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Ein Tanz zwischen den Sternen

von

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Sternenopfer

„Ich verstehe nach wie vor nicht, warum ihr unbedingt mitkommen müsst“, meinte Basch zornig, „Mit dem Mob werden Penelo und ich problemlos alleine fertig.“

„Unser Boss glaubt das nich‘“, meinte Rikki.

„‚Euer Boss...‘ Hah! Ist dir schon mal aufgefallen, dass euer Boss ziemlich... schlüpfrig angezogen ist?“, konterte der Hauptmann.

„Unser Boss is‘ auch ‘ne Frau! ... Ist dir das nich‘ aufgefallen?“

„Hah!“

Basch war unglücklich. Nicht nur hatte er ein furchtbar schlechtes Gewissen, weil er den Kaiser in der Obhut dieser sogenannten Bürgermeisterin, sie hatte sich als Ruby vorgestellt, zurückgelassen hatte. Nein, auch der Umstand, dass sie sie dreisterweise dazu genötigt hatte, jetzt auf Monsterjagd zu gehen, ärgerte ihn. Und dass Larsa ihr Ansinnen unterstützt hatte, hat das Fass endgültig zum Überlaufen gebracht. Wenigstens hatte diese Frau zugestimmt, dass sich die imperialen Soldaten um die Sicherheit des Kaisers kümmern durften. Und dass Penelo für die Jagd entsprechende Ausrüstung gestellt bekam. Das war wenigstens ein kleiner Trost.

„Wir besorgen schnell die Perle und dann können wir eh schon wieder zurück“, meinte Penelo hilfreich.

Der Hauptmann brummte etwas Unverständliches und ging vorsichtig weiter. Momentan waren sie zu viert unterwegs, Rikki, Elza, Basch und Penelo, wobei die Piraten ihrerseits nur als Beobachter fungieren sollten. Irgendwie so hatte Ruby sich ausgedrückt.

Wenn ich dieses Weibsstück in die Finger kriege...‘, fluchte er innerlich.

„Und weil euer Boss nicht glaubt, dass ich diese Muschel auch allein knacke, kommt ihr freundlicherweise mit, um mir zur Hand zu gehen?“

„Nein... Wir kommen natürlich mit, um dich anzufeuern!“, erwiderte Elza liebenswürdig.

Penelo kicherte verstohlen, während Basch nur missmutig weiterstapfte. Die Algen reichten ihm bis zu den Waden und sauten seine Rüstung ein. Hier und da hatte sich heimlich etwas von dem Grünzeug mit dem Metall verlobt und schien es gar nicht mehr loslassen zu wollen. Einmal war er auf den glitschigen Blättern sogar ausgerutscht und hatte nur dank seiner Königinnenwache einen Sturz in das ekelig stinkende Gestrüpp verhindern können. Die Piraten hatten gebrüllt vor Lachen, als Penelo ihm auch noch aufhelfen wollte. Er hatte ihr nur einen wütenden Blick zugeworfen und sie mit einer Handbewegung verscheucht.

„Wisst ihr eigentlich, wie die Muschel aussieht?“, fragte die Blondine, um vom Thema abzulenken.

„Wir kennen nur Berichte, aber selbst gesehen haben wir sie noch nicht“, meinte Rikki, „Jedenfalls soll sich das Biest während der Ebbe immer in den Algen verstecken und wie aus dem Nichts Arbeiter anfallen. ... Das erste Mal hat’s einen von den Austernbänken erwischt, oder?“

Elza nickte. Die fröhliche Stimmung der beiden war verflogen. Basch seinerseits räusperte sich und blieb nach einigen Metern stehen.

„Dann ist Ruby gar nicht hinter der Perle her?“, fragte er verdutzt.

„Doch, das natürlich schon...“, antwortete Rikki, „Sie is‘ natürlich wie unsere reizende Elza hier ‘ne waschechte Frau und steht auf so Glitzersachen. Aber der Schutz der Arbeiter hat in dem Falle Vorrang. Einige trauen sich schon gar nicht mehr an die Ufer, um die Algen wegzuschaufeln.“

„Wie viele Angriffe hat es denn insgesamt gegeben?“, fragte Penelo.

„Hm, lass mich mal überlegen... Diese Woche dürften es zwei gewesen sein, aber die Woche davor waren es vier oder so... Hat dem alten Reckham den Unterschenkel abgebissen, mit nur einmal zuschnappen! Das Mistviech, das verdammte...“

Der Hauptmann drehte sich um und sah Rikki ernst an.

„Wie groß ist diese Muschel?“

Basch würde es nie zugeben, aber er war nun doch etwas verunsichert. Ein Mob, der mühelos Gliedmaßen abbiss, würde vor seiner Rüstung auch keinen Halt machen.

„Etwa so breit, wie ein Quahl lang ist... Ohne Schwanz natürlich...“

Der Hauptmann sah den Piraten nachdenklich an.

„Dann ist natürlich nachvollziehbar, warum Razz nicht mitkommen wollte. Ein Happs und weg“, meinte er mit leicht ironischem Unterton.

„Das is‘ nich‘ witzig!“, ereiferte sich Elza.

Tatsächlich war der kleinwüchsige Bangaa auf der Ufermauer zurückgeblieben, um dort auf sie zu warten. Nicht mal mit seinem Gleiter würde er entsprechend schnell wegkommen, sollte sich die Muschel ihn als nächste Delikatesse aussuchen. Die vier hatten mittlerweile einen Kreis gebildet und sahen unschlüssig von einem zum anderen. Sie standen mitten auf dem Ufer, die Algen reichten Basch bis über Knie, während Penelo halb in ihnen versank. Bald würde die Flut einsetzen, sie mussten sich also beeilen.

„Wir sollten uns besser eine Taktik überlegen“, meinte der Hauptmann, „Und ihr zwei werdet mithelfen!“

„Das war aber nich‘ abgemacht“, beschwerte sich Rikki, „Wir können nicht mal richtig kämpfen.“

„Ist mir egal. Ich hab sowieso nicht vor, euch in die vorderste Reihe zu stellen. ... Aber ich werde eurer Miesmuschel auch nicht gegenübertreten, wenn ich mich nicht darauf verlassen kann, Rückendeckung zu haben.“

Penelo, Elza und Rikki sahen sich an.

„Also, ihr zwei“, damit meinte Basch die Piraten, „werdet dafür sorgen, dass ich problemlos kämpfen kann. Das heißt so viel, dass ihr mich heilen und von negativen Zustandsveränderungen befreien werdet. Ich will nicht blindlings in der Luft herumfuchteln“

„Wär’s nich‘ besser, du wartest, bis sie mit geöffneter Schale auf dich zuspringt und stößt ihr dann dein Schwert in den gefräßigen Rachen?“, meinte Rikki.

„Ich werd’s nicht drauf ankommen lassen“, konterte Basch genervt.

„Und was mache ich?“, fragte Penelo neugierig, „Ich kann auch kämpfen.“

Der Hauptmann grinste kurz. Die Blondine konnte in der Tat kämpfen, das hatte er bei mehr als nur einer Gelegenheit feststellen können. Allerdings hatte er nicht vor, Larsas Gast einer unnötigen Gefahr auszusetzen, zumal sie auch nur mit einem Dreizack bewaffnet war. Für die Schale einer Muschel würde aber Brachialgewalt von Nöten sein.

„Du sorgst dafür, dass mein Gegner Probleme kriegt. Egal ob mit Gemach oder Stille. Und falls du zwischendurch Zeit hast, kannst du meine Angriffsfrequenz mit Hast raufschrauben. Oder Protes wirken.“

„Wird gemacht!“

„Gut.“

Basch sah sie der Reihe nach an.

„Dann müssen wir sie nur noch finden“, meinte er.

Die vier blickten sich um. Hier und da waren immer wieder Arbeiter zu sehen, die den Strand von den Algen befreiten. Aber es schien ein aussichtsloser Kampf zu sein, denn die Plage erstreckte sich scheinbar bis zum Horizont. Etwas weiter entfernt zu ihrer linken waren seltsam viereckige Aufbauten zu sehen, bei denen bei weiten mehr Leute zu sehen waren.

„Sind das die Austernbänke?“, fragte Basch.

