehen. Nur ein seltsamer Laut dringt aus seinem Mund. Ich habe das Gefühl mit offenem Mund vor ihr zu stehen. Peinlich.

„Nur ein kleiner Überfall, versprochen.", hängt sie beruhigend hinterher. „Ganz Unverfängliches. Mein Cousin besitzt ein Restaurant und ich konnte bei der Eröffnung vor ein paar Tagen nicht dabei sein. Deshalb möchte er heute für mich kochen. Ich darf jemanden mitbringen und möchte nicht allein essen. Das sieht immer so blöd aus. Würdest du mich begleiten?", plappert sie aufgeregt und sieht mich als sie endet erwartungsfroh an. Ich fühle mich von der Fülle der Information leicht überfordert. Aber vor allem von der Einladung überrumpelt. Es gibt nichts, was dagegen spricht, dennoch zögere ich. Schon wieder.

Insgeheim habe ich das gemeinsame Mittagessen genossen. Es hat mich aus dem Trott herausgeholt und mir das Gefühl eines normalen Lebens vermittelt. Etwas, was ich schon lange nicht mehr erleben durfte. Zudem ist Kaley unglaublich nett und ich mag sie, irgendwie.

Integration, hallt es in meinem Kopf und ich denke an Ewans Worte. Sie wartet noch immer auf eine Antwort und als ich nicke, zeigt sie mir ein bezauberndes Lächeln, bei dem ihre perfekten, weißen Zähne hervorblitzen. Es spricht von purer Erleichterung und das verwundert mich nur noch mehr.

„Schön. Ich muss wahrscheinlich bis 19 Uhr arbeiten. Das Restaurant ist hier in der Nähe..." Sie deutet in eine willkürliche Richtung und ich komme ihr zuvor.

„Ich kann dich von hier abholen.", schlage ich vor. Mein Feierabend beginnt früher und dann wäre ich in der Lage mir noch etwas Vernünftiges anzuziehen. Auch wenn ich nicht weiß, was.

„Sehr gut, dann sehen wir uns nachher! Dankeschön." Damit verschwindet sie schnell durch die Tür und ich bleibe am Treppenabsatz stehen. Ich war noch nie mit einer Frau essen. Ein eigenartiges Gefühl breitet sich in mir aus. Mein Herz flattert leicht. Meine Fingerspitzen sind eiskalt. Ich werde mich blamieren oder schlimmer, sie. Mein Puls geht nach oben und ich starre apathisch auf die Stufen der Treppe.

Was habe ich mir nur dabei gedacht?

Warum tut sie das?

Ich sollte vielleicht doch absagen! Meine Finger krallen sich in den Handlauf der Treppe. Nein.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (1)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Onlyknow3
2014-11-22T14:34:06+00:00 22.11.2014 15:34
Das wird eine neue erfahrung mit sich bringen das er mit ihr aus geht, außerdem ist es ja nicht gegen die Auflage seiner Bewährung, sich mit einer Frau zum essen zu verabreden. Weiter so, freue mich auf die anderen Kapitel.

LG
Onlyknow3


Zurück