The Beginning Of The End
Mein Spiegelbild.
Ich war nie eingebildet, aber an diesem Tag sah ich wunderschön aus.
Meine langen orangenen Haare waren leicht hochgesteckt, einige Strähnen fielen locker herunter in mein Gesicht. Kleine weiße Blümchen verliehen der Frisur etwas Festliches. Das Make-Up war dezent und doch sehr schön.
Ein makelloses Gesicht blickte mich an.
Doch im Gegensatz zu meinem Äußeren war mein Inneres noch viel schöner. Ein zärtliches, verliebtes Lächeln zierte meine Lippen. Meine Augen strahlten mit der Sonne um die Wette. Liebe, Temperament und Freude waren darin zu lesen.
Heute würde ich heiraten. Und dies war der bisher beste Tag in meinem Leben.
Eine einzelne, kleine Träne suchte sich den Weg über mein Gesicht. Ich werde heiraten- und zwar den Mann, für den ich alles geben und hinnehmen würde.
Wer war diese Frau im Spiegel? Und wieso versprühten ihre Augen so eine Lebenslust und Verträumtheit?
Nicht mal ein Klopfen riss die junge Frau aus ihren Träumereien, gefangen im Spiegel.
Eine Frau mit blauen Haaren betrat den Raum, auch sie war festlich gekleidet in einem lachsfarbenen, kurzen Cocktailkleid.
"Nami… Du siehst wunderschön aus.”
Vivi fing ihren Blick im Spiegel auf. Sie war die Freundin, die Nami nie hatte.
“Ich kann es immer noch nicht glauben.” Wie ein kleines Kind grinste die Braut verschmitzt vor sich hin. “Könntest du mich vielleicht zwicken? Ich glaube, ich träume noch.”
Die Blauhaarige kam schnellen Schrittes heran und ihre Hand steuerte schon die Wange ihrer Freundin an.
Nami quiekte auf. “Bist du wahnsinnig? Doch nicht in die Wange! Mein Makeup”
“Jetzt bist du auch wach.” Beide mussten lachen.
Nami erhob sich langsam von dem Stuhl, ihre Augen immer noch in den Spiegel gerichtet.
"Das war es also..." seufzte sie zärtlich. Ihr Blick schweifte zu dem Amulett, das sie um ihren Hals trug.
Es war klein und silbern. Ihre Stiefmutter hatte es ihr vermacht, sie konnte an diesem Tag nicht dabei sein. Sie war tot.
Die Augenlider der Orangehaarigen schlossen sich, sie atmete tief ein und aus. In ein paar Minuten würde sie die glücklichste Frau auf Erden sein. Ihre Mutter hätte sich wahnsinnig für sie gefreut, nachdem sie Namis Auserwählten in die Zange genommen hätte.
Vivi hatte kurzerhand die Zeit vergessen. “Ohje Nami. Wir müssen los, sonst kommst du noch zu deiner eigenen Hochzeit zu spät.” Damit schloss sie Namis Hand in ihre und beiden lächelten sich an.
Die Orangehaarige sah so aus, wie es sich jede Braut an ihrem großen Tag wünschte.
Sie trug einen Traum in weiß, ein aus Satin gefertigtes A-Linien-Kleid ohne Ärmel, ihr Ausschnitt wurde in eine Herzform gebettet und kleine Perlen und Spitze um die Taille verzierten dezent das Kleid.
Es gehörte ihrer Mutter und sie sollte es tragen, wenn sie auf den richtigen Mann traf. Dieser war es definitiv. Sie würde das Kleid ihrer Mutter kein nächstes Mal tragen - da war sie sich sicher.
Sie gingen in langsamen, federleichten Schritten durch die Tür. In der anliegenden Halle war kein Mucks zu hören, Nami genoss diese Ruhe. Nur ihre leisen Schritte hallten ein wenig wieder.
Vor einer schwungvollen Treppe kam sie zum Stehen. Wenn sie diese Stufen hinter sich ließ, war der große Saal schon in Sicht. Alle warteten auf sie. Fieberten ihrem Kommen entgegen.
Ganz sachte nahm sie jede einzelne Stufe.
Sie würde heiraten. Eine Ehefrau werden. Eine kleine Familie sein.
Sie drückte Vivis Hand fester. Musste sich zusammenreißen.
Keine einzige Stufe hatte sie gezählt. Andere Gefühle beherrschten ihr Bewusstsein.