„Ja. Die versuchen schon seit Tagen zu retten, was noch zu retten is‘.“

„Waren da in der letzten Zeit immer so viele Leute?“

„Ja. ... Eigentlich seit das mit den Algen überhandgenommen hat... Warum?“

„Wie viele wurden bei den Bänken angegriffen?“

Rikki warf Elza einen Blick zu und es machte Klick.

„Mehr als anderswo“, meinte er.

Sie setzten sich in Bewegung. Basch hieb hie und da auf die Algen ein. Trotzdem kamen sie nur langsam voran, weil sie nach wie vor darauf achten mussten, nicht zu stürzen.

„Oh nein, da!“, rief Penelo.

Die Gruppe hatte gerade mal die Hälfte des Weges zurückgelegt, da machte sich Panik unter den Arbeitern breit. Der Hauptmann sah, wie sie zwischen den Bänken hin und her liefen und versuchten, so schnell wie möglich rettendes Gebiet zu erreichen. Die Jäger hetzten weiter, so gut sie es auf dem schlüpfrigen Boden vermochten. Als sie ankamen, hatten die meisten Arbeiter die nahe Uferböschung erreicht und sich hinauf gerettet. Nur einige wenige schreckten noch aufgereckt hin und her.

„Los! Rauf auf die Bänke, da haben wir einen besseren Überblick. Verteilt euch, aber passt auf, dass ihr nicht zu nah an den Rand kommt.“

Penelo gehorchte anstandslos und zertrat dabei einige Austern, während die anderen beiden zögerten.

„Bist du sicher? Die Händler reisen uns die Köpfe ab, wenn wir...“, meinte Rikki.

„Verdammt noch mal! Rauf mit euch oder wollt ihr als Muschelfutter enden?“, brüllte Basch.

Elza kletterte Penelo hinterher, die ihr eine Hand reichte und machte sich dann auf den Weg auf eine etwas entferntere Bank. Sie übersprang die Wege, als sie sich sicher war, dass keine Monstermuschel in den Algen auf sie lauerte. Rikki seinerseits hatte in der gegenüberliegenden Ecke Aufstellung genommen, während der Hauptmann langsam auf die noch verbliebenen Arbeiter zuging.

„Seid ihr wahnsinnig? Ihr könnt doch nicht die Austern zertreten!“, schimpfte einer.

Der Krieger schwang nur drohend sein Schwert in die Richtung des Mannes und dieser suchte schleunigst das Weite.

„Basch, da hinten!“, rief Penelo und deutete auf die letzte Austernbank.

„Verflucht noch eins! Penelo, Protes, sofort!“

Die Blondine gehorchte aufs Wort und wirkte ihren Zauber auf einen Opa, der sich schützend vor ein Mädchen gestellt hatte, das etwa in ihrem Alter war. Basch hechtete zwischen den Tischen hindurch, um die beiden zu erreichen, während Rikki ihm auf den Tischen hinterher sprang.

„Ich kann sie nich‘ seh’n! Das Zeug ist hier viel zu hoch“, meinte der Pirat.

Der Hauptmann hatte die beiden beinah erreicht, als ein großer Schatten aus den Algen heraus auf sie zusprang. In letzter Sekunde erreichte Basch sie und schuppste den Alten sowie das Mädchen beiseite. Schützend hielt er seine Königinnenwache vor sich und der erste Angriff der Miesmuschel wurde nach links abgewehrt. Sie wich zurück in die Algen.

„Danke, Herr“, keuchte der Opa.

„Rauf mit euch auf die Tische und dann an Land.

Das Mädchen wollte aufbegehren, aber der Alte schob sie in die entsprechende Richtung. Die beiden wurden von Elza in Empfang genommen.

„Ich bring‘ sie in Sicherheit.“

Unter den dreien knacksten unzählige Austernschalen.

Na wenn das mal nicht der Grund ist‘, dachte Basch.

Er sondierte die Umgebung, während Rikki und Penelo hinter ihm Stellung bezogen. Erneut wurde Protes gesprochen, doch dieses Mal auf ihn. Der Hauptmann hackte die Algen ab, in denen er stand. Nichts war zu sehen, doch der Schein trog. Irgendwo in dem Gestrüpp musste sie noch lauern. Rikki hatte nicht übertrieben, als er meinte, sie sei so breit wie der Körper eines Quahls lang ist. Basch hatte nur einen kurzen Blick auf das Biest werfen können, aber der hatte ausgereicht. Die Muschel musste einen sehr dicken Panzer haben und nur kurz hatte er etwas Helles im inneren des Schalentieres ausmachen können. Das musste die Perle sein, die Ruby als Trophäe haben wollte. Der Hauptmann sprang auf den Tisch hinter sich und zertrat dabei ebenfalls einige Austern.

„Was meinst’e?“, fragte Rikki, „Is‘ sie abgezogen?“

„Das bezweifle ich... Wie lange versucht ihr hier schon, Austern zu züchten?“

Der Pirat sah perplex drein.

„Seit etwas über einem Jahr. Warum?“

„Und die Angriffe dieser Muschel finden erst seit zwei Wochen statt?“

„Ja, seit wir die Probleme mit den Algen haben. Jetz‘ sag doch mal, worauf willst’e hinaus?“

„Na ja. Es hätte ein Zusammenhang bestehen können zwischen der Zucht und eurer Miesmuschel. Aber bei dem langen Zeitraum ist das wohl doch nicht der Fall.“

Penelo stand auf dem Tisch nebenan und hielt ihren Dreizack mit beiden Händen.

„Und jetzt?“, fragte sie.

Basch sah sich kurz um. Elza hatte den Alten und das Mädchen mittlerweile auf sicheres Terrain gebracht und machte sich gerade auf den Rückweg.

„Es hilft alles nichts. Ich werde wohl selbst den Köder spielen und mich ein paar Meter von den Bänken entfernen. Wenn sie das nicht herauslockt, habe ich auch keine Idee mehr.“

„Bist’e sicher, dass das so ‘ne gute Idee is‘? So ‘ne Sardinenbüchse wie du liegt schwer im Magen!“, meinte Rikki.

Der Hauptmann sah ihn nachdenklich an, aber dann hellte sich sein Gesicht auf.

„Da hast du irgendwie Recht“, meinte er, „Von daher finde ich es toll, dass du dich gerade selbst dazu bereit erklärt hast, den Köder zu spielen.“

Damit stieß er den Piraten vom Tisch runter und in die Algen hinein. Er landete unsanft auf seinem Hintern.

„Ey ey ey! Das is‘ ja wohl mal ‘ne Unverschämtheit. Sagt, er lässt uns nich‘ in der ersten Reihe stehen und jetzt soll ich den Köder spielen!“

Rikki wollte wieder hinauf klettern, aber Basch hielt ihm halbherzig sein Schwert gegen die Brust.

„Das hättest du dir überlegen sollen, bevor du mich als ‚Sardinenbüchse‘ bezeichnet hast!“

Penelo schüttelte ihren Kopf, halb belustigt, halb beunruhigt.

„Hältst du das wirklich für so eine gute Idee?“, flüsterte sie ihm zu, als der Pirat sich anderthalb Meter von ihnen weggewagt hatte und ihnen den Rücken zudrehte.

„Warum? Es stimmt doch, was er sagte! Mit meiner Rüstung bin ich für den Mob kein leichtes Ziel, also eher uninteressant zum fressen.“

„Aber muss deswegen ausgerechnet er in die Algen rein?“

„Dich schicke ich bestimmt nicht. Und Elza werde ich auch nicht fragen. ... Auch wenn ein Gentleman einer Dame immer den Vortritt lassen sollte...“

Penelo kicherte leise. Sie hatten gar nicht bemerkt, wie Rikki angefangen hatte, mit seinem Schwert in den Algen herumzustochern. Sie hüllten ihn bis zu den Hüften ein. Plötzlich traf das Metall auf Widerstand und der Pirat erlitt von dem Aufprall einen Rückstoß. Basch war sofort zur Stelle und schlug mit seinem Schwert zu, als die Muschel zum Gegenangriff übergehen wollte. Auch seine Waffe vibrierte, als sie traf, aber das Biest wurde seinerseits nach unten abgelenkt.

„Weg hier!“, befahl er und Rikki ließ sich nicht zweimal bitten.

