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Die Meeries - Nuzlocke Challenge [HeartGold-Edition]

von

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Verluste ( Teil 1 / 2 )

Der Gegner – Niels – war ein junger Teenager mit einem kleinen Rattfratz, das es sich auf seiner Schulter gemütlich gemacht hatte.

„Ah, ein neues Gesicht! Du hältst dich also für stark?“, klopfte er dennoch große Sprüche in Chan’s Richtung. Pah! Der sollte sich mal vorsehen, der Knirps! Schließlich hatte Chan Bananacolada an seiner Seite, die siegessicher grinste und vor sich hin knisterte.

„Los, Bananacolada.“, schickte der Dunkelhaarige sein neues Pokémon schnaubend in den Kampf. „Du bist doch bestimmt besser als so eine Ratte…“

Immerhin war sie ein Voltilamm und lilafarbene Ratten waren seinem Team nun schon einige Male zum Opfer gefallen.

Umso erstaunlicher war es, dass Bananacolada quiekend den ersten Treffer kassierte weil ihr das Rattfratz bei seinem Tackle mitten ins Gesicht sprang. Weinerlich verzog sie das Gesicht und sogleich rollten dicke Tränen über ihre Wangen, kaum dass die Ratte den Blick auf ihr Antlitz wieder frei gegeben hatte.

Mit jämmerlichem Schniefen sank Bananacolada in die Knie und so fielen die Tränen trommelnd in das Gras. Ihr Gegner fiepte besorgt und kam mit zögerlichen Schritten näher. Kaum kam es in ihre Reichweite grinste Bananacolada unter dem tränenüberströmten Gesicht und klopfte dem Rattfratz mit der linken Faust auf den Kopf.

„Äääätsch!“, stieß sie triumphierend aus und erhob sich sogleich als wäre nie etwas gewesen. „Reingelegt! Dummes Vieh!“

Sie streckte ihrem Gegner frech die Zunge heraus.

Der sollte sich nur mal nicht mit einer der Banana-Sisters anlegen!

Das deutlich kleinere Tier fauchte und setzte offensichtlich wütend über diese miese Taktik zu einem erneuten Sprungangriff in Richtung ihres Gesichts an. Bananacolada holte in diesem Moment gerade erst aus und erwischte die Ratte nicht mehr rechtzeitig. Diese krallte sich an ihr fest. Und doch war es mehr dem Schwung zu verdanken, dass Bananacolada das Gleichgewicht verlor und rückwärts stolperte. Ein lautes BAMM folgte als sie mit dem Hinterkopf gegen einen nahen Baumstamm stieß.

Autsch!

Das dachte sich auch Chan, der im ersten Moment gar nicht hinsehen konnte sondern die Augen mit seiner Hand abschirmte. Das hatte ganz schön gekracht! Da bekam man ja schon vom Hinsehen Kopfschmerzen, wie musste es dann erst dem Meerschweinchen gehen?

„Tackle, Bananacolada!“, wies er das Voltilamm an damit sich dieses für den Volltreffer des Rattfratz rächte.

Doch es blieb still hinter ihm, wo die beiden Pokémon gelandet waren.

Chan runzelte sekundenlang die Stirn, wandte dann den Blick um.

„… Bananacolada?“

Er bekam keine Antwort.

Das Rattfratz hatte die Krallen aus Bananacolada’s Gesicht gelöst und war zu seinem Trainer zurückgekehrt. Sie folgte ihm nicht. Denn das würde sie nicht mehr tun können, wo doch nicht einmal mehr genug Leben in ihr war um das Abrutschen an dem Baumstamm zu verhindern. Ihre Augen blickten leer geradeaus.
 

Und der Anblick ließ bei Chan die Sicherung durchbrennen.

„Mööh!“, schrie er und griff nach dem Pokéball seines eigenen Rattfratz. Der Feind gehörte zwar dem männlichen Geschlecht an und man hatte bereits gesehen, welche Folgen Mööh’s Einsatz unter diesen Bedingungen hatte, aber es war Chan egal. „Töte es! TÖTE ES!!“

Der Angesprochene reagierte prompt, erwischte das Rattfratz am Hals und tat mit ihm das Gleiche, was das Rattfratz Bananacolada angetan hatte. Krachend donnerte der Hinterkopf der kleinen empfindlichen Ratte gegen den harten Stamm und es knackte bedrohlich unter dem lilafarbenen Fell.

Nun war auch der Trainer schockiert und reagierte.

“Oh nein! Rattfratz, komm zurück!“, rief er seine Ratte zurück in den Ball und schickte dafür sein anderes Pokémon in den Kampf: „Und los, Zubat!“

Kreischend tauchte die Fledermaus auf, spürte allerdings bereits im nächsten Moment fixierende Finger an seinem Kopf. Diese gehörten Tiramisu, die nicht gerade wenig Druck ausübte und es wohl nur noch einem kleinen Rest Verstand zu verdanken war, dass sie den Kopf nicht in ihrem Griff zerquetschte. Ihrem Blick nach zu urteilen reagierte sie instinktiv. Und sehr, sehr wütend über den Verlust einer Mitstreiterin, die gerade erst ins Team gekommen war und sich noch nicht einmal hatte beweisen können.

Der Teenager sah sich prompt mit den beiden wutentbrannt grummelnden Meerschweinchen konfrontiert, die sich in ihrer menschlichen Form vor ihm aufbauten und ziemlich bedrohlich auf den Kleineren wirkten. Da fiel ihm auch kaum etwas ein womit er sie vielleicht beschwichtigen könnte, außer: „W… was geht mit euch ab!? Bring’ das Voltilamm doch einfach ins Pokémon-Center und lass es heilen!?“

Das war doch kein Grund, so durchzudrehen!

Aber genau das taten sie. Und das nicht nur die Meerschweinchen sondern allen voran auch deren Trainer, der schreiend den Teenager am Kragen packte und schüttelte. „WIE BITTE?!“

Für Niels wäre es wohl besser wenn Chan sich verhört hätte.

„Weißt du eigentlich, was du da angerichtet hast, du %$§&!?“

„Woah! H-hey, Vorsicht! I-ich falle…!“, wimmerte der kleinere Trainer ängstlich, wurde aber von Chan gänzlich ignoriert.

„… „Lass es heilen“!?“, setzte dieser nämlich seine laute Schimpferei fort. „DU ARSCH HAST SIE … sie …“

Bananacolada war tot! Wegen diesem mickrigen Jammerlappen und seinem noch viel blöderem Rattfratz! Er hatte sie umgebracht! Und deswegen war es Chan auch völlig egal, dass Niels ihn mit sich riss als er nach hinten umkippte. Der schwerere Körper landete auf dem des Teenagers, der nur noch ein „Au!!“ von sich geben konnte nachdem er wieder zu Sauerstoff gekommen war. Durch den Aufprall war ihm zumindest kurzzeitig mal die Luft weggeblieben. Aber Chan war all das nicht genug.

„… „Au“…?“, äffte er Niels wütend nach und hob die zur Faust geballten Rechte. „Ich zeig dir, was RICHTIG wehtut! VERRECK, DU MADE!!“

Was er seinem Voltilamm angetan hatte würde ihm der Kerl so was von büßen! Doppelt und dreifach würde er es ihm heimzahlen und selbst damit würde der noch gut davon kommen! Gott, so sauer war er noch nie in seinem Leben gewesen! Meerschweinchen hatte doch eh schon keine allzu große Lebenserwartung im Vergleich zu anderen Tieren, aber dass ihr Tod durch so einen dämlichen Idioten beschleunigt wurde konnte Chan einfach nicht akzeptieren. Dieser Bastard sollte wenigstens einen Bruchteil des Schmerzes spüren!

„Stopp, Chan!“, riss ihn eine weibliche Stimme aus seinen Gedanken und er spürte fremde Finger an seinem Handgelenk, welches dieses festhielten und ihn dadurch daran hinderten, dem Balg die Faust in die Fresse zu rammen. „Du kannst doch nicht einfach einen Menschen töten!!“

Wer wagte es, sich einzumischen und ihn aufzuhalten?

Chan wandte den Kopf um und wollte die verantwortliche Person anschnauzen, doch Tiramisu kam ihm zuvor und ließ ihn mit einer schallenden Ohrfeige wieder zur Besinnung kommen.

„Tiramisu…“

„Lass uns gehen…“, murmelte sie leise und unter Tränen, die sie trotz aller Mühe nicht zurückhalten konnte. „Ich will… hier nicht mehr sein.“

Nicht hier, an diesem Ort, an dem Bananacolada bereits nach kurzer Zeit ihr Leben verloren hatte. Dort, wo ihr Körper noch immer ruhte, weggeworfen wie ein Stück Dreck, das man nicht länger benötigte und einfach achtlos am Wegesrand liegen ließ.

Das wiederum war etwas, was Chan zwar davon abhielt, dem flüchtenden Teenager zu folgen, aber auch verhinderte, dass er Tiramisu’s leiser Bitte Folge leistete.

„Aber zuerst…“

Mühsam erhob er sich vom Boden und rief Mööh näher heran.

„W… was willste?!“, entgegnete der miepend und sich nicht so recht ausmalen könnend, was sein Trainer gerade von ihm wollte. Dasselbe galt auch für Tiramisu, deren Gesichtsausdruck stetig vom Weinerlichen ins Fragende wechselte.

Chan streckte dem Männchen die offene rechte Handfläche hin.

„Meinen Beutel.“, verlangte er nach dem, was Mööh gerade noch schützend in seinen eigenen Händen hielt. Sinn und Zweck des Ganzen erschloss sich dem Meerschweinchen auch bereits kurze Zeit später, denn wie es in Pokémon nun mal üblich war mangelte es in so mancher Hinsicht an der Logik. Wer ein Fahrrad in den Beutel bekam fand dort auch Platz für eine Schaufel, die Chan hervor holte und Mööh stumm in die Hand drückte. Die Geste reichte völlig aus um zu verdeutlichen, was er vorhatte.
 

„Warum zum Teufel muss ich jetzt die ganze Drecksarbeit eigentlich alleine machen? Unfair!“, schimpfte Mööh also nach einigen Minuten in denen er bereits murrend versuchte, ein Loch zu buddeln das groß genug wäre, um Bananacolada dort zu beerdigen.

Was ihn an alledem aber noch mehr aufregte war, dass keiner auf die grandiose Idee kam, ihm vielleicht seine Hilfe anzubieten. Tiramisu und Chan waren etwas entfernt bei dem leblosen Körper der ersten Banana-Sister und der Trainer gab auf das Gemecker ohnehin nur ein „Sei still und grab weiter!“ zurück.

„Petit Four, hilf doch mal!“, versuchte es Mööh also bei der Prinzessin, die in nächster Nähe auf einem Stuhl – woher auch immer die den schon wieder hatte! – saß und eine Tasse Tee genoss. Die sah jetzt nicht so aus als hätte sie Unaufschiebbares zu tun. Also sollte sie einfach mal die Pfote schwingen und ihn beim Graben ablösen!

„Siehst du nicht, dass ich gerade Tee trinke?“, schnaubte das angesprochene Meerschweinchen allerdings und machte keineswegs den Eindruck als würde sie diese äußerst wichtige Tätigkeit vorzeitig abbrechen wollen. „außerdem würde ich ganz dreckig werden.“, argumentierte sie dann noch und offenbarte damit wohl den wahren Grund dafür, dass sie keineswegs hilfsbereit war. Wer war sie denn, dass sie im Dreck wühlen und ein Loch in den Boden graben würde? Ihr Kleid würde dreckig werden und bei ihren zarten Ärmchen… das konnte man ihr doch nicht zumuten! Dafür hatte man seine Diener!

