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Magi - The Labyrinth of MMORPG

von
Koautoren: Arcturus  _Delacroix_

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Wiggles

Es hatte Jafar Zeit und Nerven gekostet, seinem Gildenführer die Idee mit dem Treffen wieder auszureden. Drei lange Tage hatte er Risiken und Probleme in irgendwelche PNs getippt, bis Sinbad endlich von der Idee abgestorben war.
 

Angeblich hatte er gerade ja ohnehin keine Zeit.
 

Gerne hätte Jafar das jetzt schade gefunden, aber wenn er ehrlich war, war er eigentlich viel mehr erleichtert. Er mochte Sin, er mochte ihn wirklich, aber er war immer noch der Meinung, dass reale Kontakte keinen Bestand haben konnten.
 

Hatten sie nie.
 

Er hatte es in der Schule beobachtet, wo die Konstellationen mancher Mitschüler fast schon täglich wechselten und immer wieder Leute dabei auf der Strecke blieben. Jafar schüttelte den Kopf. Er wollte ganz sicher nicht der Dumme sein, der bei dieser Freundschaft auf der Strecke blieb.

Er wollte überhaupt nie wieder auf der Strecke bleiben.
 

Unwillkürlich fasste er seine Tüte fester und lief ein bisschen schneller. Es wurde Zeit, dass er und sein Buch nach Hause kamen und diese grässlichen Gedanken aus seinem Kopf verschwanden. Immerhin hatte auch er viel zu tun.

Er musste seine neuen Schulbücher lesen, sich auf Kurse vorbereiten und dann war da noch das Add-On, das er immer noch nicht vollständig erforscht hatte.

Wie auch, wenn man ständig damit beschäftigt war, Sin zu erklären, wieso seine neueste Idee eine reichlich Dumme war?
 

Mit gewohnter Routine bog er um die letzte Ecke, marschierte auf seinen Hauseingang zu, der leider genauso aussah, wie der Eingang nebenan. Er öffnete die Tür und erstarrte.
 

War das nicht sein unverschämter Nachbar, der gerade aus dem Fahrstuhl stieg?

Ja, eindeutig, das war sein unverschämter Nachbar und er trug Sportkleidung. Sportkleidung, die ihm einen Blick auf ein paar nackte Beine lieferte, die er so nie hatte sehen wollen.
 

Toll, ganz toll.

Heute blieb ihm auch wirklich nichts erspart.
 

Seine Hand umklammerte die Tüte so sehr, dass es schon zu schmerzen begann, sein Blick wanderte umher. Bloß nicht angucken, dann hielt der Typ vielleicht die Klappe.

Sollte er auf die Treppe ausweichen? Würde das komisch wirken? Und würde er es zu Fuß bis in den fünften Stock -
 

„AHHH!“
 

Jafars Kopf schnellte herum. Vergessen war der Versuch den Kerl zu ignorieren, vergessen der, den Kerl nicht anzustarren.
 

„Verdammte Scheiße! Lass los, lass los, lass los!“, brüllte es und für einen Moment war er schlicht überfordert. Dann verstand er, dass der Typ nicht ihn anbrüllt, sondern eine kleine, dicke, braune Wurst.
 

Ratte“, meldete sein Gehirn und ergänzte gleich noch ein „Blut“, das irgendwie fröhlicher durch seinen Kopf wanderte als gut war. Nein, es sollte ihn nicht freuen, dass dieser Kerl gebissen wurde. Solche Fakten sollten niemanden freuen.
 

Jafar machte ein paar schnelle Schritte, zielte genau und „KLATSCH!

Es winselte. Er zielte erneut. Das Buch sauste ein weiteres Mal auf das Tier herab, doch dieses Mal war es schneller. Sein Buch schlug dumpf auf den Boden. Das Vieh quietschte, grundlos.
 

„Wiggles! Fresschen!“, erklang es irgendwo von oben. Die Ratte rannte.

Feigling!
 

Stumm griff er nach der Tüte. Sein armes Politikbuch. Das hatte es eigentlich nicht verdient.
 

„Danke.“
 

Jafar hielt in der Bewegung inne. Verdammt! Seinen nervigen Nachbarn hatte er über der Ratte ganz vergessen. Vorsichtig wagte er einen Blick auf ihn und blieb ein weiteres Mal damit an den nackten Beinen hängen. Daran und an einer nicht ganz kleinen Menge Blut.
 