Schnell war er zurück bei den Austernbänken, um mit Elza und Penelo den Kampf zu verfolgen. Letztere wirkte gerade wieder einen Zauberspruch, aber ob Defix die Muschel beeindruckte, war noch nicht abzusehen. Sie lauerte regungslos vor ihrem Gegner zwischen den Algenblättern, die sie nur etwas verdeckten.

Sie muss über einen halben Meter dick sein... Gruseliges Geschöpf...

Doch Basch dachte sich nichts dabei und packte seine Königinnenwache fester. Er überlegte, wie er dieses Ding am besten knacken konnte und tat einen halben Schritt nach links. Seine Gegnerin drehte sich lediglich in seine Richtung mit, ohne den Abstand zwischen ihnen zu vergrößern oder zu verringern. Sie schien ihn genauso misstrauisch zu beäugen, wie er sie. Vorsichtig tat er wieder einen halben Schritt, dieses Mal nach vorne. Noch immer keine Regung.

Das ist ja viel zu einfach, wenn du dich nicht rührst... Oder bist du an Ort und Stelle fixiert?

Noch ein weiterer Schritt. Lediglich ein Meter lag zwischen dem Krieger und seinem Ziel, eine Distanz, die er schnell würde überwinden können. Basch musterte die Schale neugierig und sprang dann blitzschnell nach vorne. Er schwang sein Schwert, wurde dann aber von den Füßen gerissen. Das Biest hatte gewartet, bis er angreifbar war und dann einen Satz getan, ohne den gierigen Schlund aufzureißen. Der Hauptmann schlug der Länge nach in die Algen hinein und stieß sich den Kopf an einem Stein. Unter Husten und Prusten kam er wieder auf die Beine und wirbelte herum.

„Verdammtes Vieh!“, fluchte er.

Jemand wirkte Regena auf ihn, trotzdem lief Blut aus seiner Wunde und tropfte ihm ins Sichtfeld. Die Muschel schien ihn wieder zu mustern, ohne eine Bewegung zu tun. Basch überlegte, wie er ihrer habhaft werden konnte, ohne ein zweites Mal auf dem Boden zu landen. Er hatte das unbestimmte Gefühl, dass ihn seine Gegnerin nur austesten wollte.

„Kannst du es mal mit einem Feuer-Zauber probieren?“, rief er.

Die Frage war an niemand bestimmtes gerichtet. Trotzdem züngelten alsbald Flammen über seine Gegnerin. Die Muschel öffnete sich kurz, schloss sich aber schnell wieder, als Basch auf sie einschlug. Sein Schwertarm vibrierte.

„So wird das nichts“, meinte Penelo hinter ihm.

„Ich weiß. Sie ist schlauer, als ich erwartet hatte.“

Der Hauptmann versuchte es mit einer anderen Taktik. Er stieß sein Schwert auf das Maul der Muschel und versuchte, bis ins Innere vorzudringen. Von seinen drei Mitstreitern musste jemand seine Absicht verstanden haben, denn erneut züngelte ein Feuerzauber über die Muschel und Basch nutzte den Moment, sein Schwert hineinzustoßen. Seine Gegnerin wich zurück, gab würgende Geräusche von sich und sonderte dann bräunlichen Schleim ab.

„Igitt!“, kommentierte der Hauptmann.

Die Muschel sammelte sich geistig und machte dann Kehrt.

„Bleib gefälligst hier!“

Basch hetzte ihr hinterher in die Algen hinein und schlug nach ihr. Er traf sie nur halbherzig an der Stelle, wo die beiden Schalen fest verwachsen waren. Nichtsdestotrotz machte sie einen Satz nach vorne und versuchte, weiterhin zu flüchten.

Nicht gut...‘; dachte der Hauptmann, als er erkannte, wo sie ihn scheinbar hinlocken wollte.

Er beschleunigte seine Schritte, was angesichts der vielen Algen kein leichtes Unterfangen war. Trotzdem gelang es Basch, erneut nach der Muschel zu schlagen, dieses Mal kräftiger. Ein leichtes Knacksen war zu hören und das Schalentier wurde einen Meter weit geschleudert, wo es benommen verharrte. Gleichgültig ging der Hauptmann zu ihr hin und holte erneut aus. Die Muschel schien seine Nähe zu spüren, denn blitzschnell drehte sie sich herum und sprang ihn mit weit aufgerissenem Maul an. Basch stieß zu.

Einige Sekunden lang rührte sich keiner der beiden Kontrahenten. Nur wenige Zentimeter trennten sie voneinander, der Hauptmann mit einem leichten Ausfallschritt nach vorne, die Muschel zu voller Größe aufgerichtet. Was dann geschah, lies Basch entsetzt zurückweichen.
 

* * *
 

„Nein nein, das hat er wirklich gemacht!“, versicherte Ruby dem Kaiser.

Die beiden saßen gerade im Vorzimmer der Zitadelle. Nachdem Larsa mit der Bürgermeisterin über politische Dinge gesprochen und danach versucht hatte, mit ihr über eine Forschungsexpedition nach dem versunkenen Kontinent zu verhandeln, waren sie nun bei Anekdoten aus der Vergangenheit angekommen. Wobei der Kaiser mehrheitlich zuhörte, was die aufgeweckte Frau zu erzählen hatte.

„Das glaube ich immer noch nicht“, meinte der junge Lord und sah immer noch zweifelnd drein.

„Na ja, du kennst ihn wahrscheinlich nicht so wie ich. Als Kind kam er sehr nach seinem Vater... Der war auch ein Tunichtgut.“

„Und er hat seiner Mutter statt einem Glas Wasser echt ein Glas Alkohol gegeben?“

„Sie hat es ja immerhin überlebt. Aber das Donnerwetter kannst du dir gar nicht vorstellen. Er hatte einen Monat lang Hausarrest und musste immer die Wäsche machen. ... Sowas kennst du wahrscheinlich gar nicht, oder?“

Larsa schüttelte den Kopf.

„Diese Jugend heutzutage ist auch nicht mehr das, was sie einmal war...“, sinnierte die Rothaarige.

„Wie darf ich denn das jetzt verstehen?“, fragte der Kaiser pikiert.

„Ach nichts. ... Unser Freund Basch braucht ganz schön lange, meinste nich‘?“

„Sie sind bestimmt schon auf dem Rückweg.“

Ruby wollte gerade etwas Gegenteiliges erwidern, da ging die Tür plötzlich auf und herein kam Penelo, gefolgt von Elza und Razz.

„Da seid ihr ja endlich!“

Die Bürgermeisterin sprang von dem Sofa auf, auf dem sie gesessen hatte und musterte die Ankömmlinge der Reihe nach.

„Nanu? Wo ist denn unser Held?“

Larsa war ebenfalls aufgestanden.

„Wollte sich saubermachen, wenn ich ihn richtig verstanden hab...“, meinte Razz.

„Außer Flüchen hab ich gar nix verstanden“, fügte Elza hinzu.

„So schimpfend kenne ich ihn gar nicht“, überlegte Penelo.

Die drei tauschen vielsagende Blicke aus.

„Wart ihr denn erfolgreich?“, hakte der Kaiser nach.

„Wie man’s nimmt. Also der Mob ist auf jeden Fall beseitigt, falls du das meinst.“

Penelo kramte in ihrer Utensilientasche und förderte eine faustgroße Perle zu Tage.

„Da ist sie ja“, meinte Ruby erfreut und hielt der Blondine auffordernd die Hand hin.

Penelo betrachtete die Kostbarkeit noch einen kurzen Moment und händigte sie dann aus.

„Ist das als Anhänger nicht ein bisschen zu groß?“, fragte Larsa.

„Wieso als Anhänger?“

„Na ja, wenn Ihr die Perle um den Hals tragen wollt... Ich stelle mir das Schmuckstück am Ende ziemlich schwer vor...“

„Ach so. ... Gehen hier eigentlich alle davon aus, dass es mir nur um Kostbarkeiten und Glitzertand geht?“, fragte Ruby rhetorisch, „Nein nein, mein lieber Kaiser. Die Perle hat vielmehr medizinischen Nutzen. Zu feinem Pulver zerrieben und zu einer Salbe verarbeitet wirkt sie Wunder gegen Sonnenbrand! Eine Perle von dieser Größe sollte locker für fünfzig Kilo reichen.“

Larsa und Penelo warfen sich schnell einen Blick zu. Die Blondine schob sich unauffällig in die Nähe des Kaisers und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Die Bürgermeisterin schien es nicht bemerkt zu haben.