Außerdem gab es dafür doch auch andere. Etwas entfernt konnte sie zumindest Toffee entdecken, der mit einem kleinen Bund Blümchen zurückkam, mit denen er das Grab wohl wenigstens ein bisschen schmücken wollte. Sollte der doch weiter buddeln! Sie würde jedenfalls keinen Finger krumm machen, pah.
 

„Bin fertig, du Sklaventreiber!“, motzte Mööh irgendwann später und lenkte Chan’s Aufmerksamkeit ab von der leblosen Bananacolada in seinem Arm auf das große Loch.

Meinetwegen war sie… Das Grab war das Mindeste, was er jetzt noch für das Voltilamm tun konnte. Verdammte Nuzlocke. Er hätte besser aufpassen sollen. Die Schuld über ihren Tod nagte tief an ihm und er konnte gar nicht in Worte fassen, wie leid es ihm tat.

So brachte er nur ein ersticktes „Ruhe in Frieden…“ hervor ehe er Bananacolada vorsichtig in das Loch legte. So sanft, dass man meinen könnte, sie würde zerbrechen. Vielleicht war es auch so, er würde keine Möglichkeit mehr haben, herauszufinden, wie robust sie irgendwann möglicherweise geworden wäre.

Auch hinter sich herrschte gedrückte Stimmung. Toffee und Tiramisu schnieften um die Wette und sogar Mööh seufzte gebrochenen Herzens weil ein potenzielles Weibchen weniger da war. Ungerührt hingegen wirkten Domino, bei dem man ohnehin nie wusste, was er dachte oder fühlte, und Petit Four, die das betretene Schweigen mit einem mürrischen Drohen unterbrach: „Mach das Loch bloß wieder zu, Mööh, sonst breche ich mir noch meinen Fuß!“

Zur Stimmung passte es nicht besonders, aber irgendwo tief im Inneren war Chan froh darüber, dass sie etwas sagte und sich nicht in die depressive Stimmung reinziehen ließ. Seufzend senkte er den Kopf als Toffee die gepflückten Blumen auf den leblosen Leib fallen ließ und sich Mööh daran machte, das Loch wieder zu schließen. Mit jeder weiteren Schaufel voller Erde verschwand Bananacolada bis sie schließlich vollends bedeckt war. Geschützt unter einer dicken Schicht.

„Okay.“

Die Entscheidung war gefällt und Chan hob entschlossenen Blickes seinen Kopf.

„Ich habe mich entschieden.“, sprach er in fester Überzeugung zu seinen Meerschweinchen, die ihn abwartend ansahen. „Wir kehren sofort zurück nach Neuborkia und bleiben dort.“

Das würde das Beste sein. Egal, welche Intentionen Tense mit seinen Taten verfolgt hatte. Er würde kein weiteres Meerschweinchen mehr opfern, nur um die Absichten seines ehemals besten Freundes herauszufinden. Das war es nicht wert.

„Ja, aber… Was ist dann mit Tense!?“, wollte da gerade auch Tiramisu wissen, die all das Theater um den jungen Mann selbst miterlebt hatte.

„Der kommt schon klar…“, entgegnete Chan kühl. „Aber ich werde keinen von euch mehr in Gefahr bringen. Auf keinen Fall!“

Da würde er auch keine Diskussion zulassen. Dachte er.

„NEEEEEIIIIIIN!!!!“, schrie Petit Four aus voller Kehle los. „Das geht nicht!“

Chan und Tiramisu zuckten vor Schreck zusammen als sie neben ihnen so lautstark losbrüllte.

„W-was denn!?“, fragte der Trainer ziemlich irritiert darüber, dass ausgerechnet die Prinzessin sich gerade so unprinzessinnenhaft verhielt und entgegen jeglicher Manier den Mund so weit aufriss, um sich quietschend und mit Tränen in den Augen zu beschweren.

„D… das geht nicht…“, wiederholte sie, etwas leiser, aber immer noch empört und weinerlich zugleich. „Ich… ich…!“

Die Furie kam ihm jetzt doch ein bisschen zu nahe und so wich Chan einen Schritt zurück, die Arme erhebend und sich ergebend zeigend. „Ähm… äh…? Was?“

„Ich…“, winselte Petit Four weiter. „Ich wollte doch unbedingt noch in Dukatia City einkaufen gehen…“, gab sie dann wimmernd zu und setzte einen „Ach, komm schon, Chaaaan!“-Blick auf. Dort gab es ein Kaufhaus und sie hatte sich schon sooo darauf gefreut, dort shoppen zu gehen. Das wollte sie unbedingt noch tun! Bei dem Gedanken strahlten ihre Augen sofort wieder, aber bei Chan biss sie damit wohl auf Granit.

„Das kannst du auch alleine!“, blaffte er sie für ihre unlauteren Motive an. „Da müssen wir ja erst durch den Einheitstunnel, Azalea City und dann auch noch in den Steineichenwald…!“

Viel zu viele Anlaufstellen bei denen etwas passieren konnte! Ein viel zu weiter Weg, um dieses Risiko tatsächlich einzugehen. Wenn Dukatia City gleich ums Eck wäre, hätte er sich ja v i e l l e i c h t darauf eingelassen, den Abstecher noch zu wagen, aber für das Erreichen der großen Stadt würden sie eindeutig länger brauchen! „Du brauchst doch einfach nur ’nen Packesel…“, fügte er dann noch mit einem Zischen hinzu. Das war doch bestimmt der einzige Grund, warum sie sie begleiten sollten! Damit Madame von und zu ihre Einkäufe nicht selbst tragen musste. Da würde er all sein Hab und Gut darauf verwetten!

„… Hääää?“

Die Prinzessin setzte ein offensichtlich erzwungenes Lächeln auf. Sie sollte mit ihrem überragenden Level von EINS alleine nach Dukatia City gehen? Zu Fuß noch dazu? „Sei froh, dass du mich begleiten und beschützen darfst. Du kannst dich natürlich auch todesmutig… verstecken.“

Chan war sprachlos über diese Dreistigkeit, mit der die Prinzessin das sagte.

Aber andererseits: Das war natürlich… auch eine Idee.
 

Und auf genau diese Idee ließ sich Chan ein, auch wenn er sich bereits am Eingang des Einheitstunnels fragte, warum er eigentlich so bescheuert war.

Gemeinsam mit Petit Four verharrte er hinter einem großen Felsen und lugte nur so weit wie nötig hinter diesem hervor um potenziell feindlichen Trainern aus dem Weg zu gehen.

Die Prinzessin konnte über dieses überaus mutige Verhalten nur den Kopf schütteln.

„Du bist echt so ein „Held“…“

Der versteckte sich ja wirklich…!

„Sei bloß leise! Sonst werden wir entdeckt!“, flüsterte Chan gerade noch laut genug, damit das Meerschweinchen seine Worte verstehen konnte. „Ich hab’ eben nicht vor, auf dem Weg nach Dukatia City noch irgendwen von euch zu verlieren!“

War das denn immer noch nicht klar?

Noch deutlicher werden konnte er allerdings nicht, denn scheinbar hatte auch einer der Wanderer sein Gewisper vernommen und blickte sich nach dessen Verursacher suchend um. Sofort verschwanden die Köpfe des dunkelhaarigen Trainers und seines Togepi hinter dem Felsen. So lange, bis sich der kräftige Mann abwandte, in der festen Überzeugung, sich das nur eingebildet zu haben.

Hinter seinem Rücken huschten ein drängender Chan und eine „Hetz’ mich nicht!“ motzende Petit Four vorbei und retteten sich in den Schutz des nächsten größeren Felsens. Oder tarnten sich mit felsähnlichen Blättern bei der Wand. Zumindest der Trainer. Denn Petit Four fand das alles einfach nur total bescheuert.

Eines musste sie aber zugeben: Irgendwie war es faszinierend, wie Chan den Weg durch den Einheitstunnel fand ohne auch nur irgendeinem der Trainer aufzufallen. Erstaunlich, wenn man bedachte, wie verdächtig er sich eigentlich verhielt. Als ob man die Füße unter dem felsähnlichen Papier nicht sehen würde. Oder sein dunkles Haar mit der heraus stechenden blonden Strähne. Oder wenn er aus seinen Verstecken heraus einen Blick riskierte.

Vielleicht lag es daran, dass der Einheitstunnel nicht ganz so groß war und sie recht bald den Ausgang erreichten?
 

„… eam Rock… atürli…“

Beinahe rumpelte die Prinzessin mit ihrem Trainer zusammen als dieser nach den erklingenden Wortfetzen ohne jegliche Vorwarnung stehen blieb um im Schutz des höheren Gebüsches zu bleiben.

„Held…“, konnte sie sich nur noch wiederholen.

„Team Rocket dürfte es eigentlich gar nicht mehr geben.“

Die Worte waren klarer, nicht mehr so abgehakt – die Stimme allerdings eine ganz andere, rauer klingend als zuvor. Es waren mindestens zwei Männer, die sich scheinbar auf der anderen Seite des Busches unterhielten. Der, dessen Wortfetzen ihre Ohren zuerst erreicht hatten, ergriff gerade wieder das Wort.

„HA!“, schnaubte er verächtlich. „Dass ich nicht lache. Team Rocket ist aktiver denn je!“

Der Alte ihm gegenüber war ja mal voll von gestern. Überhaupt nicht up to date. Oder bereits senil. Aber er war ja nett und würde ihn gerne aufklären: „Wir haben uns zwar vor drei Jahren vorübergehend aufgelöst, aber jetzt stecken wir mitten in unserem Com-…“ Moment mal…! „… Eigentlich geht dich das ja überhaupt nichts an…!“

Was erzählte er dem Alten denn hier von ihren Plänen? Die würde der doch bestimmt ohnehin nicht verstehen und er selbst wollte innerhalb der Bande auch nicht unbedingt gerne als Klatschtante gelten. Er würde doch nicht jedem dahergelaufenen Kerl die geheimsten Geheimpläne von Team Rocket verraten wenn doch alle Welt glauben wollte, die Bande existiere seit Jahren nicht mehr.

„Lass mich einfach in Frieden!“

Er hatte hier etwas zu tun und der Alte störte ihn dabei. Also schob er diesen grob weg und stemmte dann herausfordernd die Arme in die Hüften. Der sollte ihm bloß nicht mehr zu nahe kommen!

„Dann mache ich dir eben Beine!“, drohte der Alte, scheinbar todessehnsüchtig. Aber immerhin wandte er sich ab und kehrte ihm den Rücken zu. „Verschwinde aus dieser Stadt!“

Pah. Der sollte nur reden, der alte Mann.

Schnaubend drehte sich auch der Rüpel weg und erblickte dabei Chan, der eigentlich gerade den Versuch startete, sich an dem anderen Mann vorbei zu schleichen. „Was willst du, Bengel?“ Hatte der etwa gelauscht?

„Äh… Nüx?“ Chan lächelte gezwungen und winkte eilig ab. „Ähm… einen schönen Tag noch… und so! T… tschüssi!“

Das ging ihn alles nichts an. Was auch immer hier abgezogen wurde konnte nichts Gutes bedeuten. Und er wollte jeder potenziellen Gefahr für seine Meerschweinchen aus dem Weg gehen. Also auch diesem schwarz gekleideten Kerl auf dessen Brust ein großes R prangte.