„Sie sollten das desinfizieren gehen.“
 

Ein Nicken, ein vorsichtiger Schritt, ein unterdrückter Schrei.
 

„Ich glaub ich gehe erst mal nirgendwo mehr hin“, stöhnte er mit schmerzverzerrtem Gesicht und Jafar spürte, dass er in der Falle saß. In einer Falle aus sozialen Spielregeln, die von ihm forderten, dass er half und sich nicht umdrehte und davonrannte, auch wenn es vermutlich klüger war.

Ein Kloß bildete sich in seinem Hals.

Er schluckte.
 

„Soll ich Ihnen zu Ihrer Wohnung helfen?“

Sein Nachbar nickte.

„Hoch in den Achten wäre toll und wenn du mich im Fahrstuhl ein bisschen bedauern könntest, wäre ich dir sehr verbunden.“
 

Es war die längste Fahrstuhlfahrt seines Lebens. Über zwei Minuten, die er damit verbrachte, seinen Nachbarn zu stützen und den schweren Geruch seines Parfums zu ignorieren, der sich heute noch viel intensiver in seine Nase zu bohren versuchte als sonst. Jafar mochte das nicht. Er mochte es nicht, den Fremden berühren zu müssen, er mochte das Blut nicht, das langsam in den Fahrstuhl sickerte und er mochte den schweren Atem nicht, der viel zu nah an seinem Ohr zu sein schien und ihm verriet, dass sein Nachbar immer noch Schmerzen hatte.
 

Aber am wenigsten mochte er Wiggles!
 

Diese Ratte war schuld, dass er seinen Nachbarn stützen musste. Diese Ratte hatte seinem Buch geschadet und den Blutfleck auf seiner Hose, den hatte sie auch zu verantworten. Überhaupt, was war Wiggles bitte für ein bescheuerter Name und wer brauchte so dringend eine bissige Wurst?
 

Er schnaubte abfällig.
 

„Irgendwann werf ich Wiggles aus dem Fenster.“
 

Jafar blinzelte. Hatte er das gerade wirklich gehört, oder war das eine Fata Morgana im Fahrstuhl gewesen?

„Was?“, fragte er nach.

„Irgendwann werf ich Wiggles aus dem Fenster“, wiederholte es sich an seinem Ohr, „Das Biest hat schon das dritte Mal nach mir geschnappt. Das ist gefährlicher als Al-Thamen. Würde mich nicht mal wundern, wäre der Scheiß Dackel in Wahrheit Gyokuen Ren.“

Jafar öffnete den Mund, doch zu seiner Überraschung kam kein Wort mehr heraus. Al-Thamen? Gyokuen Ren? Er musste wirklich zu viel von dem Parfum abbekommen haben. Woher sollte denn sein Nachbar wiss- Nein!

Nein, nein, nein!

Das konnte nicht sein.

Das durfte nicht sein. Sein Nachbar spielte auf keinen Fall... Nein!

Nein, nein und nochmals nein!
 

Er wollte zurückweichen, doch der Arm seines Nachbarn hielt ihn an Ort und Stelle. Der Fahrstuhl schien zu schrumpfen und in seinem Kopf dröhnte nur noch ein einziges Wort: Nein!
 

„Jafar?“, drang es an sein Ohr, aber so ganz konnte er es immer noch nicht glauben. Sein Nachbar kannte seinen Namen. Seinen Vornamen oder vielleicht auch seinen Maginick. Woran hatte er ihn erkannt? Woher wusste er - „Du kippst mir jetzt nicht um. Das ist mein Job. Das Monster hat mich gebissen. Ich bin der Invalide.“

„Invalide“, plapperte er nach und kam sich noch im gleichen Moment furchtbar dumm vor. Natürlich hatte die Ratte ihn gebissen, das hatte er selbst gesehen und natürlich war er der „Invalide“ oder zumindest leicht verletzt. Der Grund warum er ihn nicht stehen lassen konnte, auch wenn er es wirklich zu gerne getan hätte. Er wollte keinen seiner Mitspieler kennen. Gar keinen und vor allem keinen, der hinter seinem Rücken über ihn reden konnte. Mit anderen Leuten, mit seinen Mitspielern oder noch schlimmer mit -

„Sin?“

Der Fahrstuhl ruckte als wollte er ihn verhöhnen, dann öffneten sich quietschend die Türen zu einer ihm unbekannten Etage.

Sein Gegenüber grinste schief. „Herzlich Willkommen in Sindria.“



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