„Nun, wie dem auch sei. Ruby, ich werde mich jetzt leider verabschieden müssen. Wie Ihr Euch denken könnt, bin ich sehr beschäftigt und dringende Angelegenheiten verlangen meine Anwesenheit in Archadis.“

„Dass Ihr hohen Herren immer so förmlich sein müsst! Kommt Basch nicht mehr?“

„Ich fürchte nicht, wenn ich Penelo richtig verstanden habe.“

„Schade! Ich hätte mich zu gerne von ihm verabschiedet.“

Larsa unterdrückte ein Grinsen.

„Wir werden sicher in naher Zukunft wieder Gelegenheit bekommen, die aktuelle Lage in Archadia zu besprechen.“

„Und natürlich deine kleine Expedition.“

Der Kaiser legte den Kopf schief.

„Die auch. ... Also Ruby, es hat mich sehr gefreut, Ihre Bekanntschaft zu machen! Die Hilfstruppen machen sich auf den Weg, sobald ich in die Hauptstadt zurückgekehrt bin. ... Hätte ich gewusst, dass Balfonheim eine so charmante Frau als Bürgermeisterin hat, hätte ich schon viel eher Kontakt mit Euch aufgenommen.“

„Nein, wie höflich die jungen Leute heutzutage sind. Ich glaube, solche Manieren muss ich meinen Männern auch noch beibringen!“

Elza und Penelo kicherten, während Razz ein eher unglückliches Gesicht machte.

„Du wirst es sicher entschuldigen, dass ich euch nicht zum Luftschiffterminal begleiten kann. Als Bürgermeisterin hat man leider auch viele Verpflichtungen.“

„Natürlich. Wir kennen ja den Weg. Wir werden nur schnell den Hauptmann einsammeln und dann sind wir schon wieder weg.“

Ruby nickte.

„Ach, Elza, Schatz. Du würdest mir einen großen Gefallen tun, wenn du unserem Basch einen Schmatz zum Abschied von mir geben würdest.“

Die Angesprochene sah wider Erwarten wenig erfreut aus, begehrte aber nicht auf.

„Ihr scheint meine Leibwache ja besonders ins Herz geschlossen zu haben“, wunderte sich Larsa.

„Na ja, ich muss zugeben, ich habe ein Faible für Rüstungen.“

Der Kaiser warf Penelo einen unmissverständlichen Blick zu, bevor er sich empfahl und mit seinem Gefolge und den Piraten gemeinsam die Zitadelle verließ. Als sie draußen auf dem Vorplatz standen, wo die Algenberge nicht wesentlich kleiner geworden waren, blieb Larsa wieder stehen.

„Sagt mal, was ist eigentlich passiert?“, fragte er irritiert.

Die Blondine kratzte sich verlegen am Hinterkopf.

„Basch hat der Muschel den Gar ausgemacht, wie Ruby wollte...“

„Allerdings hat das Biest gekotzt, als Basch sein Schwert herauszog“, beendete Razz die Geschichte, „Hat ihn von oben bis unten erwischt...“

Der Kaiser riss entsetzt die Augen auf.

„Als wir das Ufer erreichten, wies er uns an, dich samt deiner Soldaten zum Luftschiffterminal zu schicken. Danach ist er wutschnaubend in Richtung Terminal gestürmt“, erzählte Razz.

„Rikki ist ihm vorsorglich hinterher“, meinte Penelo.

Ungläubig schüttelte Larsa den Kopf.

„Kein Wunder, dass er so schnell weg will. ... Dann lassen wir ihn lieber nicht warten.“

Sie setzten sich wieder in Bewegung.

„Ich werd‘ ihm aber keinen Schmatz auf die Backe geben...“, murmelte Elza, als sie einige Meter dem Straßenverlauf gefolgt waren.

„Och warum denn nich‘? Das würde ihn bestimmt aufheitern!“, feixte der kleine Bangaa auf seinem Gleiter.

Nur mit Mühe konnte der Kaiser sich ein Prusten verkneifen.

„Ihr könnt es ihm ja mündlich ausrichten, er freut sich bestimmt!“

Sie setzten ihren Weg fort. Wie auf dem Hinweg kamen ihnen nur wenige Männer mit vollbeladenen Wägen entgegen. Die Algenplage schien gar kein Ende zu nehmen.

„Hast du was erreichen können?“, flüsterte Penelo, als sie etwa die Hälfte des Weges hinter sich hatten.

„Ja. Ruby ist zum Glück viel umgänglicher, als ich vermutet hatte. Aber lass uns später darüber reden.“

Sie hatten das Luftschiffterminal erreicht und betraten es ohne Umschweife. Rikki kam ihnen bereits winkend entgegen.

„Das wird aber auch Zeit. ... Er hat furchtbar schlechte Laune“, eröffnete ihnen der Pirat.

Larsa wies seine Eskorte an, sich vor der Athmos zu sammeln. Der Kommandant der beiden Trupps fing eine Diskussion über die richtige Ausübung seines Dienstes an. Der Kaiser seufzte verdrießlich und willigte schließlich ein, dass vier Imperiale weiterhin für seine Sicherheit garantierten.

„Wo ist er?“, fragte er, als der Rest sich in Bewegung gesetzt hatte.

„Hier lang.“

Rikki führte sie einen kurzen Korridor entlang, an dessen Ende sich Sanitäranlagen befanden.

„Wir warten solange hier“, meinte Elza und nahm Penelo beiseite.

Larsa atmete einmal tief ein und wieder aus und betrat dann die Herrentoilette, gefolgt von Rikki. Basch stand vor den Waschbecken, in der einen Hand einen seiner Schulterschützer, in der anderen eine Bürste und schrubbte, was das Zeug hielt. Die dunkle Kleidung, die er für gewöhnlich unter der Rüstung trug, wies verräterisch viele feuchte Flecken auf. Als der Hauptmann bemerkte, dass er den kleinen Raum nicht mehr für sich alleine hatte, wollte er die Neuankömmlinge schon anfahren. Doch seine unbändige Wut wich purer Frustration, als er sah, dass es der Kaiser war.

„Ist es sehr schlimm?“, fragte letzterer wenig hilfreich.

„Ich werde die Rüstung eine Woche lang putzen müssen...“, kommentierte Basch.

Er hörte auf in seinem Tun und betrachtete das Ergebnis. Der Schulterschützer schimmerte nun wieder wie zuvor, dafür war die Bürste, die Rikki ihm gebracht hatte, komplett zugeschleimt.

„Euch ist es wohl lieber, das in aller Ruhe in Archadis zu machen, oder?“, hakte Larsa nach.

Der Hauptmann zuckte nur mit den Schultern und legte die Bürste ernüchtert weg. Der Pirat steckte den Kopf auf den Gang hinaus.

„Mädels, kommt mal her und helft tragen... Und ihr am besten auch!“

Die Imperialen reagierten nicht auf seine Aufforderung. Als Larsa ihnen jedoch mit zwei verdreckten Ellbogenschonern bewaffnet entgegen kam und sie ihnen kommentarlos entgegen hielt, zuckten sie nervös zusammen. Schnell hatte die kleine Gruppe die einzelnen Rüstungsteile unter sich aufgeteilt, wobei sie Basch nur sein Schwert zum Tragen überließen. Er schien so erschöpft zu sein, dass er nicht einmal Widerstand anmeldete, als selbst der Kaiser mit anpackte. Sie setzten sich in Bewegung und erreichten die Athmos in Rekordzeit.
 

* * *
 

Stunden später saß der Hauptmann in seinem Zimmer und putzte erneut.