„Geh woanders spielen!“, rief ihm der Rüpel noch hinterher als Chan bereits die ersten Häuser von Azalea City erreichte und dort prompt einem wahren Schrank von Mann in die Arme lief.
 

„Woah!!“, machte er erschrocken angesichts des Kerls, der gut zwei Köpfe größer war als er und mindestens vier Mal so breit.

„Du da, Junge…!“

Hilfe!! Der war ihm nicht geheuer mit seiner Sonnenbrille, der Glatze und dem breiten Grinsen mit dem er Chan’s Hände ergriff. „WAH!?“

„Weißt du, wo man hier Flegmon-Ruten kaufen kann? Die sollen echt lecker sein!“, schwärmte ihm der Mann, den er gerade eher noch für irgendeinen kranken Perversling mit üblen Hintergedanken hielt, auf einmal vor und Chan glaubte, die Augen hinter der dunklen Brille begierig glitzern zu sehen.

„… Was?“ ’Ne Rute? „Lecker“? Iiih… „Nee, keine Ahnung. Probier doch einfach Maggi?“, schlug er alternativ vor. Von irgendwelchen Ruten wollte er gar nichts wissen. Das klang ja schon total eklig. Wer machte denn so was? Und vor allem: Warum kaufte man so etwas und – noch schlimmer – aß es? Nein, den Reiz dessen konnte er sich nicht einmal ansatzweise vorstellen…

„Flegmon-Ruten!!! Heißer Tipp!“

„Kurt’s Pokébälle!!! Toll!!!“

„RUTEN!!! Köstlich!“

„KURT!!! Geh hin!!!“

„Alle Flegmon aus der Stadt verschwunden… Ruten?“

„BÄLLE!!! Hol welche!“

Von allen Seiten brüllten irgendwelche Leute wie auf dem Markt.

Da meldeten sich ja beinahe die Kopfschmerzen von vorhin zurück…

„Ich habe irgendwie das Gefühl als solle ich unbedingt zu diesem Kurt…? Und Flegmon-Ruten kaufen?“

Waren die hier alle total bescheuert? Wer sollte denn dieser Kurt sein und was sollte er bei dem? Und was hatte das mit den Ruten auf sich? War das hier irgendwie DIE Delikatesse schlechthin, für die Azalea City berühmt war oder was? Er konnte sich an nichts dergleichen erinnern. Echt komischer Haufen hier, hoffentlich waren sie bald aus dieser Stadt weg.

Tiramisu wirkte auch schon ganz ängstlich und rückte ihm ziemlich auf die Pelle damit, dass sie sich an seinem Arm festklammerte. „Überall sind diese schwarz gekleideten Leute…“

Das war in der Tat merkwürdig. Sogar vor der Arena standen sie herum und machten nicht den Eindruck als würden sie irgendjemanden durch lassen wollen. Na egal, den Leiter herauszufordern wäre ohnehin viel zu gefährlich!

Aber was auch immer dieser Kurt machte konnte vielleicht nützlich sein.

Vor allem wenn ihn hier schon jeder anschrie, dass er bei diesem vorbeischauen sollte.

Nur: Warum hing hier dann nirgends auch nur ein gottverdammtes Schild, welches Haus das von Kurt sein sollte? Als ob er das riechen könnte…!

Chan blieb nichts anderes übrig als sich durch zu klopfen und sein lautes „Haallooho…!? Wohnt hier „Kurt“!?“ zu wiederholen bis er am anderen Ende der Stadt endlich das richtige Haus erwischte.

Noch beim Betreten des Gebäudes schwang ihm eine nahezu tödliche Aura entgegen und ein finster drein blickendes Gesicht knurrte ihn an: „HÄ? Keine Zeit…!“

Wow, hallo?! Was war denn hier los? Der Kerl war bis an die Zähne bewaffnet mit Schusswaffen, Granaten und sogar einem Katana als zöge er gleich in den Krieg. Wie in Trance schimpfte er vor sich hin: „Dieses Team Rocket! Es missbraucht unschuldige Pokémon für ihre Schandtaten! Einfach das Letzte! Und gerade quälen sie die Flegmon und schneiden ihnen ihre Ruten ab! Ich werde ihnen eine Lektion erteilen! Vielleicht sollte ich ihnen einfach mal ihre Ruten abschneiden…!?“

„Opa!“, rief von hinten ein kleines Mädchen, scheinbar die Enkelin des Alten, empört. „Wenn du so redest, sperren sie dich noch ein…!“

Mit offenem Mund beobachtete Chan die sich bietende Szenerie während sich Tiramisu – nun vollends verängstigt und leichenblass – hinter ihm versteckte. Der Alte rauschte mit erstaunlichem Tempo an ihnen vorbei ohne sie eines weiteren Blickes zu würdigen.

„Haltet durch, Flegmon!! Der alte Kurt eilt euch zur Rettung!“

„Oopaa! Halt!“, versuchte die Kleine ein letztes Mal, ihren Opa zur Rückkehr zu bewegen, doch ohne Erfolg. Oh Mann! Also wandte sie sich dem überrumpelten Chan zu, der mit leerem Blick und wie fern gesteuert das Dynamit entgegen nahm welches sie ihm mit den Worten „Hier, du Typ, der einfach rein kommt, bring das bitte Opa! Das hat er vergessen!“ in die Hände drückte.

Hä? Na toll? Er war doch eigentlich nur hier weil er ein paar Bälle als Souvenir mitnehmen wollte? Mussten ja irgendwelche tollen Dinger sein. Zumindest ging er davon aus wenn die anderen Bewohner die lauthals anpriesen. Genauso wie ihre ekligen Flegmon-Ruten, die sie sich sonst wohin stecken sollten…

Uff, eigentlich hätte er spätestens bei diesem Gedanken bemerken sollen, dass es eigentlich grundsätzlich eine dämliche Idee war, was auf dieses Geschwätz zu geben. Mit den Bällen stimmte bestimmt auch irgendwas nicht. Er hätte einfach durch diese Stadt und den Steineichenwald durch und direkt nach Dukatia City laufen sollen. Das wäre am einfachsten gewesen. Dann würde er auch nicht in diesem Schlamassel stecken.

Der war auch nur deshalb gerade einigermaßen erträglich weil ihm eine Fährte aus fallen gelassenen Waffen eindeutig den Weg wies. In jene Richtung, aus der er ursprünglich gekommen war. Dorthin, wo sich der Alte und der Rüpel von Team Rocket vorhin unterhalten hatten. Der hatte ja echt alles auf dem Weg verloren… na egal, gut für ihn. Zumindest so lange, bis die Spur ein jähes Ende nahm.

„Nanu?“ Der schwarz gekleidete Typ war auch weg. Ebenso Kurt, den er auch nach mehrmaligem Umsehen nicht entdecken konnte.

„…lo…?“, erklang sehr schwach und gedämpft von irgendwoher. „… ilf…!!!“

Tiramisu war diejenige, die die Richtung ausmachte, aus der die erstickten Worte kamen.

Vorsichtig näherte sie sich dem Brunnen und legte zaghaft die Finger auf den steinernen Rand. Chan folgte ihr und riskierte einen Blick. Zunächst war alles dunkel, aber nach einigen Wimpernschlägen konnte er „Kurt!?“ erkennen, der am Grund des Brunnens saß. „Was machst du denn da unten!?“

„Chan?! Ein Glück!!!“, kam die Antwort von unten.

„Wir holen dich rauf! Warte kurz!!“

Ein Glück war wohl auch die Leiter, an der man nach unten klettern konnte.

„Ich bin in den Brunnen gefallen und habe mir die Hüfte geprellt! Ich sitze hier fest!“, jammerte Kurt von weiter unten und zerschlug damit Chan’s Hoffnung, dass der Alte einfach selber die Leiter empor klettern konnte. Wie jetzt, sollte er den etwa hoch tragen? Wie sollte das denn gehen?

Hier oben zu überlegen würde ihn gerade allerdings auch nicht weiter bringen. Am besten kletterte er mal nach unten. Vielleicht hatte sich Kurt einfach nur furchtbar erschreckt und war deswegen nicht in der Lage, sich zu bewegen? Dann hatte er sich eventuell davon erholt bis er unten war. Den alten Mann würde er ja nicht einfach da unten sitzen lassen können, also machte sich Chan eilig daran, ebenfalls zum Grund des Bodens zu gelangen.

„Wir sind gleich…“ … da!, wollte er nach unten rufen um Kurt zu beruhigen, aber der schnitt ihm abrupt das Wort ab. „A-ach… äh… nicht so schlimm! Lass dir ruhig Zeit!!!“

Hä? Was sollte das denn auf einmal? Er dachte, der Kerl hatte sich die Hüfte geprellt? Das musste doch wehtun und der Alte eher froh darüber sein, wenn ihm schnell geholfen wurde.

Stattdessen hockte der da unten und je näher Chan ihm kam umso deutlicher wurde das geifernde Grinsen auf dem Gesicht des Verletzten.

Brrr! Da lief es einem ja kalt den Rücken hinunter wenn der so gaffte!

Chan verharrte an Ort und Stelle bis er sich dazu entschloss, diesen perversen Sack einfach zu ignorieren. Bis er sich wieder in Bewegung setzen konnte stieg ihm aber beinahe Tiramisu mit ihren Absätzen auf die Hand. „He! Tiramisu!“, wollte er sie darauf aufmerksam machen, dass sie langsamer klettern sollte, und blickte deshalb nach oben. „Mach mal langsamer!! Du trittst mir gleich a-…!“

Mit einem Mal wurden Chan’s Augen riesengroß als er bemerkte, dass man beim Klettern unter Tiramisu’s Rock schauen konnte. „TIRAMISU!!!!“

„Mh? Was denn, Chan?“, fragte sie verwundert nach unten blickend und scheinbar immer noch nicht bemerkend, was der Grund für seinen erschrockenen Ausruf war.

„Man sieht deine…!!“

Der Trainer blickte eilig weg, doch selbst ohne ausgesprochenes Ende kam für Tiramisu die Erkenntnis, worum es ging. Mit einem Mal riss sie ihre Augen auf, ebenso den Mund und keinen Wimpernschlag später kreischte sie schrill: „KYAAAAAAAH! NICHT SCHAUEN!!!“

Doch nicht nur der Schrei sondern auch ein lautes Krachen, begleitet von Chan’s Gebrüll, das sich unter das seines Meerschweinchens mischte, erfüllten den Flegmon-Brunnen und machten mehr als nur wilde Pokémon auf sie aufmerksam.

„Was ist da los?“, fragte eine mürrische weibliche Stimme etwas entfernt. „Wie nervig.“, empfand der Rüpel die Situation.

„Das müssen mehrere sein…“, bemerkte ein anderer Rüpel mit einem Zopf.

„Was soll der Lärm? Ist das etwa der halbwahnsinnige Opa…?“

Von dem hatte jener Schwarzgekleidete, der gerade sprach, bereits seinen Arbeitskollegen berichtet. Von einem älteren Herrn, der ihn oben zugeschwafelt und dafür gesorgt hatte, dass er vor lauter Schreck in den Brunnen gefallen war. Was zugegeben ganz schön weh getan hatte, schließlich prallte man bei der Landung auf harten Stein, und war fortan mit Rückenschmerzen geplagt. So auch er, dessen Laune nicht viel besser war als die seiner meckernden Kollegin.