“Da seid ihr ja! Zorro stirbt dortdrin gleich in den Heldentod, wenn wir nicht anfangen.” Robin empfing sie beide ein wenig hektisch, die Nervosität war auch ihr anzusehen.
“Bereit?” Ihre Chefin zwinkerte ihr kurz zu, bevor sie mit langsamen Schritten in den Saal ging. Vivi war die Nächste. “Genieß es. Das ist euer Tag.”
Da stand sie nun. Inmitten zweier großer Flügeltüren.
Jede Braut wäre ab jetzt aufgeregt, nervös und hibbelig.
Nami nicht. Sie hatte nur Augen für ihren Mann, welcher ihren kleinen Sohn auf dem Arm trug, während er in ihrem Anblick versank.
Der Kleine war nicht geplant gewesen, aber als Zorro von ihrer Schwangerschaft erfuhr, hätte er sich nicht mehr freuen können. Sie war gerührt, wie zärtlich und penibel er mit ihr umging.
Und dann, als sie ihn zur Welt brachte, war Zorro der stolzeste Mann, den sie je gesehen hatte.
Mit leuchtenden Augen hatte er der Hebamme das kleine Bündel abgenommen, während Nami völlig verausgabt in ihr Bett sank.
Flashback.
Ein sanfter Finger streifte ihre Wange. Sie fühlte sich geborgen und gewärmt. Von irgendwo weit her konnte sie einen leichten Schmerz ausmachen, aber ihre Glückshormone verdrängten jegliches, schlechtes Gefühl.
Sie lag in einem Bett. Mit ihrem großen Babybauch war es schwierig, eine angenehme Lage zu finden, aber gera- Moment.
Ihre Hände wanderten vorsichtig zu ihrem Bauch. Keine Wölbung. Kein zweiter Herzschlag.
Mit einem Ruck kam sie zum Sitzen. Ein heftiger Schmerz durchzuckte ihre Magengegend. Der Schweiß brach ihr aus, weit aufgerissene Augen durchquerten den Raum - und blieben an ihrem Bettnachbarn hängen.
“Leg dich wieder hin mein Schatz. Es ist alles gut. Er ist hier, bei uns.”
Sein Blick deutete auf das Bündel in seinen Armen und mit einem Mal wich die Angespanntheit aus Namis Körper.
“Danke.” hauchte sie und blickte ihre beiden Männer verliebt an.
“Es gibt da noch etwas, was ich dich fragen wollte.”
Fragend sah die Orangehaarige ihren Freund an. Was wollte er denn wissen?
“Hast du etwa den Namen vergessen, welchen wir ausgesucht haben?” zischte sie.
“Quatsch. Ich wollte dich fragen, ob du etwas Spezielles mit dem Rest deines Lebens geplant hast?”
Ihr Blick sprach Bände. Völlige Irritation. Doch bevor sie irgendetwas erwidern konnte, nahm der Grünhaarige das Wort wieder auf.
“Denn wenn nicht, würde ich vorschlagen, dass du den Rest deines Lebens mit mir, mit uns verbringst.”
“Du meinst...D-das heißt… Oh Gott. Ja. Ja! Ich will!”
Die Bänke waren voll mit Gästen, mit ihren Freunden, Zorros Familie und sogar ihre Schwester sowie ihr Ziehvater waren anwesend.
Einen Fuß vor den anderen schritt sie an den Bänken vorbei. Große Augen verfolgten sie. Jeden Blick spürte sie in ihrem Rücken, doch es änderte nichts.
Ihre Aufregung war vollkommen weggeblasen, seit sie ihre Familie erblickte.
Die Zeit schien still zu stehen. Sie wusste weder die Anzahl der Treppenstufen noch die Schritte bis zum Altar. Nur noch wenige Augenblicke und sie kam an dem Altar an. Neben ihrem zukünftigen Ehemann.
Lorenor Zorro.
Er schaute ihr tief in die Augen, in welchen sich bereits kleine Tränen zeigten.
Sie war hier. Angekommen. Dort, wo sie hin wollte. Und sie stand mit dem richtigen Mann hier.
Einzig die Liebe vermag es, uns diese Augenblicke zu schenken, in denen für einen Moment die Zeit stillsteht, alle Bewegung erstarrt, alle Schmerzen schweigen und die Herzen im Einklang schlagen mit der Ewigkeit.