„‚... mir putzen helfen...‘ Hah!“

Als sie im Palast angekommen waren, hatten sie sofort Baschs Zimmer aufgesucht, um seine verdreckte Rüstung so schnell wie möglich vor neugierigen Blicken abzuschirmen. Auf den Weg dorthin wurden sie von Lysander abgefangen, seines Zeichens Sicherheitsbeauftragter für die Hauptstadt. Larsa wollte ihn schon verscheuchen, aber Basch hatte nur einmal streng dreingeschaut und gemeint, dass er als Kaiser bei weitem wichtigere Dinge zu tun hatte, als bei der Reinigung der Ausrüstung seiner Leibwache zu helfen. Lysander hatte interessiert getan, sich aber eines Kommentars enthalten. Penelo war der Hauptmann jedoch nicht so leicht losgeworden und mit ihrer Hilfe hatte er immerhin den Harnisch wieder auf Hochglanz poliert bekommen. Sie wollten sich gerade an die Schienbeinschützer machen, als ein Bote kam und verkündete, dass Larsa Penelos Anwesenheit wünschte.

Jetzt brummelte der Hauptmann vor sich hin, während er am Boden hockte und unschlüssig auf die restlichen Teile seiner Rüstung schaute, die noch nicht von Schleim und Algenresten befreit worden waren.

„Seine Cousine... Das erklärt natürlich einiges...“, murmelte er.

Larsa hatte ihm und Penelo natürlich von seiner Unterhaltung mit Ruby erzählt und auch davon, dass die Bürgermeisterin scheinbar mit Zargabaath verwandt war.

Deswegen wollte er nicht nach Balfonheim...

Basch hatte die Rüstungsteile, nachdem sie gesäubert waren, wieder auf die Halterung gelegt. Wenn er komplett fertig war, musste er wahrscheinlich auch noch den Fußboden schrubben und den Teppich in die Reinigung bringen. Frustriert griff der Hauptmann zum zweiten Schienbeinschoner, tauchte die Bürste einmal in den Eimer mit Wasser und fing dann an, den Schleim in einen anderen Eimer hinein zu bürsten. Die Blondine war mittlerweile seit einer Stunde weg und Basch wunderte sich, was sie und der Kaiser gerade zusammen unternahmen. Oder weshalb Larsa überhaupt nach ihr hat rufen lassen. Inzwischen war es früher Abend und bald war Abendessenzeit.

Der Hauptmann war gerade mit dem vorletzten Teil seiner Rüstung fertig, als jemand höflich aber bestimmt gegen die Tür klopfte.

Ob sie schon wieder zurück sind?

Basch legte die linke Armschiene schnell zum Rest der Rüstung und ließ dann den Gürtel, den er noch nicht gesäubert hatte, unauffällig hinter der Sitzgruppe verschwinden.

„Herein?!“

Die Tür ging auf und Zargabaath schob seinen graumelierten Kopf hindurch, bevor er nach kurzem Zögern komplett ins Zimmer trat. Von allen möglichen Leuten hatte der Hauptmann am wenigsten mit ihm gerechnet.

„Wieso gefällt mir Euer Gesichtsausdruck nicht?“, fragte er leise, nachdem er den Besucher einmal von oben bis unten gemustert hatte.

Zargabaath wirkte verlegen.

„Wir brauchen jemanden mit ... Einfluss auf den Kaiser. ... Wenn Ihr versteht...“

Basch verschränkte die Arme.

„Üblicherweise ist es doch genau das, wofür ich vom Senat kritisiert werde“, konterte er.

Der Besucher kratzte sich am Hinterkopf und sah aufgeschmissen zur Seite.

„Dazu kann ich nichts sagen. Jetzt scheint Euer Einfluss auf den jungen Lord jedenfalls von Nöten zu sein... Meinte Senator Mambosa.“

Der Hauptmann zog eine Augenbraue nach oben.

Wenn der alte Mambosa das sagt, dann muss etwas wirklich Ernstes vorgefallen sein...

„Ich zieh mich schnell um, dann komm ich“, meinte er und verschwand nach nebenan.

Zargabaath schob sich wieder hinaus und wartete. Etwa fünf Minuten später stieß Basch wieder hinzu und die beiden machten sich auf den Weg ins Audienzzimmer.

„Übrigens nette Cousine, die Ihr da habt“, meinte der Hauptmann, als sie die nächstgelegene Treppe erreicht hatten.

Der Richter sagte nichts.

„Ich verstehe gar nicht, warum Ihr dem Kaiser nicht von ihr berichtet habt... Sie scheint eine ziemlich fähige Frau zu sein.“

Schweigen. Basch zuckte mit den Schultern. Sie setzten ihren Weg fort, ohne noch etwas zu sagen. Kurz vorm Audienzzimmer kam ihnen einer der Senatoren eilig entgegen.

„Da seid Ihr ja endlich“, meinte Mambosa vorwurfsvoll, „Ihr müsst unbedingt etwas unternehmen!“

Der Hauptmann verschränkte wieder die Arme.

„Warum?!“

Der Senator sah Zargabaath verwundert an.

„Ihr habt ihm nichts gesagt?“

Der Richter schüttelte den Kopf.

„Herrje, alles muss man selber machen“, schimpfte der Senator ungehalten.

Er griff unerwartet schnell nach Baschs Oberarm und zerrte ihn beiseite.

„Der Kaiser ist übergeschnappt“, flüsterte er, obwohl Zargabaath sehr genau selbst wusste, was vor sich ging.

Basch seinerseits war nach wie vor ziemlich verwirrt, ließ es sich aber nicht anmerken.

„Wie kommt Ihr darauf?“, fragte er nur.

„Wegen dieser seit Tagen herrschenden Hitze will er die Bewohner aus dem alten Archadis in den Palast holen... Bis sich das Wetter und damit die Situation bessert, wie er sagt.“

„WIE BITTE?!“, fragte der Hauptmann schockiert.

„Ihr müsst ihn unbedingt davon abbringen!“, fuhr Mambosa ungerührt fort, „nicht auszudenken, sollten sich bald Landstreicher und Kriminelle hier herumtreiben!“

„Sicher habt Ihr da etwas falsch verstanden...“, versuchte Basch zu beschwichtigen.

Er konnte sich nur schwer vorstellen, dass Larsa auf solch eine abstruse Idee kam. Obwohl der Junge schon immer die Welt verbessern wollte.

„Ganz bestimmt nicht!“, entgegnete der Senator, „Das hat ihm dieses Mädchen eingetrichtert!“

„Na na na, etwas mehr Respekt vor den Gästen des Kaisers, wenn ich bitten darf!“

Mambosa warf die Hände in die Höhe und wandte sich dann an den Richter, der der Diskussion unbeteiligt gefolgt war.

„Sagt Ihr doch auch mal was dazu!“

„Die Fürsorge des Kaisers für seine Untertanen ist bewundernswert...“

Basch nickte anerkennend, während Mambosa einen verzweifelten Gesichtsausdruck annahm.

„... jedoch lässt sich bestimmt auch eine andere Lösung für das Problem finden“, beendete Zargabaath seinen Satz.

So diplomatisch wie möglich.

„Da habt Ihr es! Entweder Ihr bringt den Kaiser von diesem Wohlfahrtskommando ab, oder...“

„Oder was?“, fragte der Hauptmann scharf, „Soweit ich mich erinnere, wart doch genau Ihr immer derjenige, der mich der Einflussnahme auf den Kaiser bezichtigte. Und jetzt wollt Ihr, dass ich eben jenen Einfluss, über den ich tatsächlich gar nicht verfüge, auf den Kaiser ausübe, um ihn von seinem Vorhaben abzubringen?“

Der Senator schwieg und funkelte Basch kriegslustig an. Dieser betrachtete seinen Kontrahenten nur noch einmal von oben bis unten und trat dann ins Audienzzimmer. Drinnen hielt sich eine bunte Truppe auf und debattierte munter. Mambosa und Zargabaath zwängten sich hinter dem Hauptmann ins Zimmer und der Pfau stürzte sich sogleich wieder in die Diskussion.

„Himmel, wie lange geht das schon so?“, fragte Basch.

„Etwa eine halbe Stunde. Nach Eurer Rückkehr hat der Sicherheitschef dem jungen Kaiser von der aktuellen Lage in der Stadt berichtet. Im kaiserlichen Archadis ist soweit alles normal, es sind kaum Bewohner in den Straßen und Schluchten unterwegs. Im alten Archadis jedoch...“, antwortete der Richter.

„Warum habt Ihr mir dann überhaupt davon berichtet?!“, vernahm Basch gerade die entrüstete Stimme des Kaisers.