Ein vierter im Bunde schien dafür bester Laune zu sein.

Mit einem Grinsen hakte er nach: „Wollt ihr unsere „Gäste“ nicht begrüßen? Zeigt ihnen, dass man sich nicht in die Angelegenheiten von Team Rocket einmischen sollte.“
 

„Au, das tat weh.“, jammerte Chan und hielt sich mit der rechten Hand den Kopf während die linke weiterhin auf Tiramisu’s Schulter lag. Er hatte ihren Fall abgefangen und als Polster gedient, allerdings auf seine Kosten, die sich in Schmerzen an Kopf und Po äußerten. Autsch!

„Ch… Chan!“, wimmerte Tiramisu mit einem ängstlichen Blick nach oben, mit dem sie wohl überprüfen wollte ob ihr Trainer über die Situation verärgert war. Es war ihm ja eigentlich nicht zu verdenken, denn sie waren ein ganzes Stück nach unten gefallen weil sie vor lauter Schreck die Leiter losgelassen und Chan beim Fallen versehentlich mitgerissen hatte. „Es tut mir leeiiiid!“

„Dass ihr den Sturz überlebt habt…“, staunte Kurt mit einem offensichtlich verwunderten Gesichtsausdruck, begleitet von einer Prise Respekt. „Sag, könntest DU nicht diesem schwarz gekleideten Clown eins auf die Mütze geben und die Flegmon retten…?“

Das war doch DIE Idee!? Er konnte das schließlich nicht mehr, wo er sich doch die Hüfte geprellt hatte und dazu verdammt war, hier tatenlos die Zeit abzusitzen. So konnte er die Verantwortung doch prima auf eine andere Person abwälzen! Hach, was war er doch genial!

Allerdings hatte er bei alledem die Rechnung ohne Chan gemacht, der zwar im ersten Moment so aussah als denke er tatsächlich darüber nach. Im zweiten schüttelte er den Kopf und erwiderte entschlossen: „Nein. Ich werde keinen Kampf mehr bestreiten.“

Wie könnte er seine Meerschweinchen weiterhin bewusst in Gefahr bringen? Was mit Bananacolada geschehen war reichte ihm völlig und er wäre verdammt froh, wenn dieses Bild nicht länger in seinem Kopf existieren würde.

„Aber…“, versuchte Kurt den jüngeren Trainer umzustimmen, doch kam er dabei nicht allzu weit weil kalter Stahl an seiner Kehle ihn verstummen ließ. Oha! Ergebend hob er die Hände und wagte noch nicht einmal einen Blick nach hinten. Jetzt… hatten sie gerade ein kleines Problem… irgendwie?

„Vorsicht, das Schwert ist scharf… I-ich ergebe mich…!“

„Eine sehr weise Entscheidung, Opa.“, entgegnete der Rüpel des Team Rocket anerkennend, aber dennoch recht grimmig drein blickend.

„Jetzt nur noch den Jungen aus dem Weg räumen.“, bemerkte die Frau unter dem Dreiergespann trocken und bekam dabei Unterstützung von dem Dritten im Bunde, der diesbezüglich auch bereits eine Idee hatte: „Um den Jungen können sich unsere Pokémon kümmern…“

Davon hatten die Rüpel so einige und Chan sah sich im nächsten Moment mit mehreren geworfenen Pokébällen konfrontiert, die auf ihn zuflogen und sich drohend öffneten. Dagegen half nicht einmal sein „N… Nein!!“, mit dem er die Situation zu entschärfen und den Kampf zu vermeiden versuchte. Nein, nein, nein!! Der Anblick ließ ihn erstarren, aber im Gegensatz zu ihrem Trainer reagierten die Meerschweinchen optimal und stellten sich den Gegnern entgegen. Allen voran Petit Four war hochmotiviert, den fremden Fledermäusen mit Konfusion zu schaden und lachte dabei auch noch wie eine Verrückte. Es war wohl schwer, zu sagen, ob sie sich amüsierte oder ob sie nicht doch eher stinksauer war…

„In den Staub, ihr Unwürdigen!! Ihr steht zwischen mir und dem Einkaufszentrum!“, sprach dann wohl eher für eine Mischung aus beidem. Tiramisu und Domino hielten sich gar nicht erst lange mit solchen Sprüchen auf sondern erledigten ihren Job schweigend, aber präzise.

„Ha! Legt euch nicht mit mir an! Ihr Loser!“

Die Prinzessin stemmte triumphierend die Fäuste in die Hüfte und blickte siegesgewiss auf die k.o. geschlagenen Feinde am Boden herab.

„So so.“, murmelte eine leise Stimme ums Eck, die Petit Four zwar entging, aber zumindest der aufmerksameren Tiramisu ein „Oh…!“ entlockte und ihren Blick auf den Vorstand der Rüpel lenkte.

„Gar nicht mal so schlecht.“, meinte dieser als er noch immer grinsend aus dem Schatten hervor trat, umjubelt und angefeuert von seinen Untergebenen, die gerade hochkant verloren hatten und deshalb gerade ihre letzte Hoffnung in Lance setzten.

„Aber werdet ihr auch mit meinen Pokémon fertig? Ich kann übrigens seeeehr grausam sein. Und ich werde nicht zulassen, dass ihr uns in die Quere kommt!“

Na ja, Zubat wurden ja schon einige gebraten und das machte lediglich das Smogon zu einem Gegner, der hier noch nicht zum Einsatz gekommen war.

„So ein idiotisches Kind wie euren Trainer gibt’s in jeder Stadt.“, provozierte Lance die Pokémon weiter und kümmerte sich dabei auch herzlich wenig um Kurt, der durch die Ablenkung der Rüpel der Bedrohung für den Moment entkommen war und ein jämmerlich winselndes Flegmon empor hob und bemitleidete.

„Du Armes…“, tröstete er es mit traurigem Blick als er bemerkte, dass das Flegmon wohl auf der Suche nach seiner Rute war und der Verlust derselben ihm Tränen in die Augen trieb, die so langsam kullerten wie ein langgezogenes „Fleeeg… moooon?“ das Mäulchen des Pokémon verließ. „Halte durch, Flegmon!“

Lance und Chan interessierte das Geschehen im Hintergrund recht wenig, schließlich waren sie eher miteinander beschäftigt. Letzterer, der sich darüber beschwerte, dass er zumindest eine 3 vorne dran hatte und deshalb schon lange nicht mehr als „Kind“ durchging. Und Ersterer, der etwas gänzlich anderes wissen wollte: „Spuck lieber aus, wo ihr die anderen Flegmon versteckt habt. Dann verschone ich dich, Balg!“

Verdammter Kerl. Der ging ihm irgendwie ganz schön gegen den Strich und so ballte Chan knurrend die Faust. „Du… Arsch!!“ Gar nichts würde er ihm sagen! Außerdem wusste er doch ohnehin nicht, was er mit dem Verschwinden der Flegmon zu tun haben sollte und wo sich die vielleicht vor Rutendieben flüchtenden Tierchen versteckt hatten. „Dir werd’ ich’s zeigen! Los, Petit Four und Tiramisu!“, wollte der Dunkelhaarige die zwei Mädels in den Kampf schicken ehe er feststellte, dass die längst dabei waren. Nur die Art und Weise war etwas merkwürdig.

„W-was treibt ihr da!?!?“

Die Beiden warfen das arme Smogon, dem sich wahrscheinlich längst alles drehte, hin und her wie bei einem Ballspiel. Tiramisu erfreute sich sichtlich an diesem Spiel während Petit Four eher den Eindruck machte als sei sie genervt darüber, dass sie sich an diesem Schwachsinn überhaupt beteiligen musste.

„… „Prinzessin“ Petit Four, du Trampel.“, korrigierte sie die ihrer Meinung nach ziemlich respektlosen Anrede ihrer hochwohlgeborenen Person. „Wenn ich bitten darf.“ Würde sie natürlich nie tun. Man konnte doch wohl erwarten, dass dieser Pöbel sie angemessen ansprach!

„He, du feiges Vieh…!“, erklang einmal mehr Lance’ Stimme und ließ Petit Four mit einem Zischen herumfahren weil sie zunächst davon ausging, sie sei gemeint. Und sie war NICHT feige sondern toll! Aber der Vorstand sprach mit dem Zubat, das sich ängstlich an seinen Rücken klammerte und wohl den Kampf verweigern wollte. Harhar, was für ein Feigling!

„Komm zu Mama…!“, grinste Petit Four die Fledermaus finster beim Näherkommen mit erhobenen Händen an. Schon ihre drohende Ausstrahlung reichte scheinbar aus, dem nachtaktiven Tier psychisch den Rest zu geben, denn es bibberte und zitterte und fiel dann von ganz alleine bewusstlos um.

Der Trainer der beiden besiegten Pokémon zuckte über diesen Kampfverlauf allerdings nur mit den Schultern und machte keineswegs den Eindruck als sei er über seine Niederlage sehr enttäuscht.

„Tze.“, machte er nur abwertend. „Egal. Dir ist es ja scheinbar ernst damit, uns aufzuhalten. Aber du kannst noch so sehr versuchen, uns das Leben schwer zu machen… wir lassen uns nicht aufhalten! Schließlich arbeiten wir seit drei Jahren hierfür…! Du kannst nur in Schrecken auf das warten, was wir weiter im Schilde führen. Adios~!“

„Dir ist klar, dass ich dich gerade besiegt habe, oder…?“, unterbrach Chan, sich nicht recht zwischen einem Seufzen und einem genervten Schnauben entscheiden könnend, den Monolog des Anderen. Der hatte doch nur eine große Klappe und nichts dahinter. Was faselte der da für einen Schwachsinn?

„Pah!“, schnaubte dafür Lance umso überzeugter. „Ich habe mich nur zurückgehalten.“, behauptete er dann. „Wenn ich dich besiegt hätte, wäre die Challenge so gut wie vorbei! Und auf dich wartet schließlich noch jemand. Dieser „Tense“…“

Weiter kam er nicht, denn das letzte Worte ließ bei Chan sämtliche verfügbaren Alarmglocken läuten und ihn nun doch aufmerksamer lauschen. Tense?

Woher zum Teufel kannte ein Clown von Team Rocket den Namen seines besten Freundes? Und worauf wartete jener und warum?

Chan hatte eine vage Ahnung, doch sein „Soll das etwa heißen, dass… Tense irgendetwas mit dieser Team Rocket-Sache zu tun hat und deswegen so komisch ist, oder wa-…?“ erreichte niemandes Ohr mehr. „Eh?“ Wo war der Bastard mit seinem schwarzen Anzug!?

Der dunkelhaarige Trainer blickte sich irritiert suchend um und zuckte leicht zusammen als eine Hand seine Schulter berührte. Doch war dies nicht die des Vorstandes oder einer der ihm untergebenen Rüpel, sondern die Hand des alten Kurt.