Er richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf das Getümmel und sah, dass Larsa sich offensichtlich gerade mit Lysander in der Wolle hatte.

„Aber Eure Majestät... Denkt doch nur an die vielen Verbrecher, die über den Sohen Höhlenpalast versuchen, einen Weg in die Hauptstadt zu finden“, versuchte der Sicherheitsberater, ihn zu beruhigen.

Mambosa seinerseits schien inzwischen in ein Wortgefecht mit der neu ernannten Richterin Nima verwickelt zu sein, die sich scheinbar auf die Seite des Kaisers geschlagen hatte. Zudem waren noch die Senatorin für Handel, Ishia, sowie Senator Brigan anwesend. Auf welcher Seite der Diskussion die beiden sich befanden, war auf den ersten Blick nicht für Basch erkennbar. Penelo ihrerseits stand etwas abseits der Streitenden und schaute überfordert von einem zum anderen.

„Man könnte fast vergessen, dass die Hauptstadt von einer Hitzewelle heimgesucht wird, wenn man den Kaiser und die Senatoren so sieht“, kommentierte Zargabaath das Geschehen.

Baschs Lippen verzogen sich zu einem kurzen Lächeln. Schnell wurde er dann aber wieder ernst, als jemand seinen Namen rief. Lysander kam entnervt auf ihn zu.

„Hauptmann! Ich bin mit meinem Diplomatie am Ende! Könnt Ihr seine Majestät vielleicht davon überzeugen, auf seine Berater zu hören?“

Die Umstehenden hielten in ihren Gesprächen inne und sahen nun interessiert zu Basch. Er seinerseits musterte jeden Anwesenden. An Larsa blieb sein Blick etwas länger haften. Selten hatte der Hauptmann ihn so aufgebracht wie jetzt erlebt.

„Was ist denn überhaupt vorgefallen?“, fragte der Blondschopf in die entstandene Stille hinein.

Der Kaiser warf einen angriffslustigen Blick auf Lysander und ließ sich dann auf seinen Stuhl hinter dem großen Tisch plumpsen. Der Sicherheitsbeauftragte seufzte leise.

„Die seit Tagen andauernde Hitze hat mittlerweile erste Todesopfer im alten Archadis gefordert“, berichtete er kurz und knapp.

Basch riss schockiert die Augen auf, während Larsa sich mit der rechten Hand die Augen abschirmte. Betretenes Schweigen erfüllte den Raum. Den meisten schien das Schicksal der verarmten Bevölkerung ziemlich nahe zu gehen, manch andere schwiegen aber wohl nur aus Pietätsgründen.

„Ich kann nicht einfach danebenstehen und zuschauen, wie meine Untertanen sterben“, murmelte der Kaiser, „Vor allem dann nicht, wenn es sich um die verarmte Bevölkerung im alten Archadis handelt.“

„Das verlangt auch niemand, Eure Majestät“, meinte Senatorin Ishia mit beruhigender Stimme, „Nur sollten seine Majestät sich auch über mögliche Folgen oder Alternativen Gedanken machen. Die Bürger im Palast unterzubringen, sollte nach Möglichkeit die letzte Option sein...“

„Warum?“, fragte Larsa aufgebracht, „Der Palast ist riesig, bietet viel Platz und durch seine dicken Mauern Schutz vor der Hitze draußen. ... Außerdem haben wir viel zu viel zu Essen, während sie hungern!“

Mambosa machte ein wenig erfreutes Gesicht.

„Aber Majestät, denkt doch nur an Eure eigene Sicherheit!“, meinte er.

Dir geht es doch hauptsächlich um DEINE Sicherheit‘, dachte Basch.

Der Hauptmann hatte bisher noch nichts gesagt, dachte aber auch fieberhaft über eine Lösung nach. Vor allem auch deshalb, weil ihm der Gedanke, einfache Bürger im Palast unterzubringen, ebenso wenig behagte wie dem Sicherheitschef. Sein Blick traf zwischendurch den von Penelo, die aber nach einem kurzen Moment verlegen zur Seite sah.

Immer diese Weltverbesserer...

„Nun, man kann die Bürger auch mit Essen versorgen, wenn sie an einem anderen Ort in der Stadt untergebracht sind“, meinte er.

„Na seht Ihr, das ist doch schon mal ein Anfang“, pflichtete ihm Mambosa eifrig bei.

Larsa seinerseits spießte den Hauptmann mit beleidigten Blicken regelrecht auf.

„Du liebes bisschen...“, murmelte Senator Brigan leise, „Die Leibwache seiner Majestät wird von der Idee, Zivilisten im Palast unterzubringen, wohl am wenigsten begeistert sein.“

Der Kaiser gab sich geschlagen.

„Wo soll man sie dann Eurer Meinung nach unterbringen?“, erwiderte er.

Die Frage schien an niemand bestimmten gerichtet zu sein, aber alle machten immerhin nachdenkliche Gesichter.

„Wieso schaffen wir sie nicht ins Draklor-Laboratorium?“, fragte jemand von etwas weiter weg.

Zargabaath hatte sich die ganze Zeit über nicht gerührt. Überrascht drehten sich nun alle Köpfe nach ihm um.

„Das Laboratorium wurde zwar bald wieder in Betrieb genommen, aber seit dem Wechsel an der Führungsspitze des Laboratoriums hat es nie wieder seine früheren Kapazitäten erreicht“, fuhr er fort, „Einige Räume stehen leer, soweit ich weiß. Und das Gebäude hat ebenfalls dicke Mauern.“

Einige Sekunden sagte niemand was, dann brach die Hölle los. Larsa sprang von seinem Stuhl und sprudelte wie ein Wasserfall Anweisungen an Lysander hervor. Der nickte nur immer wieder und versuchte, sich die vielen verschiedenen Dinge zu merken, während Richterin Nima danebenstand und aufgekratzt auf Mombasa einredete. Letzterer versuchte gerade, alle Umstehenden davon zu überzeugen, dass das so nicht ginge und dass das Laboratorium viel zu viele Geheimnisse barg, als dass man Zivilisten dort unterbringen könne. Basch betrachtete das Treiben und gesellte sich dann zu Penelo auf die andere Seite des Tisches.

„Mission erfüllt?“, fragte er leise.

„Ich hab mich gar nicht eingemischt“, antwortete die Blondine.

„Ah ja.“

„Warum bist du eigentlich hier?“

„Jemand meinte, ich solle meinen Einfluss auf den Kaiser nutzen...“

Penelo sah in schief an.

“Hast du denn so viel Einfluss?“

„Natürlich nicht. Larsa möchte zwar häufig meine Meinung hören, aber er entscheidet grundsätzlich alleine.“

„Zargabaath!“, rief der Kaiser durch den Raum.

Der Angesprochene reckte den Kopf und trat mit hinter dem Rücken verschränkten Händen etwas näher heran, während die Gespräche allmählich wieder abebbten. Ein leichtes Lächeln umspielte die Mundwinkel des Richters, schien der Kaiser ausnahmsweise einmal ihn mit einer wichtigen Dringlichkeit beauftragen zu wollen und nicht Basch. Letzterer blickte eher desinteressiert drein.

„Das Draklor-Laboratorium zu nutzen, war keine schlechte Idee“, lobte Larsa.

Zargabaath machte ein selbstgefälliges Gesicht.

„Ich darf doch damit rechnen, dass Ihr dem Sicherheitsbeauftragen der Stadt jede erdenkliche Unterstützung bei der Umquartierung der Bürger zukommen lasst?“, fuhr der Junge ungerührt fort.

Der Gesichtsausdruck des Richters wechselte von stolz zu verunsichert.

„Seine Majestät wünschen, dass ich dabei helfe, die Zivilisten ins Labor zu schaffen?“, vergewisserte er sich.

„Natürlich! Es war ja schließlich Eure Idee.“

Basch konnte sehen, wie die Rädchen hinter Zargabaaths Hirn arbeiteten. Der Richter dachte vermutlich fieberhaft über eine Ausrede nach, warum er Lysander doch nicht unter die Arme greifen könne.

„Aber Eure Majestät. Diese Woche steht die Übung der verbesserten Manövrierfähigkeit der Alexander an. Meine Anwesenheit als Kommandant setzen die Truppen zum erfolgreichen Abschluss des Manövers voraus.“

„Das lässt sich doch bestimmt verschieben“, meinte Larsa zuversichtlich.

Basch grinste hinter vorgehaltener Hand. Nicht einmal einer der Senatoren, geschweige denn Richterin Nima, kam Zargabaath zu Hilfe. Letzterer überlegte noch einen kurzen Moment und ließ dann die Schultern hängen.

„Wie seine Majestät wünschen“, meinte er undeutlich.

„Dann hätten wir das ja geklärt“, erklärte Larsa hocherfreut.

Der Hauptmann nahm Haltung an. Die Diskussion schien vorüber und eine Lösung für die Bewohner des alten Archadis gefunden worden zu sein. Ishia und Brigan entschuldigten sich für den Rest des Tages und folgten Zargabaath, der in Chocobogeschwindigkeit aus dem Audienzsaal gestürmt war, nachdem der Kaiser ihn entlassen hatte. Larsa seinerseits gab dem Sicherheitsbeauftragten noch einige kurze Anweisungen und schickte diesen dann ebenfalls fort. Mombasa seinerseits wollte gerade auf den Herrscher zutreten, doch Basch hielt ihn davon ab.

„Senator!“, meinte er und nahm neben Larsa Stellung auf, „Euer Anliegen kann mit Sicherheit bis morgen warten!“

Der Angesprochene schaltete sofort und warf Basch wütende Blicke zu.

„Dass Ihr immer dazwischen funken müsst!“

„Meine Herren“, meinte Richterin Nima beschwichtigend, „Belasten wir seine Majestät nicht mit solchen Zankereien! Nach der hitzigen Debatte haben wir wohl alle eine Pause nötig.“

Mambosa rümpfte demonstrativ die Nase, entschuldigte sich dann aber beim Kaiser und schlurfte davon.

„Er wird es nie lernen“, meinte der Hauptmann, als sich die Tür hinter dem Senator geschlossen hatte.

Die Richterin ging zu ihm hinüber.

„Ihr auch nicht“, gab sie zurück.

Basch warf kurz einen Blick auf Larsa, der gerade mit Penelo den Kopf zusammen steckte.

„Was meint Ihr damit?“, fragte er leise.

„Ihr lasst selten eine Möglichkeit aus, den Senator aufs Korn zu nehmen“, antwortete Nima nach kurzem Zögern.

„Mag sein. Jedoch richten sich meine Absichten ausschließlich nach dem Wohl des Kaisers“, entgegnete er, „Larsa hatte heute schon einen anstrengenden Tag, bevor diese Debatte ihren Lauf nahm. Da ist es nur recht, wenn er sich jetzt entspannen kann.“

„Eure Fürsorge in allen Ehren. Aber habt Acht. Eure Nähe zum jungen Lord wird nicht nur vom Justizsenator missbilligt.“

Basch betrachtete Nima abschätzig.

„Droht Ihr mir?“, fragte er dann.

„Nein. Ich beobachte nur. Ihr mögt Mambosa vorhin zwar unterstützt haben, aber das befreit Euch nicht von seiner Abneigung. Und er hat einflussreiche Kontakte. Seid auf der Hut, Hauptmann!“

Die Richterin ließ ihn stehen, wo er war und gesellte sich dann zum Kaiser und seiner Besucherin. Basch starrte auf ihren Rücken, über den ein Umhang mit dem Siegel des Imperiums herab hing.
 

* * *
 

„Ist irgendwas vorgefallen?“, fragte Penelo in die Stille hinein.

„Wie meinst du?“

„Na ja, du hast fast nichts gesagt, seit wir Larsa allein gelassen haben.“

„Ich war nur in Gedanken, entschuldige“, entgegnete Basch.

Tatsächlich hatte es der Hauptmann ziemlich eilig gehabt, seinen Schützling erst mit einem angemessenen Abendessen zu versorgen und ihn danach direkt ins Bett zu stecken. Jetzt saß er mit der Blondine noch in ihrem Vorzimmer, zwei Gläser und eine Karaffe mit Wasser auf dem Tisch stehend.

„Bist du noch wütend wegen Ruby?“, fragte sie.

„Nein. Das nicht. ... Der kann man wohl auch nur schwer böse sein.“

„Und das, obwohl sie dich heute Nachmittag so herumkommandiert hat?“

Basch sah verlegen zur Seite.

„Ich hatte wohl nur schlechte Laune, weil ihre Bedingung offenbarte, dass ich nicht mehr so in Form bin früher“, erklärte er.

„Tatsächlich? Ist mir gar nicht aufgefallen.“

Der Hauptmann seufzte.

„Hast du denn schon deine Einkäufe von heute Vormittag ausgepackt?“, fragte er dann, um vom Thema abzulenken.

Penelo fiel aus allen Wolken.

„Mist! Die habe ich bei Larsa in seinen Zimmern vergessen.“

„Oh. ... Na ja mach dir keine Sorgen. Er ist ein Gentleman durch und durch und wird bestimmt nicht einfach reinschauen.“

Basch streckte sich auf dem Sofa, das er okkupiert hatte. Penelo ihrerseits hatte es sich auf einem der Stühle bequem gemacht.

„Diese Nima scheint recht nett zu sein“, meinte sie.

„Hm?“

„Na ja, sie hat mich gefragt, ob mir mein bisheriger Besuch denn gefallen hat. Ich war anfangs ziemlich verunsichert, weil sie ja auch eine Richterin ist und...“

„Und?“

„Na ja, bisher habe ich mit Richtern nicht so gute Erfahrungen gemacht. Das wirst du ja selber wissen. Das ist das erste Mal, dass ich einen getroffen habe, der es nicht auf uns abgesehen hat“, erzählte die Blondine.

Basch kicherte und schenkte sich dann von dem Wasser nach.

„Unterschätze die hohen Richter mal lieber nicht. Wir mögen zwar ein hohes Amt bekleiden, aber wir sind nach wie vor Menschen mit Emotionen. Da trifft man nun mal solche und solche. Manchmal trifft man falsche Entscheidungen... Oder setzt auf den falschen Chocobo, falls du verstehst.“

„Da hast du wohl recht. ... Trotzdem sind sie mir immer noch irgendwie unheimlich. Vor allem dann, wenn sie ihre Helme aufhaben.“

„Hah! Mach dir keine Sorgen. Von mir hast du sowieso nichts zu befürchten und die anderen drei neuen Richter, die Larsa direkt nach seiner Krönung zum Kaiser ernannt hatte, machen auch einen ausgeglichenen Eindruck auf mich.“

„Und dieser Zargabaath, der heute da war?“

Der Hauptmann überlegte. Eigentlich hatte er nichts gegen den hohen Richter, der von allen damaligen Richtern als einziger den Kampf von vor zwei Jahren überlebt hatte. Überhaupt musste man ziemlich fähig sein, die Wirren des Krieges heil zu überstehen.

Oder einfach nur Glück haben...

Wenn Basch an die vier anderen dachte. Von Drace wusste er lediglich, was Larsa ihm erzählt hatte. Dass sie ehrenvoll in Ausübung ihrer Pflichten gestorben war. Was entweder hieß, dass der Kaiser selbst keine Ahnung hatte, was der Hauptmann bezweifelte. Oder der Junge hielt es aus irgendeinem Grund für ratsam, Basch nichts davon zu sagen. Der Blondschopf hatte ab und zu darüber nachgedacht, Zargabaath darüber auszuquetschen, hatte sich aber jedes Mal dagegen entschieden. Richter Ghis hatte sich damals sozusagen selbst in die Luft gesprengt. Bei Richter Bergan hatten sie nachgeholfen, damit er das Zeitliche segnete. Und was mit Baschs Bruder Noah passiert war, wusste er nur zu gut.

„Zargabaath hat zur richtigen Zeit die richtigen Entscheidungen getroffen, wie mir scheint“, meinte Basch.

„Und Ruby ist tatsächlich seine Cousine?“, fragte Penelo.

Sie saß im Schneidersitz auf ihrem Stuhl.

„Anscheinend. Ich hatte ja selber keine Ahnung, bis Larsa es auf der Odin erzählt hat.“

„Sie scheint dich jedenfalls zu mögen.“

Der Hauptmann verschluckte sich fast, als er gerade Trinken wollte.