„Gute Arbeit, Chan!“, lobte er ihn. „Die Typen von Team Rocket haben Reißaus genommen!“ Und nicht nur das – seiner Hüfte ging es wieder besser und so langsam wagten sich auch die kleinen Flegmon aus ihren Verstecken hervor, manche mit, manche ohne Rute. „Lass uns gehen.“

Noch ehe der Youtuber etwas dagegen sagen konnte ergriff der alte Mann ein Seil und blitzte ihn siegessicher aus triumphierenden Augen an als er den skeptischen Blick bemerkte. „Vertrau mir, ich weiß, was ich tue. So hat das dieser Lance gerade auch gemacht…“

„M… Mo…!“, versuchte Chan ihn vom Einsatz des Fluchtseils abzubringen, doch zu spät – Kurt schlang einen Arm um Chan’s Bauch und hielt ihn fest. „NEEEEEIIIIIIN!!!“, schrie Chan laut und panisch los. Er hatte hier doch noch etwas vor! Verdammt noch mal! „Ich wollte doch noch… STOOOOP!!!“
 

„Raaaah!!!“, ging das Geschrei kurz darauf in Kurt’s Haus noch weiter.

„Mann, Kurt!“, beschwerte sich der Trainer und fuhr sich gestresst mit beiden Händen durch die kurzen dunklen Haare. „Mein Beutel liegt doch noch im Brunnen! Und ich wollte auch ein Flegmon fangen!“

Natürlich nicht um teures Geld für die Rute des Pokémon zu verlangen, aber für das Team wäre es sicherlich cool gewesen! Flegmon mochte langsam sein, aber mit seinen Wasser- und Psychoattacken könnte es die Meerschweinchen-Armee gut ergänzen und seine Weiterentwicklungen waren von der Verteidigung her nicht gerade zu verachten.

„Nicht so laut, Chan! Die Leute wollen sicher schlafen!“, versuchte ein leises weibliches Stimmchen – Tiramisu’s – das Geschrei zu mildern, denn draußen hatte sich längst die Dunkelheit breit gemacht und durch das Gebrüll weckte er bestimmt ganz Azalea City auf. Wenn man ihn nicht sogar noch weiter hörte…

„Schon gemerkt, dass der Beutel immer wieder mal fehlt und du trotzdem irgendwelche Items einsetzen konntest?“, gab Kurt zurück, der die Beschwerden nicht so einfach auf sich sitzen lassen und Chan obendrein seine unlogischen Aussagen vor Augen führen wollte. „Zauber doch weiterhin die Items aus deiner Hosentasche oder wo auch immer du die dann her bekommst…“, provozierte er ihn weiter, aber auch das war nicht genug und so setzte er selbst dem noch einen drauf: „Und noch was… Du glaubst nicht ernsthaft, dass du auf Anhieb ein Flegmon gefunden hättest, oder? Eher erwischt dich ein Zubat!“

Im Flegmon-Brunnen tauchten die Fledermäuse zumindest zu einer Wahrscheinlichkeit von satten 85 Prozent auf und ein Flegmon zeigte sich für gewöhnlich nur zu einer deutlich geringeren Wahrscheinlichkeit von mickrigen 15 Prozent. Vielleicht würde Chan mit der VM Surfer etwas mehr Glück auf seiner Suche haben, aber da gab es ein kleines Problem, das auch dem Trainer bewusst war:

„Aber Surfer bekomme ich doch erst, wenn… wenn… ähm… na ja, später halt. Irgendwann.“

Chan wusste nicht genau, wann. Was er dafür aber umso besser wusste war die Tatsache, dass er mit seinen Meerschweinchen doch ohnehin nur noch nach Dukatia City wollte. Damit Petit Four in ihr dummes Einkaufszentrum konnte und Ruhe gab. Wozu also noch mehr Risiken auf sich nehmen, die man vermeiden konnte? So wichtig war ihm die Chance auf ein Flegmon nun auch wieder nicht…

„Himmel, Junge. Schau dir doch einfach mal dein Pokémon-Team gaaanz genau an. Fällt dir eigentlich nichts auf?“

Was wollte der Alte denn jetzt schon wieder damit sagen? Chan runzelte die Stirn und wusste nicht so recht, was er darauf erwidern sollte. Was sollte denn mit seinem Team sein? Er hatte Tiramisu, Domino, Mööh, Petit Four, Oreo und Toffee dabei. Verschieden stark trainierte Pokémon mit unterschiedlichen Typen und Attacken. Die einzige Gemeinsamkeit war, dass sie allesamt Müffelstücke waren. Aber das war doch bestimmt nicht, was Kurt meinte? Der Trainer blickte fragend zu ihm und machte wohl einen recht hilflosen Eindruck dabei, weshalb Kurt kopfschüttelnd ins Detail ging:

„Ohne den Orden der Arena wirst du nicht weit kommen. Aber mit deinen Pokémon solltest du die Käfer in der Arena problemlos schlagen können. Was meinst du?“

Ach so. Ja. Grundsätzlich hatte er ja schon Recht, zumindest waren Tiramisu als Feuer-Pokémon und Toffee als Flug-Pokémon sehr hilfreich im Kampf gegen die Krabbeltiere. Aber trotz allem plagten Chan Zweifel ob er das wirklich tun sollte. Kämpfen, seine geliebten Meerschweinchen gefährden so wie die kleine Bananacolada?

„Was meinst du, Tiramisu?“, wandte er sich an das Meerschwein, das ihn schon von Beginn an begleitete.

„Wir schaffen das, Chan.“, entgegnete diese lächelnd und voller Zuversicht, dass ihre effektiven Attacken gegen die Käfer ausreichen würden um den Sieg in der Arena davon zu tragen.

„Und was meint ihr anderen dazu? Sollen wir es wagen?“, wollte Chan dann auch von seinen übrigen Teammitgliedern wissen um sich an der Mehrheit orientieren zu können. Doch was die Mehrheit aussagte war keine Antwort auf seine Frage. Denn besagte Mehrheit hatte sich bereits eingerollt und auf einem Bett zusammen gekuschelt, welches Kurt bereits für die Meerschweinchen vorbereitet hatte.

„HEY! Nicht pennen!!“, fauchte Chan, doch nicht einmal das weckte Toffee und Petit Four auf, die sich zu beiden Seiten des Porzellanschweins Domino an eben jenes klammerten und tief und fest schlummerten.

„Hier, du bist doch sicher auch schon müde, oder?“

Mit diesen Worten drückte Kurt Tiramisu eine weitere Garnitur Bettwäsche in die Hand während Chan noch ungläubig über seine verschlafenen Müffelstücke vor sich hin brummte bis sein Starterpokémon ihn mehrmals anstupste.

„Chan… He, Chan! … CHA-!“

„WAS!?“

Boah, es nervte ihn total, wenn er immer so penetrant von der Seite oder – wie in diesem Fall – von hinten angelabert wurde. Man schaffte ja zwischen den einzelnen Wörtern kaum einen Atemzug, geschweige denn eine Reaktion. Entsprechend zischend klang seine Erwiderung gen Tiramisu, die ihn jedoch unbeeindruckt und stattdessen eher noch erwartungsvoll anglitzerte.

„Kommst du auch mit ins Bett, Chan?“, wollte sie von ihrem Trainer wissen, der ebenso wie Kurt zusammen zuckte und über beide Ohren rot anlief. Nicht doch…!

Und als hätte er es geahnt kam gleich ein blöder Spruch von dem alten Kurt, der ein überraschtes „Seid ihr zusammen!?“ von sich gab.

„NEIN!!!“, brüllte der Dunkelhaarige entrüstet.

Die verbale Gegenwehr war sehr vehement, doch hinterließ keinen Eindruck. Zumindest nicht bei Kurt, der gerade wohl irgendwelchen Schwachsinn in der Birne hatte und lüstern vor sich hin grinste. Dafür aber bei Tiramisu. Und bei dieser hinterließ es einen denkbar schlechten Eindruck, auf den hin sie schmollend das Gesicht verzog und das Kissen umklammernd ein mürrisches „Dann eben nicht!“ aussprach. Sie ärgerte sich innerlich darüber, dass Chan auf eine normale Frage hin gleich so ausflippte und reagierte als hätte sie irgendeine ansteckende Krankheit nur weil sie gerne mit ihm kuscheln wollte. Tz!

„Was?“, wurde nun auch dem Trainer bewusst, in welches Fettnäpfchen er soeben getreten war. „Äh… Moment mal! Warte, Tiramisu, so war das doch nicht…!“, wollte er die Situation noch irgendwie retten, doch keine Chance. Das Meerschweinchen ignorierte ihn komplett und rollte sich auf der vorbereiteten Schlafstätte ein.

Dann musste er den Frust darüber eben an Kurt auslassen, der sich immer noch geifernd in irgendwelchen Fantasien verlor, von denen Chan nun wirklich nichts wissen wollte.

„Jetzt hör endlich auf, meine Müffelstücke zu belästigen!“

Erst die Aktion im Brunnen, wo dieser alte Sack Tiramisu unter den Rock gegafft hatte, und jetzt machte er schon wieder Andeutungen in eine solche Richtung!? Das konnte doch nicht sein Ernst sein!

„Man schlägt keine wehrlosen, alten Männer!“, jammerte Kurt, etwas ängstlich gegenüber dem um sich schlagenden Chan.

„Wehrlos?“, schnaubte dieser entrüstet. „Du bist pervers!!“

„RUHE!!“, „SEID ENDLICH RUHIG!“, „Haltet den Rand! Wir wollen schlafen!“, mischten sich irgendwann auch sämtliche Nachbarn in den lauten Streit ein und brachten die dafür Verantwortlichen wenigstens nach einiger Zeit zu einer kleinlauten Entschuldigung.

„Mann…!“, brummelte Chan dennoch. So schnell konnte er sich nicht beruhigen, da half es auch nichts, sich hinzulegen und die Decke bis zur Schulter hoch zu ziehen.

Immerhin kehrte so Ruhe in Kurt’s Haus ein.

So lange, bis ein leises Rascheln ankündigte, dass die Nacht noch lange nicht vorbei sein sollte.

Sie hatte nur noch diesen einen Moment abgewartet.

Und nun erhob sich Tiramisu mit einem letzten Blick auf ihren Trainer lautlos vom Bett, näherte sich ihm um mit den Pokébällen der anderen Meerschweinchen das Haus zu verlassen.
 

„Mensch, Tiramisu…“

Petit Four stieß ein lautes Gähnen hinter vorgehaltener Hand aus.

„Ich brauche doch meinen Schönheitsschlaf. Warum weckst du uns? Und was sollen wir hier?“

Die Prinzessin war furchtbar müde und nicht gerade begeistert von dem unterbrochenen Schlaf, konnte sich aber immerhin so weit noch orientieren, dass sie die Umgebung erkannte: „Ist das nicht der Einheitstunnel?“

Waren sie nicht gerade noch in Azalea City in einem weichen, kuscheligen Bett gewesen? Wie kamen sie jetzt auf einmal wieder zurück in den Tunnel, den sie zuvor durchquert hatten?

Tiramisu beantwortet allerdings in diesem Moment nur eine einzige der gestellten Fragen und das war jene, was sie hier wollten.

„Training.“, erwiderte sie lächelnd. Während Chan schlief hatten sie ja schließlich alle Zeit der Welt, ihr Level zu erhöhen, vielleicht neue Attacken zu erlernen, um für alles Weitere gewappnet zu sein.

„Muss das sein? Müüüde…“, jammerte Petit Four trotzdem über den Verlust besagten Schönheitsschlafes während Domino die ganze Nacht-und-Nebel-Aktion wie üblich komplett kalt ließ.

Mehr als Toffee, dessen lautes „WHAA!“ die Meerschweinchen zusammen zucken und sich irritiert nach der Ursache seines Schreis umsehen ließ. An Toffee’s Jacke klammerte sich ein kleines Sandan.