„Wie kommst du darauf?“, fragte er entsetzt.

Penelo sah verlegen zur Seite.

„Ich glaube, sie hätte dir gerne einen Kuss auf die Backe zum Abschied gegeben. Als du dann nicht gekommen bist, wirkte Ruby doch etwas enttäuscht und hat Elza aufgetragen dir an ihrer statt einen Schmatzer zu geben.“

Basch schwieg einige Sekunden. Dann sagte er:

„Das hat sie gar nicht gemacht!“, stellte er aufgebracht fest.

„Ich weiß. Wahrscheinlich hat sie sich vor dem Muschelschleim geekelt.“

„Das war auch wirklich widerlich! Zum Glück haben wir die Rüstung direkt danach geputzt. Ich glaube, wenn der Schleim festgetrocknet ist, würde man den Dreck nicht mehr abbekommen. Am schlimmsten waren die Algenreste zum heraus pulen ... Vielen Dank für deine Hilfe!“

„Keine Ursache. Dafür sind Freunde ja da.“

Sie schwiegen eine Weile und lauschten in die Nacht hinaus. Kein Tier war zu hören, nur das ferne Summen von Flugschiffen, die selbst zu dieser späten Stunde noch unterwegs waren.

„Ich hoffe, Vaan meldet sich bald. Über den ganzen Trubel heute habe ich Rabanastre ganz vergessen“, meinte Penelo dann.

„Mach dir keine Sorgen. Ashe ist schlau und wird momentan damit beschäftigt sein, die Aufräumaktionen zu koordinieren.“

„Trotzdem wüsste ich lieber, was los ist.“

Basch nickte.

„Wir können ja morgen schauen, ob Nachrichten gekommen sind. Larsa wartet auch brennend auf Antwort.“

„Glaubst du, er will morgen wirklich die armen Bürger aus dem alten Archardis im Labor besuchen? Ich hätte ja nicht gedacht, dass er sich tatsächlich zu einem so volksnahen Herrscher entwickelt“, überlegte die Blondine dann.

„Man kann ihn wohl schwer davon abbringen. Mich hat es eher gewundert, dass er Zargabaath befohlen hat, bei der Unterbringung zu helfen.“

„Warum? Ich erinnere mich noch daran, dass du neben mir komisch kichernde Geräusche abgegeben hast, als Larsa ihn damit konfrontiert hat.“

„Ein bisschen Schadenfreude wird ja wohl noch erlaubt sein“, rechtfertigte sich der Hauptmann.

Seit er mit Larsa, aber ohne Noah, damals auf der Alexander angekommen war, hatte Zargabaath ihn misstrauisch beäugt. Letztendlich nicht ohne Grund, wie Basch sich jedes Mal wieder in Erinnerung rufen musste. Seitdem standen die beiden in stetigem Wettstreit darüber, wer die Aufgaben des Kaisers besser erfüllte. Wobei sie eher selten Zeit dazu hatten, ihre kleine Rivalität tatsächlich auszutragen. Basch war häufig in direkter Nähe von Larsa aufzufinden, während Zargabaath mit seiner zwölften Luftschiffflotte meistens irgendwo unterwegs war.

„Aber ich glaube, ich werde den Ärmsten morgen einfach mal ablösen. Es ist durchaus offensichtlich, dass die Bewohner des alten Archadis überprüft werden müssen und mit der zwölften Flotte geht es viel schneller, sie ins Laboratorium zu schaffen. ... Und wie Larsa schon richtig erkannt hat, sollte auf jeden Fall ein hoher Richter anwesend sein. Aber das wäre etwas gewesen, was zum Beispiel auch Richterin Nima mit Hilfe einer der anderen imperialen Flotten hätte übernehmen können. Das Manöver, von dem Zargabaath heute gesprochen hat, wird schon seit Wochen geplant, soweit ich weiß“, erklärte Basch.

„Vielleicht war Larsa einfach nur übermüdet.“

„Das kann gut sein. Ich bin gespannt, wie stressig es morgen dann wird, wenn er selber ins Draklor-Labor fliegen will.“

„Bei den Bürgen kommt es bestimmt gut an“, meinte Penelo begeistert.

Der Hauptmann musterte sie nachdenklich.

„Hast du das Larsa auch gesagt, als du ihn auf die Idee gebracht hast?“, fragte er dann.

Die Blondine sah ertappt beiseite.

„Ich hab es nur gut gemeint. Außerdem ... Ich meine, du kannst doch wohl selber nicht bestreiten, dass das Frühstück heute mehr als nur üppig war. Wir haben nicht einmal die Hälfte davon gegessen und wir waren zu viert. Da kann man bestimmt einen Teil für die Armen abzweigen, so dass niemand hungern muss. ... Dass man die Bewohner ja auch im Palast unterbringen könne, darauf ist er ganz alleine gekommen“, verteidigte sie sich.

„Ah ja.“

Basch musste wider Willen schmunzeln. Larsa hatte, schon seit der Hauptmann ihn damals kennen lernte, einen unstillbaren Trieb, die Welt zu verbessern. Diese eigentlich sehr lobenswerte Eigenschaft ließ das Umfeld des Kaisers aber hin und wieder verzweifeln.

„Was ist eigentlich ansonsten für morgen geplant?“, fragte Penelo dann.

„Weiß nicht. Vielleicht wird dieser lästige Senator morgen bei Larsa aufschlagen und ihn mit irgendwelchen Unwichtigkeiten behelligen. Das lässt sich leider nicht vermeiden, da jeder der Senatoren irgendwann einmal die Möglichkeit haben muss, dem Kaiser seine Überlegungen vorzutragen“, antwortete Basch.

„Ich meinte eigentlich, was wir zwei dann unternehmen. ... Oder musst du ihn morgen wieder bewachen?“

„Na ja. Da werde ich wohl oder übel nicht drum herumkommen. Es ist ja schließlich mein Job und den habe ich heute viel zu sehr vernachlässigt, wenn ich so darüber nachdenke.“

„Du bist tatsächlich reif für Urlaub!“

„Urlaub? Urlaub gibt’s für Richter nicht!“

Die Blondine sah entmutigt drein.

„Wieso hast du den Posten dann überhaupt angenommen? Den Kaiser beschützen kannst du doch auch so.“

„Das war auch mein Gedanke damals. Allerdings ist der Richterposten noch bei weitem mehr mit Respekt behaftet als ein einfacher Posten als Leibwache. Hat Larsa damals gemeint...“

„Aha. Er wollte wohl auf Nummer sicher gehen?“

„Wer weiß das schon. Ich habe ihn nie danach gefragt und es ihm auch nie angelastet. Allerdings...“

Basch brach ab und gähnte künstlich. Penelo ihrerseits zog eine Augenbraue nach oben.

„‚Allerdings‘?“, hakte sie nach.

„Ach. Nichts, worüber man sich Sorgen machen müsste.“

Die Blondine glaubte ihm kein Wort, sagte aber nichts mehr dazu. Wenn der Hauptmann nicht drüber reden wollte, musste man ihn auch nicht dazu drängen.

„Holst du mich morgen früh wieder ab?“, fragte sie stattdessen.

„Das sowieso. ... Ich hab mich selbst nach einer Woche immer noch verlaufen.“

Basch stand auf und streckte sich einmal. Dabei knackten einige Gelenke, was Penelo zum Kichern brachte.

„Ich bin eben auch nicht mehr der Jüngste“, meinte er lapidar, „Deshalb werde ich jetzt auch ins Bett gehen. Unglaublich, wie kaputt man sich fühlt, wenn man seit Monaten mal wieder einen ernsthaften Zweikampf zu bestehen hatte.“

„Du hast dich aber prima geschlagen!“

Penelo stand ebenfalls auf und brachte den Hauptmann noch zur Tür.

„Danke. Ich werde mir wohl demnächst einen Trainingsplan ausdenken müssen, wenn ich nicht komplett einrosten will“, meinte er.

„Aber erst, wenn dieses unbarmherzige Wetter vorüber ist“, meinte die Blondine.

„Das hast du Recht. ... Also dann Penelo. Man sieht sich morgen in alter Frische, gute Nacht.“

„Nacht, Basch.“

Die Tür schloss sich leise hinter ihm.



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