„TIRAMISU!“, quiekte der Kleine, der sich ein wenig von der Sandmaus bedroht fühlte. „Hiiiilfeeee!!! Dieses komische Sandan hat sich an mir festgekrallt und will nicht mehr loslassen!! Iiiiieeeh!!!!!“ Sie sollte das wegmachen, das komische Viech!

„Du bist aber süß!“, quietschte hingegen die mutige Retterin, die auf Toffee’s Bitte hin beide Hände unter die Ärmchen des Sandan schob und die Jacke sanft von der Klammermaus befreite. „Willst du nicht mit uns kommen? Na?“

Die kleine Maus war doch putzig und ein Boden-Pokémon hatten sie noch nicht im Team. Das könnte ihre Reihen gut ergänzen. Außerdem hatte sie sehr überzeugende Argumente für einen Eintritt in die Meerschweinchen-Armee: „Sonst müssen wir dich leider platt machen!“ Und das meinte sie ernst.

Das Sandan blickte mit offenem Mäulchen nach oben. Dabei wirkte es eigentlich gar nicht mal so abgeschreckt sondern eher neugierig. Und so als wolle es etwas sagen, aber irgendwie bekam es trotzdem kein Wort heraus.

„Du sagst ja gar nichts… Irgendwie erinnerst du mich an Domino. So ruhig. Als wärst du aus Porzellan…“

Kaum waren die letzten Worte ausgesprochen veränderte auch das Sandan seine Form inmitten eines Lichtes, das die nähere Umgebung des Tunnels hell erleuchtete. Scheinbar hatte sich das Kleine dafür entschieden, mit den anderen Meerschweinchen zu reisen. Und so hielt Tiramisu nun Porzellan in den Händen, die starr geradeaus blickte ehe sie von einer höheren Macht in die Box befördert wurde.

Schließlich war ihr Team vollständig. Mit dem Wissen, dass auf der Ersatzbank ein neues Mitglied der Armee wartete, konnten sie sich nun auch endlich auf ihr Training konzentrieren. Dieses war zumindest für Domino, Toffee, Tiramisu und Petit Four vorteilhaft. Mööh und Oreo ließen es ruhiger angehen und stiegen trotz einiger Kämpfe kein neues Level auf.

„Puh.“, schnaufte Tiramisu irgendwann und wandte mit demselben Lächeln wie zu Beginn dieser kurzen Trainingssession den Kopf zu ihren Mitstreitern um. „Das sollte reichen…“

Mit diesen Worten wollte sie eigentlich lobende Worte für das Durchhaltevermögen einleiten, aber eine vertraute und wütend klingende Stimme kam ihr zuvor:

“Was… fällt… euch… ein…!?“

„Chan?“, erkannte Tiramisu ihren Trainer, der am Ausgang des Einheitstunnels bereits wartete. Oh-oh, da war wohl jemand sauer!? Zumindest hatte er die Hände zu Fäusten geballt und stemmte diese in die Seite. Als die Meerschweinchen nahe genug heran getreten waren kam er ihnen auf die letzten Meter entgegen und streckte die Hand in Richtung von Tiramisu’s Gesicht aus. Etwas ängstlich, was da kommen mochte, zuckte das Feuer-Pokémon zusammen und wollte dem erwarteten Schlag ausweichen.

Entgegen ihrer Erwartung kam ohnehin keiner, da hätte sie auch gar nicht die Augen zusammen kneifen und die Muskeln anspannen müssen damit eine Ohrfeige oder anderer Schlag nicht zu sehr schmerzen würde.

Aber Chan erhob gar nicht die Hand gegen sein Meerschweinchen. Stattdessen berührte er sanft Schulter und Hüfte und zog Tiramisu vorsichtig zu sich heran. Seinen Kopf gegen ihren drückend vergrub er sein Gesicht in ihrem Haar und flüsterte leise in ihr Ohr: „Tut… das… nie… wieder…! Ich… habe mir Sorgen um euch gemacht…!“

Tiramisu schreckte zusammen und brauchte einen Moment um die Situation zu realisieren und die eigenen Hände vorsichtig auf Chan’s Rücken zu legen. So erwiderte sie seine Umarmung zärtlich bis angewidertes Gemurre die Atmosphäre gnadenlos zerstörte:

„Boah, wie ekelhaft…!“, beschwerte sich Petit Four im Hintergrund während die männlichen Meerschweinchen eher neidisch als angewidert drein blickten weil sie auch mit Tiramisu kuscheln wollten. „Hört sofort auf damit, sonst bekomme ich Albträume, wenn ich mich wieder meinem wohlverdienten Schönheitsschlaf widme…!!“

Chan ächzte innerlich kurz und spürte, dass auch Tiramisu in seinen Armen erstarrte. Was waren die anderen denn bitte für Spanner? Mit einem kurzen Zischen rief er die Oberzicke und die beiden Aufreißer zurück in ihre Pokébälle. Oh Mann! Darüber konnte er wirklich nur den Kopf schütteln und sich nach seinem Starter-Pokémon umsehen in welches auch wieder Leben kam.

Tiramisu legte beide Hände auf Chan’s Brust und lächelte ihn von unten zuversichtlich an.

„Hör mal… Wir haben für die Arena trainiert und sind richtig stark geworden! Du musst dir keine Sorgen um uns machen. Toffee und ich werden gewinnen, versprochen!“

„Genau!“, pflichtete ihr auch der kleine Vogel bei und wirkte dabei sehr kampflustig und motiviert. „Also geben wir denen eine auf die Mütze! Los! Los! Auf geht’s! Yeah!“

„Okay.“, gab deshalb auch Chan nach und seufzte. Seine Mundwinkel verzogen sich dennoch zu einem leichten Lächeln, weil die gute Laune der beiden Meerschweinchen ansteckend war. „Ich zähle auf euch.“

Das würde schon gut gehen. Oder?

Aber sie waren ja schließlich im Typvorteil.
 

„Was soll das denn sein!?“

Da wich jegliche Herausforderung im Blick der Verwirrung über den Anblick der vielen Bäume in der Arena. Was zum Teufel? Sie waren durch die Tür getreten und fanden sich auf einmal in einem kleinen Wald wieder!?

Vor ihnen war der Abgrund, den man wohl nur auf klebrigen Fäden überqueren konnte. Beziehungsweise auf den spinnähnlichen Geräten, die bereit standen und diesen Eindruck sehr stark vermittelten.

„SPINNEN!!! Iiiiih!!“, kreischte Tiramisu angewidert beim Anblick der Szenerie und drohte in totale Panik zu geraten. Frauen…

„Die sind doch gar nicht echt…“, brummte Chan etwas genervt davon, dass Frauen dauernd beim Anblick von etwas Mehrbeinigem loskreischten. Da summten einem ja die Ohren! Noch dazu hätte es sich wirklich vermeiden lassen wenn Tiramisu die Augen aufgemacht und richtig hingesehen hätte. Hier handelte es sich definitiv um Gefährte, keine Lebewesen. Und sooo spinnenähnlich fand er die jetzt auch nicht, die waren den Krabbeltieren zwar gewiss nachempfunden worden, aber von der glatten Oberfläche – wohl der Sitzfläche – führten nur sechs Beinchen weg. Spinnen hatten acht. Also warum zur Hölle drehte das Meerschweinchen hier so dermaßen am Rad?

Der Trainer warf einen kurzen Blick auf Toffee um dessen Reaktion abzuschätzen. Der kreischte ja auch gerne mal los, aber im Moment wirkte der Blick eher etwas leer und der Kleine schien sich Gedanken darüber zu machen, wie tief man hier wohl fallen konnte. Na, er wohl am allerwenigsten, schließlich konnte er fliegen, selbst wenn er in den Abgrund plumpste. Da hatten Chan und Tiramisu es deutlich schwieriger. Aber was genau sollten sie denn jetzt eigentlich machen?

„U-und du bist dir sicher, dass die uns wirklich nichts tun?“

Das Meerschweinchen wirkte immer noch sehr ängstlich und machte sich scheinbar Sorgen darüber, dass die Geräte sie im nächsten Moment höchst aggressiv anspringen und auffressen könnten.

„Probier’s doch einfach aus…“, gab Chan darauf nur zurück. Er war sich sicher, dass nichts passieren würde. So sicher, wie sich Tiramisu scheinbar mit ihren Vermutungen war, aber nach einem „IRKS!“ schien sie ihm zumindest ansatzweise Glauben schenken zu wollen. „W-wenn du das sagst, Chan…“

Urgh…! Es brachte sie ganz schön ins Schwitzen, sich zu überwinden und sich Zentimeter für Zentimeter dem Abgrund zu nähern um dort angekommen vorsichtig mit der Fußspitze das Gefährt anzutippen. Nichts passierte. Tiramisu atmete hörbar auf. Puh!

Das kleine Erfolgserlebnis ließ sie etwas mutiger werden. So ließ sie sich auf den glatten Untergrund sinken. Ganz schön kalt. Sie tastete sich mit den Händen weiter vor und erschrak fürchterlich als das Gerät auf einmal unter ihr vibrierte. „Hä?“

Zu mehr war keine Zeit, denn auf einmal schoss das Teil voran und Tiramisu konnte nur panisch schreien: „KYAAAAAAAAH!! Chaaaaan!!!“

„Tiramisu!!!“

„Oh. Weg ist sie…“, bemerkte auch Toffee, der beobachtete, wie das Gerät Tiramisu entführte und auf der anderen Seite gegen den Boden des nächsten Waldstückes donnerte. Der Schwung beförderte Tiramisu direkt in die Arme eines Käfersammlers.

„ARGH!“, ächzte dieser. Das Meerschweinchen mochte nicht so viel wiegen, aber der Schwung reichte aus, um den Jungen ins Wanken geraten zu lassen. „Hey, was…!? Na warte!“, funkelte er die potenzielle Angreiferin an und griff zu seinem Pokéball.

„Tiramisu!! Warte, wir kommen und holen dich!“, rief Chan, um das ängstlich quietschende Meerschweinchen zu beruhigen. „Komm schon, Toffee!!“

„Äh…“

Chan griff nach den Schultern des Hoothoot und hüpfte mutig von der Kante auf ein weiteres bereit stehendes Spinnchen. Zuvor hatte er noch damit gerechnet, dass dieses dem von Tiramisu folgte, aber gerade musste er sich eines Besseren belehren lassen. Das Gerät unter ihm und Toffee schlug eine gänzlich andere Richtung ein. „Waa…!? Was soll das!? Was soll die Scheiiiiißee?“ hörte man den Trainer erschrocken rufen als er über ein ganz anderes Waldstück hinweg flog und Tiramisu einige Meter entfernt gegen den Trainer kämpfen sah. „Wir wollten nach da drüben!!“

Oh Gott, wo kamen sie denn da raus?! Mit einem „Aaaah!“ flog Chan raschelnd in eine gut bestückte Baumkrone. Der arme Toffee blieb davon verschont, war aber sicher auch nicht besser dran. Er landete zwar weich, aber als er sich nach der Ursache umsah, stellte er fest, dass er im Netz eines anderen Käfersammlers gelandet war.

„Oh?“, entdeckte dieser seinen Fang. „Naaaanuuuu? Was hab’ ich denn da gefangen? ’Nen Vogel…!?“

Davon war Kai, der Arenaleiter, nicht wirklich begeistert. Er hatte mit Herausforderern gerechnet, was nach dem vorherigen Geschrei nicht verwunderlich war, aber musste ausgerechnet ein Flug-Pokémon dabei sein? Noch dazu wirkte das noch sehr klein und schüchtern. „Du bist doch sicher nicht alleine hier… Wo ist denn dein Trainer abgeblieben?“

Hätte er sich umgesehen, hätte er sich die Frage sparen können, denn Chan rutschte gerade am Baumstamm entlang wie geplättet herunter und hielt sich die angeschlagene Nase. Autsch.

Toffee entdeckte seinen Trainer und schlüpfte flink aus dem Netz um winselnd auf diesen zuzuflattern. „Chaaan!!! Wäääh!!“

„Komischer Vogel.“, kommentierte der grünhaarige Leiter das Geschehen und zog damit den Zorn des Youtubers auf sich.

„Hä? „Komischer Vogel“…?“, äffte er die Worte nach und hielt den sich an ihn klammernden Toffee fest. Der verzog ganz schön das Gesicht und fand den Leiter wohl jetzt schon ziemlich doof. Chan konnte es nachvollziehen. „Hey, mein Team ist ja wohl fu**ing awesome!!!“

„Ach ja?“

Kai zeigte sich von dieser Ansage nicht besonders beeindruckt. Stattdessen wirkte er mit seinem Grinsen sehr kampfbereit und schickte auch schon sein erstes Pokémon – Sichlor – in den Kampf.

„Gegen dieses Käfer-Pokémon kann sogar dein Piepmatz nicht anstinken! Der hat keine Chance!“

„Woah!!“, entfuhr es seinem Herausforderer als dieser erschrocken das gegnerische Pokémon erkannte. „Kannst du nicht mit was Harmloserem anfangen!?“

Normalerweise setzten doch diese Käfersammler nur Raupy und Hornliu ein, vielleicht auch deren erste Entwicklungsstufe. Aber ein Sichlor zu Kampfbeginn war schon ein bisschen krass, um nicht zu sagen vollkommen übertrieben? Was ging denn mit diesem Kind ab, dass er gleich solche Geschütze auffuhr? Wollte der ihn unbedingt daran hindern, siegreich aus diesem Kampf hervorzugehen?

„Hmm…“ Kai schien ernsthaft über diese Frage nachzudenken, aber reagierte dann doch nur mit einem provokanten „Nö!“ darauf. „Nur weil du mit einem Vogel nicht gegen einen Flug-Käfer-Doppeltyp ankommst?“

Wahrlich, Toffee war da nicht gerade die beste Wahl. Aber genau das machte Pokémonkämpfe ja schließlich aus: Strategisches Vorgehen. Und er, Kai, wusste zumindest über die Schwächen in seinem Team Bescheid, und tat etwas gegen eben diese. Sichlor war eine gute Wahl weil es gegen die Flugattacken nicht ganz so anfällig war wie seine anderen Pokémon. Noch dazu konnte es immer besser austeilen je länger der Kampf dauerte – und dann würde die Zornklinge tödliche Folgen haben und ihn selbst als den klaren Sieger heraus kristallisieren. Das war seine Strategie.

Aber eines hatte er dabei nicht eingerechnet: Tiramisu, die mit laut gekreischtem „Neeeeiiiin!!!“ wohl doch noch den Weg an den Vortrainern vorbei gefunden hatte und einen flammenden Sturzflug genau auf das Sichlor hinlegte. Sie klammerte sich quiekend an dem Käfer fest als sie diesen endlich zu fassen bekam. „Lass den kleinen Toffee in Ruhe!!!“, brüllte sie laut und schaffte es, mit ihrem feurigen Auftritt den ersten Gegner auch außer Gefecht zu setzen bevor er ernsthaften Schaden anrichten konnte.

„Ähm…“ Damit hatte er wirklich nicht gerechnet und so war Kai für den Augenblick ziemlich verdutzt. Tja, eine Trumpfkarte spielte man eben zum Schluss auf. Jetzt hatte er nur noch die beiden Kokon-Pokémon und musste wohl auf Kokuna’s Giftstachel setzen.

„Egal. Meine anderen Käfer lassen sich nicht so einfach unterkriegen!“

Die konnten nämlich auch Härtner und so ihre Verteidigung erhöhen bis die Feinde durch das Gift in ihrem Blut langsam dahin siechten. Da war die Niederlage von Sichlor noch zu verschmerzen, der Kampf war jedenfalls noch lange nicht entschieden!

Diesmal trat auch der kleine Vogel an, der ihm zuvor ins Netz gegangen war, denn durch Tiramisu’s Auftritt war Toffee noch motivierter als ohnehin schon. „Ich will auch mal kämpfen!“

Jubelnd tappste er auf das Kampffeld, bemerkte jedoch im ersten Moment gar nicht, dass sich das gegnerische Kokuna längst zum Kampf bereit gemacht hatte und mit aufblitzendem Stachel auf ihn herunter sauste. Aber dem Feuer-Pokémon war es glücklicherweise nicht entgangen und so schubste sie Toffee beiseite und drückte das Kokuna mit der Hand weg. Zu langsam allerdings um von der gegnerischen Attacke verschont zu bleiben.

„Urgh!“ Autsch, das tat verdammt weh, dieses Stechen!

„Tiramisu!! N…nein!“

Oh nein, was sollte er tun? Ziemlich panisch über den erfolgreich eingesetzten Giftstachel drohte Toffee zu rotieren und noch unaufmerksamer zu werden. Kai sah darin seine Chance und forderte sein Safcon auf, diese zu ergreifen und dem kleinen Vogel mit einem Tackle zu schaden.

„Verzieht euch!“, quietschte das Hoothoot und warf das Safcon auf das Kokuna. „Ich hab‘ gerade anderes zu tun! Wäääh!!!“ Durch die harten Kokons erreichte Toffee mit dieser Aktion sogar ein Doppel-K.O. und konnte sich daher im nächsten Augenblick gleich ängstlich einer blassen, schwitzenden Tiramisu nähern, die ihre verletzte Hand hielt. „Tiramisu, alles okay? Bitte stirb nicht!!“

Das war seine größte Angst! Dass Tiramisu etwas geschehen könnte nur weil sie ihn beschützt hatte! Und sie sah gerade wirklich nicht gut aus. Das Gift breitete sich wohl in ihrem Körper aus und ließ sich keineswegs davon aufhalten, dass der Kampf bereits beendet war.

„Chan!! Chaaaan!! CHAAAAAN!!!“ Mit jedem Wort quietschte Toffee lauter um den Trainer auf sich aufmerksam zu machen, der gerade den neuen Orden in Empfang nahm und von Kai bequasselt wurde, was ihm dieser Orden alles ermöglichte und wie toll das war und bla. „Tiramisu geht es nicht gut!!! Sie ist ganz blass und verschwitzt und keucht!“

In Punkto Weinerlichkeit übertraf Toffee die Verletzte in diesem Moment sogar noch, denn als Chan Kai einfach stehen und weiter labern ließ um sich stattdessen seinem Pokémon zu widmen reagierte dieses nur mit einem leisen Schluchzen.

Ohne groß nachzudenken schnappte sich der Dunkelhaarige das Pokémon. „Du siehst gar nicht gesund aus! Los, zum Arzt ins Pokémon-Center!“
 

Und das ging schneller wenn er Tiramisu auf seinem Arm trug, sie war ja leicht genug dafür. Nur ihr Gezappel machte das Vorankommen etwas schwierig, aber das Center war ja nicht allzu weit von der Arena entfernt und so war Tiramisu bald in den Händen einer fähigen Person, die etwas gegen das sich ausbreitende Gift unternehmen und sie wieder aufpäppeln konnte.

Schwester Joy pattete Tiramisu tröstend und fürsorglich und machte bei ihrem „Keine Sorge, das bekommen wir schon wieder hin. Komm einfach später wieder vorbei.“ einen kompetenten Eindruck. Als sei sie schon öfter mit Vergiftungsfällen in Berührung gekommen und wisse genau, was sie zu tun habe. In dieser Stadt vielleicht gar nicht mal so abwegig, denn bestimmt war Chan nicht der einzige, der Kai in seiner Arena herausforderte.

„Vielen Dank!!“ Dem Trainer fiel ein Stein vom Herzen. „Dann ruh‘ dich gut aus, Tiramisu. Wir gehen in der Zwischenzeit noch ein bisschen auf der Route 33 vor der Stadt trainieren.“

Das war ja gleich ums Eck und wenn Tiramisu wieder fit war konnte sie ja gerne nachkommen. Ach ja, da fiel ihm gerade ein, dass er auf der besagten Route noch gar kein Pokémon gefangen hatte. Als er die Möglichkeit gehabt hatte waren da ja Kurt und dieser Kerl vom Team Rocket im Weg gewesen und hatten diskutiert – und Chan es daher ja vorgezogen, lieber einen Schleichversuch an den Beiden vorbei zu wagen statt sich ins hohe Gras zu werfen um nach einem weiteren Teamkameraden zu schauen. Das wollte nachgeholt werden! Das war doch eine schöne Aufgabe neben dem Training.

„Schoooon wieder!?“ Maaaann! Das nervte Petit Four jetzt aber ganz schön, dass sie schon wieder trainieren sollten. Hatten sie doch erst! „Kein Wunder, dass das alles hier so langsam voran geht, wenn du dauernd zum Trainieren gehen willst…!“ Wie lange dauerte das denn noch, sie wollte nach Dukatia City und shoppen – und nicht wieder zurück laufen und beim Trainieren schmutzig werden.

„Willst du nun nach Dukatia City oder nicht?“

„Natürlich will ich da hin…!!!“ Moment, erpresste Chan sie da gerade mit der neuen Stadt? Von wegen, er würde sie dort nicht hin bringen wenn sie das Training verweigerte? Was für ein Arsch! Dem würde sie es zeigen. Und wenn sie wirklich dreckig wurde beim Training, dann würde sie Chan’s gesamtes Geld für neue Kleider verwenden. So! Das hatte er jetzt davon! Mit diesem Hintergedanken fiel es ihr auch wenigstens ein kleines bisschen leichter, der Gruppe in Richtung der Route 33 zu folgen. Wenn auch grummelnd.
 

Eine weitere Tatsache, die das Training angenehmer gestaltete, war die doch recht kurze Dauer. Während Chan sich über ein gefundenes Hoppspross freuen konnte und die meiste Zeit damit verbrachte, diesem hinterher zu jagen und es doch nicht zu erwischen, stiegen seine Pokémon ein paar Level auf. Oreo auf seinem Level 9 war viel zu sehr damit beschäftigt, wilde Habitak-Weibchen aufzureißen und abzuschlecken, und damit Mööh’s Ekel und Zorn auf sich zu ziehen, die die Ratte an männlichen Seinesgleichen ausließ um auf Level 13 zu kommen. Der Anblick versetzte auch Toffee auf seinem Level 13 einen ziemlichen Schreck, so dass er sich eher versteckte als sich ins brutale Getümmel zu werfen. Das machte ihm Angst! Mööh machte ihm Angst! Ebenso viel Panik hatte wohl das Habitak vor Oreo, denn es entkam irgendwie seinem Griff und suchte sich als neues Opfer das Porzellanschweinchen Domino, den das Gepicke am Kopf ziemlich kalt ließ. Und auch Petit Four war nicht untätig, auch wenn sie von diesen primitiven Kampfhandlungen nun wirklich nicht viel hielt – aber diese sie angaffenden Ratten auf dem Baum gingen ihr auf die Nerven und so boxte sie ein Rattfratz nach dem anderen weg. Auch die beiden erreichten Level 17. Alles in einem waren sie also viel erfolgreicher als ihr Trainer, der immer noch das Hoppspross überreden wollte, der Meerschweinchen-Armee beizutreten, und keinerlei Fortschritt machte. Und entsprechend gereizt Julian anmeckerte, der ihn ständig während des Trainings anrief um ihm etwas von seinem ach so coolen Rattfratz vorzuschwärmen. Boah, wie nervig!

„Hihi.“ Ein leises Kichern ließ die Meerschweinchen und Chan ihre Tätigkeit unterbrechen. „Ihr seid ja ganz schön fleißig!“

„Tiramisu!“ Petit Four entdeckte das geheilte Feuer-Pokémon zwar als Erste, aber trotzdem war der Trainer am schnellsten bei seinem Starter und erkundigte sich nach ihrem Befinden. Tiramisu bestätigte, dass es ihr wieder besser ging, doch dann richtete sich ihre Aufmerksamkeit auf eine weitere sprechende Person.

„Sag mal…“ Leise und recht nah erklang sie, die Stimme jenes jungen Mannes, der entspannt mit den Händen in der Tasche seines Kapuzenpullovers an einen Baum lehnte.

„… „Tense“?“ War er das nicht? Tiramisu war sich nicht ganz sicher ob sie ihn richtig identifizierte, aber irgendwie so war der Name doch gewesen? Der Name dessen, der die anderen beiden Starter-Pokémon in Neuborkia geklaut hatte, und scheinbar mit Team Rocket unter einer Decke steckte?

„Was?“ Auch Chan wurde auf seinen Kumpel aufmerksam.

„… Stimmt es eigentlich, dass Team Rocket wieder da ist?“

Hä? Die Frage irritierte Trainer wie Pokémon offensichtlich, aber Chan fing sich recht schnell und erwiderte: „Jaaa… Die haben hier voll rum genervt. Wir haben sie längst verjagt! Und wo kommst du auf einmal wieder her…?“

Der tauchte immer so plötzlich auf wie er verschwand. Aber warum fragte er nach Team Rocket wenn er doch mit denen gemeinsame Sache machte? Irgendetwas war hier doch faul!

„Tze.“, machte Tense abfällig. „Erzähl keine Märchen!! Aber wenn das wirklich stimmt, dann kannst du mir ja bestimmt auch eine Kostprobe deiner Fähigkeiten geben.“

Oh-oh, hatte der nicht beim letzten Mal ein Wasser-Pokémon eingesetzt? Chan hatte noch immer nichts dabei, was diesem Pokémon effektiv schaden konnte. Aber er hatte auch keine Wahl, denn Tense setzte ohne große Umschweife seine Pokémon ein.

„Dann mal los, du Schwächling!“

Der Brillenträger schickte Zubat, Nebulak und Tyracroc ins Rennen während Chan sich für Domino und Petit Four entschied und seufzend die Herausforderung annahm. Blieb ihm ja eh nichts anderes übrig. Dann versuchte er aber wenigstens, einen Deal zu erreichen: „Wenn wir gewinnen verlange ich eine Erklärung von dir, was das alles soll!!“ Und damit meinte er auch wirklich alles! Den Einbruch ins Labor, das Böse-Bube-Getue, die Zusammenhänge mit Team Rocket – alles!!! Und für dieses Ziel wollte er den Kampf auch schnellstmöglich siegreich beenden und warf deshalb Domino für einen ordentlich schmerzenden Steinwurf auf das Geister-Pokémon und die Fledermaus.

„… Was soll der Scheiß?“

War das nicht geschummelt wenn der Trainer so in den Kampf eingriff statt seine Pokémon einfach mit Anfeuerungsrufen zu motivieren oder Items einzusetzen? Er hatte noch nie gesehen, dass jemand sein Kleinstein durch die Gegend warf. Aber gut, er hatte jetzt noch Tyracroc, das sich rechtzeitig unter dem Steinwurf weggeduckt hatte und ohnehin sein Ass im Ärmel war. Gegen dieses Prinzesschen würde es sich ja wohl durchsetzen können. Die sah eh so aus als würde sie beim kleinsten Pieks anfangen zu schreien und zu heulen.

„Los, Petit Four, zeig ihm, was für ein Miststück du sein kannst!“, beschränkte sich Chan nun wohl auch auf die Anfeuerungsrufe, denn Domino hatte seine Arbeit schon sehr gut erledigt und eine Wasserattacke würde ihn womöglich ausknocken. Also blieb ihm gegen das Krokodil ohnehin nur Petit Four.

Die sah alles andere als motiviert aus als das Tyracroc sein Gesicht zu einer sehr merkwürdigen Grimasse verzog. „… So etwas wie… das da? Nein, danke. Das entstellt mein wunderschönes Gesicht.“ Auf dieses Niveau ließ sie sich gar nicht erst herab. Was brachte es dem Vieh eigentlich, so dämlich zu glotzen?

„Neiiiin! Gähner und Bitterkuss!“, präzisierte ihr Trainer, was er gemeint hatte. Doch nicht so eine komische Grimasse. Petit Four war eh so zickig und eitel, da wäre es wahrscheinlich ziemlich merkwürdig, wenn sie auch so ein Gesicht machen würde. Aber mit Gähner und Bitterkuss konnte sie durchaus beweisen, wie fies sie sein konnte, denn die eine Attacke würde den Gegner einschläfern und die andere ihn verwirren. Kombiniert dürften dem Kroko weitere Attacken ziemlich schwer fallen und dann würde Petit Four alle Zeit der Welt haben, ihm Schaden zuzufügen.

„Ach so! Dann mal los!“ Auf diese Taktik konnte sich die Prinzessin einlassen. Die war elegant und sie würde dabei ihr schönes Kleid nicht dreckig machen, denn für ein Luftküsschen in Richtung des Gegners brauchte sie ja keinen einzigen Schritt zu machen. Und wirksam war es auch, denn Tyracroc patschte sich prompt selbst ins Gesicht. Harhar! Petit Four formte ein Victory-Zeichen mit ihren Fingern und lachte siegessicher. Auf eine Art und Weise, die genauso seltsam war wie die zuvor noch eingesetzte Grimasse über die sie sich so lustig gemacht hatte.

„Ach, und DAS „entstellt“ dein Gesicht nicht, oder was?“ Das war doch echt nicht zu fassen! Dieses Meerschweinchen! Die Rache folgte jedoch sogleich in Form einer Aquaknarre direkt ins Gesicht und Chan konnte sich ein kurzes Schmunzeln nicht verkneifen. Natürlich wollte er nicht verlieren weil Petit Four sich zu fein war, richtig zu kämpfen… aber diesen Treffer hatte sie irgendwo verdient! Und sie reagierte darauf ziemlich erschrocken und quietschte gleich laut: „Kalt! Nass! Iiiiiiieh!!“

Wie konnte dieses Mistvieh es wagen, sie wie einen begossenen Pudel dastehen zu lassen? „… Grr.“

Kaum war der Schreck überstanden überwog die Wut gegenüber dem dreisten Krokodil. „Ich bring dich um!! Was fällt dir Banause ein, meine Frisur zu zerstören!? Drecksvieh!!!“ Das gab eine Konfusion in die Fresse, die sich gewaschen hatte! Das Vieh sollte für diese Aktion büßen! Und damit wurde auch das dritte Pokémon des Feindes erledigt, doch der reagierte auf seine Niederlage scheinbar ziemlich gelassen und schnaubte nur verächtlich. „Ich hasse Schwächlinge…!“

Chan freute sich über den Sieg umso mehr, denn Petit Four hatte sich gegen Tyracroc ziemlich gut gehalten und nahm ihm so die Angst, dass das Krokodil ihnen jemals wieder gefährlich werden könnte. „Yeah! Gewonnen!!“ Die Siegerfaust schnellte in die Luft, aber trotzdem hatte der Dunkelhaarige nicht vergessen, dass er eine Bedingung gestellt hatte.

„Also, Tense? Wir haben eine Abmachung. Ich hab‘ dich besiegt, also rede!“

Herausfordernd blickend sah er sich nach seinem ehemals besten Kumpel um.

Und blickte einmal mehr ins Leere.

„… Tense?“

Nichts. Egal, wo er hinsah, der Kerl war schon wieder weg.

„Du bist echt so ein…!! Wo ist die Sackfalte jetzt schon wieder hin verschwunden!?“

Was für ein elendiger Verräter! Er hatte fair gekämpft, fair gewonnen und der machte sich einfach aus dem Staub statt seinen Teil zu erfüllen? Wie unfair war das denn?

„Raaaah! Das kann doch einfach nicht wahr sein! Ich krieg ‘ne Krise! Wieso haut der immer ab statt mir einfach mal zu erklären, was abgeht? So eine verdammte Schei…!!“

Das war doch echt zum Haareraufen! Schon wieder.

„Heul nicht so rum, du Pussy!!! Das nervt!“, murrte Mööh, der gar nicht verstehen konnte, was Chan für ein Problem hatte. Der Idiot war doch selber schuld. Schließlich konnte sich das Rattfratz nicht daran erinnern, dass der jemals die Bedingung angenommen und versprochen hätte, sich daran zu halten. Da sollte Chan nicht rumheulen wenn er nichts erreichte.

„Was!? Wenn hier jemand eine Pussy ist, dann ja wohl du, Mööh!“ Eigentlich. Bis jetzt hatte sich Mööh zwar nicht so pussyhaft verhalten wie er es von ihm gewöhnt war, aber Chan war gerade wegen Tense‘ Verschwinden ziemlich geladen und nutzte die Gelegenheit, seiner Wut Luft zu machen.

Und so war Tiramisu einmal mehr die Einzige, die einen klaren und ruhigen Kopf behielt und nachdachte statt ihre Zeit mit gegenseitigen Anschuldigungen und Beleidigungen zu vergeuden. „Hmmm… Vielleicht ist er in den Steineichenwald gegangen?? Er kann sich ja nicht einfach so in Luft aufgelöst haben… Und im Wald kann man sich bestimmt gut verstecken.“ Nah war er auch, denn wenn sie sich umdrehten standen sie direkt am Eingang. So abwegig waren Tiramisu’s Gedanken also gar nicht.

„Meinst du? Na ja, einen Versuch ist’s ja wert.“, gab Chan nach und beruhigte sich wenigstens wieder ein bisschen. „Und nach Dukatia wollten wir ja eh… Zumindest „wollen“ wir das, weil Petit Four unbedingt ins Einkaufszentrum will… na ja…“ Vielleicht war Tense noch nicht allzu weit gekommen und sie könnten ihn noch einholen?

„Genau!“, stimmte da sogar Mööh seinem Trainer zu, wenn auch mit ganz anderen Hintergedanken. Denn er hatte längst abgeschalten als der Dunkelhaarige die Prinzessin erwähnt hatte. „Ich brauche auch ganz dringend was aus dem Einkaufszentrum…“

Und dieses „was“ würde ihm sicher den Weg zu Petit Four’s Herzen ebnen. Wenn er ihr ein teures Geschenk – von Chan’s Geld natürlich – machte würde sie sich sicherlich freuen und sich in ihn verlieben. Hehe…

Aber erst einmal mussten sie es durch diesen Wald schaffen.

Und dann...



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